Informationen für Rinderhalter Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Die Enzootische Bronchopneumonie 130228 -D.August 2012 (005) 118 Autorin: Professor Dr. Kerstin Müller, Klinik für Klauentiere, Berlin www.msd-tiergesundheit.de 2 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Einleitung Erkrankungen der Atemwege beim Kalb verursachen in Zucht- und Mastbetrieben erhebliche wirtschaftliche Verluste. Je nach Betriebsrichtung (Aufzucht, Mast) beträgt die Sterblichkeitsrate bei Kälbern bis zum Absetzen weltweit zwischen 3,6 % und 8,8 %.1 Die größte Bedeutung haben Lungenentzündungen bei Kälbern und Jungrindern. Diese „Enzootische Bronchopneumonie“ (abgekürzt EBP, enzootisch = regional begrenzt auftretend) tritt in zwei Formen auf: die saisonale EBP wird vor allem in den Herbstmonaten beobachtet und durch Virusinfektionen ausgelöst, die die Abwehrmechanismen der Atemwege der Tiere schwächen. Die von der Jahreszeit unabhängige (asaisonale) Form der EBP tritt im Anschluss an Stresssituationen auf, die zu einer Schwächung der Abwehr beitragen. Zu den stressauslösenden Faktoren (Stressoren) gehören Tiertransporte und die Aufstallung von Tieren aus Betrieben unterschiedlicher Herkunft. Daher auch der Name „Händlerhusten“. Weitere Stressoren sind das Enthornen, das Umstallen, die Umstellung auf ein automatisches Tränkesystem und das Absetzen. Die Bezeichnung „Rindergrippe“ ist ein wenig irreführend, denn die Erreger ent­ sprechen nicht den Grippeviren des Menschen. Da der Begriff aber weit verbreitet ist, wird er im Folgenden zusammen mit dem Begriff „EBP“ verwendet. Abb. 1 Risikoperioden Einstallen Holstein-Friesian Geburt 7 Tage 14 Tage Risikoperioden mit Stressbelastungen schwächen die Abwehr Risiko Risiko Risiko Gruppenhaltung Enthornen Einstallen Fleckvieh 6 Wochen Aufwand und Kosten Im Zusammenhang mit der EBP/Rindergrippe entstehen finanzielle Verluste durch Behandlungskosten, den Mehraufwand für die Betreuung der Tiere, die Tierverluste, das Kümmern von Tieren nach Abklingen der akuten Symptome sowie Beanstandungen am Tierkörper anlässlich der Fleischbeschau. Außerdem haben Rinder nach akuter und behandelter EBP/Rindergrippe nur noch ein eingeschränktes Leistungspotential, welches sich langfristig in schlechteren Wachstumsraten und einer schlechteren Milchleistung zeigt. Der finanzielle Schaden wird bei leichtem Verlauf mit etwa 90 € veranschlagt, bei schwerem Verlauf mit etwa 234 € pro Fall. 2 Ursachen und Verlauf Die EBP/Rindergrippe ist eine Faktorenkrankheit und entsteht durch Wechselwirkungen zwischen dem Kalb sowie vielen belebten und unbelebten Komponenten, die die verschiedenen Abwehrmechanismen der Tiere schwächen. Als „Stressoren“ lösen sie beim Tier eine messbare Stressreaktion aus.3 Schon zwei Tage nach einer Stressbelastung werden in den Beständen die ersten Erkrankungsfälle beobachtet. In den folgenden drei bis vier Wochen kommt es zu einem sprunghaften Anstieg der Anzahl erkrankter Tiere.4,5 10 Wochen Risiko Absetzen Risiko Risiko tallen Fleckvieh Verlust maternaler Antikörper 16 Wochen Umstallen 9 Monate Masttiere Zuchttiere 4 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Deshalb sollte gerade in diesen Risikoperioden (Abb. 1) nach einer Stressbelastung den Tieren besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um Krankheitsanzeichen frühzeitig wahrnehmen zu können. Die einzelnen Faktoren der EBP/Rindergrippe (Abb. 2) werden nun im Wei­teren besprochen und ihr jeweiliger Einfluss auf die Lungengesundheit der Rinder dargestellt. Abb. 2 Stressoren als Verursacher von Atemwegsinfektionen