Herzrhythmusstörungen heute Herausgegeben von der Deutschen Herzstiftung Impressum Herzrhythmusstörungen heute 3. vollständig überarbeitete Auflage, November 2006 ISBN 3-9806604-8-6 Herausgeber Deutsche Herzstiftung • Vogtstraße 50 • 60322 Frankfurt am Main • Telefon 0 69 955128-0 • Telefax 0 69 955128-313 www.herzstiftung.de • [email protected] Redaktion Prof. Dr. med. Thomas Meinertz Dr. Irene Oswalt Renate Horst Redaktionsassistenz Christine Dehn Gestaltung: www.neufferdesign.de Produktionsleitung: Renate Horst Druck: apm, alpha print medien AG, Darmstadt Der Nachdruck und die elektronische Verbreitung von Artikeln aus Herzrhythmusstörungen heute ist nur mit Genehmigung der Redaktion möglich. Bildnachweis Celestino Piatti (Logo); Ulrike Eberius (S. 47); Prof. Dr. med. Stefan H. Hohnloser (S. 40); Vorhofflimmern: Herz aus dem Takt, Patienteninformation des Kompetenznetzes Vorhofflimmern, S. 17 (S. 12), RWTH Aachen, S. 23 (S. 39), S. 36 (S. 62); W. A. Mozart, Entführung aus dem Serail, C. F. Peters Musikverlag (S. 4); Jan Neuffer (S. 6/7, 8/9, 14, 16/17, 22/23, 24, 28, 31, 37, 41, 43, 49, 69, 71, 74, 77, 80, 95); Universitäres Herzzentrum Hamburg (S. 36, 38, 57). Herzrhythmusstörungen heute Herausgegeben von der Deutschen Herzstiftung Es gibt kaum ein medizinisches Thema, das so großes Interesse findet wie Herzrhythmusstörungen. Dieses Buch ist für Patienten und Ärzte geschrieben. Hervorragende Rhythmusspezialisten haben es verfasst, um über den heutigen Stand der Medizin auf diesem Gebiet und die großen Fortschritte, die in den letzten Jahren erzielt wurden, zu informieren. Auch die aktuellen Leitlinien 2006 sind berücksichtigt. Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Becker Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Herzstiftung Herzrhythmusstörungen heute Fragen zu Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Thomas Meinertz Der normale Herzrhythmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Dietrich Andresen Langsamer Herzrhythmus: Wann braucht man einen Herzschrittmacher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Andreas Schuchert Gutartiges Herzjagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Paulus Kirchhof, Günter Breithardt Das Stolperherz: Extrasystolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Berndt Lüderitz Am häufigsten: Vorhofflimmern Das vollständig arrhythmische Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Michael Oeff Medikamente gegen Vorhofflimmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Wirkungen, Nebenwirkungen, Pill in the Pocket Berndt Lüderitz Vorhofflimmern: wenn Medikamente nicht mehr helfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Heilung durch Katheterablation Gerhard Hindricks, Hans Kottkamp Vorhofflimmern: eine lange Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Patientenbericht von Thomas Meinertz Vorhofflimmern: chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Nicolas Doll, Friedrich W. Mohr 2 Vorhofflimmern: das Schlaganfallrisiko senken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Christa Gohlke-Bärwolf Vorhofflattern: ein Fall für die Katheterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Stephan Willems, Boris Lutomsky, Daniel Steven, Thomas Rostock Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Michael Ulbrich, Uwe Dorwarth, Christopher Reithmann, Gerhard Steinbeck Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Hans-Joachim Trappe Leben mit dem Defi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Patientenbericht von Hermann Wessels Herzrhythmusstörungen nach der Operation angeborener Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Joachim Hebe, Karl-Heinz Kuck Das hilft Ihnen weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Was kann die Deutsche Herzstiftung für Sie tun?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3 Fragen zu Herzrhythmusstörungen Interview mit Professor Dr. med. Thomas Meinertz, Universitäres Herzzentrum Hamburg, Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie Leben und Herzrhythmus gehören zusammen. Da das Leben voller Bewegung ist, kann auch das Herz nicht wie ein Uhrwerk schlagen.Wenn wir uns freuen, wenn wir uns aufregen, schlägt es schneller, das wissen wir. Aber wir wissen auch, dass es Herzrhythmusstörungen gibt, die nicht nur lästig, sondern gefährlich sind. Wie kann man da unterscheiden? Oder noch einfacher gefragt: Was ist ein normaler Puls? n Die normale Herzschlagfolge, die norma- le Herzfrequenz im Alltag, liegt etwa zwischen 60 und 100 pro Minute1. Bei seelischer oder körperlicher Belastung kann der Puls ohne weiteres bis auf eine Frequenz von 160 bis 180 steigen. Dieser Anstieg des Pulses ist völlig normal. Aber: Krankhaft ist ein schlagartiges Umspringen des Pulses von einer normalen Herzschlagfolge auf eine sehr hohe oder sehr niedrige Herzfrequenz. Wo liegt die Grenze nach unten? „O wie ängstlich, o wie feurig klopft mein liebevolles Herz“, singt Belmonte, als er endlich seine entführte Geliebte wiedersehen soll, in Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Zugleich ist sein Herzschlag in der Orchesterbegleitung zu hören. Was wir fühlen und empfinden, drückt sich im Rhythmus unseres Herzens aus. Darauf weist Musik hin – bei Mozart und bei anderen Komponisten. n Nachts sinkt die Herzfrequenz ab und liegt bei vielen Menschen zwischen 45 und 55 pro Minute. Doch auch tiefere Herzfrequenzen können ohne krankhafte Bedeutung sein. So kann z. B. beim Leistungssportler die Herzfrequenz auf 30 bis 35 pro Minute abfallen. Eine solch niedrige Herzfrequenz ist natürlich für einen Untrainierten nicht normal. Die untere Grenze zum krankhaften Befund liegt bei etwa 40 Schlägen pro Minute. 4 Wann muss man anfangen, sich Sorgen zu machen? Wann werden Herzrhythmusstörungen gefährlich? n Herzrhythmusstörungen können etwas völlig Normales sein. Praktisch jeder Mensch hat irgendwann in seinem Leben Unregelmäßig- keiten des Herzschlags – häufig, ohne es zu merken. Oft sind Herzrhythmusstörungen Folge einer Herzkrankheit (z. B. Hochdruckherz, koronare Herzkrankheit, Klappenfehler). Selten sind Herzrhythmusstörungen Vorläufer und Warnzeichen eines drohenden plötzlichen Herztodes. Der Übergang zwischen normal und krankhaft ist fließend. Krankhaft bedeutet nicht immer gefährlich. Die Grenze ist im Einzelfall schwierig zu ziehen. Ob Herzrhythmusstörungen harmlos, weniger harmlos oder lebensbedrohlich sind, kann nur der Arzt, ein Internist oder Kardiologe, nach ausführlicher Untersuchung des Patienten entscheiden. Was sind Herzrhythmusstörungen? n Man kann sie mit Fehlzündungen eines Motors vergleichen. Normalerweise bilden die elektrischen Taktgeber im Herzen regelmäßig ihre Impulse (s. Abb. S. 12). Daher schlägt das Herz regelmäßig. Diese elektrischen Taktgeber sind störanfällig und Störungen (Fehlzündungen) können zu Extraschlägen führen. Die Taktgeber können auch in ihrer Funktion versagen, vorübergehend oder ganz, dann kommt es zu einer Verlangsamung der Herzschlagfolge. Dabei kann die Störung sowohl in den elektrischen Impulsgebern liegen als auch überall im Herzmuskel. Denn bei Herzkrankheiten kann der Herzmuskel selbst elektrische Aktivität entwickeln und zu fehlgebildeten Impulsen Anlass geben. Herzrhythmusstörung ist also nicht gleich Herzrhythmusstörung. n So ist es. Zu unterscheiden ist zwischen: n harmlosen Herzrhythmusstörungen, die als Fehlzündungen eines normalen Herzens angesehen werden können, Prof. Dr. med. Thomas Meinertz n Herzrhythmusstörungen, die durch eine Erkrankung der elektrischen Impulsgeber hervorgerufen werden (als Beispiele: AVBlock und das Sinusknoten-Syndrom), n am häufigsten und am bedeutsamsten: Herzrhythmusstörungen, die Folge einer Herzkrankheit sind, n und Herzrhythmusstörungen, die Folge anderer Krankheiten sind wie z. B. einer Schilddrüsenüberfunktion. Herzrhythmusstörungen sind also in der Regel – wenn sie nicht angeboren sind – keine eigene Erkrankung, sondern meistens die Folge von Herzkrankheiten oder anderen Einflüssen, die das Herz aus dem Takt bringen. Welche Einflüsse sind das? n Besonders wichtig ist die Störung der Zusam- mensetzung der Blutsalze, der Elektrolyte: Kaliummangel, Magnesiummangel. Dadurch werden sowohl gutartige wie bösartige Herzrhythmusstörungen verstärkt oder ausgelöst. Daher ist darauf zu achten, dass es zu keinem Kaliumoder Magnesiummangel zum Beispiel bei regelmäßigem Gebrauch von Diuretika (Entwässerungsmitteln) kommt. Auch Genussgifte (reichlicher Konsum von Alkohol, Kaffee oder Nikotin), Medikamente und Schlafmangel können Herzrhythmusstörungen auslösen. 5 Wann ist die Behandlung notwendig? n Eine Herzrhythmusstörung muss behandelt wer- gen ist die Ausschaltung von Faktoren, die Herzrhythmusstörungen begünstigen, und die Behandlung der Grundkrankheit, die die Herzrhythmusstörung verursacht. den, wenn sie die Gefahr eines plötzlichen Herztodes mit sich bringt, n wenn sie zu einem Schlaganfall führen kann, n wenn sie sich auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt, n wenn sie den Patienten belastet, zum Beispiel durch Schwindelanfälle, durch das Gefühl von Herzrasen oder durch ausgeprägtes Unwohlsein. Erst dann wird eine Therapie eingeleitet – in den meisten Fällen zunächst mit Medikamenten, bei langsamen Herzrhythmusstörungen mit einem Herzschrittmacher3. Wann müssen darüber hinaus Herzrhythmusstörungen direkt behandelt werden? Was ist mit Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen zu erreichen? n Früher haben wir viele Herzrhythmusstörungen n Diese Medikamente können die Herzrhythmus- für bedrohlich gehalten. In den letzten Jahren hat man gelernt, dass dies nicht der Fall ist. Viele Herzrhythmusstörungen müssen überhaupt nicht behandelt werden2. Heute behandelt man Herzrhythmusstörungen nur, wenn dies zwingend erforderlich ist. Dann aber sollten sie konsequent und nur vom Fachmann behandelt werden. Die Entscheidung für eine Behandlung ist Sache des Kardiologen, die regelmäßige Verlaufskontrolle kann auch durch den Internisten bzw. Hausarzt erfolgen. störung unterdrücken oder zumindest dafür sorgen, dass sie seltener, kürzer oder erträglicher auftritt. Dafür stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Aber deren Wirkung im Einzelfall ist nicht sicher vorauszusehen. Da die Patienten unterschiedlich auf die Medikamente ansprechen, braucht man Geduld und unter Umständen auch mehrfachen Medikamentenwechsel, bis das richtige Medikament und die richtige Dosierung gefunden sind. Eines können Rhythmusmedikamente nach neueren Erkenntnissen nicht leisten: bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen den plötzlichen Herztod verhindern. Dafür ist der Defibrillator erfunden worden4. n Was ist die beste Strategie? n Die beste Strategie gegen Herzrhythmusstörun- 6 Welche Nachteile haben die Rhythmusmedikamente? Seit einigen Jahren gibt es einen neuen Weg, Herzrhythmusstörungen zu bekämpfen: die Katheterablation. n Das Hauptproblem besteht darin, dass alle n Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem Rhythmusmedikamente – von Betablockern abgesehen – selten (im Bereich weniger Prozente) selbst Rhythmusstörungen verstärken und so im Einzelfall dramatische und lebensbedrohliche Situationen hervorrufen können – am häufigsten zu Beginn einer Therapie. Deshalb muss man mit diesen Medikamenten vorsichtig umgehen. Man muss sie kritisch und gezielt einsetzen. Herzzellen gezielt durch Hochfrequenzstrom oder Kälte so verödet werden, dass Herzrhythmusstörungen nicht mehr entstehen können. Die Prozedur wird mit Hilfe der Kathetertechnik durchgeführt, bei der millimeterdünne Sonden über die Arm- und Beinvenen ins Herz geschoben werden5. Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass es Herzrhythmusstörungen heilen kann, während Wie lässt sich das Risiko begrenzen? n Man kann die Gefährdung der Patienten ver- ringern, wenn man die Patienten sorgfältig einstellt. Besonders gefährdet durch die Nebenwirkungen von Rhythmusmedikamenten sind Patienten mit einer begleitenden Herzkrankheit. Die Therapie sollte in diesen Fällen – Ausnahme Betablocker – in der Klinik eingeleitet werden, wo die Nebenwirkungen optimal am EKGMonitor überwacht werden können. Bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen ohne begleitende Herzkrankheit ist der Rhythmusspezialist gefragt. Auch wenn der Patient gut eingestellt ist, darf man ihn nicht – wie es häufig geschieht – allein lassen, sondern man muss ihn etwa alle drei Monate kontrollieren. Medikamente sich nur gegen die Beschwerden richten. Für wen kommt die Katheterablation in Betracht? n Für die Katheterablation gibt es heute gesicher- te Einsatzbereiche: häufige und belastende, schnelle Herzrhythmusstörungen aus dem Bereich der Herzvorhöfe und des AV-Knotens sowie der Herzkammern. Zum Beispiel: AV-Knoten-Umkehrtachykardien, atriale Tachykardien, Vorhofflattern, Kammertachykardien und das WPW-Syndrom, das auf überzählige Erregungsleitungsbahnen zwischen den Vorhöfen und Herzkammern zurückgeht6. Diese Patienten sollten immer dann mit einer Katheterablation behandelt werden, wenn die Anfälle der Rhythmusstörung so häufig sind, dass eine Dauertherapie mit Medika7 Lässt sich durch Medikamente ein dauerhafter Erfolg erzielen? n Leider kann man meist auf Dauer mit Medika- menten notwendig wäre. Eine solche Dauertherapie ist mit Nebenwirkungen belastet. Deshalb ist eine Katheterablation vorzuziehen. Patienten mit WPW-Syndrom wird man in jedem Fall zu einer Hochfrequenz-Katheterablation raten, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass das WPW-Syndrom – was selten vorkommt – lebensbedrohlich ist. Natürlich auch immer dann, wenn gehäuft Anfälle von Herzjagen vorliegen. Besonders interessant ist die Entwicklung der Katheterablation beim Vorhofflimmern. Vor Jahren noch experimentell, ist sie heute ein Standardverfahren – mit guten Ergebnissen. Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Allein in Deutschland leiden 800 000 Menschen daran. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? n Vorhofflimmern ist nicht nur die häufigste Herz- rhythmusstörung, es ist auch die Herzrhythmusstörung, bei deren Therapie die größten Fortschritte erzielt wurden7. Betrachtet man die Entwicklung der nichtmedikamentösen Therapie in den letzten zehn Jahren, so ist es nicht übertrieben, von spektakulären Fortschritten zu sprechen. Oft ist es sinnvoll, Vorhofflimmern bei seltenen Anfällen (weniger als 1/Monat z. B.) zunächst nicht zu behandeln, bzw. nur die Grundkrankheit, die das Vorhofflimmern verursacht, zu therapieren. Der nächste Schritt ist der Einsatz von Medikamenten8. Allerdings muss man relativ rasch handeln, damit sich die Anfälle nicht mehr und mehr häufen und das Vorhofflimmern chronisch wird. Dann ist die Chance, mit Medikamenten, aber auch mit der Katheterablation etwas auszurichten, viel geringer. 8 menten die Anfälle von Vorhofflimmern nicht verhindern. Aber dann gibt es eine andere Form der Behandlung, nämlich das durch Vorhofflimmern bedingte Herzrasen, die schnelle Herzschlagfolge (100 – 160 Schläge/Minute) zu normalisieren (Frequenzkontrolle), das Vorhofflimmern als solches aber bestehen zu lassen. Damit kommen viele ältere Patienten gut zurecht. Eine andere neue Möglichkeit der Behandlung ist das Pill in the Pocket-Konzept, eine Therapie, bei der der Patient selbst den Anfall beenden kann9. Wann wird zur Katheterablation geraten? Wie ist das zu verstehen? n Herzgesunde Patienten können Anfälle von Vor- hofflimmern beenden, wenn sie im Anfall ein Rhythmusmedikament nehmen. Amiodaron kommt nicht in Frage, da die Wirkung zu langsam eintritt, wirksam ist Flecainid oder Propafenon. In der Mehrzahl der Fälle sind diese Medikamente erfolgreich: Sie beenden in 60 – 120 Minuten den Anfall. Vorsichtshalber sollten die Patienten die ersten Male das Medikament unter Aufsicht in der Klinik oder in der kardiologischen Praxis einnehmen, um sicherzustellen, dass keine gefährlichen Herzrhythmusstörungen auftreten. n Wenn Medikamente nicht erfolgreich sind oder nicht vertragen werden und die Patienten erheblich unter dem Vorhofflimmern leiden, kommt die Katheterablation in Frage10. Man braucht allerdings manchmal zwei oder mehr Prozeduren, um Vorhofflimmern dauerhaft zu beseitigen. Wenn ein Patient ohnehin am Herzen operiert werden muss, bietet es sich an, Vorhofflimmern während der Operation durch eine Ablation zu heilen. Die Operationsrisiken erhöhen sich dadurch nicht11. Da die Entwicklung auf diesem Gebiet schnell vorangeht, ist zu erwarten, dass die Katheterablation in Zukunft sich immer mehr durchsetzen wird. 9 Bei der Behandlung von Vorhofflimmern sind große Fortschritte erzielt worden. Wo sonst noch? tung – die Herzrhythmusstörungen auslösen oder verstärken können? n Neben den Erfolgen bei der Behandlung des n Ja, die Frage ist wichtig. Stress – in jeder Form – Vorhofflimmerns sehe ich in der Vorbeugung des plötzlichen Herztodes große Fortschritte12. Heute kennen wir einige Patientengruppen, die durch den plötzlichen Herztod besonders gefährdet sind. Ihnen können wir durch den Defibrillator helfen4. ist zwar nicht die Ursache von Herzrhythmusstörungen, kann diese jedoch auslösen und verstärken. Dies gilt z. B. für die häufigste Herzrhythmusstörung, anfallsweise auftretendes Vorhofflimmern. Paradoxerweise können Anfälle dieser Rhythmusstörung bei dem einen Patienten durch Stress, bei dem anderen durch Ruhe – z. B. auch nachts – ausgelöst werden. Viele Patienten hoffen auf neue Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen. Wie sind da die Aussichten? Wie soll man mit Herzrhythmusstörungen umgehen? n Langfristig durchaus nicht schlecht. Kurz- und n Mit Gelassenheit. Von Herzrhythmusstörungen mittelfristig, innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren, sind keine Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen in Sicht, die einen wirklichen Durchbruch darstellen13. darf man sich nicht verrückt machen lassen. Mit harmlosen Rhythmusstörungen muss man leben lernen. Andererseits muss man bei bedeutsamen Herzrhythmusstörungen konsequent vorgehen. Hier sollte man, wenn man einen Arzt gefunden hat, dem man vertraut, dessen Ratschlägen folgen. Die Angst vor Herzschrittmachern oder technischen Geräten wie Defibrillatoren sollte man überwinden. Auch mit einem Herzschrittmacher oder mit einem Defibrillator kann man gut und lange leben, ohne dauernd an die Rhythmusstörung zu denken. Interview: Dr. Irene Oswalt Bisher haben wir davon geredet, was die heutige Medizin für den Rhythmuspatienten tun kann. Was können die Patienten selbst tun? n Der Patient hat viel in der Hand. Er kann die Faktoren ausschalten, die Rhythmusstörungen auslösen oder verstärken: Rauchen, Alkohol, Koffein, Schlafmangel. Er kann darauf achten, dass er ausreichend Elektrolyte – Kalium, Magnesium – zu sich nimmt, insbesondere, wenn er fiebert oder schwitzt oder mit Entwässerungsmitteln behandelt wird. Wichtig ist ein gesunder Lebensstil, der nicht nur für genug Bewegung und genug Schlaf sorgt, sondern auch ein Gleichgewicht zwischen Belastung und Entspannung herstellt. Damit kommen wir zum Stress. Fast alle Menschen bringen Herzrhythmusstörungen mit Stress in Verbindung. Der Mensch ist zwar auf die Bewältigung von Herausforderungen, also auf das Leben mit Stress, angelegt. Aber gibt es nicht Formen von Stress – lebensgeschichtliche Ereignisse, dauernde seelische Belastung oder ständige Überarbei10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Der normale Herzrhythmus, S. 11 ff. Das Stolperherz: Extrasystolen, S. 29 ff. Langsamer Herzrhythmus:Wann braucht man einen Herzschrittmacher? S. 15 ff. Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator, S. 82 ff. Gutartiges Herzjagen, S. 25 ff. Gutartiges Herzjagen, S. 22 ff. Am häufigsten: Vorhofflimmern, S. 35 ff. Medikamente gegen Vorhofflimmern, S. 41 ff. Medikamente gegen Vorhofflimmern, S. 46 Vorhofflimmern: wenn Medikamente nicht mehr helfen, S. 48 ff. Vorhofflimmern: chirurgische Therapie, S. 61 ff. Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, S. 75 ff. Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator, S. 82 ff. Prof. Dr. med. Thomas Meinertz: Helfen Medikamente bei Herzrhythmusstörungen? Sonderdruck der Deutschen Herzstiftung. Der normale Herzrhythmus Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Vivantes GmbH, Klinikum Am Urban/Im Friedrichshain Medizinische Klinik I – Kardiologie und Intensivmedizin, Berlin Jeder weiß, dass das Herz die Aufgabe hat, das Blut durch unseren Kreislauf zu befördern und damit die Organe unseres Körpers mit Sauerstoff, Nährstoffen und anderen lebensnotwendigen Substanzen zu versorgen. Wenig bekannt ist, wie die Arbeit des Herzens gesteuert wird. Zwei Eigenschaften zeichnen die Steuerung des Herzens aus: n Das Herz hat ein eigenes Reizbildungs- und Reizleitungssystem, das aus Zellen besteht, die sich auf das Rhythmusgeben spezialisiert haben. n Das Reizleitungssystem des Herzens ist mehrfach gesichert. Mehrere Schrittmacherzentren sind hintereinander geschaltet, um zu gewährleisten, dass das Herz auch weiterschlägt, wenn ein Zentrum ausfällt. Der Zusammenhang zwischen der Herzaktivität und ihrer Steuerung soll im folgenden skizziert werden. Das Herz-Kreislauf-System Das Herz erfüllt die Funktion einer Pumpe. Es besteht aus zwei Vorkammern (Vorhöfe) und zwei Hauptkammern (Kammern). Beide Vorhöfe und Kammern sind jeweils durch eine Scheidewand (Septum) getrennt. Zwischen den Vorhöfen und den Kammern befinden sich Herzklappen, die wie Ventile das Blut nur in eine Richtung passieren lassen (Abb. 1, S. 12). Das sauerstoffarme Blut wird über zwei große Blutgefäße (Venen) in den rechten Vorhof transportiert. Von dort wird es über die sich öffnende Segelklappe in die rechte Hauptkammer gesogen, indem der Muskel der rechten Kammer erschlafft. Am Ende dieser Saugphase wird ein zusätzlicher Teil durch aktives Zusammenziehen (Kontraktion) des rechten Vorhofs in die rechte Hauptkammer gepumpt. Von der rechten Hauptkammer wird das Blut über die Lungenschlagader (Lungenarterie) in den Lungenkreislauf befördert. Hierbei verzweigen sich die Lungenarterien in immer kleiner werdende Äste, die schließlich zu kleinen Haargefäßen (Kapillaren) werden und als solche ein dichtes Geflecht um die Lungenbläschen bilden. An dieser Stelle findet der Gasaustausch statt: Das Kohlendioxyd wird an die Lungenbläschen abgegeben und dann mit unserer Atemluft ausgeatmet. Der Sauerstoff wird als Austausch dafür in das Blut aufgenommen. Das sauerstoffreiche Blut fließt über die Lungenvenen in den linken Vorhof. Aus dem linken Vorhof wird das Blut dann über eine weitere Segelklappe in die linke Kammer gesogen und von dort mit hohem Druck in die Hauptschlagader (Aorta) gepumpt. Die Hauptschlagader verzweigt sich in zunächst größere und später kleinere Adern (Arterien), die sich als Haargefäße (Kapillaren) in den einzelnen Organen (Gehirn, Leber, Verdauungsorgane, Muskeln etc.) verzweigen. Über sie werden Sauerstoff und Nährstoffe an die Organe geliefert und Abfallstoffe abtransportiert. Die Haargefäße fließen wieder zu größeren Blutgefäßen (Venen) zusammen und münden schließlich im rechten Vorhof. Damit ist der Kreislauf geschlossen. Etwa 60- bis 80-mal pro Minute (100 000-mal pro Tag) schlägt unser Herz und fördert am Tag rund 9 000 bis 10 000 Liter Blut. Warum schlägt das Herz? Damit sich der Herzmuskel zusammenzieht, sind elektrische Impulse notwendig (Abb. 1, S. 12). Der Taktgeber, der mit elektrischen Impulsen dafür sorgt, dass der Herzmuskel sich in ständigem Wechsel zusammenzieht und erschlafft, ist der 11 Lungenvenen Sinusknoten erzeugt elektrische Signale und dient damit als natürlicher Herzschrittmacher des Herzens Rechter Herzvorhof sammelt über die Hohlvenen sauerstoffarmes Blut aus dem Körper AV-Knoten bündelt die elektrischen Reize aus den Vorhöfen und gibt sie geordnet weiter Trikuspidalklappe (hier offen) Purkinje-Fasern verzweigen sich in die Herzkammer und bringen diese zur Kontraktion Untere Hohlvene Abb. 1: So wird der Herzrhythmus gesteuert. Sinusknoten, der im Bereich des rechten Vorhofs an der Einmündung der großen oberen Vene liegt. Es handelt sich dabei um ein Geflecht von Zellen, das die Fähigkeit besitzt, sich elektrisch aufzuladen und durch die anschließende Entladung den Strom auf die umgebenden Herzmuskelabschnitte weiterzuleiten (Reizbildungszentrum). Von dort pflanzt sich die Erregung über spezifische Muskelbahnen (Reizleitungssystem) auf beide Vorhöfe fort. Durch die elektrische Erregung ziehen sich diese zusammen und pumpen Blut über die geöffneten Segelklappen in die rechte bzw. linke Herzkammer. Dann dringen die elektrischen Impulse durch den AV-Knoten (Atrioventrikular-Knoten), 12 der zwischen dem Vorhof und der Herzkammer liegt. Im AV-Knoten werden die elektrischen Reize aus den Vorhöfen gebündelt und ihre Weiterleitung gezielt gebremst. Die elektrische Erregungswelle passiert dann die schnell leitenden Fasern des His-Bündels und durchläuft den rechten und linken Tawara-Schenkel (Abb. 2). Die Tawara-Schenkel ziehen sich durch die Scheidewand (Septum). Beide Schenkel weisen eine unterschiedliche Struktur auf. Der rechte Tawara-Schenkel verzweigt sich erst spät und versorgt die rechte Herzkammer. Der linke TawaraSchenkel verzweigt sich dagegen schon sehr früh in zwei Bahnen: eine vordere und eine hintere Bahn, die in die linke Herzkammer münden. Obere Hohlvene Aorta Lungenarterie Schrittmacherimpulse entstehen, desto langsamer ist die Herzschlagfolge und desto eher können Beschwerden auftreten, z. B. Schwindel oder Bewusstlosigkeit. Arbeitet hingegen der Hauptimpulsgeber einwandfrei, so dominiert er alle anderen Rhythmusgeber. Sie ordnen sich ihm unter. Deswegen heißt der normale regelmäßige Herzrhythmus Sinusrhythmus. Linker Herzvorhof nimmt sauerstoffreiches Blut aus den Lungenvenen auf Mitralklappe AV-Knoten Aortenklappe linker vorderer Tawara-Schenkel (hier offen) (hier geschlossen) His-Bündel Linke Herzkammer linker hinterer Tawara-Schenkel Rechte Herzkammer rechter Tawara-Schenkel Abb. 2 Herzmuskel Wie messe ich die elektrische Erregung des Herzens? Von den Tawara-Schenkeln gelangt die elektrische Erregungswelle über ein feinverzweigtes Reizleitungsnetz (Purkinje-Fasern) auf die Muskeln beider Kammern, die sich infolge der Erregung zusammenziehen und das Blut in die Lungengefäße (durch die rechte Kammer) bzw. Hauptschlagader (durch die linke Kammer) pumpen. Dass das Herz schlägt, hängt in diesem System nicht allein von dem Hauptimpulsgeber, dem Sinusknoten, ab. Fällt der Sinusknoten durch eine Störung aus, so springt der AV-Knoten als Rhythmusgeber ein. Er hat allerdings mit etwa 50 Schlägen pro Minute eine geringere Entladungsfrequenz. Versagt auch der AV-Knoten, so übernimmt das His-Bündel die Rolle des Schrittmachers und treibt das Herz mit etwa 40 Schlägen pro Minute an. Das heißt: Je weiter entfernt vom Sinusknoten die Der größte Teil der elektrischen Erregungsabläufe lässt sich mit Hilfe des Elektrokardiogramms (EKG) darstellen (Abb. S. 14). Den Aufbau eines elektrischen Impulses im Sinusknoten können wir im EKG nicht sehen. Erfasst wird dagegen die Erregung des Vorhofs (P-Welle). Die P-Welle ist gefolgt von einem hohen Ausschlag (R-Zacke), die Ausdruck der Erregung (Depolarisierung) der Kammermuskeln ist. Die danach registrierte T-Welle ist Ausdruck der elektrischen Erholung (Repolarisation) der Kammermuskeln. Der Vorgang der Erregungsbildung im Sinusknoten, die Weitergabe des Stromes auf den Vorhofmuskel, gefolgt von der Erregung der Kammermuskeln, wiederholt sich 60- bis 80-mal pro Minute. Unter körperlicher Belastung sowie 13 1 Sekunde R-Zacke P-Welle T-Welle Abb. 3: Herzstromkurve: EKG unter psycho-emotionalem Stress schlägt das Herz bis zu 160-mal, unter Ruhebedingungen (Schlaf) lediglich 60- bis minimal 40-mal pro Minute. Verantwortlich für diese unterschiedliche situationsbedingte Herzschlagfolge ist ein Geflecht von Nerven, das in den Sinusknoten mündet und seine Entladungsfrequenzen beeinflusst. Es handelt sich dabei um Fasern des vegetativen Nervensystems. Also Nerven, die unserem Willen nicht unterworfen sind. Denn man kann dem Herzen nicht sagen, es soll schneller oder langsamer schlagen oder gar, es soll vorübergehend aufhören zu schlagen. unter psychischem und körperlichem Stress, wird es auch als Stresshormon bezeichnet. Unter Stress schüttet die Nebenniere Adrenalin aus. Das Adrenalin kommt auf dem Blutweg zum Sinusknoten und hebt die Pulsfrequenz an, dann schlägt das Herz als Reaktion auf den Stress schneller. Auch erhöhte Körpertemperatur bei Fieber führt dazu, dass die Herzschlagfolge rascher wird. Zusammenfassung Wir unterscheiden beim vegetativen Nervensystem zwischen sympathischen (Sympathikus) und parasympathischen (Vagus) Nervenfasern. Der Sympathikus führt zur allgemeinen Stimulation des Herzens mit Anstieg der Herzschlagfolge (Herzfrequenz). Der Vagus dämpft die Herztätigkeit mit Abfall der Herzfrequenz. Sympathikus und Vagus fungieren also als Gegenspieler. Wer sich z. B. beim Anblick von Blut erschreckt, kann in Ohnmacht fallen, weil sich das Gehirn über den Vagusnerv ausbremst. Unser Herz ist ein Hohlmuskel, der sich regelmäßig (rhythmisch) ca. 60- bis 80-mal pro Minute zusammenzieht und wieder erschlafft und auf diese Weise sechs bis acht Liter Blut pro Minute durch unsere Blutgefäße pumpt. Damit sich der Herzmuskel zusammenzieht, muss er durch einen elektrischen Reiz (Impuls) „angestoßen” werden. Der elektrische Impuls entsteht im Bereich des rechten Herzvorhofs und breitet sich in weniger als einer Drittelsekunde (200 bis 250 msec.) über den gesamten Herzmuskel aus, worauf sich dieser ebenso schnell zusammenzieht und in der nächsten Sekunde wieder erschlafft. Neben direkten Einflüssen, die das vegetative Nervensystem ausübt, werden Änderungen der Herzschlagfolge auch durch Hormone vermittelt. Das bekannteste Hormon ist das Adrenalin. Da es verantwortlich ist für den Anstieg der Herzfrequenz Störungen der Impulsbildung und Impulsleitung sowie die Bildung von Zusatzimpulsen führen beim Patienten zu unregelmäßiger Herztätigkeit. Von diesen Rhythmusstörungen und ihren Konsequenzen soll in den folgenden Artikeln die Rede sein. 14 Langsamer Herzrhythmus: Wann braucht man einen Herzschrittmacher? Prof. Dr. med. Andreas Schuchert, Medizinische Klinik, Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster Wenige Wochen nach Beginn seines Ruhestands fiel Walter R. beim Besuch in einem Kaufhaus plötzlich um und wachte am Boden liegend wieder auf. Zunächst dachte er, es sei eine vorübergehende Kreislaufschwäche gewesen. In den nächsten Wochen folgten zwei weitere Ohnmachtsanfälle, wobei er sich beim zweiten Mal am Kopf verletzte. Zur Abklärung der Ohnmachtsanfälle suchte er seinen Hausarzt auf. Der Hausarzt untersuchte ihn