zu Wittgenstein Formale Logik Seite1/5 II. FORMALE LOGIK 1. Einführung 1.1. Ein Beispiel "Prämissen" "Konklusion" Alle Menschen sind schlafbedürftig Alle Studenten/innen sind Menschen Alle Studenten/innen sind schlafbedürftig Das Ganze nennt sich ein korrekter (gültiger, richtiger) logischer Schluss (Folgerung). Unterscheide: ein korrekter (etc.) Schluss vs. eine wahre Konklusion. Alle Proseminar-TeilnehmerInnen waren damit einverstanden, dass es sich um einen korrekten Schluss handelt. Probe: eigener Nachvollzug. Dabei kann man das Zwingende des Schlusses entdecken, das nicht-anders-denken-können. Diese Erfahrung ist fundamental zum Verständnis der Logik. Korrekte logische Schlüsse haben 5 Merkmale, von denen man sich selbst durch Nachvollzug überzeugen muss; 1.) Wenn die Prämissen wahr sind, ist auch die Konklusion wahr. (Wahrheitstransfer) 2.) Ob die Prämissen wahr sind, spielt für die Korrektheit des Schlusses keine Rolle. Bsp.; Alle Menschen haben die Eigenschaft A Alle Studis sind Menschen Alle Studis haben die Eigenschaft A Hier ist die erste Prämisse weder wahr noch falsch, dennoch ist die Korrektheit des Schlusses einsehbar. Um die Korrektheit eines Schlusses festzustellen, muss man nur die Sätze betrachten, nicht die "Sachen", über die die Sätze sprechen. 3.) Wenn man einen korrekten Schluss hat, kann man eine beliebige Anzahl anderer korrekter Schlüsse bilden, indem man Begriffe (überall gleich!) ersetzt: hier die Begriffe Mensch, Studi, schlafbedürftig z.Bsp. durch Lebewesen, Geschöpfe Gottes, Tiere. Dann entsteht korrekter Schluss: Alle Lebewesen sind Geschöpfe Gottes Alle Tiere sind Lebewesen Alle Tiere sind Geschöpfe Gottes 4.) Es kommt auf den Sinn der Begriffe in Bezug auf die Korrektheit der Schlüsse gar nicht an. Alle A sind B Alle C sind A Alle C sind B Dieser Schluss lässt sich als korrekt nachvollziehen, obwohl A,B,C "sinnlos" sind. Frage: Kann man alle Begriffe ersetzen, ohne die Korrektheit des Schlusses anzutasten? Einige A sind B Einige C sind A Einige C sind B Dies ist kein korrekter Schluss, da die Wahrheiten der Prämissen nicht verhindern, dass die C nicht B sind, und damit die Konklusion falsch ist: damit kein Wahrheitstransfer. "Alle" und "einige" spielen in Schlüssen offensichtlich eine andere Rolle als die Begriffe Mensch, schlafbedürftig etc. zu Wittgenstein Formale Logik Seite2/5 Es kommt für die Korrektheit eines Schlusses demnach nicht auf die ganzen Aussagen an, vielmehr braucht der Sinn mancher Begriffe nicht berücksichtigt zu werden. Logische Form Absicht der Einführung des Begriffs logische Form: dasjenige an einer Aussage, worauf es bei einem korrekten Schluss ankommt.(Rest zählt als Inhalt) Bsp.: Alle A sind B. Einige A sind B. 1.) Jede Form-Inhalt-Unterscheidung legt eine bestimmte Trennungslinie. Erst, wenn diese Trennungslinie bestimmt ist, ist die Unterscheidung klar. Bei der logischen Form wird die Trennungslinie so gelegt, dass zur logischen Form das für die Korrektheit von Schlüssen Relevante gehört, der Rest zum Inhalt. Logische Form entsteht dadurch, dass man vom Inhalt abstrahiert. Mit anderen Gesichtspunkten kann man andere Form-Begriffe bilden, z.Bsp. grammatische Form: Subjekt, Prädikat, Objekt. 2.1.1. Klassifikation von Sätzen 2.Schritt: aus Teilaussagen zusammengesetzte Aussagen Man kann eine Teilklasse von Aussagen unterscheiden: Aussagen, die aus Aussagen zusammengesetzt sind. Bsp.: Das Proseminar behandelt W'th und es findet in der Universität statt. Anton lernt W'th, weil er Soziologie studiert. * W’th: Wissenschaftstheorie Uebung: 39, 41. 