Priv.-Doz. G. Reißig, F. Goßmann M.Sc Email: [email protected] Universität der Bundeswehr München Institut für Steuer- und Regelungstechnik (LRT-15) Moderne Methoden der Regelungstechnik, HT 2016 Übung 1 - Lösung Aufgabe 1. Aufstellen eines Zustandsraummodelles Gegeben ist das Modell einer einem zweistöckigen Gebäude nachempfundenen Struktur mit einer beweglichen Masse zur Schwingungsunterdrückung. Die Stockwerke werden 0 x xW x3 x2 W M2 k2 x1 M1 k1 mit den beiden Massen M1 und M2 modelliert. Die Biegung der Gebäudestruktur zwischen den Stockwerken wird mit zwei linearen Federn mit den Steifigkeiten k1 bzw. k2 beschrieben. Außer den horizontalen Bewegungen der Massen werden alle anderen Bewegungsrichtungen ebenso vernachlässigt wie Reibungskräfte. Als Aktuator zur Schwingungsunterdrückung fungiert ein Wagen W , der sich horizontal entlang von M2 bewegen kann. Aufgabe Bestimmen Sie das 6-dimensionales Zustandsraummodell des beschriebenen Problems. Die Zustandsgrößen stellen dabei die x-Koordinaten der drei Massenschwerpunkte sowie deren zeitlichen Ableitungen dar. Die Beschleunigung des Wagens W relativ zu M2 wird dabei als Eingangssignal, d.h. u := ẍW , betrachtet. 1 Lösung Aufgabe 1. Zunächst werden alle auf das System wirkenden Kräfte aufgestellt Betrag der Kraft Richtung Masse 1 Masse 2 Wagen M1 · ẍ1 ← k1 · x1 ← k2 · (x2 − x1 ) → M2 · ẍ2 ← k2 (x2 − x1 ) ← MW · (ẍ2 + u) ← MW · ẍ3 ← MW (ẍ2 + u) → Aus dem dynamischen Gleichgewicht des Systems ergeben sich dann die folgenden Bewegungsgleichungen: −M1 · ẍ1 − k1 x1 + k2 (x2 − x1 ) = 0; −M2 · ẍ2 − k2 (x2 − x1 ) − MW (ẍ2 + u) = 0; −MW · ẍ3 + MW (ẍ2 + u) = 0. Durch Umstellen nach der jeweils höchsten zeitlichen Ableitung ergeben sich die folgenden Differentialgleichungen: k1 + k2 k2 x1 − x2 , M1 M1 k2 MW k2 x1 − x2 − u, ẍ2 = M2 + MW M2 + MW M2 + MW k2 k2 M2 ẍ3 = − x2 + x1 + u. M2 + MW M2 + MW M2 + MW ẍ1 = − Mit Hilfe dieser Bewegungsgleichungen lässt sich nun das Zustandsraummodell ẋ = Ax + Bu mit dem Zustandsvektor x = (x1 , x2 , x3 , x4 , x5 , x6 )T mit ẋ1 = x4 , ẋ2 = x5 und ẋ3 = x6 aufstellen. Für die Matrizen A und B ergibt sich: 0 0 0 A = k1 +k2 − M 1 k2 M2 +MW k2 M2 +MW 0 0 0 k2 −M 1 k2 − M2 +M W k2 − M2 +M W 0 0 0 B= . 