beim Kalb Makro- und Mikroklima • Zugluft • reizende Gase • Temperatur • Luftfeuchte • zu geringer Luftaustausch Management Abkalbebereich • Versorgung des Neugeborenen • Biestmilchgabe • Fütterung • Hygiene • Umgang Kalb • • Genetik Abwehrsystem • Allgemeinbefinden • Mikroorganismen schwächen die Abwehr / breiten sich bei Abwehrschwäche aus • • Viren Bakterien • • Parasiten Pilze Das Zusammenwirken verschiedener Faktoren bedingt Atemwegs­erkrankungen, denn Rindergrippe/EBP ist eine Faktorenerkrankung Kalb Die Lunge des Kalbes Die Lunge führt dem Körper Sauerstoff zu und transportiert das durch Stoff­ wechselprozesse entstehende Kohlendioxid ab. Die Lunge des Rindes besitzt Eigenschaften, die sie im Hinblick auf Atemwegserkrankungen anfällig machen. Sie ist im Verhältnis zum Körpergewicht wesentlich kleiner als die Lunge des Pferdes (Abb. 3). Zudem sind beim Rind die beiden Lungenhälften in zahlreiche Untereinheiten gegliedert.5 Jede Untereinheit der Rinderlunge wird nur durch einen einzelnen Bronchus, der sich dann innerhalb dieser Untereinheit verzweigt, mit Luft versorgt. Bei einer Lungenentzündung kann zäher Schleim die Bronchien verstopfen, so dass das hinter der Verstopfung liegende Lungen­gewebe nicht mehr belüftet wird und für den Gasaustausch nicht mehr zur Verfügung steht. Abb. 3 Vergleich Lungenvolumen und Sauerstoffbedarf bei Pferd und Rind Lungenvolumen SauerstoffBEDARF 250 % 100 % 100 % 30 % Quelle: Pypendop et al. in Recent Advances in Anaesthetic management in large Doemstic Animals 6 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Die kräftige Bronchialmuskulatur des Rindes reagiert sehr empfindlich auf Sauerstoffarmut und Entzündungen, indem sie sich zusammenzieht und dadurch den Querschnitt des Bronchus verkleinert. Somit gelangt weniger Luft in das krankhaft veränderte Lungengewebe. Die Blutzufuhr wird in den erkrankten Bezirken der Lunge ebenfalls gedrosselt und den gesunden Anteilen der Lunge zugeführt. Dieser an sich sinnvolle Mechanismus kann bei Kälbern mit schweren Lungen­ent­ zündungen zu einer erheblichen Belastung des Kreislaufs führen. Erst ab einem Alter von einem Jahr ist die Rinderlunge vollständig ausgereift. Deshalb sind vor allem Jungtiere anfällig für Atemwegserkrankungen. Die Lungengesundheit lässt sich über züchterische Maßnahmen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.6 © Dr. Gelfert Abwehrmechanismen Angeborene Abwehrmechanismen Da die Lunge fortwährend in Kontakt zur Außenluft steht, verfügt sie über besondere Abwehrmechanismen. Ein Teil der Bronchialschleimhaut ist mit mikroskopisch kleinen, beweglichen Flimmerhärchen ausgestattet, auf denen sich ein Flüssigkeits­film be­findet. Staubteilchen aus der Umgebungsluft, denen Bakterien anhaften, können mit der Atemluft in die Bronchien gelangen. Sie werden von dem Flüssigkeitsfilm umhüllt und mit Hilfe des Schlages der Flimmerhärchen kopfwärts transportiert, wo sie entweder abgehustet oder abgeschluckt werden. Im Lungengewebe patrouillieren Zellen des Immunsystems. Sie spüren Eindringlinge auf, zerstören diese und setzen gleichzeitig Botenstoffe frei, die weitere Entzündungszellen anlocken.7 Je schneller dieser Prozess vonstatten geht, desto eher werden die eingedrungenen Keime unschädlich gemacht. Verzögert sich die Einwanderung von Abwehrzellen in das Lungengewebe, vermehren sich die Bakterien im Gewebe und lösen eine übermäßige Entzündungsreaktion aus, die das Lungengewebe schädigt. Ein derart geschädigtes Gewebe heilt oft nicht vollständig aus, sondern wird durch Bindegewebe (Narbengewebe) ersetzt und fällt für