3. Schritt: Verknüpfungen - Wahrheitsfunktionale (extensionale) Verknüpfungen (Junktoren) Der Wahrheitswert (Ww) der zusammengesetzten Aussage hängt nur von den Wahrheitswerten der Teilaussagen ab (nicht vom Sinn oder Kontext). Bsp.: "Das Proseminar behandelt W'th und findet in der Uni statt." Nur von den Ww der beiden Teilaussagen kann auf den Ww der Gesamtaussage geschlossen werden ohne dass der Satz sinnvoll sein muss. - Intensionale Verknüpfungen: Der Ww der zusammengesetzten Aussage hängt nicht nur vom Ww der Teilaussagen ab (sondern auch vom Satzsinn). Bsp.: "Anton lernt W'th, weil er Soziologie studiert." Die Ww-e der Teilaussagen reichen nicht aus, um auf den Ww der Gesamtaussage schliessen zu können (inhaltlicher Zusammenhang ist notwendig). Anton könnte auch W'th lernen aus einem andern Grund, z.B. weil seine Freundin es wünscht. Uebung: Aussagenverknüpfungen "oder","wenn, dann", "dadurch, dass" unserer Umgangssprache untersuchen, ob sie intensional oder extensional sind! Sätze 1. Schritt: unterscheide Aussagen nicht wahrheitsde(wahrheitsdefinitefinite Sätze) (Wahrheitsdefinite Sätze) 2. Schritt: unterscheide aus Teilaussagen zusammengesetzte Aussagen nicht zusammengesetzte zusammengesetzte Aussagen 3. Schritt: unterscheide mit extensionalen Verknüpfungen ohne extensionale Verknüpfungen zu Wittgenstein Formale Logik Seite3/5 2.1.2. Wahrheitsfunktionale Verknüpfungen Die extensionalen Verknüpfungen bewegten die Gemüter schon in der Antike. Die Wahrheitstafeln, die zur Darstellung von wahrheitsfunktionalen Verknüpfungen dienen, wurden von Wittgenstein eingeführt. A1, A2.... An sind Abkürzungen für beliebige Aussagen. 1. Konjunktion Die mit einer Konjunktion zusammengesetzte Aussage ist genau dann wahr, wenn die beiden Teilaussagen wahr sind: A1, ∧ A2 "∧" abkürzendes Zeichen für "und"; A1 , A2 heissen Konjunktionsglieder 2. Negation "nicht" verknüpft keine Aussagen, sondern bildet aus einer Aussage eine neue. ¬A1 "¬“: "nicht" Vorsicht bei der Negation! Bsp.:"Seine Mutter liess ihn zu Hause." Negationsmöglichkeiten: "Nicht seine Mutter liess ihn zu Hause." "Seine Mutter liess nicht ihn zu Hause." u .a. Die unbetonte Negation, die hier gemeint ist, kann so übersetzt werden: es ist nicht der Fall, dass... es trifft nicht zu, dass... Übungen: 45 – 47, 49 3. Adjunktion ( etwas irreführend : Disjunktion ) nichtausschiessliches " oder" (lat. vel) . "∨" (nicht das ausschliessliche "oder" im Sinn von "entweder oder" (lat. aut)) Die Aussage ist wahr, wenn mindestens eine der Teilaussagen (aber auch beide) wahr ist. Uebungen: 50 Stelle "entweder A1 oder A2" dar: - mittels Wahrheitstafel - mittels ¬,∧,∨ 4. (materiale) Implikation (Konditional) Bsp.: " Wenn es regnet, dann laufe ich schneller." Und wenn es nicht regnet? "wenn, dann" ist nicht wahrheitsfunktional, sondern intensional, hat aber eine extensionale Bedeutungskomponente: wenn die erste Teilaussage wahr und die zweite falsch ist, kann man entscheiden, dass die Gesamtaussage falsch ist. "wenn, dann..." : "→" A1 : Vorderglied, A2 : Hinterglied "A1 → A2". Die extensionale Bedeutungskomponente wird in der materialen Implikation isoliert: zu Wittgenstein Formale Logik Seite4/5 Es wird dementiert: ( A1 ∧ ¬A2) , d.h. ¬ ( A1∧ ¬A2) wird behauptet. Konsequenzen der Definition: 1. Zeile: Implikatonen mit wahrem Vorder- und Hinterglied sind immer wahr. Das weicht von unserer Umgangssprache ab. z.B. "Wenn Emmentaler Käse ist, ist die Uni gross" ergibt keinen Sinn. Aber „Emmentaler ist Käse → die Uni ist gross“ ist war. 2. Zeile: Stimmt mit "wenn,dann" überein (extensionale Bedeutungskomponente). 3. und 4. Zeile : Implikatonen mit falschem Vorderglied sind immer wahr. Das weicht von der Umgangssprache ab, in der solche Sätze unbestimmt sind. 5. (materiale) Aequivalenz " A1↔A2" . " genau dann, wenn" . ".↔." Präzis gesagt: Die Gesamtaussage ist wahr, wenn der Wahrheitswert der Teilaussagen gleich ist. Grob gesagt: A1 genau dann, wenn A2 A1 dann und nur denn, wenn A2 A1 A2 und umgekehrt Uebung: Wieviele extensionale Verknüpfungen zweier Aussagen gibt es? Wieviele intensionale? Übungen Übung 38. Welche Sätze sind Aussagen? 1 Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne. 2 Sei n eine Primzahl > 2. 3 Kommt es darauf an? 4 Die Kiste stand beim Kaufmann. 5 Die Tatsache, daß er jetzt hier ist. 6 Es ist schon schlimm genug, daß er jetzt hier ist. 7 Wenden Sie sich bitte an unser Büro. 8 Wenn jemand in Not ist, hilft das Rote Kreuz. Übung 39. Welche von den komplexen Sätzen sind Aussagen? 1 Entweder trifft a b, oder c besucht d. 2 a trifft b, es sei denn, daß c d besucht. 3 Bilde einen komplexen Satz aus "a trifft b" und "c besucht d"! 4 Es ist nicht wahr, daß a b trifft oder c d besucht. 5 Hoffentlich trifft a b, während c d besucht! 6 Es ist unglaublich, daß c d besucht und a b trifft. 7 Jemand hat gefragt, ob a b trifft oder c d besucht. 8 Wenn c d besucht, dann trifft a b. 9 Glaub mir, daß a b trifft, während c d besucht! zu Wittgenstein Formale Logik Seite5/5 Übung 45. Schreiben Sie mit "A1" für "es schneit" und "A2" für "es regnet": 1 Es schneit, und es regnet. 2 es schneit nicht, und es regnet. 3 Es schneit nicht. 4 Es schneit nicht, und es regnet nicht. 5 Es schneit, und es regnet nicht. 6 Es regnet nicht. Übung 50. Formulieren Sie mit "A1" für »a kommt", "A2" für "b kommt" und 1 a kommt, und b oder c kommen. 2 a kommt mit b, oder a und b kommen beide nicht. 3 a kommt ohne b oder b kommt ohne a. 4 a und b kommen nicht, oder c kommt. 5 b und c kommen, oder a kommt nicht. 6 a kommt mit b oder mit c. für "c kommt": Stelle „Entweder A1, oder A2“ dar a) mittels Wahrheitstafel b) mittels ∧,∨,¬ Übung 53 Formulieren Sie mit "A1" für "Hans kommt" und "A2" für "Fritz kommt": Welche Sätze sagen dasselbe? 1 Hans kommt nur, wenn auch Fritz kommt. 2 Hans kommt nicht, ohne daß Fritz kommt 3 Nur wenn Hans kommt, kommt Fritz allenfalls. 4 Wenn Fritz kommt, dann kommt Hans. 5 Nur wenn auch Fritz kommt, kommt eventuell Hans. 6 Wenn Hans kommt, dann kommt Fritz. 7 Fritz kommt nicht, ohne daß Hans kommt. 8 Hans kommt nur, wenn Fritz kommt. Übung 31 Formulieren Sie umgangs(bildungs)sprachlich: 1 /\ x (x haßt y), (lese: für alle x gilt, x hasst y.) 2 /\ y (x haßt y), 3 /\ x (x liebt y) 4 /\ y (x liebt y), 5 V y (x liebt y), (lese: es gibt mindestens ein y für das gilt, x liebt y.) 6 /\ x (x glaubt y), 7 /\ y (x glaubt y), 8 V x (x glaubt y). Lösungen: Übung 38: 1, 4, 6, 8 Übung 39: 1, 2, 4, 6, 7, 8 Übung 45: 1 A1 ∧ A2; 2 ¬A1 ∧ A2; 3 ¬A1; 4 ¬A1 ∧ ¬A2; 5 ¬A1 ∧ A2; 6 ¬A2 Übung 50: 1 A1 ∧ (A2 ∨ A3); 2 (A1 ∧ A2) ∨ (¬A1 ∧ ¬A2); 3 (A1 ∧ ¬A2) ∨ (¬A1 ∧ A2); 4 (¬A1 ∧ ¬A2) ∨ A3; 5 (A2 ∧ A3) ∨ ¬A1 6 (A1 ∧ A2) ∨ (A1 ∧ A3) Übung 53: 1 A1 → A2; 2 A1 → A2; 3 A2 → A1; 4 A2 → A1; 5 A1 → A2; 6 A1 → A2; 7 A2 → A1; 8 A1 → A2; Übung 31: Zum Beispiel: 1 y ist verhasst; 2 x ist Misanthrop; 3 y ist beliebt; 4 x ist Philanthrop; 5 x ist verliebt; 6 y gilt als zuverlässig; 7 x ist leichtgläubig; 8 y findet Glauben.