0 − MW M2 +MW M2 M2 +MW 2 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Aufgabe 2. Berechnung von Zustandssignalen Es wird ein harmonischer Oszillator (mit Anregung) betrachtet, dessen Dynamik durch ẋ1 (t) ẋ2 (t) ! ω −γ = −ω −γ ! x1 (t) x2 (t) ! + u(t), gegeben ist. Es gilt γ ≥ 0, ω > 0 und u : R → F2 stellt das Eingangssignal dar. Aufgabe Berechne Sie das allgemeine Zustandssignal ϕ für den Fall a) u(t) = (0, 0)T für alle t ∈ R, ! e−γt sin(2ωt) b) u(t) = . e−γt cos(2ωt) Lösung Aufgabe 2. ω −γ Aus der Aufgabenstellung folgt A = −ω −γ ! . a) Aus Kapitel 1.4 der Vorlesung ist bekannt, dass für das Zustandssignal ϕ ϕ(t, x0 , u(t) = 0) = eAt x0 , ∀x0 ∈ R2 gilt. Der Ausdruck eAt lässt sich mit Hilfe der Jordan-Normalform von A bestimmen. Dazu werden zunächst die Eigenwerte und die Eigenvektoren von A benötigt. Das charakteristische Polynom von A ist gegeben durch χA (λ) = (λ + γ)2 + ω 2 , sodass sich die Eigenwerte λ1 = −γ − iω und λ2 = −γ + iω ergeben. Durch Lösen des Gleichungssystems (λj id −A)x = 0, j = 1, 2 erhält man die Eigenvektoren v1 = (i, 1)T bzw. v2 = (−i, 1)T zu den Eigenwerten λ1 bzw. λ2 . Setzt man nun i −i T = v1 v2 = 1 1 ! , so erhält man A = T JT −1 , wobei J die gesuchte Jordan-Normalform darstellt: J= −γ − iω 0 0 −γ + iω Mit T −1 1 = 2i 3 1 i ! −1 i . ! . folgt also eAt = eT JT 1 = 2i e−γt = 2i −1 t = T eJt T −1 ! i −i e−γt−iωt e−γt+iωt ieiωt + ie−iωt eiωt − e−iωt 1 1 0 0 ! 1 i −1 i ! ! =e −eiωt + e−iωt ieiωt + ie−iωt = cos(ωt) −γt sin(ωt) − sin(ωt) cos(ωt) ! . Folglich gilt ϕ(t, x0 , u(t) = 0) = e cos(ωt) −γt sin(ωt) − sin(ωt) cos(ωt) ! x0 . b) Um eine langwierige Rechnung zu vermeiden, wird für u(t) mit u e(t) = e −ie2ωit −γt e2ωit ! , t ∈ R, ein Ersatzsignal definiert. Es zeigt sich, dass für u e(t) Re u e(t) = e−γt Re −i cos(2ωt) − i2 sin(2ωt) cos(2ωt) + i sin(2ωt) ! sin(2ωt) = e−γt cos(2ωt) ! = u(t). gilt, sodass man sich Satz 3 ϕ(t, x0 , u) = ϕ(t, x0 , Re u e) = Re(ϕ(t, x0 , u e)) aus der Vorlesung zunutze machen kann. Es genügt also ϕ(t, x0 , u e) zu berechnen. Nach Kapitel 1.4 der Vorlesung gilt außerdem Z t eA(t−s) u e(s) ds = Z t e−As u e(s) ds. = eAt x0 + eAt At ϕ(t, x0 , u e) = e x0 + 0 0 Zunächst ist es erforderlich, den Integranden der letzten Gleichung zu berechnen: e −As u e(s) = T · e =T ·e =T· −γs ·e −γs 0 eωis −Js ·T −1 −ie2ωis e2ωis ! eγs+iωs 0 0 eγs−iωs ! ! 0 e2ωis ! = . Durch Einsetzen des ermittelten e−As u e(s) und des Ausdrucks für eAt aus Aufgabe a) 4 erhält man At ϕ(t, x0 , u e) = e x0 + T | = eAt x0 + T = eAt x0 + = eAt x0 + e−γt−iωt 0 0 e−γt+iωt {z eAt e−γt−iωt 0 ! i −i 0 e−γt+iωt · ! T −1 ·T } ! Z t (0, eωis )T ds = 0 0 1 iωt iω (e 0 1 −γt+2iωt iω (e − 1) ! − e−γt+iωt ) ! −1 −γt+2iωt −γt+iωt ) (e − e ω 1 1 1 −γt+2iωt iω (e ! = − e−γt+iωt ) Daraus ergibt sich schließlich das gesuchte Zustandssignal ! −γt cos(ωt) − cos(2ωt) e ϕ(t, x0 , u) = Re(ϕ(t, x0 , u e)) = eAt x0 + ω sin(2ωt) − sin(ωt) !! ! cos(ωt) − cos(2ωt) cos(ωt) sin(ωt) 1 . = e−γt x0 + ω sin(2ωt) − sin(ωt) − sin(ωt) cos(ωt) 5