Arbeitsblätter Mathematik für Chemiker IV“ ” (H. Gollek, Studienjahr 2006/07) Inhaltsverzeichnis 1 Doppel- und Bereichsintegrale. 3 2 Kurvenintegrale. 10 3 Oberflächenintegrale. 14 4 Variablentransformation in mehrfachen Integralen. 15 5 Vektoranalysis. 20 6 Differentialformen - Cartanscher Kalkül -Äußere Algebra. 24 7 Die Integralsätze von Gauss-Ostrogradski und Stokes. 27 8 Fourierreihen. 29 9 Laplacetransformation. 32 10 Fouriertransformation. 37 11 Partielle Differentialgleichungen. 41 12 Anfangs- und Randwertproblem der Diffusionsgleichung. 43 13 Lösung der Wärmeleitungsgleichung für einen Stab unendlicher Länge. 46 14 Variationsrechnung. 49 15 Greensche Funktion. 51 16 Sturm-Liouville Theorie. 54 17 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten. 55 18 Lie-Gruppen und Lie-Algebren. 59 19 Vektorfelder. 62 20 Quaternionen. 68 1 1 Doppel- und Bereichsintegrale. Doppelintegrale und Bereichsintegrale dienen dem Berechnen der Volumina von Körpern, die durch krumme Flächen, meistens durch den Graphen einer Funktion f (x, y) zweier Variabler, begrenzt werden. Beide Begriffe haben denselben Inhalt. Unterschiede sind dadurch gegeben, daß das Doppelintegral mehr den rechnerischen Aspekt, das Bereichsintegral mehr den maßtheoretischen Aspekt der Volumenberechung wiedergibt. Eine einfache, halb-philosophische Motivierung: Zum Berechnen von Flächeninhalten mußten wir einmal integrieren. Kommt eine weitere Dimension hinzu, so haben wir es mit Volumina von Körpern zu tun, und es kommt auch eine weitere Integration hinzu. Jede zusätzliche Dimension erfordert eine zusätzliche Integration. 1 1 0.75 0.5 0.25 0 -1 0.75 1 1 0.5 0.5 0.25 0.5 0 -1 0 -0.5 0 -0.5 -0.5 0 -0.5 0 0.5 0.5 1 -1 1 Abb. 1.1 Zur Veranschaulichung eines Doppelintegrals: Das Volumen der Halbkugel wird berechnet als Grenzwert der Summe der Volumina flacher zylindrischer Scheiben der Höhe ∆x für ∆x → 0. -1 Abb. 1.2 Ähnliches gilt für das Volumen des Körpers, der von dem Rechteck [−1, 1]×[−1, 1] und dem Graphen der Funktion f (x, y) = 1 − x2 y 2 begrenzt wird. Satz 1.1 Es seien f (x, y) eine stetige Funktion zweier Veränderlicher, α(x) und β(x) zwei stetige Funktionen von x, [a, b] ⊂ R ein abgeschlossenes Intervall und G ⊂ R2 und K ⊂ R3 das (zweidimensionale) Gebiet und der Körper, die durch die Ungleichungen G = (x, y) ∈ R2 a ≤ x ≤ b; α(x) ≤ y ≤ β(x) , K = (x, y, z) ∈ R3 (x, y) ∈ G; 0 ≤ |z| ≤ |f (x, y)| definiert sind. Dann erhält man das Volumen V von K als Doppelintegral (1.1) V = ZZ G y=β(x) x=b Z Z f (x, y) dy dx. f (x, y) dx dy = x=a y=α(x) In (1.1) bezeichnet der erste Integralausdruck das Bereichsintegral, das als mathematischer Grundbegriff hinter dem Volumen steht. Der zweite bezeichnet das Doppelintegral und enthält die genaue Rechenvorschrift für das Ermitteln des Zahlenwertes: Zuerst wird f (x, y) in den von x abhängenR β(x) den Grenzen α(x) und β(x) nach y integriert, wodurch eine Funktion F (x) = α(x) f (x, y) dy entsteht, die nur noch von x abhängt. Der Funktionswerte F (x) kann man als Näherungswerte für die Flächeninhalte scheibenförmiger Gebilde ansehen, wie sie in den Abbildungen 1.1 und 1.2 dargestellt werden. Multipliziert mit der Höhe ∆x dieser Scheiben und aufsummiert würden sie einen Näherungswert für das Gesamtvolumen ergeben. Diesem Summieren entspricht im Grenzfall ∆x → 0 die nochmalige Integration von F (x) in den Grenzen zwischen a und b. Wenn die das Gebiet G unter- und oberhalb begrenzenden Funktionen konstant sind, d. h., α(x) = α = const, β(x) = β = const, so ist G ein Rechteck und die Formel (1.1) wird besonders einfach Zum Beispiel bekommt man das Volumen des in Abb. 1.2 dargestellten Körpers einfach durch 2 zweifache Integration: V = Z1 Z1 −1 −1 2 = 1−x y 2 Z1 Z1 x3 2 x=1 2 32 x− y dx dy = 2 − y 2 dy = dy = . 3 3 9 x=−1 −1 −1 Das Volumen der Halbkugel von Radius r (Abb. 1.1) berechnet man mit Hilfe von (1.1), wobei p man das Integral der Funktion r2 − x2 − y 2 einer Formelsammlung entnimmt, wie folgt: V = Zr −r 2 + √ rZ2 −x2 √ y=− r 2 −x2 2 Zr n p 2 p y r − x2 − y 2 2 2 2 r − x − y dy dx = + 2 r −x y arcsin √ 2 2 r − x2 √ r 2 −x2 √ y=− r 2 −x2 o −r dx = Zr −r 2 π r3 π(r2 − x2 ) dx = . 2 3 Die Anwendungen der Bereichsintegrale beschränken sich keineswegs auf Volumenberechnung. Integration von Dichtefunktionen. Die Begriffe des Doppel- und Bereichsintegrals lassen sich auf beliebig viele Dimensionen ausdehnen. Dreifache Integrale werden von Funktionen f (x, y, z) dreier RRR Variabler gebildet und erstrecken sich über dreidimensionale Körper G ⊂ R3 . f (x, y, z) dx dy dz bezeichnet und können durch dreimalige Integration Sie werden mit G berechnet werden. Schwerpunktberechungen. Der Flächeninhalt A eines Gebietes G ⊂ R2 ist als Bereichsintegral RR A = G dx dy berechnet werden. D. h., hier ist der Integrand die Funktion f (x, y) = 1 Den Schwerpunkt S = (xS , yS ) von G erhält man durch Integration der Funktionen f1 (x, y) = x und f2 (x, y) = y aus xS = 1 A ZZ x dx dy und yS = G 1 A ZZ y dx dy. G Oberflächenintegrale. Eine Fläche ist eine zweidimensionale Teilmenge M ⊂ R3 . Zur mathematischen Beschreibung von Flächen dienen Parameterdarstellungen. Das sind bijektive Abbildungen ~x : (u, v) ∈ U ⊂ R2 → (x(u, v), y(u, v), z(u, v))⊤ ∈ R3 von einem Gebiet U ⊂ R2 f = ~x(U ) von M ). Es gilt also ~x(U ) = M (bzw. auf M (oder auch nur auf ein Teilgebiet M f und jeder Punkt P = ~x(u, v) ∈ M ist durch zwei Parameterwerte u und v, die ~x(U ) = M Flächenkoordinaten, eindeutig festgelegt. Eine der wichtigsten Beispielklassen liefern die Graphen von Funktionen f (x, y) zweier Veränderlicher. Für diese werden Parameterdarstellungen der Form ~x(x, y) = (x, y, f (x, y))⊤ benutzt. Die Koordinatenlinien der Fläche sind die Kurven ~x(u, v0 ) (u-Linien) bzw. ~x(u0 , v) (v-Linien) die sich ergeben, wenn man einen der Parameter konstant hält (u0 =const bzw. v0 =const). Es gibt zwei Scharen von Koordinatenlinien. Linien die zur selben Schar gehören, schneiden sich gegenseitig nicht. Andererseits geht durch jeden Punkt P ∈ M genau je eine Kurve der beiden Scharen. Die Tangentialvektoren an diese Kurven im Punkt P sind die partiellen Ableitungen ~xu = ∂~x/∂u und ~xv = ∂~x/∂v. Die Tangentialebene von M im Punkt P besteht aus allen Linearkombinationen ~y = r ~xu +s ~xv und das normierte Kreuzprodukt ~n = ~xu ×~xv /||~xu ×~xv || ist der Einheitsnormalenvektor von M . RR f = ~x(U )) ergibt sich als Doppelintegral O = Die Oberfläche von M (bzw. von M dO. über U das Oberflächenelement dO = ||~xu × ~xv || du dv. dO ist der Flächeninhalt des von den Vektoren ~xu du und ~xv dv aufgespannten infinitesimalen Parallelogramms. Für einen Funktionsq graphen ~x(x, y) = (x, y, f (x, y))⊤ erhält man dO = 1 + fx2 + fy2 du dv. Eine anschauliche Vorstellung vom Oberflächenelement soll die Abbildung 1.3 vermitteln. 3 Eine auf M definierte Funktion µ(P ), kann man mit Hilfe der Parameterdarstellung ~x(u, v) als Funktion µ(u, v) der R RFlächenkoordinaten darstellen, und das über M erstreckte Integral µ(u, v)dO als Doppelintegral über den Definitionsbereich U von ~x I von µ ist durch I = U 1 gegeben. 0.5 0 -0.5 -1 1 0.5 0 -1 -0.5 0 0.5 1 Abb. 1.3 Der Inhalt einer Fläche ist näherungsweise durch die Summe der Inhalte von Parallelogrammen gegeben, die der Fläche schuppenartig anliegen und von den Tangentialvektoren ~xu ∆u und ~xv ∆v aufgespannt werden. 1 Y 0.5 0 -0.5 -1 1 0.5 1 Z 0.5 Z 1 0 0 -1 Y 2 1 Z 0 -1 -2 0 -0.5 -1 -1 5 0 -5 -0.5 0 0 0 X -1 X X 0.5 1 Abb. 3: Graph einer Funktion x y ~x(x, y) = 2 2 (1 − x )(1 − y ) Y Abb. 4: DieKugeloberfläche cos ϕ cos ψ ~x(ϕ, ψ) = cos ψ sin ϕ sin ψ Aufgabe 1.1 Berechnen Sie die Doppelintegrale R -5 5 1 Abb. 4: Der Torus 4 cos ϕ + 2 cos ϕ cos ψ ~x(ϕ, ψ) = 4 sin ϕ + 2 cos ψ sin ϕ 2 sin ψ f (x, y) dx dy für die unten angegebenen Inte- G grationsgebiete G und Funktionen f (x, y). 1. G ist das Quadrat [0, 1] × [0, 1] und f (x, y) = y x 2. G ist das Rechteck [a, b] × [c, d] und f (x, y) = 3 x − 7 y + 2. 3. G ist das Rechteck [a, b] × [c, d] mit a + c > 0 und f (x, y) = (x + y)−2 . 4. G r und f (x, y) = y 3 Genauer, G = ist der obere Halbkreis√ vom Radius 2 2 (x, y); −r ≤ x ≤ r, 0 ≤ y ≤ r − x . √ 5. G wird begrenzt von den Kurven y = x3 und y = 3 x und f (x, y) = x y. 4 6. G ist das von den drei Geraden y = a + x, y = a − x (a = const > 0) und und y = 0 begrenzte Gebiet von der Form eines gleichschenkligen Dreiecks und f (x, y) = (y 2 −x2 )2 . Aufgabe 1.2 Berechnen Sie das Volumen des Körpers, der unten von der im ersten Quadranten liegenden Viertelellipse mit den Halbachsen a und b, oben durch den Graphen der Funktion f (x, y) = x y und seitlich durch die Mantelfläche des über dieser Ellipse errichteten senkrechten Zylinders begrenzt wird. Das Integrationsgebiet G ist also die Menge aller Punkte (x, y), die die Ungleichung x2 y2 + 2 ≤ 1, x > 0 und y > 0 erfüllen (siehe Abb. 1). 2 a b Aufgabe 1.3 Man berechne den Schwerpunkt der Fläche, die in dem Quadrat [0, 1] × [0, 1] liegt und von den beiden Parabeln y = x2 und x = y 2 begrenzt wird. Aufgabe 1.4 Man berechne das Integral der Funktion f (x, y, z) = x y z über den 3-dimensionalen Würfel [0, 1] × [0, 1] × [0, 1] ⊂ R3 . Aufgabe 1.5 Man berechne den Flächeninhalt der Wendelfläche y f (x, y) = arctan x 1 im Bereich 2 0.5 2 x + y ≤ 1, x > 0, y > 0. 0 Hinweis: Wenn man Polarkoordinaten x = r cos ϕ, y = r sin ϕ verwendet, ist die Parametrisierung dieses Teils der Fläche durch den nebenstehenden Vektor und die Grenzen 0 ≤ r ≤ 1 und 0 ≤ ϕ ≤ -0.5 -1 1 0.5 π 4 gegeben, d. h., man hat ein rechteckiges Integrationsgebiet. Das Oberflächenelement nimmt ebenfalls eine sehr einfache Form an. -1 -0.5 0 0 -0.5 0.5 -1 1 v cos u Abb. 1.4 Die Wendelfläche ~x(u, v) = v sin u . u/π Aufgabe 1.6 Man berechne die Oberfläche des Teiles M des Graphen der Funktion f (x, y) = x2 + y 2 der über der Kreisfläche x2 + y 2 ≤ 1 liegt (M ergibt sich durch Rotation der Parabel z = x2 um die z-Achse - Rotationsparaboloid). Ebenso berechne man das Integral der auf p M definierten Funktion µ(x, y) = 1 + 4 (x2 + y 2 ). (Hinweis: parametrisieren Sie die Fläche mit Hilfe von Polarkoordinaten x = r cos ϕ, y = r sin ϕ). Aufgabe 1.7 Der Körper M ⊂ R3 sei durch den Graphen S der Funktion f (x, y) = −x2 − 2x − → y 2 + 5 und die Ebene E mit der Gleichung z = 1 begrenzt. Das Vektorfeld v : R3 → R3 sei definiert durch x y → v : y → z + x2 + y 2 , z x+1 und die Kurve K sei gegeben durch S ∩ E. 1. Beschreiben Sie den Körper M und seine Randfläche ∂M 2. Wie lautet der nach außen weisende Normaleneinheitsvektor von ∂M in (0, 0, 5)⊤ bzw. (−2, 1, 1)⊤? 5 3. Es sei K die Kurve K = S ∩ E. Geben Sie eine Parameterdarstellung von K an. 4. Bestimmen Sie Zylinderkoordinaten ϕ, r, z, die der Geometrie des Körpers M angepaßt sind und bestimmen Sie die Formel, die das Volumen V von M durch ein DreifachZ ?Z ?Z ? ? dz dϕ dr angibt. Berechnen Sie dieses Volumen Integral V = ? ? ? 5. Berechnen Sie die Koordinaten xSP , ySP , zSP des Schwerpunktes von M . → 6. Z Es Zsei n der nach außen weisende Normaleneinheitsvektor von M . Man berechne D→ →E v , n dO =? ∂M Lösungen Aufgabe 1.6 1. Führt man in der xy-Ebene Polarkoordinaten x = r cos ϕ − 1, y = r sin ϕ mit dem Zentrum M = (−1, 0) ein, so wird f (x, y) = 5 − x2 − 2x − y 2 = 6 − (x + 1)2 − y 2 = 6 − r2 cos2 (ϕ) + sin2 (ϕ) = 6 − r2 . Daraus erkennt man, daß der Graph S von f (x, y) ein nach unten geöffnetes Rotationsparaboloid mit dem Scheitelpunkt (−1, 0, 6)⊤ ist. Die Ebene z = 1 schneidet davon eine Kappe der Höhe 5 ab. → ⊤ 2. Der Graph von f (x, y) besitzt die Parameterdarstellung f = x, y, 5 − x2 − 2x − y 2 , Die partiellen Ableitungen dieser Vektorfunktion ergeben zwei linear unabhängige Tangentialvektoren und deren Kreuzprodukt einen Normalenvektor an das Paraboloid: → ∂f = fx = ∂x → 1 , 0 −2(x + 1) → ∂f = fy = ∂y → 0 1 , −2 y 2(x + 1) 2y fx× fy = 1 → → Damit erhalte wir für den Einheitsnormalenvektor an das Paraboloid (1.2) 2(x + 1) n= → 2y =p → 2 + 4 y2 1 + 4 (x + 1) || f x × f y || 1 → → fx × fy → 1 Man überprüft zuerst, daß die Punkte tatsächlich auf dem Rand ∂M von M liegen. Der Punkt P1 = (0, 0, 5)⊤ hat die Parameterwerte x = y = 0 ergibt also eingesetzt in dieFormel (1.2) den Normalenvektor √ → n 1 = (2, 0, 1)⊤ / 5. Der Punkt P2 = (−2, 1, 1)⊤ liegt auf dem unteren durch die Ebene E gebildeten Abschluß von M . Der Normalenvektor stimmt also mit demjenigen von E → überein, d. h., n 2 = (0, 0, −1) 2 2 3. Die Kurve K p= S ∩ E ergibt sich aus der Gleichung f (x,√y) = 1, also (x + 1) + y = 5, 2 d. h., y = ± 5 − (x + 1) . Das ist der Kreis vom Radius 5 mit Zentrum x = −1, y = 0. In den oben angegebenen Polarkoordinaten lautet seine Gleichung 6 − r2 = 1, d. √ √ √h., r = 5. Seine Parameterdarstellung in Polarkoordinaten ist x = 5 cos ϕ − 1, y = 5 sin ϕ 4. Zylinerkoordinaten mit der ’Zylinderachse’ x = −1, y = 0 erhält man indem man die oben angegebenen Polarkoordinaten durch die Gleichung z = z ergänzt: (r, ϕ, z)⊤ → ⊤ (x, y, z)⊤ = (r cos ϕ − 1, r sin ϕ, z) . (1.3) r x r cos ϕ − 1 → ϕ → y = Z (r, ϕ, z) = r sin ϕ . z z z 6 In diesen Koordinaten ist M durch die Ungleichungen √ 0 ≤ r ≤ 5, 0 ≤ ϕ ≤ 2π, 1 ≤ z ≤ 6 − r2 (1.4) gegeben und das Volumen von M erhält man, indem man die Funktionaldeterminante J der Transformation (1.3) berechnet und diese Funktion über den dreidimensionalen Bereich M ′ , integriert, der durch die Ungleichungen (1.4) beschrieben wird. Man erhält → (1.5) J = Det Daher ist V = Z 0 √ 5 Z 2π 0 → →! ∂Z ∂Z ∂Z , , ∂r ∂ϕ ∂z Z 6−r 2 cos(φ) = sin(φ) 0 −r sin(φ) r cos(φ) 0 0 0 1 =r r dz dϕ dr. 1 → 5. Wir rechnen wieder in kartesischen Koordinaten (x, y, z). Das Vektorfeld v ist für die Punkte der Oberfläche ∂M zu betrachten, die durch den Graphen S der Funktion f (x, y) und den unteren kreisrunden ’Deckel’ z = 1 gegeben ist. Wir betrachten zuerst das Integral über S. Hier muß man z = 6 − (x + 1)2 − y 2 einsetzen → und erhält v = (y, 5 − 2 x, 2 + 2 x)⊤ . Dieser Vektor ist mit dem Normalenvektor (1.2) D→ →E → → skalar zu multiplizieren. Man erhält v , n = 2 (1 + x) + (6 − x) y/|| f x × f y || mit → → || f x × f y || = → → p 1 + 4 (x + 1)2 + 4 y 2 . Da das Oberflächenelement die Form dO = || f x × f y || dx dy hat, kürzt sich dieser Ausdruck und es bleibt nur das Gebietsintegral der p Funktion 2 (1+x)+(6−x) y erstreckt über den Kreis y = ± 5 − (x + 1)2 zu berechnen. Wir erhalten Z √ −1+ 5 √ −1− 5 Z √5−(x+1)2 y=− √ 5−(x+1)2 (2 (1 + x) + (6 − x) y) dy dx = 7 Z √ −1+ 5 √ −1− 5 √5−(x+1)2 2 (1 + x) y + (6 − x) y 2 √ dx 2 − 5−(x+1) 1 y 0.75 0.5 0.25 0 1 1 0.75 0.75 0.5z z 0.5 0.25 0.25 10 0.75 -1 -0.5 x 0 0 0.5y 0.25 0 0.5 0.25 0.5 x 1 0 0.75 1 Abb. 2: Die Fläche f (x, y) = y x Abb. 1: Hufförmiger Ausschnitt eines Kreiszylinders 1 1 0.8 0.8 0.6 0.6 0.4 0.4 0.2 0.2 0.2 0.4 0.6 0.8 1 Abb. 3: Der Integrationsbereich zu 3. -1 -0.5 0.5 1 Abb. 4: Der Integrationsbereich zu 1. (e) für a = 1 8 2 Kurvenintegrale. Die bisher behandelten Integralbegriffe einschließlich der Kurvenintegrale lassen sich grundsätzlich nach zwei Vorgaben, dem Integrationsgebiet und dem Integranden einteilen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht. Art des Integrals gewöhnliches Integral zweidim. Gebietsintegral dreidim. Gebietsintegral Oberflächenintegral Kurvenintegral 1. Art Integrationsgebiet Intervall Gebiet G ⊂ R2 Gebiet G ⊂ R3 Fläche M ⊂ R3 Kurve γ(t) in R2 oder R3 Kurvenintegral 2. Art Kurve γ(t) in R2 oder R3 Integrand Funktion f (x) Funktion f (x, y) Funktion f (x, y, z) Funktion f (x, y, z) Funktion f (x, y) bzw. f (x, y, z) Differentialform ω = M dx + N dy bzw. ω = M dx + N dy + P dz Berechnet werden sie mit unterschiedlichen Methoden, denen aber die Zurückführung auf gewöhnliche Integrale gemeinsam ist. Beim Kurvenintegral erster Art sind eine ebene Kurve oder eine Raumkurve γ(t) sowie eine auf dieser Kurve definierte Funktion f (γ(t)) vorgegeben. Es wird nach Z b Z b p dγ dt = f (t) ẋ2 (t) + ẏ 2 (t) + ż 2 (t) dt f (t) dt a a berechnet. Von den Anwendungen des Kurvenintegrals erster Art nennen wir folgende: Bogenlänge: für f (t) = 1 ergibt es die Bogenlänge des dem Intervall [a, b] entsprechenden Abschnitts der Kurve γ. Dichtefunktionen: eine beliebige Funktion f (γ(t)) kann als Dichte einer Belegung der Kurve mit Masse oder irgendeiner anderen physikalischen Größe angesehen werden. Das Kurvenintegral stellt dann die Gesamtmasse dar. 1 1 0.5 0.5 -1 -0.5 0.5 1 -1 -0.5 0.5 1 -0.5 -0.5 -1 -1 Abb. 3.1 Eine Kurve und ihre Normalenvektoren. Abb. 3.2 Dieselbe Kurve und ein Vektorfeld. Abb. 3.3 Die Normalkomponenten des Vektorfeldes längs der Kurve. Strömungs- und Diffusionsvorgänge: ist ~v (x, y) ein Vektorfeld in R2 , das die Geschwindigkeit einer stationären (d. h. zeitlich konstanten) Strömung einer Flüssigkeit oder einer anderen physikalischen Größe X z. B. (Wärme, eine in einer Flüssigkeit gelöster Stoff u. ä) in Abhängigkeit vom jeweiligen Punkt (x, y) angibt, und wählt man für f (γ(t)) das Skalarprodukt von ~v (γ(t)) mit dem Einheitsnormalenvektor ~n(γ(t)) der Kurve, so stellt das Kurvenintegral die Menge der Größe X dar, die pro Zeiteinheit die Kurve γ passiert, die hier als Berandung eines Gebietes anzusehen wäre (siehe die Abbildungen 3.1, 3.2 und 3.3). 