MATHEMATIK III-PARTIELLE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN, D-CHEM Francesca DA LIO (1) 11. September 2015 (1) Department of Mathematics, ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Switzerland. Zusammenfassung Dieses Skript basiert auf den Vorlesungen von MATHEMATIK III-Partielle Differentialgleichungen (D-CHEM), die ich während der Herbst- Semester 2012 an der ETH gehalten habe. Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1.1 Notationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Was ist eine partielle Differentialgleichung? . . . . . . . . 1.2.1 Modellierung mit partiellen Differentialgleichung . 1.3 Transportprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Klassifizierung von PDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Verfeinerte Klassifikation von linearen PDG zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Das Superpositionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 12 2 Die eindimensionale Wellengleichung 2.1 Die Herleitung der eindimensionalen Wellengleichung . . 2.2 Die Methode von d’Alembert . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die Methode von Duhamel . . . . . . . . . . . . . 13 13 15 19 3 Fourier-Reihen: Definitionen und Beispiele 23 4 Methode der Separation der Variablen und Anwendungen 4.1 Inhomogene Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Wellengleichung mit homogenen Randbedingungen 4.3 Die eingespannte Saite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Die Wärmeleitung auf einem Ring . . . . . . . . . . . . . . . . 33 35 36 38 41 5 Die Laplacesche Gleichung 5.1 Das Dirichlet-Problem auf dem Einheitsquadrat . . . . . . 5.2 Die Laplace-Gleichung auf der Kreisscheibe . . . . . . . . 5.3 Mittelwertsatz und Maximumprinzip . . . . . . . . . . . . 44 44 47 51 1 3 3 4 5 5 8 10 6 Fourier Transformation 6.1 Definition der Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . 6.2 Interpretation der Fourier-Transformation . . . . . . . . . 6.3 Grundeigenschaften der Fourier-Transformation . . . . . . 6.4 Anwendung: Die Wärmeleitungsgleichung auf IR . . . . . 6.5 Anwendung 2: Lösung von der Wellengleichung in IR . . . 6.6 Anwendung 3: Die Laplace-Gleichung in einer Halbebene 55 55 57 61 62 65 67 7 Die Laplace-Transformation 7.1 Definitionen und Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Inverse Laplace-Transformation . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Eine Methode zur Bestimmung der inversen LT . . . . . . 7.3.1 Anwendung gewöhnlicher Differentialgleichungen 7.3.2 Gedämpfter harmonischer Oszillator . . . . . . . . 7.3.3 Greensche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4 Anwendung partieller Differentialgleichungen . . 69 69 71 73 74 76 78 78 8 Appendix: Gewöhnliche lineare Differentialgleichungen 8.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Einige Anwendungen von Differentialgleichungen . . . . 8.3 Lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung . . . . . . . . 8.4 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Inhomogene Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . 81 81 82 83 2 85 85 Kapitel 1 Einführung Dieser Kurs ist eine Einführung in die linearen partiellen Differentialgleichungen. Unser Hauptziel ist das Erwerben der klassischen Methoden um partielle Differentialgleichungen ( kurzum: PDG) zu lösen . Die folgende Voraussetzungen sind dafür notwendig: 1. eine Grundkenntnisse von Funktionen mit mehreren Variablen (insbesondere mit zwei oder drei Variablen), Riemann-Integral, partielle Ableitungen, Differenzierbarkeit, Jacobian . 2. Numerische Folgen und Reihen . 3. Gewöhnliche lineare Differentialgleichungen . 1.1 Notationen i) Ein Multiindex α = (α1, . . . , αn ) ist ein n-Tupel, wobei jede Komponente αi eine nicht negative ganze Zahl ist. Die Ordnung von α ist die Zahl |α| := α1 + . . . + αn . ii) Für eine Funktion u : Ω ⊂ IRn → IR und ein Multiindex α definieren wir ∂|α| u(x) α . D u(x) := α1 ∂ x1 · · · ∂αn xn iii) Für eine nicht negative ganze Zahl k, definieren wir die Ableitung Dk u(x) := {Dα u(x) : |α| = k} . Besondere Fälle Für k = 0 gilt die Konvention D0 u = u. 3 Für k = 1 betrachten wir Du als ein Vektor: Du = (u x1 , · · · , u xn ) = Gradient , und für k = 2 kann die Ableitung D2 u als Matrix geschrieben werden u x1 x1 · · · u x1 xn .. ... D2 u = ... . u xn x1 · · · u xn xn Wir bezeichnen mit ∆u = u x11 + u x22 + . . . + u xnn , den Laplacian von u . iv) Ist f eine Funktion von einer Variable t, so bezeichnen wir mit df (t) f ′ (t), f˙(t), dt ihre Ableitung nach t . v) Ist f eine Funktion von den Variablen (x1, . . . , xn ), so bezeichnen wir ∂f (x) oder f xi (x) ihre partielle Ableitung nach die i-ten Variable . mit ∂xi vi) Wenn u = u(x, y), x ∈ IRn , y ∈ IRm , dann bezeichnen wir mit D x u = (u x1 , · · · , u xn ), und Dy u = (uy1 , · · · , uym ) bzw die Gradienten nach die Vektoren x und y . vii) Wenn die Dimension von dem Definitionsbereich zwei oder drei ist, benutzen wir die Konvention x = (x, y) und x = (x, y, z) . 1.2 Was ist eine partielle Differentialgleichung? Partielle Differentialgleichungen beschreiben zahlreiche Vorgänge in der Natur, der Technik, der Medizin oder der Wirtschaft. Wir wollen für einige Beispiele die Herleitung von partiellen Differentialgleichungen mit Hilfe von Naturgesetzen und mathematischen Tatsachen beschreiben . Eine solche Herleitung nennt man mathematische Modellierung . 4 1.2.1 Modellierung mit partiellen Differentialgleichung Modellierung mit partiellen Differentialgleichung geschieht typischerweise in drei Schritten: 1. Spezifikation des zu modellierenden Vorganges 2. Anwendungen von Naturgesetzen 3. Formulierung des mathematischen Problems Im ersten Schritt muss zunächst geklärt werden, welcher reale Vorgang modelliert werden soll. Zum Beispiel wollen wir die Abgasströmung betrachten. Es ist klar, dass die Modellierung von einem Prozess sehr komplex ist. Daher nimmt man oft Vereinfachungen vor. Der zweite Schritt ist die Anwendungen von Naturgesetzen: Die physikalischen Grössen, die für die Beschreibung des realen Vorgänges notwendig sind, müssen zueinander in Beziehung gesetzt werden (z.B. das zweite Newtonsche Gesetz, Kraft ist Masse mal Beschleunigung) . Oftmals ergibt sich durch die Anwendung von Gesetzen alleine noch keine partielle Differenzialgleichung, dazu bedarf es in der Regel noch mathematischer Theorie. Diese kann zum Beispiel aus Integraltransformationen, Grenzübergängen oder grundlegenden Sätzen der Analysis bestehen . So gelangt man dann zur einer mathematischen Formulierung des Problems , in Form einer Differentialgleichung. Die Lösungen dieser Differentialgleichung beschreiben den modellierten Vorgang . Will man den realen Vorgang veranschaulichen, dann braucht man neben der mathematischen Analyse des Problems auch die Lösung der Gleichung . In speziellen Fällen kann die Lösung explizit durch eine Formel angegeben werden. Im Allgemeinen sind Differentialgleichung jedoch nicht explizit lösbar . Dann verwendet man Näherungsverfahren auf dem Computer, also numerische Lösungsverfaharen . 1.3 Transportprozesse Wir betrachten ein dünnes Rohr R mit konstantem Querschnitt A > 0, das von Wasser durchströmt wird. Wir nehmen an, dass das Rohr entlang der 5 x-Achse orientiert ist. Im Folgenden betrachten wir einen Rohrabschnitt [a, b] mit a, b ∈ IR, a < b . Wir nehmen an, dass das Rohr dünn ist, so dass wir nur die Strömung in horizontaler Richtung zu berücksichtigen brauchen, andere Richtungen können vernachlässigt werden . Wir wollen die Wasserströmung durch R mathematisch beschreiben . Dazu bezeichnen wir mit u = u(t, x) die Dichte (gemessen in kg/m3 ) des Wassers am Ort x ∈ (a, b) zur Zeit t . Damit ist also die Wassermenge im Intervall [x, x + ∆x] ⊆ [a, b] (mit ∆x hinreichend klein) zum Zeitpunkt t gegeben durch Z x+∆x u(t, y)Ady . x Wir wollen nun den Wasserfluss in einer Zeitspanne von t bis t + ∆t, ∆t > 0, t ∈ IR, beschreiben . Die Differenz der Wassermenge im Rohrabschnitt [x, x + ∆x] zu beiden Zeiten ist offenbar Z x+∆x u(t + ∆t, y) − u(t, y) Ady . (1.1) x Wodurch kann sich die Menge zwischen den Zeitpunkten t und t + ∆t ändern? Hierzu gibt es zwei mögliche Ursachen: den Wasserfluss; eine Quelle oder Senke . In der Physik bezeichnet ein Fluss die Anzahl von Masse, Energie etc., die sich pro Zeiteinheit durch eine Fläche bewegt. Der Wasserfluss ψ(t, x) gibt also an, wie viel Wasser zum Zeitpunkt t pro Sekunde und pro Quadratmeter durch den Rohrquerschnitt an der Stelle x fliesst. Damit ist Z t+∆t Aψ(τ, x)dτ t die Wassermenge, die im Zeitintervall [t, t + ∆t], an der Stelle x, durch das Rohr fliesst . Eine Quelle oder Senke wird durch eine Funktion f = f (t, x) beschreiben, die angibt wie viel Wasser pro Meter und Sekunde an der Stelle x zur Zeit t erzeugt wird . Es ist also Z t+∆t Z x+∆x f (τ, y)Adydτ t x die Wassermenge, die im [x, x+∆x] im Zeitintervall [t, t+∆t] erzeugt (oder abgegeben) wird . Ist f > 0, so spricht man von einer Quelle, im Fall f < 0 von einer Sinke . 6 Nun verwenden wir das Prinzip der Massenerhaltung. Die Masse in einem geschlossenen System kann weder erzeugt noch zerstört werden . Dieses Prinzip können wir in Form einer Bilanzgleichung mathematisch formulieren. In Worten: Wassermassendifferenz= Quellen-Wasserfluss . Wir erhalten in einem Rohrabschnitt [x, x + ∆x] folgende Bilanzgleichung: Z x+∆x Z t+∆t Z x+∆x f (τ, y)Adydτ (1.2) (u(t + ∆t, y) − u(t, y))Ady = x x t Z t+∆t A ψ(τ, x) − ψ(τ, x + ∆x) dτ . + t Links steht die Differenz der Wassermengen in [x, x + ∆x], die zwischen den Zeiten t + ∆t und t entsteht. Rechts steht in der ersten Zeile die Wassermenge die im Rohrstück [x, x + ∆x] und Zeitintervall [t, t + ∆t] durch Quellen hinzugekommen ist (bzw durch Senken abgeführt wurde). In der zweiten Zeile steht der Zufluss in das Rohrstück [x, x + ∆x], der im Zeitintervall [t, t + ∆t] durch den Querschnitt an den Stellen x und x + ∆x fliesst . Wir teilen (1.2) durch (A∆t) und gehen zum Grenzwert ∆t → 0 über . Dann dürfen wir Integral und Ableitung vertauschen und erhalten Z x+∆x ∂ u(t, y)dy = (1.3) ∂t x Z x+∆x f (t, y)dy . = ψ(t, x) − ψ(t, x + ∆x) + x Mit Division durch ∆x und dem weiteren Grenzübergang ∆x → 0 folgt dann ∂ ∂ u(t, x) = − ψ(t, x) + f (t, x) . (1.4) ∂t ∂x Wir erkennen nun auch, dass wir änliche Überlegungen anstellen können, wenn u nicht die Wasserdichte ist, sondern die Dichte irgendeiner anderen Grösse, wie z.B Energie, Ladung, Bakterien, Teilchen, Moleküle etc. Man nennt u = u(t, x) Zustandsvariable . In vielen Modellen hängt der Fluss ψ(t, x) in bestimmter Weise von der Dichte (Masse pro Volumenheit) u(t, x) ab, es ist also ψ(t, x) = φ(t, x, u(t, x)) mit einer Funktion φ : [0, ∞) × IR × IR → IR. Dann wird (1.4) zu einer partiellen Differenzialgleichung für die unbekannte Funktion u. 7 1.3.1 Beispiele 1. Die lineare Transportgleichung Wir nehmen an, dass keine Quellen existieren i.e. f = 0 und die Flussfunktion gegeben ist durch φ(t, x, u) = cu(t, x), c ∈ IR . Damit reduziert sich die Gleichung (1.4) zu ut + cu x = 0 . (1.5) Mann nennt (1.5) die Lineare Transportgleichung. 2. Diffusionsgleichung/Wärmeleitungsgleichung Anstelle des Rohres betrachten wir nun einen massiven Stab S mit sehr kleinem Querschnitt A ∈ IR+ . Wir interessieren uns für die Temperatur θ = θ(t, x) des Stabes zur Zeit t am Ort x ∈ [a, b]. Dabei nehmen wir an, dass der Stab homogen ist, d.h., seine Dichte ρ ∈ IR+ konstant ist. Die Flussfunktion ψ gibt an, wie viel Wärmemenge pro Sekunde und pro Quadratmeter durch Rohrquerschnitt fliesst . Die Bilanzgleichung ist θt (t, x) + ψ x (t, x) = 0 . Das Fourier Gesetz der Wärmeleitung besagt, dass der Wärmefluss ψ in jedem Punkt proportional zum Wärmabfall −θx ist. Daher ist also θt = (k(x)θx (t, x)) x . Ist der Wärmediffusionkonstante k(x) unabhängig von x, so erhalten wir die Wärmeleitungsgleichung θt − kθxx = 0 . (1.6) Die Wärmeleitungsgleichung hat in Dimension n > 1 der Form θt − k(∆θ) = 0 . (1.7) Diese Gleichung beschreibt die Ausbreitung thermischer Veränderungen eines Körpers durch Wärmeleitung oder die Ausbreitung eines gelösten Stoffes durch Diffusion. 