Disease Management Programm im österreichischen

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6. Symposium Integrierte Versorgung
Multimorbidität und Integrierte Versorgung
Versorgungsmanagement?
–
Von
Disease
Management
zu
Das Competence Center Integrierte Versorgung (CCIV) lud im Namen der österreichischen
Sozialversicherung im November 2011 zum 6. Symposium Integrierte Versorgung mit dem Titel
„Multimorbidität und Integrierte Versorgung – Von Disease Management zu
Versorgungsmanagement?“. Ziel der diesjährigen Veranstaltung war es, der Versorgungsform
Disease Management auf den Zahn zu fühlen und Wege zu finden wie Patientinnen und Patienten
sowie Ärztinnen und Ärzte zu einer Teilnahme motiviert werden können. Diese Diskussion wurde
vor dem Hintergrund steigender Multimorbiditätszahlen geführt und die Herausforderungen
welche sich dadurch für die primärärztliche Versorgung ergeben beleuchtet.
Die Eröffnung und die Begrüßung wurden von Frau MRin Dr.in Magdalena Arrouas, stellvertretende
Sektionsleiterin der Sektion III in Vertretung des Bundesministers Alois Stöger diplomé und der
Netzwerkmanagerin des CCIV, Mag.a Karin Eger, vorgenommen. In den Eröffnungsworten wurde die
Wichtigkeit des Themas Integrierte Versorgung für die Zukunft betont und klar hervorgehoben, dass
die Patientinnen und Patienten bei allen Überlegungen stets im Mittelpunkt stehen müssen. Als
zukünftige Herausforderung wurde vor allem auch der Anstieg der chronisch erkrankten Personen
gesehen, welcher eine Optimierung der Schnittstellen mithilfe der integrierten Versorgung
notwendig mache.
Disease Management Programm im österreichischen Gesundheitswesen
Univ.-Prof. Dr. Andreas Sönnichsen von der Parcelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg
referierte zum Thema ͵DMP „Therapie Aktiv’: Was bringt es wirklich und was muss besser werden?“.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen präsentierte Prof. Sönnichsen die Ergebnisse einer
randomisierten kontrollierten Studie, welche in Salzburg vor Einführung des DMP durchgeführt
wurde. Zu diesem Zweck wurden Diabetikerinnen/Diabetiker in eine Interventions- und eine
Kontrollgruppe eingeteilt und nach einem Jahr das DMP evaluiert: Die Schwierigkeiten zeigten sich
auf unterschiedlichen Ebenen. Die angestrebte Teilnehmerrate (Betreuung von 1/3 aller
Diabetikerinnen/Diabetiker in einem DMP) nicht erreicht. Umgelegt auf die Einwohnerzahl in
Salzburg, hätte eine Allgemeinmedizinerin/ein Allgemeinmediziner 60 Diabetikerinnen/Diabetiker zu
betreuen, es waren jedoch nur 16 Patientinnen/Patienten pro Ärztin/Arzt bei 90 teilnehmenden
Ärztinnen/Ärzten (33%). Somit erreichte man nur eine Teilnahmerate von 10%. Die Summe der
Teilnehmer war insgesamt seit 2007 rückläufig, auch wenn sie im letzten Jahr wieder gestiegen ist.
Derzeit liegt die Teilnahmerate bei ca. 8%. Die Evaluation im Rahmen der einjährigen Studie hat
minimale positive Veränderungen der medizinischen Parameter im Vorher-Nachher-Vergleich
gezeigt. Ein großer Erfolg hat sich jedoch hinsichtlich der Prozessqualität gezeigt: DMP-Patientinnen/Patienten sind signifikant besser geschult und haben u.a. signifikant mehr Augenuntersuchungen als
die Patientinnen/Patienten in der Kontrollgruppe. Außerdem wurde erhoben, welche
Patientinnen/Patienten dem DMP treu bleiben und wie sie sich von jenen unterscheiden, die nach 1
bis 2 Jahren wieder aussteigen. Man hat festgestellt, dass diejenigen die dem DMP treu geblieben
sind schon von Beginn an bessere Ausgangswerte hatten während jene Diabetikerinnen/Diabetiker,
die eine umfassendere Betreuung notwendig hätten, eher wieder aussteigen. Hinsichtlich der
Rentabilität ergab die Studie, dass die derzeitige Teilnahmerate zu gering ist um eine Kosteneffizienz
nachzuweisen.
