Geldpolitik: Investitionen lassen sich nicht mit erzwingen Düsseldorf, 22. Mai 2015 Dirk Heilmann Von der derzeit ultra-expansiven Geldpolitik wird erwartet, dass sie die privaten Investitionen ankurbelt und damit die Wirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad bringt. Durch niedrige Zinsen soll sie die Risikobereitschaft der Banken erhöhen und sie dazu bringen, mehr Kredite auch an Unternehmen mit schwächerer Bonitätsbewertung zu vergeben. Wenn das nicht hilft, sollen zusätzlich durch Anleihekäufe Anleger zur Umschichtung in risikoreichere Anlagen veranlasst werden. Die großen Notenbanken der westlichen Industrieländer tun das derzeit in noch nie dagewesenem Umfang. Doch das scheint nicht wirklich zu helfen: Trotz extrem niedriger Zinsen und umfangreicher Wertpapierkäufe durch die Zentralbank kommen die privaten Investitionen in der Euro-Zone nur zögerlich in Gang. Offenbar stößt der Versuch, die Wirtschaft durch geldpolitische Maßnahmen wieder auf einen höheren Wachstumspfad zu bringen, an Grenzen. Warum das so ist, wurde jüngst im Monetären Workshop in Frankfurt diskutiert. Es zeigte sich dabei, dass ein Blick auf vier Bereiche lohnt, um die Investitionszurückhaltung zu verstehen: das makroökonomische Umfeld, die politischen Rahmenbedingungen, die Befindlichkeit der Unternehmen und die Finanzmarktregulierung. Als erstes der Blick auf das makroökonomische Umfeld: Ein Unternehmen wird nur dann eine Investitionsentscheidung mit einem Zeithorizont von zehn, vielleicht 20 oder 30 Jahren treffen, wenn es davon ausgeht, seine Ausgaben zuzüglich einer attraktiven Verzinsung zurückzuverdienen. Doch daran ist heute in Europa in vielen Fällen mit guten Gründen zu zweifeln. Manche Länder haben nach wie vor große strukturelle Schwächen, in den meisten Ländern altert die Bevölkerung und in elf EU-Ländern wird sie voraussichtlich in den nächsten 20 Jahren schrumpfen. Die Folge ist, dass das Potenzialwachstum zurückgeht. Zudem sind die politischen Rahmenbedingungen in einer ganzen Reihe europäischer Staaten nicht sonderlich investitionsfreundlich – selbst wenn nach in internationalen Vergleichen wie vor die politische Stabilität, gute Infrastruktur und Rechtsstaatlichkeit für Europa sprechen. Große Investitionsvorhaben stoßen nicht selten auf politischen Widerstand, abrupte politische Kurswechsel konterkarieren Kalkulationen von Investoren, und eine einseitig auf den Ausbau der Erneuerbaren gerichtete Energiepolitik treibt insbesondere in Deutschland die Stromkosten in die Höhe. Deshalb ist es europäischen Unternehmen nicht zu verdenken, wenn sie statt in der Heimat zunehmend in Ländern investieren, wo sie aufnahmefähige Märkte, eine wachsende Bevölkerung, höhere Wachstumsraten und niedrigere Kosten finden. Deutsche Industriefirmen zum Beispiel haben ihren Bestand an Direktinvestitionen im Ausland zwischen den Jahren 2000 und 2012 um 96 Prozent gesteigert, während ihr Bruttoanlagevermögen im Inland nur um 15 Prozent wuchs. Im gleichen Zeitraum haben sie ihre Eigenkapitalausstattung verdoppelt und die Eigenkapitalquote von 19 auf 27,5 Prozent ausgebaut. Das bedeutet: Die Unternehmen können besser als früher ihre Investitionen aus eigener Kraft finanzieren. Die Verfügbarkeit günstiger Kredite spielt für sie eine immer geringere Rolle. Von technischer Seite kommt noch die Digitalisierung – Stichwort Industrie 4.0 – hinzu. Wenn sich die daran geknüpften Erwartungen erfüllen, dann werden viele Unternehmen mit relativ niedrigem Kapitaleinsatz enorme Produktivitätsfortschritte erreichen. Drittens sind auch psychologische Faktoren zu beachten, die alle wirtschaftlichen Akteure betreffen: Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat Narben hinterlassen. Die Risikobereitschaft hat abgenommen und wird erst langsam zurückkehren. Ein Vorzieh-Effekt, wie er in früheren Konjunkturkrisen eintrat, wenn Unternehmen wegen der Aussicht auf baldige Zinserhöhungen Investitionsprojekte beschleunigten, ist gegenwärtig nicht zu erwarten. Der Grund: Die Marktteilnehmer können noch auf Jahre hinaus mit niedrigen Zinsen rechnen. Schließlich spielt auch die verschärfte Finanzmarktregulierung eine Rolle bei der Investitionszurückhaltung. Kredite waren lange nicht mehr so üppig und günstig zu haben wie derzeit – das zeigt für Deutschland die Ifo-Kredithürde. In dieser regelmäßigen Umfrage geben nur noch 13,5 Prozent der Unternehmen an, dass sie die Kreditvergabe als restriktiv empfinden. Aber das heißt nicht, dass es keine Probleme gäbe, zumal in Südeuropa. Denn angesichts verschärfter Pflichten zur Unterlegung von Krediten mit Haftungskapital zögern Banken, Kredite mit langer Laufzeit zu vergeben, wie sie für größere Investitionsprojekte benötigt werden. Auch haben es kleinere Unternehmen tendenziell schwerer als größere, einen Kredit zu bekommen. Insgesamt gibt es also eine Reihe von Gründen für Unternehmen, sich mit Investitionen in Europa zurückzuhalten. Gründe, die mit einer noch so expansiven Geldpolitik nicht zu ändern sind. An Strukturreformen, die den Glauben an eine gute wirtschaftliche Zukunft Europas und wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen stärken, wird kein Weg vorbeiführen, wenn die Investitionstätigkeit nachhaltig stimuliert werden soll. Das ersetzt allerdings nicht die Verpflichtung der Regierungen, für eine moderne Infrastruktur zu sorgen - zum Beispiel durch den Ausbau von Breitbandnetzen. Die EU sollte sich auf den erfolgreichen Weg der Marktöffnung besinnen und zum Beispiel funktionierende Binnenmärkte für Energie und für die digitale Wirtschaft schaffen. Damit könnte sie wirksame Anreize für private Investoren schaffen.