3. Die Wellengleichung Die partielle Differentialgleichung utt − c2 ∆u = 0 (1.8) für c > 0 heisst Wellengleichung, wobei u(x, t) eine Funktion der Zeit t und des Ortes x ∈ IRn , n = 1, 2, . . . ist. Die Wellengleichung beschreibt 8 Abbildung 1.1: Die Wärmeleitungsgleichung Abbildung 1.2: Die Wellengleichung Schwingungsvorgänge , z.B. Schwingungen eines elastischen homogenen Mediums (hier ist u die Auslenkung eines Punktes aus seiner Ruhelage) oder elektromagnetische Schwingungen (dann ist u ein Vektor: die elektrische Feldstärke oder das magnetische Feld) . Der Parameter c hat die Interpretation der Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Wellen . Wir betrachten z. B. eine elastische Saite mit konstanter linearer Massendichte ρ0 , die an zwei Enden fixiert ist. Wir bezeichnen durch u = u(t, x) die vertikale Amplitude der kleinen Schwingungen von der Seite. Man kann finden, dass u die folgende Gleichung genügt: utt − c2 u xx = 0 , (1.9) wobei c2 = ρS0 , und S die konstante Spannung der Seite ist . 4. Die Laplace-Gleichung Das elektrostatische Potential u(x, y, z), das von einer gegeben Ladungs9 dichteverteilung ρ(x, y, z) erzeugt wird, erfüllt die Poisson-Gleichung ∆u = 4πρ , (1.10) Ist ρ = 0, so heisst die Gleichung (1.10) Laplace-Gleichung . Zusätzliche Beispiele können zum Beispiel in [AU] gefunden werden . 1.4 Klassifizierung von PDG Nach Ordnung Die Ordnung einer PDG (wie bei gewönlichen Differentialgleichungen) ist als die höchst auftretende Ableitung definiert. Die Gleichungen (1.6), (1.9) und (1.10) sind von 2. Ordnung . Nach Typen Man unterscheidet: Homogene lineare PDG: z.B. utt = c2 ∆u ut = k∆u auy + bu x = 0 . Jeder Summand enthält u oder partielle Ableitungen von u in der 1. Potenz . Inhomogene lineare PDG: z.B ∆u = f , (1.11) ( f ist eine gegeben Funktion). Ein Summand ist frei von u und partiellen Ableitungen von u; wenn man diesen Summanden entfernt, bleibt eine homogene lineare PDG übrig . Nichtlineare PDG: Das sind alle übringen PDG. Sie stellen ein mathematisch anspruchsvolles Gebiet dar . Ganz analog unterscheidet man homogene lineare, inhomogene lineare und nichtlineare Anfangs- und Randbedingungen. 10 1.4.1 Verfeinerte Klassifikation von linearen PDG zweiter Ordnung Die allgemeine Form einer linearen homogenen PDG 2. Ordnung ist n X n X ∂u ∂2 u + + cu = 0 , ai j bi ∂x ∂x ∂x i j i i, j=1 i+1 (1.12) mit symmetrischen Koeffizienten ai j = ai j (x1 , . . . , xn ) = a ji und Koeffizienten bi = bi (x1 , . . . , xn ) une c = c(x1 , . . . , xn ). Die Gleichung (1.12) heisst (a) elliptisch, falls die Eigenwerte λi der Matrix (ai j ) entweder alle positiv oder alle negativ sind, d.h. alle λi > 0 oder λi < 0, (b) hyperbolisch, wenn die Matrix (ai j ) sowohl positive als auch negative Eigenwerte λi hat (jedoch kein λi = 0, d.h. λi > 0 für i = 1, . . . , k und λi < 0 für i = k + 1, . . . , n für ein 1 ≤ k ≤ n), (c) parabolisch, falls eine der Variablen (normalerweise die Zeit t) dadurch ausgezeichnet ist, dass nach dieser Variable nur einmal abgeleitet wird, nach allen anderen Variablen jedoch zweimal d.h. eine solche Gleichung hat die Form n n X X ∂u ∂2 u + + cu . bi ut = ai j ∂x ∂x ∂x i j i i+1 i, j=1 (1.13) Diese Gleichung heisst parabolisch, falls alle Eigenwerte der Matrix ai j positiv sind. Die typische Beispiele sind: (a) elliptische PDG: ∆u = 0, Laplace-Gleichung ∆u = f, Poisson-Gleichung . (b) hyperbolische PDG: utt = c2∆u, Wellengleichung . (c) parabolische PDG: ut = k∆u, Wärmeleitungsgleichung . 11 1.5 Das Superpositionsprinzip Satz 1.5.1 (Superpositionsprinzip) Genügen u0 , u1, . . . derselben homogenen linearen PDG sowie denselben homogenen linearen Nebenbedingungen, so besitzt die Reihe u= ∞ X αi u i i=0 (αi ∈ IR) (sofern sie konvergiert) auch diese Eigenschaften . 12 Kapitel 2 Die eindimensionale Wellengleichung 2.1 Die Herleitung der eindimensionalen Wellengleichung Wir betrachten eine gespannte Saite mit konstanter Massendichte ρ und Länge L. Die Saite sei durch eine Kraft an beiden Enden eingespannt. Wir lenken die Saite aus ihrer Ruhelage aus und wollen die vertikale Auslenkung u = u(x, t) in Abhängigkeit von Zeit und Ort bestimmen. Dabei nehmen wir an, dass die Auslenkung “kleinïst, so dass horizontale Bewegungen vernachlässigt werden können. Wir betrachten nun ein kleines Stück [x, ∆x] (0 < δ < 1) der Seite wie in Abbildung 2.1 dargestellt . Unsere Herleitung beruht auf dem zweiten Newton’schen Gesetz Kraft=Masse mal Beschleunigung . Hier ist die Beschleunigung in vertikaler Richtung die zweite Ableitung der Auslenkung nach der Zeit t, d.h. Beschleunigung=utt (x, t) . Also ist (ρδx)utt (x, t) die Kraft, die auf das Stück der Saite mi Länge δx wirkt . Wir herleiten nun einen Zusammenhang zwischen der Kraft und der Spannung S . In Abbildung 2.1 sind die tangentialen Spannungskomponenten S (x, t) und S (x + δx, t) an den Punkten x, x + δx ∈ [a, b] dargestellt. Daraus ergeben sich leicht die horizontalen Spannungskomponenten, die aufgrund der Annahme den Konstanten wert S haben, also S (x + δx, t) cos(β) = S (x, t) cos(α) = S . 13 (2.1) a x + δx x b x S (x + δx, t) α S (x, t) β u(x, t) Abbildung 2.1: Spannung an einem Stück der Saite Die vertikalen Spannungskomponenten können ebenso leicht auch aus Abbildung 2.1 ermittelt werden und die Differenz der beiden stimmt mit der Kraft überein, die wir mit Hilfe des zweiten Newton’schen Gesetz bestimmt haben: S (x + δx, t) sin(β) − S (x, t) sin(α) = (ρδx)utt (x, t) . (2.2) Wiederum aus Abbildung 2.1 erhalten wir tan(α) = u x (x, t) und tan(β) = u x (x + δx, t) . Dividieren wir (2.2) durch S , so erhalten wir daraus mit Hilfe von (2.1) (ρδx) utt (x, t) = tan(β) − tan(α) = u x (x + δx, t) − u x (x, t) . S Division durch (ρδx) S und Grenzübergang δ → 0 liefert utt (x, t) − c2 u xx = 0 die Wellengleichung mit Wellengeschwindikeit c2 = ρ , c > 0. S Diese Gliechung geht auf Jean-Baptiste le Rond d’Alembert im Jahre 1746 zurück . 14 2.2 Die Methode von d’Alembert Wir betrachten zunächst die eindimensionale Wellengleichung mit der konstanter Wellengeschwindigkeit c > 0, utt − c2 u xx = 0 . (2.3) Sei u ∈ C 2(IR2 )(1) eine Lösung von (2.3). Wir führen nun neue Koordinaten ξ, η ein, ξ = x + ct und η = x − ct, und umgekehrt 1 1 x = (ξ + η) und t = (ξ − η) . 2 2c Wir setzen w(ξ, η) := u(x(ξ, η), y(ξ, η)). Welche PDE erfüllt w? Aus der Kettenregel erhalten wir wegen u ∈ C 2(IR2 ) ut ux utt u xx = = = = wξ ξt + wη ηt = c(wξ − wη ) wξ ξ x + wη η x = wξ + wη c2 (wξξ − 2wξη + wηη ) wξξ + 2wξη + wηη . Somit gilt utt − c2u xx = 0 ↔ −4c2 wξη = 0 . Aus (wη )ξ = 0 folgt, dass wη nicht von ξ abhängen darf, also eine Funktion allein von η sein muss, d.h. wη (ξ, η) = g(η) (2.4) für alle ξ ∈ IR , mit einer g ∈ C 1(IR) . Sei G eine Stammfunktion von g, d.h. G′ = g . Nun integrieren wir noch (2.4) und erhalten w(ξ, η) = G(η) + F(ξ) . (1) C 2 (IR):={ f : IR → IR : f ′ und f ′′ existieren und sind stetig in IR} 15 Man beachte, dass bei der Integration nach η die Integrationskonstante von der Variablen ξ abhängen darf . Wir setzen daher an ihre Stelle eine beliebige Funktion F(ξ) ∈ C 1(IR). Damit haben wir die allgemeine Lösung von (2.3) gefunden u(x, t) = F(x + ct) + G(x − ct) , (2.5) wobei F, G ∈ C 2(IR) . Satz 2.2.1 Sei u ∈ C 2(IR2 ) Lösung der Gleichung (2.3). Dann gibt es F, G ∈ C 2(IR) mit u(x, t) = F(x + ct) + G(x − ct), (x, t) ∈ IR2 . (2.6) Umgekehrt definiert die RS von (2.6) für beliebige Funktionen F, G ∈ C 2(IR) eine Lösung von (2.3) . Bemerkung 2.2.1 Der Graph einer Lösung der Gleichung (2.3) ist gegeben durch zwei Wellen, die sich ohne Änderung ihrer Form mit Geschwindigkeit c in entgegengesetzter Richtung entlang der x-Achse bewegen . Wir betrachten das folgende Anfangswertproblem (Problem von Cauchy) utt − c2 u xx = 0, u(x, 0) = ϕ(x), (2.7) ut (x, 0) = ψ(x) . Um das Problem (2.7) zu lösen, müssen wir F und G in der allgemeinen Formel (2.6) so bestimmen, dass die Anfangsbedingungen (2.7) erfüllt sind: (2.8) (2.9) F(x) + G(x) = ϕ(x) cF ′ (x) − cG′ (x) = ψ(x) . Integrieren wir (2.9) von 0 bis x, so ergibt sich 1 F(x) − G(x) − (F(0) − G(0)) = c Z x ψ(y)dy . 0 Durch Addition beziehungsweise Subtraktion einer Konstanten können wir annehmen, dass F(0) = G(0) ist und erhalten Z 1 x F(x) − G(x) = ψ(y)dy . (2.10) c 0 16 ϕ(x) x0 ϕ(x − ct) ϕ(x + ct) x0 − ct x0 x0 + ct Abbildung 2.2: t = 0 und t > 0 Aus (2.8) und (2.10) folgt nun 1 F(x) = (ϕ(x) + 2 1 G(x) = (ϕ(x) − 2 Z 1 x ψ(y)dy) c 0 Z 1 x ψ(y)dy) . c 0 und somit folgt 1 u(x, t) = [ϕ(x + ct) + ϕ(x − ct)] + 2 1 = [ϕ(x + ct) + ϕ(x − ct)] + 2 ! Z x−ct Z x+ct 1 ψ(y)dy ψ(y)dy − c 0 0 Z x+ct 1 ψ(y)dy) . (2.11) ( 2c x−ct (2.11) ist die d’Alembertsche Formel . Um dieses Resultat zu diskutieren, betrachten wir zunächst den Fall ψ ≡ 0. Für festes t > 0 stellen x 7→ ϕ(x−ct) und x 7→ ϕ(x+ct) die verschobenen Graphen von ϕ dar , Siehe Fig. 3.2 . Die Funktion u(x, t) ist also Superposition einer mit Geschwindigkeit c nach links und einer mit derselben Geschwindigkeit nach rechts laufenden Welle. Die Abbildung 2.2 zeigt eine solche Welle, wobei sich die Welle zur Zeit t = 0 in einem beschränktene Gebiet befindet. In der Abbildung 2.3 ist die Menge der Punkte (x, t) schraffiert, bei der sich die Welle befindet, i.e. die Punkte für die gilt u(x, t) , 0 . 17 t Störung vorbei Steigung − 1c Steigung 1 c Störung im Gange Störung steht bevor a b x Abbildung 2.3: Einflussgebiet der Anregung im Fall ψ ≡ 0 Die Formel (2.11) lässt sich im Fall ψ ≡ 0 auch folgendermassen umschreiben: 1 u(x, t) = [u(x + ct, 0) + u(x − ct, 0)] . 2 In Worten: Die Störung an der Stelle x zur Zeit t ist gleich dem arithmetischen Mittel der Anregungen an den Stellen x − ct und x + ct zur Zeit 0. Bemerkungen: a) Nach der Formel von d’Alembert (2.11) wird der Wert der Lösung u = u(x, t) an der Stelle (x0 , t0) eindeutig durch die Werte der Anfangsdaten ϕ, ψ im Intervall [x0 − ct0 , x0 + ct0 ] bestimmt. Dieses Intervall nennt man daher das Abhängigkeitsgebiet der Lösung im Punkt (x0 , t0 ) . b) Umgekehrt beeinflussen die Werte von ϕ, ψ an einer Stelle (ξ, 0) die Lösung u innerhalb des Kegels ξ − ct ≤ x ≤ ξ + ct, t ≥ 0 Dieser Kegel heisst das Einflussgebiet des Punktes (ξ, 0), see Fig. 2.4 . ⇒ Störungen und Signale reisen mit Geschwindigkeit c . 18 (x0 , t0 ) x + ct = a x − tc = b x0 − ct0 x0 + ct0 Abhängigkeitsgebiet a b Einflussgebiet Abbildung 2.4: Einflussgebiet und Abhängigkeitsgebiet Übung 2.2.1 Sei u(x, t) die Lösung vom folgenden Problem von Cauchy utt − 9u xx = 0, x ∈ IR, t > 0 , ( 1, |x| ≤ 2 u(x, 0) = f (x) = 0, |x| > 2, ( 1, |x| ≤ 2 ut (x, 0) = g(x) = 0, |x| > 2, a) Finden u(0, 61 ) . b) Diskutieren das asymptotische Verhalten (für t → +∞) von u . c) Finde das Maximum von u(·, t) und die Punkte wo dies Maximum erreicht wird. 2.2.1 Die Methode von Duhamel Wir betrachten: utt − c2 u xx = f (x, t), u(x, 0) = 0 , ut (x, 0) = 0 , x ∈ IR, t > 0 , x ∈ IR , x ∈ IR . (2.12) f (x, t) kann man immer als Wirkung von aussen, dass auf das System wirkt, interpretieren. 19 Wir betrachten nun folgendes Problem, für eine fixe Anfangszeit s ≥ 0: 2 x ∈ IR, t > s , vtt − c v xx = 0, v(x, s) = 0 , x ∈ IR , (2.13) vt (x, s) = f (x, s) , x ∈ IR . Damit wir die d’Alembertsche Formel verwenden können, müssen wir dieses Problem auf die Anfangszeit t = 0 transformieren. Sei also v = v(x, t) die Lösung von (2.13), dann löst w(x, t) := v(x, t + s) das folgenden Problem: 2 x ∈ IR, t > 0 , wtt − c w xx = 0, w(x, 0) = 0 , x ∈ IR , (2.14) wt (x, 0) = f (x, s) , x ∈ IR . Ist w = w(x, t) Lösung von (2.14), so ist v(x, t) := w(x, t − s) Lösung von (2.13). Damit folgt nach der Formel von d’Alembert Z x+ct 1 f (ξ, s)dξ , w(x, t) = 2c x−ct und wir erhalten die Lösung von (2.13) für t ≥ s ≥ 0: Z x+c(t−s) 1 f (ξ, s)dξ = u(x, t; s) . v(x, t) = 2c x−c(t−s) Wir nennen diese Lösung im folgenden u(x, t; s) . Satz 2.2.2 Es sei folgendes Problem gegeben 2 utt − c u xx = f (x, t), x ∈ IR, t > 0 , u(x, 0) = 0 , x ∈ IR , ut (x, 0) = 0 , x ∈ IR . Dann ist eine Lösung dieses Problem: Z t u(x, t; s)ds, x ∈ IR, t ≥ 0 , u(x, t) := 0 mit 1 u(x, t; s) = 2c Z x+c(t−s) f (ξ, s)dξ . x−c(t−s) 20 (2.15) (2.16) Wir betrachten: utt − c2 u xx = f (x, t), u(x, 0) = ϕ(x) , ut (x, 0) = ψ(x) , x ∈ IR, t > 0 , x ∈ IR , x ∈ IR . (2.17) Wir können die Lösung von (2.17) als u = u1 + u2 (wegen des Superpositionsprinzip) schreiben, wobei u1 eine Lösung von (2.12) ist und u2 ist eine Lösung von utt − c2 u xx = 0, x ∈ IR, t > 0 , u(x, 0) = ϕ(x) , x ∈ IR , (2.18) ut (x, 0) = ψ(x) , x ∈ IR . Durch die Kombination der d’Alembert’schen Formel und der Formel (2.16) erhalten wir die allgemeine Lösung Z x+ct ϕ(x + ct) + ϕ(x − ct) 1 ψ(s)ds + u(x, t) = 2 2c x−ct ! Z t Z x+c(t−s) 1 + f (y, s)dy ds (2.19) 2c 0 x−c(t−s) Z x+ct Z Z 1 ϕ(x + ct) + ϕ(x − ct) 1 ψ(s)ds + + f (y, s)dyds , = 2 2c x−ct 2c T wobei T = {(y, s) ∈ IR2 : 0 ≤ s ≤ t, |y − x| ≤ c(t − s)} das sogennante charakteristische Dreieck an der Stelle (x, t) ist (Abbildung 2.5) . s y = x + c(t − s) y = x − c(t − s) (x, t) T x − ct x + ct y Abbildung 2.5: Das charakteristische Dreieck an der Stelle (x, t) 21 Bemerkung 2.2.2 Wenn die Funktion f in (2.17) nur von t oder von x abhängt, kann die Lösung einfacher bestimmt werden: 1) In diesem Fall können wir eine besondere Lösung ū von utt − c2u xx = f (x, t) finden, die auch nur von t oder von x abhängt. (zweimalige Integration) 2) Danach bestimmt man die Lösung v von utt − c2 u xx = 0, x ∈ IR, t > 0 , u(x, 0) = ϕ(x) − ū(x, 0) , x ∈ IR , (2.20) ut (x, 0) = ψ(x) − ūt (x, 0) , x ∈ IR , indem man die d’Alembert’sche Formel verwenden. 