9 Das Kurvenintegral zweiter Art erfordert ebenfalls die Vorgabe einer Kurve γ(t), die auf einem Intervall a ≤ t ≤ b definiert ist, als Integrationsgebiet. Jedoch dient als Integrand eine DifferentiR alform ω. Man verwendet die Bezeichung γ ω für das Kurvenintegral zweiter Art. Ist γ(t) speziell H eine geschlossene Kurve (γ(a) = γ(b)), so schreibt man γ ω. R R Geometrische Veranschaulichung der Kurvenintegrale γ M dx und γ M dy (vgl. Abb. 3.4 auf Seite 13). Das Intervall [a, b] wird in n+1 Teilpunkte a = t0 < t1 < t2 < . . . < tn−1 < tn = b zerlegt. Die Kurvenpunkte Pi = γ(ti ) bestimmen zusammen mit den Funktionswerten M (Pi ) = M (γ(ti )) die über der Kurve errichteten Rechtecke. Die Summe der Inhalte dieser Rechtecke ist ein Näherungswert für das Kurvenintegral erster Art, während die Summe der Inhalte der Projektionen der Rechtecke auf R die xz-Ebene ein Näherungswert für das Kurvenintegral zweiter Art, γ M (x, y) dx ist. Analoges R gilt für die Projektionen auf die yz-Ebene und das Kurvenintegral zweiter Art, γ M (x, y) dy. Beschränken wir uns auf den 2-dimensionalen Fall, so hat ω die Gestalt ω = M (x, y) dx + N (x, y) dy. Stellt man sich ω wie z. B. die Form ðq = du + p dv in der Thermodynamik als Prozeßgröße vor, so Rentspricht eine parametrisierte Kurve γ(t) = (p(t), v(t))⊤ einem Prozeß und das Kurvenintegral γ ðq der vollständigen Änderung der Wärmemenge bei diesem Prozeß. Hat man wie in der obigen Abbildung eine Zerlegung der Kurve durch Teilpunkte Pi gegeben, so ist die Summe n X M (γ(ti ))∆xi + N (γ(ti ))∆yi mit γ(t) = i=1 R ein Näherungswert für γ x(t) y(t) und ∆xi ∆yi = xi − xi−1 yi − yi−1 ω. Die Summanden dieser Summe kann man wiederum durch M (x(ti ), y(ti )) ẋ(ti )∆ti +N (x(ti ), y(ti )) ẏ(ti )∆ti approximieren. Für den Grenzwert Max(∆ti ) → 0 ergibt die Summe dann die folgende Formel zum Berechnen des Kurvenintegrals durch ein gewöhnliches bestimmtes Integral: Z ω= γ Z b (M (x(t), y(t)) ẋ(t) + N (x(t), y(t)) ẏ(t)) dt. a Eigenschaften von Kurvenintegralen: Unabhängigkeit des Kurvenintegrals von der Parameterdarstellung: Es seien γ1 (t) = (x1 (t), y1 (t), (a1 ≤ t ≤ b1 ), und γ2 (s) = (x2 (s), y2 (s), (a2 ≤ s ≤ b2 ), Darstellungen derselben Kurve, wobei insbesondere Anfangs- und Endpunkt gleich sein müssen: γ1 (a1 ) = γ2 (a2 ) und γ1 (b1 ) = γ2 (b2 ). Dann gilt R b1 a1 (M (x1 (t), y1 (t)) x˙1 (t) + N (x1 (t), y1 (t)) y˙1 (t)) dt = R b2 a2 (M (x2 (t), y2 (t)) x˙2 (t) + N (x2 (t), y2 (t)) y˙2 (t)) ds. Zum Beispiel sind (x, y) = (3, 1) + t (4, 5) = (3 + 4t, 1 + 5t) und (x, y) = (3, 1) + t2 (4, 5) = (3 + 4t2 , 1 + 5t2 ) für 0 ≤ t ≤ 1 zwei verschiedene Parametrisierungen der geradlinigen Verbindungsstrecken der Punkte (3, 1) und (7, 6). Linearität in bezug auf den Integranden: Für beliebige Differentialformen ω1 und ω2 und beliebige reelle Zahlen r1 , r2 ∈ R und beliebige Kurven γ gilt Z r1 ω1 + r2 ω2 = r1 γ Z γ ω1 + r2 Z ω2 . γ Additivität in bezug auf das Integrationsgebiet: Ist eine Kurve γ = γ1 ∪ γ2 aus zwei Teilkurven γ1 und γ2 zusammengesetzt, wobei der Endpunkt von γ1 gleich dem Anfangspunkt 10 von γ2 ist, so gilt für jede Differentialform ω Z ω= Z ω+ ω. γ2 γ1 γ Z Wegunabhängigkeit bei vollständigen Differentialformen: Wenn ω = M dx + N dy geschlossen ist, d. h., wenn eine Funktion f (x, y) existiert mit M (x, y) = ∂f (x, y)/∂x und N (x, y) = ∂f (x, y)/∂y für alle (x, y) ∈ R2 und sind A, B ∈ R2 zwei beliebige (aber fest gewählte) Punkte, γ mit dem Anfangspunkt A und dem Endpunkt R R so haben für alle Kurven B die Integrale γ ω denselben Wert γ ω = f (B) − f (A). Der Integralsatz von Gauß . Es sei G ⊂ R2 ein Gebiet mit einer geschlossenen Randkurve γ und ω = M dx + N dy eine Differentialform. Wir definieren eine Differentialform zweiter Stufe dω durch (2.1) dω = d (M dx + N dy) = Dann gilt ∂N ∂M − ∂x ∂y Z (2.2) ω= Z dx dy = (Nx − My ) dx dy. dω. G γ Aufgabe 2.1 Man gebe Parameterdarstellungen der folgenden gerichteten Kurven an: (i) die von P1 = (1, 2) nach P2 = (2, 1) führende gerade Strecke. (ii) Viertelkreis mit dem Mittelpunkt M = (1, 1), der vom Punkt P1 zum Punkt P2 führt. (iii) der geschlossene dreieckförmige Streckenzug M −→ P1 −→ P2 −→ M Aufgabe 2.2 Man berechne die Kurvenintegrale der Differentialformen ω1 , ω2 und ω3 über die drei oben unter (i), (ii), (iii) angegebenen Kurven. ω1 ω2 ω3 1 (y dx − x dy), 2 x2 + y dx + x − y 2 dy, = = = ex y ((1 + x y) dx + x2 dy) Hinweis: Das direkte Berechnen der 3 Kurvenintegrale über die Formen ω2 und ω3 ist vergleichsweise schwierig. Verwenden Sie eventuell vorhandene Stammfunktionen. Aufgabe 2.3 Die molare Wärmemenge, die bei der Zustandsänderung eines thermodynamischen Systems umgesetzt wird, ist durch ein Kurvenintegral (2.3) ∆Q = Z γ ∂u +p ∂v dv + ∂u dp ∂p gegeben. Dabei ist γ eine Kurve in der (v, p) − Ebene, die den konkret gegebenen Prozeß beschreibt und u(T ) = cv (T − T0 ) + u0 die innere Energie (T0 , u0 , cv -Konstanten). Man bestimme ∆Q (i) für einen Prozeß, der durch isotherme Expansion (T =const) eines idealen Gases von v1 auf v2 und (ii) durch gleichmäßige, proportionale Änderung von T und v von T1 auf T2 bzw. v1 auf v2 gegeben ist. 11 Aufgabe 2.4 Man berechne den Arbeitsaufwand für die adiabatische Expansion eines idealen Gases mit der Zustandsgleichung R T = p v vom Zustand (p1 , v1 ) zum Zustand (p2 , v2 ) mit p1 > p2 und v1 < v2 . (Zuerst ist eine Parameterdarstellung der Kurve γ(t) = (p(t), v(t)) aus der Adiabatengleichung p v γ = k = const, γ = cRp /cv zu bestimmen, die den adiabatischen Prozeß beschreibt, um damit das Kurvenintegral γ −p dv zu berechnen.) → Aufgabe 2.5 Vorweg zwei Definitionen: Gilt grad (f ) = v für eine Funktion f : R3 → R heißt f → → Potential(funktion) des Vektorfeldes v : R3 → R3 , Das Vektorfeld v heißt konservativ, wenn es ein Potential besitzt. Auf R2 \ {0} betrachten wir die Vektorfelder → v = 1 r2 3x−y x + 3y → w= , er r → x y , mit r = p x2 + y 2 → Berechnen Sie jeweils das Kurvenintegral von v und w entlang des gegen den Uhrzeiger orientierten Einheitskreises. Besitzen die Vektorfelder (a) im Rechteck [1, 2] × [1, 2], (b) in R2 \ {0} eine Potentialfunktion? Berechnen Sie diese, sofern sie existiert. → → Aufgabe 2.6 Es sei v : R3 → R3 definiert durch v (x) = ln 1 + ||x||2 x . Ist das Vektorfeld → v konservativ? Für x ∈ R3 sei γx die Verbindungsstrecke von 0 nach x. Bestimmen Sie das Z → → v . Besitzt v eine Stammfunktion? Bestimmen Sie eine Stammfunktion Kurvenintegral γx → f von v , sofern eine solche. existiert. Zur geometrischen Veranschaulichung der Kurvenintegrale 2.ter Art: 1.5 z-Achse 1 0.5 0 0 2 1 1 2 x-Achse y-Achse 3 4 0 Abb. 3.4 Die Skizze zeigt, welche Flächeninhalte im Fall M (x, y) = N (x, y) zur Berechnung eines Kurvenintegrals 2. ter Art addiert werden. Diese geometrische Veranschaulichung ist aber hinsichtlich der Anwendungen ein wenig irreführend, da die Kurvenintegrale nur in wenigen Spezialfällen mit Flächeninhalten zu tun haben. 12 3 Oberflächenintegrale. In diesem Abschnitt definieren eine andere Art von Oberflächenintegralen, die wir im Unterschied zu den in Blatt 1 betrachteten Oberflächenintegralen 1-ter Art Oberflächenintegral 2-ter Art nennen. Sie stehen in ähnlich Beziehung zueinander wie die Kurvenintegrale erster und zweiter Art (siehe Blatt 3). Zur Motivation betrachten wir zuerst eine Zusammenhang zwischen Kurvenintegralen 1-ter und → 3-ter Art, der sich aus der Betrachtung von Strömungsfeldern v in der Ebene R2 ergibt, d. h. → v = (a(x, y), b(x, y))⊤ ist ein zweidimensionales Vektorfeld das z. B. die Fließgeschwindigkeit (und -richtung) von Tinteteilchen oder einer anderen Substanz in einem flachen Wassergefäß in jedem Punkt angeben, (siehe die Abbildungen 4.1, 4.2 und 4.3). ⊤ Wir betrachten eine Kurve γ(u), die durch eine Parameterdarstellung γ(u) = (x(u), y(u)) , u ∈ [u0 , u1 ] gebeben sei und fragen nach der Menge ∆M die pro Zeitintervall ∆t die Kurve → γ(u) passiert. Dazu betrachten wir den Einheitsnormalenvektor n in einem Punkt γ(u) der Kurve. Dann ist die Menge der Substanz, die ein kleines zwischen γ(u) und γ(u + ∆u) gelegenes Kurvenstück ∆γ = γ(u + ∆u) − γ(u) passiert gleich dem Produkt der Länge ||∆γ|| ≈ ||γ ′ (u)||∆u dieses → → Kurvenstücks mit der Länge || n ⊥ || der Projektion von v auf die Senkrechte. Diese Projektion D→ →E → ist durch das Skalarprodukt gegeben: || n ⊥ || = v , n gegeben. Unterteilt man das Intervall [u0 , u1 ] in viele kleine Teilintervalle ∆u und summiert die einzelnen Werte auf, so erhält man im Grenzübergang ∆u → 0 die Formel (3.1) ∆M = ∆t Z u0 u0 D→ →E v , n ||γ ′ (u)|| du. Den Normalenvektor kann man ebenfalls über γ ′ (u) ausdrücken. Die Drehung der Ebene J : R2 → → R2 um 90◦ entgegensetzt zum Uhrzeigersinn ist eine lineare Abbildung, die einen Vektor a = (x, y)⊤ auf den dazu orthogonalen → J( a ) = (−y, x)⊤ = 0 −1 1 0 → x y → abbildet. Diese Abbildung ist längenerhaltend: es gilt ||J( a )|| = || a || und wir erhalten (3.2) → n(u) = = = Z u0 J(γ ′ (u)) → J(γ ′ (u)) n ||γ ′ (u)|| du , und somit ∆M = ∆t , ||γ ′ (u)|| ||γ ′ (u)|| u0 Z u0 D Z u0 E → −y ′ (u) a ∆t , J(γ ′ (u)), n du = ∆t du x′ (u) b u0 u0 Z Z u0 ′ ′ b x du − a y du = ∆t b(x, y) dx − a(x, y) dy. ∆t γ u0 Mit anderen Worten, ∆M wird über das Kurvenintegral 13 R γ ω ausgedrückt, 4 Variablentransformation in mehrfachen Integralen. Die Substitutionsformel für bestimmte Integrale lautet im 1-dimensionalen Fall Zb (4.1) f (x) dx = a Zβ f (t(y)) t′ (y) dx, α wobei t : y ∈ [α, β] → x ∈ [a, b] eine umkehrbar eindeutige, differenzierbare Abbildung des Intervalls [α, β] auf das Intervall [a, b] ist mit t(α) = a und t(β) = b. Für höherdimensionale Integrale existieren ähnliche, analog zu (4.1) aufgebaute Substitutionsformeln, die durch folgende Zuordnungen entstehen: e G⊂ • (Integrationsgebiete) An die Stelle der Intervalle [α, β] und [a, b] treten zwei Gebiete G, n R , die durch krumme (n − 1)-dimensionale Flächen begrenzt sind. • (Substitution) An die Stelle der Funktion t tritt eine umkehrbar eindeutige differenzierbare e → G. Ist dann f (y1 , . . . , yn ) eine Funktion auf G, so wird daraus durch Abbildung ~t : G e Einsetzen der Abbildung ~t eine Funktion fe(y1 , . . . , yn ) = f (~t (y1 , . . . , yn )) auf G. • (Die Volumenverzerrung) Die Größe, die in höheren Dimensionen die Rolle der Ableitung t′ (y) übernimmt, ist die Funktionaldeterminante der Abbildung ~t. 3 1 0.8 2 0.6 1 0.4 -15 0.2 0.2 0.4 0.6 0.8 Das Einheitsquadrat G mit Koordinatenlinien. -10 -5 5 -1 1 e von G bei der Das Bild G −5 + 13x − 11y Abbildung ~t (x, y) = −x + 3y Krummlinige Koordinaten und Funktionaldeterminante Eine Koordinatentransformation im R2 ist eine bijektive, differenzierbare Abbildung T : R2 → R2 . Eine solche Abbildung T kann man in der Form (x, y) = T (u, v) = (x(u, v), y(u, v)) durch zwei differenzierbare Funktionen x(u, v) und y(u, v) beschreiben, Oft kann man ein Bereichsintegral über eine Gebiet G ⊂ R2 dadurch vereinfachen, daß man eine Koordinatentransformation durchführt, bei der die krummen oder schiefen Randkurven von G in axenparallele Geraden übergehen. e G ⊂ Rn zwei Gebiete und ~t : G e → G eine umkehrbar eindeutige Abbildung. Die Es seien G, e existiert mit Umkehrbarkeit von ~t bedeutet, daß eine inverse Abbildung ~t−1 : G → G 14 e ~t−1 ◦ ~t (P ) = P und ~t ◦ ~t−1 (Pe ) = Pe für alle P ∈ G, Pe ∈ G. Eine solche Abbildung wird krummliniges Koordinatensystem auf G genannt. Dieser Name ergibt sich aus anschaulichen Vorstellungen: Im R2 gibt es zwei Familien (kartesischer) Koordinatenlinien, die Geraden y1 = const bzw. y2 = const, d. h., die Parallelen zu den beiden Koordinatenachsen. Die e liegenden Teile dieser Geraden in zwei neue Familien von Kurven, Abbildung ~t überführt die in G die in G liegen und im allgemeinen keine Geraden mehr, sondern gekrümmt sind. Allerdings geht weiterhin durch jeden Punkt von G genau eine Kurve jeder Schar und keine zwei Kurven derselben Schar schneiden sich. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen zwei Beispiele von Koordinatentransformationen. Diese besitzen die beiden folgenden Besonderheiten: (i) Die Koordinatenlinien schneiden sich in jedem Punkt unter einem rechten Winkel. Es handelt sich daher um orthogonale krummlinige Koordinatensysteme. (ii) In beiden Fällen ergeben sich die beiden Komponenten als Real- und Imaginärteil eine komplexen Funktion. Im ersten Beispiel ist es die Funktion w = cosh(z) = cosh(x + i y) = 1 iy 1 x cosh(x) cos(y)+i sinh(x) sin(y) und im zweiten die Funktion w = = − 2 . = 2 2 z x+iy x +y x + y2 1.5 1 2 0.5 1 -1 -2 1 2 -4 -0.5 -2 4 -1 -1 -1.5 -2 1 x −y x2 + y 2 überführt die Rechtecke [−0.2, −1] × [−2, 2] und [0.2, 1] × [−2, 2] in mondförmige Ausschnitte von Kreisscheiben. cos(y) cosh(x) sin(y) sinh(x) überführt die Koordinatenlinien x = const in Ellipsen und die Koordinatenlinien y = const in Hyperbeln. Die Abbildung ~t (x, y) = 2 Die Abbildung ~t (x, y) = Zurück zum Fall einer allgemeinen Koordinatentransformation ~t. Die Abbildung ~t ordnet jedem Punkt P ∈ G die n Zahlen (y1 , . . . , yn ) = ~t−1 (P ) zu, die als neue Koordinaten von P angesehen werden. Gilt also P = ~t (y1 , . . . , yn ), so sind (y1 , . . . , yn ) die krummlinigen Koordinaten von P in bezug auf ~t. Eine analytische Beschreibung von ~t ist durch einen n-dimensionalen Vektor ~t (y1 , . . . , yn ) = (x1 , . . ., xn )⊤ = (x1 (y1 , . . . , yn ), . . ., xn (y1 , . . . , yn ))⊤ xi (y1 , . . . , yn ), i = 1, . . . , n gegeben. von differenzierbaren Definition 5.1 Die Jacobische Matrix J(y1 , . . . , yn ) von ~t ist die n × n-Matrix (4.2) J(y1 , . . . , yn ) = ∂x1 ∂y1 ∂x2 ∂y1 .. . ∂xn ∂y1 ∂x2 ∂y2 ∂x2 ∂y2 .. . ∂xn ∂y2 15 ··· ··· .. . ··· ∂x1 ∂yn−1 ∂x2 ∂yn−1 .. . ∂xn ∂yn−1 ∂x1 ∂yn ∂x2 ∂yn .. . ∂xn ∂yn Funktionen Die Determinante Det (J(y1 , . . . , yn )) der Jacobischen Matrix heißt Funktionaldeterminante von ~t. Die Verallgemeinerungen der Formel (4.1) auf 2- und 3-dimensionale Integrale lauten dann RR f (x1 , x2 ) dx1 dx2 = f (x1 , x2 , x3 ) dx1 dx2 dx3 = G RRR G RR e G RRR fe(y1 , y2 ) Det (J(y1 , y2 )) dy1 dy2 e G fe(y1 , y2 , y3 ) Det (J(y1 , y2 , y3 )) dy1 dy2 dy3 Der Laplaceoperator in Polarkoordinaten. Der 2- bzw. 3-dimensionale Laplaceoperator ist für f (x, y) ∈ C ∞ (R2 ) bzw. ψ(x, y, z) ∈ C ∞ (R3 ) durch (4.3) ∆f = ∂2f ∂2ψ ∂2ψ ∂2ψ ∂2f + = f + f , bzw. ∆ψ = + + = ψxx + ψyy + ψzz xx yy ∂x2 ∂y 2 ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 gegeben. Satz 5.1 In Polarkoordinaten (4.4) x y = = r cos ϕ r sin ϕ x = y = (im R2 ) bzw . z = r sin θ cos ϕ r sin θ sin ϕ r cos θ (im R3 ) nimmt ∆ die Form ∂2 1 ∂ 1 ∂2 + - in 2 Dimensionen, bzw. in 3 Dimensionen: + ∆ = ∂r2 r ∂r r2 ∂ϕ2 (4.5) ∂2 1 ∂ 1 ∂ 1 ∂ 2 ∂ r + Λ mit Λ = sin θ + an. ∆ = 2 r2 ∂r ∂r r2 sin θ ∂θ ∂θ r2 sin θ ∂ϕ2 p x2 + y 2 und ϕ = arctan . Die beiden p Gleichungen leiten wir zweimal nach x und y ab. Dabei ersetzen wir die Ausdrücke x2 + y 2 und x2 + y 2 , die sich mehrmals bei den Rechnungen ergeben, sofort durch r (bzw. r2 ), wodurch die Ergebnisse übersichtlicher werden. Beweis: Aus x = r cos ϕ und y = r sin ϕ folgt r = (4.6) rx ry ϕx ϕy = = = = x x p = , 2 2 r x +y y y p = , 2 2 r x +y y 2 1 y = − 2, y 2 − x r 1+ x 1 1 x y 2 = 2 , x r 1+ x x r−x r − xrx r = = rxx = r2 r2 y r−y r − yry r = = ryy = r2 r2 y 2r rx ϕxx = = r4 ϕyy = − x 2r ry = r4 y x r2 − x2 r3 r2 − y 2 r3 2xy r4 − 2xy . r4 Mit Hilfe der allgemeinen Kettenregel drücken wir fxx und fyy durch frr und fϕϕ und die oben unter (4.6) errechneten Größen rx , . . . , ϕyy aus. (4.7) fx fy = = fr rx + fϕ ϕx , fxx = frr rx2 + fr rxx + fϕϕ ϕ2x + fϕ ϕxx + 2frϕ rx ϕx fr ry + fϕ ϕy , fyy = frr ry2 + fr ryy + fϕϕ ϕ2y + fϕ ϕyy + 2frϕry ϕy Daraus erhalten wir durch Addieren der beiden Ableitungen zweiter Ordnung 16 (4.8) ( ∆f = fxx + fyy = frr rx2 + ry2 + fr (rxx + ryy ) + fϕϕ ϕ2x + ϕ2y + fϕ (ϕxx + ϕyy ) + 2frϕ (rx ϕx + ry ϕy ) . Aus (4.6) ergibt sich rx ϕx + ry ϕy = 0 sowie 2 2 2 2 2 2 2 2 rx2 + ry2 = x + y = x + y = 1, rxx + ryy = r − x + r − y = 1 2 3 3 r r r (4.9) 2 r x 2 r x2 + y 2 r 1 2xy 2xy ϕ2 + ϕ2 = − y + 2 = = 2 , ϕxx + ϕyy = 4 − 4 = 0. x y r2 r r4 r r r Setzen wir diese Ausdrücke in (4.8) ein, so ergibt sich die erste Gleichung von (4.5). Die zweite Gleichung von (4.5) wird auf ähnlichem Wege ausgerechnet. Nur sind die Rechnungen etwas komplizierter. Q.E.D. Aufgabe 4.1 Es sei G ⊂ R2 das Parallelogramm mit den Ecken A = (1, 1)⊤ , B = A + (1, 2)⊤ , D = A + (2, 1)⊤ und c = A + (1, 2)⊤ + (2, 1)⊤ . Berechnen Sie die Gebietsintegrale ZZ ex dx dy, ZZ ey dx dy, x + y dx dy. G G G ZZ Anleitung: Man setze ~a = (1, 2)⊤ , ~b = (2, 1)⊤ und benutze die Koordinatentransformation ~t s t = A + s ~a + t ~b = 1+1s+2t 1+2s+1t . Man zeige, daß ~t eine bijektive Abbildung des Einheitsquadrats Q = [0, 1] × [0, 1] auf G ist. Man berechne die Funktionaldeterminante von ~t. Mit Hilfe von ~t lassen sich die Integrale in zweifache Integrale über Q umformen, die durch zweimaliges Integrieren leicht zu berechnen sind. Aufgabe 4.2 Es sei G ⊂ R3 das von den Vektoren ~a = (0, 1, 4)⊤ , ~b = (2, 0, 4)⊤ , ~c = (1, 3, 0)⊤ und dem Punkt A = (1, 1, 1)⊤ aufgespannte Parallelepiped, d. h., n o G = X ∈ R3 |X = A + r ~a + s ~b + t ~c und 0 ≤ r, s, t ≤ 1 . Berechnen Sie die dreifachen Integrale ZZZ x e dx dy dz, ZZZ y e dx dy dz, G G ZZZ x + y + z dx dy dz. G Anleitung: Man benutze die Koordinatentransformation r 1+0r +2s+1t ~t s = A + r ~a + s ~b + t ~c = 1 + 1 r + 0 s + 3 t t 1+4r +4s+0t und zeige, daß ~t eine bijektive Abbildung des Einheitswürfels Q = [0, 1] × [0, 1] × [0, 1] auf G ist. Man berechne die Funktionaldeterminante von ~t. Mit ~t lassen sich die Integrale in dreifache Integrale über Q umformen, die durch dreimaliges Integrieren leicht zu berechnen sind. 17 Aufgabe 4.3 Man zeige, daß die Funktionaldeterminante der räumlichen Polarkoordinaten x(r, φ, ψ) = r cos ψ cos φ, y(r, φ, ψ) = r cos ψ sin φ, z(r, φ, ψ) = r sin ψ den Wert cos ψ cos φ cos ψ sin φ sin ψ hat. −r cos ψ sin φ r cos ψ cos φ 0 −r sin ψ cos φ −r sin ψ sin φ r cos ψ = r2 cos ψ Aufgabe p 4.4 Die beiden ersten Eigenfunktionen des Wasserstoffatoms sind mit r x2 + y 2 + z 2 durch ψ1 (x, y, z) = ψ2 (x, y, z) = = 3/2 1 1 √ e−r/a0 π a0 3/2 1 1 r √ 2− e−r/2 a0 a0 4 2 π a0 gegeben. Man zeige, daß die folgenden Orthogonalitätsbeziehungen ZZZ R3 ψ12 (x, y, z) dx dy dz ZZZ = ZZZ R3 ψ22 (x, y, z) dx dy dz = 1, ψ1 (x, y, z)ψ2 (x, y, z) dx dy dz = 0. R3 erfüllt sind. Da die auftretenden Integrationen relativ kompliziert sind, geben wir die benötigten Stammfunktionen an: 2 r e−2r/a0 dr r 2− a0 2 Z r 2 e−r/a0 dr r 2− a0 Z r 2 e−3r/2a0 dr r 2− a0 Z 2 = = = a0 a0 2 + 2 a0 r + 2 r2 e−2r/a0 , − 4 8 a0 4 + 8 a0 3 r + 4 a0 2 r2 + r4 e−r/a0 , − a0 2 r3 e−3r/2a0 . 3 18 5 Vektoranalysis. Wir bezeichnen mit C R3 die Menge aller beliebig oft differenzierbaren Funktionen f : R3 → R → und mit X R3 die Menge aller beliebig oft differenzierbaren Vektorfelder v : R3 → R3 und betrachten die Differentialoperatoren Gradient,Rotation, und Divergenz, mit grad, rot bzw. div bezeichnet, die zwischen den Räumen C R3 und X R3 wirken, wie durch das nachstehende Schema angegeben. C R3 (5.1) grad −→ X R3 rot −→ X R3 div −→ C R3 Um sie zu definieren betrachten wir noch den Operator ∇ : C (Rn ) → X R3 , der einer Funktion f (x1 , . . . , xn ) von n Variablen den Vektor ∇f = (∂1 f, . . . , ∂n f ) aller möglichen partiellen Ableitungen zuordnet, wobei wir abkürzend ∂i f = ∂f /∂xi setzen. Der Operator ∇ ist dann als ein aus Operatoren bestehender Vektor anzusehen, d. h., als der Vektor, dessen Komponenten die partiellen Ableitungen ∂1 , . . . , ∂n sind. Er eignet sich sehr gut für eine kurze und einprägsame Definition: Definition. 1 → → → ∇ × v , div( v ) = grad(f ) = ∇ f, rot( v ) = (5.2) D →E ∇, v . Dabei sind × und h, i das gewöhnliche Kreuz- bzw. Skalarprodukt von Vektoren des R. Ausführlich: → div( v ) = ∂1 v1 + ∂2 v2 + ∂3 v3 und ∂1 f grad(f ) = ∂2 f , ∂3 f (5.3) Satz 6.1 0: (5.4) ∂ 1 → rot( v ) = ∂2 ∂3 v1 v2 v3 → e1 → e2 → e3 ∂2 v3 − ∂3 v2 v1 (x1 , x2 , x3 ) → −∂1 v3 + ∂3 v1 für v = v2 (x1 , x2 , x3 ) . = ∂1 v2 − ∂2 v1 v3 (x1 , x2 , x3 ) • In der Folge (5.1) ist die Verknüpfung je zweier aufeinander folgender Operatoren → → rot ◦ grad(f ) = 0 und div ◦ rot( v ) = 0 für alle f ∈ C R3 , v ∈ X R3 . → → • Ein Vektorfeld v ∈ X R3 ist ein Gradient, d.h., von der Form v = grad(f ) für eine → Funktion f ∈ C R3 genau dann, wenn rot( v ) = 0 gilt. → → → • Ein Vektorfeld v ∈ X R3 ist eine Rotation, d.h., von der Form v = rot(w) für ein → → → → → Vektorfeld w ∈ X R3 genau dann, wenn div( v ) = 0 gilt. Das Vektorfeld w mit rot(w) = v → → → ist nicht eindeutig bestimmt. Zusätzlich gilt: Je zwei Vektorfelder w 1 , w 2 mit rot(w 1 ) = → → → → rot(w 2 ) = v unterscheiden sich um einen Gradienten: w 2 − w 1 = grad(f ) für eine Funktion f ∈ C R3 . Rechenregeln (Varianten der Produktregel): (5.5) (a) grad(f g) → (b) div(f v ) → → (c) div( v × w) → v) (d) rot(f → v (e) rot rot → → (f ) rot( v × w) = = = = = = g grad(f ) +Df grad(g), E → → f div( v ) + grad(f ), v , E D→ E D → → → rot( v ), w − v , rot(w) , → → v, f rot( v ) + grad(f )× → → grad ◦ div v − ∆ v , → → → → → → w + div(w) v − div( v ) w, v − ∇→ ∇→ v w 19 wobei die hier benutzten Operatoren folgende sind: Laplaceoperator: ∆(f ) = ∂12 f + ∂22 f + ∂32 f = fxx + fyy + fzz . → v bezeichnet die Richtungsableitung, die im n-dimensionalen Raum Richtungsableitung: ∇→ w durch w1 n E D X → → → → → v = w, ∇ v = (5.6) wi ∂i v , w = ... , ∇→ w i=1 wn definiert ist. Beweis von (c): → v = → → div( v × w) = v1 v2 , v3 w1 → w = w2 , w3 v2 w3 − v3 w2 → → v × w = −v1 w3 + v3 w1 und folglich v1 w2 − v2 w1 (∂1 v2 ) w3 + v2 (∂1 w3 ) − (∂1 v3 ) w2 − v3 (∂1 w2 ) − (∂2 v1 ) w3 − v1 (∂2 w3 ) + (∂2 v3 ) w1 + v3 (∂2 w1 ) + (∂3 v1 ) w2 + v1 (∂3 w2 ) − (∂3 v2 ) w1 − v2 (∂3 w1 ) und wenn wir jetzt nach v2 , v2 , . . . , w3 sortieren: = (∂3 w2 − ∂2 w3 ) v1 + (∂1 w3 − ∂3 w1 ) v2 + (∂2 w1 − ∂1 w2 ) v3 = + (∂2 v3 − ∂3 v2 ) w1 + (∂3 v1 − ∂1 v3 ) w2 + (∂1 v2 − ∂2 v1 ) w3 E E D D → → → → − rot(w), v + rot( v ), w . Q.E.D. Beweis von (d): → rot(f v ) ∂2 (f v3 ) − ∂3 (f v2 ) f (∂2 v3 ) − f (∂3 v2 ) = −∂1 (f v3 ) + ∂3 (f v1 ) = −f (∂1 v3 ) + f (∂3 v1 ) + f (∂1 v2 ) − f (∂2 v1 ) −∂1 (f v2 ) − ∂2 (f v1 ) (∂2 f ) v3 − (∂3 f ) v2 → → + − (∂1 f ) v3 + (∂3 f ) v1 = f rot( v ) + grad(f ) × v . (∂1 f ) v2 − (∂2 f ) v1 Q.E.D. Beweis von (e): ∂2 v3 − ∂3 v2 ∂2 (∂1 v2 − ∂2 v1 ) − ∂3 (−∂1 v3 + ∂3 v1 ) → rot rot v = rot −∂1 v3 + ∂3 v1 = −∂1 (∂1 v2 − ∂2 v1 ) + ∂3 (∂2 v3 + ∂3 v2 ) ∂1 v2 − ∂2 v1 ∂ (−∂1 v3 + ∂3 v1 ) − ∂2 (−∂2 v3 + ∂3 v2 ) 2 1 2 2 ∂1 v1 + ∂1 ∂2 v2 + ∂1 ∂3 v3 −∆ v1 −∂2 v1 − ∂3 v1 + ∂1 ∂2 v2 + ∂1 ∂3 v3 = −∂12 v2 − ∂32 v2 + ∂2 ∂3 v3 + ∂1 ∂2 v1 = −∆ v2 + ∂2 ∂1 v1 + ∂22 v2 + ∂2 ∂3 v3 ∂3 ∂1 v1 + ∂3 ∂2 v2 + ∂32 v3 −∆ v3 −∂12 v3 − ∂22 bv3 + ∂1 ∂3 v1 + ∂2 ∂3 v2 → ∂1 div v ∂1 (∂1 v1 + ∂2 v2 + ∂3 v3 ) → → → → ∂2 (∂1 v1 + ∂2 v2 + ∂3 v3 ) − ∆ v = ∂2 div → v v − ∆ v . Q.E.D. v − ∆ = grad ◦ div = → ∂3 (∂1 v1 + ∂2 v2 + ∂3 v3 ) ∂3 div v Beweis von (f): 20 v2 w3 − v3 w2 ∂2 (v1 w2 − v2 w1 ) − ∂3 (−v1 w3 + v3 w1 ) rot −v1 w3 + v3 w1 = −∂1 (v1 w2 − v2 w1 ) − ∂3 (v2 w3 − v3 w2 ) = v1 w2 − v2 w1 ∂1 (−v1 w3 + v3 w1 ) − ∂2 (v2 w3 − v3 w2 ) (∂2 v1 ) w2 + (∂3 v1 ) w3 − (∂2 v2 + ∂3 v3 ) w1 v1 (∂2 w2 + ∂3 w3 ) − v2 (∂2 w1 ) − v3 (∂3 w1 ) (∂1 v2 ) w1 + (∂3 v1 ) w3 − (∂1 v1 + ∂3 v3 ) w2 + v2 (∂1 w1 + ∂3 w3 ) − v1 (∂1 w2 ) − v3 (∂3 w2 ) = (∂1 v3 ) w1 + (∂2 v3 ) w2 − (∂1 v1 + ∂2 v2 ) w2 v3 (∂1 w1 + ∂2 w2 ) − v1 (∂1 w3 ) − v2 (∂2 w3 ) w1 (∂1 v1 ) + w2 (∂2 v1 ) + w3 (∂3 v1 ) (∂1 v1 + ∂2 v2 + ∂3 v3 ) w1 = w1 (∂1 v2 ) + w2 (∂2 v2 ) + w3 (∂3 v2 ) − (∂1 v1 + ∂2 v2 + ∂3 v3 ) w2 w1 (∂1 v3 ) + w2 (∂2 v3 ) + w3 (∂3 v3 ) (∂1 v1 + ∂2 v2 + ∂3 v3 ) w3 v1 (∂1 w1 ) + v2 (∂2 w1 ) + v3 (∂3 w1 ) v1 (∂1 w1 + ∂2 w2 + ∂3 w3 ) − v1 (∂1 w2 ) + v2 (∂2 w2 ) + v3 (∂3 w2 ) + v2 (∂1 w1 + ∂2 w2 + ∂3 w3 ) v1 (∂1 w3 ) + v2 (∂2 w3 ) + v3 (∂3 w3 ) v3 (∂1 w1 + ∂2 w2 + ∂3 w3 ) → → v w w div v div 1 1 v ∇→ w1 ∇→ → → w 1 v v − w2 div v − ∇→ w2 + v2 div w = ∇→ w 2 v → → v ∇→ w3 ∇→ w 3 v w3 div v v3 div w Aufgabe 5.1 Es seien f1 , f2 : R3 → R zwei differenzierbare Funktionen. Zeigen die Beziehung div (grad (f1 ) × grad (f2 )) = 0. Aufgabe 5.2 Berechnen Sie Rotation und Divergenz der räumlichen Vektorfelder → → → → → α α F = r r und G = r c × r mit α ∈ R, → → c ∈ R3 und r = || r ||. Aufgabe 5.3 Man vergleiche die zweite Aussage von Satz (6.1) mit den bekannten Eigenschaften exakter Differentialformen ω = M (x, y) dx + N (x, y) dy, (Bekanntlich ist ω ein vollständiges Differential, d. h., es existiert eine Funktion f (x, y) mit ω = df dann und nur dann, wenn My = Nx .) und zeige, das sie eine Verallgemeinerung des Exaktheitsbegriffs von 2 auf 3 Dimensionen ist. Aufgabe 5.4 Man beweise die ersten beiden Aussagen von Satz (6.1). Hinweis: Für die zweite → Aussage beachte man daß wegen (5.2) die Bedingung rot( v ) = 0 gleichwertig mit der folgende Variante des Satzes von Schwarz ist: ∂2 v3 = ∂3 v2 , ∂1 v3 = ∂3 v1 , ∂1 v2 − ∂2 v1 . Zur Konstruktion einer Stammfunktion kann man ähnlich vorgehen wie im Fall einer exakten Differentialform ω = M dx + N dy, (5.7) Aufgabe 5.5 Man berechne −y x rot −x , rot z , z y x2 + y 2 , rot x y xy + z yz rot ex z , y yz a(x) rot ex z b(y) , y c(z) wobei a(x), b(x), c(x) beliebige Funktionen einer Veränderlichen sind, und berechne gegebenenfalls Funktionen f (x, y, z), deren Gradient das jeweilige Vektorfeld ist. Aufgabe 5.6 Man zeige, daß die Operatoren grad, rot, div, ∆ linear sind. → → ⊤ Aufgabe 5.7 Es sei a = (a1 , a2 , a3 ) ein Vektorfeld mit div a = 0. Dann existiert ein anderes → → → → ⊤ Vektorfeld v = (v1 , v2 , v3 ) mit rot v = a . Zur Berechnung von v schreiben wir dieses Differentialgleichungssystem etwas ausführlicher: 21 ∂2 v3 − ∂3 v2 −∂1 v3 − ∂3 v1 ∂1 v2 − ∂2 v1 (5.8) = = = a1 , a2 , a3 . Hieraus v1 , v2 , v3 durch Umformungen und Integrationen zu berechnen, ist nicht ohne weiteres durchführbar, zumal diese Funktionen nur bis auf einen Gradienten eindeutig bestimmt sind, → d.. h., hat man eine Lösung v von (5.8) gegeben und ist F (x, y, z) ∈ C R3 eine beliebige → Funktion, so ist nach Satz (6.1) auch v + grad(F ) eine Lösung von (5.8). Das kann man sich zunutze machen und ohne Beschränkung der Allgemeinheit (O.B.d.A.) eine der Komponenten → von v gleich Null setzen. Die Aufgabe lautet: Man setze v3 = 0 und bestimme eine spezielle Lösung von (5.8) unter dieser Annahme. Sie müßten ein Ergebnis folgender Art erhalten, in dem f (x, y) ∈ C R2 eine beliebige Funktion zweier Variabler ist: (5.9) Z a2 (x1 , x2 , x3 ) dx3 + ∂1 f (x1 , x2 ) Z v = − a1 (x1 , x2 , x3 ) dx3 + ∂2 f (x1 , x2 ) → 0 . → → → → Bestimmen Sie alle Vektorfelder v mit rot v = c , wobei c ∈ R3 ein fester Vektor ist. → 3 Aufgabe 5.8 Es sei A = (aij )i,j=1 eine quadratische Matrix der Ordnung 3 und v : R3 → R3 x x a23 − a32 → → das Vektorfeld v y = A y . Man beweise, daß rot v = −a13 + a31 z z a12 − a21 → und div v = a11 + a22 + a33 gilt. 22 6 Differentialformen - Cartanscher Kalkül -Äußere Algebra. Die Begriffe und Operationen der Vektoranalysis ergeben sich als Spezialfall eines allgemeineren Apparates, der diese Begriffe auf den Rn verallgemeinert. Wir wollen uns auf den R3 beschränken und einige einfache Definitionen geben, die sich leicht auf höhere Dimensionen erweitern lassen. Definition 7.1 Wir definieren folgende Räume Formen): (6.1) V0 V1 V2 V3 Vn Vi von Differentialformen der Stufe i (kurz: i- = C ∞ (R3 ) = Raum der beliebig oft differenzierbaren Funktionen, = ω = a dx + ay dy + az dz ax , ay , az ∈ C ∞ (R3 ) (1-Formen), (2) x = ω = axy dx ∧ dy + axz dx ∧ dz + ayz dy ∧ dz axy , axz , ayz ∈ C ∞ (R3 ) (Raum der 2-Formen), = Ω = ρ(x, y, z) dx ∧ dy ∧ dz ρ ∈ C ∞ (R3 ) (3- oder Volumenformen), = {0} für n > 3. Dabei bezeichnet ′′ ∧′′ das sogenannte Keilprodukt, auch äußeres Produkt, (auch engl. wedge product, exterior product), das den Differentialen dx, dy, dz neue Objekte dx ∧ dz, dx ∧ dy ∧ dz . . . zuordnet und gewissen einfachen Regel unterliegt, die sich am besten beschreiben lassen, wenn man gleich den n-dimensionalen Fall betrachtet: Die n-dimensionalen Analoga dieser Räume von k-Formen werden in Koordinaten (x1 , . . . , xn ) des Rn mit Hilfe von Multiindizes wie folgt beschrieben: Es sei 0 ≤ k ≤ n eine feste Zahl, die die Stufe unserer Formen ist. Wir bezeichnen als Multiindex eine beliebige Folge I = {1 ≤ i1 < i2 < · · · ik ≤ n} von natürlichen Zahlen aus den Intervall [1, n] und mit dxI = dxi1 ∧ dxi2 ∧ · · · ∧ dxik (6.2) die zugehörige Basisform k-ter Stufe. Diese wollen wir als formale Rechengröße verstehen. Es gibt n derartige Multiindizes I, denn ein Multiindex ist einfach nur eine in natürlicher Reihenfolge k aufgeschrieben Teilmenge von {1, 2, . . . , n} mit k Elementen. Der Raum der k-Formen des Rn ist dann ( ) k 0 ^ X ^ n (k) ∞ n (6.3) (R ) = ω = (Rn ) = C ∞ (R3 ), aI dxI aI ∈ C (R ) sowie I wobei sich die Summation sich über alle n k Multiindizes I erstreckt und die Koeffizienten aI beliebige glatte Funktionen sind. Für k < 0 und k > n sind die Räume = {0}. Die für das Keilprodukt geltenden Regeln lauten dann einfach (1) Es ist assoziativ: ( dxi ∧ dxj ) ∧ dxk = dxi ∧ ( dxj ∧ dxk ) (2) Es ist antikommutativ: dxi ∧ dxj = − dxj ∧ dxi , (äquivalent dazu: dxi ∧ dxi = 0). Vk und dxJ ∈ Mit Hilfe dieser beiden Regeln ergibt sich das Produkt zweier Basisformen dxI ∈ Vl als k + l-Form in dem man beide Formen zunächst, verbunden durch ein ∧, hintereinander schreibt und dann die Faktoren dxi unter Verwendung der beiden obigen Regeln in die natürliche Reihenfolge bringt: dxI ∧ dxJ = dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ∧ dxj1 ∧ · · · ∧ dxjl = δ(I, J) dxI1J , wobei I 1 J die in natürliche Reihenfolge gebrachte mengentheoretische Vereinigung I ∪ J der beiden Multiindizes bezeichnet. Der Faktor δ(I, J) ist = 0 falls I und J Elemente gemeinsam haben: I ∩ J 6= ∅. Anderenfalls gilt δ(I, J) = ±1, wobei das Vorzeichen sich aus der Parität 23 (Gerad- oder Ungeradheit) der Zahl von Vertauschungen ergibt, denen in der Vereinigung I ∪ J = {i1 , . . . , ik , j1 , . . . , jl }, in der also I und J einfach aneinandergehängt werden, benachbarte Indizes unterworfen werden müssen bis die natürliche Ordnung hergestellt ist. Mit der folgenden Definition werden das Kreuzprodukt des R3 und die Differentialoperatoren grad, rot, div verallgemeinert. P (l) = Definition 7.2 Das äußere Produkt einer k-Form ω (k) = I aI dxI mit einer l-Form ω P b dx ergibt sich durch gliedweises Ausmultiplizieren als k + l-Form J J J X ω (k) ∧ ω (l) = (6.4) aI bJ dxI ∧ dxJ . I,J Das äußere Differential von ω (k) ist die k + 1-Form dω (k) = (6.5) X I daI ∧ dxI mit daI = n X ∂aI i=1 ∂xi dxi . 