den Gasaustausch aus. Es können sich sogar Abszesse bilden, aus denen immer wieder Bakterien in den Blutkreislauf gelangen und zu Fieber führen können. Tiere, deren Lunge derart verändert ist, werden aufgrund des wiederkehrenden Fiebers immer wieder mit Antibiotika behandelt, bleiben aber im Anschluss an die Lungen­ entzündung häufig in ihrer Entwicklung zurück. Neben den Antibiotika, die zur Behandlung der bakteriellen Infektion dienen, stehen Arzneimittel (nichtsteroidale Entzündungshemmer = NSAID) zur Verfügung, die eine übermäßige Entzündungsreaktion unterbinden, so dass Schäden am Lungengewebe begrenzt werden. 8 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Erworbene Abwehrmechanismen Die Basis für die Lungengesundheit beim Kalb wird schon mit der Geburt gelegt. Unzureichende Lungenreife, das Einatmen von Fruchtwasser, die zu späte oder ungenügende Versorgung mit Biestmilch /Kolostrum sowie die Hygiene bei der Kalbung und im Kälberstall spielen eine wesentliche Rolle.8 Je später die Kälber Biestmilch erhalten und je geringer die verabreichte Menge Biestmilch ist, umso größer ist das Risiko, dass das Kalb noch vor dem Absetzen an einer Atemwegserkrankung leidet. Zum Thema Kolostrum-Management hat Intervet* ein Informationsblatt erarbeitet, das über den Tierarzt kostenlos angefordert werden kann. Mit der natürlichen Abnahme der aus der Biestmilch stammenden Antikörper etwa 4 Monate nach der Geburt, ist das Kalb auf seine eigene Immunabwehr angewiesen. In dieser Zeit der immunologischen Lücke (Abb. 4) müssen die Tiere ihre eigene aktive Immun­ abwehr aufbauen und setzen sich dabei vermehrt mit Virusinfektionen auseinander, in deren Folge dann Lungen­entzündungen entstehen können.9, 10 Vorsorgliche Impfungen können die Tiere schützen oder – im Falle eines Rindergrippe-Ausbruchs – dazu beitragen, dass die Krankheit milder verläuft. Impfstrategien müssen auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten sein. Sie beruhen auf einer Ein­ schätzung des Risikos, ob unter den gegebenen Umständen mit einer Einschleppung von bestimmten Viren zu rechnen ist. < Deutlich geschädigte Lunge nach einer Erkrankung (rote Bereiche) Kälber mit geschädigter Lunge (wie im Bild links) bleiben im Wachstum zurück (rechtes Kalb) > * Ein Unternehmen der MSD Tiergesundheit © Dr. Gelfert Mikroorganismen Viren Mehr als 20 verschiedene Virusarten wurden im Zusammenhang mit Atemwegs­ erkrankungen bei Kälbern und Jungtieren nachgewiesen (Abb. 5). Vor allem das Parainfluenza-3-Virus (PI-3-V), das Bovine Respiratorische Synzytial-Virus (BRSV), das Bovine Herpesvirus-1 (BHV-1, IBR-Virus) und das Bovine Virus-Diarrhoe-Virus (BVDV) haben eine besondere Bedeutung für die EBP/Rindergrippe. Die Rolle von Adenoviren und Bovinen Coronaviren (BCV) ist noch nicht endgültig geklärt. Die Viren schwächen die Immunabwehr und schädigen die Barrieren, die den Atmungstrakt vor einer bakteriellen Infektion schützen.4, 10 Auf diese Weise er­füllen sie die Funktion eines Wegbereiters für die Bakterien. Abb. 4 Übergang von der passiven zur aktiven Immunität kalbeigene Antikörper nach Impfung Antikörper-Konzentration maternale Antikörper Schutz-Level immunologische Lücke Zeit 10 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Bakterien Mannheimia haemolytica, Pasteurella multocida, Histophilus somni Die Nasenschleimhaut, die Mandeln und der Rachenraum des gesunden Kalbes beherbergen zahlreiche Bakterien, die sich in einem natürlichen Gleichgewicht befinden. Unter Einwirkung der Stressoren gewinnen Mannheimia haemolytica, Pasteurella multocida und Histophilus somni