Untersuchungen zum enzootischen Auftreten akuter Konjunktivitiden in einer Milchviehanlage Projektarbeit im Klinisch-Praktischen Jahr 2012 von cand. med. vet. Julia Offhaus und cand. med. vet. Claudia Mattis erstellt an der Ambulatorischen und Geburtshilflichen Tierklinik und am Institut für Bakteriologie und Mykologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig Betreuerin : TÄ Ulrike Seidel; Projektleiter: Prof. Dr. Axel Sobiraj und Prof. Dr. Monika Krüger Problemstellung: In einem Milchviehbestand mit 600 Milchkühen in Sachsen-Anhalt traten plötzlich gehäuft akute Konjunktivitiden bei laktierenden Kühen auf. Dabei wurde die Infektiöse Bovine Keratokonjunktivitis (IBK) diagnostiziert. Dies ist eine weltweit verbreitete, hochansteckende Augenerkrankung bei Rindern. Mastrinder sind in der Regel häufiger betroffen als Milchrinder. Als Erreger werden neben verschiedenen Pilzen und Parasiten vor allem Bakterien der Gattungen Moraxella sowie Chlamydophila diskutiert. Die Inkubationszeit beträgt zwischen zwei bis drei Tagen und drei Wochen. Das Leiden tritt vor allem während des Weideganges oder unter erstmals im Freien laufenden Kälbern oder Jungrindern auf. Bei adulten Rindern wird ein gehäuftes Auftreten in dicht belegten, fliegenreichen Ställen beobachtet. Bei den erkrankten Tieren kommt es durch Leistungseinbußen und durch einen hohen Therapieaufwand zu nicht unerheblichen wirtschaftlichen Einbußen. Die Ausprägung der klinischen Symptome der IBK kann von einer geringgradigen Augenreizung bis zu einer hochgradigen nekrotisierenden Entzündung reichen, welche zur Erblindung führen kann. Typisch ist eine einseitige Erkrankung. Bei 10% der Patienten tritt die Erkrankung auch beidseits auf und geht anfänglich mit erhöhter Körpertemperatur und Apathie einher. Vorbericht: Vorberichtlich trat die Problematik vor 15 Jahren in dem Betrieb schon einmal auf. Die klinischen Symptome äußerten sich vor allem während der Wintermonate Januar und Februar. Im Zeitraum der hier vorgelegten Studie von Januar bis März 2012 waren 15 Tiere im Bestand von der IBK betroffen. Ein gleichzeitig erhöhter Fliegenbefall war nicht zu verzeichnen. Klinische Symptome: Die 15 erkrankten Tiere zeigten einen gering- bis hochgradig vermehrten, wässrig bis serösen Augenfluss, gleichzeitig gerötete Konjunktiven und eine gering- bis hochgradig getrübte Kornea. Die beschriebenen Symptome traten fast ausnahmslos einseitig auf. Lediglich bei einem Tier waren beide Augen betroffen. In einem Fall wurde ein Pyophthalmus beobachtet. In vier Fällen zeigten die Tiere zentral auf der Kornea Gefäßeinsprossungen und einen Keratokonus (siehe Bild links). Des weiteren wurde bei sechs erkrankten Tieren während des Zeitraums der Phase mit akuter Konjunktivitis ein erheblicher Milchleistungsrückgang beobachtet. Dabei war jedoch keine Korrelation mit der Schwere der Erkrankung feststellbar. Alle betroffenen Tiere im Bestand zeigten auf direkte Lichteinstrahlung eine deutliche Lichtscheue sowie einen Blepharospasmus. Bei fünf der 15 Tiere konnte zum Zeitpunkt der Probenentnahme eine mittelgradig erhöhte Körperinnentemperatur gemessen werden. Tiere, Material und Methoden -1-: Bei 15 akut erkrankten und nicht vorbehandelten Tieren wurden sterile Konjunktivaltupfer aus dem Konjunktivalsack und gleichzeitig Blutproben aus der Vena