3) Dann ist u = ū + v die allgemeine Lösung, wegen des Superpositionsprinzip . Übung 2.2.2 Lösen sie die folgenden Probleme: utt − u xx = t7 , x ∈ IR, t > 0 , u(x, 0) = 2x + sin(x), x ∈ IR , ut (x, 0) = 0 , x ∈ IR . utt − u xx = xt, x ∈ IR, t > 0 , u(x, 0) = 0, x ∈ IR , ut (x, 0) = 1 , x ∈ IR . 22 (2.21) (2.22) Kapitel 3 Fourier-Reihen: Definitionen und Beispiele In der Natur begegnen wir häufig periodischen Vorgängen, z.B. der Lauf der Gestirne am Nachthimmel. In der Physik sind Phänomene wie Schwingungen und Wechselströme periodischer Natur. Zumeist wird versucht, einen allgemeinen periodischen Vorgang durch einfachere Vorgänge zusammenzusetzen. Die einfachsten periodischen Vorgänge sind solche, welche durch die trigonometrischen Funktionen cos(kt) und sin(kt) für k ∈ IN beschrieben werden. Eine Physikalische Problemstellung führt oft zu einem Rand- und Anfangswertproblem einer partielle Differentialgleichungen. Da diese Differentialgleichungen meist linear sind, ist das Superpositionsprinzip anwendbar, sodass also die Lösung eines solchen Problems durch eine Linearkombination spezieller Lösungen (die bereits die Randbedingungen erfüllen) erhalten werden kann. Dies bedeutet dann aber, dass eine gegebene Funktion f (t) (Anfangsbedingung) in eine Reihe nach einem vorgegebenen P Funktionensystem zu entwickeln ist, d.h. f (t) = ∞ k=0 ck ϕk (t) . Definition 3.0.1 Eine auf IR definierte Funktion f heisst periodisch mit der Periode T > 0, wenn f (t+T ) = f (t) für alle t ∈ IR gilt . Die kleinste Periode heisst Fundamentalperiode . Bemerkung 3.0.3 (i) Ist f periodisch mit der Periode T , so ist auch kT , k ∈ IN eine Periode von f . (ii) cos(kx) und sin(kx), k ∈ N sind periodisch mit der Periode T = 2π . (iii) Die Summe T -periodischer Funktionen ist periodisch und das Produkt T -periodischer Funktionen ist periodisch mit gleicher Periode (je23 doch nicht unbedingt gleicher Fundamentalperiode z.B. hat die Funktion sin(x) cos(x) = 12 sin(2x) die Fundamentalperiode π) . (iv) Sei f eine Funktion die auf dem Intervall [a, b] definiert ist. Dann kann man f auf IR periodisch fortsetzen . Definition 3.0.2 Ein trigonometrisches Polynom des Grad ≤ N ist eine Linearkombination N X N ikt ck e k=−N a0 X + ak cos(kt) + bk sin(kt) . oder 2 k=1 und die Reihen ∞ X k=−∞ ikt ck e ∞ a0 X + ak cos(kt) + bk sin(kt) . oder 2 k=1 heissen trigonometrische Reihen . Die Periode einer trigonometrische Reihe in Definition 3.0.2 ist 2π . Fragen (i) Welche 2π-periodische Funktionen können durch trigonometrische Reihen dargestellt werden? (ii) Wie kann man die Koeffizienten ak ,bk und ck bestimmen? (iii) Gibt es einen Unterschied zwischen der reellen trigonometrischen Reihe mit cos(kt) und sin(kt) und der komplexen trigonometrischen Reihe mit eikt ? (iv) Warum sind trigonometrische Reihen nützlich? Antworten (iv) Um ein physikalisches System zu beschreiben, muss man zuerst ein mathematisches Model des Systems bestimmen und dann eine Lösung der entsprechenden partiellen Differentialgleichung finden . Oft kann die Lösung einer partiellen Differentialgleichung mithilfe der Fourier-Reihen Entwicklung bestimmt werden . (iii) Die komplexe Schreibweise der Fourier-Reihen ist für theoretische Betrachtungen nützlich, während die reelle Schreibweise in konkreten Beispielen benutzt wird . Wir werden z.B. sehen, dass wir Fourier-Reihen Entwicklung nur mit cos(kt) (bzw sin(kt)) benutzen werden, falls die Funktion gerade (bzw ungerade ist) . 24 Um die ck , und die ak , bk ineinander umzurechnen, betrachten wir ein festes k > 0. Aus eit = cos(t) + i sin(t) folgt ck eikt + c−k e−ikt = ck [cos(kt) + i sin(kt)] + c−k [cos(kt) − i sin(kt)] = [ck + c−k ] cos(kt) + i[ck − c−k ] sin(kt) = ak cos(kt) + bk sin(kt) , mit ak = ck + c−k , bk = i(ck − c−k ), k > 0 (3.1) ak + ibk ak − ibk , c−k = , k > 0. 2 2 (3.2) und hieraus erhalten wir den Zusammenhang ck = Falls k = 0, gilt b0 = 0 und a0 = 2c0 . Um die Frage (ii) zu beantworten benötigen wir das folgende Lemma . Lemma 3.0.1 (Orthogonalitätsrelationen) a) Für die komplexen Funktionen eikt gilt ( Z π 2π k = ℓ ikt −iℓt e e dt = 0 k , ℓ. −π b) Für die trigonometrischen Funktionen gilt Z π Z π cos(kx)dx = 0, k , 0 sin(kx)dx = −π −π Z π sin(kx) cos(ℓx)dx = 0 −π Z π 0 k=ℓ=0 π k=ℓ,0 sin(kx) sin(ℓx)dx = −π 0 sonst , Z π π k=ℓ,0 2π k = ℓ = 0 cos(kx) cos(ℓx)dx = −π 0 sonst . (3.3) (3.4) (3.5) (3.6) Beweis: Übung . Gemäss dem folgenden Satz können die Fourier Koeffizienten berechnen werden . 25 Satz 3.0.3 Sei f eine 2π periodische Funktion, die durch eine trigonometrische Reihe dargestellt werden kann, d.h. sei ∞ a0 X + ak cos(kt) + bk sin(kt) f (t) = 2 k=1 (3.7) ∞ X (3.8) oder f (t) = ck eikt . −∞ Dann gilt ak bk ck Z 1 π f (s) cos(ks)ds, k ≥ 0 = π −π Z 1 π f (s) sin(ks)ds, k ≥ 1 = π −π Z π 1 = f (s)e−iks ds, k ∈ ZZ . 2π −π (3.9) (3.10) (3.11) Die Integrale können auf einem beliebigen Intervall der Länge 2π berechnet werden . Beweis Wir werden die Formel von ck verifizieren. Gegeben sei die FunkP ikt −ikt tion f (t) = ∞ und k=−∞ ck e . Wir multiplizieren diese Gleichung mit e integrieren im Bereich [−π, π] . Damit erhalten wir mit Lemma 3.0.1 Z π Z π ∞ X 1 1 −iks ck f (s)e ds = eiks e−iks ds = ck . 2π −π 2π −π −∞ Definition 3.0.3 Sei f eine 2π-periodische Funktion. Die Reihen ∞ X ck eikt , mit ck durch (3.11) gegeben (3.12) k=−∞ ∞ a0 X + ak cos(kt) + bk sin(kt) 2 k=1 (3.13) mit ak , bk durch (3.9) und (3.10) gegeben, heissen die komplexe beziehungsweise die reelle Fourier-Reihe von f . 26 Die Reihen nach Definition 3.0.3 sind die einzigen möglichen Kandidaten für eine Darstellung der Form (3.7) und (3.8) . Um auszudrücken, dass die Koeffizienten ak , bk , ck mit Hilfe von (3.9).(3.10) und (3.11) von f erhalten werden, schreibt man ∞ a0 X + f (t) { ak cos(kt) + bk sin(kt) 2 k=1 oder f (t) { ∞ X ck eikt . (3.14) (3.15) −∞ Wir hoffen, dass das Symbol { unter möglichst schwachen Voraussetzungen durch = ersetzt werden kann. In den meistens Falle kommt man mit dem folgenden hinreichenden Kriterium aus . Satz 3.0.4 Sei f eine 2π periodische, Riemann integrierbare Funktion. Falls der rechts- und links-seitigen Grenzwerte f (t0+ ) bzw. f (t0− ) existieren, sowie die rechts- und links-seitigen Ableitungen f+′ (t0 ) f (t0 + h) − f (t0+ ) = lim+ h→0 h bzw. f (t0 + h) − f (t0− ) = lim− h→0 h existieren, konvergiert die Fourier-Reihe, an einer Stelle t0 , gegen das arithmetische Mittel f (t0+ ) + f (t0− ) . 2 Insbesondere, falls f an der Stelle t0 stetig ist und die Ableitung f ′ im Punkt t0 existiert, konvergiert die Fourier-Reihe gegen f (t0 ) . f−′ (t0 ) Bemerkung 3.0.4 Ist f (t) eine periodische Funktion mit der Periode T , so kann man f eine Fourier-Reihe der Form ∞ a0 X 2πkt 2πkt f (t) { + ) + bk sin( ) ak cos( 2 k=1 T T 27 (3.16) oder f (t) { ∞ X ck ei 2πkt T . (3.17) −∞ zuordnen, wobei ak bk ck Z 2 T/2 2πks = f (s) cos( )ds, k ≥ 0 T −T/2 T Z 2πks 2 T/2 f (s) sin( )ds, k ≥ 1 = T −T/2 T Z 2πks 1 T/2 f (s)e−i( T ) ds, k ∈ ZZ . = T −T/2 (3.18) (3.19) (3.20) T x bzw. x = 2π Dies wird durch die Transformation t = 2π T t erzielt, wobei nun T die Funktion f˜(x) = f ( 2π x) die Periode 2π besitzt . Die Bestimmung der Fourier-Koeffizienten von f˜(x) und Rücksubstitution liefert die Behauptung . Satz 3.0.5 Sei f (t) eine 2π-periodische Funktion. 1) Ist f (t) eine gerade Funktion, d.h f (−t) = f (t), ∀t, dann hat die P zugeordnete Fourier-Reihe die Form a20 + ∞ k=1 ak cos(kt) . 2) Ist f (t) eine ungerade Funktion, d.h f (−t) = f (t), ∀t, dann hat die P zugeordnete Fourier-Reihe die Form ∞ k=1 bk sin(kt) . Beweis. Im Falle einer geraden Funktion f (t) ist der Integrand von bk , f (t) sin(kt) eine ungerade Funktion. Damit verschwindet das Integral über das symmetrische Intervall [−π, π] . Im Falle einer ungeraden Funktion f (t) ist der Integrand von ak , f (t) cos(kt) eine ungerade Funktion, Analog ist das Integral über das Intervall [−π, π] gleich Null . Bei manchen Anwendungen wie etwa der schwingenden Saite ist auf einem Intervall [0, L] eine Funktion f (t) gegeben (Anfangsbedingung) . Vorteilhaft wäre es, f (t) in eine Reihe mit nur Sinus-Gliedern zu entwickeln . Um dieses Ziel zu erreichen, setzt man f (t) auf das Intervall [−L, L] fort, sodass f (t) auf [−L, L] ungerade ist. Anschliessend kann diese Funktion auf ganz IR zu einer 2L periodischen Funktion fortgesetzt werden . Analog kann man vorgehen, wenn eine auf einem Intervall [0, L] gegebene Funktion in einer reinen Cosinus-Reihe entwickelt werden soll . 28 y y x x Eine gerade Funktion Eine ungerade Funktion Abbildung 3.1: Gerade und ungerade Funktionen Beispiele 3.0.1 1. Die Rechteckschwingung . Die Funktion −1 −π < t < 0 0 t = −π, 0, π f (t) = 1 0<t<π nennt man Rechteckschwingung . Da die Funktion ungerade ist, können wir uns auf die Berechnung der bk beschränken . Es ergibt sich Z Z 1 π 2 π bk = f (t) sin(kt)dt = f (t) sin(kt)dt π −π π 0 ! ( 2 1 cos(kπ) 0 k gerade = − = 4 π k k πk k ungerade . Die Rechteckschwingung hat also die Fourier-Reihe +∞ 4 X sin(2n − 1)t . f (t) = π n=1 2n − 1 Die Abbildung 3.2 zeigt einige Näherungen dieser Entwicklung. Es fällt auf, dass an den Unstetigkeitsstellen das Konvergenzverhalten der FourierReihe nachlässt . Dieses Verhalten heisst Gibbssches Phänomen und tritt auf, weil die Koeffizienten nicht schnell genug gegen Null konvergieren . 2. Die Kippschwingung oder Sägezahnschwingung . Die Funktion ( t −π < t < π f (t) = 0 t = −π, π 29 nennt man Kippschwingung . Auch hier reicht die Berechnung der bk , für die man Z Z 2 π 1 π t sin(kt)dt = t sin(kt)dt bk = π −π π 0 ! 2 π cos(kt) (−1)k+1 = − =2 π k k erhält . Die Fourier-Reihe ist damit ∞ X sin(nt) . f (t) = 2 (−1)n+1 n n=1 Abbildung 3.3 zeigt das Ergebnis . 3. Die Dreieckschwingung . Sei f (t) = |t| für −π ≤ t ≤ π und f (t ± 2π) = f (t). Dies ist eine gerade Funktion und ihre Reihe enthält daher nur Cosinus-Glieder. Z 1 π a0 = |t|dt = π . π −π ak Z Z 2 π 1 π |t| cos(kt)dt = t cos(kt)dt = π −π π 0 ! ( 2 cos(kπ) 1 0 k gerade = − = 4 − πk2 k ungerade . π k2 k2 Die zugeordnete Fourier-Reihe ist damit ∞ π 4 X cos(2n + 1)t , −π ≤ t ≤ π . |t| { − 2 π n=0 (2n + 1)2 Wiederum stellt Fourier-Reihe die Funktion |t| überall dar, also ∞ π 4 X cos(2n + 1)t . |x| = − 2 π n=0 (2n + 1)2 Setzt man etwa t = 0 ergibt sich ∞ X n=0 1 π2 . = 8 (2n + 1)2 Wie man an Abbildung 3.4 sieht, tritt hier das Gibbssches Phänomen nicht auf, da die Koeffizienten schnell genug klein werden . 30 Abbildung 3.2: Die Fourier-Reihe der Rechteckschwingung Abbildung 3.3: Die Fourier-Reihe der Kippschwingung Übung 3.0.3 Beweisen sie, dass ∞ X 1 π2 . = 2 6 n n=1 Hinweis: Benutzen die Fourier-Reihe von der Funktion f (t) = (t − π)2 , t ∈ [−π, π], und f (t + 2π) = f (t) oder von der Dreieckschwingung . 