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Einführung Spektrale Graphentheorie
1
Tobias Weihrauch
Definitionen und Beispiele
Definition 1 (Graph). Ein gewichteter Graph G = (V, E, w) besteht aus einer abzählbaren
Knotenmenge V , einer Kantenmenge E ⊆ V × V und einer Gewichtsfunktion w : V × V → R,
wobei E = {(u, v) ∈ V × V | w(u, v) 6= 0}.
• G heißt ungewichtet, falls w(V × V ) ⊆ {0, 1},
• G heißt ungerichtet, falls w(u, v) = w(v, u) ∀ u, v ∈ V (in diesem Fall identifiziert man eine
Kante meist als ungeordnetes Paar {u, v}).
• G heißt endlich, falls |V | < ∞.
P
• w(u) :=
w(u, v) heißt gewichteter Grad bzw. Knotengewicht von x.
v∈V
P
• Das Volumen von G ist definiert als vol G = u∈V w(u).
Beispiele 1 (Einfache Graphen). Sei n ∈ N
1. Der Pfad Pn mit n Knoten, s. Abbildung 1.
2. Der Zyklus Cn mit n Knoten, s. Abbildung 2.
3. Der vollständige Graph Kn mit n Knoten, s. Abbildung 3.
4. Der Stern Sn mit n Knoten, s. Abbildung 4.
0
1
0
1
2
6
3
2
5
3
Abbildung 1: Der Pfad P4 .
4
Abbildung 2: Der Zyklus C7 .
0
1
2
1
6
4
0
3
2
3
5
4
Abbildung 3: Der vollständige Graph K5 .
Abbildung 4: Der Stern-Graph S6 .
Beispiel 2 (Cayleygraph). Sei H eine Gruppe und S ein Erzeugendensystem von H. Der Cayleygraph Γ(H, S) ist der ungewichtete, gerichtete Graph mit Knotenmenge H und Kantenmenge
E = {(u, v) ∈ H × H | ∃ s ∈ S : v = us} .
Ist S symmetrisch, d.h. gilt S = S −1 , so kann der Cayleygraph als ungerichtet interpretiert werden.
1
Einführung Spektrale Graphentheorie
Tobias Weihrauch
Als Beispiel betrachten wir die Kleinsche Vierergruppe H = ({e, a, b, ab} , ·) mit dem Erzeugendensystem S = {a, b}, s. Abbildung 5.
ab
a
b
e
Abbildung 5: Der Cayleygraph der Kleinschen Vierergruppe für S = {a, b}.
Definition 2 (Graphen als Matrizen). Sei G = (V, E, w) ein gewichteter Graph. Die (verallgemeinerte) Matrix bzw. der Operator
1. A = AG ∈ RV ×V mit A(u, v) = 
w(u, v) heißt (gewichtete) Adjazenzmatrix von G.
w(u) − w(u, u) , u = v
2. L = LG ∈ RV ×V mit L(u, v) =
heißt Laplace-Operator von G.
−w(u, v)
, sonst

w(u,u)

, u = v und w(u) 6= 0
1 − w(u)


w(u,v)
V ×V
mit L(u, v) = − √w(u)w(v) , w(u, v) > 0
heißt normierter
3. ∆ = L = LG ∈ R



0
, sonst
Laplace-Operator von G.
Bemerkung.
1. A, L und ∆ sind Operatoren auf l(V ) = {f : V → R}. Im endlichen Fall wird eine Funktion
T
f : V → R dann als Spaltenvektor (f (v1 ), . . . , f (v
n )) interpretiert.
√ 1
, u = v und w(u) > 0
w(u)
−1/2
2. Setzt man T (u, v) = δu,v w(u) und T
(u, v) =
, so gelten
0
, sonst
L=T −A
und
∆ = T −1/2 LT −1/2 .
In den meisten Anwendungen kommen keine isolierten Knoten vor, d.h. w(u) > 0 gilt ∀ u ∈ V .
In diesem Fall gilt T −1/2 = (T −1 )1/2 und damit
∆ = I − T −1/2 AT −1/2 .