die Oberhand, verdrängen die anderen Arten und können mit der Atemluft in die Lunge gelangen.11 Daher werden diese Erreger regelmäßig im Zusammenhang mit EBP/Rindergrippe-Ausbrüchen nach­ gewiesen. Die Lungen gesunder Rinder sind normalerweise entweder steril oder es sind nur vereinzelt und vorübergehend Bakterien nachweisbar. Solange die Ein­dringlinge mit Hilfe der beschriebenen Abwehrmechanismen wirkungsvoll be­seitigt werden können, werden die Tiere nicht krank. Das Bakterium Mannheimia haemolytica wird als bedeutendster Erreger der EBP/ Rindergrippe angesehen.12 Es kann ohne Mitwirkung anderer Komponenten bereits sehr schwere Lungenschäden verursachen, während Pasteurella multocida die Lunge erst bei einer bestehenden Abwehrschwäche und häufig gemeinsam mit anderen Bakterien besiedelt. Bei der vorbeugenden Schutzimpfung sollte der Impfstoff optimalerweise auch die Bakterien (v.a. Mannheimia haemolytica) abdecken. Dadurch besteht die Chance, den Antibiotikaverbrauch im Betrieb zu senken. © Dr. Stemme Risikoperiode Einstallung Holstein-Friesian: neue Umgebung, neues Futter bedeuten Stress für die Kälber und erhöhtes Risiko für Atemwegs­ erkrankungen In den letzten Jahren haben Mykoplasmen im Zusammenhang mit Atemwegs­ erkrankungen bei Kälbern immer mehr an Bedeutung erlangt, allen voran Mycoplasma bovis.13 Fütterung mykoplasmenhaltiger Milch führt zur Besiedelung der Schleimhäute der oberen Atemwege. Über den Zukauf von Tieren werden Mykoplasmen in Aufzucht- und Mastbetriebe eingeschleppt, wo in der zweiten Woche nach Ankunft erste Symptome beobachtet werden.4 Neben ernsten Lungen­entzündungen, die zu Rückfällen neigen, treten gehäuft Mittelohrent­ zündungen auf, so dass die Tiere den Kopf schräg halten. In Betrieben mit einem durch Mykoplasmen verursachten Mastitisproblem wird die Pasteurisierung der Vollmilch vor der Verfütterung empfohlen.14 Die Aussichten einer antibiotischen Behandlung, besonders bei nicht mehr frischen Infektionen, sind begrenzt. Abb. 5 Belebte Komponenten Viren schwächen die Immunabwehr und zerstören die natürlichen Barrieren der Atemwege • Parainfluenza-3-Virus (PI-3-V) Bovines Respiratorisches Synzytial-Virus (BRSV) • Bovines Herpesvirus-1 (BHV-1, IBR-Virus) • Bovines Virus-Diarrhoe-Virus (BVDV) • Bakterien bewohnen oft die Nasenschleimhaut und die Mandeln und nutzen eine Abwehrschwäche, um sich in der Lunge anzusiedeln und sich dort zu vermehren • Mannheimia haemolytica • Pasteurella multocida • Histophilus somni • Arcanobacter pyogenes • Mykoplasmen (M. bovis, M. dispar) • Chlamydien 12 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Makro- /Mikroklima und Management Unbelebte Komponenten (Abb. 2), die das Auftreten der EBP/Rindergrippe begünstigen, schließen die Aufstallung, das Stallklima, das Management und die Mensch-Tier-Beziehung ein. In Kälbermastbetrieben spielen neben dem Transport und der Aufstallung von Tieren unterschiedlicher Herkunft vor allem Defizite hinsichtlich des Platzange­ botes, der Bodenbeschaffenheit, der Verfügbarkeit von Tränken, des Stallklimas und der Möglichkeit zur Äußerung eines normalen Sozialverhaltens eine Rolle. In der Kälberaufzucht werden vornehmlich Defizite beim Stallklima, der Hygiene und der Fütterung festgestellt.1 Zahlreiche Empfehlungen und Richtwerte für die tiergerechte Haltung von Kälbern stehen in Deutschland (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung) und Österreich (1. Tierhaltungsverordnung) zur Verfügung und sollten zur Verbesserung der Haltungsbedingungen herangezogen werden.15, 16, 17, 18 Neben den betriebseigenen Daten zur