31 Abbildung 3.4: Die Fourier-Reihe der Dreieckschwingung 32 Kapitel 4 Methode der Separation der Variablen und Anwendungen Wir beschreiben eine Methode um ein Anfangs- Randwertproblem einer linearen und homogenen PDG zu lösen. Die sogenannte Methode der Separation der Variablen . Diese Methode besteht aus zwei Schritten: i) Das Finden von Lösungen der Form u(x, t) = X(x)T (t) . ii) Hoffen, dass die allgemeine Lösung durch eine (möglicherweise unendliche) Linearkombination von Lösungen dieser Form gegeben ist . Auch wenn die Hoffnung in ii) in dieser Allgemeinheit nicht erfüllt ist, ist die Methode bei vielen Problemen erfolgreich: Dabei versucht man nicht die allgemeine Lösung zu bestimmen, sondern diejenige Lösung in der Form einer solchen Linearkombination, die die gegeben Rand- Anfangsbedingungen erfüllt . Wir wollen diese Idee anhand einiger Beispiels von Anfangs- Randwertproblemen verschiedener partielle Differentialgleichungen illustrieren . Beispiel 4.0.1 Man soll die Temperaturverteilung eines Stabes der Länge L untersuchen, dessen Enden zu einer festen Temperatur gehalten werden, die wir mit passender Wahl der Temperaturskala auf Null festlegen: ut − αu xx = 0, u(0, t) = u(L, t) = 0, u(x, 0) = f (x), 0 < x < L, t > 0 t ≥ 0 Randbedingung 0 ≤ x ≤ L Anfangsbedingung, 33 (4.1) für eine gegeben Anfangs-Temperaturverteilung f (x), welche eine gegebene Randbedingungen erfüllt, zum Beispiel πx f (x) = sin . L Die Konstante α > 0 ist ein Parameter . Im ersten Schritt suchen wir also Lösungen der Form u(x, t) = X(x)T (t) . Wir setzen diese Funktion in die PDG ein: X(x)T ′ (t) = αX ′′ (x)T (t) . Hier kommt die eigentliche Separation der Variablen, wo alles was von x abhängt nach rechts und alles was von t abhängt nach links geschoben wird: T ′ (t) X ′′ (x) =α T (t) X(x) Die linke Seite ist jetzt unabhängig von x und die rechte Seite ist unabhängig von t . Da beide Seiten gleich sind, sind sie unabhängig von x und von t also konstant: T ′ (t) X ′′ (x) =λ=α . T (t) X(x) Umgekehrt gilt: Sind X(x), T (t) Funktionen und λ eine Konstante, welche diese Gleichungen erfüllen, so ist u(x, t) = X(x)T (t) eine Lösung der gegeben partiellen Differentialgleichungen. Wir haben also, für jedes λ, gewöhnlichen Differentialgleichungen für X und T . Wir betrachten zuerst die Gleichung für X: X ′′ (x) − λ X(x) = 0 α Ist λ < 0, so hat diese Gleichung die allgemeine Lösung r X(x) = A sin(ωx) + B cos(ωx), ω = λ − . α Wir setzen hier die Randbedingungen ein: T (t)X(0) = T (t)X(L) = 0 also X(0) = X(L) = 0 (oder T ≡ 0 aber diese trivialen Lösungen wollen wir 34 nicht berücksichtigen) . Es folgt, dass B = 0 und ω = πn/L, n = 1, 2, . . . also απ2n2 λ = − 2 , n = 1, 2, . . . . L Nur für diese Werte von λ hat man eine nichttriviale Lösung er Form XT , die die Randbedingungen erfüllt . Die allgemeine Lösung der Gleichung für T ist dann T (t) = Ceλt . Also haben wir für jedes n = 1, 2, . . . eine Lösung der Form X(x)T (t), nämlich πn 2 2 − απL2n t un (x, t) = e sin x L (oder proportional dazu) die auch die Randbedingungen erfüllt . In zweiten Schritt verwenden wir das Superpositionsprinzip und erhalten den Kandidat ∞ X u(x, t) = cn un(x, t) (4.2) n=1 für die allgemeine Lösung . Im vorliegende Beispiel will man die Lösung finden, welche die Anfangsbedingung: u(x, 0) = f (x), oder eingesetzt ∞ πn X x = f (x) , (4.3) cn sin L n=1 erfüllt. Wir müssen nun die Koeffizienten cn zu finden, so dass die Sinusreihe die vorgegebene, auf [0, L] definierte, Funktion f ergibt. Dies ist Teil der Theorie der Fourier-Reihen, welche wir in diesem Kapitel 3 studiert haben . 4.1 Inhomogene Probleme Die Probleme, die wir bis jetzt betrachten haben, sind homogen: Die partielle Differentialgleichung ist homogen linear und die Randbedingungen sind von der Form u(a, t) = 0 . Solche Randbedingungen nennt man homogen . Allgemeine heisst eine Randbedingung homogen, wenn sie fordert, dass eine Linearkombination der Werte der gesuchten Funktion und ihrer Ableitungen auf dem Rand gleich Null ist. Wenn die PDG nicht homogen ist oder wenn die Randbedingungen nicht homogen sind, kann die Methode der Separation der Variablen nicht direkt funktionieren. Es gibt das allgemeine Prinzip der linearen Algebra: 35 Die allgemeine Lösung eines inhomogenen Randwertproblems ist die allgemeine Lösung des zugehörigen homogenen Problems plus eine partikuläre Lösung des inhomogenen Problems . Das zugehörige homogene Problem erhält man, in dem man die Rechte Seite der PDG und die Randwerte durch Null ersetzt . Die partikuläre Lösung des inhomogenen Problems ist eine irgendeine Lösung, die man typischerweise erratet . Beispiel 4.1.1 Wir betrachten die Wärmeleitungsgleichung auf einem Intervall [0, L], aber diesmal wollen wir die Temperatur an den Endpunkten auf verschiedene Werte festsetzen: ut − αu xx = 0, 0 < x < L, t ≥ 0 u(0, t) = T 1 , u(L, t) = T 2 , t ≥ 0 Randbedingung (4.4) u(x, 0) = f (x), 0 ≤ x ≤ L Anfangsbedingung, Wir ignorieren zunächst die Anfangsbedingung und betrachten nur die PDG mit den Randbedingungen. Wir versuchen wieder, eine von t unabhängige partikuläre Lösung u(x, t) = uP (x) zu finden . Eine solche Lösung erfüllt u′′P (x) = 0, uP (0) = T 1 , uP (L) = T 2 . Wir erhalten die partikulä1 )x re Lösung u p(x) = T 1 + (T 2−T . Also ist die allgemeine Lösung von der L Form T2 − T1 x + U(x, t) , (4.5) u(x, t) = T 1 + L wobei U die allgemeine Lösung des homogenen Problems ist Ut − αU xx = 0, 0 ≤ x ≤ L, t ≥ 0 U(0, t) = u(L, t) = 0, t ≥ 0 Randbedingung (4.6) U(x, 0) = f (x) − u p(x), 0 ≤ x ≤ L Anfangsbedingung, Das homogene Problem für u kann mit der Methode der Separation der Variablen gelöst werden 4.2 Die Wellengleichung mit homogenen Randbedingungen Wir unterwerfen die allgemeine Wellengleichung utt − c2 ∆u = 0 36 (4.7) für eine Funktion u(x, t) (mit n = 1, 2 oder 3 Raumkoordinaten) dem Separation der Variablen u(x, t) = U(x)T (t) und erhalten nacheinander UT ′′ = c2 ∆UT respektive ∆U T ′′ (4.8) = = ±ω2 , U T wobei wir das obere Vorzeichen aus physikalischen Erwägungen heraus verwerfen . Wir haben damit c2 T ′′ (t) + ω2T (t) = 0 mit der allgemeinen Lösung T (t) = A cos(ωt) + B sin(ωt) . (4.9) Aus (4.8) folgt anderseits c2 ∆u + ω2U = 0 oder mit der Abkürzung ω2 λ := 2 ≥ 0 c die sogennante Helmholtz-Gleichung: ∆U + λU = 0 . (4.10) (4.11) Wir verknüpfen eine Lösung Uλ von (4.11) mit der zugehörigen Funktion (4.9), so erhalten wir die Basislösung uλ (x, t) = Uλ (x)(A cos(ωt) + B sin(ωt)) (4.12) wobei λ und ω via (4.10) zusammenhängen. Eine Lösung der Wellengleichung in der Gestalt (4.12) heisst stehende Welle. Hier sind die Ausschläge an allen Orten x ständig in Phase, sie nehmen gleichzeitig das Maximum an und nehmen gleichzeitig den Wert Null an . In den Punkten x, wo Uλ (x) = 0 ist, ist der Ausschlag für alle Zeiten gleich 0 . Dies sind die sogenannten Knoten, welche im eindimensionalen Fall (Saite) Punkte sind bzw. Knotenlinien im zweidimensionalen Fall (Membran) . 37 Um bei der Lösung von (4.11) eine gewisse Bestimmtheit zu erzielen, wird man Randbedingungen angeben müssen: z.B. U(x) = 0 auf dem Rand (homogene Dirichlet-Randdaten) oder ∂U ∂n (x) = 0 auf dem Rand (homogene Neumann-Randdaten) . Diese Randbedingungen entsprechen verschiedenen physikalischen Situationen: Bei eingespanntem Rand (der Saite oder der Membran) müssen wir homogene Dirichlet-Randdaten fordern; bei frei schwingendem Rand homogene Neumann-Randdaten . 4.3 Die eingespannte Saite Wir betrachten jetzt den Fall der eingespannten Saite . utt − c2 u xx = 0, 0 < x < L, t > 0 t≥0 u(0, t) = u(L, t) = 0, u(x, 0) = f (x), 0≤x≤L u (x, 0) = g(x), 0≤x≤L (4.13) t mit der Konstanten c2 = Tρ (T ist die Spannung der Saite und ρ die Masse pro Längeneinheit) . Die gegebenen Funktionen f, g beschreiben die Anfangslage und die Anfangsgeschwindigkeit der Seite . Wir nehmen an, dass f (0) = f (L) = 0 = g(0) = g(L) . Wir betrachten zuerst die stehenden Wellen uλ (x, t) = Uλ (x)(A cos(ωt) + B sin(ωt)) auf unserer Saite . Die Funktion Uλ genügt der eindimensionalen Wellengleichung U ′′ + λU = 0 und hat die Lösungen √ √ Uλ (x) = a cos( λx) + b sin( λx) , die wir allerdings noch den Randbedingungen unterwerfen müssen: Uλ (0) = a = 0 ; 38 (4.14) dies liefert a = 0. Nun liefert die rechte Randbedingung √ Uλ (L) = b sin( λL) = 0 . Deshalb muss gelten √ λL = kπ, k = 1, 2, . . . . Wir haben die Eigenwerte k 2 π2 λk = 2 , k = 1, 2, . . . L und die zugehörigen Eigenfunktionen kπx Uk (x) = sin L ! k = 1, 2, . . . . Damit haben wir als stehende Wellen auf unserer Saite die Funktionen ! !# ! " kπct kπx kπct + Dk cos sin . uk (x, t) = Uk (x)T k (t) = Ck sin L L L Nun wollen wir die gefunden Eigenschwingungen derart superponieren, dass die Anfangsbedingung erfüllt ist. Die allgemeine Superposition unserer Eigenschwingungen lautet ! !# ! ∞ " X kπct kπct kπx u(x, t) = Ck sin + Dk cos sin (4.15) L L L k=1 Die Koeffizienten Ck und Dk sind nun so zu bestimmen, dass die Anfangsbedingung erfüllt ist , d.h. für x ∈ [0, L] muss gelten u(x, 0) = ∞ X k=1 und ut (x, 0) = ! kπx = f (x) , Dk sin L ∞ X kπc k=1 ! kπx Ck sin = g(x) . L L Wir beobachten, dass " ! !# ! ∞ X kπct kπct kπx kπc ut (x, t) = Ck cos − Dk sin sin . L L L L k=1 39 (4.16) (4.17) Die rechte Seite von (4.16) ist die Sinus-Fourier Reihe der ungeradenperiodischen Fortsetzung von f . Deshalb erhalten wir ! Z 2 L kπx Dk = (4.18) f (x) sin dx . L 0 L Die rechte Seite von (4.17) ist die Sinus-Fourier Reihe von der ungeradenperiodischen Fortsetzung von g. Damit sind die Koeffizienten kπc L C k die Fourier- Koeffizienten von g : ! Z kπx 2 L kπc g(x) sin Ck = dx , L L 0 L nämlich ! Z L 2 kπx Ck = (4.19) g(x) sin dx . kcπ 0 L Durch ersetzen der Ck und Dk in (4.15) erhalten wir die Lösung der Aufgabe (4.13) . Wir interpretieren diese Ergebnisse im Kontext eines musikalischen Saiteninstrumente (mit festen Enden). Die vertikale Verschiebung ist eine linear Kombination von einfachen Produktlösungen: " ! !# ! kπct kπct kπx uk (x, t) = Cn sin + Dk cos sin , k = 1, 2, . . . L L L Dies uk heissen die Normalschwingungen vonqVibrationen. Die Intensität des erzeugten Tons hängt von der Amplitude Ck2 + D2k ab . Die Zeitabhängigkeit ist gegeben durch die Harmonischen Frequenzen ck . Der Klang ist die (Anzahl von Schwingungen pro-Sekunde ) ωk = 2L Überlagerung dieser unendlichen Anzahl von Frequenzen . Der normale Modus k = 1 heisst die erste Harmonische oder Grundmode, und hat im c . Die anderen Falle einer schwingenden Saite die Grundfrequenz ω = 2L Eigenfrequenzen sind ein Vielfaches der Grundfrequenz . Übung 4.3.1 Betrachten sie das folgende Anfangs- Randwertproblem utt − c2 u xx = 0, 0 < x < L, t > 0 t≥0 u(0, t) = u(L, t) = 0, u(x, 0) = f (x), 0≤x≤L u (x, 0) = 0, 0 ≤ x ≤ L. t 40 Zeigen, dass 1 [F(x − ct) + F(x + ct)] , 2 wobei F die ungerade, 2L periodische Fortsetzung von f ist. Hinweis: P nπx a) F(x) = +∞ D sin . n=1 n L b) sin(a) cos(b) = 12 [sin(a + b) + sin(a − b)] . u(x, t) = Übung 4.3.2 Gegeben sei das Anfangs- Randwertproblem utt − c2 u xx = 0, 0 < x < L, t > 0 t≥0 u(0, t) = u(L, t) = 0, u(x, 0) = 0, 0≤x≤L u (x, 0) = g(x), 0 ≤ x ≤ L. t Zeigen sie, dass Z x+ct 1 u(x, t) = G(y)dy, 2c x−ct wobei G die gerade, 2L periodische Erweiterung von g(x) ist. Hinweis: P nπx (C . a) G(x) = +∞ nπc/L) sin n n=1 L b) sin(a) sin(b) = 21 [cos(a − b) + cos(a + b)] . 4.4 Die Wärmeleitung auf einem Ring Wir betrachten die Temperaturverteilung auf einem Ring mit Radius R. Mit u(x, t) bezeichnet wir die Temperatur im Punkt mit Bogenlänge x und zur Zeit t. Da x und x + 2πR denselben Punkt auf dem Ring darstellen, gilt u(x + 2πR, t) = u(x, t), also ist u eine 2πR-periodische Funktion von x . Es gilt also +∞ X inx cn(t)e R , u(x, t) = n=−∞ wobei 1 cn (t) = 2πR Z 2πR inx u(x, t)e− R dx . 0 41 Die grundlegende Bemerkung, die wir im Fall der Wärmeleitung Gleichung machen werden, ist, dass lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten für u(x, t) äquivalent zu gewöhnlichen Differentialgleichungen für die Fourier-Koeffizienten cn(t) sind . In unsere Fall soll u(x, t) die Wärmeleitungsgleichung erfüllen ut − αu xx = 0, u(x + 2πR, t) = u(x, t) . Also gilt, nach dem Differenzieren unter dem Summationszeichen, ! +∞ X inx dcn n2 + α 2 cn e R = 0 . dt R n=−∞ Die Gleichung besagt, dass die linke Seite die Fourier-Reihe der Funktion 0 ist, für welche alle Fourier-Koeffizienten = 0 sind . Daher ist die Wärmeleitungsgleichung äquivalent zu n2 dcn + α 2 cn = 0 , dt R für alle ganzen Zahlen n. Diese gewöhnlichen Differenzialgleichungen haben die Lösungen n2 cn (t) = e−α R2 t cn (0) . Wir erhalten unendlich vielen Integrationskonstanten cn (0), die durch die Anfangsbedingungen bestimmt werden . Ist u(x, 0) = f (x) die gegeben, 2πR-periodische Anfangs-Temperaturverteilung zur Zeit t = 0, so sind die Fourier-Koeffizienten cn (0) zur Zeit t = 0 gleich den Fourier-Koeffizienten von f , nämlich Z 2πR nxi 1 f (x)e− R dx . 2πR 0 Zusammengefasst erhalten wir das Resultat: Die Temperaturverteilung u(x, t) = u(x + 2πR, t) auf einem Ring mit Radius R, wird durch das Anfangswertproblem ( ut − αu xx = 0, x ∈ IR, t ≥ 0 u(x, 0) = f (x) x ∈ IR beschrieben, welche die Lösung u(x, t) = +∞ X inx αn2 t cn (0)e R − R2 , n=−∞ 42 besitze, mit den Koeffizienten 1 cn (0) = 2πR Z 2πR inx f (x)e− R dx . 