Theorie

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Komplexe Zahlen
MNProfil - Mittelstufe KSOe
Ronald Balestra
CH - 8046 Zürich
www.ronaldbalestra.ch
Name:
Vorname:
16. Mai 2012
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung und Überblick
2
2 Gleichungen & unmögliche Lösungen
2.1 Lineare Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Quadratische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Kubische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
? 6
.
6
. 10
. 12
3 Die Menge der komplexen Zahlen
? 20
4 Die Gauß’sche Zahlenebene
? 24
4.1 Die Polarform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.2 Die Exponentialform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5 Die Wurzeln aus einer komplexen Zahl
? 39
Der ? am Ende der Kapitelbezeichung ist ein Link zu bearbeiteten Theorieunterlagen.
Diese Unterlagen sind ältere Versionen. Sie sind nicht vollständig und schon gar nicht
abschliessend, da immer wieder Streichungen, Erweiterungen,... vorkommen, ermöglichen aber einen Einblick in die im Unterricht mit der Klasse erarbeiteten Einträge und
Ergänzungen.
1
1
Einführung und Überblick
Obwohl schon im 16. Jahrhundert CARDANO (1501 - 1576) mit komplexen
Zahlen als Lösungen von Gleichungen gerechnet hat
√
x1,2 = 5 ± −15 sind Lösungen von x(10 − x) = 40
dauerte es sehr lange, bis die komplexen Zahlen in Mathematikerkreisen akzeptiert wurden. Sie galten als unmöglich und eingebildet und als Phantasiegebilde
dem menschlichen Geistes abgetan. Selbst Cardano bezeichnete seine Zahlen als
quantitas sophistica, als spitzfindige Grössen und hielt sie für unnütze Spielereien.
Dass sie nicht ganz unnütz waren, zeigte sich in der Vermutung von DESCARTES (1667 - 1754): ”Eine Gleichung hat immer so viele Lösungen, wie ihr
Grad angibt. Wenn die Lösungen auch manchmal seulment imaginaires sind.”
Diese Vermutung ist heute als Fundamentalsatz der Algebra bekannt und gilt
als bewiesen.
EULER (1707 - 1783) hatte sich, neben vielem anderen, auch lange Zeit mit
den komplexen Zahlen auseinandergesetzt. Er führte das Symbol
√
i für −1
ein, rechnete damit wie wenn i2 = −1 ist und leitete die Euler’sche Formel
eix = cos x + i sin x
her. Eine Formel, in welcher die Algebra (komplexe Zahlen), die Analysis (Potenzreihenentwicklung) und die Geometrie (Trigonometrie) in eine Beziehung
gebracht werden.
In seinem Lehrbuch Vollständige Anleitung zur Algebra aus dem Jahre 1770
schreibt er über die komplexen Zahlen:
”Weil nun alle möglichen Zahlen, die man sich immer vorstellen
mag, entweder grösser oder kleiner als 0 oder 0 selbst sind, ist klar,
dass die Quadratzahlen von Negativzahlen nicht einmal zu den möglichen Zahlen gerechnet werden können. Folglich müssen wir sagen,
dass sie unmögliche Zahlen sind. Dieser Umstand führt uns zum
Begriff solcher Zahlen, die ihrer Natur nach unmöglich sind und
gewöhnlich imaginäre oder eingebildete Zahlen genannt werden, weil
sie bloss in der Einbildung vorhanden sind.
(. . . ) Dennoch bieten sie sich unserem Verstande dar und finden in
unserer Einbildung Platz; deshalb werden sie auch bloss √
eingebildete Zahlen genannt. Obwohl aber diese Zahlen, wie z.B. −4, ihrer
2
Natur nach ganz und gar unmöglich sind, haben wir von ihnen doch
einen hinlänglichen Begriff, da wir wissen, dass durch sie eine Zahl
angedeutet wird, die mit sich selbst multipliziert als Produkt -4 hervorbringt; und dieser Begriff ist ausreichend, um diese Zahlen den
Rechenverfahren zu unterwerfen.”