Verbesserungspotential sieht Prof. Sönnichsen in der Erhöhung der Teilnahmeraten, eventuell durch
verschiedene Incentives für Ärztinnen/Ärzte (im Rahmen der Evaluation konnte festgestellt werden,
dass sie zwar mit der Honorierung zufrieden sind, aber nicht mit der EDV-Situation) oder für
Patientinnen/Patienten. Letztere sollten mehr Eigenverantwortung bekommen und stärker involviert
werden. Von zentraler Bedeutung wäre die Schaffung eines Komplettkonzeptes „Chronic Care“, da
aufgrund des vermehrten Auftretens von Multi- bzw. Komorbidität eine eindeutige Zuordnung zu
einer Versorgungsform in Zukunft nicht mehr möglich sein wird.
Dr.in Susanne Rabady von der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin präsentierte das
Thema „Disease Management und Chronic Care in der Praxis – Herausforderung und Chance für das
Praxisteam“. Typisch für den Arbeitsablauf in einer allgemeinmedizinischen Praxis ist eine hohe,
völlig ungeordnete Vielfalt an Problemstellungen, die Simultaneität von Abläufen, die eine sehr hohe
Entscheidungsdichte und –vielfalt bedingen, sowie eine hohe Frequenz von Unterbrechungen durch
akute Ereignisse, Rückfragen durch Personal oder Patientinnen/Patienten und unaufschiebbare
Telefonate. All dies beeinflusst die Möglichkeit, Zeitstruktur und Ablauforganisation zu gestalten. Die
gleiche Situation zeigt sich nur noch in Notfallambulanzen. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass
Hausärztinnen/Hausärzte chronisch kranke und multimorbide Menschen betreuen bzw. führen und
stabile Langzeitbeziehungen und umfassende psychosoziale Betreuung anbieten.
Als einen wesentlichen Erklärungsansatz für die schwierige Etablierung neuer Strukturen und
Programmen in der Hausarztpraxis sieht die Referentin in einer „decision fatigue“. „Decision fatigue“
bezeichnet die Abnahme mentaler Energie und Selbstkontrolle als Folge häufiger
Entscheidungssituationen in schneller Abfolge. Sie äußert sich einerseits in unzureichend bedachten
Entscheidungen, andererseits im Vermeiden von Risiken, die zwangsläufig mit jeder Entscheidung
verbunden sind.
Das Einführen von Programmen für die langfristige Betreuung chronisch Kranker erfordert eine
Umorganisation des Praxisablaufes. Dazu bedarf es der Beteiligung des gesamten Praxisteams,
welches sich die anfallenden Aufgaben teilt. Selbstkontrolle und Entscheidungsfähigkeit bleiben am
ehesten erhalten, wenn durch Routinen, Aufgabenverteilung und klare Handlungsabläufe unnötige
Entscheidungsvorgänge vermieden werden können.
Als eine elementare Voraussetzung für die strukturierte Versorgung von chronisch kranken
Menschen in der Hausarztpraxis ortet Frau Dr.in Rabady eine allgemeinmedizinische Ausbildung
(Lehrpraxis), die Praxisorganisation und Teamführung einschließt, aber auch eine Start- und
Organisationshilfe bei der Praxiseröffnung. Darüber hinaus sind sowohl niederschwellig zugängliche
und intelligente Softwarelösungen nötig als auch Praxisgrößen, in dem sich ein kompetentes Team
bilden lässt.
Die Patientin/Der Patient im Fokus des Versorgungsmanagements
Mag. Andreas Keclik von der Wiener Gesundheitsförderung erzählte über Erfahrungen und
Erwartungen Betroffener hinsichtlich PatientInnenorientierung im Versorgungsmanagement.
Das Team Gesunde Stadt – Selbsthilfe und Empowerment der Wiener Gesundheitsförderung fungiert
als Selbsthilfeunterstützungsstelle und Sprachrohr für Selbsthilfegruppen im Gesundheitswesen.