2 Beispiele: d(a dy) = da ∧ dy = (ax dx + ay dy + az dz) ∧ dy = ax dx ∧ dy − az dy ∧ dz oder d(a dx ∧ dz) = (∂a/∂x dx + ∂a/∂y dy + ∂a/∂z dz) ∧ dx ∧ dz = −∂a/∂y dx ∧ dy ∧ dz Der folgende Satz verallgemeinert die Verhältnisse, wie sie in der physikalischen Chemie im Zusammenhang mit dem Satz von Schwarz auftreten, auf beliebige Dimensionen und Formen beliebiger Stufe. Satz 7.1 V Wir vermerken an dem äußeren Differential noch die Stufe als Index, schreiben dk : V k n R → k+1 Rn betrachten die Folge von Abbildungen (6.6) R Dann gilt • / V0 Rn (6.7) • falls ω (k) ∈ Vk d0 / V1 Rn d1 / V2 Rn d2 / ··· dn−2Vn−1 / Rn dn−1 / Vn Rn dk+1 ◦ dk = 0 für alle k = 0, 1, 2, . . . , n − 1, Rn und dk ω (k) = 0, so existiert (lokal) eine Form ω (k−1) ∈ (k−1) dk−1 ω (k−1) = ω (k) und je zwei Formen ω1 (k−1) , ω2 (k−1) , für die dk−1 ω1 (k−1) unterscheiden sich um ein ”vollständiges” Differential, d. h., ω1 V für eine Form ω (k−2) ∈ k−2 Rn , Vk−1 Rn mit (k−1) = dk−1 ω2 (k−1) − ω2 / 0. gilt = dk−2 ω (k−2) • die folgende verallgemeinerte Produktregel l k ^ ^ vonrrrn. Rn , ω (l) ∈ d ω (k) ∧ ω (l) = dω (k) ∧ω (l) +(−1)k ω (k) ∧ dω (l) für alle ω (k) ∈ (6.8) Wir betrachten wieder den Fall n = 3. Es sei X R3 der aller Vektorfelder des R3 , d. h., X R3 . besteht aus allen Tripeln (a1 (x, y, z), a2 (x, y, z), a3 (x, y, z))⊤ von Funktionen dreier Variabler. Zwei V2 3 V1 3 R → X R3 seien gegeben durch R → X R3 und † : bijektive Abbildungen # : ax V1 3 ω = ax dx + ay dy + az dz ∈ R → ω # = ay ∈ X R3 und az ayz V2 3 ω = axy dx ∧ dy + axz dx ∧ dz + ayz dy ∧ dz ∈ R → ω † = −axz ∈ X R3 axy 24 Satz 7.2 In dem folgenden Diagramm von Räumen von k-Formen und Abbildungen (6.9) R / V0 R3 d R / C ∞ R3 / V2 R3 d # id / V 1 R3 grad / X R3 d † / X R3 rot div / V3 R3 / C ∞ R3 /0 /0 sind alle vertikalen Abbildungen Isomorphismen (d., h., sie sind bijektiv und zusätzlich auch verträglich mit den grundlegenden Operationen Addition und Multiplikation mit Funktionen). Ferner ist das Diagramm kommutativ, d. h., es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge man durch Verknüpfen von Abbildungen von einem Raum in diesem Diagramm zu einem anderen gelangt. Speziell heißt das, (6.10) # ( df ) ( dω)† dω̃ = = = grad(f ), rot ω # , div ω̃ † dx ∧ dy ∧ dz, für alle f ∈ C ∞ R3 V1 3 R für alle ω ∈ V2 3 R für alle ω̃ ∈ Überdies besteht folgender Zusammenhang mit dem Vektorprodukt ′′ ×′′ : (6.11) † Es gilt (ω1 ∧ ω2 ) = ω1# × ω2# 25 für alle ω1 , ω2 ∈ 1 ^ R3 . 7 Die Integralsätze von Gauss-Ostrogradski und Stokes. Satz 8.1 (1) Der Satz von Gauß-Ostrogradski. Es sei V ⊂ R3 ein Integrationsgebiet, O = ⊤ ∂V seine Oberfläche n der Normalenvektor von O und V~ = (P, Q, R) ein auf R3 definiertes Vektorfeld. Dann gilt ZZZ ZZ D E ~ dV ~ (7.1) divV n, V dO. = V O ~ gegeben, eine Fläche F ⊂ R3 mit dem (2) Der Satz von Stokes. Wie oben sei ein Vektorfeld V Normalenvektor n und der Randkurve Γ = ∂F . Dann gilt Z D ZZ D E E ~ dO = ~ , dΓ . n, rot V (7.2) V F Γ Die Fläche F muß hier nicht geschlossen sein. Ist sie das, so hat sie keinen Rand, ∂F = Γ = ∅ Z Z D E ~ dO = 0. und in (7.2) wird das Kurvenintegral 0, folglich ist n, rot V F ~ das gerichtete (vektorielle) Oberflächenelement dO ~ = n dO. Ist f~ = Wir bezeichnen mit dO (x(u, v), y(u, v), z(u, v))⊤ eine Parameterdarstellung der Fläche O (bzw. F ) so erhalten wir ~ ~ ~ = n dO = fu × fv ||f~u × f~v || du dv = f~u × f~v du dv. dO ~ ||fu × f~v || Wir beachten die Beziehungen du du = dv dv = 0 und dv du = − du dv und drücken dx dy, dx dz, dy dz durch du dv aus: dx dy (7.3) dx dz = (xu du + xv dv) (yu du + yv dv) = xu yu du du + xu yv du dv + xv yu dv du + xv yv dv dv = (xu yv − xv yu ) du dvähnlich: = (xu zv − xv zu ) du dv sowie dy dz = (yu zv − yv zu ) du dv. Aus dem Oberflächenintegral RR O D ~ n, V E dO in (7.1) wird ein Oberflächenintegral zweiter Art: + Z Z * yu zv − yv zu ZZ D P E ~ = ~ dO xv zu − xu zv , Q du dv f~u × f~v , V O O xu yv − xv yu R ZZ (7.4) P (yu zv − yv zu ) du dv + Q (xv zu − xu zv ) du dv + R (xu yv − xv yu ) du dv = O ZZ = R dx dy − Q dx dz + P dy dz. O Es ergibt sich die folgende Formulierung des Satzes von Satz von Gauß-Ostrogradski: ZZ ZZZ ∂Q ∂R ∂P (7.5) dx dy dz. + + R dx dy − Q dx dz + P dy dz = ∂x ∂y ∂z O V Auf ähnliche Weise erhalten wir für (7.2) eine Formulierung, die Oberflächen- und Kurvenintegrale zweiter Art enthält. + + Z Z * Z Z * Ry − Qz dy dz (yu zv − yv zu ) du dv Ry − Qz Pz − Rx , − dx dz Pz − Rx , (xv zu − xu zv ) du dv = F ZZ = Qx − Py F (xu yv − xv yu ) du dv F (Qx − Py ) dx dy + (Ry − Qz ) dy dz + (Rx − Pz ) dx dz. 26 Qx − Py dx dy Aus (7.2) wir daher Z ZZ (7.6) P dx + Q dy + R dz = Γ F (Qx − Py ) dx dy + (Ry − Qz ) dy dz + (Rx − Pz ) dx dz. 27 8 Fourierreihen. Der Begriff des orthogonalen Funktionensystems. Im Raum C([a, b]) der auf einem Intervall [a, b] definierten stetigen Funktionen definiert man ein Skalarprodukt mit einer positiven Gewichtsfunktion p(x) ∈C([a,b]) über das Integral hf, gi[a,b] = Z b p(x) f (x) g(x) dx. Die Symmetrie und die Bilinearität von hf, gip ergeben sich aus den Lineaa ritätseigenschaften des Integrals und aus der Kommutativität f (x) g(x) = g(x) f (x) der Multiplikation von reellen Funktionen. Die Positivität hf, f i[a,b] = ||f ||2 > 0 folgt aus der Voraussetzung, daß die Gewichtsfunktion p(x) auf [a, b] nur positive Werte annimmt. Folglich ist der Integrand p(x) f 2 (x) > 0. Orthogonale Systeme des Raumes C([a, b]) in bezug auf hf, gip entstehen oft als Lösungen von Differentialgleichungen, die sich aus sogenannten Eigenwertproblemen ergeben. Einige Beispiele orthogonaler Systeme enthält die folgende Übersicht. Eigenwertprobleme werden später behandelt. Intervall [a, b] Gewichtsfunktion p(x) Namen der orthogonalen Funktionen bzw. Polynome [0, 2 π] [−1, 1] 1 1 Winkelfunktionen sin(i x) und cos(i x) Legendre-Polynome [−1, 1] [0, ∞) (−∞, ∞) 1 √ 1 − x2 e−x e−x Tschebyscheff-Polynome Laguerre-Polynome 2 Hermitesche Polynome Fourieranalyse Gegeben sei eine periodische Funktion f (x) mit der Periode T , d. h. es gelte f (x + k T ) = f (x) für alle x ∈ R und alle k ∈ Z. Wir setzen zur Vereinfachung T = 2 π. Ähnlich wie in der Taylorreihenentwicklung, wo man eine beliebige Funktion durch Linearkombinationen der Potenzfunktionen 1, x, x2 , x3 , . . . zu approximieren versucht, strebt man für solche periodischen Funktionen eine Approximation der Gestalt N (8.1) a0 X ai cos(i x) + bi sin(i x) + f (x) ≈ fe(x) = 2 i=1 Es sei F0,2π der ’Raum’ aller auf dem Intervall [0, 2π] definierten stetigen Funktionen. Um ein geeignetes Maß für die Güte der Approximation zu bekommen, nimmt man als ’Abstand’ zweier R 2π Funktionen f und g die Größe ||f − g||2[0,2π] = 0 (f (x) − g(x))2 dx. Diese ist ein angenähertes Maß für den Inhalt der von den beiden Funktionsgraphen eingeschlossenen Fläche. Das genaue Maß für diesen Flächeninhalt wäre das Integral über den Absolutbetrag |f (x) − g(x)|. Man nimmt aber aus praktischen Gründen den obigen Ausdruck und definiert ||f − g||[0,2π] als Abstand zweier Funktionen voneinander. Dann gilt ||f − g||[0,2π] ≥ 0 für alle f, g ∈ F0,2π und ||f − g||[0,2π] = 0 dann und nur dann, wenn f (x) − g(x) = 0 für alle x ∈ [0, 2π] gilt. R 2π Definiert man auf F0,2π ein ’Skalarprodukt’ durch hf, gi = 0 f (x) g(x) dx, so ist der Abstand p ||f −g||[0,2π] gerade durch die zugehörige Norm gegeben, d. h., es gilt ||f −g||[0,2π] = hf − g, f − gi. Dann legt man eine natürliche Zahl N fest und betrachtet den von den Funktionen cos(i x) (für i = 0, 1, 2, . . . , N ) und sin(j x) (für j = 1, 2, . . . , N ) erzeugten Unterraum FN = LH {1, cos(x), cos(2 x), . . . , cos(N x), sin(x), sin(2 x), . . . , sin(N x)} ⊂ F, 28 Die Fourierapproximation N -ter Ordnung fe(x) einer Funktion f (x) ist die orthogonale Projektion von f auf den Unterraum FN . In diesem Fall braucht man fe(x) nicht nach dem aufwendigen Verfahren von Erhardt-Schmidt (siehe Arbeitsblatt 7, FS 2003 zum Thema Orthogonale ProjektionAusgleichsrechnung) zu berechnen, sondern kann die Formel verwenden, √ bei der sich die√Koeffizienten direkt als Skalarprodukte ergeben, denn die Funktionen cos(i x)/ π und sin(i x)/ π bilden ein orthonormiertes System. Es gilt 2π R 0 2π R 0 2π R cos2 (i x) dx = 2π R sin2 (i x) dx = π für alle i, 0 cos(i x) sin(j x) dx = 0 für alle i, j (auch für i = j) und cos(i x) cos(j x) dx = 0 2π R 0 sin(i x) sin(j x) dx = 0 für alle i 6= j. Zum Beweis wandelt man die Integranden nach den Formeln 1 (sin((i + j) x) − sin((i − j) x), 2 1 cos(i x) cos(j x) = (cos((i + j) x) + cos((i − j) x), 2 1 sin(i x) sin(j x) = (cos((i + j) x) − cos((i − j) x). 2 sin(i x) cos(j x) = in Summen von Winkelfunktionen um und macht dann von der Tatsache Gebrauch, daß das Integral der Funktionen cos(i x) und sin(i x) über eine volle Periode null ist. Ein orthonormiertes √ x), indem man √ System erhält man daher aus den Funktionen cos(i x) und sin(i sie noch durch π, bzw. in dem Ausnahmefall i = 0 bei cos(0 x) = 1 durch 2π dividiert. Wir erhalten das folgende Resultat: Satz. 1 Es sei f ∈ F. Die Funktion fe ∈ FN , die zu f in bezug auf den Abstand ||f − fe||[0,2π] am nächsten liegt, ist durch N a0 X fe(x) = ai cos(i x) + bi sin(i x) + 2 i=1 gegeben, mit a0 = ai = bi = 1 hf, 1i π 1 hf (x), cos(i x)i π 1 hf (x), sin(i x)i π = = = Z 1 2π f (x) dx, π 0 Z 1 2π f (x) cos(i x) dx, π 0 Z 1 2π f (x) sin(i x) dx. π 0 Beispiel: Mit Mathematica kann man die Fourierreihe auf folgendem Wege programmieren: a0[f_] = Integrate[f[x], {x, 0, 2Pi}]/Pi; a[f_][i_] := Integrate[f[x]*Cos[i*x], {x, 0, 2Pi}]/Pi b[f_][i_] := Integrate[f[x]*Sin[i*x], {x, 0, 2Pi}]/Pi fourierapprox[f_, n_][x_] := a0[f]/2 + Sum[a[f][i]*Cos[i*x], {i, n}] + Sum[b[f][i]*Sin[i*x], {i, n}] Als Beispiel betrachten wir eine periodische Funktion, die in Form eines Rechteckimpulses auf dem Intervall (0, 2π) z. B. durch ff[x_]:=If[x<Pi/2,1,-1] gegeben ist. Der Befehl fourier[x_]=fourierapprox[ff,12][x] ergibt die Glieder der Fourierreihe bis zur Ordnung 11: 1 2 Cos[x] 2 Cos[3 x] 2 Cos[5 x] 29 2 Cos[7 x] 2 Cos[9 x] -(-) + -------- - ---------- + ---------- - ---------- + ---------- 2 Pi 3 Pi 5 Pi 7 Pi 9 Pi 2 Cos[11 x] 2 Sin[x] 2 Sin[2 x] 2 Sin[3 x] 2 Sin[5 x] ----------- + -------- + ---------- + ---------- + ---------- + 11 Pi Pi Pi 3 Pi 5 Pi 2 Sin[6 x] 2 Sin[7 x] 2 Sin[9 x] 2 Sin[10 x] 2 Sin[11 x] ---------- + ---------- + ---------- + ----------- + ----------3 Pi 7 Pi 9 Pi 5 Pi 11 Pi Die Graphik zeigt die Funktion ff[x] zusammen mit ihrer fourier[x_] = fourierapprox[ff, 12][x] auf dem Intervall (0, 4π). Fourierapproximation 1 0.5 2 4 6 8 10 12 -0.5 -1 Aufgabe 8.1 Die Schwingungen u(x, t) einer an den Enden eingespannten Saite der Länge l sind Lösungen einer Randwertaufgabe für die Wellengleichung. Man bestimme diese Lösungen mit dem Produktansatz, d. h., ∂ 2 u(x, t) 1 ∂ 2 u(x, t) = , ∂x2 c2 ∂x2 u(0, t) = u(l, t) = 0 und u(x, t) = X(x) T (t). Aufgabe 8.2 Man zeige, daß die ersten 4 Legendre-Polynome r r 1 1 3 5 3 x2 √ , l1 (x) = , l0 (x) = x, l2 (x) = − 2 2 2 2 r2 3 35 x4 7 −3 x 5 x3 3 15 x2 √ , l4 (x) = + − + l3 (x) = 2 2 2 4 8 2 8 auf dem Intervall [−1, 1] bezüglich der Gewichtsfunktion p(x) = 1 orthogonal sind. Aufgabe 8.3 Man berechne die Fourierreihe der periodischen Sprungfunktion f (x), die für 0 ≤ π π x ≤ durch f (x) = 1 und für < x < 2π durch f (x) = 0 definiert ist. 2 2 30 9 Laplacetransformation. Die Lapacetransformation1 ist eine Integralransformation eines Funktionenraumes in sich, bei der die Operation des Ableitens in die einfache algebraische Operation der Multiplikation mit der unabhängigen Variablen übergeht. Genauer, sie ist eine bijektive Abbildung einer Teilmenge D des Raumes C ∞ (R+ ) aller, auf der rellen Achse R+ = [0, ∞) definierten reell- oder komplexwertigen Funktionen, die durch das Integral Integral fb(p) = L(f )(p) = (9.1) Z 0 ∞ e−p t f (t) dt für f ∈ C ∞ (R+ ) als Funktion der komplexen Veränderlichen p = σ + i ω definiert ist. Beachte: Wir verwenden zwei Bezeichnungen für die Laplacetransformierte von f : fb und L(f ). Die Existenz dieses uneigentlichen Integrals ist gesichert, wenn f (t) für t → ∞ nicht zu stark wächst, genauer, wenn es positive relle Zahlen M1 , M2 , s0 , T gibt derart,daß folgende Ungleichungen erfüllt sind: Z (9.2) 0 T |f (t)| dt ≤ M1 und |f (t)| ≤ M2 es0 t für t ≥ T Diese Bedingungen charakterisieren den oben angesprochenen Definitionsbereich D ⊂ C ∞ (R+ ). Dann existiert die Laplacetransformierte fb(p) für alle p = σ + i ω in der Konvergenzhalbebene σ ≥ s0 . Allgemeine Eigenschaften. Linearität: Sind f1 , f2 zwei Funktionen aus dem Definitionsbereich D und a, b ∈ C so gilt \ L (a f1 + b f2 ) = a L (f1 ) + b L (f2 ) , bzw. a f1 + b f2 = a fb1 + b fb2 . (9.3) Verschiebungssatz: (9.4) L{f (t − a)}(p) = p −a p b f (p), e−a L{f (t)}(p) Z =e ea p fb(p) − L{f (t + a)}(p) = Ähnlichkeitssatz: L{f (a t)} = (9.5) Dämpfungssatz: (9.6) a f (t)e −p t 0 (t ≥ a > 0), dt , (t ≥ a > 0). 1 b p . f a a L{e−a t f (t)}(p) = fb(p + a) und L{ea t f (t)}(p) = fb(p − a), Multiplikationssatz: (9.7) Divisionssatz: (9.8) Differentiationssatz: (9.9) 1 Pierre L{tn f (t)}(p) = (−1)n fb(n) (p) L (n = 1, 2, . . .). Z ∞ 1 f (t) (p) = fb(q) dq. t p L{f ′ (t)}(p) = p fb(p) − f (+0). Simon Laplace, (1749-1827), französischer Mathematiker und Astronom. 