3. Es gilt
(Lf )(u) = w(u)f (u) −
X
w(u, v)f (v)
v∈V
und, falls w(u) > 0 ∀ u ∈ V ,
1
(∆f )(u) = p
w(u)
X
f (u)
f (v)
w(u) p
−
w(u, v) p
w(u) v∈V
w(v)
2
!
=p
1
X
w(u) v∈V
w(u, v)
f (u)
f (v)
p
−
w(u) w(v)
!
Einführung Spektrale Graphentheorie
Tobias Weihrauch
Definition 3 (Spektrum eines Graphen). Sei G ein Graph und ∆ der zugehörige normierte LaplaceOperator. Die Eigenwerte von G sind die Eigenwerte von ∆, d.h. alle λ ∈ C, für die ein f ∈ RV ,
f 6= 0, existiert mit
∆f = λ · f.
Wir definieren die Menge der Eigenwerte σ(G) := σ(∆) als das Spektrum von G.
2
Erinnerung an Spektraltheorie (Lineare Algebra)
Theorem 4 (Spektralsatz symmetrischer Matrizen). Sei A ∈ Rn×n eine symmetrische Matrix.
Dann hat A nur reelle Eigenwerte und es existiert eine Orthonormalbasis b1 , . . . , bn des Rn , die
nur aus Eigenvektoren von A besteht.
Satz 5 (von Courant-Fischer). Sei A ∈ Rn×n eine symmetrische Matrix mit Eigenwerten λ0 ≤
. . . ≤ λn−1 . Weiter sei Xi die Menge der i-dim. Unterräume von Rn . Dann gilt
λi = min max
X∈Xi+1 x∈X
x6=0
xT Ax
xT Ax
= max min T .
T
X∈Xn−i x∈X x x
x x
x6=0
Insbesondere gelten
λ0 = min
x6=0
Den Bruch
T
x Ax
xT x
xT Ax
xT Ax
, λn−1 = max T .
T
x6=0 x x
x x
nennt man Rayleigh-Quotient.
Bemerkung. xT Ax = hx, Axi (Skalarprodukt in Rn ).
3
Erste Aussagen
Falls nicht ausdrücklich anders angegeben, gehen wir stets davon aus, dass die betrachteten Graphen folgende Eigenschaften besitzten:
• ungerichtet
• endlich (mit |V | ≥ 2)
• w(u) > 0 ∀ u ∈ V
Lemma 6.
1. σ(G) ⊆ R≥0 .
2. Ordnen wir die Eigenwerte λ0 ≤ λ1 ≤ . . . ≤ λ|V |−1 von G aufsteigend ihrer Größe nach,
erhalten wir λ0 = 0.
Beweis.
1. σ(G) ⊆ R ist klar, da ∆ symmetrisch ist. Weiter gilt für f ∈ RV
"
!#
X
X
X
hf, Lf i =
f (u)(Lf )(u) =
f (u) f (u)w(u) −
f (v)w(u, v)
u∈V
u∈V
=
f (u)2 w(u) −
u∈V
=
X
f (u)f (v)w(u, v)
v∈V
1 X f (u)2 w(u, v) − 2f (u)f (v)w(u, v) + f (v)2 w(u, v)
2
u,v∈V
=
v∈V
#
"
X
1X
2
(f (u) − f (v))2 w(u, v) ≥ 0
u,v
3
Einführung Spektrale Graphentheorie
Tobias Weihrauch
und
hf, ∆f i = hT −1/2 f, L(T −1/2 f )i = hg, Lgi ≥ 0.
i
Damit folgt für f ∈ RV , f 6= 0, auch hf,∆f
hf,f i ≥ 0 und nach dem Satz von Courant-Fischer
λ ≥ 0 für alle λ ∈ σ(G).
2. Dass wir die EW ordnen können ist klar, da sie nach 1 reell sind. Auch ist nach 1 klar, dass
√
√
√
√
0 ≤ λ0 gilt. Betrachte nun die Funktion w. Dann gilt w 6= 0 und h w, ∆ wi = 0, d.h.