Das Disease Management Programm „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“ wird von den Personen mit
Diabetes mellitus Typ 2 sehr gut angenommen und wird als ein wichtiger Schritt für eine bessere
Versorgung wahrgenommen. Insbesondere die systematische Durchführung von notwendigen
Untersuchungen, Schulungsangeboten im niedergelassenen Bereich aber auch die zwischen den
Medizinerinnen/Medizinern und Diabetikerinnen/Diabetikern abgeschlossenen Zielvereinbarungen
werden als Vorteile gegenüber der Regelversorgung gewertet. Aus Sicht der Patientenvertretungen
gibt es aber durchaus auch Verbesserungspotential. So sollte das Programm auf ganz Österreich
ausgeweitet werden und der Anteil der DMP-Ärztinnen und Ärzte wesentlich gesteigert werden, so
dass Diabetikerinnen/Diabetiker wohnortnah versorgt werden können.
Grundsätzlich ist die Patientin/der Patient die/der eigentliche Produzentin/Produzent ihrer/seiner
Gesundheit. Dazu bedarf es allerdings auf Seiten des Systems eine Förderung des
Selbstmanagements der Betroffenen. Dies kann durch eine Zielgruppenorientierung hinsichtlich der
Kommunikation, die auf die Bedürfnisse der Erkrankten abgestimmt ist aber auch durch die
Vermittlung von alltagsrelevanten Informationen in Gesprächen und Schulungen realisiert werden.
Prof. Dr. Axel Mühlbacher vom Institut für Gesundheitsökonomie und Medizinmanagement,
Hochschule Neubrandenburg präsentierte die Ergebnisse eines Discrete Choice Experiments zu
Patientenpräferenzen bei der Versorgung in integrierten Versorgungsmodellen. Die in den USA
durchgeführte Studie zielte darauf ab ein Präferenzmodell zu erarbeiten um die Versorgung
entsprechend dieser Präferenzen modellieren zu können. Im Rahmen der Studie wurden
Experimente zu folgenden vier Ebenen der Leistungserbringung durchgeführt: Patienteninvolvierung,
Kontaktpunkt mit der Versorgung, Personal und Organisation der Versorgung. Darüber hinaus wurde
untersucht, ob sich die Präferenzen unter dem Einfluss von Krankheiten wie Diabetes oder Krebs
verändern.
Ausgewertet wurde unter anderem, ob und in welcher Höhe Patientinnen/Patienten bereit sind
Kosten zu tragen, ob zum Beispiel Multidisziplinarität vor Shared Desicion Making bevorzugt wird und
welche Rolle das Vertrauen und das Fachwissen des Behandlers/der Behandlerin spielt.
Die Ergebnisse der Studie werden demnächst in einem wissenschaftlichen Journal publiziert.
Das multimorbide Krankheitsbild in der integrierten Versorgung
Sophia Schlette, MPH vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Berlin referierte über den Umgang mit
Multimorbidität in integrierten Versorgungssystemen am Beispiel Kaiser Permanente. Kaiser
Permanente ist eine der sechs größten Krankenversicherungen in den USA und bietet als non-profit
Unternehmen ihren Versicherten Zugang zu einem vollintegrierten Versicherungs- und
Versorgungssystem. Insgesamt versorgt Kaiser Permanente 8,7 Mio. Versicherte in 9 Bundesstaaten
(vorwiegend Westküste) mit 15.800 Ärztinnen/Ärzten, 45.000 Pflegekräften, 35 Krankenanstalten
und 454 Einrichtungen zur ambulanten Versorgung. Da es sich um ein non-profit Unternehmen
handelt, wird der Profit zur Gänze reinvestiert, wobei ein Großteil für Forschung und Entwicklung
aufgewendet wird. Kaiser Permanente sieht sich dabei selbst als Total Health Organization, die
sämtliche Gesundheitsleistungen integriert anbietet, wobei sich die Integration auf die Partnerschaft
zwischen den Leistungserbringern und der Versicherung bezieht.
Das System von Kaiser Permanente wird durch ein umfassendes Case Management von Hausärzten,
einer hohen Compliance der Versicherten und einer vollintegrierten telemedizinischen Versorgung
geprägt. Versicherte bei Kaiser Permante haben die freie Wahl einer Hausärztin/eines Hausarztes
bzw. einer/eines nurse practitioners, sowie einer Frauenärztin/eines Frauenarztes, einer/eines
Optikerin/Optikers und einer/eines Kinderärztin/Kinderartzes. Die Hausärztin/der Hausarzt
übernimmt dabei die Gatekeeperfunktion und tritt als Lotse durch das Gesundheitssystem auf. Durch
die freie Arztwahl entsteht ein qualitätsorientierter Wettbewerb unter den Leistungserbringern und
zusätzlich ist eine strenge Qualitätssicherung implementiert.