0 43 Kapitel 5 Die Laplacesche Gleichung Die lineare homogene PDG zweiter Ordnung ∆u = 0 (5.1) in einer, zwei oder mehreren räumlichen Variablen heisst Laplace Gleichung und tritt in vielen Gebieten der mathematischen Physik auf . Funktionen, die der Laplaceschen Gleichung genügen, heissen harmonische Funktionen . Beispiel 5.0.1 Eine stationäre Temperaturverteilung in einem homogenen Medium ist eine Lösung der Laplacesche Gleichung . Insbesondere ist die stationäre Temperaturverteilung unabhänging vom Material: Die Lösung u hängt somit nur von der Geometrie des betrachten Bereiches und den Randbedingungen ab . Wir wollen die Laplace-Gleichung mit Dirichlet-Randbedingungen für spezielle Gebiete lösen . Dazu benutzen wir die Methode der Separation der Variablen zusammen mit der Fourier-Reihen Entwicklung . Im ersten Abschnitt betrachten wir ein Rechteck und im zweiten Abschnitt eine Kreisscheibe. Im dritten Abschnitt beweisen wir das elliptische Maximumprinzip. Wir benutzen dies um zu zeigen, dass die Laplace-Gleichung mit Randbedingung eine eindeutige Lösung besitzt . 5.1 Das Dirichlet-Problem auf dem Einheitsquadrat Wir betrachten zunächst die Laplace-Gleichung auf dem Einheitsquadrat Ω := (0, 1)2 = {(x, y) ∈ IR2 : 0 < x, y < 1} 44 mit Dirichlet-Randbedingungen, die nur an der oberen Kante von Ω inhomogen sind . Wir suchen also eine Lösung u ∈ C(Ω̄) ∩ C 2(Ω) des Randwertproblem: ∆u = 0, u(0, y) = u(1, y) = 0, u(x, 0) = 0, u(x, 1) = g(x), 0 < x < 1, 0 < y < 1, 0 ≤ y ≤ 1, 0 ≤ x ≤ 1, 0 ≤ x ≤ 1, (5.2) (5.3) (5.4) (5.5) wobei g : [0, 1] → IR eine vorgegebene, stetige Funktion mit g(0) = g(1) = 0 ist . Wir benutzen die Methode der Trennung der Variablen, um spezielle Lösungen des Problems (5.2) zu konstruieren. Da Ω = (0, 1) × (0, 1) ein Produktgebiet ist, kann man hoffen, eine Lösung der Laplace-Gleichung zu finden, die von der Produkt Form u(x, y) = X(x)Y(y) (5.6) mit Funktionen X, Y ∈ C 2((0, 1)) ∩ C([0, 1]) ist (1). Wir setzen diese Ansatz in die Gleichung ein und erhalten 0 = ∆u(x, y) = X ′′ (x)Y(y) + X(x)Y ′′ (y) für alle x, y ∈ (0, 1) . Nehmen wir an, dass 0 , u(x, y) = X(x)Y(y) für alle x, y ∈ (0, 1) gilt, so können wir oben durch diesen Term dividieren. Damit erhalten wir X ′′ (x) Y ′′ (y) = . (5.7) − X(x) Y(y) Da linke Seite nicht von y und die rechte Seite nicht von x abhängt, muss (5.7) eine von x und y unabhänginge Konstante sein . Es existiert also ein eine Konstante λ ∈ IR sodass ( ′′ X (x) + λX(x) = 0, 0 < x < 1 (5.8) X(0) = X(1) = 0 ( Y ′′ (y) − λY(y) = 0, 0 < y < 1 Y(0) = 0 (5.9) Damit haben wir das Problem auf zwei gewöhnliche Differenzialgleichungen zweiter Ordnung reduziert. Das erste Problem (5.8) besitzt die Lösungen sin(kπx) für λ = (kπ)2, k ∈ IN . Das zweiten Problem (5.9) hat nur eine (1) C 2 ((0, 1)) ∩ C([0, 1]) ist der Raum von Funktionen, die in (0, 1) stetig 2-Mal differenzierbar sind und auf den Punkten {0, 1} stetig fortgesetzt werden können . 45 Randbedingung. Diese fehlende Bedingung werden wir benutzen, um die inhomogene Bedingung u(x, 1) = g(x) zu erfüllen. Für λ = β2 , β > 0, lautet die allgemeine Lösung von der Gleichung in (5.9) Y(y) = α1 eβy + α2 e−βy . Durch einsetzten der Randbedingung Y(0) = 0 erhalten wir α1 +α2 = 0 und somit Y(y) = α1(eβy −e−βy ) = 2α1 sinh(βy) . Zusammen mit λk = β2k = (kπ)2 erhalten wir die partikulären Lösungen uk (x, y) = sin(kπx) sinh(kπy), k ∈ IN . Unter geeigneten Konvergenz-Voraussetzungen erfüllt also ∞ X u(x, y) = ck uk (x, y), ck ∈ IR , (5.10) (5.11) k=1 die Bedingungen (5.2)- (5.4) . Es fehlt noch die Randbedingung (5.5) . Da g ∈ C([0, 1]), mit g(0) = g(1) = 0 ist, besitzt g eine Entwicklung als Sinus-Reihe +∞ X g(x) = bk sin(kπx) k=1 mit den Fourier-Koeffizienten bk = 2 Z 1 g(x) sin(kπx)dx . 0 Für y = 1 lautet die Darstellung (5.11) für u(x, 1) nun ∞ X u(x, 1) = ck sin(kπx) sinh(kπ) . k=1 Also erhält man durch Koeffizientenvergleich bk , k ∈ IN . sinh(kπ) Damit erhalten wir als Lösungskandidaten die Funktion ck = u(x, y) := +∞ X k=1 bk sin(kπx) sinh(kπy) . sinh(kπ) (5.12) Man kann beweisen, dass die Funktion (5.12) wirklich eine Lösung von dem Dirichlet-Problem (5.2)-(5.5) ist . 46 5.2 Die Laplace-Gleichung auf der Kreisscheibe Nun betrachten wir das Dirichlet-Problem ( u xx + uyy = 0, x2 + y2 ≤ a2 u(x, y) = f (x, y) x2 + y2 = a2 . (5.13) auf der Kreisscheibe Ba := {(x, y) ∈ IR2 : x2 + y2 ≤ a2 } . Wir werden dies Problem mit Hilfe von Fourier-Reihen lösen und sogar eine explizite Lösungsformel angeben. Hier können wir den SeparationAnsatz nicht direkt anwenden und müssen das Problem zuerst in Polarkoordinaten (r, θ) umschreiben. Dazu benötigen pwir den ∆-Operator in Polarkoordinaten x = r cos(θ), y = r sin(θ), r = x2 + y2 , θ = arctg(y/x) . Wir berechnen die Jakobi-Matrix ! ∂x ∂x ! cos(θ) −r sin(θ) ∂r ∂θ M := ∂y ∂y = sin(θ) r cos(θ) ∂r ∂θ und ihre Inverse M −1 = = ! r cos(θ) r sin(θ) = (det(M)−1) − sin(θ) cos(θ) ! ! cos(θ) sin(θ) r−1 x r−1y = . −r−1 sin(θ) r−1 cos(θ) −r−2y r−2 x ∂r ∂x ∂θ ∂x ∂r ∂y ∂θ ∂y Für u(x, y) = u(r cos(θ), r sin(θ)) = v(r, θ) gilt nach der allgemeinen 47 Kettenregel u x = vr r x + vθ θx u xx = vrr r2x + 2vrθ r xθx + vr r xx +vθθ θ2x + vθ θxx xy y2 x2 = vrr 2 − 2vθr 3 + vr 3 r r r 2 y 2xy +vθθ 4 + vθ 4 r r uy = vr ry + vθ θy uyy = vrr ry2 + 2vrθ ryθy + vr ryy +vθθ θy2 + vθ θyy y2 xy x2 = vrr 2 + 2vθr 3 + vr 3 r r r 2 x 2xy +vθθ 4 − vθ 4 . r r Daraus erhalten wir den Laplace-Operator in Polarkoordinaten u xx + uyy = vrr + 1r vr + r12 vθθ . Nun gehen wir nach unserem Lösungsschema vor: 1. Schritt Wir suchen Basislösungen der Form v(r, θ) = R(r)Θ(θ), mit R ∈ C 2((0, a)) ∩ C([0, a]) und Θ ∈ C 2(IR), 2π periodisch. Wir setzen f˜(θ) = f (a cos θ, a sin(θ)) . Wir beobachten, dass f˜ die periode 2π hat. Also müssen wir das folgende Problem lösen 1 1 vθθ = 0 0 < r < a, 0 < θ < 2π v + v + rr r r r2 v(a, θ) = f˜(θ) 0 ≤ θ ≤ 2π . (5.14) Wir setzen die Darstellung v(r, θ) = R(r)Θ(θ) in der Gleichung in (5.14) ein und wir erhalten r2R′′ (r)Θ(θ) + rR′(r)Θ(θ) + R(r)Θ′′(θ) = 0 . 48 (5.15) Wir schreiben (5.15) um und erhalten r2R′′ + rR′ Θ′′ =− = λ. R Θ Die linke Seite ist nur von r abhänging, die rechte nur von θ; also müssen beide Seiten konstant = λ sein . Dieser Trick reduziert das Problem zu zwei unabhängigen gewöhnliche Differentialgleichungen . Das Problem für Θ . ( ′′ Θ + λΘ = 0 (5.16) Θ(0) = Θ(2π) . Da wir periodische Lösungen wollen, sind die zulässigen Werte von λ, λn = n2, n ≥ 0 und die allgemeine Lösung ist Θn (θ) = an cos(nθ) + bn sin(nθ) . Das Problem für R . Wir haben r2R′′ + rR′ − n2 R = 0 . Dies ist eine Eulersche Differentialgleichung. Sie wird mit Hilfe des Ansatzes fn = rα bewältigt. Die zulässigen α sind die Nullstellen des Polynoms α(α − 1) + α − n2 = 0, also α = ±n . Negative Werte sind aber in unserem Fall unbrauchbar, denn unsere Funktionen müssen an der Stelle r = 0 regulär sein. Es bleibt fn(r) = rn, (n = 0, 1, 2, 3, . . .). Unsere Basislösungen sind damit gefunden: vn (r, θ) = rn(an cos(nθ) + bn sin(nθ)) . 2. Schritt Durch Superposition der Basislösungen soll nun auch noch der inhomogene Anteil der Aufgabe, d.h. die Randbedingung v(a, θ) = f˜(θ) erfüllt werden . Es sollen also an , bn gefunden werden, dass +∞ X ˜f (θ) = v(a, θ) = a0 + an (an cos(nθ) + bn sin(nθ)) . 2 n=1 Die 2π-periodische Funktion f˜ besitzt die Fourier-Reihe +∞ X ˜f (θ) = A0 + An cos(nθ) + Bn sin(nθ) . 2 n=1 49 (5.17) Die Bedingung (5.17) ist somit für die folgenden Koeffizienten erfüllt: Z 1 2π ˜ ′ ′ f (θ )dθ A0 = a0 = π 0 Z 2π 1 f˜(θ′ ) cos(nθ′ )dθ′ An = anan = π 0 Z 1 2π ˜ ′ n f (θ ) sin(nθ′ )dθ′ . Bn = a bn = π 0 Wir erhalten die Lösung Z 2π 1 v(r, θ) = f˜(θ′ )dθ′ 2π 0 Z +∞ 1 X rn 2π ˜ ′ + f (θ )[cos(nθ′) cos(nθ) + sin(nθ′) sin(nθ)]dθ′ n π n=1 a 0 Z 2π +∞ n X ′ r 1 1 ′ dθ cos(n(θ − θ )) f˜(θ′ ) + = π 0 2 n=1 an Z 2π r 2 ) 1 − ( ′ 1 a dθ . = f˜(θ′ ) 2π 0 1 + ( ar )2 − 2 ar cos(θ − θ′ ) Die ist die berühmte Poisson-Integralformel Z 2π r 1 f˜(θ′)P( , θ − θ′ )dθ′ , v(r, θ) = 2π 0 a (5.18) wobei P Poisson Kern genannt wird, welcher im Falle der Kreisscheibe Ω = B1 gegeben ist durch 1 − q2 . P(q, t) = 1 − 2q cos t + q2 Eine erste Konsequenz von (5.18) ist die folgende Formel für den Funktionswert im Ursprung v(0, θ) = R 2π 1 2π 0 f˜(θ′ )dθ′ . Der Funktionswert im Ursprung ist also gleich dem Mittelwert der Funktionswerte auf dem Kreis mit Radius a 50 Beispiel 5.2.1 Löse das Randwertproblem: ( u xx + uyy = 0, in x2 + y2 < 1 u(x, y) = y2 in x2 + y2 = 1 (5.19) Lösung: Wir suchen die Lösung u in Polarkoordinaten v(r, θ) = u(r cos(θ), r sin(θ)) . ( vrr + 1r vr + r12 vθθ = 0, 0 < r < 1, 0 < θ < 2π (5.20) v(1, θ) = sin2 (θ) 0 ≤ θ ≤ 2π . Wie im letzten Abschnitt finden wir die +∞ a0 X n v(r, θ) = + r (an cos(nθ) + bn sin(nθ)) 2 n=1 mit a0 an bn Z 1 2π 2 ′ ′ sin (θ )dθ = π 0 Z 1 2π 2 ′ = sin (θ ) cos(nθ′)dθ′ π 0 Z 1 2π 2 ′ = sin (θ ) sin(nθ′)dθ′ . π 0 In diesem Fall kann die Randbedingung direkt in die Form einer Fourier Reihe umgeschrieben werden 1 sin2 (θ) = (1 − cos(2θ)). 2 Damit erhalten wir bn = 0, ∀n ≥ 0, a0 = 12 , a2 = − 12 und an = 0 für n , 0, 2 . Die Lösung in Polarkoordinaten ist somit v(r, θ) = 21 − 21 r2 cos(2θ) und in kartesischen Koordinaten u(x, y) = 21 (1 − x2 + y2 ) . 5.3 Mittelwertsatz und Maximumprinzip Satz 5.3.1 (Mittelwertsatz harmonischer Funktionen) Sei Ω ein Gebiet in IR2 und u ∈ C 2(Ω, IR) ∩ C(Ω, IR) eine harmonische Funktion. Ist D ⊂ Ω 51 eine Kreisscheibe mit Radius ρ und Zentrum (x0 , y0), so ist der Funktionswert u(x0, y0) gleich dem Mittelwert von u auf ∂D: Z 2π 1 u(x0 + ρ cos t, y0 + ρ sin t)dt . u(x0, y0) = 2π 0 Aus Satz 5.3.1 folgt nun das wichtige Maximumprinzip: Satz 5.3.2 (Maximumprinzip) Nimmt eine harmonische Funktion u im Inneren ihres zusammenhängenden Definitionsbereichs Ω ein Maximum an, so ist u konstant . Diese Eigenschaft wird durch die folgenden Gleichung beschrieben max u(x, y) = max u(x, y) und min u(x, y) = min u(x, y) . Ω̄ ∂Ω Ω̄ ∂Ω Eine wichtige Anwendung des Maximumprinzip ist die Eindeutigkeit der Lösung des Dirichlet Problems: Satz 5.3.3 Das Poisson-Problem auf einem beschränkten Gebiet Ω ( ∆u = f in Ω, (5.21) u = g auf ∂Ω besitzt höchstens eine Lösung . Beweis. Seien u1, u2 zwei Lösungen vom Problem (5.21). Dann löst die Funktion v = u1 − u2 das Problem ( ∆v = 0 in Ω, (5.22) v = 0 auf ∂Ω Wir müssen nun drei Fälle unterscheiden: (i) v ≡ 0: Hier ist nichts zu beweisen . (ii) v besitzt im Inneren von Ω ein Maximum > 0 . Nach Satz 5.3.2 ist v ≡ konst > 0 was im Widerspruch zu v = 0 auf ∂Ω steht . (iii) −v besitzt im Inneren von Ω ein Maximum > 0 . Analog folgt aus Satz 5.3.2, dass v ≡ konst < 0 was im Widerspruch zu v = 0 auf ∂Ω steht . Übung 5.3.1 Sei u die im Einheitsball B = {(x, y) : x2 + y2 ≤ 1} harmonische Funktion, welche die Randbedingung u(x, y) = |y| , für x2 + y2 = 1 , 2 1+x 52 erfüllt. a) Bestimme Sie den Funktionswert u(0, 0) . b) Berechne Sie das Minimum und Maximum von u im Ball B . Übung 5.3.2 Sei R = {(x, y) : r02 < x2 + y2 < r12} ein Ringgebiet . Lösen Sie das folgende Dirichlet-Problem: ∆u = 0 in R, x 2 u(x, y) = r0 für x + y2 = r02 (5.23) u(x, y) = 2 y2 für x2 + y2 = r2 1 r1 Übung 5.3.3 Löst Sie das Dirichlet-Problem: p ( ∆u = − x2 + y2 in x2 + y2 < 1, u(x, y) = 0 für x2 + y2 = 1 (5.24) Lösung. Beide Gleichungen des Problems 5.24 sind nur vom Radius p 2 r = x + y2 abhängig . Das Problem besitzt also eine Drehsymmetrie und die Lösung wird ebenfalls die Symmetrie besitzen. Deshalb hängt die gesuchte Lösung auch nur vom Radius ab: u(x, y) =: f (r), 0 ≤ r ≤ 1 . Nach der Formel für den Laplace-Operator in Polarkoordinaten gilt: ∆u = f ′′ + r−1 f ′ . p Aus ∆u = − x2 + y2 folgt somit f ′′ + r−1 f ′ = −r (5.25) Durch Multiplikation mit r bringen wir (5.25) auf die Form ( f ′ r)′ = −r2 , die sich unmittelbar integrieren lässt: Zunächst ist Z r r2 2 ′ ′ s ds = − f (r)r − f (0)0 = − 3 0 Nun integrieren wir (5.27) zwischen r und 1 und erhalten Z 1 Z 1 2 1 s 3 ′ ds = 1 − r . f (s)ds = − 9 r r 3 53 (5.26) (5.27) Übung 5.3.4 Wir betrachten das folgende Dirichlet-Problem: ( ∆u = 0 in x2 + y2 < 1, u(x, y) = 1 + 2x4 für x2 + y2 = 1 a) Bestimme Sie u(0, 0) . b) Beweisen Sie, dass u(x, y) > 0 für alle x2 + y2 ≤ 1 . 54 (5.28) Kapitel 6 Fourier Transformation 6.1 Definition der Fourier-Transformation Wir haben gesehen, dass jede T -periodische Funktion f (x) durch eine FouP 2πin T x gegeben ist . Also kann jede solche Funktion als Surierreihe +∞ −∞ cn e perposition (unendliche Linearkombination) von Funktionen der Form eikx 2π 4π 6π dargestellt werden, wobei k über die Menge {. . . , − 2π T , 0, T , T , T , . . .