gründlich, aber fand keine Erklärung für die Ohnmachtsanfälle. Deshalb schickte er Walter R. zu einem Internisten mit kardiologischem Schwerpunkt. Das Ruhe-EKG zeigte keine krankhaften Veränderungen. Es folgte ein Langzeit-EKG über 24 Stunden, ebenfalls ohne krankhaften Befund. Erst ein weiteres Langzeit-EKG, diesmal über mehrere Tage, brachte Klarheit. In dieser Zeit wurde Walter R. erneut bewusstlos. Das EKG zeigte zu diesem Zeitpunkt eine Pause von fünf Sekunden – bedingt durch eine vorübergehende Blockierung der elektrischen Erregungsausbreitung im Herzen. Damit war die Ursache für die wiederholten Ohnmachtsanfälle gefunden. Der Internist erklärte Walter R., dass für ihn ein Herzschrittmacher notwendig sei. Was leistet der Herzschrittmacher? Der Herzmuskel hat ein eigenes elektrisches Leitungssystem, bestehend aus Sinusknoten, Atrioventrikulär(AV)-Knoten und dem spezifischen Leitungssystem in den Herzkammern (s. Abb. 1 und Abb. 1, S. 12). Die Aufgabe des elektrischen Leitungssystems ist, die Arbeit des Herzmuskels zu steuern und das zeitliche Zusammenspiel sowohl zwischen den beiden Vorhöfen zu den beiden Kammern als auch für jede Kammer zu synchronisieren. Zu diesem Zweck gibt der Sinusknoten wie ein Taktgeber regelmäßige elektrische Impulse ab, die zunächst die Muskelzellen der Vorhöfe erregen. Der AV-Knoten als einzige elektrische Verbindung zwischen den Vorhöfen und den Kammern leitet die Erregung auf die Herzkammern über. Das spezifische elektrische Leitungssystem in den Kammern erregt die Herzmuskelzellen der Kammern und bewirkt, dass sie sich gleichmäßig zusammenziehen und mit jedem Herzschlag Blut in den Körper pumpen. Wenn Teile des elektrischen Leitungssystems krankhaft verändert sind, können sie zeitweilig oder Abb. 1 Sinusknoten Vorhöfe AV-Knoten Herzkammer andauernd ausfallen. Häufige Störungen betreffen die Taktfunktion des Sinusknotens und die Reizleitung des AV-Knotens. Bei solchen Störungen ist es die Aufgabe des Herzschrittmachers, die elektrischen Funktionen zu übernehmen. Der Schrittmacher gibt dazu regelmäßige elektrische Impulse ab, die das Herz erregen und es dazu bringen, sich zusammenzuziehen. Vor mehr als 45 Jahren erhielt zum ersten Mal ein Patient einen Herzschrittmacher. Heute ist die 15 Schrittmachertherapie eine der erfolgreichsten Therapien in der Herzmedizin. In Deutschland werden jährlich mehr als 60 000 Schrittmacher eingesetzt. Wer bekommt einen Herzschrittmacher? Das Einsetzen des Herzschrittmachers soll die durch den langsamen Herzschlag bedingten Beschwerden wie die wiederholte Bewusstlosigkeit bei Walter R. beseitigen. Ferner soll die elektrische Stimulation des Herzschrittmachers den Patienten vor einem anhaltenden, möglicherweise tödlichen Herzstillstand bewahren und so seine Lebenserwartung verlängern. Das bedeutet, dass Patienten auch ohne Beschwerden einen Herzschrittmacher erhalten, wenn bei ihnen in naher Zukunft ein Herzstillstand zu befürchten ist. Ein Schrittmacher ist bei Patienten mit krankhaft langsamen Herzschlägen, d.h. länger dauerndem Absinken der Herzfrequenz unter 40 Schläge pro Minute (Bradykardie) oder bei Pausen über fünf Sekunden (Asystolie), angezeigt, wenn sie durch Krankheit bedingt sind. Wir wissen, dass viele Menschen, insbesondere Leistungssportler, einen langsamen Herzschlag haben. Niemand würde ihnen einen Herzschrittmacher empfehlen, da dieser langsame Herzschlag Folge ihres körperlichen Trainings und nicht Folge krankhafter Veränderungen ist. Ein Herzschrittmacher ist nur bei krankhaft niedrigem Herzschlag nötig. Dabei ist zu klären, ob der langsame Herzschlag Folge einer kurzfristigen heilbaren Erkrankung (z. B. Schilddrüsenunterfunktion) ist oder dauernd bestehen bleiben wird. 16 Im ersten Fall ist die Erkrankung, die den langsamen Herzschlag verursacht, zu behandeln. Häufig wird dann der Herzschrittmacher überflüssig. In den übrigen Fällen sollte der Patient einen Herzschrittmacher erhalten. Typische Beschwerden für einen krankhaft langsamen Herzschlag sind kurzfristige Bewusstlosigkeiten, Schwindel und eine verminderte körperliche Belastbarkeit. Manche Patienten mit langsamen Herzschlägen oder Pausen haben erhebliche Beschwerden, andere wenige oder gar keine. Der Nachweis eines langsamen Herzschlags erfolgt bei andauernden Störungen mit dem Ruhe-EKG und bei vorübergehenden Störungen mit einem Ereignis- oder Monitor-EKG. Leitungsstörungen im Bereich des Sinusknotens oder des AV-Knotens machen in Verbindung mit Beschwerden eine Schrittmacherversorgung erforderlich. Da vor allem krankhafte Leitungsblockierungen im Bereich des AV-Knotens einen anhaltenden Herzstillstand zu Folge haben können, erhalten Patienten mit Leitungsblockierungen im AV-Knoten frühzeitig einen Herzschrittmacher – auch wenn sie noch beschwerdefrei sind. Ein Teil der Patienten mit dauernd unregelmäßigen Herzschlägen infolge schneller, aber ineffek- tiver elektrischer Entladungen im Vorhof, sogenanntes Vorhofflimmern, kann zusätzlich eine verzögerte Leitung im Reizleitungssystem auf die Kammer und dadurch langsame, unregelmäßige Kammerherzschläge haben. Wenn diese langsamen Herzschläge zu Beschwerden wie Schwindel oder zu unzureichender Belastbarkeit führen, sollte der Patient einen Herzschrittmacher erhalten. Ein Schrittmacher ist auch angezeigt bei bestimmten selten vorkommenden Erkrankungen (z. B. hypersensitives Karotis-Sinus-Syndrom). Welche Schrittmachertypen gibt es? Seit der erste Schrittmacher im Jahr 1959 eingesetzt wurde, sind verschiedene Schrittmachertypen entwickelt worden. Alle Herzschrittmachersysteme haben gemeinsam, dass sie sich aus einer Sonde und dem Schrittmacheraggregat zusammensetzen. Die Schrittmachersonde ist ein isoliertes Kabel mit Elektroden an der Spitze, die die Impulse von dem Schrittmacheraggregat zum Herzen und die Herzsignale zum Schrittmacheraggregat leiten. Das Kabel wird über eine große Körpervene in die rechte Herzkammer eingeführt und dort verankert. Damit die Schrittmachersonde an der gewünschten Stelle im Herzen bleibt, hat die Schrittmachersonde an der Spitze entweder eine Silikonversteifung, die sich wie ein Anker in den Muskeln der rechten Herzkammer festsetzt, oder eine kurze Schraube, die in den Herzmuskel hineingedreht wird. Einkammersystem heißt die Kombination von einer Kammersonde mit dem entsprechenden Schrittmacheraggregat. Das Einkammersystem stellt zwar die ausreichende Kammerfrequenz (Herzschlag- folge) sicher. Der Nachteil dieses Systems ist, dass es nicht immer das Zusammenspiel zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern wiederherstellt. Das ermöglicht ein Zweikammerschrittmacher, der an zwei Sonden angeschlossen ist, von denen eine im rechten Vorhof und die andere in der rechten Herzkammer plaziert ist. Heutige Herzschrittmacher bestehen im wesentlichen aus elektrischen Schaltkreisen, einer Lithiumbatterie, die im Durchschnitt Laufzeiten von sieben bis zehn Jahren erreicht, und den Konnektoren zur Befestigung der Schrittmachersonde. Die elektrischen Schaltkreise steuern die Zeitfolge der elektrischen Impulse. Dabei lassen sie dem natürlichen Herzschlag den Vortritt. Nur wenn dieser zu langsam ist, setzen sie einen Impuls. Die individuelle Einstellung der zahlreichen Schrittmachersteuergrößen ist bei jedem Patienten Voraussetzung für die optimale Arbeitsweise des Schrittmachers. Moderne Schrittmacher haben zusätzlich zahlreiche Speicher, mit denen sie den Herzrhythmus und wichtige Rhythmusereignisse aufzeichnen. Ein Buchstabencode beschreibt die verschiedenen Schrittmachertypen: Der erste Buchstabe gibt den Ort der Stimulation, der zweite den Ort der Wahrnehmung und der dritte die Arbeitsweise an. Am häufigsten sind VVI- und DDD-Schrittmacher. Ein VVI-Schrittmacher stimuliert in der Kammer (Ventrikel), nimmt in der Kammer (Ventrikel) wahr, und die Eigenaktion inhibiert (hemmt) die Stimulation. Der DDD-Schrittmacher stimuliert im Vorhof und in der Kammer (dual), nimmt wahr im Vorhof und in der Kammer (dual) und dies kann die Stimulation auslösen oder hemmen (dual). 17 Nach Einsetzen des Zweikammerschrittmachers: Der Schrittmacher erkennt den Vorhofrhythmus und stimuliert mit der gleichen Frequenz die Herzkammern, auch wenn der AV-Knoten blockiert ist. Langzeit-EKG von Walter R. während der erneuten Bewusstlosigkeit: Der EKGStreifen zeigt eine vorübergehende höhergradige Blockierung im AV-Knoten. Biventrikulärer Schrittmacher In den letzten Jahren wurde die Schrittmachertherapie weiterentwickelt. Dabei geht es nicht mehr allein darum, den langsamen Herzschlag zu beschleunigen, sondern bei Patienten mit Herzschwäche den Blutfluss im Herzen zu verbessern und die Herzkraft zu stärken (kardiale Resynchronisationstherapie). Kandidaten für solche biventrikulären Schrittmacher sind Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche, die trotz optimaler Behandlung mit herzwirksamen Medikamenten weiterhin Beschwerden wie Luftnot bei leichter bis mäßiger Belastung haben. Ungefähr 5 – 20 % dieser Patienten zeigen eine verzögerte elektrische Erregungsausbreitung im Herzen. Das zeigt sich im EKG, wo ein bestimmter Teil der elektrischen Herzkurve, nämlich der QRS-Komplex, deutlich verbreitert ist. Bei diesen Patienten ist das Zusammenspiel zwischen den bei18 den Hauptkammern gestört und dadurch die Auswurfleistung des Herzens vermindert. Die Schrittmachertherapie stellt das Zusammenspiel wieder her, indem speziell zu diesem Zweck entwickelte Schrittmachersonden über die Herzvenen an der Seitenwand des linken Herzens plaziert werden. Die feinen Sonden verankern sich in der Gefäßwand. Sie werden in Verbindung mit einer Sonde im rechten Vorhof und einer in der rechten Hauptkammer an einen Dreikammerschrittmacher angeschlossen. Dadurch lassen sich zeitgleich beide Seiten der linken Herzkammer erregen, so dass sie sich wieder zeitgleich zusammenziehen. Wenn Patienten einen biventrikulären Schrittmacher erhalten haben, berichten die meisten über weniger Atemnot und bessere körperliche Belastbarkeit. Neuere Studien zeigen, dass die biventrikulären Schrittmacher das Leben der Patienten verlängern können. Der obere EKG-Streifen zeigt einen Vorhofextraschlag, dem eine Pause und dann eine schnelle Vorhofrhythmusstörung folgt. Im unteren EKG-Streifen hat der Patient einen Herzschrittmacher erhalten, der nach Auftreten des Vorhofextraschlags den Vorhof stimuliert und das Auftreten der Vorhofrhythmusstörung verhindert. Leben mit dem Herzschrittmacher Der Schrittmacher wird unter lokaler Betäubung rechts- oder linksseitig im Bereich des großen Brustmuskels eingesetzt, da in diesem Bereich große Venen verlaufen, über die sich die Sonden zum Herzen einführen lassen. Nach rund zehn Tagen werden die Fäden entfernt. Dann nimmt der Patient seinen üblichen Lebensstil wieder auf. Der Arm, an dem der Schrittmacher eingesetzt wurde, sollte für etwa zwei Wochen nicht über Brusthöhe gehoben werden. Komplikationen beim Einsetzen des Schrittmachers sind selten. Die Sonde, die den Impuls zum Herzen leitet, kann verrutschen. Dann ist ein zweiter Eingriff nötig, um sie an den richtigen Ort zu bringen. Noch seltener sind Blutergüsse oder Infektionen, die ebenfalls einen Zweiteingriff erforderlich machen können. Regelmäßige Kontrollen sind unbedingt einzuhalten, um den Ladestand der Batterie zu prüfen, die Schrittmacherspeicher abzufragen und um festzustellen, ob die Schrittmachereinstellung weiterhin für den Patienten optimal ist. Dafür sind niedergelassene Kardiologen oder die Schrittmacherambulanz des jeweiligen Krankenhauses zuständig. Voraussetzung für die fachgerechte Kontrolle ist ein auf den jeweiligen Schrittmacher zugeschnittenes Programmiergerät. Mit Hilfe elektrischer Impulse lässt sich damit der Schrittmacher abfragen und umstellen. Der Schrittmacher wird bei Entlassung aus dem Krankenhaus, ein bis drei Monate nach dem Einsetzen und danach in Abständen von sechs bis zwölf Monaten kontrolliert. Bei beginnender Batterieerschöpfung verkürzen sich diese Abstände. 19 I II III aVR aVL aVF Linkes EKG: Vor Einsetzen eines Schrittmachers hatte der Patient einen Linksschenkelblock mit deutlicher Verbreiterung des Kammerkomplexes. Rechtes EKG: Nachdem der Zweikammerschrittmacher eingesetzt worden war, ist der Schrittmacherimpuls vor der Herzaktion zu sehen, wobei der Kammerkomplex schmaler geworden ist. Störungen von außen, die den Schrittmacher beeinflussen, sind selten. Seit der Verwendung moderner Sonden kommt es nur ganz vereinzelt zu Störungen wie mit externen elektromagnetischen Wellen. Eine potentielle Störquelle kann ein mobiles Telefon (Handy) bei älteren und, sehr selten, bei neueren Schrittmachern sein. Trotzdem sollte vor der Verwendung eines Handys der Arzt gefragt werden, der den Schrittmacher regelmäßig kontrolliert. Dasselbe gilt bei der Verwendung anderer elektrischer Geräte in unmittelbarer Nähe des Schrittmachers. Manchmal wollen Patienten sich einen Schrittmacher nicht einsetzen lassen, weil sie Angst haben, nicht mehr sterben zu können. Diese Angst beruht auf einem Missverständnis: Der Schrittmacher kann nur die elektrischen Taktgeber im Herzen ersetzen, aber nicht das Herz. 20 Andere Patienten haben Angst vor dem Schrittmacher, weil sie meinen, dass dann ihr Leben von dem technischen Funktionieren eines Geräts abhängt. Diese Angst ist unbegründet: Heutige Schrittmacher garantieren eine sehr hohe Sicherheit. Plötzliches Versagen eines Schrittmachers ist eine absolute Rarität. Hinzu kommt, dass nahezu alle Patienten noch einen langsamen eigenen Herzrhythmus haben, der ausreicht, das Überleben zu sichern. Die Erfahrungen von Patienten, die mit einem Schrittmacher leben, sind sehr positiv, zumal sich die Beschwerden, die ein zu langsamer Herzrhythmus verursacht hat, wie Schwindel und Schwäche, rasch bessern. Walter R. hat seit dem Einsetzen des Herzschrittmachers keine Bewusstlosigkeit mehr erlebt, ist im Alltag wieder leistungsfähig und spielt gern und völlig beschwerdefrei mit seinen Enkeln Fußball. Gutartiges Herzjagen PD Dr. med. Paulus Kirchhof, Prof. Dr. med. Günter Breithardt, Medizinische Klinik und Poliklinik C (Kardiologie und Angiologie), Universitätsklinikum Münster Annette A., 28 Jahre alt, leidet seit etwa 2 1/2 Jahren an immer wiederkehrenden Anfällen: Plötzlich, wie angeschaltet, beginnt ihr Herz zu rasen, ihr wird schwindlig und der Kopf dröhnt, als würde er platzen. Die ersten Anfälle konnte sie noch durch kleine Tricks selbst beenden, etwa indem sie ein Glas kaltes Wasser schnell trank oder tief einatmete. Inzwischen wartet sie jedoch – manchmal eine Stunde lang – liegend darauf, dass der Anfall aufhört. Aus Angst vor den Anfällen, die ohne Vorwarnung beginnen, hat sie aufgehört Auto zu fahren. Jeder von uns kennt Situationen, in denen sein Herz rasend bis zum Hals klopft, etwa nach einem Langstreckenlauf oder vor dem ersten Kuss. Dieses Herzjagen ist Ausdruck der normalen Funktion des Herzens, das bei Anstrengung oder Aufregung schneller schlägt und mehr Blut pumpt. Einige Menschen, in Deutschland wahrscheinlich mehrere hunderttausend, leiden jedoch wie Annette A. an anfallsartigem Herzjagen. Die in diesem Beitrag beschriebenen Formen von Herzjagen sind in der Regel nicht lebensgefährlich, deswegen gelten sie als gutartig. Für die Betroffenen sind die Anfälle jedoch oft mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität verbunden. So sind Menschen während eines Anfalls oft fahr- und arbeitsunfähig, einige werden ohnmächtig, und das unberechenbare Auftreten der Anfälle schränkt den Alltag deutlich ein. Die Unterscheidung zwischen einer Neigung zu Herzjagen und dem physiologischen schnellen Herzschlag unter Belastung ist oft schwierig. Es gibt deshalb auch immer wieder Patienten, bei denen eine Neigung zu gutartigem Herzjagen erst nach langer Zeit erkannt und richtig behandelt wird. In den folgenden Absätzen sollen zunächst das Er- kennen von gutartigem Herzjagen und danach die verschiedenen Möglichkeiten seiner Behandlung erläutert werden. Wie kann ich gutartiges Herzjagen erkennen? Die Diagnose von gutartigem Herzjagen ruht auf drei Säulen: Zunächst ist eine genaue Kenntnis der Anfälle wichtig. Hierfür helfen Ihre Angaben über die Symptome während des Anfalls dem Arzt erheblich weiter. Wenn die Anfälle plötzlich beginnen und plötzlich enden, einige Minuten andauern, nicht von bestimmten Situationen abhängen, typischerweise einige Stunden nach Belastung auftreten, durch Manöver wie Trinken eines Glases kalten Wassers, Schlucken, in den Bauch Pressen, tiefes Atmen, seltener auch durch akrobatische Manöver wie Handstand beendet werden können, wenn das Herz während eines Anfalls regelmäßig schlägt und dabei Schwindel, ein Druck auf der Brust, ein großer, dicker Kopf und leichte Übelkeit verspürt werden, so spricht das für ein gutartiges, behandelbares Herzjagen (s. Tab. 1, S. 24). Die Herzschlagfolge (Herzfrequenz) liegt zwischen 140 und 220, meist bei 160 bis 180 Schlägen pro Minute. Häufig ist die Herzfrequenz so hoch, dass der Puls praktisch kaum noch fühlbar ist. Die zweite Säule der Diagnose von gutartigem Herzrasen ist das von einem erfahrenen Arzt beurteilte Elektrokardiogramm (EKG), das sowohl in Ruhe als auch möglichst während eines Anfalls aufgezeichnet werden sollte. Die Aufzeichnung eines EKG während eines Anfalls ist oft schwierig. Wenn Sie selbst an Herzjagen leiden und schon einmal mit einem Anfall beim Arzt oder in einem Kranken21 haus waren, existiert dort oft ein EKG während des Anfalls. Dieses sollte bei weiteren Beratungen immer, notfalls als Fotokopie, vorliegen. Einige Formen von gutartigem Herzjagen lassen sich nämlich im EKG nur während des Anfalls erkennen. Die dritte Säule, auf die sich die Diagnose gutartiges Herzjagen stützt, ist schließlich der Ausschluss von anderen Erkrankungen des Herzens und die Unterscheidung von potentiell lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen. Dazu können manchmal aufwendige Untersuchungen notwendig sein, insbesondere bei älteren Patienten, wenn zusätzlich zum Herzjagen ein Schmerz im Brustkorb bei Anstrengung oder eine zunehmende Atemnot bei leichteren Belastungen bemerkt werden, oder wenn ein Patient schon einmal bewusstlos gewesen ist. Kann man gutartiges Herzjagen behandeln? Gutartiges Herzjagen ist heute in den meisten Fällen heilbar. In leichten Fällen, d. h. bei eher selten auftretendem, nicht sehr störendem Herzjagen, genügt oft das Erlernen von Techniken, um das Herzjagen zu unterbrechen (s. Tab. 2, S. 24). Es stehen auch Medikamente zur Verfügung, die nebenwirkungsarm die Anfälle in fast allen Fällen beenden können. Während die zuverlässigsten Medikamente direkt in die Blutbahn abgegeben werden müssen und damit in der Regel nur einem Arzt zur Verfügung stehen, gibt es auch Tabletten, die Anfälle von Herzjagen beenden können – jedoch nur in wenigen Fällen und mit einiger Verzögerung. Da diese Medikamente gegen Herzjagen Nebenwirkungen haben können, sollten sie nur eingenommen werden, wenn ein Arzt sie verordnet. Oft stellt sich jedoch nach einiger Zeit heraus, dass die Medikamente nicht mehr oder nicht immer wirken. Wenn die Anfälle starke Beschwerden verursachen, sich häufen oder nur noch schwer zu beenden sind, wird man versuchen, die Anfälle dauerhaft zu verhindern. Herzjagen lässt sich in einigen Fällen durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten, sogenannter Antiarrhythmika, unterdrücken. In vielen Fällen ist es jedoch heutzu22 tage möglich, die Ursache von gutartigem Herzjagen in einer speziellen Herzkatheteruntersuchung, der sogenannten elektrophysiologischen Untersuchung, zu erkennen und durch die sogenannte Hochfrequenz-Katheterablation dauerhaft zu beheben. Um die Behandlung des gutartigen Herzjagens zu verstehen, lohnt es sich, die verschiedenen Formen von gutartigem Herzjagen näher zu erläutern. Hierzu ist es hilfreich, den normalen Ablauf eines Herzschlags zu verstehen: Die normale Erregung des Herzens Bei jedem Herzschlag wird das Herz durch einen kleinen elektrischen Strom erregt, der bewirkt, dass sich die Herzmuskelzellen zusammenziehen. Dieser Strom entsteht im sogenannten Sinusknoten, dem Schrittmacher des Herzens (s. Abb. 1, S. 25). Von dort aus fließt der Strom durch die beiden Vorhöfe zum sogenannten Atrioventrikular-Knoten, kurz AV-Knoten, der einzigen elektrisch leitenden Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern. Der AV-Knoten verzögert den Stromfluss, bevor der Strom aus dem AV-Knoten heraus die beiden Kammern des Herzens erregt. Der Strom endet in den Kammern, und das Herz wartet auf den nächsten Impuls aus dem Sinusknoten. Wie entsteht gutartiges Herzjagen? Einige Formen von gutartigem Herzjagen werden dadurch ausgelöst, dass neben dem Sinusknoten noch andere Bezirke des Herzens in schneller Folge Stromstöße abgeben, die wie der Sinusknoten das Herz erregen. Es sind sogenannte ektope, d. h. am falschen Ort gelegene Schrittmacher. In den meisten Fällen wird gutartiges Herzjagen jedoch durch eine zusätzliche elektrische Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern verursacht. In bestimmten Situationen kann der Strom, der über die eine Verbindung vom Vorhof in die Kammer fließt, über die andere Verbindung wieder zurück in den Vorhof gelangen und dann in einem Kreislauf unaufhörlich zwischen Vorhof und Kammer kreisen (kreisende Erregung). Jedes Mal, wenn der Strom durch die Kammer fließt, schlägt diese, und das Herz rast. Diese zusätzliche Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern kann entweder direkt im AV-Knoten (doppelt leitender AV-Knoten) oder an einer anderen Stelle des Herzens (akzessorische Leitungsbahn) liegen (Abb. 2, S. 25). Andere Formen von Herzrasen entstehen durch kreisende Erregungen in den Herzvorhöfen, z. B. das sogenannte Vorhofflattern. Tab. 1: Fragen, die helfen, Anfälle von Herzjagen besser einzuordnen: Wann war der erste Anfall? Wann war der letzte Anfall? Wie oft treten die Anfälle auf (täglich, wöchentlich, monatlich)? Wie beginnen die Anfälle (plötzlich/allmählich)? Beginnen die Anfälle im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen oder erst in einem zeitlichen Abstand dazu (z.B. Aufregung, Anstrengung, Schlaf)? Wie oft schlägt das Herz während des Anfalls pro Minute? Ist der Puls schwer zu tasten? (Fühlen Sie Ihren Puls!) Schlägt der Puls während des Anfalls regelmäßig oder unregelmäßig? Wie lange dauern die Anfälle? Was spüren Sie während des Anfalls (Druck auf der Brust, Atemnot, Schwindel, Übelkeit, ein Gefühl, als ob der Kopf platzt o. Ä.)? Wie enden die Anfälle (plötzlich/allmählich)? Können Sie die Anfälle durch Manöver oder Tricks selbst beenden? Wenn ja, durch welche? Können die Anfälle durch Medikamente beendet werden? Sind Sie schon einmal bewusstlos geworden? Wenn ja, haben Sie davor Herzjagen gespürt? Haben Sie Verwandte, die an Herzjagen oder anderen Herzrhythmusstörungen leiden? Tab. 2: Techniken, mit denen gutartiges Herzjagen beendet werden kann. Bewahren Sie die Ruhe. Sie wissen, dass es unangenehm, aber nicht gefährlich ist. Empfohlene Techniken Schnelles Trinken eines Glases kalten Wassers Tief einatmen, Luft anhalten und eine Bauchpresse machen (d. h. das Zwerchfell und die Bauchmuskeln anspannen) Eiswasser ins Gesicht spritzen Luft anhalten Gelegentlich empfohlene, aber unter Umständen gefährliche Techniken Massage der Halsschlagadern (Vorsicht, hierbei kann ein Schlaganfall verursacht werden) Druck auf die Augäpfel 24 Vorhöfe Sinusknoten Kammern AV-Knoten Abb. 1: Normaler Erregungsablauf des Herzens. Vom Sinusknoten geht ein elektrischer Impuls aus, der über die Vorhöfe den AV-Knoten erreicht. Von dort aus wird der Impuls nach einer Verzögerung in die Kammern weitergeleitet. Nach vollständiger Erregung der Kammern versiegt der Impuls, das Herz wartet auf den nächsten. Sinusknoten AV-Knoten zusätzliche Verbindung (akzessorische „Leitungsbahn“) Sinusknoten doppelt leitender AV-Knoten Abb. 2: Zwei Beispiele für eine zusätzliche Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern, die zu gutartigem Herzjagen führen kann. Oben: zusätzliche Leitungsbahn. Links: doppelt leitender AV-Knoten. In beiden Fällen kann der Strom über die zweite Verbindung von den Kammern in die Vorhöfe zurückfließen und unter bestimmten Umständen zu einer kreisenden Erregung führen. Dadurch entsteht Herzjagen. Was passiert bei einer elektrophysiologischen Untersuchung? Die Ursache für gutartiges Herzjagen kann man in vielen Fällen nur durch eine spezielle Katheteruntersuchung, die sogenannte elektrophysiologische Untersuchung (EPU), feststellen, bei der die Ströme, die durch das Herz fließen, direkt analysiert werden. Bei dieser Untersuchung werden dünne Kabel mit einer elektrisch leitenden Spitze, sogenannte Elektrodenkatheter, über die Leistenvenen oder die Armvenen zum Herzen vorgeschoben. Die Einstichstelle in der Leiste wird örtlich betäubt. Das Vorschieben der Katheter zum Herzen und ihre Plazierung während der Untersuchung sind in aller Regel nicht schmerzhaft. Mit mehreren Kathetern wird die Ausbreitung der elektrischen Erregung im Herzen gemessen (Abb. 3 a, S. 26). Durch eine kurze Stromabgabe über die Katheter (nicht schmerzhafte, elektrische Impulse) kann das Herz zum schnelleren Schlagen gebracht werden (elektrische Stimulation des Herzens). So kann gutartiges Herzjagen hervorgerufen werden. Während das Herz rast, können für das Herzjagen verantwortliche Strukturen erkannt werden wie z. B. zusätzliche Leitungsbahnen, ein doppelt leitender AV-Knoten oder Schrittmacherzentren am falschen Ort. Es kann auch zwischen gutartigem und potentiell gefährlichem Herzjagen unterschieden werden. Das während der Untersuchung ausgelöste Herzjagen kann durch die Abgabe nicht spürbarer, elektrischer Impulse über die Katheter beendet werden. 25 Abb. 3 b Abb. 3 a Katheter im Vorhofohr Ablationskatheter Ablationskatheter Katheter im Koronarsinus Katheter im Koronarsinus Katheter in der Spitze der rechten Herzkammer Abb. 3 a (links): Typische Lage der Katheter im Herzen bei einer Katheterablation einer zusätzlichen Leitungsbahn in der üblichen Röntgendurchleuchtung. Die Abbildung zeigt einen Katheter, der in der großen Herzvene (dem sogenannten „Coronarsinus“) liegt, und einen weiteren Katheter, mit dem Hochfrequenzenergie zur Ablation abgegeben werden kann. Die Katheterspitze liegt an der Mitralklappe direkt auf der zusätzlichen Leitungsbahn (der „Kurzschlussverbindung“) kurz vor Abgabe der Hochfrequenzenergie. Abb. 3 b (rechts): Darstellung der gleichen Katheter wie im linken Bild mit einem nicht-fluoroskopischen Katheterlokalisationssystem (LocaLisa®), mit dem die Katheterpositi- Neuartige Mappingsysteme Die Positionierung der Katheter bei der elektrophysiologischen Untersuchung erfolgt zumeist unter Kontrolle mit Röntgenstrahlen. Seit Mitte der 90er Jahre stehen sogenannte Mappingsysteme zur Verfügung, die die Position von elektrophysiologischen Kathetern im Herzen durch die Messung von sehr kleinen Strom- oder Magnetfeldern messen und auf einem Computerbildschirm darstellen können. Mit solchen Systemen kann die Position der Katheter während der Untersuchung ohne Röntgenstrahlen dargestellt werden (Abb. 3 b, 4). Dies hilft, Röntgenstrahlen zu sparen. Zudem kann durch die Kombination der gemessenen elektrischen Daten von der Katheterspitze und der Position der Katheter die Erregungsausbreitung während des Herzjagens präzise am Computerbildschirm dargestellt und analysiert werden. Diese technisch aufwendigen Systeme tragen schon heute dazu bei, dass Katheterablationen und elektrophysiologische Untersuchungen schonender, d. h. 26 on während der Untersuchung ohne Röntgenstrahlen in Echtzeit dargestellt werden kann. Die nicht-fluoroskopische Darstellung erfolgt nicht nur ohne Röntgenstrahlen, sie ermöglicht auch eine dreidimensionale Darstellung der Katheterposition. Es gibt inzwischen mehrere solcher Systeme (vgl. Abb. 4). Augenblicklich werden aus Sicherheitsgründen während der Untersuchung zusätzlich zu solchen Katheterlokalisationssystemen Röntgenstrahlen eingesetzt. Die Katheterlokalisationssysteme helfen jedoch, die Röntgenstrahlenbelastung deutlich zu senken. Vielleicht ist es in Zukunft möglich, durch den Einsatz solcher Systeme vollständig auf Röntgenstrahlen bei der Katheterablation zu verzichten. unter weniger Verwendung von Röntgenstrahlen, durchgeführt werden können. Außerdem ermöglicht die Darstellung der Erregungsausbreitung am Computer in vielen Fällen eine Katheterablation auch bei seltenen, schwierig zu verstehenden Formen von gutartigem Herzjagen, die z. B. nach Herzoperationen oder bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern auftreten können. Einige Systeme erlauben schon heute, die Katheterpositionen auf ein zuvor angefertigtes Bild des Herzens (z. B. eine Computertomographie oder Magnetresonanztomographie des Herzens) zu projizieren. Dies soll schwierige Katheterablationen noch einfacher und sicherer machen. Was ist eine HochfrequenzKatheterablation? Während der elektrophysiologischen Untersuchung können durch eine Erwärmung der Katheterspitze mit Hochfrequenzstrom kleinste Areale des Herzens gezielt verödet, auf lateinisch abladiert, werden. Durch diese Technik, die sogenannte Hochfrequenz-Katheterablation, gelingt es in den meis- Abb. 5: Vergrößerte Ansicht eines Katheters für die Katheterablation. Abb. 4: Computergestützte Darstellung der kreisenden Erregung während Vorhofflatterns mit dem CARTO ®System. ten Fällen, zusätzliche Verbindungen zwischen Vorhof und Kammern und Schrittmacherzentren am falschen Ort gezielt zu zerstören. Dadurch kann die endgültige Heilung von plötzlichem Herzjagen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erreicht werden. Seit der Einführung dieser Methode vor rund 15 Jahren konnten schon viele tausend Patienten vollständig von ihrer Neigung zum Herzjagen geheilt werden. Neben der Hochfrequenz-Katheterablation werden in sehr seltenen Fällen auch andere Energiequellen, z. B. Kälte, zur Ablation von gutartigem Herzjagen eingesetzt. len die spezifischen Risiken nicht unerwähnt bleiben: Für die Plazierung der Katheter sind Röntgenstrahlen erforderlich. Das bedeutet eine Strahlenbelastung. Außerdem kann es zu Blutergüssen an den Stellen kommen, an denen Katheter in Blutgefäße eingeführt werden. Durch die Verödungen (Ablation) können in sehr seltenen Fällen der Herzmuskel oder die Blutgefäße an Stellen geschädigt werden, die nicht Ziel der Ablationsbehandlung sind. Dies kann dazu führen, dass ein Herzschrittmacher oder eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt werden muss. Auch sind in seltenen Fällen Schlaganfälle beobachtet worden. Insgesamt ist die Gefahr ernsthafter Komplikationen so gering, dass die Katheterablation die Behandlung der ersten Wahl für die meisten Formen von gutartigem Herzrasen darstellt. Ist die Katheterablation schmerzhaft? Ist die Katheterablation gefährlich? Die Katheterablation ist eine invasive Maßnahme, d. h. man muss oft mehrere Katheter ins Herz einführen, und daher ist dieses Verfahren nicht ohne Risiken. Das Gesamtrisiko ist klein. Dennoch sol- Die Verödung mit Hochfrequenzstrom kann zu unangenehmen Brennen in der Brust, manchmal auch zu Brustschmerzen führen. Daher erhält der Patient in der Regel vor der Ablation sowohl ein Beruhigungs- wie ein Schmerzmittel. 