Ermöglicht und optimiert wird das gesamte System von Kaiser Permanente durch eine umfassende
Software Lösung (HealthConnect), welche ein voll integriertes Informationsmanagement- und
Versorgungssystem für alle Beteiligten darstellt. Personenbezogene Daten sind dabei nur für die
jeweiligen
Patientinnen/Patienten
selbst,
ausgewählte
Ärztinnen/Ärzte
sowie
Forscherinnen/Forscher von Kaiser Permanente sichtbar. Mit „My Health Manager“, dem Software
Zugang für Versicherte, können diese unter anderem Testergebnisse abrufen, Informationen zu
Rezepten und Verordnungen abfragen, Arzttermine online managen, Ärztinnen/Ärzte per e-Mail
kontaktieren und Informationen über Krankheiten und Behandlungsempfehlungen rund um die Uhr
abrufen. Ältere Personen nutzen die Software häufig, um sich beschwerliche Arztwege zu ersparen.
Durch die Auswertung der Daten von HealthConnect ist es für Kaiser Permanente möglich
festzustellen, welche und wie viele Ärztinnen/Ärzte kontaktiert, Medikamente verschrieben und
Eingriffe durchgeführt wurden. Kaiser Permanente ist verglichen mit den anderen Health Plans in den
USA am kosteneffektivsten und liegt bezüglich klinischer Qualität in acht Regionen an erster Stelle.
Die Erfolgsfaktoren werden unter anderem in der Integration von Prävention, Versorgung und
Selbstmanagement ohne finanzielle Anreize gesehen.
Dr.in med. Hanna Kaduszkiewicz vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf sprach über die „Möglichkeiten und Grenzen der Weiterentwicklung von DMP
für multimorbide Patientinnen und Patienten“. Disease Management Programme beruhen auf
evidenzbasierten Leitlinien. Die Anwendung von monomorbiditären Leitlinien für multimorbide
Patientinnen/Patienten ist jedoch nur eingeschränkt möglich. Es ist daher notwendig, dass derartige
Leitlinien entwickelt werden, um die Versorgung multimorbider Patientinnen/Patienten zu
verbessern. Da die Entwicklung solcher Leitlinien eher mittel- bis langfristig möglich ist, schlägt die
Referentin ein Case Management als Zwischenlösung vor.
Dieses Case Management soll (telefonisch und direkt) schwer kranke, bedürftige und kostenintensive
Patientinnen bzw. Patienten betreuen, sowie eine Ergänzung der hausärztlichen Therapie im
psychosozialen Bereich darstellen. Langfristige Projekte hingegen zielen auf die Optimierung von
bestehenden, monomorbiditären evidenzbasierten Leitlinien ab. Grundlage dafür kann die
sogenannte 46er Liste sein. Diese gruppiert chronische Krankheitskombinationen, welche mit einer
bestimmten Prävalenz vorkommen wie z.B. die 6 häufigsten chronischen Krankheiten:
Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, chronischer Rückenschmerz, Diabetes mellitus, Arthrose
und koronare Herzkrankheiten. Diese decken das Multimorbiditätsspektrum von 42% der
multimorbiden Patienten ab.
Hinsichtlich der Behandlung auf Hausarzt-Patientenebene sollte man sich bemühen, multimorbide
Patienten optimal zu versorgen indem Strukturen und Standards entwickelt werden und vor allem
die Bedeutung von Kommunikation, Empathie und Aufmerksamkeit im Mittelpunkt steht.
Daniela Amann von der Schwenninger Krankenkasse stellte sich der Frage ob Gesundheitsbegleitung
ein wirksamer Ansatz zur Versorgungssteuerung ist. Im Mittelpunkt des Vortrags standen die
gesundheitsbegleitenden Maßnahmen der Schwenninger Krankenkasse. Ausgangspunkt für die
Befassung mit sektorenübergreifender Versorgung von multimorbiden Personen waren Mängel in
der sektoral getrennten Behandlung. Die Schwenninger Krankenkasse bietet in diesem
Zusammenhang eine Lotsenfunktion an, wodurch multimorbide Personen zielgerichtet durch das
System begleitet werden.
