Krings-Brief vom 29. April 2016

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Krings-Brief vom 29. April 2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
in dieser Woche hat der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Barack Obama zusammen mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel in Hannover die größte Industriemesse der
Welt eröffnet. Ich hatte die Gelegenheit, an dem Eröffnungsakt teilzunehmen und vor Ort die
klaren Signale des scheidenden Präsidenten zur deutsch-amerikanischen Kooperation und speziell zu TTIP zu erleben. Ich werte es als gutes Zeichen, dass Präsident Obama zum Ende seiner
Amtszeit gerade Deutschland einen erneuten Besuch abgestattet hat.
Die Hannover-Messe zeigte in diesem Jahr vor allem, wie die moderne Industrie 4.0 über Unternehmens-, Branchen- und Ländergrenzen hinweg immer mehr zusammenwächst. Als ranghöchster Vertreter des diesjährigen Partnerlandes USA hat Präsident Obama noch einmal eindringlich für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP geworben. Dieses Abkommen bietet in meinen Augen auch die Gelegenheit, europäischen Standards weltweit zum Durchbruch
zu verhelfen. Es ist von großer Bedeutung, dass wir mit unserem wichtigsten internationalen
Partner in Sicherheits- und Wirtschaftsfragen eng zusammenarbeiten. Verpassen wir die
Chance, jetzt mit TTIP hohe Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards in den internationalen
Märkten zu setzen, dann werden wir bald von der wirtschaftspolitischen Wirklichkeit überholt,
die andere Wirtschaftsregionen in dieser Welt, zum Beispiel in Asien, schaffen. Wie hoch die
Umwelt- und Verbraucherstandards in den USA sind, zeigt nicht zuletzt, dass die Manipulationen bei Kraftfahrzeugen im Hinblick auf die Abgaswerte in den USA aufgedeckt worden sind.
Mir erscheinen viele der Argumente, die sogenannte „TTIP-Gegner“ vorbringen, insofern mehr
getrieben von einer diffusen Angst gegen eine angenommene amerikanische Übermacht als von
belastbaren Fakten – vor allem, weil zum Teil die gleichen Kritiker bei der nächsten Gelegenheit
fordern, dass sich die USA aktiv und kraftvoll für europäische Interessen oder Menschenrechte
einsetzt. Deutschland unterhält seit Jahrzehnten zahlreiche Freihandelsabkommen mitsamt
Krings-Brief
29. April 2016
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Schiedsgerichtsbarkeiten, die unter dem Strich dazu beigetragen haben, unseren Wohlstand zu
mehren und Deutschland zu einer der führenden Exportnationen der Welt zu machen.
Nein heißt Nein
Vielen Kindern wird im Rahmen der sexualpädagogischen Erziehung in den Kindertagesstätten
beigebracht: Nein heißt Nein. Damit lernen Kinder schon sehr früh, einander Grenzen aufzuzeigen. Für das Sexualstrafrecht gilt aktuell aber noch: Die Vornahme sexueller Handlungen gegen
den Willen eines Opfers alleine ist noch nicht strafbar. Ungeahndet bleiben Fälle, in denen sich
das Opfer nur mit Worten wehrt oder sich etwa in einer Überraschungssituation gar nicht wehrt.
Der Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas, der in dieser Woche im Plenum diskutiert wird, sieht nun vor, dass ein Täter sich auch dann strafbar macht, wenn er erkennbar ein
Überraschungsmoment oder eine Einschüchterungssituation des Opfers ausnutzt, auch wenn
in der konkreten Situation keine Gewalt oder Nötigung angewendet werden. Dieser Referentenentwurf geht nach meiner Ansicht einerseits jedoch zu weit, andererseits werden nicht alle
bestehenden Schutzlücken geschlossen.
Unser Ziel ist es, jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen. Ein klares
„Nein“ des Opfers muss ausreichen, um den Straftatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen.
Auch das bisher als unerheblich eingestufte „Begrapschen“ auch bekleideter Körperteile (so wie
es zuhauf in der Silvesternacht in Köln passiert war) soll nach Willen der CDU-Rechtspolitiker als
sexuelle Nötigung eingestuft werden. Das ist bisher nicht der Fall. In der Vergangenheit haben
einige Gerichte das „Grapschen“ maximal als Beleidigung eingestuft, andere haben es gar nicht
bestraft. Es handelt sich aber auch hier um einen massiven Übergriff, ein Verhalten, das gesellschaftlich nicht toleriert werden kann und daher bestraft werden sollte. Gleichzeitig werden wir
darauf achten, dass der neue Gesetzentwurf so formuliert wird, dass die Tatbestände klar und
objektiv benannt sind. Häufig ist das beiderseitige Verhalten ambivalent und entspricht nicht
der idealtypischen Vorstellung. Ein Täter muss aber wissen und klar erkennen können, wann er
sich strafbar macht. Die Diskussion im Plenum in dieser Woche ist ein wichtiger Schritt auf dem
Weg zu einer gerechten und praxistauglichen Lösung, um die sexuelle Selbstbestimmung in
Deutschland besser zu schützen.
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Aus Tschernobyl und Fukushima lernen
Nach einer Reihe von Zwischenfällen in den mehr als 40 Jahre alten belgischen Kernkraftwerken
Tihange und Doel gibt es auch in unserer Region eine große Verunsicherung darüber, wie sicher
diese Kraftwerke sind. Diese waren nach den Zwischenfällen für mehr als 20 Monate vom Netz
genommen und sind im Dezember 2015 wieder hochgefahren worden. Seitdem wird von verschiedenen Stellen immer wieder die Sicherheit der Kraftwerke angezweifelt, auch wenn die
belgische Atomaufsichtsbehörde deren einwandfreien Zustand betont. Für den Verlauf des weiteren
Betriebs von Tihange und Doel erwarten wir, dass Belgien vertrauensvoller und enger mit uns zusammenarbeitet und bereit ist, nötigenfalls auch Kraftwerke
stillzulegen, wenn Sicherheitsfragen nicht zweifelsfrei
beantwortet werden können. Der Reaktorunfall von
Fukushima hat zu einer Neubewertung der Atomkraft
Tihange-Neuville © Traumrune / Wikimedia Commons
auch in der Union geführt, nachdem vor fünf Jahren das bis dato Unvorstellbare Realität wurde.
Aber auch der 30. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl, den die damalige sozialistische
Regierung in Moskau über Tage zu vertuschen versuchte, erinnert uns in diesen Tagen daran,
welche Folgen ein unverantwortlicher Umgang mit einer Technologie wie der Kernkraft haben
kann.
Herzliche Grüße
Ihr Günter Krings
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