31 (a ∈ C). Integrationssatz: L (9.10) Z t f (q) dq 0 = Faltungssatz: (9.11) L{f1 (t) ∗ f2 (t)}(s) = L{f1 (t) · f2 (t)}(s) = fb1 (s) · fb2 (s) = L 1 2πi Z c+i ∞ c−i ∞ Periodische Funktion: (9.12) L{p(t)} = 1b f (s). s 1 1 − e−s T Z t 0 f1 (u)f2 (t − u) du , . fb1 (σ)fb2 (s − σ) dσ. T 0 Z p(τ ) · e−s τ dτ, wobei T die Periode der Funktion p(t) bezeichnet. Umkehrformel: Aus der Transformierten fb kann man die Ausgangsfunktion f durch das folgende Integral zurückgewinnen: (9.13) −1 f (t) = L n Z γ+i ∞ o 1 b es t fb(p) dp. f (p) (t) = 2πi γ−i ∞ Die Faltung ist ebenfalls eine Inegraltransformation, jedoch mit zwei Argumenten. Sie ergibt eine bilineare Abbildung des Funktionenraumes in sich, d. h., einen mathematischer Operator, der für zwei Funktionen f und g eine dritte Funktion liefert. Diese dritte ist eine Art ”Überlappung” von f mit einer gespiegelten und verschobenen Version von g. Es gibt verschiedene Varianten dieses Begriffs. Wir benutzen die folgende: Für zwei auf dem reellen Intervall I definierte Funktionen f, g : I → C wird die Faltung von f und g mit f ∗ g bezeichnet. Im Fall I = R ist sie durch das Integral über das Produkt von f mit einer gespiegelten und verschobenen Version von g gegeben: (f ∗ g)(t) = Z ∞ −∞ f (τ )g(t − τ ) dτ. Die Eigenschaften der Faltung gleichen denen der normalen Multiplikation von Funktionen: Satz 10.1 Es gilt (f ∗ g) ∗ h = f ∗ (g ∗ h), f ∗ g = g ∗ f, f ∗ (g + h) = f ∗ g + f ∗ h und f ∗ (r g) = (r f ) ∗ g = r (f ∗ g). Die Eigenschaft, die die Laplacetransformation besonders interessant macht, ist der Differentiationssatz (9.9). Er gestattet es, lineare Differentialgleichungen beliebiger Art, z. B. in algebraische Gleichungen umzuformen, die sich oft durch einfache Gleichungsumformungen nach der Transformierten yb der unbekannten Funktion umstellen lassen. Beispiel: Wir betrachten die Differentialgleichung y ′′ − y ′ − 6 y = e2 x , y(0) = 1, y ′ (0) = 1. Auf diese wenden wir die Laplacetransformation an. Nach (9.3) und (9.9) ist L(6 y)(p) = 6 yb(p), L(y ′ )(p) = p yb(p) − y(0) = p yb(p) − 1, L(y ′′ )(p) = p2 yb(p) − p y(0) − y ′ (0) = p2 yb(p) − p − 1. Die Transformierte der Funktion e2 x ist gemäß der Tabelle von Seite 34 die Funktion 1/(p − 2) Die Differentialgleichung wird daher zu p2 yb−p−1−(p yb−1)−6 yb = (p2 −p−6) yb−p = Durch Partialbruchzerlegung ergibt sich yb = (p − 1)2 1 , nach yb aufgelöst: yb = . p−2 (p − 3)(p + 2)(p − 2) 9/20 1/4 4/5 + − p−3 p+2 p−2 32 Jetzt ist die Rücktransformation durchzuführen, wobei wir wieder die Linearitätseigenschaft (9.3) anwenden. Wir finden, indem wir die obige Transformationsformel von eax rückwärts lesen L−1 4/5 p−3 = 4 3x e , 5 L−1 9/20 p+2 9 −2 x e , 20 = L−1 1/4 p−2 = 1 2x e . 4 Damit erhalten wir die Lösung y(x) = 4 3x 9 −2 x 1 2 x e + e − e . 5 20 4 Tabelle der Laplacetransformierten elementarer Funktionen. Operation Sinus-Multiplikation n o Originalfunktion f (t) = L−1 fb(p) sin(a t) · f (t) cos(a t) · f (t) Cosinus-Multiplikation sinh(a t) · f (t) cosh(at) · f (t) erste Ableitung f ′ (t) zweite Ableitung f ′′ (t) n-te Ableitung f (n) (t) Delta-Distribution Heavisidesche Sprungfunktion δ(t) 1 (0 für t < 0) Exponentialfunktion e−a t n-te Potenz tn Gedämpfte Potenzfunktion tn e−a t n-te Wurzel √ n Sinus sin(at) Cosinus cos(a t), Sinus hyperbolicus sinh(a t), Cosinus hyperbolicus cosh(a t), t Bildfunktionfb(p) = L {f (t)} 1 · (fb(p − i a) − fb(p + i a)) 2i 1 b · (f (p − i a) + fb(p + i a)) 2 1 b · (f (p − a) − fb(p + a)) 2 1 b · (f (p − a) + fb(p + a)) 2 p fb(p) − f (0) p2 fb(p) − p f (0) − f˙(0) pn fb(p) − n−1 P f (k) (0) pn−k−1 k=0 1, p∈C 1 , Re(p) > 0 p 1 , Re(p) > −a p+a n! , Re(p) > 0 pn+1 n! , Re(p) > −a (p + a)n+1 1 −(n+1)/n p ·Γ 1+ , Re(p) > 0 n a , Re(p) > 0 p 2 + a2 p , Re(p) > 0 p 2 + a2 a , Re(p) > |a| p 2 − a2 p , Re(p) > |a| 2 p − a2 Bei der Transformierten der n-ten Wurzel tritt die Eulersche Gammafunktion auf, die durch (9.14) Γ(x) = Z ∞ tx−1 e−t dt 0 definiert ist und für natürliche Werte n = x mit der Fakultät übereinstimmt: Γ(n) = (n − 1)!. 33 Distributionen: Die Delta-Distribution δa (x) oder Delta-Funkion ist keine Funktion im eigentlichen Sinne. Man definiert sie als lineare Abbildung δa : C (Rn ) → R des Funktionenraumes C (Rn ) in die reellen Zahlen, die jeder Funktion f ihren Wert f (a) im Punkt a ∈ R zuordnet. Allgemeiner kann auch eine beliebige Funktion aus ϕ ∈ C (Rn ) als eine derartige Abbildung Φϕ : C (Rn ) → R anZ gesehen werden, indem man Φϕ (f ) = ϕ(x) f (x) dx1 . . . dxn setzt. Eine allgemeine Distribution Rn n µ ist als lineare Abbildung µ : C (R ) → R definiert, die noch gewisse Verträglichkeitsbedingungen hinsichtlich konvergenter Funktionenfolgen (f )n=1,2,3,... (Stetigkeit) erfüllt. Die Menge aller Distri- bution wird mit C (Rn )′ bezeichnet. Somit gilt C (Rn ) ⊂ C (Rn )′ und δa ist das einfachste Beispiel einer Distribution, die keine Funktion ist. Man definiert sie oft formal durch die Gleichung Z δa (x1 , . . . , xn ) f (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn = f (a) = f (a1 , . . . , an ), Rn die zwar suggestiv aber nicht sinnvoll ist. Aufgabe 9.1 Man bestimme die allgemeine Lösung des nebenstehenden Systems mit Hilfe der Laplacetransformation zu den Anfangswerten a(0) = 1, b(0) = c(0) = 0. Lösung: Es seien X(t) = (a(t), b(t), c(t)) ⊤ zentrationen der Stoffe A,B,C angeben. rentialgleichungssystems −1 dX = A X mit A = 1 (9.15) X ′ = dt 0 A > Z Z k =1 k31 = 8 Z 12 Z ~ Z C3 B k23 = 3 die Vektorfunktion deren Komponenten die KonDiese ist Lösung des linearen homogenen Diffe 0 8 1 −3 0 und X0 = X(0) = 0 . 3 −8 0 Anwenden der Laplacetransformation auf (9.15) ergibt (9.16) b − X0 = A X b bzw. (p E − A) X b = X0 bzw. X b = (p E − A)−1 X0 . pX Wir berechnen die inverse Matrix mit der Cramerschen Regel, d. h., wir bilden die Matrix aller Minoren (=Unterdeterminaten) 2-ter Ordnung von p E − A, änder die Voorzeichen entsprechend dem Schachbrettschema, transponieren und dividieren zum Schluß durch die Determinante, die hier gleich dem negativen des charakteristischen Polynoms pA (p) = p(p + 5)(p + 7) von A ist, und erhalten 2 p + 11p + 24 24 8(p + 3) 1 1 b= 0 . p+8 p2 + 9p + 8 8 (9.17) X p(p + 5)(p + 7) 3 3(p + 1) p2 + 4p + 3 0 Hieraus erhalten wir explizite Darstellungen von b a(p), bb(p), b c(p) als rationale Funktionen von p, die wir in Partialbrüche zerlegen, welche sich schließlich mittels der Liste rücktransformieren lassen: 24 3 2 p2 + 11p + 24 = + − , b a = p(p + 5)(p + 7) 35p 5(p + 5) 7(p + 7) 8 3 1 p+8 bb = (9.18) = − + , p(p + 5)(p + 7) 35p 10(p + 5) 14(p + 7) 3 3 3 3 b = − + . c= p(p + 5)(p + 7) 35p 10(p + 5) 14(p + 7) 34 Letztendlich ergibt sich: a= 24 3 −5 t 2 −7 t + e − e , 35 5 7 b= 8 3 −5 t 1 −7 t − e + e , 35 10 14 c= 3 3 −5 t 3 −7 t − e + e . 35 10 14 Aufgabe 9.2 Man löse mit Hilfe des Laplacetransformation das Differentialgleichungssystem 2ter Ordnung für die unbekannten Funktionen y(t), z(t) mit den angegebenen Anfangsbedingungen y(t) 0 1 , V (0) = , V ′ (0) = (9.19) V ′′ = A V ′ + B V + C, V = z(t) 1 0 mit (9.20) C= −2 cos(t) − 4 sin(t) 0 , A= 1 1 −2 1 , B= 1 1 1 −2 . Lösung: Zuerst wird das System (9.19) transformiert: b p2 Vb − p V (0) − V ′ (0) − A p Vb − V (0) + B Vb = C. Man setzt die gegebenen Größen (9.20) und die Anfangswerte ein und faßt zusammen: p2 − p − 1 2p−1 −p − 1 p2 − p + 2 4 2p − − 0 1 0 Vb (p)− p + −A = 1 + p2 1 + p2 . 1 0 1 0 Letztendlich ergibt sich das Gleichungssystem 2 4 2p 3p2 − 2p − 1 − − 3 p −p−1 2p−1 yb(p) . = = 1 + p2 1 + p2 + p2 + 1 p − 1 −p − 1 p2 − p + 2 zb(p) 0 p−1 Die Systemmatrix und ihre inverse sind 2 2 1 p −p+2 p −p−1 2p−1 −1 M= , M = p+1 −p − 1 p2 − p + 2 p4 − 2 p3 + 4 p2 − 3 −2 p + 1 p2 − p − 1 Zum Schluß wird mit der Inversen der Systemmatrix multipliziert. Die Rechnung ist kompliziert, aber man erhält ein einfaches Ergebnis: 1 p4 − 2 p3 + 4 p2 − 3 2 p − p + 2 −2 p + 1 p+1 p2 − p − 1 1 3p2 − 2p − 1 2 = 1 +p p . p2 + 1 p−1 1 + p2 Zum Schluß wird mit Hilfe der Tabelle von Seite 34 die Rücktransformation durchgeführt: p 1 −1 (t) = sin(t), z(t) = L (t) = cos(t). y(t) = L−1 1 + p2 1 + p2 Aufgabe 9.3 Man löse mit Hilfe des Laplacetransformation die Differentialgleichungssysteme (a) x′ (t) = 2 y(t), y ′ (t) = x(t) − y(t), x(0) = x0 , y(0) = y0 und (b) a′ (t) = −k+ a(t) + k− b(t), b′ (t) = k+ a(t) − k− b(t), a(0) = a0 , b(0) = b0 . Anmerkung: Die zweite Gleichung bestimmt die zeitlichen Abhängigkeiten a(t), b(t) der Konzentrationen der Stoffe A und B in einer Reaktion 1.ter Ordnung A 35 k+ −→ ←− k− B. . 10 Fouriertransformation. Der Definitionsbereich D der Laplacetransformation besteht aus Funktionen, die nur für positive Argumente definiert sind. Man kann ihn als Teilmenge des Raumes C(R) der komplexwertigen, auf ganz R definierten Funktionen ansehen, indem man eine Funktion f ∈ D zu einer auch für negative Werte x definierten Funktion ausdehnt, die den Wert man f (x) = 0 zugewiesen bekommt. Die Fouriertransformation2 hat formale Ähnlichkeit zur Laplacetransformation. Im Gegensatz zu dieser ist sie durch ein über die gesamte Zahlengerade erstrecktes Integral gegeben, es tritt noch √ ein Normierungsfaktor 1/ 2 π auf und der Parameter ist hier eine komplexe Größe: 1 fb(k) = √ 2π (10.1) Z∞ e−i k x f (x) dx −∞ Sie tritt häufig im Zudammenhang mit Schwingungen auf, da der Faktor e−i k x = cos(k x) + i sin(k x) eine periodische Funktion der Periode 2π/k ist. 1 Als R ∞ Definitionsbereich kann man den Raum L (R) aller Funktionen nehmen, für die das Integral −∞ |f (x)| dx < ∞ einen endlichen Wert hat. Er ist Bestandteil einer Familie ähnlicher Funktionenräume, der sogenannten Lp -Räume (p ∈ R+ ), deren allgemeine Definition durch Z L (R ) = f : Rn → C; p n kf (x)k dx = ||f ||p < ∞ p Rn gegeben ist. Das Symbol L erinnert an H. Lebesgue3 Die Räume Lp (Rn ) sind normierte Vektorräume, d. h., jedem Element f ∈ Lp (Rn ) ist eine Länge (Norm) zugeordnet, hier die Lp Norm ||f ||p . Sie besitzt die wichtigen Eigenschaften (a) ||f ||p ≥ 0 und ||f ||p = 0 ⇔ f = 0 (b) ||r f ||p = |r| ||f ||p für r ∈ C und (c) ||f ||p + ||g||p ≥ ||f + g||p für f, g ∈ Lp (Rn ). Für p = 2 ist L2 (Rn ) Rein Hilbert-Raum, d. h., auf L2 (Rn ) gibt es ein Hermitesches Skalarprodukt h, i, nämlich hf, gi = Rn f (x)g(x) dx das die Norm induziert: hf, gi = ||f ||22 . Beispiele: 1. Wir betrachten einen symmetrischen Recheckimpuls: Sei f (x) = 1 für − a ≤ x ≤ a und f (x) = 0 außerhalb des Intervalls [−a, a]. Wir erhalten aus (10.1): 1 (10.2) fb(k) = √ 2π Za −a e −i k x 1 √ e−i k a − ei k a = f (x) dx = −i k 2 π r 2 sin(k a) . π k 2 2. Sei α > 0 eine relle Zahl und f (x) = fα (x) = e−α x die Dichtefunktion der Gaußschen Normalverteilung (Glockenkurve, deren Breite durch α bestimmt ist). Hier ergibt sich 1 f1/4 α . fc α = √ 2α Die folgende Rechnung, in der wir das die Fouriertransformation definierende Integral durch die Substitution u = x + i k/2 α umformen, liefert den Beweis: Z∞ Z∞ 2 2 2 1 1 −α x −i k x b f (k) = √ e dx = √ e−αu −k /4 α du = 2π 2π −∞ −∞ (10.3) ∞ r Z 2 2 2 2 1 π 1 1 √ e−k /4 α = √ e−k /4 α e−k /4 α . e−αu du = √ 2π 2π α 2α −∞ 2 Jean Baptiste Joseph, Baron de Fourier, französischer Physiker und Mathematiker (1768-1830) Léon Lebesgue, französischer Mathematiker (1875-1941), erweiterte den Integralbegriff. Nach ihm ist das Lebesgue-Integral benannt. 3 Henri 36 Der Wert des Integrals R∞ −∞ 2 e−αu du = p π/α wird in Aufgabe 10.3 bestimmt. Ergebnis: Die Fouriertransformierte einer Gaußschen Glockenkurve ist wieder eine Gaußsche 2 2 \ Glockenkurve mit veränderter Breite und Höhe. Im Fall α = 1/2 ergibt sich e−x /2 = e−k /2 , d. h., die Funktion e−x 2 /2 stimmt mit ihrer Fouriertransformierten überein. n-dimensionale Fouriertransformation. Es seien x, y, k ∈ Rn und hk, xi das gewöhnliche Skalarprodukt des Rn . Dann definiert man die n-dimensionale Fouriertransformation einer Funktion f ∈ L2 (Rn ) durch 1 fb(k) = p (2 π)n (10.4) Z e−i hk,xi f (x) dx, Rn wobei dx = dx1 dx2 . . . dxn das n-dimensionale Volumenelement bezeichnet. Eigenschaften: Linearität r \ f + s g(k) = r fb(k) + s gb(k) Fouriertransformation und Ableitung Um partielle Ableitungen beliebiger Ordnung geeignet darstellen zu können, definieren wir folgende Begriffe: Ein Multiindex ist ein Vektor α = (α1 , . . . , αn ) von ganzen Zahlen αi ≥ 0. Man schreibt |α| = α1 +, · · ·+αn für die ’Ordnung’von α. Mit ∂ α bezeichnen wir den Operator der partiellen Ableitung ∂αf = ∂ |α| f . n . . . ∂xα n 1 ∂xα 1 Weiterhin bezeichnen wir für k = (k1 , . . . , kn )⊤ ∈ Rn mit k α das ’Monom’ k α = k1α1 · · · knαn . Das ist ein homogenes Polynom vom Homogenitätsgrad |α|. Ein beliebiges (homogenes) Polynom p(x1 , . . . , xn ) in n Veränderlichen vom Grad l läßt sich in der Form (10.5) p(x) = X aα xα (beliebiges, bzw.) p(x) = X aα xα (homogenes Polynom) |α|=l 0≤|α|≤l darstellen. Für die Fouriertransformierte einer partiellen Ableitung höherer Ordnung gilt Satz 11.1 α f (k) = (i k)α fb(k). ∂d Das ähnelt den Gegebenheiten bei der Laplacetransformation, bei der jedoch auch die Anfangswerte der jeweiligen Funktion auftraten. Ein linearer Differentialoperator P mit konstante Koeffizienten der Ordnung l hat die Form P(f ) = X aα ∂ α f, |α|≤l wobei aα ∈ R (oder aα ∈ C) Konstanten sind. Die Wirkung von P auf Funktionen überträgt sich durch die Fouriertransformation auf die Multiplikation der Transformierten Funktion P mit dem Polynom p(k) = |α|≤l aα (i k)α : [) = p(k) fb(k). P(f Rücktransformation Eine wichtige Eigenschaft der Fouriertransformation besteht darin, daß sie eine bijektive Abbildung des Raumes L2 (Rn ) auf sich ist, die mit ihrer Umkehrabbildung im wesentlichen übereinstimmt: 37 Satz 11.2 Es sei fb(k) die Fouriertransformierte einer Funktion f (x). Dann erhält man f (x) aus fb(k) durch das Integral Z 1 f (x) = p (2 π)n (10.6) zurück. Rn ei hk,xi fb(k) dk, Der Integraloperator (10.6) stimmt also bis auf das Vorzeichen im Exponenten der e-Funktion mit der Formel (10.4) überein. Erhaltung der L2 -Norm Satz. 2 (Satz von Plancherel) Bis auf einen Normierungsfaktor läßt die Fourier-Transformation das Skalarprodukt und damit auch die Norm auf L2 (R) invariant: 2πhf, gi = hfˆ, ĝi, √ 2πkf k = kfˆk . Aufgrund dieser Eigenschaft läßt sich die Fourier-Transformation auch auf dem Raum L2 (R) der Funktionen f (x), deren Quadrat |f (x)|2 integrierbar ist, die also nicht stetig oder differenzierbar sein müssen, durch einen Grenzprozeß definieren. Für eine quadratisch integrierbare Funktion f ∈ L2 (Rn ) wählt man eine approximierende Folge glatter Funktionen fn , derart daß fn (x) = 0, für große x, ||x|| > rn ( kf − fn k2 → 0) und definiert fˆ = lim fˆn . n→∞ Aufgaben: Aufgabe 10.1 Man beweise folgende Funktionalgleichung der Gammafunktion: Γ(x+1) = x·Γ(x) und leite daraus die Gleichung (9.14) her. Aufgabe 10.2 Man führe die Einzelheiten der Rechnung (10.3) aus. Man benutze dabei das Ergebnis der nachfolgenden Aufgabe. Lösung: Mit x = u − i k/2 α ergibt sich 2 −αx2 − i k x = (u − i k/2 α) − i k (u − i k/2 α) = − k2 − αx2 . α Aufgabe 10.3 Man zeige Z∞ e −αx2 dx = −∞ r π . α Hinweis: Für dieses Integral verwendet man einen klassischen Trick. Man betrachtet das nur Z∞ 2 über die positive relle Achse erstreckte Integral I = e−αx dx, dessen Wert wegen der Sym0 metrie des Integranden die Hälfte des gesuchten ist, betrachtet die zweite Potenz von I, ein Produkt zweier Integrale, das man wie folgt als Doppelintegral darstellt und Polarkoordinaten umrechnet: 2 I = Z∞ e −αx2 dx Z∞ e −αy 2 dy = 0 0 0 Z∞ Z∞ e −αx2 −αy 2 e dx dy = Z∞ Z∞ 0 0 e−α(x 2 +y 2 0 Das sich so ergebende Doppelintegral wird mit Hilfe von Polarkoordinaten r = r cos(ϕ), y = r sin(ϕ) umgeformt zu 2 I = Z∞ Zπ/2 0 0 dϕ e −αr 2 π r dr = 2 Z∞ e −αr 2 π r dr = 2 0 38 dx dy. p x2 + y 2 , x = ∞ 1 −αr2 π 1 π − = e = . 