27 Gibt es Medikamente, die das Auftreten von Herzjagen verhindern können? Das Auftreten von Herzjagen kann in einigen Fällen durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten verhindert werden. Diese Medikamente (z. B. Betablocker, Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ, Natriumkanalblocker und Kaliumkanalblocker) wirken, indem sie die Leitung der elektrischen Erregung zwischen Vorhof und Kammer verlangsamen oder kurzzeitig unterbinden, oder indem sie die falschen (ektopen) Schrittmacherzentren hemmen. In einigen Fällen gelingt es, die Anfälle vollständig zu unterdrücken, in anderen Fällen werden die Anfälle durch die Medikamentenwirkung seltener, kürzer und erträglicher. Wie bei der Katheteruntersuchung müssen Nutzen und Risiken der Medikamentenbehandlung im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Die oben erwähnten Manöver zur Beendigung eines Anfalls von Herzjagen (s. Tab. 2, S. 24) wirken übrigens ähnlich wie die Medikamente, die Herzjagen beenden: Durch tiefes Atmen oder das Trinken von kaltem Wasser werden bestimmte Nerven, insbesondere der sogenannte Vagus, angeregt. Dadurch kommt es zu einer kurzzeitigen Verlangsamung, eventuell sogar zur Unterbrechung der Erregungsleitung im AV-Knoten und letztendlich zur Beendigung des Herzjagens. Zusammenfassung Gutartiges Herzjagen ist eine relativ häufige Herzrhythmusstörung, die durch die genaue Kenntnis der Anfälle und des Elektrokardiogramms in Ruhe und während eines Anfalls vom normalen schnellen Herzschlag während Anstrengung oder Aufregung und von anderen Herzrhythmusstörungen in der Regel unterschieden werden kann. In manchen Fällen ist es dagegen erst durch eine elektrophysiologische Herzkatheteruntersuchung möglich, gutartiges von gefährlichem Herzjagen zu unterscheiden. Wenn gutartiges Herzjagen festgestellt wird, ist es durch eine Hochfrequenz-Katheterablation oft möglich, die Ursache des Herzjagens dauerhaft zu beseitigen. Diese Maßnahme ist sinnvoll und notwendig, wenn die Anfälle häufiger auftreten und/oder mit erheblichen Beschwerden einhergehen. Alternativ oder beim sehr seltenen Nichtgelingen der Ablation kann eine dauerhafte Medikamenteneinnahme zur Verhinderung oder Linderung der Beschwerden erwogen werden. In leichten Fällen genügt es manchmal, Techniken zu erlernen, die die Anfälle beenden, oder Medikamente zur Beendigung mit sich zu führen. Die Beschwerden, unter denen Annette A. leidet, lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine Hochfrequenz-Katheterablation beheben, dann kann sie auch wieder Auto fahren. Das Stolperherz: Extrasystolen Prof. Dr. med. Dr. h.c. Berndt Lüderitz, Bonn Im Jahre 1713 publizierte Valentini in der von ihm in Frankfurt herausgegebenen Medicina novantiqua ein „Schema pulsuum“. In Form eines Notenblattes ist folgendes zu erkennen: Der gleichmäßige Puls (Pulsus aequalis) und der ungleichmäßige Puls (Pulsus inaequalis); der tanzende oder hüpfende Puls, der am ehesten das Stolperherz repräsentiert (Pulsus caprizans, eigentlich: launenhaft, eigenwillig) und schließlich der doppelschlägige Puls, der Pulsus dicrotus. Herzstolpern heißt in der medizinischen Fachsprache Palpitation und bedeutet eigentlich Herzzucken, Herzklopfen. Umgangssprachlich werden auch die Bezeichnungen Herzkasper oder Herzklabastern und ähnliches verwendet. Äußerungen wie „Mir blieb vor Schreck das Herz stehen.“; „Vor Angst (oder Freude) schlug mir das Herz bis zum Halse.“ zeigen, wie sehr das Stolperherz in allen Varianten im Volksmund verbreitet ist. So kann das Herz auch im Volkslied wie in der Dichtkunst klopfen und schlagen, hämmern und pochen, flimmern und flattern, zittern und stocken und sogar stehenbleiben. Dabei handelt es sich stets um das unangenehme Bewusstwerden der eigenen Herzaktionen, wie es sowohl bei Gesunden wie bei Herzkranken beobachtet werden kann. Insgesamt können die subjektiv empfundenen Herzaktionen bei Herzklopfen sowohl verlangsamt, beschleunigt oder unregelmäßig sein. Sie sind prinzipiell nur sicher zu interpretieren, wenn sie durch eine Herzstromkurve, ein Elektrokardiogramm, aufgezeichnet wurden. Herzstolpern wird nach Extraschlägen aus den Herzvorhöfen oder – häufiger – nach solchen aus den Herzkammern mit verlängerten Pulsabständen gespürt. Vielfach lässt sich die Ursache gar nicht erfassen. Insofern wurde diese Form des Herzstolperns von dem berühmten Rhythmusspezialisten Wenckebach als Unfug der Natur bezeichnet. Zur Geschichte des Stolperherzens Seit alters her beeindruckt wohl kaum ein Symptom den Patienten und den Arzt mehr, als der unregelmäßige Herzschlag. Wie eng Leben und Herzrhythmus zusammenhängen, lässt sich bereits bei Friedrich II., dem „Großen”, erfahren. Wenn er in einem Brief an seine Schwester Wilhelmine, den er als Kronprinz 1738 verfasste, schrieb: „... ich fürchtete Erstickungsanfälle, am meisten aber belästigen mich Schlaflosigkeit und unerträgliches Herzklopfen ...”, dann ist dieses Herzklopfen wohl nicht Folge einer Herzkrankheit, sondern eher Ausdruck einer unsteten, zerrissenen Natur. Obwohl die Messung der Pulse seit dem Altertum in Mitteleuropa allgemein bekannt war, konnte der Puls erst, nachdem die Uhr mit Sekundenzeigern um das Jahr 1700 erfunden worden war, genau gemessen werden. Aber erst Willem Einthoven (1860 – 1927) hat mit der Elektrokardiographie begon29 nen, Herzrhythmusstörungen zu erfassen (Abb. S. 34). 1895 hatte er ein in seinem Labor mit dem Kapillarreflektometer aufgezeichnetes und ein konstruiertes Elektrokardiogramm angegeben, das alle Details heutiger Elektrokardiogramme aufwies (Abb. S. 34). Das konstruierte Elektrokardiogramm zeigte fünf Wellen, für die Einthoven die Bezeichnungen P, Q, R, S, T einführte, die noch heute verwendet werden. 1902 leitete Einthoven erstmals Elektrokardiogramme mit dem Saitengalvanometer ab, wobei er eine sehr gute Übereinstimmung mit den zuvor konstruierten Kurven fand. 1924 erhielt Einthoven für seine Pionierarbeiten über den Mechanismus des Elektrokardiogramms den Nobelpreis. sche Symptom bei Vorhofflimmern, das den Patienten zum Arzt führt (s. Tab. S. 31). Vorhofflimmern gilt als die verbreitetste Rhythmusstörung. Insgesamt ist davon auszugehen, dass etwa 800 000 Patienten in Deutschland an Vorhofflimmern und damit zum großen Teil am Stolperherzen leiden. In der Europäischen Union sind schätzungsweise 4,5 Mio. Menschen von Vorhofflimmern betroffen. Als Ursachen des Vorhofflimmerns sind zu nennen: Herzklappenfehler, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Schilddrüsenüberfunktion, Herzinfarkt und Alkohol. In etwa 10 % der Fälle lässt sich keine Ursache feststellen. Diagnostik des Stolperherzens Ursachen des Stolperherzens Grundlagen des Stolperherzens sind meist Extraschläge aus den Vorhöfen oder Kammern des Herzens (Extrasystolen). Es finden sich auch doppelschlägige Extrasystolen oder Salven wie auch anfallsweise Formen der Pulsbeschleunigung, Herzjagen oder ein (krankhaft) verlangsamter unregelmäßiger Puls. Dieses Herzstolpern kann beim Gesunden auftreten, emotional hervorgerufen durch Stress, Aufregung, Angst, Freude oder Nervosität, aber natürlich auch beim herzkranken Patienten mit koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt, Herzklappenfehler und degenerativen Erkrankungen, bei Schilddrüsenüberfunktion, bei Unfällen und Operationen, bei Kaliummangel und anderen Elektrolytstörungen. Schließlich bei Medikamentenüberdosierung bzw. Vergiftung (z. B. mit Digitalis aus dem Fingerhut) und als Nebenwirkung verschiedener Arzneimittel. Nicht zuletzt können die Genussgifte Alkohol, Koffein und Nikotin zu Extrasystolen und somit zum Stolperherzen führen. Eine weitere wichtige Ursache des Stolperherzens ist das Vorhofflimmern, d.h. das völlig unkoordinierte, unregelmäßige schnelle Zucken der Herzvorhöfe, das zu einem unregelmäßigen Puls mit unterschiedlich langen Pausen führt. Herzstolpern ist mit etwa 75 % das bei weitem häufigste klini30 Am Anfang stehen die Beschwerden (s. Tab., S. 31), die den Patienten zum Arzt führen. Hier stellt sich dann die Frage: Liegt überhaupt eine Rhythmusstörung vor? Die subjektiven Angaben des Patienten und die objektiven Befunde sind also mit Herzrhythmusstörungen in Verbindung zu bringen. Im Einzelnen ist nach Vorhofflimmern, nach Extraschlägen und anderen Rhythmusstörungen zu fahnden, die sich mit dem Begriff Stolperherz bezeichnen lassen. Das Elektrokardiogramm weist in vielen Fällen bereits den Weg zur Diagnose. Das einfache EKG als Dokumentation der Herzrhythmusstörung kann ergänzt werden durch ein Belastungs-EKG, um krankhaft erniedrigte Herzschlagfolgen (z. B. sogenannte pathologische Bradykardie) zu erkennen oder belastungsabhängige Extraschläge, die in den Vorhöfen oder Hauptkammern des Herzens ihren Ursprung haben, zu beurteilen. Die größte Bedeutung bei der Aufklärung von Herzrhythmusstörungen kommt dem 24-Stunden-Langzeit-EKG zu. Da die meisten Herzrhythmusstörungen nur gelegentlich auftreten, wächst die Zahl krankhafter Befunde mit der zeitlichen Dauer der Dokumentation. Vielfach ist in diesem Zusammenhang ein Symptome des Stolperherzens (nach Häufigkeit) Herzklopfen (Palpitationen) Kurzatmigkeit Schwitzen Brustbeschwerden, Druckgefühl Müdigkeit Übelkeit, Kopfschmerzen Angst Schwindel verstärktes Wasserlassen keine Beschwerden (selten) Rhythmusstreifen im EKG hilfreich, d. h. mehrere Minuten währende EKG-Ableitungen mit möglichst gut erkennbaren Vorhoferregungen und niedriger Papiervorschubgeschwindigkeit. Gelingt mit dem Rhythmusstreifen die Diagnose nicht, so ist ein Langzeit-EKG anzufertigen, das in den meisten Fällen dann die Diagnose zulässt. Wenn nicht, ist eine weitergehende Herzdiagnostik eventuell unter Einschluss einer Katheteruntersuchung angezeigt. Sechstel des Krankheitsbildes zu ergründen, d. h. das Grundleiden zu identifizieren, zu behandeln und damit die symptomatische Spitze über Wasser zum Schmelzen zu bringen. Zur Behandlung des Stolperherzens 1. Das durch Extraschläge bedingte Stolperherz ohne zugrundeliegende Erkrankung (eine Ausschlussdiagnose!) braucht nicht behandelt zu werden – es sei denn, heftige Beschwerden erzwingen eine Therapie. Dann kommen z. B. Betablocker in Frage. Sonst ist das Grundleiden der Patienten, z. B. koronare Herzkrankheit, Schilddrüsenerkrankungen, Hochdruck etc. zu behandeln. Nur in hartnäckigen Fällen, wenn die Rhythmusstörung das Leben sehr belastet, können Rhythmusmittel im engeren Sinne verordnet werden, die wegen ihrer möglichen Nebenwirkungen jedoch nicht unkritisch genommen werden sollten. Eine Lebensverlängerung wird dadurch nicht erreicht, häufig aber eine Verbesserung der Lebensqualität. 2. Ist das Stolperherz durch Vorhofflimmern oder eine andere Rhythmusstörung verursacht, so geht es auch hier zunächst darum, die zugrundeliegende Erkrankung zu therapieren. Der Arzt behandelt nicht das EKG, sondern den leidenden Patienten. Dabei sind Herzrhythmusstörungen für sich genommen keine eigene Krankheit, sondern nur Symptom oder Komplikation eines zugrundeliegenden Leidens, das meist eine Herzerkrankung ist. Insofern stellen die Rhythmusstörungen, Extrasystolen ebenso wie Vorhofflimmern und andere Rhythmusstörungen, nur die Spitze des Eisbergs über Wasser dar. Es obliegt dem behandelnden Arzt, die gleichsam unter Wasser liegenden fünf 32 Zugleich sollte jedoch versucht werden, das Vorhofflimmern zu beseitigen und den normalen regelmäßigen Herzrhythmus wiederherzustellen. Dies geschieht elektrisch (z. B. durch Elektroschock von außen oder im Herzen selbst, in besonderen Fällen durch ein Elektroschock-Schrittmachersystem) oder mit Medikamenten, die dann meist auf Dauer eingenommen werden müssen. Ist eine Regularisierung nicht zu erreichen, so sollte durch Rhythmusmittel wenigstens eine annähernd normale Herzschlagfolge zwischen 60 und 90 Schlägen pro Minute wiederhergestellt werden. Wichtig ist bei Vorhofflimmern die blutverdünnende, d. h. gerinnungshemmende Therapie, um Gerinnsel mit nachfolgenden Gefäßverschlüssen (Embolien) zu vermeiden. Die medikamentöse Therapie der Herzrhythmusstörungen (z. B. Extrasystolie und Vorhofflimmern als Ursache des Stolperherzens) setzte – historisch gesehen – erst mit der systematischen Erprobung pflanzlicher Inhaltsstoffe ein. Der französische Arzt Jean-Baptiste Sénac (1693 – 1770) hat bereits 1749 auf die günstige Wirkung des Chinins bei Herzklopfen hingewiesen Pulsanalyse im alten Tibet (17./18. Jahrhundert). Ausschnitt aus einer tibetischen Bildtafel (Thangka) im Hospital für traditionelle tibetische Medizin in Lhasa. Ende des 17. Jahrhunderts wurden in Tibet bereits in höchst differenzierter Weise Pulse gemessen. Auch den unregelmäßigen Herzschlag, das „Herzstolpern“, kannte man bereits. und damit eine Substanz genannt, die später für die Behandlung von Vorhofflimmern eingesetzt wurde, obwohl dieses bitter schmeckende weiße Kristall der Chinarinde seit der Mitte des 17. Jahrhunderts hauptsächlich als Malaria-Mittel verwendet wurde. Das von den Matrosen auf den nach Südostasien fahrenden Schiffen zur Vorbeugung gegen Malaria getrunkene chininhaltige Bitterwasser wurde zur Geschmacksaufbesserung mit Genever und später mit Gin vermischt und entwickelte sich danach zu dem bekannten Gesellschaftsgetränk Gin-Tonic. Zu beobachten war, dass bei den Seefahrern deutlich weniger Herzrhythmusstörungen auftraten. Aber erst 1914 beschrieb Karel Frederick Wenckebach, wie er durch die Gabe von 1 g Chinin Vorhofflimmern beseitigen konnte. 33 Willem Einthoven (1860 – 1927) Tendenzen heute Aufzeichung eines Elektrokardiogramms mit Kapillarelektrometer (oben) und konstruiertes Elektrokardiogramm mit P-, Q-, R-, S- und T-Wellen. Durch Walter Frey wurde dann 1918 das Chinidin, eine chemische Abwandlung des Chinin in die antiarrhythmische Therapie eingeführt. Heute stehen uns zahlreiche moderne, hochwirksame und nebenwirkungsärmere pharmakologische Substanzen und auch elektrische Verfahren zur Verfügung. Das Stolperherz ist daher in den allermeisten Fällen erfolgreich zu kontrollieren – sofern es überhaupt behandlungsbedürftig ist. 34 Immer mehr Menschen sind von Herzrhythmusstörungen betroffen. Entsprechend der veränderten Alterspyramide werden die Menschen älter und ab dem 60. Lebensjahr plagt viele von ihnen Herzstolpern oder ein langsamerer Herzschlag. Doch nicht nur alte Leute leiden an Rhythmusstörungen. Risikofaktoren wie Rauchen, übermäßiger Alkoholgenuss, Stress, Bluthochdruck oder Zuckerkrankheit können auch bei Jüngeren die Symptome auslösen. Der Umgang der Ärzte mit den Rhythmusstörungen wandelt sich. Mehrere Studien haben ergeben, dass es in vielen Fällen besser wäre, mit leichtem Herzstolpern, also dem Stolperherz, unbehandelt zu leben, als potentiell nebenwirkungsbelastete Medikamente dagegen einzunehmen. Im Notfall oder bei schweren Störungen kann man natürlich nicht auf Medikamente verzichten, doch grundsätzlich werden sie auch heute noch zu leichtfertig eingenommen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat ihren Anwendungsbereich eingeschränkt. Ein kritischer Umgang mit diesen Mitteln ist wichtig. Schließlich ist zu bedenken, dass Rhythmusmittel nicht die Ursache des Stolperherzens behandeln, sondern nur gegen die Beschwerden wirken. Eine Herzrhythmusstörung zu heilen, gelingt nur mit einer Therapie, die auf das Grundleiden ausgerichtet ist, das die Herzrhythmusstörung hervorgerufen hat. Am häufigsten: Vorhofflimmern Das vollständig arrhythmische Herz Prof. Dr. med. Michael Oeff, Klinik für Innere Medizin I, Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH, Brandenburg an der Havel Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Wie sie sich beim ersten Auftreten in vielen Fällen äußert, zeigt die Geschichte des 51-jährigen Norbert B. Norbert B. kommt mit seinem anstrengenden Beruf als Klimatechniker gut zurecht. Die Arbeit ist aufreibend, aber er hat Freude daran, und es bleibt ihm auch genug Zeit, Freunde zu treffen, zu joggen und Rad zu fahren: Er ist ein gesunder, lebensfroher, vitaler Typ. Diesen Abend jedoch ist alles anders. Norbert B. fühlt sich plötzlich unruhig und schwach. Sein Herz schlägt heftig bis in den Hals hinauf, und als er die Treppe in seine Wohnung hinaufgeht, spürt er eine ganz ungewohnte Luftnot. Jetzt beginnt er, sich Sorgen zu machen. Was ist los mit seinem Herzen? Es stottert in seinem Brustkorb wie ein Motor mit zu hoher Drehzahl und heftigen Fehlzündungen. Als er sich auf sein Bett legt, wird es nicht besser. Wenn er in sich hineinhorcht, bemerkt er unregelmäßiges Rattern verbunden mit einem leichten Druckgefühl im Brustkorb und Hals. Er tastet nach seinem Puls. Der Puls ist mal kräftig, mal kaum mehr fühlbar. Die Pulsschläge sind völlig unregelmäßig und sehr schnell. Er zählt 142 Schläge in der Minute. Auch in der Nacht normalisiert sich der Herzschlag nicht. Er ist froh, als der Tag anbricht. Wie sich am nächsten Morgen beim Arzt herausstellt, handelt es sich um eine sogenannte Arrhythmia absoluta, nämlich um einen vollständig unregelmäßigen Herzschlag bei Vorhofflimmern. den, steigt mit dem Alter. Bei Menschen unter 50 Jahren liegt die Häufigkeit bei deutlich unter 1 %, bei den über 60-Jährigen liegt sie bei 4 – 6 % und bei den über 80-Jährigen bei 9 – 16 %. Männer sind in jüngeren Jahren häufiger betroffen als Frauen. Weil Frauen länger leben, gibt es jedoch gleich viele männliche wie weibliche Patienten mit Vorhofflimmern. Beschwerden Meistens tritt Vorhofflimmern so in Erscheinung: Das Herz ist völlig außer Takt – chaotisch folgen die Herzschläge aufeinander. Das Herz rast mit einem Puls von bis zu 160 Schlägen pro Minute, selten sogar noch schneller. Oft sind Herzstolpern und Herzrasen verbunden mit innerer Unruhe, Angstgefühlen, Abgeschlagenheit, einer Neigung zu schwitzen, Atemnot und einer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Patienten, die schon herzkrank sind, leiden häufig besonders unter Atemnot, Brustschmerz und Schwindel, denn ihr schon angeschlagenes Herz kann die Herzrhythmusstörung schlechter vertragen. Allerdings: Viele Menschen wissen nicht, dass sie Vorhofflimmern haben. Vorhofflimmern tritt bei ihnen ohne Beschwerden auf und wird nur durch Zufall beim Arzt entdeckt. Manchmal zu spät, nämlich erst dann, wenn Vorhofflimmern zu einem Schlaganfall geführt hat. Vorhofflimmern in vielfältiger Gestalt Häufigkeit Vorhofflimmern tritt so häufig auf, dass man von einer Volkskrankheit spricht. Insgesamt leiden in Deutschland 800 000 Menschen an Vorhofflimmern. Das Risiko, von Vorhofflimmern betroffen zu wer- In der Regel tritt Vorhofflimmern zunächst in einem plötzlichen Anfall (akutes Vorhofflimmern) auf. Die Herzrhythmusstörung beginnt plötzlich und hört meist innerhalb von 24 Stunden, seltener auch nach 48 bis 72 Stunden ebenso plötzlich 35 oben: EKG-Ableitung im Herzen (linker Vorhof) bei Vorhofflimmern wieder auf. Wenn unten: Oberflächen-EKG bei Vorhofflimmern bei einem jungen Menschen ein einmaliges Ereignis, z. B. zuviel AlkoWas geschieht im Herzen? hol, einen solchen Anfall ausgelöst hat, kann es bei dieser einen Episode bleiben. Bei Vorhofflimmern kreisen in den Herzvorhöfen Meist aber hat diese Herzrhythmusstörung die elektrische Erregungswellen, die zu einer VorhofEigenschaft, wieder aufzutreten und chronisch zu frequenz bis zu 350 Schlägen pro Minute führen. werden. Zunächst tritt das Vorhofflimmern anfallsDann können die Vorhöfe sich nicht mehr zusamweise auf (paroxysmales Vorhofflimmern). Im weimenziehen, sie flimmern nur noch. An der Pumpteren Verlauf werden die Anfälle häufiger und je leistung des Herzens können sie nicht mehr teilöfter sie auftreten, desto größer ist die Wahrscheinnehmen. Das leisten dann nur noch die Herzkamlichkeit, dass die Zeit bis zum nächsten Anfall sich mern selbst. Damit entfällt bis zu 20 % der Herzverkürzt. Denn jeder Anfall von Vorhofflimmern leistung. Fatal wäre es, wenn die hohe Frequenz der Vorhat die Tendenz, das Herz elektrisch empfindlicher höfe auf die Herzkammern übergeleitet würde. zu machen. Schließlich springt das Herz nicht mehr in den norZum Glück hat der AV-Knoten, die einzige elekmalen Herzrhythmus zurück, das Vorhofflimmern trische Verbindung zwischen Vorhöfen und Herzbleibt bestehen (persistierendes Vorhofflimmern). kammern, eine Wächterfunktion. Auch wenn er Durch Medikamente oder durch eine Kardiovermit elektrischen Impulsen bombardiert wird, gibt sion lässt sich der Herzrhythmus wieder normaer nur einem Teil dieser Impulse die Bahn zu den lisieren. Bei der Kardioversion erhält der Patient Herzkammern frei – das allerdings in unregelüber eine Infusion für wenige Minuten eine Kurzmäßigen Abständen. So entsteht in den Herzkamnarkose. Auf Brust und Rücken werden Elektromern eine ungeordnete, chaotische Herzschlagfolden aufgesetzt, die einen Stromschlag auf das Herz ge, meistens mit hohen Frequenzen. abgeben. Diese Behandlung ist absolut schmerzLiegt der normale Herzschlag zwischen 60 – 100 frei und hat in der überwiegenden Mehrzahl der Schlägen pro Minute, so kann sich dieser bei VorFälle Erfolg. Allerdings kommt es häufig zu Rückhofflimmern auf bis zu 160 Schlägen und mehr steifällen. gern. Wenn Vorhofflimmern fortschreitet, kann ein ZuAllerdings kommt es auch vor, dass der AV-Knostand eintreten, in dem sich der Herzrhythmus jeten bei Vorhofflimmern zu sehr bremst, so dass die dem Normalisierungsversuch widersetzt. Es kommt Pulsfrequenz zu niedrig wird und zu einer sogezu Dauerflimmern (permanentes Vorhofflimmern). nannten Bradyarrhythmia absoluta wird, die mit einem Herzschrittmacher behandelt werden muss. 36 Ursachen Störende elektrische Impulse, die Vorhofflimmern hervorrufen können, kommen meist aus dem Bereich, in dem die Lungenvenen in die Hinterwand des linken Vorhofs münden. Eine wichtige Rolle für die Entstehung dieser Herzrhythmusstörung spielt die Beschaffenheit des Herzmuskelgewebes. Narben und Entzündungen verändern dessen Struktur und bereiten dadurch den Boden für die Entstehung von Vorhofflimmern. Insbesondere Herzkrankheiten führen zu solchen schädigenden Veränderungen des Herzmuskelgewebes: vor allem der hohe Blutdruck, der bei fast 40 % der Patienten mit Vorhofflimmern vorliegt, aber auch die koronare Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen, dilatative und hypertrophe Kardiomyopathie, Myokarditis. Auch eine Überfunktion der Schilddrüse kann Vorhofflimmern verursachen. Chronische Lungenerkrankungen und schwere Allgemeininfektionen gehen ebenfalls in erhöhtem Maße mit dieser Rhythmusstörung einher. Elektrokardioversion Persistierendes Vorhofflimmern vor Kardioversion Bei etwa 10 % der Patienten finden sich jedoch keine Erkrankungen, die das Vorhofflimmern erklären können. In diesen Fällen sprechen die Ärzte von idiopathischem, d. h. eigenständigem Vorhofflimmern (lone atrial fibrillation). Gerade bei Patienten mit Herzerkrankungen, aber auch bei Gesunden, gibt es Reize (sogenannte Trigger), die Vorhofflimmern auslösen können: Alkohol, Schlafentzug, emotionaler Stress, Koffein, opulente Mahlzeiten. Folgen Vorhofflimmern an sich ist nicht lebensbedrohlich. Aber es kann zu schwerwiegenden Folgen führen, wenn es nicht behandelt wird. Beim Vorhofflimmern verlangsamt sich die Geschwindigkeit des Blutflusses in den Vorhöfen. Dadurch entstehen Blutgerinnsel, besonders in einer Ausbuchtung des Vorhofs, dem sogenannten Herzohr (s. Abb. S. 39). Werden diese Gerinnsel vom Blutstrom mitgeschleppt, dann können sie Arterien verschließen. Besonders gefürchtet ist der Verschluss einer Gehirnarterie: Schlaganfall. Der 38 Sinusrhythmus nach Kardioversion Schlaganfall ist die größte Gefahr, die vom Vorhofflimmern ausgeht. Die Gefährdung ist jedoch sehr unterschiedlich. Junge, herzgesunde Menschen mit Vorhofflimmern sind wenig gefährdet. Alte, herzkranke Patienten haben ein hohes Risiko. Um sie vor dem Schlaganfall zu schützen, müssen konsequent gerinnungshemmende Medikamente gegeben werden (siehe im Einzelnen S. 65). Eine weitere Gefahr besteht darin, dass das Herz durch die schnelle Herzschlagfolge geschädigt wird, so dass es zu einer Herzschwäche kommen kann. Dieser Prozess kann schleichend erfolgen, aber auch plötzlich zu einem akuten Herzversagen führen, wenn die hohe Pulsfrequenz wochenlang anhält. Man spricht dann von einer Tachymyopathie. So ist es dem 44-jährigen Betriebswirt Gerhard W. ergangen. Er hatte gemeinsam mit seiner Frau den dringend benötigten Urlaub auf Mallorca angetreten. Schon in der Woche vor Urlaubsbeginn hatte er sich wenig leistungsfähig gefühlt. Trotz des wunderbaren Wetters und eines exzellenten Hotels wurde das Befinden nicht besser, im Gegenteil, er hatte oft Mühe, Luft zu bekommen, nahm deutlich an Gewicht zu, die Beine wurden immer Die Ultraschallaufnahme zeigt ein Gerinnsel im linken Vorhof, das im Blutstrom mitgerissen einen Schlaganfall verursachen kann. Linker Vorhof Wichtig: Bei Herzschwäche kann ein Anfall von Vorhofflimmern den Krankheitszustand akut verschlechtern. Das Vorhofflimmern muss daher durch eine Kardioversion beendet werden. Untersuchungen Gerinnsel im Vorhof bei Vorhofflimmern dicker. Aufgefallen war ihm, dass das Herz sehr viel schneller als sonst schlug, aber darüber dachte er nicht weiter nach. Erst Tage nach seiner Rückkehr suchte er den Arzt auf. Der wies ihn sofort in eine Klinik ein: Ein offenbar seit Wochen bestehender schneller unregelmäßiger Herzschlag bei Vorhofflimmern, eine sogenannte Tachyarrhythmia absoluta, hatte zu einer schweren Schwächung der Herzfunktion geführt. Durch die andauernd hohe Herzschlagfolge und die damit verbundene Herzbelastung war die Auswurfleistung des Herzens auf etwa 30 % verringert. In der Klinik wurde der Herzrhythmus durch eine Kardioversion regularisiert, das Herz durch Medikamente entlastet. Zur Weiterbehandlung erhielt Gerhard W. einen Betablocker und eine Gerinnungshemmung wurde eingeleitet. Gerhard W. fühlte sich rasch besser. Die Pumpfunktion des Herzens hat sich aber erst nach vielen Monaten wieder erholt. In vielen Fällen wird die Vorgeschichte, die körperliche Untersuchung sowie ein RuheEKG die Diagnose des Vorhofflimmerns sichern. Das EKG gibt Auskunft über die elektrische Aktivität des Herzens. Dadurch lässt sich Vorhofflimmern eindeutig diagnostizieren, z. B. während eines Anfalls. Im Langzeit-EKG wird die Pulsschlagfolge bei Vorhofflimmern unter Alltagsbedingungen kontrolliert. Es können dadurch auch mehr oder weniger lange Vorhofflimmerepisoden bei sonst normalem Rhythmus entdeckt werden. Bei nur selten auftretenden Episoden hilft sehr gut ein Telemonitoring zur Diagnostik: Ein scheckkartengroßes EKG-Gerät trägt der Patient ständig bei sich. Dieses registriert den Herzrhythmus, wenn das Vorhofflimmern auftritt. Nach der Übertragung des EKGs über ein normales Telefon wird es vom Arzt ausgewertet. Selten auftretende Störungen können damit erfolgreich identifiziert werden. Blutuntersuchungen überprüfen die Nieren-, Leber- und Schilddrüsenfunktion ebenso wie die Elektrolyte Magnesium und Kalium. Abgeklärt werden muss, ob eine Herzerkrankung dem Vorhofflimmern zugrundeliegt: BelastungsEKG, Herzecho, evtl. auch die Herzkatheteruntersuchung können dies klären. Insbesondere ist dabei nach einem Herzklappenfehler, einem schlecht eingestellten hohen Blutdruck, einer Verengung der Herzkranzgefäße oder einer eingeschränkten Pumpfunktion des Herzens (Herzschwäche) zu suchen. Bei jungen Patienten, bei erheblichen Beschwerden und bei bestimmten anderen Herzrhyth39 Herzfrequenzverlauf in einem Langzeit-EKG eines Patienten mit zwei Episoden von anfallsweisem Vorhofflimmern. Eingefügte EKG-Streifen während Sinusrhythmus (links) und während Arrhythmia absoluta (rechts). musstörungen wie z. B. Vorhofflattern oder WPWSyndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom), ist eine sogenannte elektrophysiologische Untersuchung erforderlich. Dabei können die elektrischen Ströme, die durch das Herz fließen, direkt gemessen werden. Auch die Lungenfunktion muss überprüft werden. Therapie Neu auftretendes Vorhofflimmern sollte den Patienten zum Arzt führen, möglichst innerhalb der ersten 24, spätestens aber nach 48 Stunden, damit die Rhythmusstörung abgeklärt und so rechtzeitig behandelt werden kann, dass keine gefährlichen Blutgerinnsel in den Herzvorhöfen entstehen. Soll Vorhofflimmern erfolgreich therapiert werden, kommt es darauf an, Herzkrankheiten wie Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Klappenerkrankungen, Kardiomyopathie, die als Ursache der Herzrhythmusstörung in Frage kommen, zu diagnostizieren und konsequent zu behandeln. Bei einem großen Teil der Patienten handelt es sich um einen hohen Blutdruck, der zuverlässig einge- 40 stellt werden muss. Dabei trifft es sich gut, dass Medikamente wie ACE-Hemmer und Sartane, die den Blutdruck senken, nach neueren Erkenntnissen zugleich direkt das Vorhofflimmern günstig beeinflussen. Anzumerken ist, dass Übergewicht nicht nur ein Risikofaktor für hohen Blutdruck und andere Herzkrankheiten ist, sondern auch direkt das Risiko für Vorhofflimmern erhöht. Um Vorhofflimmern zu verhindern oder einzudämmen, sollte Normalgewicht angestrebt werden. Heute stehen für die Behandlung von Vorhofflimmern viele spezielle Therapien zur Verfügung. Hier hat es in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben. Das gilt für die Behandlung mit n Medikamenten, n nicht-medikamentösen Verfahren, bei denen heute die Katheterablation von Vorhofflimmern im Vordergrund steht, n operativen Verfahren. Der heutige Stand der verschiedenen Therapiemöglichkeiten wird in den folgenden Kapiteln erörtert. Dabei wird besonders auf die Probleme der Gerinnungshemmung eingegangen. Medikamente gegen Vorhofflimmern Wirkungen, Nebenwirkungen, Pill in the Pocket Prof. Dr. med. Dr. h.c. Berndt Lüderitz, Bonn Helfen Medikamente bei Vorhofflimmern? Wie steht es mit den Nebenwirkungen? Sind Medikamente überhaupt nötig, wenn das Vorhofflimmern keine oder nur wenige Beschwerden auslöst? Kann man nicht auf sie verzichten? Vorhofflimmern ist zwar nicht lebensbedrohend, kann aber schwerwiegende Folgen haben. Wichtige Gründe sprechen dafür, Vorhofflimmern durch Medikamente zu behandeln. Die Möglichkeiten der Rhythmustherapie sind heute vielfältiger und effektiver, aber auch komplizierter als noch vor wenigen Jahren. Sie hat folgende Ziele: n Anfälle von Vorhofflimmern zu verhindern. Vorhofflimmern hat die Tendenz, sich selbst zu verstärken und immer häufiger aufzutreten. Die Medikamente sollen diesen Prozess aufhalten oder abbremsen. n das Herz zu schützen, damit die Belastung durch Herzrasen nicht zur Herzschwäche führt oder eine bestehende Herzschwäche noch weiter verschlimmert. n die Beschwerden erträglicher zu machen und die Lebensqualität zu verbessern – auch dadurch, dass weniger Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte notwendig werden. Da Vorhofflimmern meist durch andere Krankheiten verursacht wird, ist es wichtig, die Grunder- krankung möglichst effektiv zu behandeln. Zum Beispiel muss der Bluthochdruck, der bei der Entstehung von Vorhofflimmern eine so große Rolle spielt, gut eingestellt werden. Dasselbe gilt für eine gestörte Schilddrüsenfunktion, für Klappenund Lungenerkrankungen und für die koronare Herzkrankheit. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Therapie mit Rhythmusmedikamenten erfolgreich ist. Möglichkeiten und Grenzen dieser Therapie, auch die neuen Entwicklungen, die sich in den letzten Jahren ergeben haben, sollen im folgenden dargestellt werden. Zwei Möglichkeiten Für die Therapie mit Rhythmusmedikamenten (Antiarrhythmika) gibt es zwei Möglichkeiten: n die Rhythmuskontrolle: d. h. das Vorhofflimmern zu beseitigen und einen regelmäßigen Herzrhythmus aufrechtzuerhalten; n die Frequenzkontrolle: d. h. nur das Herzrasen (die schnelle Herzschlagfolge von bis zu 160 Schlägen pro Minute) zu normalisieren, so dass die Herzfrequenz in Ruhe zwischen 60 und 90 und unter Belastung zwischen 90 und 115 Schlägen pro Minute liegt. Das Vorhofflimmern selbst wird belassen. 41 Rhythmuskontrolle: Rhythmuskontrolle ist vor allem bei Patienten sinnvoll, bei denen die Rhythmusstörung neu aufgetreten ist, und bei Patienten, die durch den chaotischen Herzrhythmus ausgeprägte Beschwerden haben. Eine ganze Reihe von Medikamenten steht dafür zur Verfügung. Sie haben verschiedene Wirkprofile und verschiedene Nebenwirkungen. Eine genaue Diagnose, auch aller Begleiterkrankungen, ist Voraussetzung der Therapie. Jedes Rhythmusmittel – Ausnahme Betablocker – bringt ein großes Problem mit sich. Es kann selten – im Bereich weniger Prozente – die Rhythmusstörung verstärken und lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen hervorrufen – am häufigsten zu Beginn einer Therapie. Deshalb wird die Therapie mit Herzrhythmusmedikamenten mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet (s. Nebenwirkungen S. 45). Zunächst werden fast immer Betablocker (Metoprolol, Bisoprolol) eingesetzt, weil sie keine Herzrhythmusstörungen auslösen. Sie sind die Grundlage der Therapie. Reicht ihre Wirksamkeit nicht aus, werden zusätzlich andere Medikamente empfohlen. Um bestimmte Nebenwirkungen der anderen Rhythmusmedikamente abzumildern, werden oft die Betablocker – meist in niedriger Dosierung – weitergegeben. Die Tabelle gibt modifiziert die Empfehlungen der neuen Leitlinien zu Vorhofflimmern 2006 der American Heart Association und European Society of Cardiology wieder. Die Entscheidung, welches Rhythmusmedikament gewählt wird, hängt von der begleitenden Herzkrankheit ab, vor allem von der Leistungsfähigkeit des Herzens. Liegt keine oder nur eine minimale Herzerkrankung vor, wird Flecainid oder Propafenon empfohlen. Ist damit kein Erfolg zu erzielen, kommt Amiodaron in Betracht. Bei koronarer Herzerkrankung empfehlen die Leitlinien Sotalol, obwohl Sotalol wegen seines Potentials Herzrhythmusstörungen auszulösen von vielen Herzspezialisten kritisch beurteilt wird. Für Patienten mit schwerer Pumpschwäche kommt als Medikament nur Amiodaron in Frage. Vereinzelt werden in Deutschland noch Klasse IAAntiarrhythmika verordnet (Chinidin, Cordichin). Empfehlungen zur medikamentösen Therapie bei Vorhofflimmern, wenn ein regelmäßiger Herzrhythmus erreicht werden soll Zunächst werden fast immer Betablocker eingesetzt. Sind sie unwirksam, werden die folgenden Medikamente empfohlen: 1. Wahl 2. Wahl keine oder minimale Herzerkrankung Flecainid Propafenon Amiodaron oder Katheterablation Bluthochdruck ohne deutliche Vergrößerung der linken Herzkammer Flecainid Propafenon Sotalol Amiodaron oder Katheterablation Bluthochdruck mit deutlicher Vergrößerung der linken Herzkammer Amiodaron Katheterablation koronare Herzerkrankung Sotalol Amiodaron oder Katheterablation schwere Pumpschwäche Amiodaron Katheterablation 42 43 linker Vorhof rechter Vorhof rechte Herzkammer linke Herzkammer Vorhofflimmern Diese Medikamente werden in dem Behandlungsschema der neuen Leitlinien nicht empfohlen. Je früher das Vorhofflimmern behandelt wird, desto besser sind die Aussichten, dass Medikamente weitere Anfälle verhindern können. Auf Dauer lassen sich leider trotz mehrfachen Medikamentenwechsels und Dosissteigerung die Anfälle von Vorhofflimmern meist nicht verhindern. Eine Neuerung ist, dass die Leitlinien bei Patienten mit ausgeprägten Beschwerden, bei denen Medikamente nicht mehr helfen, die Katheterablation (s. S. 48) als Routineverfahren empfehlen – zum Beispiel als Alternative zur Therapie mit Amiodaron. Frequenzkontrolle: Dagegen ist die Frequenzkontrolle angebracht nach erfolgloser Rhythmuskontrolle sowie bei Patienten, denen das Vorhofflimmern keine Beschwerden bereitet, und bei Patienten, bei denen das Vorhofflimmern eine Pumpschwäche des Herzens hervorruft. Hier kommen folgende Medikamente in Frage: n Betablocker (Metoprolol, Atenolol, Esmolol) n Calciumantagonisten (Verapamil, Diltiazem) n Digitalisglykoside (Digoxin, Digitoxin) n Sonstige (Amiodaron, Sotalol) 44 Für gesunde und leicht geschädigte Herzen sind Betablocker und Calciumantagonisten die erste Wahl, bei Patienten mit einem geschädigten Herzen (Herzschwäche) Digitalisglykoside. Wenn diese Medikamente oder eine Kombination dieser Medikamente nicht ausreichend wirksam sind, werden Amiodaron oder Sotalol eingesetzt. Die Diskussion, bei welchen Patienten eine Aufrechterhaltung eines normalen Herzrhythmus angestrebt werden sollte, und bei welchen Kranken lediglich die Herzfrequenz zu kontrollieren ist, wurde durch zwei richtungsweisende Studien nachhaltig belebt: einmal durch die AFFIRM-Studie und zum anderen durch die RACE-Studie. Beide Studien zeigen eindeutig, dass die Frequenzkontrolle im allgemeinen der Rhythmuskontrolle nicht unterlegen ist und dass die Wiederherstellung des normalen Herzrhythmus nicht um jeden Preis erzwungen werden sollte. Die Erfahrung zeigt, dass sich Patienten in aller Regel ans Vorhofflimmern gewöhnen, wenn die Frequenz normal ist. Dazu braucht es allerdings Geduld. Es können viele Monate vergehen, bis eine vollständige Gewöhnung erreicht ist. Vorhofflimmern: Oberflächen-EKG (oben) EKG aus dem rechten Vorhof (unten) Nebenwirkungen Antiarrhythmika haben Nebenwirkungen wie alle wirksamen Medikamente. Da sie die Besonderheit haben, dass sie in seltenen Fällen paradoxerweise das Vorhofflimmern verstärken oder sogar zu anderen bedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen, müssen vor Einleitung der Therapie die Voraussetzungen gründlich abgeklärt werden. Bei jedem Patient muss sorgfältig der Nutzen der Therapie gegen ihr Risiko abgewogen werden. Bei Patienten mit Herzerkrankungen sollte die Behandlung mit Herzrhythmusmedikamenten – Ausnahme Betablocker – in der Klinik eingeleitet und überwacht werden, damit lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, die unter Umständen auftreten, mit einem Elektroschock beendet werden können. Bei Patienten ohne begleitende Herzerkrankung ist die Einleitung der Therapie Sache des Kardiologen. Die regelmäßige Verlaufskontrolle kann auch beim Internisten oder Hausarzt erfolgen. Der Organismus muss genug Kalium und Magnesium aufweisen, weil das Herz sonst für Rhythmusstörungen anfällig wird. Während einer Behandlung mit Herzrhythmusmitteln sollten Kalium und Magnesium regelmäßig überprüft werden, am besten im Abstand von zwei bis drei Monaten. Auf die Schilddrüsenfunktion, die Funktion der Nieren und die Leistungsfähigkeit des Herzens muss geachtet werden, um nicht Nebenwirkungen der Antiarrhythmika zu provozieren. Für die Wahl des Medikamentes ist die Sicherheit des Patienten ausschlaggebend. Besonders gut verträglich sind Betablocker, aber oft reichen sie nicht aus, um Vorhofflimmern zu unterdrücken. Sotalol nimmt eine Sonderstellung ein. Es ist effektiver als die reinen Betablocker, aber das wird erkauft mit der typischen Eigenschaft der Antiarrhythmika, in seltenen Fällen erhebliche Herzrhythmusstörungen hervorzurufen. Flecainid und Propafenon sind wirkungsvoll, setzen aber voraus, dass der Patient nicht an einer Pumpschwäche des Herzens oder an einer koronaren Herzkrankheit leidet. Amiodaron ist besonders effektiv und kann auch bei Patienten mit schweren Herzkrankheiten eingesetzt werden, ohne dem Herzen zu schaden. Aber auf lange Sicht und vor allem in höheren Dosierungen hat es gelegentlich schwerwiegende Nebenwirkungen, die es nötig machen, den Patienten sorgfältig zu überwachen: z. B. Funktionsstörung der Schilddrüse und Leber, Lichtempfindlichkeit der Haut und Ablagerungen in der Hornhaut. Deshalb sind engmaschige Kontrolluntersuchungen in dreimonatigen Abständen notwendig. 45 Begleitmedikamente Von Nutzen ist häufig eine bestimmte Begleitmedikation. Erst jüngst ergaben sich Hinweise dafür, dass cholesterinsenkende Statine bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit dem Vorhofflimmern vorbeugen. Sartane (Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten) verringern das Auftreten von Vorhofflimmern einschließlich Rückfällen, vermutlich weil sie verhindern, dass sich die Vorhöfe des Herzens strukturell verändern. Entsprechende Befunde liegen für die Wirkstoffe Candesartan, Valsartan und Irbesartan vor – speziell in Kombination mit Amiodaron. Ähnliche Wirkungen sind von den ACE-Hemmern zu erwarten. Neue Medikamente? Bisher gibt es kein ideales Medikament gegen Herzrhythmusstörungen. Die Therapie ist oft ein mühsamer Prozess, der in vielen Fällen auch das Wechseln der Medikamente erfordert, weil Patienten auf die Medikamente nicht ausreichend ansprechen oder die Nebenwirkungen zu groß sind. Deshalb richten sich die Hoffnungen auf die Entwicklung neuer Arzneimittel. Eine Reihe neuer Substanzen zur Behandlung von Vorhofflimmern wird zurzeit in großen Studien erprobt. Zu diesen Studienmedikamenten zählen Azimilide, Dofetilide, Dronedarone, Tedisamil, Ambasilide und andere. Leider steht der definitive Nachweis, dass sie überzeugend wirken und weniger Nebenwirkungen haben als die bisher verwandten Antiarrhythmika, noch aus. Dofetilide ist in den USA zugelassen, aber die Herstellerfirma plant nicht, diesen Wirkstoff in absehbarer Zeit in Deutschland auf den Markt zu bringen. Pill in the pocket Bei Anfällen von Vorhofflimmern (paroxysmales Vorhofflimmern) hat das neue Konzept der Pill in the pocket-Therapie für herzgesunde Patienten besonderes Interesse gefunden. Die in der Tasche des Patienten mitgeführte Rhythmuspille wird nur bei einem Anfall, nicht auf Dauer, eingenommen. 46 Mit der Rhythmuspille lässt sich der normale, regelmäßige Rhythmus meist innerhalb von einer bis zwei Stunden wiederherstellen. Die Erfolgsquote liegt heute bei mehr als 80 %. Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz der Therapie ist, dass die Anfälle nicht zu oft auftreten, maximal zwei- bis dreimal im Monat, und Beschwerden verursachen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen werden vor allem Flecainid und Propafenon empfohlen. Patienten mit einem Körpergewicht unter 75 kg nehmen einmal 200 bis 300 mg Flecainid oder einmal 600 mg Propafenon ein, sobald Vorhofflimmern auftritt. Amiodaron kommt nicht in Frage, da die Wirkung zu langsam eintritt. Die erste Anwendung muss im Krankenhaus oder in der kardiologischen Praxis erfolgen, um sicherzustellen, dass keine lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen entstehen. Der Patient darf die festgelegte Dosis auf keinen Fall selbständig ändern oder gar das Medikament von sich aus wechseln. Deshalb kommen für die Therapie nur Patienten in Betracht, von denen zu erwarten ist, dass sie sich strikt an die Vorgaben der Ärzte halten. Wenn das Vorhofflimmern nach sechs bis acht Stunden nach Einnahme des Medikaments nicht verschwindet oder wenn Nebenwirkungen auftreten (krankhafte Pulsverlangsamung oder -beschleunigung, Schwindel, Bewusstlosigkeit), muss der Patient den Arzt oder die Klinik aufsuchen. Der Vorteil besteht darin, dass statt der üblichen Dauertherapie Medikamente nur gelegentlich – nämlich im Anfall – eingenommen werden. Weniger Medikamente bedeuten auch weniger Nebenwirkungen. Die Blutverdünnung wird genauso durchgeführt, wie es sonst bei Vorhofflimmern nach den Leitlinien gehandhabt wird (s. S. 65 ff.). Das Pill in the pocket-Prinzip kommt nicht in Frage bei Herzkrankheiten, Pulsverlangsamung, Erregungsleitungsstörungen, Alter über 75 Jahre, Nieren- und Leberfunktionsschwäche, Schwangerschaft oder Kaliummangel sowie Unverträglichkeit oder Gegenanzeigen bei bestimmten Rhythmusmitteln. Welche Ergebnisse die Pill in the pocket-Therapie auf lange Sicht hat, ist noch nicht bekannt. Aber schon heute ist dieses Verfahren eine wesentliche Bereicherung der Behandlungsmöglichkeiten von anfallsweisem Vorhofflimmern. Begünstigende Faktoren Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Übergewicht Vorhofflimmern begünstigt. Maßgeblich ist der Bauchumfang, der bei Männern 94 cm und bei Frauen 80 cm nicht überschreiten sollte. Eine Normalisierung des Gewichts unterstützt die Therapie. Sie ist eine Maßnahme mit nur positiven Nebenwirkungen. Ein zweiter Punkt ist Alkohol. Die Herzvorhöfe sind besonders empfindlich gegen Alkohol. Deswegen sollte, wer unter Vorhofflimmern leidet, auf jeden Fall alle scharfen, hochprozentigen Alkoholika wie Schnäpse, Liköre, Cocktails, Whisky, Gin, etc. unbedingt meiden. Wer aus Gründen der Lebenslust nicht ganz auf Alkohol verzichten will, dem empfehle ich Weinschorle oder, wenn er schon ein Glas Wein genießen will, dazu reichlich Mineralwasser zu trinken. Ein Wort zur körperlichen Aktivität: Manche Menschen sind durch Vorhofflimmern so verängstigt, dass sie sich möglichst wenig bewegen. Das ist falsch. Auf Bewegung sollte auf keinen Fall verzichtet werden, außer, wenn schwere Herzkrankheiten wie Kardiomyopathie oder Myokarditis körperliche Schonung erfordern. Besonders zu empfehlen ist Bewegung, die auf Ausdauer angelegt ist, tägliches Spazierengehen, Radfahren, Joggen, Nordic Walking, Schwimmen. Alternativen Wenn Medikamente nicht oder nicht mehr helfen, steht die heutige Medizin nicht mit leeren Händen da. In den letzten Jahren haben sich alternative Verfahren, vor allem die sogenannte Katheterablation, vielversprechend entwickelt. Mit Hochfrequenzstrom werden Herzmuskelbereiche so verödet, dass Isolationslinien in den Herzvorhöfen entstehen, die die Ausbreitung des Vorhofflimmerns verhindern (s. S. 48). Eine Ergänzung kann die Hybridtherapie sein: Denn bei 10 – 20 % der Patienten kommt es unter antiarrhythmischer Therapie des Vorhofflimmerns zu einem Umschlag in Vorhofflattern. Dieses kann relativ einfach durch eine Katheterablation beseitigt werden (s. S. 70). Bei geeigneten Patienten kann durch die Hybridtherapie in 90% der Fälle ein normaler Herzrhythmus erreicht werden. Nachteil dieser Therapie ist, dass die Behandlung mit Antiarrhythmika zur Verhinderung des Vorhofflimmerns weitergeführt werden muss. 47 Vorhofflimmern: wenn Medikamente nicht mehr helfen Heilung durch Katheterablation Prof. Dr. med. Gerhard Hindricks und Prof. Dr. med. Hans Kottkamp, Leitende Ärzte, Abteilung für Rhythmologie, Universitätsklinik Leipzig/Herzzentrum Joseph H. stellt die schwarze Reisetasche ab und setzt sich auf die Bettkante. Unsicher und etwas angespannt sieht er sich um. „Schon wieder im Krankenhaus, dieses verdammte Vorhofflimmern“, denkt er. Sein Kardiologe hatte ihm als Therapie eine Katheterablation vorgeschlagen und ihn dafür in eine Klinik mit besonderer Erfahrung in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingewiesen. Er hatte Joseph H. Mut gemacht, weil dadurch heute bei vielen Patienten mit Vorhofflimmern eine Heilung erreicht werden kann. „Heilung von Vorhofflimmern – nie wieder Vorhofflimmern“, dachte Joseph H. und wollte es kaum glauben. Aber fest entschlossen, den Eingriff durchführen zu lassen, war er noch nicht. Er wollte sich zuvor ein Bild von den Möglichkeiten, den Erfolgsaussichten und auch den Risiken der Katheterablation machen. Was hatte er nicht alles schon versucht, um das Vorhofflimmern loszuwerden? Joseph H. denkt zurück: 1997 die ersten kurzen Anfälle von Vorhofflimmern. 20 Minuten bis maximal zwei Stunden hatten die Episoden von Vorhofflimmern zunächst gedauert und waren im ersten Jahr immer wieder von selbst in einen normalen Herzrhythmus zurückgesprungen. Damals hatte er noch über Wochen, manchmal über Monate völlige Ruhe. Zwei Jahre später hatten die Anfälle deutlich zugenommen. Zunächst einmal im Monat, dann jede Woche, teilweise auch mehrfach in der Woche über viele Stunden Vorhofflimmern. Joseph H. fiel es dann schwer, wie gewohnt in seinem Beruf als Betriebsschlosser zu arbeiten. Immer, wenn das Vorhofflimmern auftrat und das Herz raste, war er körperlich nicht belastbar, die Luft blieb einfach weg. Und zusätzlich diese innere Unruhe, die es ihm unmöglich machte sich zu konzentrieren. 48 Dann hatte er Rhythmusmedikamente bekommen (Antiarrhythmika). Innerhalb der ersten sechs Monate lief es relativ gut. Das Vorhofflimmern trat viel seltener auf, und die Anfälle waren kürzer. Aber der Behandlungserfolg war leider nicht von Dauer. Kurz vor Ostern war die Rhythmusstörung trotz der Medikamente wieder heftig aufgetreten. Als nach einer Woche immer noch kein normaler Herzrhythmus zurückgekehrt war, empfahl ihm sein Kardiologe eine Kardioversion (Elektroschockbehandlung). Sie war erfolgreich, und Joseph H. erinnert sich gut, wie erleichtert er damals gewesen war. Doch die Freude hielt nicht lange an. Bereits drei Tage später – wieder Vorhofflimmern. „Wir müssen ein stärkeres Medikament einsetzen, um den Rhythmus zu stabilisieren“, sagte ihm sein Kardiologe. Joseph H. stimmte zu und nahm die stärkeren Medikamente ein, obwohl er deren Nebenwirkungen fürchtete. Nach einigen Monaten Ruhe trat das Vorhofflimmern trotzdem wieder auf. Joseph H. war verzweifelt. „Jetzt gibt es nur noch zwei Möglichkeiten, den Herzrhythmus in den Griff zu bekommen“, sagte der Kardiologe. Entweder die AV-Knotenablation, bei der die elektrische Überleitung von Vorkammern auf Hauptkammern komplett durchtrennt wird, oder die Katheterbehandlung des Vorhofflimmerns. Nach einer AV-Knotenablation muss, um den Herzrhythmus zu steuern, in jedem Fall ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Das wollte Joseph H. nicht. Ihn interessierte die Katheterablation, zumal der Kardiologe ihm gesagt hatte: „Da hat sich in den letzten Jahren wirklich viel getan. Dieses Verfahren wird zunehmend häufig angewandt.“ Joseph H. wollte es genau wissen: Was ist eine Katheterablation bei Vorhofflimmern? Für wen kommt sie in Frage? Wie geht der Eingriff vor sich? Was sind die Erfolge? Was die Risiken? Neuland Vorhofflimmern wird ausgelöst durch zusätzliche elektrische Impulse aus den Lungenvenen – das haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt. Die Katheterablation hat zum Ziel, mit Hochfrequenzstrom Herzmuskelzellen so zu veröden, dass Isolationslinien im Herzen entstehen, die die Ausbreitung dieser störenden Impulse blockieren und damit auch das Vorhofflimmern verhindern. Diese Behandlungsmethode wurde vor etwa zehn Jahren neu eingeführt. Über die Jahre hat sich das Verfahren ständig weiterentwickelt und breitere Anwendung gefunden. Heute wird die Katheterablation von Vorhofflimmern in spezialisierten Zentren weltweit jährlich bei tausenden Patienten durchgeführt. Trotz der zunehmenden Verbreitung bleibt die Katheterablation von Vorhofflimmern zunächst noch Neulandmedizin. Neulandmedizin bedeutet, dass ein Verfahren wie z. B. die Katheterablation von Vorhofflimmern noch nicht so lange eingesetzt wird, dass die Möglichkeiten und Risiken im Langzeitverlauf vollständig bekannt sind. Neulandmedizin hat jedoch nichts mit einem Experiment zu tun. Die bei der Katheterablation von Vorhofflimmern eingesetzten Technologien sind seit vielen Jahren erprobt und ihre Wirksamkeit und Behandlungssicherheit sind gut belegt. Trotzdem bleiben immer Risiken bestehen, die Arzt und Patient bewusst gemeinsam tragen müssen. 49 Punktionsnadel linker Vorhof Wirbelsäule Ablationskatheter Rechte Herzkammer Koronarvenensinuskatheter Zwerchfell Herzscheidewand A Abb. 1: Der Weg in die linke Vorkammer (Transseptale Punktion): Auf der Abbildung A erkennt man rechts die Wirbelsäule und unten Anteile des großen Atemmuskels (Zwerchfell). Zwei Elektrodenkatheter sind im Herzen plaziert. Ein Katheter befindet sich in der rechten Hauptkammer, ein zweiter Katheter in einer großen Herzvene (Sinus coronarius). Links erkennt man Zwerchfell die spitze Nadel, die mit einem kleinen Ruck durch ein dünnes Häutchen in der Herzvorhofscheidewand vorgeführt wird. Über die kleine Nadel wird dann ein weicher Kunststoffschlauch in der linken Herzvorkammer plaziert und über den Kunststoffschlauch kann letztlich der Verschorfungskatheter in die linke Vorkammer eingebracht werden (Abbildung B). Für welche Patienten? Wie wird es gemacht? Zur Behandlung von Vorhofflimmern kommt in erster Linie eine medikamentöse Therapie in Frage. Durch die regelmäßige Einnahme von rhythmusstabilisierenden Medikamenten (Antiarrhythmika) wird versucht, das Herz im normalen Rhythmus, dem Sinusrhythmus, zu halten. Häufig kann der Herzrhythmus über einige Zeit, manchmal auch über viele Jahre durch Medikamente stabilisiert werden. Wenn trotzdem Rhythmusstörungen auftreten, kann ein Versuch mit einem anderen, vielleicht etwas stärkeren Medikament gemacht werden. Aber was tun, wenn Medikamente nicht mehr helfen – insbesondere bei Patienten, die unter Vorhofflimmern erhebliche Beschwerden wie Herzstolpern, Herzrasen, Luftnot oder auch Schwindelgefühl, Brustschmerzen und Angst haben? Die Katheterablation wird heute fast ausschließlich bei Patienten eingesetzt, bei denen ganz massive Beschwerden aufgrund des Vorhofflimmerns bestehen und bei denen Medikamente die Rhythmusstörung nicht mehr in den Griff bekommen. Die Katheterablation von Vorhofflimmern sollte nur in einem spezialisierten und ausgewiesenen Rhythmuszentrum durchgeführt werden, da die sichere Durchführung der Behandlung viel Erfahrung voraussetzt. Ein Krankenhausaufenthalt von drei bis fünf Tagen ist erforderlich. Welche Voruntersuchungen sind nötig? Neben der Aufzeichnung eines Ruhe-EKGs und eines Belastungs-EKGs wird das Herz mit Hilfe des Ultraschalls (Echokardiographie) sowohl durch den Brustkorb als auch über die Speiseröhre untersucht. Zur Durchführung der Ultraschalluntersuchung über die Speiseröhre (transösophageale Echokardiographie) muss ein dünner Ultraschallschlauch geschluckt werden. Diese Untersuchung ist etwas unangenehm, aber in aller Regel ungefährlich. Sie ist notwendig, um mögliche Veränderungen im Herzen beurteilen zu können und auch, um Blutgerinnsel (Thromben), die sich bei Patienten mit Vorhofflimmern im Herzen bilden können, zu erkennen. Außerdem kann vor der Durchführung der Katheterablation eine Herzkatheteruntersuchung 50 B erforderlich sein, um eine möglicherweise bestehende Herzerkrankung (z. B. koronare Herzkrankheit) aufzudecken. Nach Abschluss der Voruntersuchungen wird die Katheterablation im Herzkatheterlabor durchgeführt. Der Eingriff dauert etwa zwei bis vier Stunden. Um den Patienten so schonend wie möglich zu behandeln, werden Medikamente gegeben, die ihn in einen Dämmer- oder Schlafzustand versetzen. Dann werden von der Leiste aus mehrere millimeterdünne Kunststoffschläuche (Katheter) zum Herzen vorgeschoben und dort plaziert. Mit diesen Kathetern kann der Kardiologe die elektrischen Ströme, die durch das Herz fließen, aufzeichnen und beurteilen. Die eigentliche Behandlung erfolgt dann mit dem sogenannten Ablationskatheter. Auch dieser Spezialkatheter wird von der Leiste aus eingeführt und im Herzen in der linken Herzvorkammer (linker Vorhof) plaziert. Um die linke Vorkammer zu erreichen, muss der Katheter durch die Herzscheidewand (Septum) gebracht werden. Dies geschieht durch eine Herzscheidewandpunktion (transseptale Punktion, s. Abb. 1): Dabei wird die Herzscheidewand von der Leiste aus mit einer sehr dünnen Nadel durchstochen. Über diese Nadel wird ein weicher Schlauch in die linke Herzvorkammer vorgeschoben und über den Schlauch der Ablationskatheter plaziert. Mit Hilfe von Hochfrequenzstrom werden Punkt für Punkt Herzmuskelzellen verödet, so dass eine Isolationslinie entsteht, die die Ausbreitung der störenden elektrischen Impulse unterbricht und dadurch das Vorhofflimmern verhindert (s. Abb. 2, S. 52). Im wesentlichen werden die Übergangsbereiche zwischen der linken Vorkammer und den Lungenvenen (Pulmonalvenen) elektrisch isoliert, weil bekannt ist, dass sie für die Entstehung von Vorhofflimmern verantwortlich sind. Die Isolationslinien werden in aller Regel nach einem vorgegebenen Schema gesetzt. Mit Hilfe modernster Technologien, die eine millimetergenaue Steuerung des Ablationskatheters in der linken Herzvorkammer möglich machen, können die einzelnen Verschorfungsimpulse exakt plaziert werden. Dieser Teil der Ablationsbehandlung dauert etwa ein bis zwei Stunden. Der Arzt kann dabei durch die Veränderungen der elektrischen Signale des Herzens erkennen, wie wirksam die Behandlung ist. Damit sich während der Behandlung keine Blutgerinnsel am Ablationskatheter bilden, wird die Blutgerinnung für die Dauer des Eingriffs mit einem gerinnungshemmenden Medikament deutlich herabgesetzt. Nach Abschluss der Behandlung werden die Katheter aus dem Herzen zurückgezogen, und der Patient wird noch im Herzkatheterlabor wieder wach. Anschließend wird er zur Sicherheit einige Stunden auf einer Wachstation beobachtet. Dort werden dann auch die Zugänge in den Leisten (Schleusen) entfernt. Erfolge und Risiken Bei etwa 50 % der Patienten kann mit einem einzigen Eingriff das Vorhofflimmern beseitigt werden. Bei anfallsartigem Vorhofflimmern (paroxysmales Vorhofflimmern) sind die Erfolgschancen größer als bei Vorhofflimmern, das schon Wochen und Monate andauernd besteht. Bei den Patienten, bei denen durch den ersten Eingriff keine ausreichende Unterdrückung des Vorhofflimmerns gelungen ist, wird in der Regel ein zweiter Eingriff, in seltenen Fällen auch ein dritter Eingriff erforderlich. Damit lässt sich die Erfolgsrate auf 70 – 80 % steigern. Auch bei den übrigen Patienten ergibt sich oft eine deutliche Besserung durch die Behandlung: Sie müssen zwar weiter Rhythmusmedikamente nehmen, aber diese Medikamente, die vorher nicht mehr helfen konnten, sind jetzt wirksamer. Der Behandlungserfolg stellt sich bei einem Teil der Patienten bereits direkt nach der Ablationsbehandlung ein. Bei diesen Patienten tritt nach der Ablation gar kein Vorhofflimmern mehr auf. Bei einem anderen Teil der Patienten kommt es insbesondere innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen nach der Behandlung zu weiteren Anfällen von Vorhofflimmern. In diesen Fällen wird durch die Gabe von Medikamenten versucht, den Rhythmus weiter zu beruhigen. Oft gehen die Anfälle von Vorhofflimmern zurück, und es kann im Verlauf von Wochen – trotz des Auftretens von Vorhofflimmern direkt nach der Ablationsbehandlung – doch noch eine vollständige Unterdrückung der Herzrhythmusstörung erreicht werden. Das bedeutet, dass sich das Endergebnis der Behandlung erst nach etwa drei Monaten sicher abschätzen lässt. 51 Abb. 2: Bei der Katheterablation von Vorhofflimmern wird modernste Technologie eingesetzt. Die Abb. A zeigt eine Nachbildung des linken Vorhofs. Das „Loch“ in der Mitte der Abbildung entspricht der Herzklappe, die zwischen linkem Vorhof und linker Hauptkammer liegt (Mitralklappe). Die bunten Röhren sind Nachbildungen der Lungenvenen, die die Verbindung zwischen Herz und Lunge herstellen. Im Übergangsbereich zwischen den Lungenvenen und dem linken Vorhof sind Die Katheterablation von Vorhofflimmern ist heute in geübter Hand erfolgreich und sicher durchführbar. Bei etwa 95 % der Patienten treten keine Komplikationen auf. Dennoch ist der Eingriff natürlich nicht ohne Risiken: n In den Wochen und Monaten nach dem Eingriff kann sich eine Verengung oder gar ein Verschluss einer Lungenvene entwickeln. Das zeigt sich dadurch, dass beim Patienten Atemnot bei Belastung, Husten oder auch eine Anfälligkeit für Lungenentzündung auftreten. Bei diesen Beschwerden kommt es darauf an, dass der Patient sofort die Klinik, die die Katheterablation durchgeführt hat, aufsucht, denn die Verengung muss unverzüglich behandelt werden, sei es durch eine Aufdehnung oder durch das Einsetzen einer Gefäßstütze (Stent). Das Risiko für eine Verengung der Lungenvenen beträgt etwa zwei Prozent. n Ein weiteres Risiko der Katheterablation besteht darin, dass es durch den Eingriff zu einem Schlaganfall kommen kann, weil die erhitzte Katheterspitze die Bildung von Blutgerinnseln begünstigt. Das Risiko für einen Schlaganfall liegt bei etwa zwei Prozent. Um dieser Gefahr 52 sehr häufig die „Fehlzündkerzen“ lokalisiert, die das Vorhofflimmern auslösen. Um die Anatomie jedes einzelnen Patienten originalgetreu bearbeiten zu können, wird in einem zweiten Schritt (Abb. B) ein Bild des linken Vorhofs, das am Vortag mit Hilfe von Computertomographie erstellt wurde, über die Nachbildung des linken Vorhofs gelegt, so dass beide Anteile optimal zueinander passen. vorzubeugen, wird die Blutgerinnung durch Medikamente gehemmt. n Sehr selten bildet sich eine Fistel, d. h. eine Verbindung zwischen Speiseröhre und Vorhof, durch die Luft in das Herz eindringen kann – eine Komplikation, die fast immer zum Tod führt. Bisher sind weltweit nur wenige solcher Fälle (weniger als 30) bekannt. Daher ist das Risiko für diese Komplikation als sehr gering anzusehen. n Bei der Durchführung der transseptalen Punktion kann eine Blutung in den Herzbeutel auftreten (Herzbeuteleinblutung oder Perikardtamponade). Diese Blutung kann in aller Regel durch das sofortige Absaugen des Blutes problemlos beherrscht werden. In sehr seltenen Fällen macht die Blutung aber auch eine Herzoperation notwendig. Das Risiko dieser Komplikation liegt unter einem Prozent. Bei der Risikoabwägung ist zu bedenken, dass auch die Behandlung des Vorhofflimmerns durch rhythmusstabilisierende Medikamente nicht risikolos ist. Auch hier muss mit schwerwiegenden Komplikationen bei etwa ein bis zwei Prozent der behandelten Patienten gerechnet werden. Der Abbildungsteil C zeigt das Verschmelzen beider Anteile. Der Untersucher weiß jetzt genau, wie der linke Vorhof des Patienten aussieht und kann die Ablation beginnen. Die roten Punkte zeigen die ersten Verödungszonen. Wie an einer Kette werden die einzelnen Verödungspunkte aufgereiht, um möglichst kontinuierliche elektrische Blocklinien zu schaffen. Der Abbildungsteil D zeigt das Ergebnis einer Ablationsbehandlung: Jetzt sind die elektrischen Blocklinien, die um die Lungenvenen gelegt worden sind, komplett zu erkennen. (Die Lungenvenen sind in dieser Abbildung gelöscht worden, um eine bessere Sicht auf die Ablationslinien zu ermöglichen.) Die rosa Punkte zeigen an, dass hier sehr vorsichtig gearbeitet wurde, weil sich eine große Nähe zur Speiseröhre gezeigt hatte. Wie geht es weiter? Welche Alternativen gibt es? Nach der Katheterablation bleibt der Patient noch etwa zwei bis drei Tage im Krankenhaus. Zur Überwachung des Herzrhythmus werden regelmäßig EKGs abgeleitet. Außerdem wird die Herzfunktion noch einmal durch eine Ultraschalluntersuchung geprüft. Beim unkomplizierten Verlauf geht es nach etwa drei Tagen nach Hause. Innerhalb der ersten Monate muss die Blutverdünnung fortgeführt werden, um das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln zu verringern. Außerdem werden in den ersten Wochen nach der Katheterablation regelmäßig Langzeit-EKGs durchgeführt, um beurteilen zu können, ob jetzt tatsächlich ein normaler Herzrhythmus besteht. Wenn das durchgehend nachgewiesen ist, kann einige Monate nach der Ablation in Absprache mit dem behandelnden Arzt die Blutverdünnung wieder abgesetzt werden. Erst dann ist das volle Behandlungsziel erreicht: durchgehend normaler Herzrhythmus, keine Blutverdünnung. Rhythmusmedikamente werden nicht mehr gebraucht. AV-Knotenablation: Ziel der AV-Knotenablation ist es, die elektrische Verbindung zwischen dem flimmernden Vorhof und den Herzkammern, den AVKnoten, zu durchtrennen. Der Vorhof wird von den Kammern elektrisch abgeschnitten. Das Verfahren ist einfach, relativ rasch und sicher durchführbar. Die Katheterablation des AV-Knotens dauert etwa 30 Minuten. Ein wesentlicher Unterschied zur direkten Ablation von Vorhofflimmern besteht in der Tatsache, dass bei der Katheterablation des AVKnotens das Vorhofflimmern nicht direkt behandelt wird, sondern nur die Auswirkungen des Vorhofflimmerns auf die Herzkammern. Das bedeutet, dass das Vorhofflimmern langfristig weiter bestehen bleibt. Dementsprechend ist in fast allen Fällen nach der Katheterablation des AV-Knotens eine Blutverdünnung (s. S. 65 ff.) notwendig. Außerdem muss nach der Katheterablation des AVKnotens in allen Fällen ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Es besteht eine lebenslange Abhängigkeit vom Herzschrittmacher. Dieser Eingriff kann nicht rückgängig gemacht werden, ein einmal durchtrennter AV-Knoten wird immer durchtrennt bleiben. 