Tiergesundheit können die baulichen Gegebenheiten und auch das Tierverhalten als Indikatoren zur Beurteilung verwendet werden. © Dr. Gelfert Zu dunkel, zu dreckig, schlechte Belüftung: Atemwegserreger haben hier ein leichtes Spiel Makro- und Mikroklima Für neugeborene Kälber ist vor allem die direkte Umgebung der Tiere von Bedeutung (Mikroklima). Die Fähigkeit, die Körpertemperatur bei wechselnden Außenbedingungen konstant zu halten, ist bei den jungen Kälbern noch nicht ausgeprägt. Vor allem in mit Stroh eingestreuten Ställen können sich die Tiere wie in einem Nest mit Stroh umgeben. Auf diese Weise wird auch angesichts kühler Außentemperaturen ein tiergerechtes Mikroklima gewährleistet. Weist das Klima im gesamten Stall (Makroklima) hohe Staubbelastung, eine Luftfeuchtigkeit < 50 % bzw. > 80 %, Temperaturschwankungen von über 10 °C zwischen Tag und Nacht, Belastungen durch Schadgase und hohe Keimzahlen in der Luft (Anwendung des Dampfstrahlgerätes bei Anwesenheit der Tiere) auf, führt das zu einer Schädigung der Abwehrmechanismen des Kalbes und begünstigt das Entstehen von Atemwegserkrankungen.3 Über eine Erhöhung der Luftwechselrate (in Außenklimaställen 6 Mal pro Stunde) lassen sich solche Fehler vermindern. In Warmställen muss der Luftwechsel über eine Zwangslüftung erfolgen. Dabei muss Zugluft (Strömungsgeschwindigkeit der Luft > 0,2 m/s) generell vermieden werden. © Dr. Gelfert Die Aufstallung der jungen Kälber in Einzeliglus beugt Atemwegserkrankungen vor 14 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Management Zahlreiche Studien untermauern die Bedeutung des Betriebsmanagements und der Mensch-Tier-Beziehung im Zusammenhang mit der Kälbergesundheit. Seit langem ist bekannt, dass Tiertransporte eine Stressreaktion auslösen, die die Immunabwehr der Tiere nachteilig beeinflusst. Die Art des Umgangs mit den Kälbern übt einen Einfluss auf die Tiergesundheit aus, der unterschätzt wird. Schon das Enthornen oder das Umstallen an sich oder die Umstellung auf einen Tränke­automaten ist mit einer messbaren Stressreaktion verbunden, die sich noch verstärkt, wenn gleichzeitig mehrere Stressoren auf die Tiere einwirken oder ruppig mit den Tieren umgegangen wird. Deshalb sollten vermeidbare Stressoren abge­stellt und eine Häufung unvermeidbarer Stressoren vermieden werden. Die Ernährung der Kälber spielt eine große Rolle. Tränkemengen von 15 % des Körpergewichtes werden als zu gering angesehen, da Kälber, die bei der Mutter bleiben, bis zu 16 l Milch pro Tag aufnehmen.1 Die Erhöhung der Tränkemenge und der Anzahl der Mahlzeiten führt zu einer Leistungssteigerung bei der späteren Milchkuh.15 Bei Verwendung eines Milchaustauschers sollten dessen Qualität und die Art der Zubereitung überprüft werden, da die Vorschriften auf den Sack­anhängern nicht selten zu Missverständnissen Anlass geben. © Dr. Gelfert Risikoperiode Einstallung Fleckvieh: zusammengekauft aus verschiedenen Herkünften und transportiert in eine fremde Umgebung: eine typische Stresssituation mit hohem Risiko für Atemwegserkrankungen Erkennung, Behandlung und Aussichten Die rechtzeitige Erkennung von Atemwegserkrankungen durch den Tierhalter und die sofortige Hinzuziehung des Tierarztes im Verdachtsfall tragen erheblich zum Erfolg der Behandlung bei. Besonders in Risikoperioden mit erhöhtem Stress (Abb. 1) sollten die Tiere gut beobachtet werden. Die Tränke- bzw. Futter­ aufnahme ist als alleiniger Indikator für Krankheiten ungeeignet. Da die Tränke­ aufnahme in der Anfangsphase der EBP/Rindergrippe beim Kalb meist noch erhalten ist, wird die Erkrankung häufig zu