} läuft . Der Abstand ∆k zwischen zwei benachbarten Werten von k ist 2π T . Für grosse T liegen diese Frequenzen immer näher beisammen . Im Grenzwert T → +∞ stehen plötzlich alle Frequenzen zur Verfügung. Da wir im Grenzwert nicht periodische Funktionen erhalten, stellt sich die Frage könnten auch nicht periodische Funktionen auf diese Weise dargestellte werden? Sehen wir nach, was da passiert: Sei also ϕ eine nicht periodische Funktion auf IR, die wir zunächst im Intervall [−T/2, T/2] darstellen wollen (mit dem Hintergedanken T → +∞) . Auf [−T/2, T/2] lässt sich die Funktion in einer Fourier Reihe entwickeln: ϕ(x) = +∞ X 2π ck eik T x k=−∞ +∞ X Z 2π 1 ik 2π x T/2 ϕ(y)e−ik T y dy = e T T −T/2 k=−∞ Z T/2 +∞ 1 2π X −ik 2π (x−y) = ϕ(y) e T dy . 2π −T/2 T k=−∞ | {z } (6.1) Der unterstrichene Faktor kann als Riemannsche Näherungssumme für das 55 Integral Z +∞ eiλ(x−y) dλ (6.2) −∞ angefasst werden. Im Grenzwert T → +∞ erhalten wir die Formel ! Z +∞ Z +∞ 1 −iλy ϕ(y)e dy eiλx dλ . ϕ(x) = 2π −∞ | −∞ {z } =:ϕ̂(λ) Anstelle einer Summe erhalten wir jetzt ein Integral und die Funktion ϕ̂(λ) übernimmt die Aufgabe der Fourier-Koeffizienten cn, indem sie angibt, wie stark die Schwingung eiλx in der Funktion ϕ vertreten ist . Definition 6.1.1 Eine Funktion f : IR → C heisst absolut integrierbar, falls Z +∞ | f (x)|dx < +∞ . −∞ Definition 6.1.2 (Fourier-Transformation) Sei f : IR → C eine absolut integrierbar Funktion . Die Fourier-Transformation von f ist die Funktion Z +∞ f (y)e−iwy dy . (6.3) F [ f ](w) = fˆ(w) := −∞ Die Fourier-Transformation von einer Funktion wird auch Spektralfunktion gennant . Wir bemerken, dass fˆ(w) für alle w ∈ IR wohldefiniert ist, weil Z +∞ | f (x)|dx < +∞ . | fˆ(w)| ≤ −∞ Im weiteren ist fˆ von immer stetig, selbst wenn f Sprungstellen aufweist. Zudem konvergiert fˆ(w) für w → ±∞ gegen 0 . Bemerkung 6.1.1 Anstelle von (6.3) sind auch die folgende Definitionen von fˆ(w) in Gebrauch Z +∞ Z +∞ 1 −iwy f (y)e dy, f (y)e−i2πwy dy . 2π −∞ −∞ Die zugehörige Formelapparat sieht dann etwas anders aus, aber der Gehalt der Theorie bleibt natürlich derselbe . 56 Definition 6.1.3 (Inverse Fourier-Transformation) Sei f : IR → C eine absolut integrierbare Funktion . Die inverse Fourier-Transformation von f ist die Funktion Z +∞ 1 f (w)eiwy dw . (6.4) F −1[ f ](y) = fˇ(y) := 2π −∞ Unter welchen Voraussetzungen wird eine Funktion f durch das FourierIntegral dargestellt? Der folgende Satz gibt ein hinreichendes Kriterium. Satz 6.1.1 Sei f : IR → C eine absolut integrierbare Funktion, deren FourierTransformation fˆ auch absolut integrierbar ist . Dann gilt in allen Stetigkeitspunkten von f Z +∞ 1 f (t) = fˆ(w)eiwt dw . 2π −∞ 6.2 Interpretation der Fourier-Transformation Die Fourier-Transformation fˆ(w) gibt an, mit welcher “Intensität"(und Phase) die Frequenz w in der Funktion f auftritt . Sie heisst deshalb auch Spektralfunktion von f . Die w-Werte, für fˆ(w) , 0 ist, bilden zusammen das Spektrum der Funktion f . Eine periodische Funktion hat ein diskretes Spektrum, da nur ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenzen in der Fourier-Darstellung einer solchen Funktion vorkommen . Beispiel 6.2.1 (Die Rechteckfunktion) Sei f (t) = 11[−a,a](t) die charakteristische Funktion des Intervalls [−a, a] . Dann ist Z +∞ Z a −iwt fˆ(w) = 11[−a,a](t)e dt = e−iwt dt iwa = e −∞ −iwa −e iw =2 sin(wa) . w −a Beispiel 6.2.2 (Die Dreiecksfunktion) Die Dreieckfunktion findet vor allem im Bereich der Signalverarbeitung zur Darstellung von idealisierten Signalverläufen Anwendung . Wir definieren die Dreieckfunktion formal 57 Abbildung 6.1: Die Dreiecksfunktion durch f (x) = (1 − |x|)+ := sup(1 − |x|, 0). Z 1 Z 0 Z 1 (1 − x)e−ixξ dx (1 + x)e−ixξ dx + (1 − |x|)e−ixξ dx = F [ f ](ξ) = 0 −1 Z 1 Z−11 (1 − x) cos(xξ)dx (1 − x)(e−ixξ + eixξ )dx = 2 = 0 0 Z sin(ξx) 2 1 x=1 = 2 sin(ξx)dx (1 − x)| x=0 + ξ ξ 0 2 − 2 cos ξ sin2 ξ/2 = =4 . ξ2 ξ2 Beispiel 6.2.3 (Die Gauss-Funktion) Die Normal- oder Gauss-Verteilung (nach Carl Friedrich Gauss) ist ein wichtiger Typ stetiger Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Ihre Wahrscheinlichkeitsdichte wird auch Gaussfunktion, Gausskurve, Gaussglocke, Gauss’sche Glockenkurve oder schlicht Glockenkurve genannt. Die besondere Bedeutung der Normalverteilung beruht unter anderem auf dem zentralen Grenzwertsatz, der besagt, dass eine Summe von unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen mit endlicher Varianz im Grenzwert normal verteilt ist. Das bedeutet, dass man Zufallsvariablen dann als normal verteilt ansehen kann, wenn sie durch Überlagerung einer grossen Zahl von unabhängigen Einflüssen entstehen, wobei jede einzelne Einflussgrösse einen im Verhältnis zur Gesamtsumme unbedeutenden Beitrag liefert. Die Abweichung vieler (Mess)Werte von natürlicher, wirtschafts- und ingenieurswissenschaftlicher Vorgänge vom Mittelwert lassen sich durch die Normalverteilung (bei biologischen Prozessen oft logarithmische Normalverteilung) entweder exakt oder wenig58 Abbildung 6.2: Gauss-Funktion stens mit sehr guter Näherung beschreiben. 2 Die Funktion e−ax ist für jede a > 0 absolut integrierbar. Wir berechnen 2 die Fourier-Transformation von f (t) = e−ax mit zwei verschieden Methoden . Z +∞ Z +∞ 2 −ax2 −ixξ e−(ax +ixξ) dx . e e dx = F [ f ](ξ) = −∞ −∞ 1. Methode Wir schreiben die Grösse ax2 + ixξ als Summe von zwei Quadraten: !2 √ ξ iξ ax2 + ixξ = ax2 + 2i ax √ ± √ 2 a 2 a !2 √ iξ ξ2 . + ax + √ = 4a 2 a Damit erhalten wir Z +∞ 2 e−ax e−ixξ dx −∞ Z +∞ √ iξ 2 ξ2 − ax+ 2 √a dx = e− 4a e −∞ r Z +∞ 2 ξ π − ξ2 2 = e− 4a e−ay dy = e 4a . a −∞ F [ f ](ξ) = iξ Die Substitution y = x + 2a entspricht einer Verschiebung um eine komplexe Zahl. Die letzte Gleichheit kann wird im Rahmen der komplexen 59 R +∞ R +∞ 2 2 Analysis rechtfertigt . Genauer gilt −∞ e−(x+α) dx = −∞ e−x dx für alle α ∈ C. 2. Method . Um die Notation zu verkürzen, benennen wir die Fourier-Transformation von f mit Z +∞ Z +∞ 2 2 e−(ax +ixξ) dx . e−ax e−ixξ dx = g(ξ) := −∞ −∞ Mit partieller Integration berechnen wir Z +∞ 2 (−ix)e−ax e−ixξ dx g′ (ξ) = −∞ Z +∞ i 2 = (e−ax )′e−ixξ dx 2a −∞ Z +∞ i −ax2 −ixξ +∞ i 2 = (−iξ)e−ax e−ixξ dx e e |−∞ − 2a 2a −∞ ξ = − g(ξ) . 2a Die Funktion g erfüllt also die gewöhnliche Differenzialgleichung g′ (ξ) + ξ g(ξ) = 0 , 2a welche die Lösung ξ2 − 4a g(ξ) = g(0)e = r π − ξ2 e 4a , a besitzt . Mit dieser Methode kann auch gezeigt werden, dass Z +∞ 1 2 g(ξ)eixξ dξ = e−ax . 2π −∞ Dies beweist den Satz 6.1.1 im Fall einer Gauss-Funktion, i.e. f = F −1[ fˆ] . Übung 6.2.1 a. Zeigen Sie, dass die inverse Fourier-Transformation von F(ξ) = e−a|ξ|, a > 0 gegeben ist durch F −1(x) = a 1 . π x2 + a2 60 b. Beweisen Sie die Formel F [ f ](ξ) = 2π(F −1 )(−ξ) . Mit dieser Formel erhalten wir die ursprünglich Funktion aus ihrer Transformierten . Damit enthält die Transformierte alle Informationen der Funktion selbst und natürlich auch umgekehrt. c. Beweisen Sie die Beziehung F [eiax f ](ξ) = F (ξ) . 6.3 Grundeigenschaften der Fourier-Transformation Wir fassen die wichtigsten Eigenschaften der Fourier-Transformation in der folgenden Tabelle zusammen: Funktion f (x) Fourier-Transformation fˆ(ξ) = R +∞ −∞ f (x)e−ixξ dx Anmerkung Definition a f (x) + bg(x) a fˆ(ξ) + bĝ(ξ) Linearität f (x − a) e−iaξ fˆ(ξ) Translation im Definitionsbereich f (ax) fˆ(x) 1 |a| fˆ( aξ ) 2π f (−ξ) f (x) (iξ)n fˆ(ξ) xn f (x) dn ˆ in dx n f (ξ) f ∗ g(x) fˆ(ξ)ĝ(ξ) dn dxn f (x)g(x) Streckung im Definitionsbereich 1 ˆ 2π ( f ∗ Dualität f ∗ g ist das Faltungsprodukt ĝ)(ξ) 61 6.4 Anwendung: Die Wärmeleitungsgleichung auf IR In diesem Abschnitt werden wir die Fourier-Transformation verwenden, um die Wärmeleitungsgleichung auf einem unendlichen Intervall zu lösen. Das Anfangswertproblem für die Wärmeleitungsgleichung auf IR lautet ( ut − ku xx = 0, x ∈ IR, t > 0 (6.5) u(x, 0) = f (x) . Dieses Problem ist ein Modell des Wärmefluss in einem unendlichen langen Stab. Die Funktion u(x, t) beschreibt die Temperatur am Ort x und zur Zeit t, wobei die Anfangs-Temperaturverteilung durch f (x) gegeben. Das Anfangswertproblem (6.5) ist nicht nur für die Wärmeleitung interessant. Es ist ein Model für jeden Diffusionsprozess und hat viele Anwendungen. Beachten Sie, dass das Problem es keine Randbedingungen hat. Im allgemeinen können auch Probleme auf unbeschränkten Gebieten Randbedingungen enthalten, welche dann bestimmen wie sich die Lösung im Unendlichen verhält. Wie oben erwähnt lösen wir das Problem mittels Fourier-Transformation. Dazu Transformieren wir das ganze System, also die Differentialgleichung und die Anfangsbedingung, in der Raum-Variablen x, Z +∞ u(x, t)e−iξx dx û(ξ, t) = −∞ Z +∞ 1 û(ξ, t)eiξx dξ . u(x, t) = 2π −∞ Durch vertauschen von Differenzial und Integral, erhält man Z +∞ 1 ût (ξ, t)eiξx dξ ut (x, t) = 2π −∞ Z +∞ 1 u xx (x, t) = (iξ)2 û(ξ, t)eiξx dξ . 2π −∞ Damit erfüllt û(ξ, t) das Anfangswertproblem : ( ût + kξ2 û = 0, ξ ∈ IR, t > 0 (6.6) û(ξ, 0) = fˆ(ξ) . Also erfüllt û(ξ, t) für jede ξ eine gewöhnliche Differentialgleichung, mit Anfangsbedingung fˆ(ξ). Die Lösung von (6.6) ist 2 û(ξ, t) = fˆ(ξ)e−kξ t . 62 (6.7) Mit inverse Fourier-Transformation erhalten wir die Lösung u(x, t) des ursprünglichen Problems (6.5) Z +∞ 1 2 fˆ(ξ)e−kξ t eiξx dξ u(x, t) = 2π −∞ ! Z +∞ Z +∞ 1 2 −iξz f (z)e dz e−kξ t dξ = 2π −∞ ! Z +∞ −∞ Z +∞ 1 2 = e−kξ t e−iξ(z−x) dξ dz f (z) 2π −∞ | −∞ {z } =F [e−ktx2 ](z−x) = Z +∞ −∞ f (z)K(z − x, t)dz . (6.8) Die Funktion K(x, t) heisst Wärmeleitungskern der Wärmeleitungs- gleichung und ist definiert durch x2 1 e− 4kt . K(x, t) = √ 4πkt Der Wärmeleitungskern besitzt die folgenden Eigenschaften 1. RK(x, t) > 0; +∞ 2. −∞ K(z − x, t)dz = 1; 3. Falls f (x) > 0 in einem beschränkten Intervall x ∈ I und f (x) ≡ 0 ausserhalb x ∈ I c, dann folgt u(x, t) > 0 für alle x ∈ IR und t > 0 . Diesen Eigenschaften haben einfache aber wichtige physikalisch Folgen. Aus 1) folgt: Ist die Anfangstemperatur positiv, so bleibt sie für alle Zeiten positiv . Aus 2) folgt: Wenn die Temperatur anfänglich konstant ist, dann bleibt sie immer gleich. Aus 3) folgt: Auch wenn ein Ort x beliebig weit weg vom Intervall I ist, wird er instantan eine Änderung erfahren. Daher propagiert ein Signal durch die Wärme / Diffusionsgleichung unendlich schnell. Dies ist natürlich nicht physikalisch richtig und zeigt eine Grenze vom Model. Wenn wir zum Beispiel diesem Modell benutzen um die Diffusion von Gerüche zu beschreiben, würde ein Bär das öffnen einer Thunfischdose sofort riechen, egal ob er 10 Meilen oder x Meilen davon entfernt ist . Eine weitere Eigenschaft ist, dass das initiales Signal durch die Wärmeleitungsgleichung sofort geglättet . Der Wärmeleitungskern K(x, t) ist selbst eine Lösung der Wärmeleitungsgleichung, mit einer speziellen 63 Anfangs-Temperaturverteilung. Bei dieser Anfangs-Temperaturverteilung ist die gesamte Energie in dem Punkt x = 0 konzentriert. Diese AnfangsTemperaturverteilung kann nicht durch eine Funktion beschrieben werden, jedoch ist für jede positive Zeit t > 0 die Temperatur durch die glatte Funktion K(t, x) gegeben . Beispiel 6.4.1 Wir suchen die Temperaturentwicklung in einem Stab der zum Zeitpunkt t = 0 aus zwei Teilen mit konstanten Temperaturen T 1 , T 2 besteht. Dies ergibt sich zum Beispiel, wenn zur Zeit t = 0 zwei halb Stäbe, mit unterschiedlichen Temperaturen, zu einem Stab zusammengefügt werden. Wir betrachten also das folgende Anfangswertproblem ( ut − ku xx = 0, x ∈ IR, t > 0 (6.9) u(x, 0) = f (x) , mit der Anfangstemperaturverteilung ( T1 x > 0 f (x) = T2 x ≤ 0 1. Schnitt Wir nehmen zunächst an, dass T 1 = −T 2 = T . Diese Annahme wird die Rechnung vereinfachen; den allgemeinen Fall werden wir durch eine Verschiebung erhalten . Mit der Formel (6.8) erhalten wir die Lösung Z 0 (x−z)2 T u(x, t) = − √ e− 4kt dz −∞ | 4πt {z } (1) Z +∞ (x−z)2 T e− 4kt dz . + √ | 4πt 0{z } (2) Für das erste Integral benutzen wir die Substitution y = Z +∞ T 2 (1) = − √ e−y dy . x π √4kt Für das zweite Integral erhalten wir mit y = √z−x 4kt Z +∞ T 2 e−y dy . (2) = √ π − √x4kt 64 x−z √ 4kt und erhalten Zusammen folgt daraus Z T (1) + (2) = √ π √x 4kt 2 e−y dy . x − √4kt 2. Schnitt Seien jetzt T 1 , T 2 zwei beliebige Temperaturen T 1 und T 2 . Wir beobachten, dass u die Wärmleitungsgleichung genau dann genügt, wenn ũ = u − C sie erfüllt . Sei u die Lösung des Anfangswertproblems zu be2 . Dann erfüllt liebigen T 1 , T 2 . Wir wählen C gleich dem Mittelwert T 1 +T 2 u − C die Wärmleitungsgleichung mit den Anfangswerten T , −T , wobei 2 . T = T 1 −T 2 Somit ist die gesuchte Lösung Z √x 4kt T1 + T2 1 T1 − T2 2 e−y dy + . u(x, t) = √ 2 π 2 − √x 4kt Diese Lösung erfüllt die Randbedingung im Unendlichen lim u(x, t) = T 1 , x→+∞ lim u(x, t) = T 2 . x→−∞ Für ein konkretes Beispiel nehmen wir an, dass T 1 = 100 und T 2 = 0 . In diesem Fall erhalten wir die Lösung Z x 100 √4kt −y2 e dy . u(x, t) = 50 + √ π 0 R∞ 2 √ 2 (wobei wir benutzen haben, dass e−y gerade ist und 0 e−y dy = π/2)) . Wir bemerken, dass die Temperatur u(x, t) für alle x ∈ IR und alle t > 0 strikt positiv ist. Daher illustriert dieses Beispiel die unendlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit. 6.5 Anwendung 2: Lösung von der Wellengleichung in IR Das Anfangswertproblem für die Wellengleichung in einer Dimensionen ist utt − c2 u xx = 0, x ∈ IR, t > 0 u(x, 0) = f (x), (6.10) ut (x, 0) = g(x) . 