Den Nimbus des Esotherischen und des Phantastischen verloren diese imaginären Zahlen erst durch GAUSS (1777 - 1885) und seiner Veröffentlichung einer geometrischen Interpretation der komplexen Zahlen mittels der Gauß’schen
Zahlenebene: ” ... so wie man sich das ganze Reich aller reellen Grössen durch
eine unendliche Linie denken kann, so kann man das Reich aller Grössen, reeller und imaginärer Grössen, sich durch eine unendliche Ebene sinnlich machen,
worin jeder Punkt, durch Abszisse = a und Ordinate = b bestimmt, die Grösse
a + bi gleichsam repräsentiert.”
Die formale Definition der komplexen Zahlen als eine Menge geordneter
Zahlenpaare mit inneren Verknüpfungen geht auf HAMILTON (1805 - 1865)
zurück.
Wir werden im Folgenden als Zugang zu den komplexen Zahlen ebenfalls
den Weg über Gleichungen und Unmögliche Lösungen wählen.
Im Kapitel über Die Menge der komplexen Zahlen werden wir die Rechengesetze in der kartesischen Darstellung besprechen. Auf die formale Definition von Hamilton werden wir nicht weiter eingehen.
Im anschliessenden Kapitel über Die Gauß’ sche Zahlenebene werden
wir die geometrische Darstellung der komplexen Zahlen besprechen und mit ihr
auch die Polarform herleiten. Mit einem kurzen Abstecher in die Potenzreihenentwicklung werden wir die Euler’sche Formel herleiten und mit ihr insbesondere
die Rechenoperationen geometrisch interpretieren.
Weiter werden wir im Kapitel Die Wurzeln aus einer komplexen Zahl
die Lösungen der Gleichung z n = a, mit a ∈ C bestimmen und geometrisch
interpretieren.
Im letzten Kapitel Komplexe Funktionen werden wir uns noch mit den
zugehörigen Funktionen beschäftigen.
3
Zum Abschluss ein kurzen Überblick über den historischen Weg zu C:
(aus Mag. G. Hainscho’s Wotkshop komplexe Zahlen,
zu finden unter http://www.acdca.ac.at/material/kl7/7c.htm
• 1515: Scipione del Ferro (1465 - 1526) findet die Lösung für x3 + bx = c
durch Wurzeln (Radikale). Er hält seine Lösungsmethode jedoch geheim
und teilt sie lediglich einigen Freunden bzw. Schülern mit, unter anderem
Antonio Maria Fior.
• 1535: Antonio Maria Fior stellt Nicolo Fontana (1499/1500 - 1557) auch
Tartaglia (der Stotterer) genannt wegen eines Sprachfehlers aufgrund einer Gesichtsverletzung bei der Einnahme von Brescia durch die Franzosen
(1512), 30 Aufgaben, die auf solche Gleichungen führen. Tartaglia findet
die Lösung und gibt sie (ohne Beweis) auf viele Bitten und dem Versprechen, sie nicht zu veröffentlichen, an Girolamo Cardano (1501 - 1576)
in Form eines Sonetts weiter.
• 1545: Cardano bricht sein Versprechen und veröffentlicht die Lösung in
seinem Hauptwerk ars magna sive de regulis algebraicis. Er unterscheidet
wahre und fiktive Lösungen (verae & falsea bzw. fictae), d.h. positive und
negative, sowie verschiedene Typen von Gleichungen: x3 + bx = c, x3 =
bx + c, x3 + c = bx. Jeder Fall wird extra durch geometrische Überlegungen begründet, da noch keine geeignete Symbolik für algebraische
Untersuchungen entwickelt war. Es kann vorkommen, dass im Zuge der
Rechnung Wurzeln aus negativen Werten auftreten(casus irreducibilis),
insgesamt jedoch eine positive reelle Lösung existiert. Cardano bezeichnet
solche Grössen als quantitae sophisticae, d.h. formale, an sich sinnlose Werte. Rechenregeln für solche Werte wurden erstmals von Raffael Bombelli
(1526 - 1572) angegeben. Cardanos Buch enthält auch andere Aufgaben
mit Lösungen in Form von quantitae sophisticae sowie eine Lösung für
Gleichungen 4. Grades, die von seinem Schüler und Schwiegersohn Luigi
Ferrari (1522 - 1565) gefunden wurde.
