Cardio-CT zur Herzinfarktvorhersage in der Allgemeinbevölkerung: Chancen, Risiken und verantwortungsvoller Umgang Amir Abbas Mahabadi, Essen 17.05.2011 Kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere der Myokardinfarkt, sind die Haupt-Todesursache in der industrialisierten Welt (Roger et al. Circulation 2011). Dabei versterben trotz des Fortschritts der Medizin und Verbesserung der Infrastruktur weiterhin ca. 50% der Herzinfarktpatienten vor Erreichen des Krankenhauses (Rosamond et al. Circulation 2007). Daher ist die suffiziente Identifikation von Patienten mit erhöhtem Risiko von essentieller Bedeutung, was durch klassische Risikostratifizierungsprogramme wie beispielsweise den Framingham Risk Score für den Einzelnen nur unzureichend gelingt (Akosah et al. J Am Coll Cardiol 2003). Die CT-Untersuchung des Herzens ist eine neue nicht-invasive bildgebende Technologie, die, ohne Verwendung von Kontrastmittel durchgeführt, eine Einschätzung des Verkalkungsgrads der Koronararterien ermöglicht. Mit Hilfe der Cardio-CT ist in ausgewählten asymptomatischen Patienten eine verbesserte Einschätzung des individuellen Herzinfarktrisikos möglich (Erbel et al. JACC 2010). Entsprechend wird die nicht-kontrastierte CTUntersuchung des Herzens von der American Heart Association in Patienten intermediärem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse empfohlen (Greenland et al. Circulation 2007). Demgegenüber steht die Strahlenbelastung, weshalb die Cardio-CT laut Kritikern bei beschwerdefreien Patienten „an Körperverletzung grenzt“ (Gesenhues 2010). Denn die Strahlenbelastung des CTs induziert in 100.000 Untersuchungen ca. 10 zusätzliche Tumore, welche den 288/100.000 CVD-Toten gegenüberstehen. Mit entsprechender Sorgfalt und modernen Geräten ist eine Strahlenbelastung von ca. 1 mS für CT-Untersuchungen des Herzens realisierbar (Achenbach et al. EHJ 2010). Tatsächlich variiert die Strahlendosis je nach Zentrum von 0,8 bis 10,5 mSv (Kim et al. Arch Intern Med. 2009). Während sich eine niedrige Herzfrequenz – möglichst unter 65 Schlägen/min – günstig auf Bildqualität und Strahlenbelastung auswirkt (Mahabadi et al. Radiology 2010), ergab eine Befragung an 45 deutschen Zentren, die Cardio-CT Untersuchungen anbieten, eine mittlere Herzfrequenz von 70 Schlägen/min (Maurer et al. Röfo 2009). Eine Verbesserung der Risikovorhersage durch die Cardio-CT bedeutet zudem nicht automatisch die Möglichkeit einer effektiven Intervention. Auch ist im Einzelfall vor jeder Cardio-CT-Untersuchung zu prüfen, ob simple Möglichkeiten der Risikoprävention wie körperliche Aktivität oder gesunde Ernährung bereits ausreichend ausgeschöpft sind. Gleichzeitig kann die Untersuchung nur dann zum Nutzen des Patienten sein, wenn sich hieraus eine klinische Konsequenz ergibt. Schließlich ist eine CT-Untersuchung mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Daten inwieweit Cardio-CT-Untersuchungen gesamtgesellschaftlich durch Verminderung von kardiovaskulären Ereignissen auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten effizient sind, müssen vor einem breiten Einsatz erbracht werden, besonders vor dem Hintergrund, dass die Risikoevaluation für den Einzelnen in ökonomischer Konkurrenz zu flächendeckenden Präventionsprogrammen steht. Insgesamt kann Cardio-CT die individuelle Risikovorhersage für kardiovaskuläre Ereignisse entscheidend verbessern und Patienten einer stadiengerechten Prävention zuführen. Eine strenge Indikationsstellung und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Risiken sind hierfür jedoch unabdingbar und sollten zum Schutz des Patienten, im Interesse der Gesellschaft, aber auch zum Schutz der Technologie erfolgen.