√
√
h w, ∆ wi
hf, ∆f i
0= √ √
≥ min
= λ0 ≥ 0.
f 6=0 hf, f i
h w, wi
√
w ist also eine Eigenfunktion bzw. ein Eigenvektor von G zum EW 0.
Lemma 7 (Alternative Darstellung des Rayleigh-Quotienten). Sei g ∈ R|V | und f = T −1/2 g. Dann
gilt
P
2
hg, ∆gi
hf, Lf i
1 u,v∈V w(u, v)(f (u) − f (v))
P
=
=
2
hg, gi
hf, T f i
2
u∈V w(u)f (u)
Weiter gilt
1
λ1 = min
f ⊥w 2
P
f 6=0
w(u, v)(f (u) − f (v))2
P
2
u∈V w(u)f (u)
u,v∈V
Beweis. Es gilt
hT 1/2 f, (T −1/2 LT −1/2 )T 1/2 f i
hf, Lf i
1
hg, ∆gi
=
=
=
hg, gi
hf, T f i
2
hT 1/2 f, T 1/2 f i
P
w(u, v)(f (u) − f (v))2
P
2
u∈V w(u)f (u)
u,v∈V
Nach Courant-Fischer gilt
λ1 = min
√
g⊥ w
g6=0
hg, ∆gi
hg, gi
und wir wissen, dass
g⊥
√
w
√
√
√
⇔ 0 = hg, wi = hT 1/2 T −1/2 g, wi = hT −1/2 g, T 1/2 wi = hT −1/2 g, wi
⇔ T −1/2 g ⊥ w
Substitution mit f = T −1/2 g bzw. g = T 1/2 f liefert
hT 1/2 f, ∆T 1/2 f i
hf, Lf i
1
λ1 = min
= min
= min
f ⊥w hT 1/2 f, T 1/2 f i
f ⊥w hf, T f i
f ⊥w 2
f 6=0
f 6=0
f 6=0
P
w(u, v)(f (u) − f (v))2
P
.
2
u∈V w(u)f (u)
u,v∈V
Satz
1.
2.
3.
4.
8.
P|V |−1
λi ≤ |V | mit Gleichheit genau dann, wenn w(u, u) = 0 ∀ u ∈ V .
i=0
λ1 ≤ |V |/(|V | − 1). Gilt w(u, u) = 0 f.a. u ∈ V , so gilt weiter λ|V |−1 ≥ |V |/(|V | − 1).
Ist G nicht vollständig, gilt λ1 ≤ 1.
σ(G) ist die Vereinigung von σ(Gi ), wenn Gi die zusammenhängenden Komponenten von G
bezeichnen.
5. Sei λi = 0 und λi+1 6= 0. Dann hat G genau i + 1 zusammenhängende Komponenten.
Insbesondere ist λ1 > 0 genau dann, wenn G zusammenhängend ist.
6. Für λ ∈ σ(G) gilt λ ≤ 2.
4
Einführung Spektrale Graphentheorie
Tobias Weihrauch
Beweis.
P|V |−1
1. Betrachte die Spur von ∆. Dann gilt i=0 λi = trace(∆) ≤ |V |. Gilt w(u, u) = 0 f.a. u ∈ V ,
so sind die Diagonaleinträge von ∆ alle 1 und es gilt Gleichheit.
2. Es gilt mit λ0 = 0
|V |−1
|V |−1
X
X
|V | ≥
λi =
λi ≥ (|V | − 1)λ1
i=0
i=1
und analog, falls w(u, u) = 0 ∀ u:
|V |−1
|V | =
X
λi ≤ (|V | − 1)λ|V |−1 .
i=1
3. Seien x, y ∈ V mit w(x, y) = 0 und f (u) := w(y)χx − w(x)χy . Dann gilt f ⊥ w,
hf, Lf i = (w(x) − w(x, x))w(y)2 + (w(y) − w(y, y))w(x)2 ≤ w(x)w(y)2 + w(y)w(x)2
und
hf, T f i =
X
w(u)f (u)2 = w(x)w(y)2 + w(y)w(x)2 .
u∈V
Es folgt mit obigem Lemma
λ1 = min
g⊥w
g6=0
1 hg, Lgi
hf, Lf i
≤
≤ 1.