2α 2 2 α 4 α 0 Damit ergibt sich I = √ π √ . 2 α Aufgabe 10.4 Bestimmen Sie mit HilfeR komplexer Integration die Fouriertransformierte von f (x) = (x − i )−2 sowie das Integral R kf (x)k2 dx. 39 11 Partielle Differentialgleichungen. Die Theorie der partiellen Differentialgleichungen, d. h., der Gleichungen, in denen Funktionen mehrerer Variabler und deren partielle Ableitungen vorkommen, ist sehr viel umfassender und schwieriger als die Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen. Wir erwähnen einige wichtige Beispiele und den Produktansatz. Die 2-dimensionale Wellengleichung. Beschreibt eine Funktion u(x, t) die Schwingungen irgendeiner an beiden Enden eingespannten Saite eines Musikinstruments (t =Zeit und x = ein Punkt der Saite,) so erfüllt sie die Gleichung ∂ 2 u(x, t)/∂x2 − c−2 ∂ 2 u(x, t)/∂t2 . Für die Lösungen dieser Gleichung gibt es eine geschlossene integralfreie Darstellung der Form: u(x, t) = f (x− c t)+ g(x+ c t), mit zwei beliebigen Funktionen f (t), g(t) einer Veränderlichen. Die Laplacegleichung hat die Gestalt ∆f = 0, wobei n ∆= X ∂2 ∂2 ∂2 (n) + bzw. ∆ = (n-dimensionaler Laplaceoperator) ∂x2 ∂y 2 ∂x2i i=1 der Laplaceoperator ist. Die Lösungen der Gleichung ∆f = 0 heißen harmonische Funktionen. Zum Berechnen einiger Beispiele harmonischer Funktionen kann man mit einem Ansatz der Form f (x, y) = X(x)Y (y) probieren. Man erhält folgende Gleichungen: 2 ∂ (X(x)Y (y)) ∂ 2 (X(x)Y (y)) = X ′′ (x)Y (y) und = X(x)Y ′′ (y), also 2 2 ∂x ∂y (11.1) Y ′′ (y) X ′′ (x) =− . X ′′ (x)Y (y) + X(x)Y ′′ (y) = 0, bzw. X(x) Y (y) Separationsprinzip : Sind F (x) und G(y) zwei Funktionen, die nur von x bzw y abhängen und gilt die Gleichung F (x) = G(y) für alle (x, y) ∈ R2 , so sind beide Funktionen konstant. F (x) = G(y) = k = const. Mit F (x) = G(y) = k = const, F (x) = X ′′ (x)/X(x), G(y) = −Y ′′ (y)/Y (y) erhält man damit aus (11.1) die linearen Differentialgleichungen X ′′ (x) = k X(x) und Y ′′ (y) = −k Y (y), deren Koeffizienten konstant sind. Das führt mit den bekannten Methoden auf folgende Lösungen: X(x) = C1 elx + C2 e−lx , Y (y) = K1 cos(ly) + K2 sin(ly), k = l2 > 0 : 2 (11.2) k = −l < 0 : Y (y) = K1 ely + K2 e−ly , X(x) = C1 cos(lx) + C2 sin(lx), k=0: X(x) = C1 x + C2 , Y (y) = K1 y + K2 . Da die Laplacegleichung linear ist, ist die Summe zweier Lösungen wieder eine Lösung (Überlagerungsprinzip, Superpositionsprinzip). Daher erhält man neue Lösungen, indem man verschiedene Konstanten C1 , C2 , K1 , Kn wählt und Summen von Funktionen der Gestalt f (x, y, C1 , C2 , K1 , Kn ) = X(x)Y (y) bildet, wobei X(x) und Y (y) durch einen Ausdruck der Gestalt (11.2) gegeben sind. Komplexe Funktionen und die 2-dimensionale Laplacegleichung: Zerlegt man eine beliebige (holomorphe), d. h., komplex differenzierbare Funktion f (z) in Real- und Imaginärteil: f (z) = f (x + i y) = u(x, y) + i v(x, y), so sind u(x, y) und v(x, y) zwei Funktionen, für die die sogenannten Cauchy-Riemannschen Gleichungen ux = vy , uy = −vx gelten. Leitet man die erste Gleichung nochmals nach x und die zweite nach y ab, so erhält man uxx = vyx und uyy = −vxy . Addiert man diese beiden Gleichung, so ergibt sich uxx + uyy = vyx − vxy , und vyx − vxy = 0 nach dem Satz von Schwarz. Daher ist ∆u = uxx + uyy = 0 und es ergibt sich: Satz 12.1 Ist f (z) eine holomorphe Funktion und f (x + i y) = u(x, y) + i v(x, y), so sind beide Funktionen u(x, y) und v(x, y) Lösungen der Laplacegleichung. Umgekehrt ist auch jede Lösung u(x, y) der Laplacegleichung Realteil irgendeiner holomorphen Funktion. 40 Die Schrödingergleichung: Es sei p2 + V (x, y, z, t) (der Hamiltonoperator), ψ(x, y, z, t) (eine Wellenfunktion) 2 m2 ℏ ∂ψ Hψ = ∆ψ + V ψ = i ℏ (die Schrödingergleichung), 2m ∂t 2 ∂ ∂2 ∂2 ∂ ∂ ∂ 2 2 , p = −ℏ + 2 + 2 = −ℏ2 ∆, , , p = iℏ ∂t ∂y ∂z ∂x2 ∂y ∂z 2m 2 m ∂ψ ∆ψ − 2 V ψ + i = 0 (andere Form der Schrödingergleichung). ℏ ℏ ∂t H= Hier kann man, wenn das Potential V (x, y, z) zeitunabhängig ist, mit dem Produktansatz ψ(x, y, z, t) = Ψ(x, y, z)T (t) zunächst den zeitabhängigen Anteil abspalten. Es ist ∆ψ(x, y, z, t) = (∆Ψ(x, y, z))T (t), ∂ψ/∂t = Ψ(x, y, z)T ′ (t) und man erhält mit dem Separationsprinzip 2m V i kℏ 2m T′ 2m ℏ2 = k = −i , hieraus ∆Ψ − 2 V Ψ = k Ψ und T ′ = T. Ψ ℏ T ℏ 2m i kℏ Die zweite Gleichung hat die Lösung T (t) = C exp t . Die erste läßt sich unter speziel2m ∆Ψ − len Annahmen über V (x, y, z) mit dem Produktansatz weiter vereinfachen. Ist das Potential z. B. kugelsymmetrisch, d. h., V von der Form V = V (r) mit r2 = x2 + y 2 + z 2 , so führt man räumliche Polarkoordinaten (Kugelkoordinaten) x = r cos(ϕ) sin(θ), y = r sin(ϕ) sin(θ), z = r cos(θ) ein. Der Lapaceoperator transformiert sich dann in einen neuen komplizierteren Ausdruck: 1 (11.3) ∆f = 2 r ∂ ∂r 1 ∂f ∂2f ∂ 2 ∂f r + Λ(f ) mit Λ(f ) = sin(θ) + ∂r sin(θ) ∂θ ∂θ ∂ϕ2 Ein weiterer Produktansatz Ψ(x, y, z) = Ψ(r, ϕ, θ) = R(r) Y (θ, ϕ) ergibt d 2 ′ 2m (r R )Y (θ, ϕ) + R Λ(Y )(θ, ϕ + 2 (k − V (r))R Y = 0 bzw. dr ℏ 1 2m 2 ′ ′′ R + R Y + 2 RΛ(Y ) + U R Y = 0 mit U (r) = 2 (k − V (r)). r r ℏ 1 r2 Dann liefert das Separationsprinzip die lineare Differentialgleichung r2 R′′ + 2 r R′ + λ R + r2 U R = 0, in der λ die Separationskonstante ist. In dem Spezialfall k = 0, V (r) = V0 /r2 2m 2 ′′ ′ erhält man hieraus die Eulersche Differentialgleichung r R + 2 r R + λ + 2 V0 R = 0. ℏ Aufgabe 11.1 Man leite aus (11.3) die folgende Darstellung des Laplaceoperators in räumlichen Polarkoordinaten her (11.4) ∆f = frr + 1 1 2 1 fθθ + 2 fϕϕ + fr + 2 cot(θ) fθ . 2 r r sin(θ) r r Aufgabe 11.2 Man zeige daß die Real- und Imaginärteile u(x, y) (bzw. v(x, y)) der holomorphen Funktionen f (z) = f (x + i y) = u(x, y) + i v(x, y) harmonische Funktionen sind. (a) f (z) = ez , (b) f (z) = z 4 , (c) f (z) = cosh(z), (d) f (z) = sin(z). Aufgabe 11.3 Man bestimme mit Hilfe eines Separationsansatzes der Gestalt f (x, y) = X(x) Y (y) Lösungen der partiellen Differentialgleichung ∂2f ∂f ∂2f − +2 = 0. 2 2 ∂x ∂y ∂y 41 12 Anfangs- und Randwertproblem der Diffusionsgleichung. Aufgabe 12.1 Man zeige daß die Funktionen −1/2 exp c(x, t) = t 2 − (x − x0 ) 4Dt −3/2 exp c(x, y, z, t) = t ! 2 − (x − x0 ) − (y − y0 ) , c(x, t) = t exp 4Dt ! 2 2 2 − (x − x0 ) − (y − y0 ) − (z − z0 ) 4Dt −1 2 ! bzw. für beliebige Werte von x0 , y0 , z0 Lösungen der 1-, 2- bzw. 3-dimensionalen Wärmeleitungsgleichung (∆ − 1/D ∂/∂t) c = 0 sind. Anmerkung: Das sind die ersten 3 Spezialfälle eines allgemeinen Ausdrucks für Lösungen der Wärmeleitungsgleichung in beliebiger Dimension n. Dieser Ausdruck heißt Greensche Funktion. Mit seiner Hilfe erhält man die Lösung des folgenden Anfangswertproblems durch n-malige Integration: Es sei f (x1 , . . . , xn ) eine beliebige Funktion. Wir denken dabei an den räumlichen Fall n = 3 und stellen uns f als vorgegebene Wärmeverteilung oder Stoffkonzentration vor. Dann erhält man mit c(x1 , . . . , xn , t) = Z∞ −∞ ··· Z∞ −∞ f (α1 , . . . , αn ) √ n exp 2D πt 2 2 − (x1 − α1 ) − · · · − (xn − αn ) 4Dt ! dα1 · · · dαn die Lösung des Anfangswertproblems c(x1 , . . . , xn , 0) = f (x1 , . . . , xn ) der n-dimensionalen Wärmeleitungsgleichung als n-dimensionales Gebietsintegral. Hier bedeutet n-faches Integrieren nur daß man nacheinander über alle Variablen α1 , . . . , αn von −∞ bis ∞ integriert. Aufgabe 12.2 Man berechne die Fourierreihe der periodischen Sprungfunktion f (x), die für 0 ≤ π π x ≤ durch f (x) = 1 und für < x < 2π durch f (x) = 0 definiert ist. 2 2 Aufgabe 12.3 Mit Hilfe von Fourierreihen berechne man den Schwingungsverlauf einer an beiden Enden eingespannten Saite der Länge 2π, deren Anfangsauslenkung zum Zeitpunkt t = 0 durch die Funktion ax für 0 ≤ x < π f (x) = (12.1) a (2 π − x) für π ≤ x < 2 π gegeben ist (Ziehen an der Saitenmitte). Ferner sei die Anfangsgeschwindigkeit der Saitenpunkte durch ϕ(x) = 0 gegeben. Hinweis: Die Auslenkung der Saite am Punkt x zum Zeitpunkt t ist eine Funktion u(x, t), die der ein-dimensionalen Wellengleichung ∂ 2 u/∂x2 = c−2 ∂ 2 u/∂t2 genügt, ferner den Anfangs- und Randbedingungen ( (12.2) ∂ u(x, 0) = ϕ(x) ∂t u(0, t) = u(l, t) = 0 u(x, 0) = f (x), für alle x ∈ [0, 2π], für alle t ≥ 0, (l = Länge der Saite). Lösung der Aufgabe12.3. Wir betrachten zunächst den Fall beliebiger Saitenlänge l und spezialisieren unsere Ergebnisse später auf den Fall l = 2 π. Zunächst werden mit dem Produktansatz u(x, t) = X(x) T (t) und Separation der Variablen x und t Lösungen der Gleichung ∂ 2 u/∂x2 = c−2 ∂ 2 u/∂t2 bestimmt. Der Ansatz führt auf die beiden gewöhnlichen Differentialgleichungen X ′′ (x) = k X(x) und T ′′ (t) = 42 c2 k T (t), wobei k ∈ R die Separationskonstante ist. Die Lösungen dieser Gleichungen lauten dann √ √ √ √ X(x) = C1 E kx +C2 E − kx , T (t) = A E c kt +B E −c kt . Die Randbedingung u(0, t) = u(l, t) = 0 von (12.2) erzwingt die Bedingung X(0) = X(l) = 0. Die Funktion X(x) muß also insbesondere mindestens zwei Nullstellen√besitzen. Das ist für eine Summe zweier Exponentialfunktionen nicht möglich und folglich muß k = i λ (bzw k = −λ, λ ∈ R) imaginär sein. Wir erhalten also die allgemeine Lösung X(x) = C1 cos(λ x) + C2 sin(λ x). Aus X(0) = 0 folgt C2 = 0, also X(x) = C2 sin(λ x) und aus X(l) = 0 folgt sin(λ l) = 0, also λ l = n π, bzw. λ = n π/l mit n ∈ N. Wir setzen C2 = 1, erhalten X(x) = sin (n π x/l) T (t) = A cos (c n π t/l) + B sin (c n π t/l) und schließlich die folgende, von drei Konstanten A, B ∈ R und n ∈ N abhängende spezielle Lösung: c n π c n π o n π n (12.3) x A cos t + B sin t . uA,B,n (x, t) = sin l l l Allgemeinere Lösungen findet man in der gestalt von unendliche Linearkombinationen von Funktionen der Gestalt uAi ,Bi ,i (x, t): (12.4) u(x, t) = ∞ X i=1 sin n o iπ ciπ ciπ x t + Bi sin t Ai cos . l l l Um die Konstanten Ai , Bi zu besimmen, werten wir die Anfangsbedingungen von (12.2) aus und erhalten ∞ ∞ X X iπ ciπ ∂u(x, 0) iπ Ai sin Bi (12.5) u(x, 0) = f (x) = x und = ϕ(x) = sin x l ∂t l l i=1 i=1 Man erkennt hier zwei Fourierreihen. Die Gleichungen (12.5) zeigen, daß die Koeffizienten Ai und Bi c i π/l mit den Formeln für die Koeffizienten der Fourierreihe zu bestimmen sind. Wir haben jetzt allerdings mit dem Intervall [0, 2 l] statt mit [0, 2π] zu tun. In diesem Fall lauten die Formeln für die Koeffizienten der Fourierreihe entsprechenden Gleichungen (12.6) a0 bi = = Z Z 1 2l iπ 1 2l x ) dx, f (x) dx, ai = f (x) cos l 0 l 0 l Z 2l iπ 1 x dx. f (x) sin l 0 l Allerdings dürfen die Fourierreihen von f (x) und ϕ(x) nur Sinusglieder enthalten. Wie erreicht man das? Man stützt sich auf die folgende Charakterisierung: Satz. 3 Es sei f (x) eine periodische Funktion. Dann enthält die Fourierreihe von f (x) genau dann nur Sinusglieder, wenn sie ungerade ist, d. h., wenn f (−x) = −f (x) für alle x gilt. Im Gegensatz dazu enthält die Reihe nur Kosinusglieder, wenn f (x) gerade ist, d. h., falls f (−x) = f (x) gilt. Die Funktionen f (x) und φ(x) sind nur auf dem Intervall [0, l] definiert Wir definieren ihre ungeraden periodischen Fortsetzungen auf [0, 2 l] durch f (x) = −f (x − l), φ(x) = −φ(x − l) und bilden dann ihre Fourierreihen. Dazu betrachten wir zu unseren speziellen Vorgaben (12.1) und φ(x) = 0. Dann gilt Bi = 0 in (12.4) für die Koeffizienten der Sinusglieder. Wir berechnen die Koeffizienten der Kosinusglieder. R 4π Mit l = 2π ergibt sich aus (12.6) ai = 0 (da f (x) ungerade) und bi = 1/2π 0 f (x) sin (i x/2). R 4π R 2π Aus der Ungeradheit von f (x) folgt des Weiteren 0 = 2 0 . Da f (x) auf den Intervallen [0, π] und [π, 2π] durch unterschiedliche Ausdrücke gegeben ist, zerlegen wir das Integral über [0, 2π] in entsprechender Weise in die Summe zweier Teilintegrale. Wir erhalten Zπ Z2π Z2π ix ix ix 1 dx = f (x) sin dx + f (x) sin dx f (x) sin bi = π 2 2 2 π 0 0 (12.7) Zπ Z2π ix ix = a x sin dx + a (2π − x) sin dx. 2 2 0 π 43 Wir setzen zwecks Vereinfachung a = i/2 und lassen den Faktor 1/π weg und berechnen die Integrale von (12.7): π Z2π Z a x sin(a x) dx + a(2π − x) sin(a x) dx = π 0 2π π x cos(a x) sin(a x) 2π cos(a x) sin(a x) x cos(a x) − − − + = (12.8) a2 a a a2 a 0 π sin(a π) π cos(a π) 2π cos(a 2 π) sin(a 2 π) 2π cos(a 2 π) − − + − a2 a a a2 a 2π cos(a π) sin(a 2 π) sin(a x) 2 sin(a π) π cos(a π) − + − . + = 2 2 2 a a a a a Setzen wir hier wieder a = i/2, dividieren durch π, so erhalten wir die folgende geschlossene Formel für die gesuchten Fourierkoeffizienten: (12.9) Ai = bi = 0 für gerades i und 8 (−1)j (2 j + 1)2 π für ungerades i, i = 2 j + 1. Insgesamt egibt sich die gesuchte Lösung zu x 8 an 3x ct 3ct 1 sin cos − sin cos + u(x, t) = π 2 2 9 2 2 (12.10) o 1 1 5ct 7ct 5x 7x cos − cos ± ··· sin sin 25 2 2 49 2 2 Hier zeigen wir zwei graphische Darstellungen der gefundenen Lösungsfunktionfunktion u(x, t): 6 t 4 2 0 2 2 u 6 u 0 -2 0 4 0 t 2 2 x -2 0 4 2 x 6 0 4 6 44 13 Lösung der Wärmeleitungsgleichung für einen Stab unendlicher Länge. Wir betrachten einen Stab unendlicher Länge (man stelle sich einen sehr langen, wärmeisolierten Draht vor) und konstruieren mit Hilfe der Fouriertransformation einen Integraloperator, der es gestattet aus einer zum Zeitpunkt t = 0 gegebenen Anfangsverteilung f (x) der Temperatur eine eindeutige Lösung zu bestimmen. Es sei c(x, t) die Temperaturverteilung im Punkt x des Stabes zum Zeitpunkt t. Die Funktion c(x, t) muß für x → ±∞ gegen 0 streben also insbesondere beschränkt sein, und die Wärmelei1 tungsgleichung cxx = ct erfüllen, wobei D eine Konstante, die Wärmeleitfähigkeit, ist. Der im D Arbeitsblatt 12 beschriebene Produktansatz c(x, t) = X(x) T (t) überführt die Wärmeleitungsglei1 1 X(x) T ′ (t), bzw. X ′′ (x)/X(x), T (t) = D T ′ (t)/T (t). Da die beiden Seiten chung in X ′′ (x) T (t) = D dieser Gleichung jeweils nur von einer der beiden unabhängigen Variablen abhängen, sind sie nach dem Seperationsprinzip gleich einer Konstanten k0 . Aus X ′′ (x) = k0 X(x) und T ′ (t) = D k0 T (t) ergeben sich die allgemeinen Lösungen √ k0 x + b0 e− √ k0 x und T (t) = c eD k0 t , a, b, c ∈ R (Konstanten) . √ √ Da c(x, t)X(x) T (t) beschränkt sein soll, muß k0 imaginär sein. Wäre k0 reell, so würden die (13.1) X(x) = a0 , e √ Exponentialfunktionen e± k0 x für x → ∞ oder x → −∞ unbeschränkt wachsen. Wir setzen k0 = −k 2 , k ∈ R und erhalten (13.2) 2 c(x, t) = X(x) T (t) = a ei k x + b e−i k x e−D k t , a = c a0 , , b = c b0 . Erweiterung des Lösungsvorrates. Wir geben jetzt verschiedene Methoden an, mit denen man aus bekannten Lösungen der Wärmeleitungsgleichung neue erhält. Überlagerung von Lösungen. Sind c1 (x, t), c2 (x, t), c3 (x, t), . . . endlich oder unendlich viele Lösungen, so kann man aus diesen neue Lösungen c(x, t) = r1 c1 (x, t) + r2 c2 (x, t) + r3 c3 (x, t) + · · · , r1 , r2 , r3 , . . . ∈ R, linear kombinieren. Es muß nur gewährleistet sein, daß im Fall unendlich vieler Summanden die unendliche Summe einen Grenzwert hat und daß die Grenzfunktion differenzierbar ist. Integration parameterabhängiger Lösungen. Es sei c(x, t, k) eine Lösungsfunktion, die von einem Parameter k abhängt, wie z. B. die Lösung (13.2). Sind k0 < k1 zwei beliebige Parameterwerte und K(k) eine beliebige integrierbare Funktion von k, so ist ebenfalls eine Lösung. e c(x, t) = Z k1 K(k) c(x, t, k) dk k0 Ableitung nach einem Parameter. Die Ableitung c(x, t, k) = e ∂c(x, y, k) ∂k einer parameterabhängigen Lösung ist wieder eine parameterabhängige Lösung der Wärmeleitungsgleichung. 