65 wobei c > 0 ist eine feste Konstante und f, g zwei vorgegebene Funktionen sind . Dieses Problem haben wir bereits durch eine geeignete Substitution gelöst . Wir wollen das Problem jetzt mittels der Fourier-Transformation lösen . Wie bei der Wärmeleitungsgleichung transformieren wir das gesamte System, indem wir die gesuchte Funktion u durch ihre FourierTransformation ausdrücken Z +∞ 1 u(x, t) = û(ξ, t)eiξx dξ . (6.11) 2π −∞ Durch einsetzten in die Wellengleichung, erhalten wir damit das folgende Anfangswertproblem für die Fourier-Transformierte û: ûtt + cξ2 û = 0, ξ ∈ IR, t > 0 (6.12) û(ξ, 0) = fˆ(ξ), ξ ∈ IR ût (ξ, 0) = ĝ(ξ), ξ ∈ IR . Für jede feste ξ haben wir das Anfangswertproblem einer gewöhnlichen Differentialgleichung zweiter Ordnung. Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung ist: û(ξ, t) = α1(ξ) sin(|ξ|ct) + α2(ξ) cos(|ξ|ct) (6.13) Die Integrationskonstanten α1, α2 werden durch die Anfangsbedingungen bestimmt: ĝ(ξ) α1 (ξ) = , α2 (ξ) = fˆ(ξ) . c|ξ| Also ist die Lösung des Anfangswertproblems: Z +∞ 1 u(x, t) = fˆ(ξ) cos(ξct)eiξx dξ 2π −∞ | {z } (3) Z +∞ sin(ξct) iξx 1 ĝ(ξ) + e dξ . (6.14) 2π −∞ cξ | {z } (4) Wir erinnern uns daran, dass eiξct + e−iξct cos(ξct) = 2 66 und sin(ξct) = cξ Z t cos(cξs)ds . 0 Daraus folgt 1 (3) = 4π = Z +∞ fˆ(ξ)e iξ(x+ct) dξ + −∞ Z +∞ fˆ(ξ)e iξ(x−ct) −∞ dξ ! f (x + ct) + f (x − ct) . 2 1 (4) = 4π Z 0 t Z +∞ −∞ eiξ(x+cs) + eiξ(x−cs) ĝ(ξ) dξ 2 ! # "Z t Z t 1 = g(x − cs)ds g(x + cs)ds + 2 0 0 Z x+ct 1 g(s)ds . = 2c x−ct (3) + (4) geben wieder d’Alembert’sche Formel. 6.6 Anwendung 3: Die Laplace-Gleichung in einer Halbebene Wir betrachten die Laplace-Gleichung in der oberen Halbebene. ( u xx + uyy = 0, x ∈ IR, y > 0 u(x, 0) = f (x) x ∈ IR . (6.15) Wir fordern zudem, dass die Lösung für y → +∞ beschränkt ist und verwenden wieder die Fourier-Transformation in der Variabel x. Damit erhalten wir die gewöhnlichen Differenzialgleichung ûyy − ξ2 û = 0 , welche die allgemeine Lösung û(ξ, y) = a(ξ)e−|ξ|y + b(ξ)e|ξ|y , 67 besitzt . Damit die Lösung für y → +∞ beschränkt ist, muss gelten b(ξ) = 0 für alle ξ ∈ IR. Unter dieser Bedingung ist die allgemeine Lösung û(ξ, y) = α(ξ)e−|ξ|y . Die Integrationskonstante α(ξ) wird durch die Anfangsbedingung bestimmt: α(ξ) = fˆ(ξ). Daher folgt û(ξ, y) = fˆ(ξ)e−|ξ|y , und wir erhalten die Lösung 1 u(x, y) = 2π Z +∞ fˆ(ξ)e−|ξ|y eiξx dξ . (6.16) −∞ Wir beobachten, dass F −1 [e−y|ξ|] = y 1 . π x2 + y2 Dann u(x, y) = F −1[e−y|ξ| ] ∗ f Z f (τ) y +∞ y 1 ) ∗ f = dτ . = ( 2 π x + y2 π −∞ (x − τ)2 + y2 Übung 6.6.1 Bestimmen die Lösung des Neumann-problems: ( u xx + uyy = 0, x ∈ IR, y > 0 uy (x, 0) = g(x) x ∈ IR . (6.17) Hinweis: Setzen v = uy und reduzieren das Problem auf ein DirichletProblem. Die Lösung ist Z +∞ 1 g(x − ξ) ln(y2 + ξ2 )dξ + C . u(x, y) = 2π −∞ 68 Kapitel 7 Die Laplace-Transformation Die Laplace- Transformation (kurzum LT) bietet eine weitere Technik zur Lösung linearer Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten. Diese Technik ist besonders nützlich, wenn die rechte Seite der Differentialgleichung eine unstetige Funktion ist. Solche Funktionen entstehen bei Anwendungen in der Mechanik und elektrischen Schaltungen, wenn die Wirkung eine Impulsfunktion ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn in einem elektrischen Schwingkreis das anregende Signal eine Spannung ist, die ein-und ausgeschaltet wird. 7.1 Definitionen und Rechenregeln Zunächst führen wir einige grundlegende Begriffe ein. Definition 7.1.1 Eine Funktion f : IR → IR heisst Originalfunktion, falls sie die vier folgenden Bedingungen erfüllt: 1. f ist auf der ganzen reellen Achse definiert 2. f ist stückweise glatt 3. Für t < 0 gilt f (t) = 0 4. f wächst für t → +∞ höchstens exponentiell, d.h es gibt reelle Konstanten σ ≥ 0 und M > 0 so dass | f (t)| ≤ Meσt , ∀t ≥ 0 . (7.1) Die Menge aller Originalfunktionen heisst Originalraum der LaplaceTransformation . 69 Bemerkung 7.1.1 1. Die Bedingung f (t) = 0 für t < 0 kann mit der folgenden Definition erzwungen werden ( f (t), für t ≥ 0 g(t) = 0, für t < 0 Wenn wir zum Beispiel von der Originalfunktion f (t) = cos(ωt) reden, meinen wir damit die Funktion ( cos(ωt), für t ≥ 0 g(t) = 0, für t < 0 2. Die kleinste Zahl σ ≥ 0, für welche die Bedingung (7.1) noch erfüllt ist, heisst Wachstumskoeffizient von f . 2 Beispiel 7.1.1 1. t 7→ et ist keine Originalfunktion, weil es keine Zahl σ gibt, sodass σt ≤ t2 , ∀t ≥ 0 . 2. Die Heaviside oder Sprungfunktion H, definiert durch ( 1, für t ≥ 0 H(t) = 0, für t < 0 ist eine Originalfunktion. Ihr Wachstumskoeffizient ist σ0 = 0 . Lemma 7.1.1 Sei f eine Originalfunktion mit Wachstumskoeffizient σ0 . Dann existiert das Integral Z +∞ e−st f (t)dt , 0 für jede Zahl s > σ0 . Dieses Lemma rechtfertigt die folgende Definition. Definition 7.1.2 Sei f eine Originalfunktion mit Wachstumskoeffizient σ0 . Die Funktion Z +∞ f (t)e−st dt, s > σ0 , (7.2) F(s) = L[ f ](s) = 0 heisst Laplace-Transformation (Kurzum LT) von f . 70 Der Unterschied zwischen der LT und der FT ist, dass man für die LT auch wachsende Funktionen betrachten kann. Anderseits bringen die Werte von f für negative t keine Kontribution . Die Menge der Laplace- Transformationen von Originalfunktion heisst Bildraum . Um die Notation zu verkürzen benutzen wir die folgende Konvention: Originalfunktionen werden mit Kleinbuchstaben bezeichnet und die entsprechenden Bildfunktionen mit den entsprechende Grossbuchstaben . d.h. Die Originalfunktion f hat die LT F(s) = L[ f ](s). Beispiel 7.1.2 1. L[H](s) = 2. αt L[e ](s) = Z 3. Sei n ≥ 1 n L[t ](s) = Z +∞ 0 1 e−st dt = , ∀s > 0 . s +∞ e−st eαt dt = 0 Z +∞ e−st tn dt = 0 1 , ∀s > α . s−α n! , ∀s > 0 . sn+1 Die Grundeigenschaften der Laplace- Transformation sind in der Tabelle 7.1 zusammengefasst. 7.2 Inverse Laplace-Transformation Nun können wir die Grundidee der Methode der LT darlegen . Es sei eine Gleichung zu lösen. Zur Lösung des Problems gehen wir wie in der Abbildung 7.1 vor. Differentiation in Originalraum entspricht bei der LT der Multiplikation mit s in Bildraum. Eine Funktion f heisst inverse Laplace-Transformation einer Funktion F, falls F(s) die Laplace- Transformation von f (t) ist. Wir schreiben dann f = L−1[F] . Nicht alle Funktionen haben eine inverse Laplace- Transformation. Mann kann aber zeigen, dass die inverse Laplace- Transformation von f eindeutig durch F bestimmt wird. Insbesondere ist L−1 linear. Unter gewissen Annahmen über F, kann mit Hilfe der komplexen Analysis, eine Formel für L−1[F] angegeben werden. In vielen Fällen kann die inverse 71 f (t) Z | L( f )(s) = F(s) 1 1 , s tn n! , sn+1 sin(at) a , s2 +a2 s>0 cos(at) s , s2 +a2 s>0 eat 1 , s−a eat sin(bt) b (s−a)2 +b2 s>a eat cos(bt) s−a (s−a)2 +b2 s>a tn eat n! (s−a)n+1 s>0 s>0 s>a s>a a f (t) + bg(t) aF(s) + bG(s) t f (t) −F ′ (s) tn f (t) (−1)n F (n) (s) f ′ (t) sF(s) − f (0) f ′′(t) s2 F(s) − s f (0) − f ′(0) eat f (t) F(s − a) t 0 f (τ)g(t − τ)dτ {z } F(s)G(s) Faltungprodukt Tabelle 7.1: Tabelle über Laplace-Transformation 72 Laplace-Transformation mit den Regeln aus Tabelle (7.1) bestimmt werden. Dabei wird die ILT auf Funktionen zurück geführt, von denen wir die ILT kennen. 7.3 Eine Methode zur Bestimmung der inversen LT Der Grossteil der Laplace-Transformationen, die bei der Untersuchung von Differentialgleichungen entstehen, sind rationale Funktionen. Zur Bestimmung der inverse Laplace-Transformation von rationale Funktionen ist eine Partialbruch Zerlegung notwendig. Wir werden dies anhand eines Beispiels beschreiben und berechnen die inverse Laplace-Transformation von 1 . der rationale Funktion F(s) = s2 −2s−3 Dabei werden wir die folgende Verschiebungseigenschaft benutzen . Sei a ∈ IR, dann gilt L−1[e−sa F(s)] = H(t − a) f (t − a) . (7.3) Beispiel 7.3.1 Lösung. Der Nenner hat die Nullstellen s = 3 und s = −1. Damit haben wir die Faktorisierung s2 − 2s − 3 = (s − 3)(s + 1) . Die Partialbruchzerlegung hat die Form F(s) = 1 A B = + (s − 3)(s + 1) s − 3 s + 1 Die Konstanten A, B können durch Erweiterung mit dem Hauptnenner und Gleichsetzen der entsprechenden s-Potenzen bestimmt werden. Wir finden A = 1/4 und B = −1/4 . Somit haben wir die Partialbruch Zerlegung 1 1 1 1 = ( − ). (s − 3)(s + 1) 4 s − 3 s + 1 Indem man die Linearität von die inverse Laplace-Transformation benutzt, erhält man: e3t − e−t −1 L [F](t) = . 4 Beispiel 7.3.2 Berechnen Sie die inverse Laplace-Transformation von der Funktion 1 . F(s) = 2 s + 4s + 13 73 Problem im Problem im Bildraum OriginalraumLaplace-Transformation direkte Lösung schwierig zu finden Lösung des Transformations-Problems Lösung im Lösung im Bildraum Originalraum Inverse Laplace-Transformation Abbildung 7.1: Methode der Laplacetransformation Lösung. Wir schreiben den Nenner als Summe von zwei Quadraten: F(s) = 1 . (s + 2)2 + 32 Daraus folgt: −1 L [F](t) = L −1 " # 1 3 1 = e−2t sin(3t) . 2 2 3 (s + 2) + 3 3 Übung 7.3.1 Berechnen Sie die inverse Laplace-Transformation von der Funktionen: 2s + 5 F(s) = 2 , s +4 2s − 3 F(s) = , (s − 1)2 + 5 2s2 + s + 13 F(s) = . (s − 1)((s + 1)2 + 4)) 7.3.1 Anwendung gewöhnlicher Differentialgleichungen Bevor wir Laplace-Transformationen auf PDG studieren, betrachten wir den einfachen Fall einer gewöhnlichen Differentialgleichung. Mit dieser Methode lassen sich viele einfache lineare Differentialgleichungen lösen, die in den Anwendungen vorkommen. Die Lösung durch LT hat den Vorteil einer gewissen Automatisierung des Lösungsprozesses. Bei Anfangswertproblemen erlaubt ausserdem die erste Ableitungsregel das Einsetzen der Anfangsbedingung schon bei der Lösung der Gleichung . Das allgemeine Rezept ist: 1. Schreibe das Problem als ein Problem für die LT, 2. Löse das Problem für die LP, 3. Finde die inverse LT der Lösung , (siehe die Abbildung 7.1) . Wir illustrieren diese Methode an einigen Beispiele . 74 Beispiel 7.3.3 Wir betrachte das Anfangswertproblem ′′ y + y = cos(2t) y(0) = 0 y′ (0) = 1 , und bezeichnen die LT der Funktion y(t) mit Y(s) . Mit der Ableitungsregel und der Linearität der LT, erhalten wir die Gleichung für Y Y(s) + s2Y(s) − sy(0) − y′ (0) = s . s2 + 4 Durch einsetzen der Anfangsbedingung erhalten wir die Lösung des transformierten Problems s2 + s + 4 , Y(s) = 2 (s + 1)(s2 + 4) und mit der Partialbruchzerlegung erhalten wir s2 + s + 4 As + B C s + D = + 2 , (s2 + 1)(s2 + 4) s2 + 1 s +4 wobei A = 1/3, B = 1, C = −1/3 und D = 0 . Wir haben also die folgende Partialbruchzerlegung Y(s) = s 1 s + − . 3(s2 + 1) s2 + 1 3(s2 + 4) Die ILT y(t) finden wir indem wir die Linearität von L−1 benutzen und die Tabelle 7.1 verwenden, s 1 ] y(t) = L−1[Y](t) = L−1[ 2 3 s +1 1 1 s + L−1[ ]− [ 2 ] s+1 3 s +4 1 1 cos t + sin t − cos 2t . = 3 3 Übung 7.3.2 Berechnen sie für t > 0 die Lösung von ′′ y (t) + y(t) = r(t) y(0) = 1 y′ (0) = 0 , 75 wobei Lösung. y(t) = Rt 0 t, π − t, r(t) = 0, 0 < t ≤ π/2 π/2 < t ≤ π t > π. sin(t − t′ )r(t′ )dt′ + cos(t) = ... . 7.3.2 Gedämpfter harmonischer Oszillator Die Newtonsche Bewegungsgleichung eines System mit einem Freiheitsgrad, das sich in der Nähe eins stabilen Gleichgewichtspunkts befindet und unter dem Einfluss einer äusser Kraft bewegt ist, lautet y′′ (t) = −ω2y(t) − 2ky′ (t) + g(t), w, k > 0 . Dabei ist y(t) die Abweichung von der Gleichgewichtslage . Man kann sich darunter ein an eine Feder gebundenes Teilchen vorstellen, das sich in der Nähe der Gleichgewichtslage bewegt . Die linke Seite ist die Beschleunigung, die rechte die Kraft dividiert durch die Masse: der erste Term ist proportional zum Abstand von der Gleichgewichtslage und kommt von der Federkraft; der zweite Term beschreibt die Reibung und ist proportional zur Geschwindigkeit. Die äussere, zeitabhänginge Kraft ist Masse ×g(t) . Wir betrachten den Fall der schwachen Dämpfung, wo die Dämpfungskonstante k die Ungleichung k < ω erfüllt. Die beiden Fälle der starken (k > ω) und kritischen (k = ω) Dämpfung, können mit derselben Methode behandelt werden. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass sich das System anfänglich in Ruhe und Gleichgewichtslage befindet. Wir haben also das folgende Anfangswertproblem ′′ y (t) = −ω2 y(t) − 2ky′ (t) + g(t) y(0) = 0 y′ (0) = 0 , Hier ist g(t) eine gegebene Funktion (im Studium der Resonanzen ist z.B. g(t) = ε sin(ω0t) eine kleine periodische Störung des Systems mit Kreisfrequenz Ω0) . Wir bezeichnen mit Y(s) und G(s) die LT von y(t) und g(t). Dann erfüllt Y(s) die Gleichung s2Y(s) + ω2Y(s) + 2ksY(s) = G(s) . 76 Also Y(s) = G(s) . s2 + w2 + 2ks Da k < ω ist ω2 − k2 > 0: s2 + w2 + 2ks = (s + k)2 + ω2 − k2 = (s + k)2 + ω2 , √ wobei ω = ω2 − k2 . Wir setzen F(s) = (s+k)12 +ω2 . Wir haben Y(s) = F(s)G(s) . Also erhalten wir die Lösung durch den Faltungssatz: Z t f (t − t′ )g(t′ )dt′ . L−1[Y(s)] = 0 wobei f (t) = L−1[F](t) . a ct Wir erinnern uns daran, dass L[sin(at)] = a2 +s 2 und L[e f ](s) = F(s − c) . Daher folgt " # 1 −kt sin(ωt) L e = ω (s + k)2 + ω2 und Z 1 t −k(t−t′ ) y(t) = e sin(ω(t − t′ ))g(t′)dt′ . ω 0 Die Funktion h(t) = e−kt sin(ωt) heisst Einflussfunktion oder Greensche ω ′ Funktion: h(t − t ) gibt den Einfluss der äusseren Störung g(t′ ) zur Zeit t′ auf die Lösung zur Zeit t . Da die Integration auf dem Intervall 0 ≤ t′ ≤ t ist, beeinflusst die Störung zur Zeit t′ nur y(t) zu späteren Zeiten t (t ≥ t′ ), ein Ausdruck des Kausalitätsprinzips. Sei zum Beispiel ( a, t0 < t < t1 g(t) = 0, sonst , mit 0 < t0 < t1 . Mit anderen Worten, wir legen einem anfänglich ruhenden Oszillation zur Zeit t0 eine Kraft a an, die zur Zeit t1 wieder ausgeschaltet wird. Um die Formel zu R ∞vereinfachen, schreiben wir y(t) mit Hilfe der Heaviside Funktion als 0 H(t − t′ )h(t − t′ )g(t′ )dt′ . Mit unserer Wahl von g erhalten wir dann Z t1 y(t) = a H(t − t′ )h(t − t′ )dt′ . t0 77 7.3.3 Greensche Funktion Die Bedeutung de Greenschen Funktion wird klar, wenn wir den Grenzfall eines infinitesimal kurzen Stosses betrachten. Um dies zu beschreiben, legen wir eine Kraft für eine sehr kurze Zeit ε > 0 an, die dafür einen grosse Intensität 1/ε hat: ( 1 , t < t < t0 + ε g(t) = ε 0 0, sonst , Die Lösung ist dann y(t) ≡ 0 für t < t0 und für t > t0 + ε, Z 1 t0 +ε y(t) = h(t − t′ dt′ → h(t − t0 ), ε → 0 . ε t0 Also ist h(t − t0 ) die Lösung für t > t0, wenn g eine wähnend einer infinitesimal kleinen Zeit unendlich grosse angelegte Kraft ist: g(t) = δ(t − t0 ) = lim gε (t) . ε→0 Die Haupteigenschaft der Funktion δ (Dirac-Deltafunktion) ist Z b δ(t − t0 ) f (t) = f (t0 ), a wenn t0 im Intervall (a, b) liegt . 7.3.4 Anwendung partieller Differentialgleichungen Beispiel 7.3.4 Wir betrachten das Anfangs- Randwertproblem wt − cw x = 0, x > 0, t > 0 w(0, t) = f (t) t>0 w(x, 0) = 0 x > 0. (7.4) Wie üblich bezeichnen wir die Laplace-Transformierten mit Grossbuchstaben Z ∞ Z ∞ f (t)e−st dt . w(x, t)e−st dt and F(s) = W(x, s) = 0 0 Die Laplace-Transformierte der Ableitungen sind gegeben durch L[wt ](s) = sW(x, Z ∞ s) − w(x, 0) = sW(x, s) w x (x, t)e−st dt = W x (x, s) L[w x](s) = Z ∞0 W(0, s) = w(0, t)e−st dt = F(s) . 0 78 Damit erhalten wir das transformierte Problem für W(x, s) sW − cW x = 0, x > 0 W(0, s) = F(s), s > 0 (7.5) s Die Lösung dieser gewöhnlichen Differenzialgleichung ist W(x, s) = F(s)e c x , und wir erhalten die Lösung des ursprüngliche Problem s w(x, t) = L−1[F(s)e c x ] by (7.3) x x x = f (t + )H(t + ) = f (t + ) . c c c Wir bemerken, dass t + x c > 0. Beispiel 7.3.5 Wir betrachten die ein dimensionale Wellengleichung auf der Halblinie x > 0, t > 0 . wtt − c2 w xx = 0, x > 0, t > 0 w(0, t) = f (t) t>0 (7.6) lim x→+∞ u(x, t) = 0 s>0 w(x, 0) = w (x, 0) = 0 x > 0. t Wir bezeichnen die Laplace-Transformierten wie vorher mit Grossbuchstaben Z ∞ Z ∞ −st W(x, s) = w(x, t)e dt, and F(s) = f (t)e−st dt . 0 0 Durch einsetzten von L[wtt ](s) = sZ2W(x, s), ∞ w xx (x, t)e−st dt = W xx (x, s), L[w xx] (s) = Z ∞0 w(0, t)e−st dt = F(s) , W(0, s) = 0 in die Differenzialgleichung erhalten wir das Transformierte Problem 2 s W − c2 W xx = 0, x>0 W(0, s) = F(s), s>0 (7.7) lim x→+∞ W(x, s) = 0 s > 0 79 Die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung in (7.7) ist s s W(x, s) = A(s)e c x + B(s)e− c x . Aus der Randbedingung lim x→+∞ W(x, s) = 0 folgt A = 0. Somit folgt aus der zweiten Randbedingung W(0, s) = F(s) = B und wir erhalten die Lösung s W(x, s) = F(s)e− c x . Um die Lösung des ursprünglichen Problems zu erhalten, verwenden wir (7.3). Damit erhalten wir x x x x < ct f t− c f t− = w(x, t) = H t − c c 0 x > ct. 80 Kapitel 8 Appendix: Gewöhnliche lineare Differentialgleichungen 8.1 Grundbegriffe Unter einer Differentialgleichung verstehen wir eine Beziehung zwischen einer Funktion und einigen ihrer Ableitungen. Beispiele dafür sind y′ = y y2 + y′ 2 = 2 , y′′ + ω2y = 0 , ut = u xx . Die höchste auftretende Ableitungsordnung heisst Ordnung der Differentialgleichung . Eine Differentialgleichung bei der nur Ableitungen nach einer einzigen unabhängigen Variablen auftreten, heisst gewöhnlich Differentialgleichung . Falls Ableitungen nach mehr als einer Variablen vorkommen, sprechen wir von einer partiellen Differentialgleichung . Unter einer Lösung einer Differentialgleichung verstehen wir eine (hinreichende oft differenzierbare) Funktion, welche die Differentialgleichung in einem gewissen Gebiet der unabhängigen Variablen erfüllt. Allgemein hat eine gewöhnliche Differentialgleichung n-ter Ordnung die Gestalt F(x, y, y′ , . . . , y(n)) = 0 (8.1) (implizite Form) oder y(n) = f (x, y, . . . , y(n−1)) (explizite Form). 81 (8.2) 8.2 Einige Anwendungen von Differentialgleichungen Mit Hilfe von Differentialgleichungen kann man viele Vorgänge aus Physik, Wirtschaft, Biologie, Chemie und anderen Bereichen modellieren. Wir illustrieren dies anhand zweier Beispiele. 1. Wachstum einer Population. Sei P(t) die Grösse einer Population zur Zeit t . Der Zuwachs der Population, durch Vermehrung, ist proportional zu der Grösse der Population. Für kleine kleine Zeitinkremente ∆t gilt P(t + ∆t) − P(t) = αP(t)∆t mit einer reellen Zahl α . Im Grenzwert ∆t → 0 entsteht daraus die Differentialgleichung P′ (t) = αP(t) . (8.3) Ist die Grösse der Population P0 zur Zeit t = 0 bekannt, so haben wir zusätzlich die Anfangsbedingung P(0) = P0 (8.4) (8.3)-(8.4) ist ein Anfangswertproblem einer gewöhnlichen Differentialgleichung 1. Ordnung und besitzt die Lösung P(t) = P0 eαt . 2. Fall eines Massenpunktes. Sei x(t) die Position eines Massenpunktes der Masse m über dem Erdboden zur Zeit t. Zur Zeit t = 0 sei x(0) = x0 , und ẋ(0) = v0. (a) Der Massenpunkt befinde sich in kleiner Höhe über dem Erdboden so dass die Erdbeschleunigung g an der Oberfläche massgebend ist . Wird der Luftwiderstand vernachlässigt, so erhalten wir die Gleichung x′′ (t) = −g . Die Lösung dieser Differentialgleichung ist 1 x(t) = − t2 g + c2 t + c1 , 2 mit Konstanten c1 , c2 . Wegen der Anfangsbedingungen ist c1 = x0 und c2 = v0 , also 1 x(t) = x0 + v0 t + t2 g . 2 82 Dies ist das bekannte Gesetz eines frei fallenden Körpers. (b) Wir berücksichtigen nun den Luftwiderstand. Diese ist proportional zur Geschwindigkeit ẋ . Wir erhalten deshalb die Gleichung x′′ (t) = −g − αx′ , α > 0 . Diese Differentialgleichung hat für α , 0 die Lösung x(t) = g t + c1 + c2e−αt . α Die Konstanten c1 , c2 werden wieder aus den Anfangsbedingungen bestimmt . Wir erhalten die Lösung g v0 g x(t) = x0 − t + ( 2 + )(1 − e−αt ) . α α α 8.3 Lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung Solche Differentialgleichungen haben die Form y′ = a(x)y + s(x) . (8.5) Für s = 0 heisst diese Gleichung (8.5) homogen, andernfalls heisst die Gleichung inhomogen. Wir wollen a, s als stetig voraussetzen . R Satz 8.3.1 Sei A(x) = a(t)dt eine Stammfunktion von a(t). Dann ist y(t) = ceA(t) für jede Konstante c eine Lösung von (8.5) für s = 0. Umgekehrt ist jede Lösung von (8.5) für s = 0 von dieser Form . Folgerung: Die Anfangswertaufgabe y′ = a(x)y, y(x0) = y0 . (8.6) besitzt die eindeutig bestimmte Lösung R x y(x) = y0 e x0 a(t)dt . Wir betrachten nun die inhomogene Gleichung (8.5) . Ist y p irgendeine Lösung von (8.5) und y eine weitere, so y − y p ist Lösung der homogen Gleichung und nach Satz 8.3.1 ist daher y = y p + ceA . 83 Um die allgemeine Lösung von (8.5) zu finden, müssen wir nur eine partikuläre Lösung y p finden . Für diese machen wir den Ansatz y p (x) = c(x)eA(x) . Man nennt dies: Variation der Konstanten . Setzen wir diesen Ansatz in die Gleichung (8.5) ein, so entsteht c′ eA + aceA = aceA + s oder c′ = se−A . Damit haben wir Satz 8.3.2 Sei c eine Stammfunktion von se−A. Dann ist y = ceA für jede Konstante c ∈ IR eine Lösung von (8.5) . Umgekehrt ist jede Lösung von (8.5) von dieser Form . Beispiel 8.3.1 Wir betrachten das Problem y′ = (sin(x))y + sin(x), y(0) = 0 . Die allgemeine Lösung der homogen Gleichung ist y = ce− cos(x) . Mit der Methode der Variation der Konstanten erhalten wir yp = c′ e− cos(x) + c sin(x)e− cos(x) = c′ = yp = c(x)e− cos(x) c sin(x)e− cos(x) + sin(x) sin(x)ecos(x) −1 Die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung ist y(x) = −1 + ce− cos(x) . Mit der Anfangsbedingung erhalten wir die Lösung y(x) = −1 + e1−cos(x) . 84 8.4 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Wir betrachten die Differentialgleichung y′′ (x) + ay′ (x) + by(x) = 0 (8.7) für eine reelwertige Funktion y = y(x), mit Konstanten a, b ∈ IR . Definition 8.4.1 Das Polynom p(λ) = λ2 + aλ + b heisst charakteristisches Polynom der Differentialgleichung (8.7) . Wir haben den folgenden Satz. Satz 8.4.1 Der Lösungsraum W = {y : IR → IR ist 2-mal differenzierbar und löst (8.7)} ist ein 2-dimensionaler Vektorraum. Definition 8.4.2 Ein Fundamentalsystem der Differentialgleichung (8.7) ist eine Basis {ϕ1 , ϕ2} des Vektorraumes W . Satz 8.4.2 (i) Wenn das charakteristische Polynom zwei verschiedene reelle Nullstellen λ1 , λ2 hat, dann ist die Menge {eλ1 t , eλ2 t } ein Fundamentalsystem der Differentialgleichung (8.7) . (ii) Wenn das charakteristische Polynom eine reelle Nullstelle λ1 mit Vielfachheit 2 hat, so ist die Menge {eλ1 t , teλ1 t } ein Fundamentalsystem der Differentialgleichung (8.7) . (iii) Wenn das charakteristische Polynom zwei komplexe Nullstellen µ1, µ1 hat, dann ist die Menge {Re(eµ1 t ), Im(eµ2 t )} ein Fundamentalsystem der Differentialgleichung (8.7) . 8.5 Inhomogene Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Wir betrachten die Differentialgleichung y′′ (x) + ay′ (x) + by(x) = f (t) 85 (8.8) für eine reelwertige Funktion y = y(x), mit Konstanten a, b ∈ IR , und f : IR → IR . Ansätze für spezielle rechte Seiten (1) Ist in der inhomogenen Differentialgleichung (8.8)die rechte Seite von der Gestalt f (t) = r(t)eγt , für ein Polynom r(t) und γ ∈ IR so wählen wir y(t) = tm q(t)eγt . Dabei ist q(t) ein Polynom in t mit deg(q) ≤ deg(r) und m bezeichnet die Vielfachheit der Nullstelle γ des charakteristischen Polynom p(λ). Ist γ keine Nullstelle von p(λ), so wählen wir m = 0 . Übung 8.5.1 Lösen Sie die Differentialgleichungen y′′ (x) − 6y′ (x) + 9y(x) = te3t . (8.9) (2) Ist in der inhomogenen Differentialgleichung (8.8) die rechte Seite von der Gestalt f (t) = (r1(t) cos(αt) + r2 (t) sin(αt))eβt , für Polynome r1(t), r2(t) und α, β ∈ IR, so wählen wir y(t) = tm (q1(t) cos(αt) + q2 (t) sin(αt))eβt . Dabei sind q1(t), q2(t) Polynome in t mit deg(q1 ), deg(q2) ≤ max(deg(r1), deg(r2)) und m bezeichnet die Vielfachheit der Nullstelle β + iα des charakteristischen Polynom p(λ). Ist β + iα keine Nullstelle von p(λ), so wählen wir m = 0. Übung 8.5.2 Lösen Sie die Differentialgleichungen y′′ (x) − 6y′(x) + 9y(x) = cos(2t)e3t . 86 (8.10) Literaturverzeichnis [AU] W. Arendt, K. Urban:Partielle Differentialgleichungen, Spektrum Vergal, 2010 . [B] Ch. Blatter, Skript : Komplexe Analysis, Fourier- und LaplaceTransformation und Analysis http://www.math.ethz.ch/ blatter/ . [D] F . Da Lio, Skript 2011 : Mathematik III ; http://www.math.ethz.ch/ fdalio/VorlesungenMathematikIII/ . [F] G. Felder, Skript : Analysis III http://www.math.ethz.ch/u/felder/Teaching/PDG . [H] N. Hungerbühler, Einführung in partielle Differentialgleichungen (fü Ingenieure, Chemiker und Naturwissenschaftler), vdf Hochschulverlag, 1997. [K] E. Kreyszig Advanced Engineering Analysis, Wiley 1999 [P] L. Papula, Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Band 2, Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Grundstudium . 87