caudalis mediana am ersten Tag des Auftretens der klinischen Symptome entnommen. Drei Wochen nach Therapiebeginn wurden die Tiere nochmals wie oben getupfert und geblutet. Des weiteren wurden Tupferproben vom Melkstand und vom Melkvorhof sowie von den Tränken im Melkstand entnommen. Um den klinischen Verlauf der Konjunktivitiden beurteilen zu können, fertigten wir einen Fragebogen an, welcher individuell für jedes Tier ausgefüllt und ausgewertet wurde. Poster 1-2 gedruckt im Universitätsrechenzentrum Leipzig Untersuchungen zum enzootischen Auftreten akuter Konjunktivitiden in einer Milchviehanlage Projektarbeit im Klinisch-Praktischen Jahr 2012 von cand. med. vet. Julia Offhaus und cand. med. vet. Claudia Mattis erstellt an der Ambulatorischen und Geburtshilflichen Tierklinik und am Institut für Bakteriologie und Mykologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig Betreuerin : TÄ Ulrike Seidel; Projektleiter: Prof. Dr. Axel Sobiraj und Prof. Dr. Monika Krüger Tiere, Material und Methoden -2-: Die Konjunktivaltupfer wurden im Institut für Bakteriologie und Mykologie auf Blut-, Gassner und Sabouraudagar ausgestrichen und über 24 Stunden bei 36,0 C°bebrütet. Anschließend fertigten wir aus den Mis chkulturen Subkulturen an, mit dem Ziel, Reinkulturen zu gewinnen. Die Identifizierung der Reinkulturen wurde mit der MALDI-TOF-Analyse* (Matrix Assisted Laser Desorption IonisationTime Flight Mass Spectrometry) durchgeführt. Die MALDI- TOF- Analyse * ist eine Massenanalyse von chemischen Verbindungen. Der Analyt (das Bakterium) und die angefertigte Matrix werden auf einem Metallträger cokristallisiert. Die Matrix und die Analytenmoleküle (Bestandteile der Bakterienzelle) verdampfen, wobei eine Ionisierung des Analyten mittels Laserbeschuss auf der Einbettungsmatrix stattfindet. Die entstandenen Ionen werden in einem elektrischen Feld beschleunigt. Ein Ionendetektor wandelt die ankommenden Ionen in elektrische Signale um. Die verschiedenen Spektren werden erfasst, mit der Datenbank abgeglichen und anschließend das Bakterium identifiziert. Die Blutserumproben wurden durch das Bio-Check Labor für Veterinärdiagnostik und Umwelthygiene GmbH, Leipzig-Holzhausen mittels ELISA auf Chlamydophila spp.-Antikörper analysiert. Des weiteren wurde eine Untersuchung der Blutproben auf den Futtermittelinhaltsstoff Glyphosat, einem Breitbandherbizid, durch das Institut für Bakteriologie und Mykologie veranlasst. Ergebnisse: Die Analyse der Konjunktivaltupfer ergab, dass bei 53% der Konjunktivitiden im akuten Stadium Moraxella Branhamella ovis als opportunistisch pathogener Keim eine primäre Rolle spielte (Abb. rechts). Dieses Bakterium gehört zur Normalflora der Konjunktiven und kann mittels Konjunktivaltupfer von Tieren mit gesunden Augen isoliert werden. Das Bakterium produziert ein Enzym, welches imstande ist, bovine Leukozyten und Erythrozyten sowie Kornea-Epithelzellen abzubauen. Es spielt somit eine Rolle bei entzündlichen Erkrankungen des Auges. Prädisponierende Faktoren wie http://pictures.life.ku.dk/atlas/microatlas/veterinary/bacteria/Branhamella_ovis/ UV-Strahlung, Traumata oder Begleitinfektionen können die Kolonisation der Moraxellen begünstigen. Drei Wochen nach Therapiebeginn war bei 33% der zuvor 53% betroffenen Tiere Moraxella Branhamella ovis weiterhin nachweisbar. Hierbei