• Andere Methoden zur Lösung von Gleichungen 3. und 4. Grades wurden
später gefunden, etwa mit Hilfe von Kegelschnitten von Rene Descartes (1596 - 1650) oder Pierre de Fermat (1601 - 1665), sowie mit Hilfe
goniometrischen Beziehungen von François Viète (1540 - 1603) oder Albert Girard (1595 - 1632). Descartes bezeichnet Wurzeln aus negativen
Zahlen als imaginär.
• 1738: Veröffentlichung einer vereinfachten Herleitung der Cardanischen
Formel durch Leonhard Euler √
(1707 - 1783). Später führt Euler auch die
Beziehung i für die Wurzel aus −1 ein und erkennt den fundamentalen
Zusammenhang cos ϕ + i · sin ϕ = eiϕ (Sonderfall: eiπ = −1). Er hält
die Lösung von Gleichungen höheren Grades für möglich, dagegen glaubt
etwa Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855) nicht an eine solche Möglichleit.
4
Gauß prägt schliesslich die Bezeichnung komplexe Zahl, veranschaulicht
komplexe Zahlen als Punkte einer Ebene und beweist 1799 endgültig den
von Descartes formulierten Satz, dass jede algebraische Gleichung n-ten
Grades genau n komplexe Lösungen besitzt.
• Niels Henrik Abel (1802 - 1829) gelingt der Beweis der Unmöglichkeit,
die allgemeine Lösung von Gleichungen 5. Grades durch Wurzeln darzustellen.
• Evariste Galois (1811 - 1832) gelingt der Beweis der Unmöglichkeit, die
allgemeine Lösung von Gleichungen n-ten Grades (n ≥ 5) durch Wurzeln
darzustellen sowie die Beschreibung des Zusammenhangs zwischen einer
Gleichung und ihrer Gruppe: eine Gleichung ist genau dann in Radikalen
auflösbar, wenn diese Gruppe eine Normalreihe mit abelschen Faktoren
hat.
• Benoı̂t B. Mandelbrot (1924 - ), Heinz-Otto Pleitgen (1945 - ) u.a.
bewirken durch Visualisierungsmöglichkeiten des Computers im Zusammnehang mit Fraktalen bzw. der Chaostheorie eine gewisse Popularisierung
der komplexen Zaheln, wobei oft ästhetische Aspekt im Vordergrund stehen.
• Für einen weiteren Überblick über die Zahl i:
Zeitschrift Mathematiklehren Nr.121 (12.2003)
• Für eine Vertiefung der Herleitung der Cardanischen Formel:
http://www.math.uni-frankfurt.de/ fuehrer/forschung/Cardano.pdf
5
2
Gleichungen & unmögliche Lösungen
?
Wir werden in diesem Kapitel die Lösungsformeln algebraischer Gleichungen
herleiten und diskutieren. Dabei werden wir auf einige unmögliche Lösungen
stossen, welche sich dennoch als nützlich erweisen werden, da der formale Einsatz
dieser eingebildeten und der Phanatasie entsprungenen Zahlen, das Lösen von
Gleichungen ermöglichen.
Def.:
Eine Gleichung heisst algebraisch (n-ten Grades in x) :⇔
sie ist von folgender Form:
an xn + an−1 xn−1 + an−2 xn−2 + . . . + a2 x2 + a1 x + a0 = 0
mit an ∈ R, ∀n ∈ N, an 6= 0.
Wir beginnen (als Repetition) mit dem Lösen und Diskutieren von Linearen
und Quadratischen Gleichungen. Das Lösen von Kubischen Gleichungen wird
uns dann auf die Cardanischen Formeln führen.
√
Weiter werden wir feststellen, wie das Einfüren von i = −1 das Rechnen mit
unmöglichen Lösungen vereinfacht.
2.1
Lineare Gleichungen
Def.:
Bem.:
Eine Gleichung heisst linear :⇔ . . .
• Die Anzahl Lösungen einer Linearen Gleichung . . .
• Die Lösbarkeitsbedingungen werden bestimmt durch . . .