45 Transformation der unabhängigen Variablen. Sind α, β, γ ∈ R, α 6= 0, so ist c(x, t) = c(α x + β, α2 t + γ) e wieder eine Lösung der Wärmeleitungsgleichung. Das zweite dieser Prinzipien wenden wir an, indem wir in (13.2) zusätzlich annehmen, daß a eine Funktion des Parameters (der Separationskonstanten) k ist: a = a(k). Die zweite Konstante b setzen wir = 0 und k0 = −∞, k1 = ∞. Wir erhalten Satz 14.1 Für jede Funktion a(k) ist durch (13.3) c(x, t) = Z ∞ a(k) ei k x−D k 2 t dk −∞ eine Lösung der Wärmeleitungsgleichung gegeben. Die Formel (13.3) liefert eine Familie von Lösungen, die von einer willkürlich gewählten Funktion a(k) abhängen. Man muß jetzt a(k) nur noch so bestimmen, daß die Anfangsbedingung c(x, 0) = R∞ f (x) erfüllt ist. Setzt man in (13.3) t = 0, so erhält man c(x, 0) = f (x) = −∞ a(k) ei k x dk. Wir bezeichnen mit F : f → F (f ) = fb die Fouriertransformation und mit F −1 : fb → f ihre inverse.√Die Formeln (10.4) und (10.6) für die Fouriertransformation und ihre inverse zeigen, daß √ f (x) = 2 πF −1 (a)(x), und somit a(k) = F (f )(k)/ 2 π gilt. Insgesamt erhalten wir c(x, t) (13.4) Z ∞ 2 1 √ F (f )(k) ei k x−D k t dk 2π Z ∞−∞ Z ∞ 2 1 f (ξ) e−i k ξ ei k x−D k t dk dξ 2 π −∞ −∞ Z ∞Z ∞ 2 1 f (ξ) ei k (x−ξ)−D k t dk dξ = (∗) 2 π −∞ −∞ = = = Diese Gleichung drückt die Lösung durch ein zweifaches Integral aus. Wir können uns aber noch von einer Integration befreien. Dazu schreiben wir mit Hilfe quadratischer Ergänzung des Exponenten der e-Funktion als Summe zweier negativer Quadrate: 2 i k(x − ξ) − k D t = −D t (13.5) " x−ξ 2Dt 2 2 # i (x − ξ) . + k− 2Dt Damit wird aus (13.4): (13.6) 1 (∗) = 2π Z ∞ −∞ f (ξ) exp (x − ξ)2 4Dt "Z # 2 ! i (x − ξ) dk dξ exp −D t k − 2Dt −∞ ∞ und das innere, in rechteckigen Klammern stehende Integral I2 formen wir mit Hilfe der Substitution √ √ dz i (x − ξ) (13.7) , dz = D t dk, dk = √ z = Dt k− 2Dt Dt um. Wir erhalten (13.8) 2 ! Z ∞ 2 i (x − ξ) 1 1 √ I2 = exp −D t k − π. dk = √ e−z dz = √ 2 D t D t −∞ Dt −∞ Z ∞ (Vergleiche Aufgabe 10.3.) Dieses innere Integral ist somit eine Konstante, nicht abhängig von ξ. Das erklärt sich auch anschaulich: Der Integrand ist die um den imaginären Wert i 2(x−ξ) D t verschobene Glockenkurve. Bei rellen derartigen Verschiebungen ist anschaulich klar, daß sich der 46 Flächeninhalt unter dem Funktionsgraphen nicht ändert. Weniger anschaulich sind imaginäre Verschiebungen, für die aber eine ähnliche Aussage wie oben durch Variablentransformation bewiesen werden kann. Als Endergebnis halten wir fest Satz 14.2 Die Lösung des Anfangswertproblems c(x, 0) = f (x) der Wärmeleitungsgleichung D cxx = ct für einen Stab unendlicher Länge ist durch das Integral (13.9) 1 c(x, t) = √ 2 Dtπ Z ∞ f (ξ) G(x, ξ) dξ, mit G(x, ξ) = exp −∞ (x − ξ)2 4Dt gegeben Der hier auftretende ’Kern’ G(x, ξ) des Integraloperators f (ξ) → sche Funktion dieses Anfangswertproblems. R∞ −∞ f (ξ) G(x, ξ) dξ heißt Green- Aufgabe 13.1 Beweisen Sie die obigen, die Erweiterung des Lösungsvorrates der Wärmeleitungsgleichung betreffenden Aussagen. Aufgabe 13.2 Zeigen Sie die Gültigkeit der Gleichung (13.5). Aufgabe 13.3 In einem ’unendlich langen’, mit Wasser gefülltem dünnen Glasrohr befindet sich am Ort x0 ein Salzkristall, das in Lösung geht. Bestimmen Sie die Funktion c(x, t) der Konzentrationsverteilung von Salzionen als Funktion des Abstandes x von x0 und der Zeit. Hinweis: Dieses Diffusionsproblem ist analog zur Wärmeleitungsgleichung und die Aufgabe entspricht dem obigen Anfangswertproblem, wobei die Anfangsfunktion f (x) angenähert als Diracfunktion (Delta-Distribution) gegeben werden kann: f (x) = m δ(x), m = Masse des Salzkorns. (siehe Arbeitsblatt 10.) Wie lautet die Lösung dieser Aufgabe, wenn mehrere Salzkörner an verschiedenen Stellen in Lösung gehen? 47 14 Variationsrechnung. Kurz formuliert: Variationsrechnung ist Extremwertrechnung für Funktionen von Funktionen. Genauer: Gegeben ist ein Funktionenraum C und eine Abbildung L : C → R, definiert auf einem gewissen Raum C von Funktionen, der von der Problemstellung abhängt. Man bestimme die Funktion (oder Funktionen) f0 ∈ C für die der Wert L(f0 ) minimal wird, d.h., kleiner als die Werte L(f ) ’aller benachbarten’ Funktionen. Diese Funktionen nennt man die Extremalen Einfachstes Beispiel: Welches ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten des Raumes oder der Ebene. Die Lösung ist intuitiv klar: Das Minimum wird für die Verbindungsgerade, eine lineare Funktion, angenommen. Hier wäre C der Raum aller, auf dem Intervall [0, 1] definierten ’Funktionen’ γ : [0, 1] → R2 bzw. → R3 , also R1 Kurven, um genau zu sein, und L(γ) = 0 ||γ ′ (t)|| dt. Nicht ganz so klar ist die analoge Frage nach der kürzesten Verbindung, wenn man sich auf einer gekrümmten Fläche bewegt, z.B. auf der Erdoberfläche. Welches ist die kürzeste Verbindung zwischen Berlin und Bonn, London und New York oder zwischen Nordpol und Südpol? Die Lösung kennt man: Für zwei Punkte A 6= B der Erdkugel betrachte man den zugehörigen Großkreis, d. h., den Schnitt der Erdkugel mit durch A, B und dem Erdmittelpunkt bestimmten Ebene. Die fragliche Extremale ist der zwischen A und B liegende Teile dieses Großkreises. Man kann aber an Stelle der Erdkugel auch eine beliebige gekrümmte Fläche F ∈ R3 betrachten und die Frage nach der kürzeste, auf F verlaufenden Kurve stellen, die zwei gegebene Punkte A 6= B von F miteinander verbindet. Aufgabe 14.1 Die Funktion y(x) beschreibe den Weg eines Lichtstrahls zwischen x0 und x1 und T (x0 , x1 , y) bezeichne die dafür benötigte Zeit. Das Fermat-Prinzip besagt folgendes: Gibt man sich Randbedingungen y(x0 ) = y0 und y(x1 ) = y1 vor, so minimiert der tatsächliche Weg des Lichts die Größe T (x0 , x1 , y). Gibt man sich andererseits Randbedingungen der Form y(x0 ) = y0 und y ′ (x0 ) = y0′ vor, so minimiert der tatsächliche Weg des Lichts ebenfalls die Größe T (x0 , x1 , y), und zwar für jedes beliebig gewählte x1 . Der Brechungsindex n = n(y) = c0 /c(y) in einem lichtdurchlässigen Medium hänge nur von der Höhe y ab, wobei c0 die Vakuumslichtgeschwindigkeit bezeichne und c(y) die Lichtgeschwindigkeit in Höhe y. Man gebe die Euler-Lagrange-Gleichung an. Für n(y) = 1/y berechne man jeweils den weiteren Verlauf einen Lichtstrahls durch y(0) = 1 und y(1) = 21 (Skizze [!]); bei einer Lichtquelle in y(1) = 1, die in positiver x-Richtung mit Steigung y ′ (1) = 1 Licht aussendet, den Punkt, bei dem das Licht zum Stillstand kommt (Skizze [!]). Z x1 p n(y) 1 + (y ′ )2 dx Lösung: Es ist die Extremale von x0 p Da F (x, y, y ′ ) = F (y, y ′ ) = n(y) 1 + (y ′ )2 nicht explizit von x abhängt, muß die EulerLagrange Bedingung n(y) = const. = k F − y ′ Fy′ = p 1 + (y ′ )2 p erfüllt sein. Für n(y) = y1 wird die Differentialgleichung 1 = k y 1 + (y ′ )2 gelöst durch ±1 x= k Z ±1 p 2k 2 y dy p 1 − k 2 y 2 + m, m = konstant = k 2 1 − k2 y2 D.h. die Extremalen sind Kreise mit Mittelpunkt auf der x-Achse, (kx − m)2 + (ky )2 = 1 48 Mit den Randbedingungen erhalten wir das Gleichungssystem m2 + k 2 m + k − 2mk + 14 k 2 2 2 √1 , 65 = 1 = 1. √8 . 65 Die Randbedingung (1) direkt √ in die Differentialgleichung eingesetzt, ergibt k = √12 . Mit y(1) = 1 wird schließlich m = 2. √ √ Der Ansatz y(x1 ) = 0 liefert dann x1 = 2 + 2. Das Licht kommt also bei (2 + 2, 0) zum Stillstand. Die Differenz liefert k = 8 m, und somit m = k= Bemerkung: In der Atmosphäre wird Licht allerdings nicht entlang von Kreisbögen gebeugt, da ein anderer Brechungsindex vorliegt: Luft hat (auf Meereshöhe) den Brechungsindex von etwa 1.04. Da sich der Luftdruck etwa alle 5km halbiert, gilt für den Brechungsindex in etwa n(y) = 1 + 0.04 · ( 12 )y/5000 . Man sieht daher bei Dämmerung die Sonne am Horizont, obwohl sie tatsächlich noch/bereits unterhalb des Horizontes ist Aufgabe 14.2 Ein Seil der Länge 2.35m werde zwischen zwei gleichhohen Befestigungspunkten aufgehängt, welche einen Abstand von 2m haben. Man gebe einen Funktionsausdruck y an, der die Seilhöhe zwischen den Befestigungspunkten beschreibt. Wie tief hängt das Seil durch? Für die Rechung verwende man 2.35 ≈ e1 − e−1 . p Lösung: Es ist F (x, y, y ′ ) = F (y, y ′ ) = y 1 + (y ′ )2 und G(x, y, y ′ ) = G(y, y ′ ) = p 1 + (y ′ )2 , d. h., F und G hängen nicht explizit von x ab. Die integrierte Euler-LagrangeDifferentialgleichung für L(y, y ′ ) = F (y, y ′ )−λG(y, y ′ ) mit noch zu bestimmendem LagrangeMultiplikator λ ∈ R ist für ein konstantes c ∈ R folgende: L(y, y ′ ) − y ′ Ly′ (y, y ′ ) = c. Einp y−λ c . Daraus wird durch Umformung gesetzt erhält man (y − λ) 1 + (y ′ )2 − (y ′ )2 p 1 + (y ′ )2 √ (y−λ)2 −c2 y′ = . Diese Differentialgleichung mit getrennten Veränderlichen kann durch Umc formen von Z y(x) c p du = x (u − λ)2 − c2 0 nach y(x) gelöst werden. Mit a ∈ R gilt y(x) = c cosh( x−a ) + λ. c Die Rand- und Nebenbedingungen liefern die zur Bestimmung Gleichungen: 1−a −1 − a ) + sinh c − sinh c c c cosh −1−a c ) + λ c cosh 1−a +λ c Aus cosh( 1−a c ) = cosh −1−a c der Größen a, c, λ benötigten = 0, = 0, = 0. ) = 0 folgt a = 0. Aus 2 c sinh 1 = exp(1) − exp(−1) c folgt mit sinh(x) = exp(x)−exp(−x) schließlich c = ±1. Die Lösung c = −1 liefert die maximale 2 Schwerpunktshöhe. Für c = +1 wird λ = − cosh(1). Der Seilverlauf wird durch y(x) = cosh(x) − cosh(1), x ∈ [−1, 1] beschrieben. Das Seil hängt um |y(0)| = cosh(1) − 1 ≈ 0.54m durch. 49 15 Greensche Funktion. Wir betrachten eine inhomogene lineare Differentialgleichung der Form (15.1) P(y) = f wobei P = Dn + an−1 Dn−1 + · · · + a2 D2 + a1 D + a0 , (D = Ableitungsoperator ). Zur Lösung dieser Gleichung versucht man einen inversen Operator P−1 zu konstruieren, mit dessen Hilfe sich die Lösung y = P−1 (f ) ergäbe. Da der Operator P i. A. nicht bijektiv ist, stellt man noch zusätzliche Bedingungen, die den Definitionsbereich von P einschränken. In der Regel sind das Randbedingungen. Es werden nur Funktionen betrachtet, die auf einem Intervall I = [0, l] der Länge l definiert sind und deren Werte zusammen mit den Werten der Ableitungen in den Punkten 0 und l bestimmte Bedingungen erfüllen, die sich in den Anwendungen oft aus konkreten Aufgabenstellungen ergeben. Die Greensche Funktion G(x, y) liefert die Umkehrung von P durch einen Integraloperator. d. h., P−1 hat die Form Z (15.2) P−1 (f )(x) = G(x, y) f (y) dy. 0 Auch Randwertprobleme für partielle Differentialoperatoren werden mit Hilfe von Greenschen Funktionen gelöst. Wir beschreiben hier zunächst die Greensche Funktion eines Randwertproblems für einen linearen Differentialoperator 2-ter Ordung auf dem Raum C 2 (0, l) ∩ C 1 ([0, l]) aller Funktionen, die auf dem offenen Intervall (0, l) 2-mal stetig differenzierbar sind und deren 1-te Ableitung eine stetige Funktion auf dem abgeschlossenen Intervall [0, l] ist Konstruktion der Greenschen Funktion Schritt 1. Spezielles Fundamentalsystem. Man bestimmt zwei Lösungen v1 (x), v2 (x) der homogenen Gleichung L(v) = 0, die die Bedingungen α v1 (0) − β v1′ (0) = 0 bzw. γ v2 (l) + δ v2′ (l) = 0 (15.3) erfüllen. Hierzu genügt es, um z. B. v1 (x) zu erhalten, ein beliebiges Fundamentalsystem u1 , u2 zu betrachten, v1 als Linearkombination v1 (x) = C1 u1 (x) + C2 u2 (x) darzustellen und für die Gleichung α (C1 u1 (0) + C2 u2 (0)) − β (C1 u′1 (0) + C2 u′2 (0)) = 0 eine Lösung (C1 , C2 ) zu ermitteln. Ähnlich bekommt man v2 . Von diesen Lösungen kann man zeigen, daß sie ein Fundamentalsystem bilden, d. h., linear unabhängig sind. Schritt 2. Variation der Konstanten. Hier erhält man mit der bekannten Methode durch den Ansatz (15.4) u(x) = C1 (x) v1 (x) + C2 (x) v2 (x) die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung L(u) = f (x). Dabei ergeben sich C1 (x), C2 (x) durch Auflösen des linearen Gleichungssystems (15.5) C1′ v1 (x) + C2′ v2 (x) = 0 und C1′ v1′ (x) + C2′ v2′ (x) = −f (x)/p(x) und anschließende Integration. Also (15.6) 1 0 f C1′ = W − p v2 f (x) v (x) 2 = , v2′ W (x) p(x) 1 v1 C2′ = W v1′ wobei W = v1 v2′ − v1′ v2 die Wronskische Determinante ist. 0 f − p = − f (x) v1 (x) , W (x) p(x) Schritt 3: Der Satz von Liouville. drückt die Wronskische Determinante eines linearen Differen Z ′′ ′ tialoperators P(y) = y + a1 (x)y + a0 (x)y durch a1 (x) aus: W (x) = C Exp − a1 (x) dx . 50 ′ Unser Sturm-Liouville Operator hat die Form L(y) = −p y ′′ + pp y ′ − pq y , weswegen wir Z p′ C a1 = p , − a1 (x) dx = − ln(p) und schließlich W (x) = p(x) , bzw. W (x) p(x) = C = const erhalten. Setzen wir x = 0, so ergibt sich C = W (0) p(0) = W (x) p(x). Die Ausdrücke (15.6) für C1′ , C2′ vereinfachen sich daher zu C1′ = (15.7) f (x) v2 (x) , W (0) p(0) C2′ = − f (x) v1 (x) . W (0) p(0) Satz 16.1 Aus den Randbedingungen (16.3) folgt C1 (l) = 0 und C2 (0) = 0. Beweis: Aus (15.4) ergibt sich (15.8) α u(0) − β u′ (0) = α {C1 (0) v1 (0) + C2 (0) v2 (0)} −β {C1′ (0) v1 (0) + C2′ (0) v2 (0) + C1 (0) v1′ (0) + C2 (0) v2′ (0)} = C1 (0) {α v1 (0) − β v1′ (0)} + C2 (0) {α v2 (0) − β v2′ (0)} −β {C1′ (0) v1 (0) + C2′ (0) v2 (0)} . Wegen (15.5) ist β {C1′ (0) v1 (0) + C2′ (0) v2 (0)} = 0. Des weiteren gilt α v1 (0) − β v1′ (0) = 0 nach (15.3). Es bleibt also α u(0) − β u′ (0) = C2 (0) {α v2 (0) − β v2′ (0)} = 0, woraus sich C2 = 0 ergibt. Die Gleichung C1 (l) = 0 ergibt sich auf ähnlichem Wege ausgehend von γ u(l) − δ u′ (l) = 0. Q.E.D. Indem wir mit diesen Werten (15.7) integrieren, erhalten wir (15.9)C1 (x) = − 1 W (0) p(0) Z l x f (y) v2 (y) dy und C2 (x) = − 1 W (0) p(0) Z x f (y) v1 (y) dy 0 und hieraus schließlich mit (15.4) (15.10) u(x) = Z l 0 G(x, y) f (y) dy wobei G(x, y), die gesuchte Greensche Funktion, durch (15.11) G(x, y) = − 1 W (0) p(0) v1 (x) v2 (y) für v1 (y) v2 (x) für 0≤x≤y≤l 0≤y≤x≤l gegeben ist. Satz. 4 Die Umkehrung des Operators L auf dem Raum Ml ⊂ C 2 (0, l) ∩ C 1 ([0, l]) der Funktionen u(x), die die Randbedingungen (16.3) erfüllen ist durch den Integraloperator (15.10) gegeben. Eigenschaften der Greenschen Funktion. (1) G(x, y) ist stetig auf dem Quadrat Q = [0, l] × [0, l] und zweimal stetig differenzierbar auf den durch x < y bzw. y < x definierten Teildreiecken von Q. (2) Die Greensche Funktion ist symmetrisch: G(x, y) = G(y, x). (3) Auf der Diagonalen x = y von Q hat die partielle Ableitung ∂G(x, y)/∂x einen Sprung der Gr”0ße −1/p(y): ∂G(y + 0, y) ∂G(y − 0, y) 1 − =− . ∂x ∂x p(y) 51 (4) Außerhalb der Diagonalen gilt Lx (G(x, y)) = 0, d. h., für festes y = y0 ist G(x, y0 ) eine aus zwei Lösungen der homogenen Gleichung (eine auf dem Intervall [0, y0 ], die andere auf [y0 , l] gegeben) zusammengesetzte Funktion. (5) G(x, y) erfüllt für alle y die Randbedingungen (16.3), d. h., auf dem Rand des Quadrates Q gilt: ∂G(l, y) ∂G(0, y) = 0 und γ G(l, y) + δ = 0. α G(0, y) − β ∂x ∂x (6) Lx (G(x, y)) = δ(x − y), (δ = Dirac-Funktion) . (15.12) Aufgabe 15.1 Man zeige, daß die Greensche Funktion der homogenen Randwertprobleme durch (a) −u′′ = f (x), u(0) = u(1) = 0 (b) −u′′ = f (x), u(0) = 0, u′ (1) = 0 (c) −u′′ = f (x), u(0) + u′ (0) = 0, u(1) + u′ (1) = 0 x (1 − y) für 0 ≤ x ≤ y ≤ 1 (1 − x) y für 0 ≤ y ≤ x ≤ 1 x für 0 ≤ x ≤ y ≤ 1 (b) G(x, y) = y für 0 ≤ y ≤ x ≤ 1 (x − 1)(2 − y) für 0 ≤ x ≤ y ≤ 1 (c) G(x, y) = (y − 1)(2 − x) für 0 ≤ y ≤ x ≤ 1 (a) G(x, y) = gegeben ist. Aufgabe 15.2 Man zeige, daß die Greensche Funktion des homogenen Randwertproblemx l(u) = −x2 u′′ − 2 x u′ + 2y = f (x), durch G(x, y) = u(−1) = 0, x3 + 1 y 3 + 2 für 3 x2 y 2 x3 + 2 y 3 + 1 für 3 x2 y 2 u(1) + u′ (1) = 0 −1 ≤ x ≤ y ≤ 1 −1 ≤ y ≤ x ≤ 1 gegeben ist. Man bestimme die Lösung der inhomogenen Gleichung für f (x) = 52 1 . 