war kein Zusammenhang zwischen der Schwere der Erkrankung oder dem Therapieschema zu erkennen. Des weiteren konnte bei 40% der erkrankten Rinder in den Konjunktivaltupfern Pantoea agglomerans nachgewiesen werden, ein für den Magen-Darmtrakt spezifischer Keim, wobei bei 60% der Tiere gleichzeitig auch Moraxella Branhamella ovis zu isolieren war. Bei der Analyse der Kontrolltupfer fiel auf, dass 35% der Versuchstiere einen positiven Nachweis von Pantoea agglomerans hatten, wobei lediglich 33% davon auch in der ersten Tupferprobe positiv waren und 33% auch eine Infektion mit Moraxella Branhamella ovis aufwiesen. Außerdem konnten verschiedene Enterkokken (in 27% der Fälle Enterococcus hirae) und in 20% Escherichia coli nachgewiesen werden. Bei der Analyse der Kontrolltupfer konnte kein Nachweis von Enterococcus hirae erbracht werden. 18% der Proben waren Escherichia coli-positiv, wobei es sich in allen Fällen um Neuinfektionen handelte. Die Analyse der Tupferproben des Melkstandes und Melkvorhofes sowie der Tränken im Bereich des Melkstandes ergab keine Hinweise auf die Übertragung und Verbreitung der Keime über das Melkpersonal oder den Melkstand. Bei . allen erkrankten Tieren waren mittels ELISA aus den Blutserumproben Chlamydophila spp. serologisch positiv. Lediglich 20% der Tiere wiesen drei Wochen nach Therapiebeginn ein negatives Ergebnis auf. Die Analyse der Blutserumproben auf Glyphosat zeigte, dass bei allen erkrankten Tieren das Breitbandherbizid in Konzentrationen zwischen <0,2- 2,89 ng/ml nachweisbar war. Therapie: Die Behandlung der erkrankten Tiere wurde durch die bestandsbetreuende Tierärztin vorgenommen. Alle 15 Versuchstiere wurden lokal mit Oxytetracyclin-Blauspray über sieben Tage behandelt. Zusätzlich wurden bei den Tieren mit schwerwiegenden Lokalbefunden nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) einmalig systemisch eingesetzt. In 20% besonders schwerwiegender Fälle wurde darüber hinaus einmalig Dexamethason intrakonjunktival injiziert. 13,3 % der erkrankten Tiere bekamen eine systemische Antibiose (Cefquinom). Prophylaxe: Prophylaktisch ist eine Überprüfung der Stallhygiene und Vergrößerung der pro Tier verfügbaren Fressplatzbreite sowie die Staubvermeidung in Heuraufen und Futtertrögen anzuraten. Des weiteren sollte ein Monitoring der betroffenen Tiere erfolgen, um mögliche Remissionen frühzeitig zu erkennen und eine Ansteckung anderer Tiere der Gruppe zu vermeiden. Eine weitere Möglichkeit ist die Impfung mit einer bestandsspezifischen Vakzine, auf der Grundlage der isolierten pathogenen Keime. Schlussfolgerungen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit kam es durch die Infektion mit Chlamydophila spp. zu einer Schädigung des Korneaepithels, welcher als „Wegbereiter“ für eine Sekundärinfektion mit Moraxella Branhamella ovis fungierte. Die Infektionen mit Pantoea agglomerans sowie Enterococcus hirae und Escherichia coli können als weitere prädisponierende Faktoren für das Infektionsgeschehen der IBK angesehen werden. Die infektiöse bovine Keratokonjunktivitis in diesem Bestand ist ursächlich nicht durch einen Fliegenbefall hervorgerufen worden. Mit den Behandlungen war in allen Fällen eine vollständige Ausheilung zu erzielen. Rezidive sind bis dato nicht aufgetreten. Poster 2-2 gedruckt im Universitätsrechenzentrum Leipzig