53 Vorkammern im Flimmern AV-Knoten Hauptkammern in absoluter Arrhythmie vorher: Herzschrittmacher Vorkammern im Flimmern Hauptkammern im regelmäßigen Schrittmacherrhythmus Abb. 3: Vorhofflimmern vor und nach AV-Knotenablation. Der unregelmäßige und schnelle Herzschlag (etwa 140 Schläge pro Minute) ist vor der Ablation im EKG gut zu sehen. Nach der Ablation werden die Hauptkammern von einem Herzschrittmacher stimuliert. Der Herzschlag ist jetzt deutlich langsamer (etwa 60 Schläge pro Minute) und regelmäßig. nachher: 54 Aufgrund der immer besser werdenden Behandlungsergebnisse der direkten Ablation von Vorhofflimmern wird die AV-Knotenablation heute nur noch selten durchgeführt. Diese Prozedur sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn das Vorhofflimmern zu einer sehr schnellen und unregelmäßigen Herzschlagfolge im Bereich der Herzkammern führt, Medikamente das Herzrasen nicht ausreichend kontrollieren können und wenn eine direkte Katheterablation des Vorhofflimmerns nicht in Frage kommt. Diese Methode kommt heute fast ausschließlich bei älteren Patienten, die die Risiken der Direktkatheterablation von Vorhofflimmern nicht eingehen möchten, in Betracht. Jüngeren Patienten mit Vorhofflimmern sollte dieses Verfahren in aller Regel nicht empfohlen werden. Herzschrittmacherstimulation: In den letzten Jahren wird zunehmend versucht, durch eine gezielte Herzschrittmacherstimulation im Bereich der Vorhöfe die Häufigkeit und/oder Dauer von Vorhofflimmern positiv zu beeinflussen. Dabei wird versucht, das Auftreten von Vorhofflimmern dadurch zu verhindern, dass bestimmte Rhythmus- muster, z. B. Extrasystolen, die einem Anfall vorausgehen können, durch spezielle Schrittmacherprogramme unterbrochen werden (vorbeugende Stimulation). Das Einsetzen eines Herzschrittmachers nur mit dem Ziel, das Auftreten von Vorhofflimmern zu verhindern, ist in der Regel nicht gerechtfertigt. Eine solche Therapie kommt nur in Frage bei Patienten, die ohnehin, z. B. wegen eines kranken Sinusknotens, einen Schrittmacher erhalten. Bei solchen Patienten kann in bis zu 30 % der Fälle das Vorhofflimmern günstig beeinflusst werden. Fazit Wenn Medikamente nicht mehr helfen, stellt die Katheterablation einen wesentlichen Fortschritt für die Therapie des Vorhofflimmerns dar. Patienten, die trotz medikamentöser Behandlungsversuche unter Vorhofflimmern sehr leiden, sollten die Katheterablation als attraktive, weil heilende Behandlungsmethode bereits heute in Betracht ziehen. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass sich diese Therapie als Behandlung der ersten Wahl für diese Patienten durchsetzen wird. Blutdruckmessung bei Herzrhythmusstörungen Die Blutdruckmessung ist bei Herzrhythmusstörungen dann erschwert, wenn entweder in kurzen Abständen gehäuft Extraschläge (Extrasystolen) auftreten oder Vorhofflimmern mit einer unregelmäßigen Kammertätigkeit besteht. Das vom Herzen ausgeworfene Blut (Schlagvolumen) kann sich dann von Schlag zu Schlag ändern und damit erreicht auch der systolische Blutdruck von Schlag zu Schlag eine andere Höhe. Was bedeutet eine unregelmäßige Herztätigkeit für die Blutdruckmessung? Hierbei muss die Messung mit dem Stethoskop und die automatische (oszillometrische) Messung der heute meist verwendeten Blutdruckmessgeräte unterschieden werden. Besteht ein unregelmäßiger Herzschlag, kann man bei einmaliger Messung mit dem Stethoskop zufällig in eine Herzaktion mit einem besonders niedrigen oder besonders hohen systolischen Blutdruck geraten. Deshalb soll man bei der Blutdruckmessung mit dem Stethoskop mehrere (vier bis sechs) Messungen vornehmen und aus diesen Messungen einen Mittelwert bilden, um unterschiedliche Messwerte auszugleichen. In den meisten Geräten mit automatischer Blutdruckmessung wird die Unregelmäßigkeit des Pulsschlags nicht angezeigt, so dass es bei einer nur einmaligen Messung zu einer fehlerhaften Blutdruckmessung kommen kann. Neuerdings sind zwei Geräte auf den Markt gekommen, die eine Unregelmäßigkeit des Pulsschlags anzeigen und damit auf die Notwendigkeit mehrfacher Blutdruckmessung hinweisen: OMRON M5 Professional und boso-medicus uno. Nach wie vor ist die Blutdruckmessung bei Herzrhythmusstörung am genauesten durch mehrmalige Messungen mit dem Stethoskop und der Berechnung des Mittelwertes aus vier bis sechs Messungen. Ob die automatische Blutdruckmessung mit den beiden genannten Blutdruckmessgeräten bei Herzrhythmusstörungen gleich gute Ergebnisse liefert, muss noch überprüft werden. Prof. Dr. med. Dieter Klaus 55 Vorhofflimmern: eine lange Geschichte Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Universitäres Herzzentrum Hamburg, Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie Seit etwa 20 Jahren nervt mich diese Rhythmusstörung. An das erste, vorübergehende Auftreten kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Es muss vor mehr als 20 Jahren gewesen sein, als ich noch Oberarzt in Freiburg war. Vom Fühlen des Pulses und vom Empfinden des Herzschlags war die Diagnose für mich klar. Ein EKG zu schreiben, hielt ich erst nach wiederholtem Auftreten für notwendig. Es bestätigte meine Diagnose: eindeutig Vorhofflimmern, offensichtlich anfallsweise, sogenanntes paroxysmales Vorhofflimmern. Mir ging es nicht anders als meinen Patienten: Zuerst glaubte ich an ein einmaliges oder ganz seltenes Ereignis, dann an vermeidbare Auslöser der Anfälle und daraus folgende Vermeidungsstrategien. Was zunächst zu helfen schien, war auf längere Sicht unwirksam: Vermeidung jeglichen Alkohols und Kaffees, Vermeidung von Schlafmangel und Extrembelastung. Da die Anfälle jeweils nur wenige Stunden andauerten und nur etwa einmal im Monat auftraten, ließ ich der Natur ihren Lauf – vielleicht auch ein bisschen mit Verdrängung der Realität und in dem Bewusstsein, als Herzspezialist alles im Griff zu haben. Innerhalb der nachfolgenden Jahre kam es zu einer allmählichen Zunahme von Häufigkeit und Dauer der Anfälle. Das Ende jedes Anfalls war wie eine Erlösung: Herzklopfen, ausgesprochenes Unwohlsein und Beklemmungsgefühl in der Brust mit Atemnot verschwanden jeweils schlagartig. Selbstverständlich: Der zwischenzeitlich festgestellte hohe Blutdruck wurde zunächst mit Betablockern, später zusätzlich mit ACE-Hemmern und letztlich mit Angiotensin-Rezeptorblockern behandelt. Magnesium und Kalium im Blut wurden kontrolliert und über Monate zugeführt. Dann: Vor etwa drei Jahren schien ein Anfall überhaupt nicht enden zu wollen. Ich ging in „meine Klinik“, um ein Belastungs-EKG sowie ein Echo56 kardiogramm machen zu lassen. Beide waren in Ordnung, aber der linke Vorhof im Echo doch schon etwas vergrößert. Unmittelbar während des Belastungs-EKGs – auf der höchsten Belastungsstufe – trotz Vorhofflimmerns 200 Wattsekunden – kam es schlagartig zum Umspringen in den normalen Rhythmus. Rein zufällig? Oder lag hier ein therapeutischer Ansatz? Wiederholt konnte ich Vorhofflimmern durch hohe Belastungen beenden. Aber dann war diese Technik nach einigen Monaten nicht mehr erfolgreich. Nun blieb auch mir – wie meinen Patienten – nichts anderes als eine medikamentöse Therapie. Ich begann mit Flecainid. Zunächst war das Antiarrhythmikum wirksam. Dann aber nicht mehr. Es war wie verhext. Die Anfälle kamen zunehmend häufiger. Ich musste die Dosis steigern. Unter hoher Dosierung gab es zunächst nur noch selten Anfälle. Aber beim Umspringen von Vorhofflimmern in den Sinusrhythmus hatte ich ein ungutes Gefühl mit kurz andauerndem Schwindel und auch einmal nahezu mit Bewusstlosigkeit. Im Langzeit-EKG konnte eine Pause von etwa vier Sekunden beim Umschlagen von Vorhofflimmern in Sinusrhythmus dokumentiert werden. Das war vor etwa zwei Jahren. Naturgemäß stellte sich für mich die Frage, was tun, wenn dieses Medikament – wie andere (ich hatte es inzwischen auch mit Propafenon probiert) – auch in hohen Dosierungen nicht mehr wirksam ist. Und dies trat rascher ein, als ich erwartet hatte. In den Sommerferien 2004 auf Kreta bei optimaler Entspannung, trotz maximaler Therapie mit Medikamenten, erlebte ich erneut lang dauernde Anfälle. Nun hatte ich zum ersten Mal das Gefühl: Jetzt muss etwas passieren, sonst hast du bald dauerhaftes Vorhofflimmern. Mit einem Mal sah ich die Patienten mit Schlaganfall, vermutlich als Folge von Vorhofflimmern, mit anderen Augen: Das kann dich Blick ins EPU-Labor 57 auch treffen. Du hast zwar noch nicht die kritische Altersgrenze (65 Jahre) erreicht, aber zumindest einen weiteren Risikofaktor für das Auftreten von Schlaganfällen: den zwar behandelten, aber trotzdem im oberen Normbereich liegenden Blutdruck. Der Schritt zur Gerinnungshemmung mit Marcumar fiel mir nicht leicht – nicht anders als meinen Patienten. Aber ich ging ihn, denn das Risiko eines Schlaganfalls erschien mir erheblich größer als das von Blutungskomplikationen. Gleichzeitig begann ich, über alternative Behandlungsverfahren nachzudenken. Ich war an dem Punkt, über den ich häufig mit meinen Patienten spreche: Noch ein letzter Versuch mit dem Medikament Amiodaron – wirksamer als alle anderen Antiarrhythmika, aber auch gerade bei Dauertherapie mit schweren Nebenwirkungen belastet. Amiodaron ist in meinem Alter allenfalls eine vorübergehende Lösung. Um überhaupt noch einmal für eine gewisse Zeit im normalen Rhythmus zu bleiben, entschloss ich mich zu Amiodaron. Während der Aufsättigungsphase (hohe Dosis in den ersten zwei Wochen der Therapie) kam es bei mir zu einem unangenehmen – auch subjektiv als bedrohlich empfundenen – Erlebnis. Plötzlich ging der Herzschlag aus völliger Unregelmäßigkeit – nachts im Hotel in Potsdam – in einen schnellen regelmäßigen Rhythmus (etwa 130 – 140 Schläge/Minute) über. Mir wurde ganz flau, ich stand nachts auf, setzte mich an den Schreibtisch und arbeitete, um mich abzulenken. Am nächsten Morgen ging ich gleich in die Medizinische Notaufnahme des St. Josef-Krankenhauses. Meine Verdachtsdiagnose (Amiodaron-induziertes Vorhofflattern) wurde im EKG bestätigt. Die mir angebotene elektrische Kardioversion ließ ich mit der Hoffnung, bald wieder in Sinusrhythmus „umzuspringen“, nicht durchführen. Und tatsächlich, während der Heimfahrt von Berlin nach Hamburg, hatte ich im Zug plötzlich wieder Sinusrhythmus – doch nur für einige Stunden. Kam für mich eine sogenannte Hybridtherapie in Frage, bei der ein durch Rhythmusmedikamente ausgelöstes Vorhofflattern durch eine Flatterabla58 tion (Isthmusblockade) beseitigt wird (s. S. 70)? Da ich Amiodaron nicht langfristig einnehmen wollte, zog ich diese therapeutische Alternative nicht ernsthaft in Erwägung. Wie sollte es weitergehen? Meine Empfehlung für die Patienten – zumindest für die ohne zusätzliche schwere Herzkrankheit – lautet: Ablationstherapie des Vorhofflimmerns. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem Herzzellen gezielt so verödet werden, dass Herzrhythmusstörungen nicht mehr entstehen können (s. S. 48). Ich entschied mich – aller Risiken bewusst (s. S. 51) – für die Ablation. Eine Alternative wäre gewesen, Vorhofflimmern im natürlichen Verlauf zunächst ohne Einnahme von Rhythmusmitteln zu belassen und lebenslang weiter Marcumar einzunehmen. Wahrscheinlich mit zusätzlicher Gabe eines Betablockers, um die Kammerfrequenz entsprechend zu vermindern. Diese Alternative hätte ich gewählt, wenn ich nicht durch Vorhofflimmern massive Beschwerden (ausgesprochenes Unwohlsein, Beklemmungsgefühl in der Brust, Atemnot) gehabt hätte. Wohin zur Ablation? In Deutschland gibt es nur wenige Zentren – ebenso wie in der übrigen Welt –, in denen große Erfahrungen mit der Ablation dieser Rhythmusstörung bestehen. Gott sei Dank aber einige! In die früher von mir geleitete Klinik (St. Georg) wollte ich ebenso wenig wie in die eigene (UKE). Weniger aus sachlichen als aus psychologischen Gründen. Ich entschied mich für Bordeaux. Herzspezialisten werden das verstehen. Diese Klinik ist eines der weltweit führenden Zentren in der Elektrophysiologie und insbesondere der Ablationstherapie von Vorhofflimmern. Hier wurden in dem von Prof. Haissaguerre geleiteten Zentrum bahnbrechende Fortschritte erzielt. Auf dem Weg nach Bordeaux gab es noch Hindernisse: der Termin für die Ablation. Einmal entschlossen, wollte ich einen möglichst raschen Termin. Außerdem sollte kurz vor der Ablation eine transösophageale echokardiographische Untersuchung (durch die Speiseröhre) zum Ausschluss von Blutgerinnseln im linken Herzen erfolgen. Schließlich war das geschafft, und ich machte mich auf den Weg. Am Montag dann in das Centre Hospitalier Haut-Lévêque. Alles war gut organisiert, vom Empfang direkt ins Bett. Innerhalb von 30 Minuten erfolgte EKG, Blutentnahme, Anlage eines Venenzugangs, Rasieren und Waschen beider Leisten. Routiniert und rasch, aber durchaus persönlich und freundlich mit angenehmem Ton der Mitarbeiter auch untereinander, wurde alles erledigt. Dann der berühmte, das darf man sagen, da jedem Kardiologen der Welt bekannt, Chef der Arrhythmieeinheit Prof. Michel Haissaguerre, freundlich, zugewandt lächelnd, ohne jede Starallüren. Ein paar kurze Fragen, am Ende „Sie sind ja bestens über alles informiert, dann kann es ja gleich losgehen“. Der Eingriff Schon auf der Station bekam ich ein Beruhigungsmittel. Bei vollem Bewusstsein kam ich in den elektrophysiologischen Operationssaal (sog. EPULabor): vom Bett direkt auf den Kathetertisch, Desinfektion beider Leisten, Abdecken mit sterilen Tüchern und Anlage der EKG-Elektroden. Ich sah jetzt alles auf einmal von der anderen Seite. Ich hatte Zeit herumzuschauen. Die Röntgenanlage war nicht das allerletzte Modell, dafür aber waren alle elektrophysiologischen Apparate auf dem neuesten Stand. Ich selbst konnte das Durchleuchtungsbild – mir so vertraut von vielen Patienten – ebenso mitverfolgen wie die EKG-Signale aus dem Herzen. Noch ehe ich mir dessen richtig bewusst wurde, spürte ich ein kurzes Brennen und Druckgefühl in der rechten Leiste, schon waren die Elektrodenkatheter im Herzen. Auch vom Durchstechen der Vorhofscheidewand spürte ich nichts. Zunächst wurde das Gebiet im rechten Vorhof zwischen Trikuspidalklappe und unterer Hohlvene (rechter Isthmus) abladiert (verödet). Diese Prozedur ist Routine. Ich muss eingeschlafen sein. Wach wurde ich vom Gefühl eines raschen und kräftig stolpernden Herzschlags. Man hatte Vorhofflimmern ausgelöst, das aber zunächst von selbst wieder stoppte. Zwischenzeitlich arbeitete Prof. Haissaguerre bereits im linken Herzen. Ich erkannte auf dem Röntgenbildschirm den Lasso-Katheter zunächst in den beiden linken, anschließend in den rechten Pulmonalvenen. Bei Abgabe von niederfrequentem Strom zur Isolation der Pulmonalvenen spürte ich jetzt Schmerzen, aber sie waren erträglich. Vorhofflimmern ließ sich erneut auslösen, obwohl die Lungenvenen blockiert waren. Also wurde nach weiteren Ursprungsorten des Vorhofflimmerns gesucht. Sie wurden nahe der flachen, ovalen Vertiefung in der rechten Seite der Vorhofscheidewand geortet und ebenfalls verödet. Schließlich – nach gut drei Stunden – war Vorhofflimmern nicht mehr auslösbar. Ende der Prozedur. Am nächsten Morgen ging es mir sehr viel besser. Die Schwestern hatten sich während der Nacht rührend um mich gekümmert. Puls, Blutdruck, EKG, Druckverband kontrolliert, sogar Temperatur und Körpergewicht wurden gemessen. Dreimal täglich bekam ich Heparinspritzen unter die Bauchhaut, weil Marcumar abgesetzt war. Plötzlich, während eines leichten Mittagessens, erneut das Gefühl von Extrasystolen, zunächst selten, dann zunehmend häufiger. Gegen Abend kam Prof. Haissaguerre noch einmal: „Sie haben viele und zum Teil auch kurz angekoppelte Extrasystolen, außerdem kurze Salven, es kann also sein, dass wir morgen noch einmal ran müssen“. War es seine persönliche und fachliche Autorität oder mein dringender Wunsch, das Vorhofflimmern los zu werden – ich dachte keinen Moment daran, einen erneuten Eingriff zu verweigern oder auch nur zu diskutieren. Außerdem war ich vor der ersten Prozedur über die eventuelle Notwendigkeit eines zweiten Eingriffs aufgeklärt worden. 59 Am nächsten Morgen eröffnete mir Prof. Haissaguerre, womit ich ohnehin gerechnet hatte: „Heute Nachmittag machen wir einen zweiten Eingriff.“ Wahrscheinlich hatte sich die Leitung aus den rechten Pulmonalvenen teilweise erholt. Selbst die immer länger werdende Wartezeit auf die zweite Prozedur ließ mich nicht unruhig werden. Zu groß war mein Vertrauen in die behandelnden Ärzte. Alles andere wie Warten etc. war Nebensache. Sie werden sicher nicht Karten spielen und mich deshalb warten lassen. Der Patient, der derzeit auf dem Kathetertisch liegt, hat ebenso das Recht auf eine vollständige und ausführliche Behandlung wie ich. Und dann lag ich zum zweiten Mal auf dem Herzkathetertisch. Erneut wurde Vorhofflimmern durch kurze Stromabgaben ausgelöst, diesmal aus einem anderen Herd, dem Koronarvenensinus. Ablation nun auch hier. Identifikation eines weiteren Herdes. Hier erneute Ablation. Dann endlich war Vorhofflimmern nicht mehr auslösbar. Ende der Prozedur, erneut drei Stunden Dauer. Die Schmerzen in der Brust während der Stromabgabe waren unangenehm, aber erträglich. Zunächst wurden die Therapie mit Heparin bzw. Marcumar für die nächsten drei Monate und natürlich auch die blutdrucksenkende Therapie fortgesetzt. Der endgültige Therapieerfolg lässt sich erst nach etwa drei Monaten beurteilen. Am nächsten Tag verließ ich noch etwas erschöpft, aber glücklich die Klinik. Der Rückfall Auf einen Rückfall von Vorhofflimmern war ich gefasst, daher durch erneut auftretende kurze Anfälle nicht allzu irritiert. Außerdem waren diese – im Gegensatz zum Zeitpunkt vor der Ablation – viel kürzer. Trotzdem war ich unzufrieden, ich wollte einfach frei von Vorhofflimmerattacken sein und dies ohne dauerhafte Therapie mit Rhythmusmedikamenten. Für mich bedurfte es keiner langen Überlegung, ich benötigte offensichtlich eine weitere Ablationsprozedur, um die Neigung zu Vorhofflimmern endgültig zu beseitigen. Etwa sechs Monate nach meiner ersten Behandlung ging ich erneut nach Bordeaux. Gleiche Kli60 nik, gleiche Station, gleiches Zimmer und Bett. Kommentar der Schwestern: „Dass Sie so eine Sehnsucht nach uns haben!“ Die etwa dreistündige Prozedur – diesmal von Dr. Pierre Jaïs durchgeführt – verlief problemlos. Am Ende war anhaltendes Vorhofflimmern auch durch alle möglichen Provokationsmaßnahmen nicht mehr auslösbar. Und dies blieb auch in der Folgezeit so. Seit dieser Zeit habe ich keine Attacken von Vorhofflimmern mehr gehabt – und das ohne jede antiarrhythmische Therapie. Einen solchen Zustand habe ich seit 20 Jahren nicht mehr erlebt. Hierdurch hat sich mein Leben verändert. Was habe ich daraus gelernt? Mein Krankheitsverlauf vom anfallsweisen zum dauerhaften Vorhofflimmern ist offensichtlich normal. Der Zeitverlauf kann aber von Patient zu Patient unterschiedlich sein. Da die Ablationstechnik sich erst in den letzten Jahren vom experimentellen zum klinischen Routineverfahren entwickelt hat, habe ich die Ablationsprozedur möglichst lange hinausgezögert. Wahrscheinlich wäre eine frühzeitigere Ablationstherapie weniger schwierig und zeitaufwendig gewesen. Ich empfehle derzeit die Ablationsbehandlung für Patienten mit anfallsweisem Vorhofflimmern, sofern sie erheblich unter anfallsbedingten Beschwerden leiden und nicht mehr auf die üblichen Rhythmusmittel ansprechen. Amiodaron kommt dabei aus meiner Sicht, vor allem bei jüngeren Patienten, nur als vorübergehende Maßnahme in Frage. Bei diesen Patienten dürfte ein zu langes Herauszögern der Ablationsprozedur eher von Nachteil sein. An mir selbst habe ich erlebt, dass eine anscheinend einfache Ausgangslage (anfallsweise auftretendes Vorhofflimmern bei sonstiger Herzgesundheit) sich im Einzelfall als doch kompliziert erweisen kann und dies eine große Erfahrung vom behandelnden Ärzteteam erfordert. Daher sollte die Ablation nur in einem Zentrum durchgeführt werden, das mit dieser Therapie große Erfahrung besitzt. Vorhofflimmern: chirurgische Therapie PD Dr. med. Nicolas Doll, Prof. Dr. med. Friedrich W. Mohr Universität Leipzig, Herzzentrum, Klinik für Herzchirurgie Das erste Operationsund Aufrechterhaltung verfahren zur Behandvon Vorhofflimmern lung von Vorhofflimverhindern (Ablation). mern wurde Anfang der 90er Jahre von dem Zur Ablation werden amerikanischen Chirurdrei verschiedene Opegen Professor J. L. Cox rationsverfahren angeentwickelt. Es fand bei wandt: den Patienten Anwen1. Normalerweise wird dung, die mit Medikabei Herzoperationen menten nicht erfolgder Brustkorb ohnehin reich behandelt wereröffnet, zum Beispiel 1: Schematische Darstellung der bei der Maze-Operation den konnten. Die Vor- Abb. bei einer Bypass-Opedurchgeführten Schnitte (aus: Cox JL et al. Semin Thorac höfe wurden durch Cardiovasc Surg 1989; 1:67) ration oder Klappeneine Schnitt- und Nahtoperation. Im Rahmen technik in viele Segmente unterteilt, um die Ausdieses operativen Eingriffs kann Vorhofflimmern breitung der Flimmerwellen einzugrenzen. Der durch Anlage von Isolationslinien von der sehr aufwendige Eingriff wurde als Maze-OperaInnenseite der Vorhöfe her abladiert werden. tion (Labyrinth-Operation) bekannt. Dieses VerDies ist das bei der überwiegenden Zahl der fahren wurde in der Folgezeit abgewandelt und Patienten praktizierte Verfahren. vereinfacht. Trotzdem hat es sich aufgrund seiner 2. Die Vorhofflimmerablation kann als zusätzliches Komplexität, Dauer sowie der technisch hohen AnVerfahren angewandt werden bei einer ohneforderungen nicht durchgesetzt. hin notwendigen Herzoperation, die in miniInzwischen sind große Fortschritte in der Weitermal-invasiver Technik, d. h. ohne Spaltung des entwicklung chirurgischer Verfahren zur BehandBrustbeins, durchgeführt wird, zum Beispiel bei einer minimal-invasiven Wiederherstellung der lung des Vorhofflimmerns erzielt worden. Sie sind Mitralklappe oder bei einem Verschluss eines weniger zeitaufwendig, schonender und bringen Vorhofscheidewanddefekts. Allerdings muss gute Ergebnisse. auch dieser Eingriff unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine erfolgen. Chirurgische Ablationstechniken 3. Eine Operation kann auch durchgeführt werHeute werden die aufwendigen Schnitt- und Nahtden allein wegen Vorhofflimmerns, also nicht techniken der Maze-Operation praktisch nicht als zusätzliches Verfahren zu einer ohnehin notmehr angewandt. Stattdessen wird über spezielle wendigen Operation. Auch dieser Eingriff erfolgt Katheter (dünne Kunststoffschläuche) mit gezielminimal-invasiv. Der Zugang zum Herzen beter Energie (Hochfrequenz-, Mikrowellen-, Laser, schränkt sich auf kleine Schnitte, die IsolaUltraschall- oder Kälteenergie) die für das Vorhoftionslinien im Vorhof werden unter Videokonflimmern verantwortlichen Herzmuskelbereiche trolle angelegt. Dies kann ohne Eröffnung des in den Vorhöfen verödet. Mit dieser Technik werlinken Vorhofes und ohne Einsatz der Herz-Lunden Isolationslinien angelegt, die die Entstehung gen-Maschine – quasi von außen – erfolgen. 61 Linkes Vorhofohr Linke untere Lungenvene Linke obere Lungenvene rote Linien: Verödungslinien n Hoher Leidensdruck des Patienten mit erheb- Diese Technik befindet sich derzeit in der Entwicklung und wird weltweit nur an wenigen Zentren praktiziert. Für welche Patienten? Bei der Mehrzahl der Patienten kommt die Ablation – wie schon gesagt – als zusätzlicher Eingriff für Patienten in Frage, die sich ohnehin einer Herzoperation, zum Beispiel wegen eines Bypasses oder einer künstlichen Herzklappe, unterziehen müssen. Die Rhythmusstörung wird dann zusätzlich beseitigt. In der Regel ist dieser zusätzliche Aufwand (geringe Verlängerung der Operationszeit mit der Herz-Lungen-Maschine) sinnvoll. Nach der Operation kann so vielen Patienten die Behandlung mit Marcumar zur Gerinnungshemmung erspart werden. Die minimal-invasive chirurgische Behandlung des Vorhofflimmerns ist auch für die Patienten geeignet, bei denen ein minimal-invasives Operationsverfahren, zum Beispiel bei einer Wiederherstellung der Mitralklappe oder zum Verschluss eines Vorhofscheidewanddefekts, durchgeführt wird. In Ausnahmefällen wird eine minimal-invasive chirurgische Vorhofflimmerablation bei Patienten vorgenommen, bei denen der Eingriff allein wegen des Vorhofflimmerns durchgeführt wird. Ein solcher Eingriff ist unter folgenden Gesichtspunkten zu erwägen: 62 lichen, durch Vorhofflimmern bedingten Beschwerden und n erfolglose Therapie mit Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmika und Antiarrhythmika-Kombinationen) und n mehrfach vergeblicher Eingriff mit Kathetertechnik zur Ablation von Vorhofflimmern. Wie wird operiert? Bei einer offenen Herzoperation mit Herz-LungenMaschine wird üblicherweise vom Operateur die linke Herzvorkammer eröffnet. Dabei wird der Kreislauf durch die Herz-Lungen-Maschine versorgt. Mit einem speziellen Katheter wird im folgenden die Ablation im Bereich der linken Herzvorkammer durchgeführt (s. Abb. 2). Um die Lungenvenen herum werden Herzzellen gezielt verödet, so dass Isolationslinien entstehen, die die Ausbreitung des Vorhofflimmerns unterbrechen. Eine weitere Verödungslinie wird zwischen den rechten und linken Lungenvenen hinuntergezogen bis zum Mitralklappenring. Die Behandlung des Vorhofflimmerns selbst dauert, in Abhängigkeit von der Energiequelle, zwischen 5 und 20 Minuten. Wenn die Linienführung abgeschlossen ist und die linke Herzvorkammer verschlossen wurde, übernimmt das Herz wieder die Pumparbeit. Die Operation wird durch den Verschluss der geschaffenen Öffnungen des Herzens, des Brustkorbs und der Leiste beendet. Mitralklappe Mitralklappenring Schnitt in den linken Vorhof rechte untere Lungenvene rechte obere Lungenvene Abb. 2: Schematische Darstellung der Ablationslinienführung im Bereich der linken Herzvorkammer Eine besondere Entwicklung der letzten Jahre stellt die minimal-invasive Operation dar, die am häufigsten zur Wiederherstellung einer defekten Mitralklappe eingesetzt wird. Dieser Eingriff dauert etwa zwei bis drei Stunden. Die Operationstechnik ist so gewählt, dass der Eingriff möglichst klein und wenig belastend ist. Die Blutgefäße in der rechten Leiste werden durch einen kleinen Schnitt (ca. 3 cm lang) freigelegt und für die Dauer der Operation an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Gleichzeitig wird seitlich, in Höhe des vierten, rechten Rippenzwischenraums ein weiterer kleiner Schnitt parallel zum Verlauf der Rippen angelegt. Durch diese kleine Öffnung kann der Operateur die linke Herzvorkammer erreichen. Die Hauptschlagader (Aorta) wird oberhalb des Herzens durch eine spezielle Klemme verschlossen. Auf diese Weise kann der Operateur arbeiten, während das Herz stillsteht, und der Kreislauf durch die Herz-Lungen-Maschine versorgt wird. Ähnlich wie bei der offenen Herzoperation wird dann mit einem speziellen Katheter die Ablation im Bereich der linken Herzvorkammer durchgeführt. Auch hier werden Isolationslinien um die Lungenvenen herum angelegt. Eine weitere Verödungslinie wird zwischen den rechten und linken Lungenvenen bis zum Mitralklappenring hinuntergezogen. Ein weiteres neues Verfahren ist die Isolierung der Lungenvenen, ausgehend von der Oberfläche des Herzens. Hierzu ist eine Eröffnung des linken Vor- hofs nicht mehr nötig. Die Lungenvenen werden von außen kurz abgeklemmt und mit einer Hochfrequenz-, Ultraschall-, Kryo-, Mikrowellen- oder Laserenergie behandelt. Diese Technik der Behandlung von Vorhofflimmern wird überwiegend bei Patienten eingesetzt, bei denen man, zum Beispiel im Rahmen einer Bypass-Operation, auf den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine verzichten möchte. Dieses Verfahren befindet sich derzeit noch in der Entwicklung. Nach allen vorgenannten Operationen ist eine intensivmedizinische Weiterbehandlung für etwa einen Tag notwendig. Anschließend erfolgt, je nach Erholungsverlauf, eine etwa vier- bis achttägige Behandlung auf einer Normalstation. In den Tagen nach der Operation (etwa am zweiten bis vierten Tag) ist das Auftreten von Vorhofrhythmusstörungen nicht ungewöhnlich. Das Herz muss sich nach dem lange bestehenden Vorhofflimmern quasi elektrisch erholen und sich wieder an den normalen Herzrhythmus gewöhnen. Ergebnisse Die Erfolgsaussichten mit den genannten Verfahren, einen normalen Herzrhythmus dauerhaft wiederherzustellen, liegen im Durchschnitt bei rund 70 – 90%. Dabei sind die Chancen, dauerhaft einen normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) zu erreichen, von verschiedenen Vorbedingungen abhängig: 63 Ausblick Chirurgische Ablationsverfahren werWelche Herzerden in zahlreichen krankungen lieZentren als sichere gen zusätzlich vor? und standardisierte Wie lange beTherapieverfahren steht das Vorhofzur Beseitigung von flimmern schon? Vorhof flimmer n Wie gedehnt sind eingesetzt. In der die Herzvorhöfe? Regel werden diese Wie schwerwieVerfahren bei Pagend sind die tienten angewandt, Herzvorhöfe verdie sich ohnehin ändert, zum Bei- Abb. 3: Eine chirurgische Ablation kann Vorhofflimmern heilen. Normalerweise einem herzchirurgischen Eingriff unspiel durch Nar- als zusätzliches Verfahren bei ohnehin notwendigen Herzoperationen. terziehen müssen. benbildung? Bei Bei der Mehrzahl der Patienten ist dies ein Eingriff Patienten, bei denen keine begleitende Herzkrankmit Eröffnung des Brustkorbs und Anschluss an heit besteht, ist eine langfristige Erfolgsrate von bis die Herz-Lungen-Maschine. Die zusätzliche Ablazu 90 % erreichbar. tion von Vorhofflimmern verlängert die Operationszeit bei dieser Technik nur unwesentlich. Komplikationen Ebenfalls heutige Routine ist der Einsatz der chirurBei Patienten, die sich ohnehin einer Herzoperagischen Ablationstechnik als zusätzliche Maßnahtion unterziehen müssen, gibt es selten schwerwieme bei minimal-invasiver Herzchirurgie, zum Beigende Komplikationen, die mit der Ablation von spiel an der Mitralklappe und bei der Behandlung Vorhofflimmern zusammenhängen. Bei richtiger des Vorhofscheidewanddefekts. Hier sind die ErTechnik werden heutzutage Sterblichkeit und Komgebnisse ähnlich gut wie bei dem Einsatz im Rahplikationen maßgeblich durch die zugrundeliegenmen einer offenen Herzoperation. Die endoskode Herzoperation bestimmt. Insbesondere bei Verpische Ablationstechnik (geschlossener Brustkorb wendung der Kältetechnik (Kryo-Therapie) sind und Anwendung der Energie zur Isolation der Lunernsthafte Komplikationen bei Anwendung von genvenen von außen) wird derzeit nur an weniTemperaturen um - 60 °C praktisch nicht mehr aufgen Zentren durchgeführt und befindet sich noch getreten. in der Entwicklung. 