1+x 16 Sturm-Liouville Theorie. Wir betrachten ein lineares Randwertproblem (16.1) ′ ′ ′′ ′ L u = f (x) mit L u = −(p(x) u ) + q(x) u = −p(x) u − p(x) u + q(x) u, α u(0) − β u′ (0) = 0 homogene Randbedingungen (RB): γ u(l) + δ u′ (l) = 0 Definition. 2 Die Eigenwertgleichung L(u)(x) = − (16.2) d (p(x) u′ (x)) + q(x) u(x) = λ u(x) dt mit glatten reellen Funktionen p(x), q(x) zusammen mit Randbedingungen der Form ′ ′ (16.3) α u(0) − β u (0) = 0, wobei (16.4) γ u(l) + δ u (l) = 0 γ u (l) = − u(l) δ α bzw. u (0) = u(0), β ′ ′ p(x) ∈ C 1 ([0, l]), p(x) > 0, q(x) ∈ C 0 ([0, l]), q(x) > 0, α, β, γ, δ ≥ 0 sowie α + β > 0 und γ + δ > 0 gilt, nennt man ein reguläres Sturm-Liouville-Problem über dem Intervall [0, l]. Der Definitionsbereich des Operators L ist der Raum Ml ⊂ C 2 (0, l) ∩ C 1 ([0, l]) der Funktionen u(x), die die Randbedingungen (16.3) erfüllen. Eine positiv definite quadratische Form auf diesem Raum ist durch (16.5) hf, gi = Z 0 l f (x) g(x) dx bzw. im komplexen Fall hf, gi = Z l f (x) g(x) dx 0 gegeben. Satz 17.1 Das Skalarprodukt hf, gi ist positiv definit, d. h., für die zugehörige Norm |f |2 = hf, f i gilt |f | = 0 ⇔ f = 0. Außerdem ist (16.6) hL(f ), gi = Z l (p f ′ g ′ + q f g) dx + 0 α γ p(0) f (0) g(0) + p(l) f (l) g(l), β δ wobei im Fall β = 0 oder δ = 0 die entsprechenden Summanden gleich 0 zu setzen sind. Beweis: Die erste Aussage ist klar. Zum Beweis der Gleichung (16.6) verwenden wir partielle Integration: Z l Z l ′ ′ hL(f ), gi = (−p(x) f (x)) g(x) dx + q(x) f (x) g(x) dx 0 0 ′ ′ ′ setze u := (−p(x) f (x)) , u := −p(x) f ′ (x), v := g, v ′ := g ′ Z l Z l l = −p(x) f ′ (x) g(x)0 + p(x) f ′ (x) g ′ (x) dx + q(x) f (x) g(x) dx 0 0 −γ γ p(l) f (l) g(l) laut (16.3) ist: − p(l) f ′ (l) g(l) = −p(l) f (l) g(l) = δ δ α p(0) f (0) g(0) ′ und − p(0) f (0) g(0) = − β Z l α p(0) f (0) g(0) γ p(l) f (l) g(l) + + (p(x) f ′ (x) g ′ (x) + q(x) f (x) g(x)) dx, = δ β 0 53 Q.E.D. 17 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Lie-Gruppen lassen sich kurz definieren als Mengen G, auf denen (a) eine Gruppenstruktur und (B) eine Struktur gegeben ist, bzgl. der die Gruppenoperationen differenzierbar sind. Die letzteren, sogenannte C ∞ Strukturen, wollen wir hier kurz beschreiben. Topologische Grundbegriffe. Mengen auf denen man ’Differentialrechnung betreiben’ kann, sind zunächst Teilmengen des Raumes Rn , aber nicht beliebige. Zum Beispiel ist es nicht möglich die Ableitung einer auf einer endlichen Teilmenge U von Rn definierte Funktion f zu definieren, dazu sollte jeder Punkt von zumindest eine kleine Umgebung besitzen, die ganz im Definitionsbereich U von f enthalten ist. Definition 19.1 Eine Teilmenge O ⊂ Rn heißt offen, wenn es zu jedem Punkt x ∈ U eine Kugel Kǫ (x) = {x̄ ||x − x̄|| ≤ ǫ} gibt, die ganz in U enthalten ist. Eine Teilmenge A ⊂ Rn heißt abgeschlossen, wenn ihr Komplement R \ A offen ist. Demnach ist das Komplement einer abgeschlossenen Menge offen. Jedoch ist ’offen’ nicht die logische Verneinung von ’abgeschlossen’. Es gibt sehr viele Mengen, die keines von beiden sind. Beispiele sind im Fall n = 1 offene Intervalle (a, b) = {r a < r < b} bzw. abgeschlossene Inter valle [a, b] = {r a ≤ r ≤ b}. Aber auch die leere Menge ∅ und ganz R sind beides: offen und abgeschlossen. Eigenschaften: • Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist wieder offen. • Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist wieder offen. • Die Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist wieder abgeschlossen. • Der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen ist wieder abgeschlossen. Diese Eigenschaften sind sehr einfach und allgemein und geben uns Anlaß, den folgenden wichtigen Begriff des topologischen Raumes zu erwähnen: Definition 19.2 Es sei X eine Menge und T OP ein System von Teilmengen von X. Man nennt T OP eine Topologie auf X, wenn die beiden ersten der obigen Eigenschaften erfüllt sind, d. h., sind O1 , . . . , Ok ⊂ X endlich viele Telmengen, die zu T OP gehören, so gehört auch ihr Durchschnitt O1 ∩ · · · ∩ Ok zu T OP. Ferner soll Vereinigung beliebig (auch unendlich) vieler Teilmengen von T OP wieder ein Element von T OP sein. Schließlich wird verlangt, daß die leere Menge und ganz X zu T OP gehören: ∅, X ∈ T OP gilt. Eine mit einer solchen Topologie versehene Menge X nennt man einen topologischen Raum und die Elemente von T OP heißen offenen Mengen. Man nennt jede offene Menge U , die einen gegebenen Punkt x enthält eine Umgebung von x. Extreme Beispiele sind die diskrete Topologie, in der jede Teilmenge offen ist und die gröbste Topologie, hier besteht T OP nur aus ∅ und X. Sehr viele Beispiele ergeben sich aber aus der Tatsache, daß jede Teilmenge eines topologischen Raumes wieder ein topologischer Raum ist: Satz 19.1 Ist X ein topologischer Raum mit einer Topologie T OP X und A ⊂ X eine Teilmenge. Dann ist das System T OP A = U ⊂ A U = W ∩ A für ein W ∈ T OP X eine Topologie auf A. Man nennt sie die induzierte Topologie. 54 Damit sind alle Teilmengen von Rn , z. B. Kurven und Flächen im R3 topologische Räume, aber auch deren höherdimensionale Analoga, k-dimensionale Flächen (Untermannigfaltigkeiten) im Rn , k ≤ n. Ein großes Teilgebiet der Mathematik, die Topologie, befäßt sich mit Eigenschaften dieser Räume die sich bei topologischer Äquivalenz, d. h. bei Homöomorphie, wie sie nachfolgend definiert ist, nicht ändern. Definition 19.3 Es seien X und Y topologische Räume mit den Topologieen T OP X und T OP Y und F : X → Y eine Abbildung. f heißt stetig, wenn für alle U ∈ T OP Y das volle Urbild f −1 (U ) zu T OP X gehört. Die Abbildung heißt Homöomorphismus, wenn f bijektiv und die Umkehrabbildung f −1 : Y → X ebenfalls stetig ist. Die Räume X und Y heißen homöomorph (topologisch äquivalent), wenn es eine Homöomorphismus zwischen ihnen gibt. Satz 19.2 Die Verknüpfung G◦F : X → Z zweier stetiger Abbildungen F : X → Y und G : Y → Z ist wieder stetig. Man kann zeigen, daß die Dimension n des Raumes Rn eine solche topologische Invariante ist: Es gibt für m 6= n keinen Homöomorphismus von Rm auf Rn . In der Ebene sind eine Strecke und ein geschlossener Kreis topologisch verschieden. Drei Flächen im R3 , die untereinander nicht homöomorph sind: die 2-dimensionale Sphäre, der Torus (Fahrradschlauch), eine 2-dimensionale Ebene. In der Graphentheorie betrachtet man z. B. derartige Äquivalenzfragen. Ein (eingebetteter) Graph G im R3 besteht aus einem System von Ecken (Punkten) und Kanten (Geradenabschnitte), die manche dieser Ecken miteinander verbinden. Als Teilmenge von R3 ist G ein topologischer Raum und man kann die Frage nach Größen stellen, die jedem Graph zugeordnet sind und für homöomorphe Graphen übereinstimmen. Ein abstrakter (nicht eingebetteter) Graph G besteht nur aus zwei Mengen, den Ecken und den Kanten, sowie einer Vorschrift, wie jeder Kante zwei Ecken zuordnet, die sie verbindet. Auch abstrakter Graphen sind topologische Räume. Moleküle kann man auch als Graphen ansehen, deren Ecken z. B. die beteiligten Elemente oder irgendwelche Radikale, und deren Kanten die Bindungen sind. Differenzierbare Abbildungen. Wir besprechen Ableitungen von Abbildungen von Rm in Rn und im Zusammmenhang mit diesen einige algebraische Begriffe. Definition 19.4 Es sei U ⊂ Rm eine offene Menge, x0 ∈ U ein Punkt und F : U → Rn eine Abbildung. F heißt differenzierbar im Punkt x0 , wenn eine lineare Abbildung dFx0 : Rm → Rn existiert derart, daß für alle Vektoren ~x ∈ Rm gilt (17.1) lim h→0 F (x0 + h ~x) − F (x0 ) = dFx0 (~x) . h Die lineare Abbildung dFx0 heißt Differential von F im Punkt x0 . Die Definition 17.1 benutzt man auch für Ableitungen von Abbildungen zwischen unendlich dimensionalen (meistens Funktionen) Räumen. Dann nennt man dFx0 die Frechet-Ableitung. Die Abbildung F heißt differenzierbar wenn die sie für alle x0 ∈ U differenzierbar ist und wenn die Abbildung x0 → dFx0 stetig ist. Das bedeutet, daß dFx0 als Matrix vom Typ n × M aufzufassen ist und daß alle Matrixelemente stetige Funktionen von x0 sind. Die einfachsten Abbildungen zwischen Vektorräumen sind die linearen und man kann dFx0 als die lineare Abbildung beschreiben, die die nichtlineare Abbildung F im Punkt x0 am besten approximiert. Satz 19.3 • Eine Abbildung F : U → Rn ist genau dann differenzierbar, wenn die Komponenten (f1 (x), . . . , fn (x))⊤ der Vektorfunktion F stetige Funktionen fi : Rn → R sind. • Die Matrixdarstellung von dFx0 ist die Jacobi-Matrix 55 (17.2) Jx0 (F ) = ∂f1 ∂x1 ∂f2 ∂x1 .. . ∂fn ∂x1 ∂f1 ∂x2 ∂f2 ∂x2 .. . ∂fn ∂x2 ··· ··· .. . ··· ∂f1 ∂xm ∂f2 ∂xm .. . ∂fn ∂xm . • Die Verknüpfung G ◦ F : X → Z zweier differenzierbarer Abbildungen F : Rm → Rn und G : Rn → Rp ist wieder differenzierbar und das Differential von G ◦ F ist die Verknüpfung der Differentiale von F und G: (17.3) d(G ◦ F )x0 = dGF (x0 ) ◦ dFx0 . Entspechendes gilt für die Jacobi-Matrizen: Die Jacobi-Matrix von G◦F ist das Matrixprodukt der Jacobi-Matrix von G mit der Jacobi-Matrix von F . (17.4) Jx0 (G ◦ F ) = JF (x0 ) (G) Jx0 (F ). • Ist F : U ⊂ Rn → Rn eine differenzierbare Abbildung und x0 ∈ U ein Punkt derart, daß det (Jx0 (F )) 6= 0 gilt, so gibt es eine Umgebung x0 ∈ W ⊂ U von x0 und eine Umgebung F (x0 ) ∈ V ⊂ Rn von F (x0 ) derart, daß F eine bijektive Abbildung von W auf V und die Umkehrabbildung F −1 : V → W ebenfalls differenzierbar ist. Für alle Punkte xo ∈ W gilt −1 (17.5) JF (x0 ) F −1 = (Jx0 (F )) . Mit der Definition 19.4 werden zunächst nur Abbildungen der Klasse C 1 beschrieben, d. h., Abbildungen die 1-mal stetig differenzierbar sind. Abbildungen der Klasse C k , k ∈ N, sind C 1 Abbildungen deren Koordinatenfunktionen k-mal, und C ∞ -Abbildungen solche, deren Koordinatenfunktionen beliebig oft stetig differenzierbar sind. Unter ’differenzierbar’ werden wir im Folgenden immer ’von der Klasse C ∞ ’ verstehen. Definition 19.5 Eine bijektive differenzierbare Abbildung F : U → V zwischen zwei offenen Teilmengen U, V ⊂ Rn heißt Diffeomorphismus wenn F −1 : V → U ebenfalls differenzierbar ist. Dann gilt die Gleichung (17.5). Differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Bekanntlich dient der Raum Rn der mathematischen Beschreibung von realen Gegebenheiten, die durch mehrere zahlenmäßig erfaßte Größen In der Mechanik z. B. ist der Bewegungszustand eine Systems von n freien Massepunkten gegeben durch 3n Zahlen, die die Lage, und weitere 3n Zahlen, die den Impuls der einzelnen Teilchen charakterisieren. Die Punkte des Raumes R6n entsprechen daher umkehrbar eindeutig den Bewegungszuständen. Sind die Teilchen untereinander noch durch starre Verbindungen in ihrere Bewegungsfreiheit behindert, so beschreiben die möglichen Bewegungszustände eine Teilmenge von Rn . Man möchte aber auch dies Teilmenge durch eine gewisse Zahl unabhängiger Koordinaten beschreiben. Es gibt andere Mengen, die nicht in einem RN liegen, die man aber ebenfalls durch Koordinaten beschreiben möchte. Um ein praktisches Beispiel zu nennen: Der Raum E (1,3) aller Geraden des R3 spielt für die Computertomographie eine Rolle. Das kranke Gewebe im Körper erzeugt eine Schwächung des Röntgenstrahls und um seine Lage zu ermitteln sendet man in verschiedenen Richtungen Röntgenstrahlen durch den Körper, um an hand der erhaltenen Schattenbilder eine mehr oder weniger genau Vorstellung von der Geschwulst zu bekommen. Als mathematisches Modell der Geschwulst dient eine Dichtefunktion ρ(x, y, z) ≥ 0, die den Grad der Schädigung des Gewebes am Punkt des Körpers mit den Koordinaten (x, y, z) angibt. Betrachtet man eine Gerade g ∈ E (1,3) und schickt einen Röntgenstrahl in Richtung von g durch die Geschwulst so erhält man auf dem Schirm ein Schwärzung S(g), die von den Werten von ρ(x, y, z) entlang g abhängt. Die Funktion S : E (1,3) → R, die jeder Geraden g diesen Schwärzungsgrad S(g) zuordnet, ist die 56 Radon-Transformierte der Funktion ρ : R3 → R (im engl. auch X-ray transform), benannt nach dem österreichischen Mathematiker Johann Radon 4 , der die Umkehrtransformation dieser Integraltransformation entdeckte und 1917 in dem Artikel Über die Bestimmung von Funktionen durch ihre Integralwerte längs gewisser Mannigfaltigkeiten veröffentlichte. Dazu muß werden ebenfalls Koordinatensysteme auf dem Raum E (1,3) benötigt. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind Mengen, auf denen sich ’partielle’ Koordinatensysteme einführen lassen, d. h., jedes Koordinatensystem beschreibt nur eine Teilmenge von M und in verschiedenen Punkten hat man i. A. verschiedene Koordinatensysteme. Die genaue Beschreibung gibt folgende Definition: Definition 19.6 Es sei M eine Menge. • Eine Karte auf M ist ein Paar (U, ϕ), wobei U ⊂ M eine Teilmenge und ϕ : U → ϕ(U ) ⊂ Rn eine bijektive Abbildung ist (ein Koordinatensystem). • Zwei Karten (U, ϕ), (V, ψ) heißen verträglich wenn entweder U und V disjunkt sind, oder, falls nicht, ϕ(U ∩ V ) ⊂ ϕ(U )) ⊂ Rn und ψ(U ∩ V ) ⊂ ψ(V )) ⊂ Rn offene Teilmengen und (17.6) ϕ ◦ ψ −1 : ψ(U ∩ V ) → ϕ(U ∩ V ), die sogenannte Übergangsfunktion, ein Diffeomorphismus ist. • Ein Atlas (der Klasse C ∞ ist eine System A von Karten (U, ϕ) auf M , die paarweise miteinander verträglich sind, wobei jeder Punkt x ∈ M in mindesten einem Kartenbereich U liegt. • Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist eine Menge, die mit einem Atlas versehen ist. Die gemeinsame Dimension n aller des Bildräume von Karten heißt Dimension von M . Satz 19.4 Jede differenzierbare Mannigfaltigkeit ist ein topologischer Raum, Die Topologie erhält aus der Topologie von Rn wie folgt: Eine Teilmenge O ⊂ M heißt offen, wenn für alle Karten (U, ϕ) ∈ A die Menge ϕ(O ∩ U ) ⊂ ϕ(U ) ⊂ Rn eine offene Menge von Rn ist. Aufgabe 17.1 Machen Sie sich klar, daß für gewöhnliche Funktionen f : Rn → R der in Definition 19.3 gegebene Stetigkeitsbegriff mit dem bekannten übereinstimmt. Ebenso ist zu zeigen, daß ein Abbildung F : Rm → Rn genau dann stetig ist, wenn die einzelnen Komponenten (f1 (x), . . . , fn (x))⊤ der Vektorfunktion F stetige Funktionen fi : Rn → R sind. Insbesondere sind alle Abbildungen die sich durch Kombination von Operationen wie Addition, Multiplikation, Division aus den bekannten elementaren Funktionen (Logarithmus, trigonometrische-, Exponentialfunktion, usw.) ergeben stetig. Aufgabe 17.2 Man beweise Satz 19.1. Aufgabe 17.3 Man beweise Satz 19.4. Aufgabe 17.4 Man überzeuge sich von der Gültigkeit der Gleichung (17.4) am Beispiel der Ab⊤ bildungen F, G : R2 → R2 , F (x, y) = x2 − y, 1/x + y , G(u, v) = (u v + 1/v, 1/v + u)⊤ . 4 Johann Radon, 1887-1956 57 18 Lie-Gruppen und Lie-Algebren. Gruppen, