Blutdruck Von niedrig bis zu hoch Über den Blutkreislauf wird der gesamte Körper des Menschen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Durch die Pumpkraft des Herzens und den Widerstand der Gefäße entsteht dabei der für den Kreislauf nötige Blutdruck. Dieser ist bei vielen zu hoch, bei anderen – insbesondere bei jungen und schlanken Menschen – niedriger. Über Letzteres darf man sich laut Kardiologe Dr. Wolfgang Fuchs freuen: „Der niedrige Blutdruck (Hypotonie) stellt einen Schutz für die Gefäße dar. Hingegen ist der hohe Blutdruck (Hypertonie) ein zu wenig beachtetes Problem mit enormer Tragweite.“ Dr. Wolfgang Fuchs ist Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin und betreibt seit 2007 eine Ordination in Dornbirn. Zudem ist er als Oberarzt für Interventionelle Kardiologie am Herzkathederlabor des Landeskrankenhaus Feldkirch tätig. Von 1997 bis 2007 leitete er dort die Herzintensivstation. Herr Dr. Fuchs, es heißt, einen niedrigen Blutdruck zu haben, ist gut. Warum ist das so? Der niedrige Blutdruck, wie er bei jungen und schlanken Menschen häufig zu beobachten ist, stellt einen Schutz für die Gefäße dar. Er verhindert somit Erkrankungen wie Hirnschlag und Herzinfarkt. Je tiefer der Blutdruck ist, umso besser für das Schlagadersystem, also die Arterien und damit auch für die Organe. Aber kann niedriger Blutdruck auch „gefährlich“ sein? Es gibt Kreislaufregulationsstörungen, wo es durch zu schnelles Aufrichten oder nach einer üppigen Mahlzeit zu einem Blutdruckabfall mit Beschwerden kommen kann, bis hin zu einer kurzen Bewusstlosigkeit. Hier besteht natürlich eine gewisse Verletzungsgefahr durch einen Sturz. Oft bahnt sich dies jedoch mit Beschwerden langsam an, sodass ein Sturz vermieden werden kann. Was für Beschwerden meinen Sie genau? Eine Hypotonie, wie der allgemein niedrige Blutdruck in der Fachsprache heißt, macht beim Gesunden an und für sich keine Beschwerden. Kommt jedoch ein Flüssigkeitsmangel oder Flüssigkeitsverlust, wie zum Beispiel bei einer Durchfallerkrankung, dazu, oder besteht zusätzlich eine Regulationsstörung kann es zu Schwäche, Leeregefühl im Kopf, Herzklopfen, Schwindel und, wie bereits erwähnt, sogar zu einer kurzen Bewusstlosigkeit kommen. Diese Beschwerden kommen durch ein vorübergehendes Durchblutungsdefizit des Gehirnes zustande. Können auch ernsthafte Erkrankungen hinter einem niedrigen Blutdruck stecken? Klar zu trennen von den gutartigen Regulationsstörungen ist ein tiefer Blutdruck im Rahmen einer schweren Grunderkrankung. Letzteres umfasst ein weites Spektrum und beinhaltet etwa eine Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz), Herzklappenerkrankungen, schwere Infekte, allergische Reaktionen, Krebserkrankungen, schwere Hormonmangelzustände, Vergiftungen sowie überschießende Medikamenten-Wirkungen und Nebenwirkungen, um nur einige wenige exemplarisch zu nennen. Wie wird die „Diagnose“ gestellt? Anders gefragt: Reicht es, wenn man dem Arzt von Schwindelgefühl nach dem Aufstehen berichtet? Die wichtigste Information, die zur Stellung der Diagnose beiträgt, kommt wirklich aus den Schilderungen des Patienten, also aus der Anamnese. Natürlich wird diese noch durch Blutdruckmessungen untermauert. Zur Beurteilung einer Regulationsstörung beim Aufrichten (orthostatische Hypotonie) kann noch ein sogenannter Schellong Test ergänzt werden. Hier muss der Patient vorerst liegen, dann Aufstehen und dabei wird begleitend Blutdruck und Puls festgehalten. Eine Weiterentwicklung dieser einfachen Untersuchungsmethode ist der Kipptischtest. Hier wird der Patient auf eine Liege geschnallt, die dann – unter sorgfältigen Messungen von verschiedenen Parametern und zum Teil unter Medikamentengabe über eine Spritzenpumpe – aufgerichtet wird. Dies ist eine Untersuchung, wie sie auch bei der Abklärung von Bewusstseinsverlusten zur Anwendung kommen kann. Was kann man gegen einen niedrigen Blutdruck bzw. dessen Beschwerden machen? Im Grunde darf man sich über einen niedrigen Blutdruck freuen. Sollte er Beschwerden machen ist vor allem eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr anzuraten. Weitere mögliche Maßnahmen sind Wechselduschen, eine ausreichende Salzaufnahme, das Meiden von kohlensäurehältigen Getränken und blähenden Speisen sowie ein regelmäßiges Krafttraining. Im Gegensatz zum niedrigen Blutdruck ist ein zu hoher Blutdruck oft gefährlich – das ist weithin bekannt. Wie häufig ist er? Der hohe Blutdruck – der medizinische Fachausdruck dafür ist Hypertonie – ist weltgesundheitlich ein sehr großes Problem. Gemeinsam mit dem Übergewicht, dem Diabetes und der Fettstoffwechselstörung (metabolisches Syndrom bzw. „tödliches Quartet“) ist hier eine erschreckende Epidemie zu beobachten. In den USA hatten im Jahre 2000 bereits 30 Prozent der über 18-jährigen einen zu hohen Blutdruck, das waren 20 Prozent mehr als ein Jahrzehnt zuvor. Man nimmt an, dass zum Jahrtausendwechsel bereits 26 Prozent der gesamten Weltbevölkerung eine Hypertonie hatten. Daten von 2003 sprechen von einer Häufigkeit von 44 Prozent in Europa und 28 Prozent in Kanada. In Vorarlberg dürfte, grob gesagt, jeder dritte Erwachsene einen zu hohen Blutdruck haben. Welche Symptome treten denn dabei auf? Symptome treten meistens erst spät und dann durch Komplikationen auf, also beispielsweise durch den ersten Schlaganfall. Der stark erhöhte Blutdruck selbst kann auch Beschwerden, wie zum Beispiel Schwindel und Kopfschmerzen, nach sich ziehen. Diese sind allerdings nicht zuverlässig. Auch ein jahrelang erhöhter Blutdruck kann vorerst keinerlei Beschwerden verursachen, bevor er zur Katastrophe führt. Daher sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen zur Früherfassung von großem Wert. Das klingt wirklich sehr dramatisch. Um welche „Katastrophen“ handelt es sich denn genau? Also: Welche Erkrankungen werden durch einen Bluthochdruck verursacht? Die Hypertonie ist der Hauptrisikofaktor für den sogenannten Insult, den bereits erwähnten Schlaganfall. Das Risiko dafür wird über mehrere Mechanismen erhöht. Der Hirnschlag kann nicht nur durch einen Gefäßverschluss, sondern auch durch eine Blutung oder ein verschlepptes Gerinnsel aus dem Herzen verursacht werden. Der Bluthochdruck erhöht das Risiko für alle diese Faktoren. Das Risiko für den Herzinfarkt ist im Vergleich weniger stark beeinflusst, da der Mechanismus dafür nur der Gefäßverschluss ist. Weitere typische Erkrankungen durch Bluthochdruck sind die Herzschwäche, Rhythmusstörungen – vor allem Vorhofflimmern – sowie eine eingeschränkte Nierenfunktion. Was kann man gegen einen hohen Blutdruck machen? Das Wichtigste ist der Lebensstil, denn dieser ist in den meisten Fällen zugleich auch die Ursache. Auf Basis der Daten einer kürzlich durchgeführten Studie können wir davon ausgehen, dass bis zu 80 Prozent der Hypertonie-Fälle durch einen ungünstigen Lebensstil verursacht werden. Es ist daher sehr wichtig, einen gesunden Lebensstil zu pflegen. Was ist damit gemeint? Positiv sind regelmäßige Bewegung, normales Körpergewicht, Nichtrauchen und eine mediterran orientierte Diät. Diese beinhaltet viel Gemüse und Obst, wenig Salz, Betonung von Beilagen wie Kartoffel, Reis und Pasta, nur wenig dunkles Fleisch, sondern eher helles Fleisch, also Fisch und Geflügel, kein sichtbares Fett am Fleisch, Olivenöl und wenig Milchprodukte – um die wesentlichen Aspekte zu nennen. Es gibt doch auch Medikamente gegen Bluthochdruck. Wann sollte man diese einnehmen? Sobald Lebensstilmaßnahmen nicht ausreichend greifen. Allerdings muss man das realistisch sehen, es ist im Großen und Ganzen nämlich leider die Ausnahme, dass der Lebensstil gut umgestellt wird. Außerdem lässt sich nicht jede Hypertonie lediglich durch Bewegung und Diät alleine einstellen. Häufig ist die dauerhafte Einnahme von Medikamenten nicht zu umgehen und sogar wichtig. Das Risiko lässt sich damit wieder auf das Maß von Menschen ohne Bluthochdruck senken. Eine Bluthochdruckbehandlung ist eine Dauertherapie. Wird eine solche Bluthochdruckbehandlung gut umgesetzt? Nur etwas mehr als die Hälfte der Bluthochdruckpatienten wird behandelt. Davon wiederum nur die Hälfte ausreichend. Es gibt also viel zu tun!