2 hg, T gi
hf, T f i
4. Klar,da die disjunkte Vereinigung von Graphen als Spektrum die Vereinigung der einzelnen
Spektren hat. (Blockmatrizen)
5. Sei G zusammenhängend und g eine Eigenfunktion von λ0 = 0. Dann erfüllt f = T −1/2 g
1 X
w(u, v)(f (u) − f (v))2 = hf, Lf i = hg, ∆gi = 0
2
u,v∈V
d.h. f ist konstant auf V . Somit ist der Eigenraum zum EW λ = 0 1-dim. und es folgt, dass
λ1 > 0 ist. Aus 4 folgt für bel. Graphen, dass die Vielfachheit von λ = 0 der Anzahl der
zusammenhängenden Komponenten entspricht.
6. Es gilt (a − b)2 ≤ 2(a2 + b2 ) und somit
P
P
2
2
2
1 u,v∈V w(u, v)(f (u) − f (v))
u,v∈V w(u, v)(f (u) + f (v) )
P
P
λi ≤ max
≤
max
=2
2
2
f 6=0 2
f 6=0
u∈V w(u)f (u)
u∈V w(u)f (u)
Beispiele 3. n
o
πk
1. σ(Pn ) = 1 − cos n−1
| k = 0, . . . , n − 1 .
Pfad als Quotient
von C2n auffassen. o
n
2πk
2. σ(Cn ) = 1 − cos n−1
| k = 0, . . . , n − 1 .
∆ = 1/2L. Auf Einheitskreis aufmalen ⇒ xk (u) = cos(2πku/n) und yk (u) = cos(2πku/n), 0 ≤
k ≤ n/2 sind EV. EW durch Einsetzen und ausrechnen...
(Lxk )(u) = 2xk (u) − xk (u + 1) − xk (u − 1) = ... = (2 − 2 cos(2πk/n))xk (u)
n
o
n
n
3. σ(Kn ) = 0, n−1
. 0 mit Vielfachheit 1 und n−1
mit Vielfachheit n − 1.
∆ = 1/(n − 1)L. f ⊥ w ⇒ Lf = n · f .
4. σ(Sn ) = {0, 1, 2}. 0 und 1 jeweils mit Vfh 1 und λ = 1 mit Vfh n − 2.
5
Einführung Spektrale Graphentheorie
Tobias Weihrauch
Lemma 9. Sei G ungewichtet und zusammenhängend und diam(G) der Durchmesser von G. Dann
gilt
1
.
λ1 ≥
diam(G) vol G
hf,Lf i
Beweis. Seien f ⊥ w mit λ1 = hf,T
, s.d. |f (v0 )| = maxV |f | und u0 ∈ V , s.d. f (u0 )f (v0 ) <
f i , v0 ∈ VP
0. Die Wahl von u0 ist möglich, da hf, wi = x∈V w(x)f (x) = 0. Weiter sei v0 , . . . , vm ein kürzester
Pfad in G von v0 nach vm = u0 , d.h. m ≤ diam(G). Mit der Cauchy-Schwarz Ungleichung gilt dann
2
(f (v0 ) − f (u0 )) =
m
X
!2
f (vi−1 ) − f (vi )
m
X
≤
i=1
≤D·
!
1
·
i=1
m
X
m
X
!
2
(f (vi−1 ) − f (vi ))
i=1
!
2
(f (vi−1 ) − f (vi ))
i=1
Damit folgt
P
w(u, v)(f (u) − f (v))2
P
≥
2
u w(u)f (u)
Pm
− f (vi ))2
vol(G)f (v0 )2
2
1/ diam(G)(f (v0 ) − f (u0 ))
1
f (u0 )
=
=
·
1
−
vol(G)f (v0 )2
diam(G) vol(G)
f (v0 )
1
f (u0 )f (v0 )
1
=
· 1−
≥
diam(G) vol(G)
f (v0 )2
diam(G) vol(G)
λ1 =
u,v
i=1 (f (vi−1 )
6
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