spät erkannt und die Aussichten auf vollständige Heilung werden ungünstig. Die Kälber sollten einmal täglich aus der Entfernung beobachtet werden, wobei auf die folgenden Erscheinungen geachtet werden sollte: Husten, Absondern von der Gruppe, Trägheit, verstärkte Atmung. Verdächtige Tiere müssen aus der Nähe betrachtet werden, wobei auf die Haltung des Kopfes (aufrecht, gesenkt, schräg), den Stand der Ohren (waagerecht, ein oder beide Ohren hängen herab), die Art der Atembewegungen (gerade eben sichtbar, angestrengt, Flankenschlagen), die Augen und ihre Umgebung (sauber, Sekretstraßen, Krusten, eitrig verklebt), das Flotzmaul und die Umgebung der Nasenöffnungen (kein, wässriger, wolkiger oder eitriger Nasenausfluss) geachtet sowie die Körpertemperatur gemessen werden sollte. Temperaturen im Bereich 39,5 bis 40,5 °C sind verdächtig, bei noch höheren Temperaturen ist höchste Eile geboten. Der herbeigerufene Tierarzt wird die verdächtigen Kälber oder mehrere Tiere aus der Gruppe verdächtiger Tiere untersuchen. Die Untersuchung gibt Aufschluss über die Art und Ausdehnung der Erkrankung und liefert wertvolle Hinweise für die Einschätzung der Heilungs­ aussichten und die zu erwartende Behandlungsdauer. Erkrankte Tiere sind sofort und ausreichend zu behandeln. Gleichzeitig gilt es, noch gesund erscheinende Tiere, die zeitgleich ein erhöhtes Risiko für eine Atem­ wegs­erkrankung haben (Gruppenmitglieder erkrankter Kälber), durch eine geeignete Metaphylaxe vor Erkrankungen zu bewahren. 16 Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder Ein nicht unerheblicher Anteil Antibiotika wird Kälbern verabreicht, die unter verschleppten Atemwegserkrankungen leiden und später entweder euthanasiert werden oder nicht das Ende der Mast- bzw. Aufzuchtperiode erreichen. Im Sinne eines verantwortungsvollen Umganges mit Antibiotika ist festzuhalten, dass mangelhafte Haltungsbedingungen nie über die Anwendung von Antibiotika kompensiert werden können. Der Ausbruch der Rindergrippe muss vielmehr Anlass sein, die Schwachstellen im Betrieb systematisch aufzuspüren und zu beseitigen. Das Ziel ist ein Rückgang der Erkrankungsrate und damit eine Verminderung des Einsatzes von Antibiotika. In Zusammenarbeit mit Frau Prof. K. Müller, Berlin, hat Intervet , ein Unternehmen der MSD-Tiergesundheit, ein anschauliches und informatives Stallposter zur Früherkennung der Rindergrippe entwickelt. Dieser „Atemweg­weiser für Kälber und Rinder“ fasst die wichtigsten Informationen zu Risiko­ perioden und äußeren Symptomen für den Tierhalter zusammen. Das Stallposter steht unter www.msd-tiergesundheit.de/rindergrippe zum Download bereit oder kann über Ihren Tier­ arzt bei Intervet kostenlos angefordert werden. Literatur 1. Rushen, J., de Pasillé, A.M., von Keyserlingk, M.A.G., Weary, D.M. (2010): The Welfare of Cattle. Springer Verlag, Dordrecht, Niederlande: 181 - 253 2. Lührmann, B. (2009): Krank und teuer, DLZ 7/2009 3. Lago, A., McGuirk, S.M., Bennett, T.B., Cook, N.B., Nordlund, K.V. (2006): Calf respiratory disease and pen microenvironment in naturally ventilated calf barns in winter. J. Dairy. Sci. 89: 4014 - 4025 4. 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Univ. of WisconsinMadison, School of Veterinary Medicine Kopf gesenkt und schräg Kopf gesenkt, beide Ohren hängen herab 130228 -D.August 2012 (005) 118 Praxisstempel Intervet Deutschland GmbH Feldstraße 1a D-85716 Unterschleißheim www.msd-tiergesundheit.de Intervet GesmbH Siemensstraße 107 A-1030 Wien www.msd-tiergesundheit.at Intervet Deutschland GmbH jetzt ein Unternehmen der MSD Tiergesundheit