IV. Märkte

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IV. Märkte
1. Grundlagen
Mikroökonomie II WS 2003/04
Version vom 03.03.04
IV. Märkte
Angebot und Nachfrage nach einem Gut (bzw. einer Dienstleistung) treffen auf dem jeweiligen Markt zusammen. Es kommt dabei zur Bildung von Marktgleichgewichten, die insbesondere durch den herrschenden Preis - Gleichgewichtspreis - gekennzeichnet sind. Wie solche
Marktgleichgewichte als Ergebnisse von Marktprozessen beschaffen sind und zu welchem
gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsniveau sie führen, hängt von vielen Faktoren ab: von den
Präferenzen und dem Ausgabenspielraum der Nachfrager, von den Produktionskosten der
Anbieter, der Art des betreffenden Produkts und insbesondere den für dieses Produkt bestehenden Substitutionsmöglichkeiten, der Marktstruktur, d. h. besonders der jeweiligen Zahl
von Anbietern und Nachfragern. Nach einer kurzen Beschreibung allgemeiner Grundlagen,
die insbesondere die Nachfrageseite betreffen, wollen wir dann die wichtigsten Typen von
Marktgleichgewichten näher charakterisieren. In diesem Zusammenhang wird auch erörtert,
wie es durch staatliche Eingriffe der verschiedensten Art (Mindest-, Höchstpreise, Steuern,
Zölle, ...) zu einer Veränderung der Gleichgewichte kommt.
1. Grundlagen
Im vorhergehenden Kapitel haben wir gesehen, dass sich die inverse gesamtwirtschaftliche
Angebotsfunktion p S ( X ) für ein Gut als Segment der gesamtwirtschaftlichen Grenzkostenkurve für dieses Gut (A Ergebnis der horizontalen Addition der Grenzkostenfunktionen der
einzelnen Anbieter) bestimmen lässt. Dabei ergab sich (bei steigenden Grenzkosten der Produktion) ein positiver Zusammenhang zwischen Güterpreis und Güterangebot : Wenn der
Güterpreis steigt, erhöht sich die von den Produzenten gewählte Angebotsmenge.
Im Rahmen des in Kapitel II behandelten Haushaltsmodells haben wir beschrieben, wie die
Güternachfrage eines einzelnen Individuums vom Güterpreis abhängt. Für normale Güter
hatten wir dabei einen negativen Zusammenhang zwischen Preis und Güternachfrage erhalten.
Die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion X D ( p) für ein Gut ergibt sich auch hier durch
Aufsummieren ("Aggregation") der jeweiligen Einzelnachfragen der verschiedenen Konsumenten.
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1. Grundlagen
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Ebenso wie bei der gesamtwirtschaftlichen Angebotsfunktion betrachten wir auch bei der gesamtwirtschaftlichen Nachfragefunktion die Umkehrfunktion p D ( X ) (inverse Nachfrage).
Ohne dass dadurch die Aussagen wesentlich beeinträchtigt werden, wollen wir bei der jetzt
folgenden Analyse von Fixkosten absehen. Für die gesamtwirtschaftlichen Produktionskosten
C ( X ) , die beim Produktionsniveau X anfallen, gilt dann
X
(IV-1)
C ( X ) = ∫ C′(X% )dX% .
0
Kosten repräsentieren einen negativen Wohlfahrtsbeitrag, der sich somit als Fläche unter der
inversen Angebotsfunktion p S ( X ) ausdrücken lässt.
Um zu einer analogen wohlfahrtsrelevanten Interpretation für die inverse Nachfragefunktion
p D ( X ) zu gelangen, müssen wir etwas weiter ausholen. Zu diesem Zweck betrachten wir
zunächst wieder einen einzelnen Konsumenten ("Max"), dessen in Geld ausgedrückte ("monetäre") Wertschätzung für ein bestimmtes Gut ("Bier") ermittelt werden soll.
Im ersten Schritt wird Max danach gefragt, wie viel € bzw. Cent ihm ¼ Liter Bier wert ist,
d. h. wie viel er maximal für ¼ Liter Bier (sofort konsumierbar) zu zahlen bereit ist. Max, der
durstig ist, nennt 2,50 € als Zahlungsbereitschaftsmaß. (Um Missverständnisse gleich im Ansatz zu vermeiden: Diese 2,50 € haben zunächst nichts mit dem Preis des Bieres zu tun, d. h.
damit wie viel ein Kneipier oder ein Getränkeladen tatsächlich für das Bier verlangt. Vie lmehr beschreiben die 2,50 € die in Geld ausgedrückte Wertschätzung, die Max ganz subjektiv
in einer bestimmten Situation für Bier hat.) Im zweiten Schritt wird dann ermittelt, wie viel
Max für ein zweites Viertel Bier auszugeben bereit ist. Max, schon etwas weniger durstig,
nennt für das zweite Viertel 2 €. Für das dritte Viertel ist er noch bereit, 1,50 € zu bezahlen,
für das vierte Viertel 1,00 €, für das fünfte Viertel 0,50 €, für das sechste Viertel nichts mehr.
Dann hat Max - zumindest, was den Bierkonsum am betreffenden Abend angeht, genug, er ist
"gesättigt".
