Ergebnisse Alle Patienten beendeten die Studie. Signifikante Score-Verbesserungen zeigten sich in der Behandlungsgruppe für das NPI (von 37,9±16,1 auf 19,5±15,6, p<0,001) und den Barthel-Index (von 56,4±34,2 auf 62,9±35,2, p<0,05), während in der Kontrollgruppe nur unwesentliche und nicht signifikante Veränderungen stattfanden. Auf den NPISubskalen zeigten sich in der Behandlungsgruppe signifikante Verbesserungen bei Halluzinationen, Agitation/Aggression, Reizbarkeit/Labilität und anormaler motorischer Aktivität. Nächtliche Unruhe zeigte eine Tendenz zur Besserung (p<0,06). Der MMSEScore als Ausdruck der kognitiven Funktion zeigte in beiden Gruppen keine wesentliche Veränderung. In der Kontrollgruppe erhielten 11 Patienten das Neuroleptikum Tiapridhydrochlorid, während es bei keinem Patienten der Behandlungsgruppe erforderlich war. Extrapyramidale Strömungen wurden nicht beobachtet, jedoch Schwindel und Gleichgewichtsstörungen bei 6 der mit dem Neuroleptikum behandelten Patienten. Weitere Nebenwirkungen wurden nicht festgestellt, jedoch schienen 2 Patienten, die die Kräutertherapie nach der Studie fortsetzten, übersediert. Nach Dosisreduktion von 4,5 auf 3,0g wurde die Therapie gut vertragen. Diskussion Als Mangel der Studie räumen die Autoren die Einfachverblindung ein, indem nur der Beobachter verblindet war. Eine Doppelverblindung sei aber an der Entwicklung eines Placebos gescheitert, weil das Prüfpräparat einen charakteristischen Geruch und Geschmack habe. Einen möglichen Placeboeffekt halten sie aber wegen des kognitiven Niveaus der Studienteilnehmer für unwahrscheinlich. Die Autoren sehen in der Rezeptur eine Alternative zu der Behandlung mit Neuroleptika, die verschiedene unerwünschte Effekte haben wie extrapyramidale Nebenwirkungen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen, einen Risikofaktor für Pneumonie und Stürze darstellen oder unbefriedigend wirken. Nach ihrer Erfahrung setze die Wirkung von yi gan san innerhalb von 1 bis 2 Wochen ein. Dass eine positive Auswirkung auf die kognitive Funktion ausblieb, erklären sie damit, dass der MMSE zu wenig sensitiv sei und die Studiendauer zu kurz. (Zusammenfassung: A. Wiebrecht) Kommentar Die Studie erscheint sorgfältig durchgeführt und suffizient beschrieben. Die Probandenzahl ist als noch ausreichend zu bezeichnen. Die Randomisierung wurde mittels einer Tabelle mit Zufallszahlen vorgenommen. Eine Placebo-Kontrolle wurde allerdings nicht vorgesehen, auch die behandelnden Ärzte, die ggfs. eine NeuroleptikaTherapie verordneten, wussten offenbar über die Gruppenzugehörigkeit Bescheid. Nur die Krankenschwester, die die Zielkriterien erhob, war dafür verblindet. Welchen Einfluss diese methodischen Einschränkungen auf das Ergebnis haben, ist ungewiss. Methodisch nicht korrekt ist, dass bei der Auswertung nicht ein Vergleich der Gruppen untereinander vorgenommen wurde, sondern jede Gruppe in einen Vorher-NachherVergleich einbezogen wurde, wobei nur die Behandlungsgruppe in zwei Zielparametern signifikante Differenzen aufwies. Zumindest für die NPI-Skala waren die Unterschiede so groß, dass wahrscheinlich signifikante Gruppenunterschiede nachweisbar gewesen wären. Eine Bestätigung der Ergebnisse durch weitere Studien, möglichst mit PlaceboKontrolle, wäre für eine definitive Bewertung dieser Resultate erforderlich. Immerhin sind die Ergebnisse viel versprechend. Yi gan san („Pulver, das die Leber bezähmt“) enthält Blut nährende (auch leicht bewegende) und qi stärkende Mittel, chai hu bringt das yang qi nach oben und befreit blockiertes Leber qi, während gou teng inneren Wind besänftigt, Hitze kühlt und beruhigend wirkt. Damit ist diese Rezeptur nicht ein einfaches Sedativum, wofür die chinesische Medizin eher andere Mittel bereithält. Vielmehr werden Ursachen, wie ein Mangel an Blut und qi behandelt, das klare yang qi nach oben geleitet und blockiertes qi befreit. Eigentlich beruhigend wirkt nur gou teng, das gleichzeitig inneren Wind besänftigt, der auf dem Boden von Leber Blutleere entstehen kann. Insgesamt hat die Rezeptur eine tonisierende und regulierende Funktion, das zugrunde liegende Muster sollte nach den Regeln der chinesischen Medizin dazu passen, was in der Studie offensichtlich keine Berücksichtigung fand. Erstaunlich ist, dass diese recht einfache und gering dosierte (knapp 20g Tagesdosis umgerechnet auf die Rohdrogen) Rezeptur so eindeutige Effekte bei Unruhe- und Erregungssymptomen produziert hat. Die Studie ist ein weiterer Beleg dafür, dass Chinesische Arzneitherapie deutliche psychische Effekte ausüben kann. Eine Wirkung auf die kognitiven Fähigkeiten ist bei dieser Studie ausgeblieben, dafür reichte allein schon die Behandlungszeit nicht aus. Für dieses Ziel wäre die Rezeptur auch bei einer längeren Behandlungsdauer vielleicht überfordert. Die Wirksamkeit auf den BarthelIndex, der die Selbständigkeit bzw. Pflegebedürftigkeit wiedergibt, war nur mäßig und gerade noch signifikant, doch ist diesbzgl. auch die Wirkung der Cholinesterasehemmer bescheiden und in Bezug auf die klinische Relevanz keineswegs unumstritten. Nebenwirkungen der Rezeptur wurden innerhalb der Studie nicht beobachtet, die Bestandteile sind auch als durchweg wenig risikoträchtig zu bezeichnen. Falls andere Arzneimittel eingesetzt werden, ist aber immer mit Interaktionen zu rechnen. Dr. Axel Wiebrecht Bundesallee 141 12161 Berlin email: [email protected]