Die Vision, die hinter den Bemühungen der optimierten und frühzeitigen Versorgung steht, orientiert
sich am Leitsatz „Krankheit vermeiden, bevor sie zur Krankheit wird“. Dafür dient ein übergeordneter
Behandlungspfad, der unter anderem Ärtzinnen und Ärzte, Krankenhäuser, die Rehabilitation,
Hilfsmittel und die Pflege berücksichtigt.
Die Schwenninger Krankenkasse konzentrierte sich auf fünf Krankheitsbilder. Neben
Volkskrankheiten, die bereits im Rahmen von DMP´s versorgt werden, umfassen diese auch
Depressionen und Schizophrenie. Die zentralen Versorgungsziele umfassen die Verbesserung der
Compliance, die Steigerung der Adherence, das Erreichen von Empowerment sowie die Sicherung der
erzielten Erfolge.
Als Beispiel einer konkreten Versorgungsmaßnahme wurde das Programm „GesünderLebenPLUS“
vorgestellt, welches die Multimorbidität der Versicherten und die transsektorale Versorgung
berücksichtigt. Zum einen stehen den Patientinnen/den Patienten Gesundheitsbegleiter der
Schwenninger Krankenkasse und zum anderen ein medizinisches Team zur Verfügung.
„GesünderLebenPLUS“
ist
weiters
durch
die
Vernetzung
von
Leistungserbringerinnen/Leistungserbringern und sonstigen Partnerinnen/Partnern sowie einer
engen Abstimmung mit behandelnden Ärztinnen/Ärzten gekennzeichnet, wodurch parallele
Strukturen in der Versorgung vermieden werden sollen. Eine zusammenfassende Betrachtung des
Projektes zeigte im Wesentlichen, dass eine hohe Akzeptanz durch die behandelnden
Ärztinnen/Ärzte und eine hohe Kundenzufriedenheit erreicht werden konnte.
Herausforderungen für die primärärztliche Versorgung
Dr. med. Tobias Freund vom Universitätsklinikum Heidelberg referierte über multimorbide
Patientinnen/Patienten in der Hausarztpraxis und betrachtete Versorgungsmanagement im
Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Individualisierung. Die Zahl chronisch kranker
Patientinnen und Patienten nimmt seit Jahren stetig zu. Die meisten von ihnen haben dabei nicht nur
eine, sondern mehrere chronische Krankheiten gleichzeitig, d.h. dass auch Multimorbidität weltweit
zu nimmt, wobei diese keineswegs erst ab 65 Jahren eintritt. Diese Tatsache ist folglich auch bei der
Betreuung dieser Patientinnen und Patienten im Rahmen der hausärztlichen Versorgung zu
beachten.
Die multimorbide Patientin bzw. der multimorbide Patient befindet sich auf einem Grad zwischen
Gesundheit und Krankheit und sollte nicht kränker werden. Um diese Balance zu halten und den
Herausforderungen der Betreuung von diesen Patientinnen/Patienten gerecht zu werden, werden in
Deutschland bisher individualisierte Versorgungskonzepte angeboten. In sogenannten
Selbstmanagementprogrammen werden die Patientinnen bzw. Patienten beispielsweise mit Hilfe von
Ernährungsberatung und Bewegungstherapie unterstützt. Darüber hinaus existieren Disease
Management Programme (DMP), welche u.a. standardisierte Behandlungspfade, SelbstmanagementTraining in Gruppen sowie Beratung beinhalten. Sind Patientinnen bzw. Patienten von mehreren
chronischen Krankheiten betroffen, gibt es Case-Management Programme wie etwa das
Modellprojekt VERAH, welches intensivierte und individualisierte Selbstmanagementunterstützung,
umfassendes Assessment sowie intensiviertes (Telefon-) Follow-up bietet.
Dr. Freund stellt im Rahmen des Symposiums das Projekt PraCMan (Hausarztpraxis-basiertes Case
Management bei chronisch kranken Patienten) vor, welches als klinische Studie angelegt ist und
federführend von der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung des
Universitätsklinikums Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Institut für Allgemeinmedizin in
Frankfurt am Main und Jena durchgeführt wird. Es handelt sich dabei um die Entwicklung sowie
Evaluation eines indikationsübergreifenden Hausarztpraxis-basierten Case Management-Programms.