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Wenn man in einem Koordinatensystem die (maximalen) Zahlungsbereitschaften für die verschiedenen Bierquanten (von einem bis zu sechs V(ierteln)) abträgt, ergibt sich die in Abbildung IV-1 dargestellte treppenfö rmige Funktion.
Zahlungsbereitschaften
Abbildung IV-1
p
1V
2V
3V
4V
5V
6V
Bierquanten
Diese Grafik lässt sich in zweifacher Weise deuten: Zum einen gibt die Fläche unter der
Treppe an, wie viel Max eine bestimmte Gesamtmenge an Bier in Geldeinheiten wert ist: Bei
drei Vierteln ergibt dies den Betrag 1x2,50 + 1x2,00 + 1x1,50 = 6 € . Diese Feststellung lässt
sich auch in der Weise interpretieren, dass drei Viertel Liter Bier Max (am betreffenden Abend) einen in Geldeinheiten gemessenen Nutzen in Höhe von 6 € verschaffen. Die 6 € liefern
also ein monetäres Nutzenmaß für eine bestimmte Biermenge, und die Höhe der einzelnen
Treppenstufen in Abbildung VI-1 gibt dann den Grenznutzen an, den ein zusätzliches Viertel
Bier jeweils erzeugt.
Zum anderen kann man die Stufenfunktion in Abbildung IV-1 aber auch als Nachfragefunktion bzw. als inverse Nachfragefunktion auffassen. Nehmen wir etwa an, der Bierpreis in der
Kneipe, in der Max sich gerade befindet, betrage 1,20 € pro Viertel Liter Bier. Dann wird
Max drei Viertel Bier konsumieren, denn für die ersten drei Viertel ist die Zahlungsbereitschaft von Max (mit 2,50 €, 2 €, 1,50 €) höher als der Preis von 1,20 € pro Viertel Liter. Das
vierte Viertel ist Max aber mit 1 € weniger wert als der Bierpreis von 1,20 € pro Viertel, so
dass Max auf den Konsum des vierten Viertels verzichten wird. Anhand der Abbildung IV-1
lässt sich die Nachfrageentscheidung von Max also dadurch ermitteln, dass man schaut, von
welcher Biermenge an die Treppenfunktion unter dem Preisniveau ( p = 1,20 € ) liegt.
Wichtig ist jetzt, dass man mit Hilfe der Abbildung IV-1 gleichzeitig feststellen kann, wie
hoch der Nettonutzen von Max beim Kauf (und Konsum) einer bestimmten Biermenge zu
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einem bestimmten Preis ist. Bleiben wir bei dem Beispiel mit einem Bierpreis von 1,20 € pro
Viertel und der für Max dann optimalen Kaufmenge von drei Viertel. Er hat - wie gerade berechnet - dann einen Bruttonutzen von 6 €, gleichzeitig aber Ausgaben für das Bier in Höhe
von 3x1,20 € = 3,60 € , so dass ihm ein in Geldeinheiten gemessener Nettonutzen in Höhe
von 6 € − 3,60 € = 2,40 € bleibt. Grafisch ist dies die Fläche zwischen der Treppenfunktion
und der Preisgeraden, die in Abbildung IV-1 abschattiert ist. Diesen Überschuss des Gesamtnutzens ( A Summe der marginalen Zahlungsbereitschaften) über die Ausgaben (Preis x Menge) wird auch als (Netto)Konsumentenrente bezeichnet.
Wenn man jetzt wieder mehrere Individuen betrachtet und deren Zahlungsbereitschaften für
ein bestimmtes Gut aufaddiert, erhält man sowohl eine Beschreibung für den gesamten monetär bewerteten Grenznutzen des Gutes als auch die inverse Gesamtnachfragefunktion für
das Gut. Anders gesagt: Die inverse Gesamtnachfragefunktion p D ( X ) eines Gutes lässt sich
als Grenznutzenfunktion interpretieren. Die Fläche unter der inversen Nachfragefunktion (in
den Grenzen zwischen 0 und einem bestimmten Konsumniveau X ) beschreibt den in Geld
ausgedrückten Nutzen aller Konsumenten, der ihnen insgesamt durch den Konsum der Menge
X vermittelt wird.
Diesen Betrag nennt man auch die Bruttokonsumentenrente bei der Menge X . Die eigentliche (Netto)Konsumentenrente ergibt sich dann dadurch, dass man die Bruttokonsumentenrente um die Ausgaben der Konsumenten beim Erwerb der Menge X vermindert, d. h. formal
X
(IV-2)
RK ( X ) = ∫ pD ( X% ) dX% − pD ( X ) X .
0
Mit Hilfe der durch (IV-1) und (IV-2) angegebenen Beschreibungen für die gesamtwir tschaftlichen Kosten und Nutzen wird es jetzt möglich, die Gesamtwohlfahrt grafisch zu veranschaulichen, die sich in verschiedenen Marktgleichgewichten ergibt. Es wird also im Folgenden nicht nur untersucht, wie hoch die Mengen und die Preise jeweils sind, sondern auch,
ob ein bestimmtes Ergebnis unter Wohlfahrtsgesichtspunkten (d. h. im Hinblick auf den Nutzen der Konsumenten und die Kosten der Produzenten) "gut" oder "schlecht" ist. Eine solche
Betrachtungsweise bezeichnet man auch als normativ.
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