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Arzneimittelnebenwirkungen
Galantamin (Reminyl)
Risiko für QT-Verlängerung
Galantamin (Reminyl) ist seit 2001 in
Deutschland zur symptomatischen Behandlung Erwachsener mit leichter bis
mittelschwerer Demenz vom ALZHEIMERTyp zugelassen (1).
Der Wirkstoff hemmt selektiv die Acetylcholinesterase und verstärkt die intrinsische Aktivität von Acetylcholin an nikotinergen Rezeptoren. Dies führt bei Patienten
mit ALZHEIMER-Demenz zu einer gesteigerten Aktivität des cholinergen Systems und
zu einer Verbesserung kognitiver Fähigkeiten (1).
Galantamin hatte im Jahr 2013 in Deutschland ein Verordnungsvolumen von 10,3
Mill. DDD und wies im Vergleich zum Jahr
davor rückläufige Verordnungszahlen auf
(⫺16,3%) (2).
Zu den typischen Nebenwirkungen dieser
Substanz zählen gastrointestinale Störungen, wie z.B. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö,
aber auch Bradykardie und Synkope (1).
Die AkdÄ hat über eine 86-jährige Patientin mit fortgeschrittener Demenz berichtet, bei der im Zusammenhang mit Galantamin eine QT-Verlängerung aufgetreten
ist (3).
Die Patientin war zuhause dreimal mit
fraglichen Synkopen kollabiert und wurde
daher stationär aufgenommen. An Vorerkrankungen bestanden arterielle Hypertonie sowie chronische Niereninsuffizienz.
Bei der Aufnahme lag auch ein Harnweginfekt vor, der sich unter Behandlung im
stationären Verlauf normalisierte. Es gab
Hinweise auf eine Exsikkose.
An Medikamenten nahm die Patientin Aliskiren 300 mg/d, Hydrochlorothiazid 25 mg/d
und Galantamin 16 mg/d ein. Das Natrium
im Serum betrug 134 mmol/l, Kalium
3,68 mmol/l, Kalzium 2,21 mmol/l. Im EKG
zeigte sich bei einer Herzfrequenz von 48
Schlägen pro Minute eine Verlängerung
der QTc-Zeit auf 496 ms (Frequenzkorrektur nach BAZETT). Galantamin wurde als
mögliche Ursache vermutet und daher
abgesetzt. Es erfolgte eine Kaliumsubstitution.
Im Kontroll-EKG 6 Tage nach Aufnahme
betrug die QTc-Zeit 431 ms bei einer Herzfrequenz von 86 Schlägen pro Minute.
Nach 2-wöchiger stationärer Behandlung
konnte die Patienten in die Kurzzeitpflege
entlassen werden.
Empfehlungen für die Praxis
● Bei ungeklärten Stürzen oder Synkopen unter Behandlung mit Galantamin sollten EKGKontrollen erfolgen, vor allem, wenn weitere
Risikofaktoren für QT-Verlängerung und Torsade-de-pointes-Tachykardien vorliegen.
● Die Kombination mit anderen QT-verlängernden Arzneimitteln, wie z. B. dem häufig
verordneten Citalopram, sollte vermieden
werden bzw. nur unter EKG-Kontrolle erfolgen.
● Grundsätzlich gilt bei einer medikamentösen
Behandlung der ALZHEIMER-Demenz, dass die
individuelle Wirkung regelmäßig, z. B. halbjährlich, überprüft werden sollte.
● Fällt die Einschätzung der Nutzen-Risiko-Relation beim Patienten negativ aus, sollte eine
Beendigung der pharmakologischen Behandlung erwogen werden.
Eine verlängerte QT-Zeit im EKG tritt
bei einer Störung der myokardialen Repolarisation auf und kann durch frühzeitige erneute Depolarisation zu Torsadede-pointes-Tachykardien führen. Die Arrhythmie ist gewöhnlich selbstlimitierend,
kann aber auch in Kammerflimmern übergehen (4). Die Folgen ventrikulärer Tachykardien können Schwindelgefühl, Synkopen, Herzstillstand oder plötzlicher Herztod sein (5).
1
Die meisten QT-verlängernden Arzneimittel entfalten ihren proarrhythmogenen Effekt durch die Blockade des Kalziumkanals Ik. Dieser Mechanismus wird auch für
Galantamin angenommen.
In der Fachinformation von Galantamin
sind Bradykardie und Synkope als häufige
Nebenwirkungen aufgeführt (1). Bei versehentlicher Überdosierung wurden darüber hinaus Torsade de pointes, QT-Verlängerung und ventrikuläre Tachykardie
beobachtet. Ferner muss beachtet werden, dass bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion die Galantaminplasmaspiegel erhöht sein können.
systems weitere Ereignisse von QT-Verlängerung, Bradykardie und Synkope erfasst.
Diese von der AkdÄ publizierte Beobachtung sowie weitere Berichte im Spontanmeldesystem und in der Literatur weisen
darauf hin, dass unter Behandlung mit
Galantamin eine verlängerte QT-Zeit im
EKG auftreten kann.
Literatur
1. Janssen-Cilag GmbH. Fachinformation »Reminyl 1⫻
täglich 8 mg/- 16 mg/- 24 mg Hartkapseln retardiert«.
Stand: Juni 2013.
2. Schwabe U, Paffrath D, Hrsg. Arzneiverordnungs-Report 2014. Berlin-Heidelberg: Springer; 2014. S. 384–386.
Bei der beschriebenen Patientin spricht
die Normalisierung der Herzfrequenz und
der QT-Zeit 6 Tage nach Absetzen von
Reminyl dafür, dass Galantamin in der
verabreichten Dosierung wahrscheinlich
für die pathologisch verlängerte QT-Zeit
und Bradykardie verantwortlich war.
3. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.
»Aus der UAW-Datenbank« QT-Verlängerung unter
Galantamin. Dtsch Ärztebl 2015; 112: A742–A743.
4. Kannankeril P, et al. Drug-induced long Q syndrome.
Pharmacol Rev 2010; 62: 760–781.
5. Jayasinghe R, Kovoor P. Drugs and the QTc interval.
Australian Prescriber 2002; 25: 63–65.
6. Nelson MW, Buchanan RW. Galantamine-induced
In der Literatur sind einzelne Ereignisse von
QT-Verlängerung im Zusammenhang mit
Galantamin beschrieben (6, 7) und in der
Datenbank des deutschen Spontanmelde-
2
QTc prolongation. J Clin Psychiatry 2006; 67: 166–167.
7. Fisher AA, Davis MW. Prolonged QT interval, syncope,
and delirium with galantamine. Ann Pharmacother
2008; 42: 278–283.
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