64 Vorhofflimmern: das Schlaganfallrisiko senken Dr. med. Christa Gohlke-Bärwolf, Bad Krozingen Vorhofflimmern ist an sich nicht lebensbedrohend, aber es bringt Gefahren mit sich, vor allem die Gefahr eines Schlaganfalls. Da durch das Flimmern die Herzvorhöfe sich nicht mehr regelmäßig zusammenziehen, entstehen Blutgerinnsel, die, im Blutstrom mitgerissen, Gefäße verschließen können. Verschließt ein solches Blutgerinnsel ein Gefäß im Gehirn, kommt es zum Schlaganfall. Mindestens 10 – 15 % aller Schlaganfälle sind auf Vorhofflimmern zurückzuführen. Im höheren Lebensalter stellt es die häufigste Ursache für Schlaganfälle dar, insbesondere für schwere Schlaganfälle bei älteren Frauen. Die Hälfte aller Schlaganfälle im Zusammenhang mit Vorhofflimmern treten bei Patienten im Alter von über 75 Jahren auf. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, die Patienten durch gerinnungshemmende Medikamente vor dem Schlaganfall zu schützen. Allerdings sind nicht alle Patienten gleichermaßen gefährdet. Das Risiko und damit die Therapie hängt vom Lebensalter und den Begleiterkrankungen ab. ke Gerinnungshemmung bedeutet eine erhöhte Blutungsgefahr, eine zu schwache Gerinnungshemmung bietet keinen ausreichenden Schutz vor Gerinnselbildung. Deshalb wird die Blutgerinnung in den sogenannten therapeutischen Bereich gesenkt (s. Empfehlungen S. 66, 67). Das ist jener Bereich, der einen optimalen Schutz vor Gerinnselbildung mit einer möglichst geringen Blutungsgefahr gewährleistet. Welches Medikament in jedem einzelnen Fall vorzuziehen ist, hängt davon ab, wie hoch das erwartete Schlaganfallrisiko ist. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit Marcumar der Behandlung mit ASS deutlich überlegen ist bei Patienten, die ein hohes Schlaganfallrisiko haben. Diese Patienten haben einen großen Nutzen von Marcumar. Patienten, bei denen das Risiko für einen Schlaganfall jedoch deutlich niedriger ist, haben keinen Nutzen von einer Behandlung mit Marcumar im Vergleich zu ASS. ASS oder Marcumar Wie hoch ist das Risiko? Verschiedene Medikamente stehen zur Verhinderung von Schlaganfällen und anderen Gefäßverschlüssen zur Verfügung: Patienten werden entweder mit ASS (Acetylsalicylsäure) oder Marcumar bzw. anderen Medikamenten, die ähnlich wie Marcumar wirken (z. B. Falithrom, Coumadin), behandelt. ASS und Marcumar haben verschiedene Ansatzpunkte: n ASS hemmt die Verklumpung der Blutplättchen (Thrombozyten). n Marcumar, Falithrom oder Coumadin sind Gegenspieler von Vitamin K und hemmen die Bildung von Gerinnungsfaktoren. Diese Medikamente greifen tiefer in die Blutgerinnung ein als ASS. Die Patienten müssen deshalb genau eingestellt werden (siehe unten). Eine zu star- Um herauszufinden, welche Patienten besonders gefährdet sind, wurde eine Reihe von großen Studien durchgeführt (z. B. AFI, SPAF, CHADS2). Dabei hat sich herausgestellt, dass das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, bei den einzelnen Patienten sehr unterschiedlich ist. Zum Beispiel ist bei Patienten mit Vorhofflimmern, die jünger als 65 Jahre sind und die keine Herzerkrankung und keine weiteren Risikofaktoren haben, eine Therapie nicht erforderlich, da bei ihnen das Risiko für einen Schlaganfall sehr niedrig ist. Patienten, die ein hohes Risiko haben für Thromboembolien (Verschluss eines Gefäßes durch ein verschlepptes Gerinnsel), bedürfen der Therapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten (Marcumar, Falithrom oder Coumadin). Nach den heutigen Erkenntnissen kann eine Kombination von 65 ASS und Clopidogrel diese Medikamente nicht ersetzen. Zu den Faktoren, die mit einem hohen Risiko verbunden sind, gehören: n Schlaganfall oder Embolien in der Vorgeschichte n Mitralstenose (Verengung der Mitralklappe) n künstliche Herzklappen Zu den Faktoren, die mit einem mittleren Risiko verbunden sind, gehören: n Alter: 75 Jahre und darüber n Bluthochdruck Allgemein geht man davon aus, dass auch ein ausreichend behandelter Hochdruck weiterhin ein Risikofaktor für Thromboembolien ist. Aber ein gut eingestellter Hochdruck geht insgesamt mit weniger Schlaganfällen einher und auch mit weniger Neigung zu Vorhofflimmern. n Herzschwäche mit einer Auswurffraktion der linken Herzkammer unter 35 % n Diabetes Zu den Faktoren, die mit einem niedrigen Risiko verbunden sind, gehören: n Alter: 65 bis 74 Jahre n koronare Herzkrankheit n Schilddrüsenüberfunktion Je mehr Risikofaktoren ein Patient auf sich vereint, umso höher ist sein Risiko für Thromboembolien und so dringender ist die Behandlung mit Marcumar. In der folgenden Tabelle wird dargestellt, was die internationalen Leitlinien (American Heart Association, American College of Cardiology und European Society of Cardiology) heute empfehlen. Der Unterschied zu den bisher geltenden Leitlinien von 2001 besteht darin, dass im Bereich des mittleren Risikos Patienten und Ärzten eine größere Freiheit eingeräumt wird, sich je nach der individuellen Situation des Patienten für ASS oder Marcumar zu entscheiden. Dabei ist immer das Risiko für einen Schlaganfall mit dem Risiko für Blutungen abzuwägen. Empfehlungen zur gerinnungshemmenden Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern n Patienten ohne Herzerkrankung und ohne Risikofaktoren keine Therapie (lone atrial fibrillation) unter 65 Jahren n Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko für n n n n n n Thromboembolien, d. h. mit nur 1 Risikofaktor: Alter gleich oder über 65 Jahre, Bluthochdruck, Herzschwäche (Auswurffraktion der linken Herzkammer unter 35 %), Diabetes, koronare Herzkrankheit, Schilddrüsenüberfunktion. n Patienten mit hohem Risiko, d. h. mit 2 oder mehr n n n n 66 mittleren Risikofaktoren oder 1 hohem Risikofaktor wie: Schlaganfall, Embolien in der Vorgeschichte, Mitralstenose, künstliche Herzklappen (zum INR-Wert s. Tab. S. 67). ASS (100 – 300 mg) oder Marcumar/Falithrom (INR 2 – 3) Entscheidung im Einzelfall (siehe Text) Gerinnungshemmung mit Marcumar/Falithrom (INR 2 – 3) Wieviel Blutverdünnung? Die Blutverdünnung durch Marcumar muss kontrolliert werden und wird mit dem weltweit standardisierten INR-Wert gemessen. Der INR-Wert von 1 bedeutet keine Gerinnungshemmung. Der INRWert von 2, dass die Gerinnungszeit auf das Zweifache verlängert ist, der INR-Wert von 3 auf das Dreifache. Leider wird in manchen Arztpraxen und Krankenhäusern immer noch der veraltete QuickWert verwendet. Eine zuverlässige Kontrolle der Blutverdünnung ist damit nicht möglich, weil der Quick-Wert von Labor zu Labor schwanken kann. Zu ihrer Sicherheit sollten die Patienten darauf bestehen, dass immer ihr INR-Wert gemessen wird. Bei einem INR von 2 – 3 wird eine Blutverdünnung erzielt, die zur Verhinderung von Embolien ausreicht. Oberhalb von 3 steigt das Blutungsrisiko deutlich an. Daher sollte bei Patienten mit Vorhofflimmern der INR-Wert in der Regel zwischen 2 und 3 liegen. Damit kann das Risiko für Schlaganfälle um 80 % gesenkt werden. Nur bei Patienten mit extrem erhöhtem Risiko für Thromboembolien (z. B. mehr als 10 % im Jahr) ist eine stärkere Gerinnungshemmung nötig. Ein hohes Risiko für Gerinnselbildung haben Patienten mit Klappenerkrankungen oder künstlichen Herzklappen. Für sie gelten die untenstehenden Empfehlungen. Anfallsweises Vorhofflimmern und Vorhofflattern Wie werden Patienten behandelt, die nicht ständig, sondern immer wieder auftretende Episoden von Vorhofflimmern (paroxysmales Vorhofflimmern) haben? Die Therapie dieser Patienten unterscheidet sich nicht von denen, die unter ständigem Vorhofflimmern leiden (chronisches Vorhofflimmern). Auch Patienten mit Vorhofflattern werden genauso behandelt. Empfehlungen zur Gerinnungshemmung bei Patienten mit Herzklappenerkrankungen und Herzklappenprothesen INR-Zielbereich ohne Vorhofflimmern mit Vorhofflimmern Herzklappenerkrankung Aortenklappenfehler schwere Mitralklappenstenose kein Marcumar 2,5 – 3,0 2,5 – 3,0 3,0 – 3,5 Biologische Herzklappen Aortenposition Mitralposition kein Marcumar kein Marcumar 2,5 – 3,0 3,0 – 3,5 3,0 – 3,5 3,5 – 4,0 2. Generation z . B. St. Jude Medical, Medtronic Hall Aortenposition 2,5 – 3,0 Mitralposition 3,0 – 3,5 3,0 – 3,5 3,5 – 4,0 Kunstklappenprothesen 1. Generation z . B. Starr-Edwards, Björk-Shiley-Standard 67 Vor und nach Kardioversion Wenn bei lang anhaltendem Vorhofflimmern durch Medikamente oder durch einen elektrischen Schock in Kurznarkose der normale Herzrhythmus wiederhergestellt werden soll (Kardioversion), dann muss mindestens drei Wochen vorher Marcumar gegeben und diese Therapie mindestens für vier Wochen nach erfolgreicher Kardioversion fortgeführt werden. Dabei sollte der INR-Wert zwischen 2 und 3 liegen. Patienten, die ein hohes Risiko für ein Wiederauftreten von Vorhofflimmern nach Kardioversion haben, sind Patienten mit Bluthochdruck, Patienten, die älter als 55 sind, Patienten, bei denen Vorhofflimmern für länger als drei Monate bestanden hat, und Patienten mit Herzschwäche. Bei diesen sollte die Marcumar-Therapie zumindest drei Monate fortgeführt werden. Was kann erreicht werden? Bei Vorhofflimmern, das nicht mit Herzklappenerkrankungen verbunden ist, kann zum Beispiel bei einem 73-jährigen Patienten mit Bluthochdruck und Zuckerkrankheit über ein Jahr das geschätzte persönliche Risiko einer Embolie von rund 4 % auf unter 1,5 % gesenkt werden. Eine Behandlung mit ASS ist in diesen Fällen nicht ausreichend, es kommt dabei nur zu einer Senkung des Risikos auf 3 %. Besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass ältere Patienten das höchste Risiko für Thromboembolien und Schlaganfälle haben und bei ihnen der größte Nutzen durch die Gerinnungshemmung erzielt werden kann. Allerdings erhalten gegenwärtig gerade diese Patienten noch selten Marcumar bzw. Falithrom. Bei älteren Patienten über 70 muss man berücksichtigen, dass sie eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Marcumar haben. Deswegen sollte die Dosierung, insbesondere zu Beginn der Behandlung mit Marcumar, um durchschnittlich 30 % verringert und nur mit ein bis maximal zwei Tabletten täglich begonnen werden. Die Kontrolle des INR-Wertes bei älteren Patienten sollte sehr engmaschig sein. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass eine Reihe von Medikamenten, z. B. Cordarex, das häufig zur Behandlung von Vorhofflimmern eingesetzt wird, den Marcumar68 Bedarf stark vermindert (siehe Broschüre der Deutschen Herzstiftung Gerinnungshemmung, S. 7/8). Kontrolle schafft Sicherheit Das Blutungsrisiko beträgt unter einer Marcumarbehandlung etwa 2 – 3 %/Jahr und unter ASS 0,9 %/Jahr. Um das Risiko für Blutungen weiter zu vermindern, muss der INR-Wert alle ein bis zwei Wochen kontrolliert werden. Die Einhaltung des therapeutischen Bereichs (INRWert 2 – 3) ist für die Sicherheit des Patienten entscheidend. Nur dann werden Embolien verhindert, denn bei einem INR-Wert von 1,8 oder darunter ist das nicht mehr gesichert. Wenn Medikamente geändert werden, wenn Erkrankungen wie z. B. Grippe oder Darminfektionen und Durchfall auftreten, sollte häufiger getestet werden. Besonders bewährt hat sich die Selbstbestimmung der Gerinnungshemmung durch den Patienten mit Hilfe eines kleinen Messgeräts (Gerinnungsmonitor). Die Selbstmessung erlaubt es dem Patienten, jederzeit den INR-Wert festzustellen. Bei Änderung von Medikamenten, im Krankheitsfall oder auf Reisen mit den nicht zu vermeidenden Änderungen der Essgewohnheiten kann der Patient mit einer schnellen Dosisanpassung reagieren. Damit ist eine genauere Einhaltung des therapeutischen Zielbereichs möglich. Das steigert die Wirksamkeit der Marcumar-Therapie und senkt das Risiko für Komplikationen. Neue Hoffnung? Eine neue Gruppe von Medikamenten (sogenannte Thrombinantagonisten) wie Ximelagatran ist in mehreren Studien mit Patienten mit Vorhofflimmern untersucht worden. Es handelt sich hier um ein gerinnungshemmendes Medikament, das anders als Marcumar wirkt. Die Wirkung beginnt und endet rasch. Die Ergebnisse dieser ersten Studien zeigten, dass dieses Medikament ebenso wirksam ist wie Warfarin (das amerikanische Marcumar). Schwere Blutungen traten mit gleicher Häufigkeit auf. Allerdings waren Erhöhungen der Leberenzyme mit diesem neuen Medikament deutlich häufiger. Aufgrund der Nebenwirkungen wurde dieses neue Medikament nach kurzer Zulassungszeit zu Beginn dieses Jahres wieder vom Markt genommen. Zusammenfassung Auch bei Vorhofflimmern und dem damit verbundenen Schlaganfall-Risiko gilt: Vorbeugen ist besser als heilen. Die strikte Behandlung des hohen Blutdrucks, der häufigsten Ursache für Vorhofflimmern, und Vermeidung größerer Alkoholmengen vermindern das Auftreten von Vorhofflimmern. Ist es jedoch dazu gekommen, verhindert die Behandlung mit Marcumar bei den Patienten mit einem erhöhten Risiko am sichersten den Schlaganfall. Weltweit erhalten immer noch zu wenig Patienten diese gerinnungshemmenden Medikamente aus Furcht vor Nebenwirkungen. Bei guter Einstellung und Kontrolle – wobei vor allem die Selbstkontrolle sehr hilfreich ist – ist der Nutzen dieser Medikamente, weil sie Schlaganfälle verhindern, wesentlich größer als die Gefahr von Blutungen. Voraussetzung ist, dass immer der INR-Wert gemessen wird, weil mit dem veralteten Quick-Wert, der in Deutschland noch allzu oft in Arztpraxen und Krankenhäusern genutzt wird, die Kontrolle unzuverlässig ist. Dieser Lastwagenfahrer war einer der ersten, der die Selbstbestimmung lernte. Die Wirkung war exzellent: Es gab keine Komplikationen, weder Embolien noch Blutungen. Er fährt regelmäßig seine großen europaweiten Touren – ohne für die Gerinnungskontrolle auf Arztbesuche angewiesen zu sein. 69 Vorhofflattern: ein Fall für die Katheterbehandlung Prof. Dr. med. Stephan Willems, Dr. med. Dipl.-Ing. Boris Lutomsky, Dr. med. Daniel Steven, Dr. med. Thomas Rostock, Universitäres Herzzentrum Hamburg, Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie Christiane K. ist eine beruflich viel beschäftigte, sportlich aktive 45-jährige Frau. Gegen Ende ihres abendlichen Waldlaufs bemerkt Christiane K. plötzlich einen ungewöhnlich raschen Herzschlag mit starkem Herzklopfen. Auch als sie aufhört zu laufen, normalisiert sich der Herzschlag nicht. Sie hat das Gefühl, „der Motor läuft die ganze Zeit mit doppeltem Tempo – wie auf Vollgas“. Sie misst die Pulsfrequenz: 145 Schläge/Minute. Auch in den folgenden Stunden hält das Herzrasen an, sie fühlt sich ausgesprochen unwohl. Erst zu später Stunde kommt Christiane K. an diesem Abend zur Ruhe und schläft ein. Auch am nächsten Morgen ist der Herzschlag immer noch schnell und unangenehm, so dass sie ihren Hausarzt aufsucht. Auf dem Weg dorthin springt das Herz plötzlich wieder auf die normale „Taktfrequenz“ um, so dass das EKG unauffällig ist. In der Folgezeit treten diese Herzrhythmusstörungen immer häufiger auf und halten länger an. Mit einer Langzeit-EKG-Registrierung wurde dann die Diagnose „Vorhofflattern“ gesichert (s. Abb. S. 74). frequenz wird, hängt davon ab, wie schnell der AVKnoten die Erregung vom Vorhof auf die Kammer überleitet. Meistens handelt es sich um eine sogenannte 2:1-Überleitung. Es wird also nur jede zweite Vorhoferregung auf die Kammer übergeleitet. Es resultiert daraus eine Herzfrequenz von 120 – 170 Schlägen/Minute. Allerdings kann, ähnlich wie beim Vorhofflimmern, auch eine unregelmäßige Herzschlagfolge, je nach Leitungsvermögen des AV-Knotens, die Folge von Vorhofflattern sein. Vorhofflattern kann wie bei unserer Patientin von allein zu Ende gehen (intermittierendes Vorhofflattern) oder in anhaltender Form (persistierendes oder chronisches Vorhofflattern) auftreten. Allerdings ist bei anhaltendem Vorhofflattern der Übergang in Vorhofflimmern mit einer völlig ungeordneten Kreiserregung im Vorhof häufig. Daher können bei demselben Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten einmal Vorhofflattern, dann wieder Vorhofflimmern registriert werden. Was ist Vorhofflattern? Genaue elektrophysiologische Untersuchungen (s. S. 25) haben ergeben, dass es sich beim Vorhofflattern in den allermeisten Fällen um eine Kreiserregung im Bereich des rechten Vorhofs handelt (s. Abb. S. 72). Sie verläuft in der Mehrzahl der Fälle entgegen dem Uhrzeigersinn entlang der Trikuspidalklappe. Dort besteht eine für das Vorhofflattern wichtige anatomische Engstelle (rechtsatrialer Isthmus), durch welche die Erregungsfront geführt wird, und zwar zwischen dem Mündungsbereich der unteren Hohlvene in den rechten Vorhof und der Trikuspidalklappe. Begünstigt wird das Auftreten von Vorhofflattern durch eine Vergrößerung oder Druckbelastung des rechten Vor- Ähnlich wie beim Vorhofflimmern hat beim Vorhofflattern der Sinusknoten seine normale Funktion als Taktgeber zumindest zeitweilig verloren (s. Abb. S. 12). Der normale Herzrhythmus ist regelmäßig und wird durch körperliche Belastung in seiner Frequenz beeinflusst. Im Gegensatz dazu besteht das Vorhofflattern in einer kreisenden Erregung im Bereich der rechten Vorkammer mit einer Frequenz von 240 – 340 Schlägen/Minute. Weil der AV-Knoten wie ein Filter wirkt, werden nicht alle elektrischen Impulse aus dem Vorhof in die Herzkammer übergeleitet. Wie hoch die Puls70 Wie entsteht Vorhofflattern? hofs, wie dies bei chronischen Lungenerkrankungen, koronarer Herzkrankheit, Kardiomyopathien, Herzklappenfehlern, aber auch hohem Blutdruck der Fall sein kann. Was sind die Beschwerden? In den meisten Fällen ist Vorhofflattern mit einer im Vergleich zum normalen Herzrhythmus rascheren Kammerfrequenz verbunden. Je nach Alter und je nach Grunderkrankung nimmt der Patient den schnellen Herzrhythmus unterschiedlich wahr. Die häufigsten Beschwerden sind Herzklopfen, innere Unruhe, Herzjagen, Luftnot, allgemeine körperliche Schwäche und schnellere Ermüdbarkeit. Ähnlich wie beim Vorhofflimmern kann das Vorhofflattern grundsätzlich zwei Probleme mit sich bringen: n Die Herzleistung ist verringert, weil der Vorhof nicht effektiv arbeitet und die Herzkammer in vielen Fällen mit konstant hoher Frequenz pumpt. Diese hohe Frequenz passt sich dann auch nicht – wie beim gesunden Herzen – den individuellen Erfordernissen, wie z. B. der körperlichen Belastung, an. n Wenn Vorhofflattern länger besteht und unter Umständen in Vorhofflimmern übergeht, verlangsamt sich der Blutstrom, so dass sich Blutgerinnsel im linken Vorhofohr bilden können. Dabei besteht die Gefahr, dass sie über die Hauptschlagader in das Gehirn verschleppt werden (zerebrale Embolie) und zum Schlaganfall führen können. Beschwerden und Auswirkungen des Vorhofflatterns hängen im wesentlichen davon ab, ob der Patient an einer Herzkrankheit leidet und wie 71 Vorhofflattern Schnitt durch das menschliche Herz in Höhe der Herzklappenebene: Links: Trikuspidalklappe, Pfeile: Verlauf der Vorhofflatterwelle um den Herzklappenring, Mitte oben: Pulmonalklappe, Rechts unten: Mitralklappe, Rechts oben: Aortenklappe, unter der Mitralklappe befindet sich bogenförmig der Koronarvenensinus. schwer seine Herzkrankheit ist. Junge, herzgesunde Patienten vertragen Vorhofflattern in der Regel problemlos. Auf der anderen Seite kann ein z. B. durch einen Herzinfarkt vorgeschädigtes Herz rasch und manchmal akut bedrohlich beeinträchtigt werden. Durch länger bestehendes Vorhofflattern mit einer hohen Kammerfrequenz kann auch die Leistungsfähigkeit der Herzkammer durch das „hochtourige Laufen des Motors“ herabgesetzt werden. Welche Untersuchungen sind notwendig? Nach der körperlichen Untersuchung sichert das EKG während des Anfalls die Diagnose Vorhofflattern. Wenn Vorhofflattern gelegentlich auftritt, ist es hilfreich, mehrere Langzeit-EKGs zu erstellen. Neben Laboruntersuchungen zum Ausschluss einer hormonell bedingten Ursache (z. B. Schilddrüsenüberfunktion) gehört die Ultraschalluntersuchung des Herzens zum Standardvorgehen. Wenn Vorhofflattern länger besteht, kann zwischenzeitlich Vorhofflimmern aufgetreten sein. Deswegen ist auch bei länger anhaltendem Vorhofflattern eine Gerinnungshemmung (Marcumar) notwendig. Eine Schluckechountersuchung (transösophageale Echokardiographie) muss sichern, dass sich keine Blutgerinnsel gebildet haben, wenn kein ausreichender Gerinnungsschutz besteht und der Patient in den normalen Rhythmus zurückgebracht werden soll. Eine elektrophysiologische Untersuchung ist nur sinnvoll, wenn in gleicher Sitzung eine Hochfrequenzstrom-Katheterablation geplant ist. 72 Wie wird Vorhofflattern behandelt? Grundsätzlich gibt es, wie beim Vorhofflimmern, zwei Ziele der Behandlung: n die Kontrolle der Herzfrequenz bei weiterbestehendem Vorhofflattern. n die Wiederherstellung des normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus). Bei länger bestehendem Vorhofflattern kann in einzelnen Fällen die Herzfrequenz durch Medikamente (Betablocker (z.B. Metoprolol), Calciumantagonisten (z. B. Verapamil)), die die Filterfunktion des AV-Knotens verstärken, kontrolliert werden. In der Regel ist das Ziel der Behandlung von Vorhofflattern jedoch die dauerhafte Wiederherstellung des normalen Rhythmus. Zur Unterbrechung des Vorhofflatterns können Medikamente (Antiarrhythmika) verwendet werden. Diese Rhythmisierungsversuche sollten nur unter zumindest kurzer stationärer Betreuung in der Klinik erfolgen, weil dort eine Monitorüberwachung möglich ist. Häufig sind Medikamente jedoch nicht wirksam. Es müssen dann nichtmedikamentöse Verfahren angewendet werden. In Zentren mit entsprechender Ausrüstung kann über ein Schrittmacherkabel, wie es auch bei der elektrophysiologischen Untersuchung verwendet wird, nach Plazierung im Bereich des rechten Vorhofs eine sogenannte Über- stimulation (Overdrive-Stimulation) durchgeführt werden. Bei der gewöhnlichen Form des Vorhofflatterns kann in 80 – 90 % der Fälle durch eine hochfrequente Stimulation die Kreiserregung unterbrochen und ein normaler Rhythmus erzeugt werden. Wenn die Überstimulation nicht möglich bzw. nicht wirksam ist, wird das Vorhofflattern wie Vorhofflimmern durch einen elektrischen Schock (Kardioversion) in Kurznarkose unterbrochen. Dies ist in fast allen Fällen möglich und zumindest kurzfristig erfolgreich. an einzelnen Stellen das verödete Herzmuskelgewebe wieder erholt und erneut elektrisch leitfähig wird: Es kann dann in etwa 5 % der Fälle zum Wiederauftreten von Vorhofflattern kommen. Dann muss die Prozedur wiederholt werden. Grundsätzlich gilt, dass die Verödung (Katheterablation) von Vorhofflattern heute nicht nur ein sehr wirksames, sondern auch ein sehr sicheres Verfahren ist. Die Risiken der Ablation sind im rechten Vorhof geringer als im linken Vorhof und liegen bei 1 % für schwere Komplikationen. Bei zusätzlich bestehendem Vorhofflimmern ist zu beachten, dass häufig eine medikamentöse Therapie einschließlich einer Blutverdünnung auch nach Katheterablation von Vorhofflattern notwendig ist. Obwohl das Risiko von Hirnembolien bei Vorhofflattern als etwas geringer eingeschätzt wird als bei Vorhofflimmern, gilt heute die Grundregel, dass Patienten, die länger als zwei Tage unter Vorhofflattern leiden, entweder mit Medikamenten zur Blutverdünnung behandelt werden müssen oder Tritt Vorhofflattern wiederholt auf, so stellt sich die Frage, wie man zukünftige Attacken verhindern kann. Früher wurden ausschließlich Medikamente (Betablocker oder Antiarrhythmika) eingesetzt. Diese Behandlungsverfahren sind jedoch häufig wenig effektiv. Die Verödung mit Kathetern (Katheterablation) sollte heute als Therapiemöglichkeit frühzeitig in Betracht gezogen werden. Dabei werden unter örtlicher Betäubung Elektrodenkatheter über die Leistenvenen, in seltenen Fällen auch über die Schlüsselbeinvene, zum Herzen geführt und unter Röntgenkontrolle plaziert (s. Abb.). Der Patient erhält Schmerz- und Beruhigungsmittel. Dann wird mit einzelnen Hochfrequenzstromimpulsen eine Verbindungslinie zwischen der Trikuspidalklappe und der Mündung der unteren Hohlvene gezogen. Ziel ist die elektrische Unterbrechung der in diesem Bereich verlaufenden Kreiserregung des Vorhofflatterns. Dies gelingt heute bei über 95 % der Patienten. Aufgrund der Länge der Verbindungslinie von 1,5 – 2 cm besteht die Möglichkeit, dass sich Darstellung einer Vorhofflatterablation: Sie sehen den Verödungskatheter im rechten Vorhof am Isthmus und einen Stimulationskatheter im Koronarvenensinus. 73 Langzeit-EKG-Registrierung bei einem Patienten mit Vorhofflattern. Die „sägezahnartigen“ Flatterwellen sind gut erkennbar. ein Schluckecho (transösophageale Echokardiographie) durchgeführt wird, das überprüft, ob sich Blutgerinnsel gebildet haben. Zusammenfassung Vorhofflattern ist eine Herzrhythmusstörung, die bei Patienten mit oder ohne zusätzlicher Herzerkrankung vorkommen kann. Über die Ursachen und den Mechanismus (Kreiserregung im rechten Vorhof) der gewöhnlichen Form gibt es heute sehr genaue Kenntnis. Dies hat auch die Entwicklung von neuen Behandlungsansätzen wesentlich beeinflusst. Die Behandlungsstrategien richten sich nach Beschwerden und Häufigkeit der Anfälle von Vorhofflattern. Die häufigsten Beschwerden sind dabei verminderte Belastbarkeit, Luftnot und das Gefühl von Herzrasen. Wenn Patienten unter Vorhofflattern leiden und diese Rhythmusstörung wiederholt auftritt, ist heute die Katheterablation ein etabliertes und sicheres Verfahren zur dauerhaften Beseitigung dieser Rhythmusstörung. Nach wiederholt auftretendem Vorhofflattern entschied sich auch Christiane K. für diese Behandlung. Nach einem zweitägigen Aufenthalt in der Klinik mit erfolgreicher Katheterablation des Vorhofflatterns konnte sich Christiane K. bereits nach vierzehn Tagen wieder voll belasten. Seither ist das Vorhofflattern nicht mehr aufgetreten. 74 Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen Dr. med. Michael Ulbrich, Medizinische Klinik und Poliklinik I, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. med. Uwe Dorwarth, Medizinische Klinik I, Krankenhaus Bogenhausen, München PD Dr. med. Christopher Reithmann, Prof. Dr. med. Gerhard Steinbeck, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München Herbert W., ein 64-jähriger pensionierter Postbeamter, war froh, seinen Hinterwandinfarkt vor einem Jahr gut überstanden zu haben. Sein Leben verlief in ruhigen Bahnen. Eine halbe Stunde nach einem gemütlichen Spaziergang wurde ihm aus vollem Wohlbefinden heraus schlagartig übel, und es blieb ihm die Luft weg. Er konnte gerade noch nach seiner Frau rufen, die ihn auf dem Flur liegend vorfand. Schockiert blickte sie in sein blasses Gesicht, auf dem sich kalter Schweiß bildete. Sie spürte sofort, dass ihr Mann in Gefahr war. Er brachte nur noch ein paar leise, undeutliche Worte hervor, bis er die Augen nach oben verdrehte und nicht mehr reagierte. Zum Glück war der 35jährige Sohn zu Besuch. Er tastete beim Vater keinen Puls mehr und begann geistesgegenwärtig mit Wiederbelebung, während seine Mutter den Rettungswagen mit Notarzt alarmierte. Die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes erschien ihnen wie eine Ewigkeit. Doch dann ging alles ganz schnell. Dem Notarzt gelang es, durch einen Elektroschock mit Hilfe eines Defibrillators das Herz wieder anzuwerfen. Herbert W. wurde sofort in die Klinik gebracht: Er hatte eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung überlebt. Welche Rhythmusstörung ist lebensbedrohlich? Herzrhythmusstörungen können lebensbedrohlich werden, wenn der Kreislauf aufgrund eines zu langsamen oder zu schnellen Herzschlags zusammenzubrechen droht. Der zu langsame Herzschlag, der häufig auf einer Blockierung der elektrischen Überleitung vom Vorhof auf die Kammern beruht und das Einsetzen eines Herzschrittmachers erforder- lich macht, ist in einem anderen Kapitel dieser Broschüre ausführlich behandelt (S. 15). Der lebensbedrohliche, zu schnelle Herzschlag, von dem hier die Rede ist, hat seinen Ursprung in der Regel in einer erhöhten elektrischen Aktivität der linken oder seltener der rechten Herzkammer. Es kommt zu einer Verselbständigung der elektrischen Erregung der Herzkammern, die unabhängig vom natürlichen Impulsgeber, dem Sinusknoten, zu rasen beginnt. Dieser schnelle Herzschlag kann als sogenannte Kammertachykardie mit regelmäßigen Herzfrequenzen im Bereich von 150 bis 250 Schlägen/Minute bedrohlich werden: Beim Kammerflattern (meist über 250 Schläge/ Minute) findet sich zwar noch eine regelmäßige Erregung der Herzkammern, die Pumpleistung des Herzens fällt aufgrund der hohen Schlagfrequenz jedoch soweit ab, dass der Kreislauf innerhalb kürzester Zeit zusammenbricht. Kammertachykardie und Kammerflattern können in Kammerflimmern übergehen, bei dem die Kammermuskulatur aufgrund einer völlig ungeordneten elektrischen Erregung nur noch unkoordinierte, ineffektive Zuckungen aufweist. Das flimmernde Herz bringt keine nennenswerte Blutförderung mehr zustande. Diese Situation entspricht einem Herzstillstand, der unbehandelt innerhalb weniger Minuten aufgrund von Sauerstoffmangel zum Tod führt. Welche Beschwerden treten auf? Typische Beschwerden von bedrohlichen Herzrhythmusstörungen sind plötzlich auftretendes Herzrasen, Schwindel oder Bewusstlosigkeit (Synkopen). Teilweise kehrt das Bewusstsein bereits nach kurzer Zeit wieder zurück. Lebensbedrohli75 che Herzrhythmusstörungen sind oft dadurch unberechenbar, dass sie aus vollem Wohlbefinden heraus ohne vorherige Warnzeichen auftreten können. Sie sind meist nicht direkt abhängig von körperlichen Belastungen und treten häufig in Ruhe auf. 67 % der Patienten sind zum Zeitpunkt des Ereignisses körperlich nicht aktiv. Herz-KreislaufProbleme und plötzliche Herztodesfälle treten gehäuft während der Morgenstunden auf. Zwischen sechs und neun Uhr morgens besteht ein ungefähr zwei- bis dreifach höheres Risiko im Vergleich zu anderen Tageszeiten. Häufig ist das Auftreten lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen oder des plötzlichen Herztodes der erste Hinweis auf eine Herzerkrankung. Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung (oben: Kammertachykardie, unten: Übergang in Kammerflimmern) Viele Patienten haben jedoch eine bekannte koronare Herzerkrankung oder bereits einmal einen Herzinfarkt durchgemacht. Die Schwere der Beschwerden hängt dabei im wesentlichen von drei Faktoren ab: der Herzfrequenz im Anfall, dem Zustand der herz- und gehirnversorgenden Gefäße sowie der Leistungsfähigkeit des Herzmuskels. Je schneller das Herz schlägt, desto schlechter kann es sich mit Blut füllen, so dass Blutdruck und Herzleistung abfallen. Mit zunehmender Herzfrequenz werden die Symptome daher bedrohlicher und die Rhythmusstörung gefährlicher. Zunächst kann der Patient nur Herzrasen spüren, das sich, wenn es länger dauert oder sich weiter beschleunigt, zu Schwächegefühl, Atemnot, Engegefühl in der Brust, Übelkeit, Angst, Schwarzwerden vor den Augen, Schwindel, Kreislaufzusammenbruch und Kollaps steigert. Tritt plötzlich Kammerflattern oder Kammerflimmern auf, kommt es innerhalb weniger Sekunden 76 zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand mit Bewusstlosigkeit. Verengungen der Arterien, die Herz und Gehirn versorgen, können zu einer Verstärkung der Beschwerden führen. Bei einer Vorschädigung des Herzens mit Zeichen einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) kann Herzrasen schneller zu einem Herz-Kreislauf-Versagen führen als bei einem sonst organisch gesunden Herzen. Häufigkeit In Deutschland erleiden pro Jahr mehr als 100 000 Menschen einen plötzlichen Herztod. Etwa alle fünf Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch daran. In etwa 80 % der Fälle wird der Herz-KreislaufStillstand dabei durch eine sehr schnelle Herzrhythmusstörung (Kammertachykardie, Kammerflattern, Kammerflimmern) hervorgerufen. Etwa ein Viertel der Patienten mit einem akuten Herzinfarkt erleidet außerhalb der Klinik einen plötzlichen Herztod. Die Wahrscheinlichkeit, einen akuten Herz-Kreislauf-Stillstand durch eine rechtzeitige Wiederbelebung (Reanimation) zu überleben, ist auch heute noch trotz verbesserter Rettungssysteme leider gering und liegt in Deutschland nur bei 5 – 10 %. Die Wiederbelebungsmaßnahmen müssen sehr schnell begonnen werden, da es bereits bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand von über vier Minuten durch Sauerstoffmangel zu einer dauerhaften Schädigung des Gehirns kommt. Ursachen Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen entstehen, wenn die elektrische Pulsbildung und -leitung im Herzmuskel gestört sind. Bei schnellen Herzrhythmusstörungen kommt es durch schnelle elektrische Impulse zu einem völlig veränderten Erregungsablauf im Herzmuskel (Abb. S. 78) Häufig sind lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen mit Erkrankungen des Herzens verbunden. In vielen Fällen liegen Durchblutungsstörungen oder ein Herzinfarkt vor. Etwa 80 % der Patienten haben eine koronare Herzerkrankung. Das jährliche Risiko des plötzlichen Herztods nach einem Herzinfarkt liegt bei etwa 1 %. Erkrankte und verengte Herzkranzgefäße neigen zur Bildung von kleinen Blutgerinnseln, die zum plötzlichen Verschluss eines Herzkranzgefäßes, d. h. zu einem Herzinfarkt, führen können. Bei einem Gefäßverschluss werden Herzmuskelgebiete von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten und sterben ab. In der Akutphase dieses Prozesses ist das Herz elektrisch sehr instabil. Diese Tatsache ist verantwortlich dafür, dass Patienten mit einem akuten Herzinfarkt an einer Rhythmusstörung, z. B. dem Kammerflimmern, sterben können. Auch andere Erkrankungen des Herzmuskels (Kardiomyopathie) sind mit einem gehäuften Auftreten von Herzrhythmusstörungen verbunden. Das Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erhöht sich deutlich bei einer eingeschränkten Pumpleistung des Herzmuskels (Herzinsuffizienz). In selteneren Fällen liegen angeborene Ursachen vor (z. B. Herzfehler, Ionenkanalerkrankungen, atypische Leitungsbahnen). Störungen der Schilddrüsenfunktion, des Elektrolythaushaltes (besonders Kalium, Calcium, Magnesium), starker Alkoholkonsum, Sauerstoffmangel und bestimmte Medikamente können ebenso zu Herzrhythmusstörungen führen. In etwa 5 % der Fälle lassen sich keine besonderen Ursachen erkennen. Wie wird der Patient untersucht? Um genau zu wissen, mit welcher Rhythmusstörung man es überhaupt zu tun hat, sollte zunächst versucht werden, sie auf einem EKG zu erfassen und mitzuschreiben. In Notfallsituationen außer- 77 Vorhöfe Sinusknoten Kammern AV-Knoten Die Erregung des Herzens entsteht normalerweise im Sinusknoten, dem natürlichen Impulsgeber, und wird über den sogenannten AV-Knoten auf die Kammern übertragen. Beim Kammerflimmern verliert der Sinusknoten seine Steuerfunktion. Die Kammern entwickeln eine eigene chaotische elektrische Erregung, die nur noch zu ungeordneten Zuckungen des Herzmuskels und damit zum Herzstillstand führt. halb der Klinik hat die sofortige Behandlung natürlich Vorrang, so dass dann häufig eine Dokumentation der Rhythmusstörung nicht möglich ist. Hat ein Patient eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung erlitten, muss er sich unbedingt sofort einer ausführlichen stationären Abklärung in einem Krankenhaus unterziehen. Am Anfang jeder Untersuchung steht die Befragung des Patienten, die Hinweise auf eine mögliche Ursache der Rhythmusstörung geben soll. Von Interesse ist ebenso, ob bereits früher Rhythmusstörungen bemerkt wurden. Dann wird man sich einen Überblick über den Herzrhythmus des Patienten in verschiedenen Situationen verschaffen. Hierfür wird ein Elektrokardiogramm (EKG) in Ruhe, unter Belastung sowie ein Langzeit-EKG, das der Patient für 24 Stunden am Körper trägt, angefertigt. Außerdem kommt der sogenannte Event-Recorder zum Einsatz, der den Herzrhythmus nicht dauerhaft registriert, sondern so programmiert ist, dass er nur bei einem Event, d. h. bei einer Herzrhythmusstörung aufzeichnet. Weiterführende Untersuchungen sollen helfen, die auslösende Ursache der Herzrhythmusstörung zu finden. Dazu gehören Laboruntersuchungen des Blutes, eine Röntgenaufnahme von Herz und Lungen sowie die Ultraschalluntersuchung des Herzens. Die genauesten Informationen über eine bestehende Herzerkrankung und deren Schweregrad ergeben sich durch eine Herzkatheteruntersuchung. Daher ist diese Untersuchung für Patienten nach einem lebensbedrohlichen Ereignis unverzichtbar. Hierbei werden Katheter über Blutgefäße in der Leiste ins Herz vorgeschoben und mit Hilfe von Kontrastmittel die Herzkranzgefäße und die linke Herzkammer dargestellt. So können eventuelle Ver78 engungen von Herzkranzgefäßen festgestellt und gegebenenfalls aufgedehnt werden. Bei der elektrophysiologischen Untersuchung wird das Herz über Elektrodenkatheter in der rechten Herzkammer stimuliert, um festzustellen, an welcher Rhythmusstörung der Patient leidet und wie anfällig das Herz für diese Rhythmusstörung ist. Unter Umständen kann es erforderlich sein, eine kleine Probe aus dem Herzen zu entnehmen und mikroskopisch zu untersuchen, um eine Herzmuskelerkrankung festzustellen. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Bei der Therapie ist zwischen der Akut-Situation und der langfristigen Behandlung der Patienten zu unterscheiden. Akut-Situation Da bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen die Gefahr des Herz-Kreislauf-Versagens besteht und die Folgeschäden sehr rasch eintreten können, ist in der Akut-Situation schnelles Handeln von großer Bedeutung. Entscheidend für das Überleben der Betroffenen ist das schnelle und gezielte Reagieren der Beobachter. Neben der Verständigung des Notarztes ist bei Bewusstlosigkeit eine sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung wichtig, um die lebenswichtigen Organe weiter mit Sauerstoff zu versorgen (Abb. S. 80). Bei sehr schnellen lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (z. B. Kammerflimmern) sollte als rettende Maßnahme die möglichst frühzeitige Anwendung eines Elektroschocks mit Defibrillator erfolgen. Da bis zum Eintreffen des Notarztes oft Keine HLW verzögerte Defibrillation 0–2 % überleben Frühe HLW verzögerte Defibrillation 2–8% überleben Frühe HLW frühe Defibrillation 20 % überleben Frühe HLW sehr frühe Def. frühe ACLS 30 % überleben Minuten 2 4 6 Durch eine sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung, den frühzeitigen Einsatz der Defibrillation und den möglichst frühen Beginn erweiterter lebensrettender Herz-Lungen-Wiederbelebung Defibrillator wertvolle Zeit verstreicht und sich die Überlebenschance dabei in jeder Minute um etwa 10 % verringert, werden in öffentlichen Bereichen zunehmend Automatisierte Externe Defibrillatoren (AED) installiert, die durch geschulte Laienhelfer problemlos angewendet werden können (Abb. S. 81). Die Deutsche Herzstiftung und andere Initiativen bemühen sich derzeit um eine vermehrte Verfügbarkeit dieser Geräte an öffentlichen Plätzen und Gebäuden und um ein breites Training der Bevölkerung in der Anwendung dieser Geräte. Behandlung des Grundleidens Bei Patienten, die einmal eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung überlebt haben, besteht ein Risiko von etwa 10 %, innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Ereignis plötzlich zu sterben. Aus diesem Grund sind eine konsequente Abklärung möglicher Ursachen und eine entsprechende Therapie erforderlich. Je nach zugrundeliegender Erkrankung stehen verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieformen zur Verfügung. Beispielsweise muss ein Patient mit einer koronaren Herzerkrankung optimal mit Medikamenten eingestellt werden (z. B. mit ASS, 8 10 Maßnahmen (ACLS) kann die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand deutlich verbessert werden. ACLS Betablocker, ACE-Hemmer, Lipidsenker). Liegen höhergradige Engstellen der Herzkranzgefäße vor, kann eine Ballonaufdehnung, gegebenenfalls mit Einsetzen einer Gefäßstütze (Stent), erforderlich sein. Kardiomyopathien oder Störungen des Mineralhaushaltes (Kalium, Magnesium etc.) werden mit Medikamenten behandelt. Substanzen, die an der Entstehung von Rhythmusstörungen beteiligt sein können, müssen abgesetzt werden. Die Behandlung der Grunderkrankung soll durch eine Stabilisierung oder Besserung des Grundleidens die Neigung zu Rhythmusstörungen verringern. In vielen Fällen kann es gelingen, ein Fortschreiten der zugrundeliegenden Erkrankung zu verhindern. Das Risiko für das Auftreten von Herzrhythmusstörungen besteht aber möglicherweise weiterhin. Rhythmusmittel und Defibrillator In der Behandlung lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen wurden in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Zunächst standen nur Medikamente zur Behandlung der Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmika) zur Verfügung. Inzwi79 Leben retten kann man lernen. Das Vorgehen ist relativ einfach. Aber es muss in Herz-LungenWiederbelegungskursen gelernt und geübt werden. Wo? Fragen Sie die Herzstiftung (Telefon 069 955128-111). 80 schen ist bekannt, dass diese Antiarrhythmika häufig nicht wirksam sind und bei herzkranken Patienten nicht selten zur Zunahme der Rhythmusstörung oder sogar zum Herzstillstand führen können. Aus diesem Grund war es wichtig, für Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen alternative Therapiekonzepte zu entwickeln. Da lebensbedrohliche Rhythmusstörungen zuverlässig durch einen Elektroschock beendet werden können und die Zeit vom Auftreten bis zur Unterbrechung der Herzrhythmusstörung für das Überleben entscheidend ist, kommt bei Patienten mit erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod zunehmend der implantierbare Defibrillator (ICD = implantable cardioverter defibrillator) zum Einsatz. Das Gerät kann sehr zuverlässig lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erkennen und behandeln. Dadurch kann die Lebenserwartung von Risikopatienten wesentlich beeinflusst werden (s. S. 82). Wenn es bei einem Patienten zu häufigen Entladungen des Defibrillators kommt, können Medikamente (z. B. Betablocker, Amiodaron) durch Unterdrückung der Rhythmusstörung die Häufigkeit der Schockabgabe verringern. Was kann die Katheterablation? Ein interessantes und vor allem bei gutartigen Formen von Herzrasen sehr erfolgreiches Verfahren stellt die Katheterablation dar. Hier wird im Rahmen eines Herzkathetereingriffs gezielt Strukturen am Herzen verödet, die für die Rhythmusstörung verantwortlich sind. Dadurch kann die Rhythmusstörung oft geheilt werden. Dieses Vorgehen kommt jedoch nur für bestimmte Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen in Frage. Dabei kann durch diese Behandlung allein in der Regel aber kein ausreichender Schutz vor gefährlichen Rhythmusstörungen erreicht werden. Bei Patienten mit ICD kann jedoch in einigen Fällen durch eine Ablation in Kombination mit einer optimalen medikamentösen Behandlung die Häufigkeit der notwendigen Schocktherapien und damit die Lebensqualität deutlich verbessert werden. Eine Strategie der Vorbeugung Das Hauptproblem lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen ist die Tatsache, dass die meisten Patienten an ihrer ersten lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung sterben, bevor ärztliche Hilfe sie erreichen kann. Deswegen ist das Hauptziel vorbeugender Strategien die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Risikopatienten. Neben regelmäßigen Untersuchungen ist es für den Patienten wichtig, auf Beschwerden zu achten, die auf eine Herzkrankheit hinweisen. Dazu zählen z. B. ein Engegefühl oder Schmerzen in der Brust, die unter körperlicher Belastung auftreten. Atembeschwerden oder ein allgemeines Schwächegefühl können erste Hinweise für eine Herzschwäche sein. Bei Patienten nach Herzinfarkt oder einer bekannten Herzschwäche sind Episoden mit anhaltendem Herzrasen von großer Bedeutung. Plötzlich auftretender Schwindel und Ohnmachtsanfälle sind als mögliche Warnsymptome für eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung anzusehen. In diesen Fällen sollte dringend eine weitere Abklärung erfolgen. Automatisierter Externer Defibrillator (AED). 81 Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe, Medizinische Klinik II, (Schwerpunkte Kardiologie und Angiologie), Marienhospital Herne, Ruhr-Universität Bochum Lange Zeit musste der plötzliche Herztod als unentrinnbares Schicksal hingenommen werden. Männer und Frauen wurden plötzlich aus dem Leben gerissen, ohne dass man ihnen helfen konnte. Dann wurden die modernen Antiarrhythmika (Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen) entwickelt. Die Ergebnisse blieben unbefriedigend. Eine Wende zeichnete sich erst ab, als der Herzspezialist Michel Mirowski einen engen Freund durch plötzlichen Herztod verlor. Dieser Tod ließ ihm keine Ruhe: Er erfand den implantierbaren Defibrillator (im Volksmund Defi, in der Fachsprache ICD, nämlich implantable cardioverter defibrillator). Der erste wurde 1980 in Baltimore einer Patientin eingesetzt. Inzwischen sind weltweit viele 100 000 Patienten mit Defibrillatoren behandelt worden. Ursache des plötzlichen Herztodes Der plötzliche Herztod wird nahezu immer durch lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen ausgelöst, die zum Zusammenbruch des Kreislaufs führen: Es sind krankhaft schnelle Herzschläge, sogenannte Kammertachykardien, die das Herz mit einer Frequenz von 150 – 300 Schlägen pro Minute schlagen lassen. Dieses Herzrasen geht oft innerhalb von Sekunden bis Minuten in eine völlig ungeordnete elektrische Erregung über, das sogenannte Kammerflimmern. Das Herz zuckt nur noch und kann deshalb keine Leistung mehr erbringen. Der Kreislauf bricht zusammen, die Gehirnfunktion erlischt. Nur ein Elektroschock kann das Herz wieder in den richtigen Rhythmus bringen. Dieser Schock kann abgegeben werden durch externe Defibrillatoren, die heute z. B. nicht nur in Kliniken, sondern auch in Flugzeugen und Flughäfen zur Verfügung stehen, oder durch schrittmacherähnliche Geräte, die gefährdeten Patienten eingesetzt werden. 82 Für welche Patienten? Seit 1980 der erste Defibrillator eingesetzt wurde, haben sich unsere Kenntnisse über Häufigkeit und Ursachen des plötzlichen Herztodes wesentlich erweitert. So hat man auch lernen müssen, dass durch eine Therapie mit Medikamenten das Risiko des plötzlichen Herztodes nicht gesenkt werden kann. Neben der Behandlung der Grunderkrankung ist daher der Defibrillator das einzig wirksame Verfahren, das Risiko des plötzlichen Herztodes zu verringern. Bei welchen Patienten sollte ein Defibrillator eingesetzt werden? n Heute besteht kein Zweifel, dass Patienten, die eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung überlebt haben, von einem Defibrillator profitieren. Entsprechend empfehlen weltweit alle Leitlinien, einen Defibrillator bei diesen Patienten einzusetzen. n Ebenfalls allgemein anerkannt ist heute die Notwendigkeit, einen Defibrillator bei Patienten einzusetzen, deren anhaltende Rhythmusstörungen in den Herzkammern (z. B. anhaltende Kammertachykardie) zu einer Beeinträchtigung der Herz- und Kreislaufleistung führen wie Blutdruckabfall, Minderdurchblutung des Gehirns mit Benommenheit (Präsynkope) oder Bewusstlosigkeit (Synkope). n Patienten mit koronarer Herzkrankheit und deutlich eingeschränkter Leistungsfähigkeit der linken Herzkammer (meist nach mehrfachen Herzinfarkten) haben ein erheblich erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod. Wenn diesen Patienten ein Defibrillator eingesetzt wird, kann ihr Risiko plötzlich zu sterben, deutlich vermindert werden. Diese Patienten sollten einen Defibrillator erhalten, wenn die Auswurffraktion der linken Herzkammer unter 30 % und die Breite Anfall erlitten haben, erhalten dagegen in der Regel keinen Defibrillator. In diesen Fällen reicht normalerweise die Behandlung der Grundkrankheit aus. Was kann ein Defibrillator? Röntgenaufnahme des Brustkorbes eines Patienten nachdem ein Einkammer-Defibrillator eingesetzt ist. Eine Elektrode ist zur Entdeckung von gefährlichen Herzrhythmusstörungen, zur Stimulation und zur Schockabgabe in der Spitze der rechten Kammer zu erkennen. Der Generator ist links über den Rippen zu sehen. des Kammerkomplexes im EKG über 120 ms liegt. Diese Empfehlung gilt nicht innerhalb der ersten Monate nach einem Herzinfarkt, sondern erst später, wenn der Zustand chronisch geworden ist. n Weniger klar ist die Situation bei Patienten, bei denen die Leistungsfähigkeit des Herzens nicht durch koronare Herzkrankheit, sondern durch andere Herzerkrankungen eingeschränkt ist. Auch diese Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, unerwartet und plötzlich zu sterben, aber die Leitlinien empfehlen derzeit nur im Ausnahmefall (z. B. bei familiärer Belastung durch plötzlichen Herztod bei dieser Erkrankung) das Einsetzen eines Defibrillators. n Andere Krankheitsbilder, bei denen das Einsetzen eines Defibrillators bei besonderer Gefährdung des Patienten erwogen werden sollte: angeborene QT-Syndrome, Brugada-Syndrom sowie Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie. Patienten, die einen Herzstillstand infolge eines niedrigen Kaliumspiegels oder während eines Herzinfarkts oder bei einem schweren Angina pectoris- Der Defibrillator besteht aus einem Elektrodensystem, das gefährliche Herzrhythmusstörungen erkennt sowie einem Generator, der in der Lage ist, die Spannung aufzubauen, die zur Schockabgabe gebraucht wird. Das Gerät überwacht den Herzrhythmus kontinuierlich. Wird eine gefährliche Herzrhythmusstörung erkannt, dann gibt es einen Gleichstromimpuls ab, der den regulären Herzrhythmus wiederherstellt. Die dazu benötigte Energie liegt zwischen 3 – 25 Joule. Moderne Defibrillatoren verfügen über eine ausgefeilte Technik, so dass die Stärke des Elektroschocks auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten abgestimmt werden kann. Außerdem speichert der Defibrillator durch ein eingebautes Langzeit-EKG alle Rhythmusstörungen. Je nach Diagnose stehen unterschiedliche Geräte zur Verfügung: n Als Standard der heutigen Defibrillator-Therapie gilt der Einkammer-Defibrillator, bei dem lediglich eine Elektrode über eine Vene im Herzen plaziert wird. Sie ermöglicht es, Herzrhythmusstörungen zu erkennen, das Herz zu stimulieren und elektrische Schocks abzugeben. Der Generator, der die Energie für den Schock liefert, wird unter die Haut im Bereich der Brustmuskulatur eingesetzt. Eine wichtige Aufgabe des Defibrillators ist es, schnelle Herzrhythmusstörungen zu erkennen, die dem Kammerflimmern vorausgehen. Dann reagiert das Gerät mit dem sogenannten Overdrive (Abb. S. 84). Das heißt: Es unterbricht das Kammerrasen durch noch schnellere Impulse und bringt das Herz in den normalen Rhythmus. Wenn das gelingt, bleibt dem Patienten der Elektroschock erspart. Gelingt die Unterbrechung nicht, dann bereitet die elektrische Entladung der Herzrhythmusstörung ein Ende. Um den Patienten gegen einen zu langsamen Herzrhythmus abzusichern, verfügt der Einkammer-Defibrillator zusätzlich über eine Schrittmacherfunktion. 83 Zweikammer-Defibrillator Bei einem Zweikammer-Defibrillator wird nicht nur wie bei einem Einkammer-Defibrillator eine Elektrode an der Spitze der rechten Herzkammer eingesetzt, sondern zusätzlich eine weitere im rechten Vorhof. Dieser Defibrillator ist besonders bei Patienten von Nutzen, die neben den bösartigen Kammerrhythmusstörungen auch Vorhofflimmern (phasenweise oder anhaltend) haben. Warum? Vorhofflimmern verursacht häufig eine rasche Kammerfrequenz, die bei einem Einkammer-Defibrillator unnötige Schockabgaben hervorruft. Das Zweikammer-System kann die schnellen Herzrhythmusstörungen besser unterscheiden und beugt so einer unnötigen Schockabgabe vor. Vollständig kann man sie allerdings durch einen ZweikammerDefibrillator nicht verhindern. A I II III B I II III I Der biventrikuläre Defibrillator Bei einer Reihe von Patienten (etwa ein Drittel) mit schwerer Herzschwäche breitet sich die Erregung im Herzen verzögert und nicht gleichzeitig aus. Damit ist das Zusammenziehen der linken Hauptkammer gestört und die Auswurfleistung des Herzens vermindert. Bei einem biventrikulären Defibrillator werden nicht nur der Vorhof und die Spitze der rechten Herzkammer stimuliert, sondern zusätzlich die Seitenwand der linken Herzkammer (Dreikammer-System). Hierdurch wird das Zusammenspiel der einzelnen Abschnitte der linken Herzkammer verbessert und die Herzleistung gesteigert. Durch diese Art der Stimulation wird auch die Häufigkeit bösartiger Herzrhythmusstörungen vermindert, allerdings nicht so, dass solche Rhythmusstörungen nicht mehr auftreten könnten. Daher kombiniert man diese Art der Stimulation mit einem Defibrillator. So erhalten solche Patienten einen Zweikammer-Defibrillator mit einer zusätzlichen Elektrode, der die Seitenwand der linken Herzkammer stimuliert. 84 II III Abb. A: Overdrive: Durch Abgabe von vier Impulsen [ATP = antitachykardes Pacing (Stimulation)] wird das Herzrasen vom Defibrillator ohne Elektroschock beendet. Abb. B: Diese Aufzeichnung zeigt eine Kammertachykardie, eine Stimulation des Herzens, die nicht wirkt, und deswegen gibt der Defibrillator einen Schock ab. Nach der Schockabgabe schlägt das Herz etwas langsamer, dann sorgt die Schrittmacherfunktion des Defibrillators dafür, dass das Herz wieder normal schlägt. Wie lange hält ein Defibrillator? Die Batterie eines Defibrillators hat eine Funktionsdauer von fünf bis zehn Jahren. Die Haltbarkeit ist abhängig von der Stärke und der Häufigkeit der abgegebenen Schocks. Eine Erschöpfung der Batterien zeigt das Gerät frühzeitig an. Dann muss der Generator in einer Operation ausgetauscht werden. Wie wird der Defibrillator eingesetzt? Außerdem raten wir den PatienVoraussetzung für das Einsetzen eines ten, in die Klinik zu kommen: Defibrillators ist eine Reihe von Unn nach der ersten Schockabgabe, tersuchungen: EKG, Echokardiogran wenn sich der Patient nach phie, Röntgenaufnahme des Brusteiner Schockabgabe nicht wohl korbs. Eine Herzkatheteruntersuchung fühlt und klärt den Zustand der Herzkranzgen wenn die Schockabgaben sich Modell eines Defibrillators. fäße und die Herzleistung. Die elekhäufen. Die Ursachen vermehrter trophysiologische Untersuchung gibt InformatioICD-Entladungen müssen umgehend abgeklärt nen über die Art der Rhythmusstörung und wie ihr werden. am besten begegnet werden kann. Während in den Anfängen der ICD-Therapie kein Komplikationen Zweifel daran bestand, dass der Einbau von Defibrillatoren durch einen Herzchirurgen vorgenomInfektionen gehören zu den schwerwiegenden men werden sollte, nehmen heute in einer Reihe Komplikationen nach dem Einsetzen eines Defivon Zentren die Kardiologen allein oder gemeinbrillators. Die Infektionsrate ist mit 2 % relativ niedsam mit dem Herzchirurgen diesen Eingriff vor; rig, etwa die Hälfte der Patienten stirbt, wenn sich denn in den vergangenen Jahren sind die Defibrildie Infektion unbehandelt im Körper ausbreitet. latoren wesentlich kleiner geworden. Das kann vermieden werden, wenn der Patient Durch die kleinen Aggregate ist eine Vollnarkose schnell in die Klinik kommt. In einzelnen Fällen zum Einsetzen des Gerätes nicht nötig. Nur wenn hat eine antibiotische Behandlung Erfolg gehabt. während der Operation die Stärke des ElektroDie meisten Herzspezialisten sehen diese Behandschocks bestimmt wird, erhält der Patient eine Kurzlung als ungeeignet an und empfehlen bei einer zeitnarkose. 