6
Beispiel 2.1 Gegeben ist die folgende Gleichung:
√
a
xq · (q − 5) − a2 = q · (1 − 14x) − 3 · ( + 5)
3
1. Bestimme eine Normalform.
2. Diskutiere die Lösbarkeitsbedingungen
d.h.: . . .
7
3. Bestimme die Lösungsmenge für die folgende Wahl der Parameter:
(a) q = 0, a = 7,
(b) q = 0, a = 22,
(c) q = −9, a = 7,
(d) q = 9, a = −2,
(e) q = a = 1.
4. Wie müssen die Parameter q und a gewählt werden, damit folgendes gilt:
(a) L = {0},
(b) L = {1},
(c) L = {0.5}
(d) L = G.
5. Bestimme die Menge aller Lösungen im Falle von genau einer
Lösung.
6. Bestimme ein Beispiel einer Normalform einer linearen Gleichung, in welchen alle drei Fälle vorkommen.
8
Aufgaben :
Diskutiere die folgende Bruchgleichung vollständig:
a
a + x = 2x + a
a
2a + x
1+
a+x
1−
9
2.2
Quadratische Gleichungen
Def.:
Bem.:
Eine Gleichung heisst quadratisch :⇔ . . .
• Die Anzahl Lösungen einer Quadratischen Gleichung:
• Die Lösbarkeitsbedingungen werden bestimmt durch
Aufgaben :
Gib je ein Beispiel einer Quadratischen Gleichung, welche
1. keine,
2. genau eine,
3. zwei,
4. mindestens drei
Lösungen hat.
Da wir zur Herleitung der Cardanischen Formeln das Prinzip der kubischen
Ergänzung anwenden werden, folgende Aufgabe:
Aufgaben :
Leite die Lösungsformel für die quadratische Gleichung mit Hilfe der quadratischen Ergänzung her.
10
Aus dem letzten Kapitel der ars magna von CARDANO (1501 - 1576) (seinem Hauptwerk über das Lösen von Gleichungen) stammt die folgende Aussage:
Wenn jemand sagt: ”teile 10 in zwei Teile, deren Produkt 40 (...)
ist”, so ist klar, dass dieser Fall unmöglich ist.
Desungeachtet wollen wir wie folgt verfahren: Wir teilen 10 in zwei
gleiche Teile, von denen jeder 5 ist. Diese quadrieren wir, das macht
25. Wenn du willst, subtrahiere 40 von den gerade erhaltenen 25
(...); der damit erhaltene Rest ist -15, die Quadratwurzel daraus,
addiert zu oder subtrahiert von
Teile mit dem Pro√
√ 5 gibt die beiden
dukt 40. Dies sind also 5 + −15 und 5 − −15.
Zeige, dass diese spitzfindigen Grössen (quantitas sophistica) wirklich den
unmöglichen Fall erfüllen:
Was verbirgt sich hinter dem beschriebenen Lösungsweg:
Wir haben also eine Gleichung mit zwei unmöglichen Lösungen, welche aber
dennoch die gegebene Gleichung formal erfüllen.
11
2.3
Def.:
Kubische Gleichungen
Eine Gleichung heisst kubisch :⇔ . . .
Die Grundidee zur Bestimmung der Lösungen einer kubischen Gleichung ist
das Bestimmen einer Lösung mit Hilfe der Formel von Cardano und der anschliessenden Reduktion unserer Gleichung auf eine quadratische Gleichung, die wir
bearbeiten können (Lösungsformel). Die Reduktion erfolgt durch das Abspalten
der einen Lösung.
Das Lösungsverfahren wollen wir auf vier Schritte aufteilen:
• 1. Schritt: Mit Hilfe einer ”kubischen Ergänzung” und einer Substitution werden wir unsere kubische Gleichung auf eine reduzierte Normalform
bringen:
y 3 + py + q = 0
• 2. Schritt: Mit Hilfe der Formel von Cardano lässt sich für die reduzierte
Normalform eine Lösung bestimmen.
• 3. Schritt: Durch das Abspalten unserer Lösung erhalten wir für die
noch fehlenden Lösungen eine quadratische Gleichung, die wir sicher lösen
können.
• 4. Schritt: Durch eine Rücksubstitution erhalten wir dann die Lösungen
für unsere ursprüngliche Gleichung.
Deine Aufgabe wird im Folgenden sein,
- die vorgeführten Umformungen nachzuvollziehen,
- fehlende Umformungen zu ergänzen
und
- abschliessend ein konkretes Beispiel zu lösen.
12
Wir beginnen mit dem 1. Schritt:
Die Umformung auf eine reduzierte Normalform
An folgendem Beispiel wollen wir das Vorgehen durchrechnen:
x3 − 12x2 + 54x − 108 = 0
(1)
Wir betrachten die ersten zwei Summanden als den Rumpf eines kubischen
Binoms und wollen die folgende kubische Ergänzung einbinden:
(x −
12 3
) = x3 − 12x2 + 48x − 64
3
(2)
Unter Berücksichtigung der Differenz von (2) zu (1) folgt äquivalent zu (1):
(x − 4)3 + 6x − 44
=
0
3
=
0
(x − 4) + 6 · (x − 4) − 20
Durch die Substitution y = x − 4 erhalten wir unser Beispiel (1) in der
folgenden reduzierten Normalform
y 3 + 6y − 20 = 0
13
(3)
Aufgaben :
Es gilt die folgende Aussage:
In jeder algebraischen Geichung
xn +an−1 xn−1 +an−2 xn−2 + . . . +a2 x2 +a1 x+a0 = 0
lässt sich mit Hilfe der folgenden Substitution
an−1
x=y−
n
die zweithöchste Potenz eliminieren
Beweise die Aussage für kubische Gleichungen und
wende sie für unser Beispiel an.
14
Weiter mit dem 2. Schritt:
Die Herleitung der Formel von Cardano
Da wir nun wissen, dass wir jede kubische Gleichung auf eine reduzierte Normalform bringen können, dürfen wir für die Herleitung der Lösungsformel von
Cardano von einer kubischen Gleichung in der reduzierten Normalform ausgehen:
y3 + p · y + q = 0
(4)
Mit Hilfe der Substitution y = u + v erhalten wir:
y3
=
(u + v)3
=
u3 + 3uv(u + v) + v 3
und somit äquivalent zu (4):
y 3 − 3uv · y − (u3 + v 3 )
=
0
(5)
Aus dem Koeffizientenvergleich von (4) mit (5) folgt:
p = −3uv ∧ q = −u3 − v 3
(6)
so dass wir folgern können: y = u + v ist Lösung von (4), wenn gilt:
p
u3 + v 3 = −q ∧ u3 · v 3 = (− )3
3
Das Auflösen des Gleichungssystems liefert uns
r q 2 p 3
q
3
v = − ±
+
2
2
3
r p 3
q
q 2
+
u3 = − ∓
2
2
3
und somit eine Lösung der kubischen Gleichung (4):
s
y=
3
q
− +
2
r q 2
2
s
+
p 3
3
+
3
q
− −
2
r q 2
2
+
p 3
3
(7)
ist die sog. Formel von Cardano zur Bestimmung einer Lösung einer reduzierten Normalform.
15
Die Formel von Cardano angewendet auf unsere kubische Gleichung in Normalform (3) liefert folgende Lösung:
q
y=
3
√
q
10 + 6 3 +
3
√
10 − 6 3
Leite die Lösung mit Hilfe der Cardanischen Formel her und verifiziere sie
durch einsetzen in (3):
Mit Hilfe von Umformungen und folgender Beziehung
√
√
(1 ± 3)3 = 10 ± 6 3
lässt sich zeigen, dass unsere Lösung auch einer reellen Zahl entspricht:
q
q
√
√
3
3
y = 10 + 6 3 + 10 − 6 3 = 2
Beweise, dass (8) gilt und unsere Lösung wirklich reell ist:
16
(8)
Es folgt der 3. Schritt:
Die Abspaltung unserer Lösung
Die Abspaltung liefert uns die folgende noch zu lösende Gleichung:
y 2 + 2y + 10 = 0
Wir schliessen mit dem 4. Schritt:
Die Rücksubstitution
Die Rücksubstitution liefert uns die folgenden Lösungen für unsere Ausgangsgleichung (1):
√
x1 = 6 , x2,3 = 3 ± 3 −1
17
Aufgaben :
Bestimme die Lösungsmenge für folgende Gleichung:
x3 − 9x2 + 18x + 28 = 0
18
Wir haben nun gesehen, dass wir durch formales Einsetzen die Existenz
nicht-reeller Zahlen als eine Lösung einer Gleichung verifizieren können und das
wir sogar durch geschicktes Umformen aus solchen Zahlen (nicht aus allen, aber
einigen von uns verwendeten Zahlen) reelle Zahlen gewinnen können.
Ein weiteres Beispiel hierfür ist:
q
q
√
√
3
3
2 + −121 + 2 − −121 = 4
Aufgaben :
Beweise obige Gleichung, in dem Du das von Euler
eingeführte Symbol
√
i = −1
verwendest und damit rechnest,
”wie wenn i2 = −1 sei”
Zeige zuerst:
2+
√
−121 = (2 + i)3
. . . und jetzt, dass der obige Term wirklich reell ist:
Algebra-Aufgaben: Komplexe Zahlen 1
(Zugehörige Lösungen)
19
3
Die Menge der komplexen Zahlen
?
Wir haben im letzten Kapitel unmögliche Zahlen kennnegelernt, mit denen sich,
obwohl die Zahlen nicht vorstellbar sind, rechnen lässt.
Wir wollen diese Zahlen in einer Menge zusammenfassen und darauf die Grundoperationen definieren, so dass uns ein algebraischer Umgang mit diesen Zahlen
möglich wird.
Vorerst die Definition einiger Grundbegriffe:
Def.:
√
Der formale Wurzelausdruck
−1 heisst imaginäre Einheit
und wird wie folgt gekennzeichnet:
√
i := −1
Unter einer imaginären Zahl wird das Produkt aus einer reellen
Zahl b ∈ R \ {0} und der imaginären Einheit i verstanden:
bi
Unter einer komplexen Zahl wird die Summe aus einer reellen
Zahl x und einer imaginären Zahl iy verstanden:
x + iy
Bem.:
∀x, y ∈ R
• Das Quadrat der imaginären Einheit ist eine reelle Zahl: . . .
• Das Quadrat einer imaginären Zahl ist immer eine negative
reelle Zahl: . . .
• Die Darstellungsform einer komplexen Zahl z = x+iy heisst
die Normalform von z oder die kartesische Darstellung
von z.
• Die reellen Bestandteile x und y einer komplexen Zahl
z = x + iy heissen Realteil und Imaginärteil von z.
Re(z) = x
Schreibweisen: Realteil von z:
Imaginärteil von z: Im(z) = y
• Die folgende Menge C := {z | z = x + iy, mit x, y ∈ R}
heisst die Menge der komplexen Zahlen.
Beachte: Die reellen Zahlen sind Elemente von C.
20
Weitere, immer wieder vorkommende Grundbegriffe sind:
Def.:
Zwei komplexe Zahlen z1 = x1 + iy1 und z2 = x2 + iy2
heissen gleich :⇔
x1 = x2
∧
y1 = y2
Die komplexe Zahl z := x − iy
heisst die zu z = x + iy (komplex) konjugierte Zahl.
Sprechweise: ” z quer”.
Für eine komplexe Zahl z = x + iy heisst
p
x2 + y 2
| z | :=
der Betrag von z.
Bem.:
• Die komplexen Zahlen sind nicht total geordnet.
Wir kommen nun zur Definition der Grundrechenoperationen für die komplexen Zahlen:
Def.:
Wir gehen von den zwei folgenden komplexen Zahlen aus:
z1 = x1 + iy1 ,
z2 = x2 + iy2
dann definieren wir:
Bem.:
z1 + z2
:=
(x1 + x2 ) + i(y1 + y2 )
z1 − z2
:=
(x1 − x2 ) + i(y1 − y2 )
z1 · z2
:=
(x1 x2 − y1 y2 ) + i(x1 y2 + x2 y1 )
• Die Definition der Multiplikation lässt sich auch mit Hilfe
des Distributivgesetzes herleiten:
21
Beispiel 3.1 Wir betrachten die folgenden komplexen Zahlen:
z1 = 2 − 5i, z2 = 1 + 2i, z3 = i, z4 = 3
Berechne:
i. Die komplex konjugierten Zahlen zu z1 bis z4
ii. z1 + z2 = . . .
iii. z2 − z1 = . . .
iv. z1 · z2 = . . .
v. z2 · z2 = . . .
vi. z3n = . . .
22
Wir wollen nun noch die Division betrachten. Das Ziel ist auch hierbei, das
Resultat (in diesem Fall den Quotienten) in der Normalform darzustellen, mit
einem Real- und einem Imaginärteil:
Beispiel 3.2
vii.
viii.
4 − 8i
= ...
3 + 4i
1
= ...
i
Algebra-Aufgaben: Komplexe Zahlen 2
(Zugehörige Lösungen)
23
4
Die Gauß’sche Zahlenebene
?
Werden Real- und Imaginärteil einer komplexen Zahl z = x + iy als kartesische Koordinaten eines Punktes P der xy-Ebene aufgefasst, so lässt sich jeder
komplexen Zahl genau ein Bildpunkt P (z) = (x/y) zuordnen und umgekehrt:
z = x + iy ↔ P (z) = (x/y)
6
-
Bem.:
•
•
•
Die Darstellung der komplexen Zahlen in der Gauß’schen Zahlenebene ermöglicht
uns auch die Operationen mit komplexen Zahlen geometrisch zu Interpretieren,
was ihr in den folgenden Aufgaben selbständig machen sollt:
24
Aufgaben :
Untersuche die folgenden Begriffe auf ihre geometrische Bedeutung hin, in dem Du an einem Beispiel im
1. Quadranten die Situation simulierst:
• komplex konjugiert
6
-
• der Betrag einer komplexen Zahl
6
-
25
Aufgaben :
Untersuche weiter . . .
• die Addition zweier komplexer Zahlen
6
-
• die Subtraktion zweier komplexer Zahlen
6
-
26
Für die geometrische Bedeutung der Multiplikation und Division zweier komplexer Zahlen benötigen wir eine weitere Darstellungsform, die Polarform, welche wir im Folgenden besprechen werden.
4.1
Die Polarform
Jeder Bildpunkt P (z) einer komplexen Zahl z = x + iy lässt sich auch durch
die Polarkoordinaten r und ϕ darstellen:
6
-
Die Anwendung der trigonometrischen Beziehungen in einem rechtwinkligen
Dreieck liefert uns den folgenden Zusammenhang zwischen den Polarkoordinaten
und den kartesischen Koordinaten:
Die obigen Koordinatentransformationsgleichungen angewendet auf eine komplexe Zahl z = x + iy führt auf folgende Darstellung:
die sog. Trigonometrische Form oder cis-Form.
27
Aufgaben :
Stelle die folgenden Zahlen in der Gauß’schen Ebene
dar:
• z1 = 3 − 4i
• z2 = 3i
• z3 = −2 + i
• z4 = 2(cos π6 + i sin π6 )
• z5 = 2(cos π6 − i sin π6 )
• z6 = 2(cos − π6 + i sin − π6 )
(Sowohl als Bildpunkt als auch als Zeiger)
6
-
Algebra-Aufgaben: Komplexe Zahlen 3
(Zugehörige Lösungen)
28
Für die Umrechnung einer komplexen Zahl aus der trigonometrischen Form
in die kartesische Form können wir die schon bekannten Transformationen
x = r · cos ϕ ,
y = r · sin ϕ
verwenden.
Für die Umformungen einer komplexen Zahl aus der kartesischen Form in
die trigonometrische Form müssen wir den Quadranten mitberücksichtigen, in
welchem der Bildpunkt liegt.
Aufgaben :
Leite die Formeln für die Transformationen
kartesisch → trigonometrisch
in jedem Quadranten her:
• Im 1. Quadranten
6
-
29
• Im 2. Quadranten
6
-
• Im 3. Quadranten
6
-
30
• Im 4. Quadranten
6
-
Aufgaben :
Bestimme für die folgenden komplexen Zahlen die
zugehörige trigonometrische Darstellung:
1. z1 = 3 + 4i
2. z2 = −4 + 2i
3. z3 = −8 − 6i
4. z4 = 4 − 4i
31
Mit Hilfe der Additionstheoreme werden wir uns dann endlich mit den schon
angekündigten geometrischen Eigenschaften der Multiplikation und Division
komplexer Zahlen beschäftigen.
Die Additionstheoreme:
Aufgaben :
Beweise die Additionstheoreme.
32
• Die Multiplikation:
• Die Division:
Algebra-Aufgaben: Komplexe Zahlen 4
(Zugehörige Lösungen)
33
Mit Hilfe der Reihenentwicklung der Sinus- und Cosinusfunktion und der Exponentialfunktion lässt sich eine weitere, ausgesprochen anwendungsfreundliche
Darstellungsform für die komplexen Zahlen herleiten:
4.2
Die Exponentialform
Die Grundidee der Reihenentwicklung haben wir schon im Zusammenhang mit
Folgen & Reihen angewendet:
Die Idee ist: Eine Funktion durch eine Reihe darzustellen
1
= 1 + x + x2 + x3 + x4 + x5 + . . .
1−x
Im Kapitel Differentialrechnung werden wir uns dann ausführlich mit diesem
Thema beschäftigen.
Für uns ist das Wissen über die folgenden Reihenentwicklungen ausreichend:
sin x = x −
x5
x7
x3
+
−
± ...
3!
5!
7!
cos x = 1 −
x4
x6
x2
+
−
± ...
2!
4!
6!
ex = 1 + x +
x2
x3
x4
+
+
+ ...
2!
3!
4!
Somit folgt für eix :
34
Die Euler’sche Formel zur Darstellung komplexer Zahlen ermöglicht uns nun
eine Beziehung zwischen den komplexen Zahlen und der Analysis herzustellen
und die Anwendung der Potenzgesetze, um komplexe Zahlen zu multiplizieren
und dividieren und insbesondere auch zu potenzieren.
Wir verwenden jeweils: z1 = r1 eiϕ1 und z2 = r2 eiϕ2
• die Multiplikation zweier komplexer Zahlen
z1 · z2 =
d.h.:
Geometrische Interpretation:
6
-
35
• die Division zweier komplexer Zahlen
z1 : z2 =
d.h.:
Geometrische Interpretation:
6
-
36
Aufgaben :
Interpretiere die folgenden Rechenoperationen geometrisch:
• Die Multiplikation einer komplexen Zahl mit
einer reellen Zahl;
• die Multiplikation einer komplexen Zahl mit einer komplexen Zahl vom Betrag Eins;
• die Multiplikation einer komplexen Zahl mit
der imaginären Einheit;
• die Division einer komplexen Zahl durch die
imaginären Einheit
37
Aufgaben :
Vereinfache die folgenden Ausdrücke:
• eiπ =
•
eix + e−ix
=
2
•
eix − e−ix
=
2i
• ii =
• i ln i =
und
formuliere und beweise die Formel von de Moivre
38
5
Die Wurzeln aus einer komplexen Zahl
?
Wir wollen uns in diesem Kapitel mit den Lösungen einer algebraischen Gleichung vom Typ z n = a beschäftigen und (vorerst ohne Beweis) festhalten:
Eine algebraische Gleichung n-ten Grades von folgendem Typ
an xn + an−1 xn−1 + an−2 xn−2 + . . . + a1 x + a0 = 0
hat höchstens n reelle Lösungen.
Der Fundamentalsatz der Algebra
Eine algebraische Gleichung n-ten Grades von folgendem Typ
an xn + an−1 xn−1 + an−2 xn−2 + . . . + a1 x + a0 = 0
hat in der Menge C genau n Lösungen.
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Wir definieren nun:
Def.:
Eine komplexe Zahl z heisst eine n-te Wurzel aus a, wenn sie
der folgenden Gleichung genügt:
zn = a ,
Das Bestimmen der Lösungen:
40
mit a ∈ C
Beispiel 5.1 z 6 = 1
Die zugehörige graphische Darstellung der Lösung:
41
Beispiel 5.2 z 4 = 3 + 2i
Die zugehörige graphische Darstellung der Lösung:
Algebra-Aufgaben: Komplexe Zahlen 5
(Zugehörige Lösungen)
42
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