Am Anfang des Case Managements steht ein ausführliches Gespräch mit dem CM Team (Arzt + MFA)
über die gesundheitlichen Probleme der Patientin bzw. des Patienten, in dem gemeinsame Ziele und
Maßnahmen geplant werden.
Durch die Studie „PraCMan“ sollten Patientinnen bzw. Patienten motiviert werden, da sie bereit sein
sollten ihr Leben verändern zu wollen und die Interventionen von der Patientin bzw. von dem
Patienten selber durchzuführen sind.
Dr. Reinhold Glehr, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin stellte sich die
Frage wie die Synthese von Personen- bzw. Krankheitsorientierung gelingen kann. Laut Georg Engel
ist die Diagnostik und Therapie eines autonomen Patienten/ einer autonomen Patientin grundlegend
abhängig von Temperament, Persönlichkeit, Geschlecht sowie sozialer Lebenswelt. Demgegenüber
stehen medizinische Standards.
Im Bezug auf die patientenorientierte Konsultation fasst Jan McWhinney die wichtigen Eckpunkte mit
der Exploration von Krankheit und Kranksein, der Auftragsklärung, der Festlegung einer
gemeinsamen Agenda sowie der Suche nach einer gemeinsam Entscheidung zusammen. Hope´s
Informed Decision versucht Personen– wie auch Krankheitsorientierung zu vereinen, indem er das
Bewusstsein für Patientenbedürfnisse wie auch –erwartungen, deren Rechte wie auch
Verpflichtungen
sowie
Auswahlmöglichkeiten
in
Relation
zur
Betrachtung
der
Sozialversicherungsregeln, dem Konsumentenschutz wie auch Ressourcen, Schutz und Wünsche der
Allgemeinheit setzt. Durch Aaron Antonovskys Salutogenese und dem Gefühl für Verstehbarkeit,
Handhabbarkeit sowie Sinnhaftigkeit wird die Wissenschaft der Entstehung von Gesundheit
vermittelt, welche die Sichtweise der Medizin wie auch die dynamischen Wechselwirkungen zur
Entstehung wie auch Erhaltung von Gesundheit aufzeigt.
Aus der Sicht der evidenzbasierten Medizin (EBM), sollten medizinische Entscheidungen auf
Patientenwünschen, individuellen Erfahrungen, sowie auf systematischer Forschung basieren und
systematische Übersichtsarbeiten zur Bewertung von Diagnostik und Therapien die Grundlage
darstellen. Ärztliche Vorraussetzungen dafür sind vor allem das Wissen über Ergebnisse, die
Anwendbarkeit dieser wie auch der Transfer zum Patienten/ zur Patientin mit anschließend
gemeinsamer Problemlösung. Diesbezüglich kann gesagt werden, dass Krankenbehandlung und
Gesundheitsvorsorge trotz EBM-Programme individuell sind, Evidenz ständiger Wandlung unterliegt,
das Wissen stetig gelehrt und geübt werden muss sowie die Messbarkeit einer guten Konsultation
schwer prüfbar ist. Herausforderungen zeigen sich vor allem in der Unsicherheit bzgl. der subjektiven
Teile der Erkrankung, der Vertrauenswürdigkeit der Ärztin/ des Arztes wie auch bzgl. des
vorhandenen Wissensstands über die Erkrankung.
Damit die Synthese gelingt, sollte besonderes Augenmerk auf die psychosozialen Skills in Aus- und
Fortbildung, die Wertschätzung der Konsultation, das Verständnis für Komplexität der
Individualmedizin wie auch Spielräume bei den Handlungsempfehlungen und Leitlinien gesetzt
werden. Fazit: es wird eine allgemeinmedizinische Lehrpraxis benötigt.
Die diesjährige Veranstaltung zeigte erneut die Bedeutung der integrierten Versorgung vor allem im
Bereich der chronischen Erkrankungen und eines notwendigen gemeinsamen Diskurses zu diesem
Thema auf. Unterschiedliche Sichtweisen sowie Erfahrungen der Referentinnen und Referenten und
im Rahmen der Publikumsdiskussion boten wichtige und auch kritische Anregungen, zeigten Raum
für Verbesserungen auf und zeichneten ein Bild von Ansätzen für die Zukunft der integrierten
Versorgung in Österreich.
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