24 Stunden lang muss der Patient nach Infektion, das gesamte Defibrillator-System zu entder Operation überwacht werden, um frühzeitig fernen. Probleme wie Blutungen (Hämatome), AnsammDann muss gewartet werden, bis die Infektion ausgeheilt ist, um erneut einen Defibrillator einzusetzen. lung von Gewebeflüssigkeit (Serome) oder VerWie kann der Patient eine Infektion entdecken? schiebungen der Elektrode(n) zu erkennen. Dann Zeichen einer Infektion sind Rötungen und Schwelkann der Patient auf eine Allgemeinstation verlegt lungen in dem Bereich, in dem der Defi eingesetzt werden. Die Dauer des stationären Aufenthaltes wurde. Bei der Hälfte der Patienten stellt sich auch ist in Abhängigkeit von der Grundkrankheit des erhöhte Temperatur ein. Da die Infektion sich Patienten zwischen zwei und vier Tagen. Vor der schleichend entwickelt, kann sie Tage bis Wochen Entlassung sollte eine Kontrolle und Feineinstelnach Einsetzen des Defibrillators auftreten. Die Gelung des Defibrillators erfolgen. fahr ist größer beim Wechsel des Geräts als beim Ersteinsetzen. Wann zum Arzt? Komplikationen des Elektrodensystems werden in Nach dem Einsetzen des Defibrillators muss der etwa 5 – 10 % der Fälle beobachtet. Es kann zur Patient in drei- bis sechsmonatigen Abständen zu Bei jedem Verdacht einer Infektion von Elektroeiner ambulanten Untersuchung kommen, damit densystem und/oder Generator sollte der Patient Störungen oder Komplikationen erkannt und beumgehend das Zentrum, das den Defibrillator seitigt werden. Ein weiterer Vorteil der regelmäßieingesetzt hat, aufsuchen. gen Kontrollen liegt darin, dass der Patient, der oft schwer herzkrank ist, engmaschig betreut wird. 85 Verschiebung der Elektroden kommen, zur Verlagerung der Sonden, zu Kabelbrüchen usw. Diese Defekte zeigen sich in häufigen Entladungen. Typisch ist in solchen Fällen, dass die Entladung durch bestimmte Bewegungen hervorgerufen wird. Einer unserer Patienten hatte immer elektrische Entladungen, wenn er seinen Enkel hochhob. Das Gerät war defekt. Solche Defekte müssen rasch chirurgisch behoben werden. Beim Auftreten häufiger ICD-Entladungen sollten die gespeicherten Elektrogramme so schnell wie möglich analysiert werden. Ein Defekt des Elektrodensystems muss unverzüglich durch eine Operation beseitigt werden. Häufige Entladungen Häufige Entladungen können nicht nur durch Defekte des Elektrodensystems hervorgerufen werden, sondern auch durch Rhythmusstörungen, die an sich nicht gefährlich sind wie z. B. Vorhofflimmern oder Vorhofflattern. Der Verdacht, dass DefiEntladungen auf Rhythmusstörungen aus dem Vorhof zurückgehen, ergibt sich häufig schon aus dem Beschwerdebild des Patienten: Oft haben solche Patienten mehrere Schocks hintereinander, ohne dass sie schwindlig oder bewusstlos werden. Bei der Mehrzahl dieser Patienten ist eine Behandlung mit Medikamenten (Digitalis, Verapamil, Betablocker, Antiarrhythmika) erfolgreich, und nur bei sehr wenigen Patienten (etwa 5 %) sind andere Maßnahmen notwendig. Eine wiederholte Schockabgabe in kurzen Abständen stellt eine Notfallsituation dar, da der Patient zum einen durch die meist schmerzhaften Schockimpulse erheblich psychisch beeinträchtigt ist und zum anderen eine unangemessene Schockabgabe Herzrhythmusstörungen fördern kann und damit eine Gefährdung für den Patienten darstellt. Unangemessen ist eine Schockabgabe, wenn sie nicht durch schnelle Herzrhythmusstörungen in den Herzkammern ausgelöst ist. Eine Klinikeinweisung ist in der Regel unumgänglich. Allerdings gibt es häufige ICD-Entladungen auch durch lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen 86 bei schwer herzkranken Patienten. Sie werden vor allem bei einer Verschlechterung der Herzleistung beobachtet. In solchen Fällen muss die Therapie in erster Linie darauf abzielen, die Herzschwäche zu behandeln und/oder den Herzrhythmus zu stabilisieren. Wechselwirkungen mit Medikamenten Patienten mit einem Defibrillator müssen oft Medikamente einnehmen; auch Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen, die den Herzrhythmus stabilisieren sollen. Zwischen Medikamenten und Defibrillator gibt es keine Wechselwirkungen mit einer wichtigen Ausnahme: Amiodaron (z. B. in: Cordarex, Amiohexal). Wenn Patienten, die einen Defibrillator tragen, Amiodaron verordnet bekommen, muss ihr Gerät neu programmiert werden. Die elektrische Energie bei der Schockabgabe muss erhöht werden, damit Kammerflimmern zuverlässig beendet werden kann. Mit dem Defi leben Wie empfindet man den Schock, den das Gerät bei Kammerflimmern abgibt? Das ist sehr unterschiedlich. Manche haben dabei nur ein unangenehmes Gefühl. Die Mehrzahl der Patienten empfinden einen mehr oder weniger starken Stoß in der Brust. Manche fühlen sich benommen, bei 8 – 10 % der Patienten tritt eine vorübergehende Bewusstlosigkeit auf. Vielen Patienten zeigt ein warnendes Vorgefühl, dass eine elektrische Entladung folgt. Sie haben dann die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten, indem sie sich hinsetzen oder hinlegen. Für die Lebensqualität der Patienten hängt viel davon ab, dass die Ärzte den Patienten umfassend aufklären und auf seine Besorgnisse und Ängste eingehen. Deshalb haben wir wie viele Kliniken eine Defi-Ambulanz, in der die Patienten rund um die Uhr immer einen Ansprechpartner für ihre Probleme finden. Gut informierte Patienten wissen, dass der Defi das beste Mittel gegen den plötzlichen Herztod ist, und dass es keine Alternative gibt, die so zuverlässig ihr Leben rettet. Die Zahl der Patienten, die mit ihrem Defibrillator gut zuSchematische Darstellung eines Defibrillators mit Aufzeichnung eines im Herzen abgeleiteten EKGs. rechtkommen, ist erstaunlich hoch: Es sind rund 95 %. Ja, es gibt Leute, die die erste Entladung ihres DeAn sich selbstverständlich: Sicherheitsgurte und fis feiern, weil sie darin den Beweis sehen, dass ihr Gurte mit schweren Taschen sollten nicht direkt Defi sie vor dem plötzlichen Herztod schützt. über dem Defibrillator getragen werden, weil sonst Wichtig für die Lebensqualität ist, dass der Defidie Elektroden beschädigt werden können. brillator wenig Einschränkungen bringt. Gegen EinFlugreisen sind unproblematisch. Eine Studie unflüsse von außen ist er gut geschützt. Nur starke serer Arbeitsgruppe, die von der Deutschen HerzMagnetfelder, z. B. Transformatoren, große Indusstiftung unterstützt wurde, hat gezeigt, dass Sichertriemaschinen wie Generatoren und Elektromotoheitsschleusen und Handdetektoren auf Flughären, sind zu meiden. Die Magnetresonanztomografen den Defi nicht beeinträchtigen. Dasselbe gilt phie (MRT) als Untersuchungsverfahren darf – zubei Diebstahlsicherungen von Kaufhäusern. mindest im Brustkorbbereich – nicht angewandt Vor Auslandsreisen empfiehlt es sich, den Herstelwerden. ler des Defibrillators anzurufen, um sich Adressen Ein heikler Punkt, der viele Patienten beschäftigt, im Ausland zu beschaffen, die bei Zwischenfällen ist das Autofahren. Autofahren ist in den ersten Hilfe leisten können. sechs Monaten nach Einsetzen eines Defis nicht erEs darf nicht vergessen werden, dass die Einschränlaubt, damit beobachtet werden kann, ob Entkungen, die den Alltag der Patienten beeinträchladungen des Defis stattfinden und wenn ja, weltigen, z. B. mangelnde Belastbarkeit, nicht auf den che Beschwerden auftreten. Wenn der ElektroDefibrillator zurückzuführen sind, sondern auf die schock zu Bewusstseinstrübungen oder gar zur BeGrundkrankheit. Die meisten Träger eines Defibrilwusstlosigkeit führt, ist selbstverständlich das lators leiden an einer koronaren Herzkrankheit Autofahren auch auf Dauer nicht möglich. oder an einer Kardiomyopathie. Nur bei 5 % der Dagegen gibt es im Sport kaum Einschränkungen. Patienten tritt Kammerflimmern auf, obwohl sie Nur von Kampfsportarten, die dem Gerät etwas ansonst gesund sind. Ein typischer Fall: Eine 42-jähhaben können, ist abzuraten. Für sexuelle Aktirige Frau brach plötzlich beim Kartenspiel zusamvitäten bringt der Defi keine Probleme. Die elekmen: Herzstillstand. Ihr Mann rettete sie durch trische Spannung geht bei Berührung auf den PartHerz-Lungen-Wiederbelebung. Ein Defibrillator, sagte die sonst rundum gesunde Frau, käme für ner nicht über. sie nicht in Frage. Sie habe keine Lust LebensquaHandys können genutzt werden, man sollte sie lität einzubüßen. Als die Ärzte ihr erklärten, wie 15 cm vom Defibrillator entfernt halten. Am beswenig ihr Leben eingeschränkt würde, entschied ten sollte man das Telefon auf der dem ICD gegensie sich für den Defibrillator und lebt seither sehr überliegenden Seite tragen und auf dem gegenzufrieden. überliegenden Ohr telefonieren. 87 Leben mit dem Defi Als mein Arzt das erste Mal vom Defi sprach, war ich skeptisch. Die Vorstellung, in meiner Brust ein Gerät zu tragen, das mir gelegentlich Elektroschocks versetzt, war mir unangenehm. Damals 1997 hatte ich drei Klappenoperationen mit schweren Komplikationen hinter mir. Einen Herzstillstand hatte ich überlebt, und danach verordneten mir die Ärzte Amiodaron und Betablocker. Diese Medikamente bewährten sich zunächst: Ein Herzstillstand kam nicht mehr vor. Aber nach eineinhalb Jahren traten schwere Nebenwirkungen auf. Deshalb brachten die Ärzte den Defi ins Gespräch. Nur sehr zögerlich ließ ich mich überzeugen. Erst nach mehreren Gesprächen mit meinen Ärzten und nachdem ich eine zweite Meinung in einem großen Herzzentrum eingeholt hatte, entschloss ich mich zum Defi. Die Operation, in der der Defibrillator eingesetzt wurde, war problemlos. Trotzdem sah ich mit Bangen der Zukunft entgegen. Ich quälte mich mit den Problemen, die auf mich zukommen sollten. Wie würde das Leben mit dem Defi aussehen? Vor allem wie würden die Elektroschocks auf mich wirken? In dieser Situation war es für mich sehr wichtig, mit Menschen sprechen zu können, die schon länger mit einem Defi lebten. In der Klinik besuchte mich die Vorsitzende des ICD-Arbeitskreises Links der Weser und in der Reha-Klinik traf ich auf eine Patientin, die mir von ihren Erfahrungen mit Elek88 troschocks erzählte. Dadurch wurden mir meine Ängste zum großen Teil genommen. Eine große Hilfe waren auch die Gespräche mit dem Elektrophysiologen und den Psychologen der RehaKlinik. Die ersten Monate gab der Defi keine Schocks ab. Es gelang ihm durch sogenannte Stimulationen das Herzrasen zu unterbrechen, das dem Herzstillstand vorausgeht. Ich wurde immer sicherer, zumal nun auch die Nebenwirkungen der vorher verabreichten Medikamente schwanden. Die erste Schockabgabe war nicht so schlimm, wie von mir befürchtet. So lernte ich meinen Defi lieb gewinnen. Ich vertraute ihm, da ich auf dem Ausdruck der Defi-Abfrage die Rhythmusstörungen und das Eingreifen des Defis selbst sehen konnte. Mir wurde bewusst, wie der Defi mein Leben schützt. Mein kleiner „Aufpasser in der Brust“ bringt mir ein sehr positives, gutes und sicheres Lebensgefühl. Denn ich weiß, kein Medikament ist bei gefähr- Unterwegs mit der Herzsportgruppe. lichen Herzrhythmusstörungen so sicher wie der Defi. Meine Sorgen wurden immer geringer. Die Rhythmusstörungen sind zwar immer noch vorhanden und ab und zu gibt der Defi Stimulationen oder in wenigen Fällen auch Schocks ab. Da ich die Rhythmusstörungen in der Regel rechtzeitig merke, kann ich mich auf die Reaktion des Defis vorbereiten. Die Stimulationen merke ich nicht; der Schock ist zwar unangenehm, aber zu ertragen. Da nach dem Schock in den meisten Fällen die unangenehmen Rhythmusstörungen vorbei sind, fühle ich mich nach wenigen Stunden wesentlich besser. 2004 erhielt ich einen neuen Defi. Er ist technisch ein großer Schritt nach vorn – ähnlich, wie es bei den Computern zur selben Zeit zu beobachten war. Das Gerät erkennt jetzt die dem Kammerflimmern vorausgehenden Herzrhythmusstörungen besser, so dass es zu weniger Schockabgaben kommt. Mein Lebensalltag ist sehr befriedigend. Da ich erfahren habe, wie wichtig es ist, sich mit anderen Patienten auszutauschen, arbeite ich intensiv in verschiedenen Selbsthilfe- und Herzgruppen. Inzwischen habe ich die Regionalgruppe Emsland/Ostfriesland des ICD-Arbeitskreises Links der Weser gegründet. Seither arbeite ich dort als stellvertretender Vorsitzender. Über zu wenig Abwechslung kann ich mich nicht beklagen. In meiner Freizeit freue ich mich an der Natur und an der Pflege von Haus und Garten. Bei den täglichen Spaziergängen und wenn das Wetter es erlaubt, begleitet mich beim Fahrradfahren mein Schäferhund. Mit meiner Lebensgefährtin gehe ich gern auf Reisen – was früher nicht möglich war. Fazit: Ich komme mit dem Defibrillator gut zurecht, weil ich mich sicherer fühle. Hermann Wessels, Neubörger 89 Herzrhythmusstörungen nach der Operation angeborener Herzfehler Dr. med. Joachim Hebe, Praxis für Elektrophysiologie/Kardiologie, Klinikum Links der Weser, Bremen Prof. Dr. med. Karl-Heinz Kuck, Abt. II., Medizin/Kardiologie, Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg Yvonne, eine 15-jährige Schülerin, hatte eigentlich nicht so recht Lust, schon wieder zur Routineuntersuchung zu ihrem Kardiologen zu gehen. Ihr Leben wurde schon zu lange von medizinischen Eingriffen und Kontrollen diktiert. Nur dieses eine Mal wollte sie den vorgegebenen Termin noch wahrnehmen. Denn in den letzten Monaten waren Phasen aufgetreten, bei denen sie besonders bei körperlichen Anstrengungen ein ungewohnt starkes Herzjagen spürte. Es war ihr dabei schwindlig, und sie hatte auch Atemnot. Sie selbst fand das nicht so schlimm, aber da war die Mutter, die sich Sorgen um sie machte. Als sie zur Welt kam, so wurde ihr erzählt, sei sie am ganzen Körper blau gewesen, was die Ärzte auf einen schweren angeborenen Herzfehler zurückführten. Im Gegensatz zu anderen Kindern mischte sich in ihrem Herzen das blaue Blut aus dem Körper mit dem roten Blut aus der Lunge. Schon in den ersten Lebensmonaten war eine Operation (Fontan-Operation) und eine weitere im Alter von zehn Jahren durchgeführt worden. Jetzt, nach den einzelnen Untersuchungen, wartete sie auf die abschließende Besprechung. Der Doktor erklärte, dass das Herz von Yvonne viel zu schnell schlage, vermutlich schon eine ganze Weile. Er sprach von einer tachykarden (schnellen) Herzrhythmusstörung und empfahl dringend die Einweisung in das nächstgelegene Krankenhaus, das auf jugendliche und erwachsene Patienten mit operierten angeborenen Herzfehlern spezialisiert sei. Dort sollte Yvonne sich einer sogenannten elektrophysiologischen Untersuchung unterziehen. Über einen Herzkatheter solle die Ursache für den zu schnellen Herzschlag geklärt und wenn möglich auch beseitigt werden. Dabei werde über den Ka90 theter Strom abgegeben und dadurch die Herzmuskelzonen verödet, die für das Herzrasen verantwortlich seien. Am nächsten Tag folgte der Eingriff: Yvonne bekam fast gar nichts davon mit. Sie erhielt ein Beruhigungsmittel, mit dem sie schnell tief und fest einschlief. Ein sanftes Rütteln an ihrer rechten Hand holte sie wieder zurück: Ihr erster Blick richtete sich auf das glückliche Gesicht ihrer Mutter, die ein paar Freudentränen in den Augen hatte. Alles war überstanden. Die Ärzte sprachen von einem erfolgreichen Eingriff, der vier Stunden gedauert habe. Yvonne fühlte sich nur noch etwas schlapp und müde, als sie am nächsten Morgen das Bett verlassen durfte. Einen Tag später wurde sie entlassen und konnte wenige Tage darauf wieder zur Schule gehen. Die letzten Kontrolluntersuchungen zeigten einen normalen und stabilen Herzrhythmus. Yvonnes Leben änderte sich: Jetzt erst merkte sie, wie leicht ermüdbar sie früher gewesen war. Auch reichte die Luft wieder bis in die vierte Etage. Jetzt konnte sie sich in der Schule besser konzentrieren und in der Gruppe ungebremst an allen Unternehmungen teilnehmen. Das neue Verfahren hat die Herzrhythmusstörung geheilt. Yvonnes Geschichte ist exemplarisch: Die Medizin hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Fortschritte in der Diagnose, der Operation und der Nachsorge komplexer angeborener Herzfehler gemacht. Dadurch erreichen immer mehr Patienten das mittlere und hohe Erwachsenenalter mit einer annehmbaren bis guten Lebensqualität. Allerdings: Trotz aller Fortschritte bleiben bei diesen Patienten häufig Fehlbelastungen einzelner Anteile des Herzens bestehen. Bei ihnen treten in Aorta obere Hohlvene Lungenarterie chirurgische Narbe Vorhof-ReentryTachykardie rechter Vorhof rechte Kammer untere Hohlvene Darstellung des Herzens nach einer Operation zur Korrektur eines angeborenen Herzfehlers. Der Chirurg stellte eine direkte Verbindung vom rechten Vorhof zur Lungenarterie her. Im Vorhof läuft eine schnelle kreisende Herzrhythmusstörung (Reentry-Tachykardie) entlang der Narbe, die von dem chirurgischen Eingriff herrührt. Der gelb unterlegte Bereich der kreisenden Tachykardie ist eine Zone, die für die Herzrhythmusstörung verantwortlich ist. Eine Hochfrequenzstromablation, die diese Zone verödet, kann das Auftreten der Herzrhythmusstörung dauerhaft verhindern. zunehmender Zahl wiederkehrende und chronische Herzrhythmusstörungen auf. Diese Herzrhythmusstörungen sind von großer Bedeutung, weil Patienten, die wegen angeborener Herzfehler operiert wurden, Herzrhythmusstörungen erheblich schlechter vertragen als Menschen mit normalen Herzen. Die Lebensqualität dieser Patienten ist wesentlich stärker beeinträchtigt und zugleich ist das Risiko einer vitalen Bedrohung relativ hoch. Ursachen erworbener Herzrhythmusstörungen Es gibt angeborene Herzrhythmusstörungen wie das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom), wo die Ursache – eine zusätzliche Reizleitung – bereits bei der Geburt angelegt ist. Abzugrenzen sind hiervon die erworbenen Herzrhythmusstörungen, die durch Erkrankungen (z. B. Herzmuskelentzündung), Fehlbelastungen (Druck/Volumenüberlastung) oder Sauerstoffunterversorgung (Koronarsklerose) des Herzens entstehen können. Dazu gehören auch Herzrhythmusstörungen, die ein nicht operierter Herzfehler im Lauf der Zeit hervorruft. Ein Beispiel dafür ist Vorhofflimmern, das bei Patienten mit einem nicht operierten Vorhofseptumdefekt bei mehr als 50 % der Fälle zu finden ist. Weiterhin können erworbene Herzrhythmusstörungen direkt oder mittelbar durch chirurgische 91 Links: 12-Kanal-Oberflächen-EKG der jungen Patientin Yvonne bei der Aufnahme ins Krankenhaus. Yvonne empfindet keine Beschwerden. Zu sehen ist eine VorhofReentry-Tachykardie mit einem 2:1-Verhältnis von Vorhof zur Kammeraktivierung bei einer Vorhoffrequenz von 220/min und einer sich daraus ergebenden Kammerfrequenz von 110/min. Offensichtlich hatte sich die Patientin an die dauerhaft hohe Herzfrequenz gewöhnt. Rechts: 12-Kanal-Oberflächen-EKG der gleichen Patientin während der Vorhoftachykardie mit 1:1-Überleitung auf die Kammerebene und der sich daraus ergebenden Kammerfrequenz von 220/min. Jetzt hat die Patientin Beschwerden: Herzrasen, Schwindel, Atemnot. Eingriffe hervorgerufen werden. Diese können akut im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Operation (z. B. als Folge der chirurgischen Durchtrennung des AV-Knotens) oder mehrere Jahre später auftreten z. B. als Folge von Vernarbungen. Typisch ist hier der Ausfall des Sinusknotens nach ausgedehnter Vorhof-Chirurgie (z. B. bei Vorhofumkehr nach Mustard/Senning, bei einer Transposition der großen Gefäße) oder der AV-Block III° (nach Korrektur eines AV-Kanals oder einer Fallot’schen Tetralogie). Welche Beschwerden treten auf? Zu langsame Herzschlagfolge (Bradykardie) Wenn der Hauptimpulsgeber des Herzens, der Sinusknoten, zu langsam arbeitet oder die Überleitung gestört ist (AV-Block), sinkt die Herzfrequenz unter 40 bis 50 Schläge pro Minute. Dabei kann es zu einer kritischen Unterversorgung des 92 Kreislaufs kommen, die sich durch Schwindel oder gar durch Verlust des Bewusstseins (Synkope) äußern kann. Eine höchstgradige AV-Überleitungsstörung (totaler AV-Block) in Kombination mit dem Fehlen eines ausreichenden Ersatzrhythmus kann zum Kreislaufzusammenbruch führen. Zu schnelle Herzschlagfolge (Tachykardie) Schnelle Herzrhythmusstörungen im Vorhof (atriale Tachykardien) wirken sich je nach Dauer und Herzfrequenz verschieden aus. Bei Vorhoffrequen- Welche Möglichkeiten der Behandlung bestehen? Langsame Herzrhythmusstörungen (Bradykardien) Patienten mit langsamen Herzrhythmusstörungen können heute mit individuell abgestimmten Schrittmachersystemen trotz der angeborenen Fehlbildung des Herzens meist hervorragend versorgt werden. Einschränkungen der Lebensqualität, auch der Berufsausübung, gehören in der Regel der Vergangenheit an. zen von bis zu 350/min kann je nach Bremswirkung des AV-Knotens das Herz bis zu mehr als 200 mal in der Minute schlagen. Es ist leicht vorstellbar, dass bei Vorliegen einer Herzerkrankung solche Herzfrequenzen schlecht vertragen werden. Hinzu kommt, dass dann auch die Zusammenarbeit zwischen Vorhof und Kammer gestört ist und dadurch die Pumpkraft des Herzens deutlich verringert wird. Auch bei schnellen Herzrhythmusstörungen in den Herzkammern sind herzoperierte Patienten besonders betroffen. Während bei einem sonst herzgesunden Patienten Kammerfrequenzen von 220/min bis zu mehreren Stunden durchaus vertragen werden, können bereits wesentlich langsamere Kammerfrequenzen bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern zu schwersten klinischen Beschwerden bis hin zum Zusammenbruch der Herz-Kreislauf-Funktion führen. Es kommt auch vor, dass Patienten die schnellen Herzrhythmusstörungen nicht wahrnehmen, so dass sie nur durch einen Zufall aufgedeckt werden. In anderen Fällen treten Beschwerden auf: Herzrasen, Herzstolpern, Schwindel („Es wird mir schwarz vor Augen“), Brustschmerzen, Atemnot, plötzliche Bewusstlosigkeit und sogar Herz-Kreislauf-Stillstand (schnelle ventrikuläre Tachykardie, Kammerflimmern). Wichtig zu wissen ist: Auch Patienten, die ihre Herzrhythmusstörung nicht spüren, können vital gefährdet sein. Deswegen muss der Herzrhythmus von Patienten, die wegen angeborener Herzfehler operiert wurden, regelmäßig vom Arzt kontrolliert werden. Schnelle Herzrhythmusstörungen (Tachykardien) Je nachdem, welche Beschwerden schnelle Herzrhythmusstörungen auslösen und welche Bedrohung von ihnen ausgeht, kommen unterschiedliche Behandlungsstrategien in Betracht: n keine Therapie n Korrektur der Fehlbelastungen des Herzens durch Medikamente, durch Operation oder Herzkathetereingriff n antiarrhythmische Therapie durch Medikamente, Hochfrequenzstromablation oder Einsetzen eines Cardioverters/Defibrillators Nicht alle schnellen Herzrhythmusstörungen bedürfen einer Behandlung. Voraussetzung ist, dass diese Herzrhythmusstörungen keine vitale Bedrohung oder auch auf Dauer keine Schädigung der Herzfunktion mit sich bringen. Bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern ist das jedoch selten der Fall. Daher muss man sich in den meisten Fällen zu einer Behandlung der Herzrhythmusstörung entschließen. Oft ist bei Patienten, die wegen angeborener Herzfehler operiert sind, später schwer auseinanderzuhalten, welche Schäden die Operationsnarben und welche Schäden die Fehlbelastungen, die nach der Operation bleiben, hervorrufen. Falls der Nachweis gelingt, dass Herzrhythmusstörungen auf Fehlbelastungen zurückgehen, sollte in erster Linie versucht werden, sie durch Medikamente oder durch Operation zu verringern oder zu beseitigen. Gegebenenfalls kann dieses Vorgehen mit einer antiarrhythmischen Therapie kombiniert werden. 93 Antiarrhythmische Therapie Medikamente Mit Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmika) versucht man, die Herzrhythmusstörung zu unterdrücken oder zumindest das durchschnittliche Niveau der Kammerfrequenz im Normbereich zu halten. Die überwiegende Zahl dieser Antiarrhythmika hat eine Reihe von Nebenwirkungen, die sich unter anderem negativ auf die Funktion des Herzens (z.B. Pumpkraft) auswirken kann. Elektrophysiologische Untersuchung (EPU)/Hochfrequenzstromablation Therapie der Wahl für schnelle Herzrhythmusstörungen nach Operation angeborener Herzfehler ist heutzutage die Hochfrequenzstromablation (s. S. 26). Während Medikamente derartige Herzrhythmusstörungen zeitweise unterdrücken, lassen sie sich mit dieser Technik dauerhaft heilen. Das Verfahren kann vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter eingesetzt werden. Behandelt werden neben den herzoperierten Patienten auch Säuglinge und Kinder, die „nur“ an einer Herzrhythmusstörung leiden, ohne dass eine Herzoperation durchgeführt werden muss. Die Erfolgsquote der Hochfrequenzstromablation liegt für die Mehrzahl der Herzrhythmusstörungen bei über 90 %. Wesentliche Voraussetzung für den Erfolg ist große Erfahrung mit dieser Behandlung. Außerdem müssen besondere zusätzliche bildgebende Techniken zum Auffinden (Lokalisation) und Analyse der Herzrhythmusstörung (sogenannte Mapping-Techniken) zur Verfügung stehen. Die Eingriffszeiten sind heutzutage deutlich kürzer als früher und liegen in der Regel bei zwei bis vier Stunden. Das Risiko dieser Therapie hängt von der zugrundeliegenden Herzkrankheit, von der Art der Rhythmusstörung und vom Alter des Patienten ab. Je schwerer die Herzkrankheit und je jünger der Patient, desto höher das Risiko. Ebenso ist die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit Ursprung in den Herzkammern im allgemeinen risikoreicher als die Behandlung von Herzrhythmusstörungen aus den Herzvorhöfen. Heutzutage sind 94 schwerwiegende Komplikationen selten und liegen in einer Größenordnung von zwei bis drei Prozent. Eine Notwendigkeit der Behandlung mit der Hochfrequenzstromablation besteht immer dann, wenn die Herzrhythmusstörung lebensbedrohlich ist oder zu einer Pumpschwäche des Herzens führt. Implantierbarer-Cardioverter-Defibrillator Bei Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, deren Behandlung z. B. durch Hochfrequenzstromablation nicht gelingt, sollte das Einsetzen eines Cardioverters/Defibrillators (ICD) erwogen werden (s. S. 82). Dieses System ist in der Lage, schnelle Herzrhythmusstörungen zu beenden. Es ist besonders bei Patienten angebracht, bei denen bereits in der Vergangenheit schnelle Herzrhythmusstörungen zum Zusammenbruch der Herz-Kreislauf-Funktion (plötzlicher Herzstillstand) geführt hatten. Fortschritte der Medizin In den letzten Jahren sind große Fortschritte in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen erreicht worden, die gerade Patienten zugute kommen, die wegen angeborener Herzfehler operiert wurden. Herzschrittmacher helfen bei langsamen Herzrhythmusstörungen (Bradykardien). Bei schnellen Herzrhythmusstörungen (Tachykardien) ist in zunehmendem Maße die Hochfrequenzstromablation erfolgreich. Dadurch können diese Patienten eine oft lebenslange Einnahme von Medikamenten (Antiarrhythmika) vermeiden. Das Einsetzen eines Cardioverters/Defibrillators kann ausgewählte Patienten, bei denen ein lebensbedrohliches Risiko erkannt wurde, vor dem plötzlichen Herztod schützen. Das heutige breite Therapiespektrum wird in Zentren praktiziert, die auf die Versorgung von Patienten im Jugend- und Erwachsenenalter mit angeborenen Herzfehlern und auf die neuen Verfahren zur Therapie von Herzrhythmusstörungen spezialisiert sind. Das hilft Ihnen weiter Wichtige Informationen können Sie den folgenden Broschüren, Sonderdrucken und Faltblättern entnehmen, die hervorragende Herzexperten für Sie geschrieben haben: n Sonderdruck Nr. 24 Helfen Medikamente bei Herzrhythmusstörungen? n Sonderdruck Nr. 32 Störeinflüsse auf Herzschrittmacher n Sonderdruck Nr. 13 Bluthochdruck – das verkannte Risiko n n n n n Broschüre Gerinnungshemmung Broschüre dolce vita – herzgesund leben Gesundheits-Pass Notfallausweis Ausweis zur Gerinnungskontrolle bei Behandlung mit Marcumar, Falithrom oder Coumadin Diese Informationsmaterialien erhalten Sie als Mitglied kostenlos, ansonsten gegen eine Versandkostenpauschale von 1,45 Euro pro Artikel in Briefmarken. Ihre Anforderung schicken Sie an: Deutsche Herzstiftung e.V. Vogtstraße 50 60322 Frankfurt am Main Wir hoffen, dass Sie durch die vorliegende Broschüre Herzrhythmusstörungen besser verstehen werden und dadurch auch besser mit ihnen umgehen können. Wenn das so ist, freuen wir uns und sind Ihnen dankbar, wenn Sie unsere Arbeit mit einer Spende unterstützen, zum Beispiel: mit einer Überweisung auf unser Spendenkonto 903000 Frankfurter Sparkasse BLZ 500 502 01 mit einem Anruf aus dem deutschen Festnetz: Spendenhotline 0900 1 444 224 Der Anruf kostet 5,- Euro und die Verrechnung dieser Spende erfolgt über Ihre Telefonrechnung. 95 Was kann die Deutsche Herzstiftung für Sie tun? Die Deutsche Herzstiftung hilft Ihnen, gesund zu bleiben – oder, wenn Sie krank sind, mit Ihrer Krankheit besser fertig zu werden: n n Informationsdienst Sprechstunde Die Deutsche Herzstiftung bietet ihren Mitgliedern eine telefonische Arztsprechstunde mit Herzspezialisten und Herzchirurgen zweimal im Monat an. Außerdem können sich die Mitglieder jederzeit schriftlich an die Sprechstunde: Patienten fragen – Ärzte antworten der Zeitschrift der Deutschen Herzstiftung wenden oder die Fragen online stellen. Jedes Jahr werden Tausende von Anfragen bearbeitet. n Ausgaben der Zeitschrift und Sprechstunden zurückgreifen. Zeitschrift Die Deutsche Herzstiftung gibt für ihre Mitglieder viermal im Jahr die Zeitschrift Herz heute heraus, in der Spezialisten über neue Entwicklungen auf allen Gebieten der Medizin informieren: über koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt, über Bypass- und Klappenoperationen, über Rhythmusstörungen und Schrittmacher, über neue Behandlungsmethoden, Medikamente und ihre Nebenwirkungen, über Ernährung und Cholesterin, auch über alternative Medizin. Zusätzlich berichten Patienten über ihre Erfahrungen. Auf den Internetseiten der Deutschen Herzstiftung können Mitglieder auch auf Artikel aus früheren Besonders wichtige Themen haben wir für unsere Mitglieder als Sonderdrucke zusammengefasst: Herzuntersuchungen, Herzinfarkt, Ballondilatation, Herzklappe, Stress usw. Darüber hinaus informieren wir über Warnsignale vor Herzinfarkt und Schlaganfall, Reisetipps für Herzkranke, Endokarditis-Prophylaxe, Selbstkontrolle des Gerinnungswertes und vieles andere. Jedem Mitglied steht der Notfallausweis für Herzpatienten zur Verfügung. Das Informationsmaterial kann ebenfalls online bestellt werden. Unter www.herzstiftung.de können sich Besucher über die Ziele und die Struktur der Herzstiftung und deren Aktivitäten informieren. Das Lexikon erklärt medizinische Fachbegriffe. Interessierte können sich über Veranstaltungstermine informieren, den Newsletter beziehen, Broschüren und Ratgeber anfordern oder herunterladen und Kontakt zu Selbsthilfegruppen knüpfen u.v.m. Mit der SucheFunktion können schnell und gezielt die gewünschten Inhalte gefunden werden. n Herz-Seminare und Vorträge Warum muss ich welche Medikamente regelmäßig einnehmen? Was geschieht bei einer Bypass-Ope- An dieser Stelle sollte ein Aufnahmeantrag kleben, mit dem Sie Mitglied in der Deutschen Herzstiftung werden können. Wenn er fehlt und Sie Mitglied werden wollen, rufen Sie uns einfach an: Telefon 069 955128-0 oder online unter www.herzstiftung.de. Natürlich können Sie uns auch schreiben: Deutsche Herzstiftung Vogtstraße 50 60322 Frankfurt am Main 96 n ration? Was ist Herzschutzkost? Wie ist sie im Alltag zu erreichen? Wie stark soll ich mich körperlich belasten? Antworten auf diese und andere Fragen geben Ihnen nicht nur unsere Informationsschriften, sondern auch Herzspezialisten auf unseren Herz-Seminaren und Vortragsveranstaltungen. Eine vollständige Übersicht der Termine finden Sie auf den Internetseiten der Deutschen Herzstiftung. Forschung Die Deutsche Herzstiftung führt jedes Jahr eine bundesweite Aufklärungsaktion durch: die Herzwoche z. B. zur Früherkennung des Herzinfarktes oder den Herzmonat z. B. zum Thema Herzrhythmusstörungen oder Herzklappenerkrankungen. Im Kampf gegen die Herz-Kreislauf-Krankheiten ist die Forschung von besonderer Bedeutung. Alle wesentlichen Fortschritte der letzten Jahrzehnte wurden durch die Förderung der Wissenschaft erzielt. Die Förderung der Forschung ist ein besonderes Anliegen der Deutschen Herzstiftung in Verbindung mit der Deutschen Stiftung für Herzforschung. Die Stärke der Deutschen Herzstiftung ist ihre enge Bindung zur Wissenschaft: Sie ist nicht nur mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herzund Kreislaufforschung eng verbunden, sie ist auch die offizielle Vertretung Deutschlands in der internationalen Gemeinschaft der Herzstiftungen. Dem Wissenschaftlichen Beirat gehören fast alle führenden Kliniker und Wissenschaftler an, die auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen arbeiten. n n n Herzwoche/Herzmonat Reisen für Herzkranke Die Deutsche Herzstiftung bietet gemeinsam mit Reiseveranstaltern fachärztlich und sporttherapeutisch betreute Reisen an, die auf die Wünsche und Bedürfnisse chronisch kranker Menschen abgestimmt sind. n Gesprächs- und Selbsthilfegruppen Unter dem Dach der Deutschen Herzstiftung haben sich über 90 Gruppen für Bypass-, Schrittmacher- und Herzklappen-Patienten gegründet. Hier treffen sich Patienten und ihre Angehörigen zum Erfahrungsaustausch. n Kinderherzstiftung Die Deutsche Herzstiftung engagiert sich mit ihrer Kinderherzstiftung für herzkranke Kinder und unterstützt ihre Familien durch Information und Rat. Mit der Zeitschrift Herzblatt erhalten Eltern eines herzkranken Kindes viermal im Jahr wichtige Informationen über angeborene Herzfehler und ihre Behandlung. Kinderkardiologen, Herzchirurgen und Psychologen schreiben in Herzblatt, aber auch Eltern selbst. Sie vermitteln Erfahrungen über ihr Leben mit einem herzkranken Kind und berichten über Probleme, die sie bewältigen müssen. Wir setzen uns für Ihre Gesundheit und Ihr Leben ein Die Deutsche Herzstiftung kämpft für eine bessere Versorgung der Herzpatienten. Sie hat ihren Einfluss erfolgreich geltend gemacht gegen die lebensgefährlichen Wartelisten in der Herzchirurgie. Sie setzt sich energisch für eine einheitliche medizinische Notrufnummer in Deutschland und gegen den Pflegenotstand ein. Sie vertritt auf politischer Ebene die Interessen der Patienten gegenüber Krankenkassen und dem Gesetzgeber, was heute von besonderer Wichtigkeit ist. n Mehr als 55 000 Mitglieder Die Deutsche Herzstiftung wurde 1979 von bedeutenden Medizinern gegründet. Sie ist ein gemeinnütziger Verein, der sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Die Deutsche Herzstiftung steht unter der Schirmherrschaft von Barbara Genscher. Immer mehr Herzpatienten und Gesunde werden Mitglied in der Deutschen Herzstiftung, weil sie ihnen hilft, gesund zu bleiben oder, wenn sie krank sind, mit ihrer Krankheit besser fertig zu werden. Zur Zeit hat die Deutsche Herzstiftung mehr als 55 000 Mitglieder. Und jeden Tag kommen neue dazu. 97 Deutsche Herzstiftung ISBN 3-9806604-8-6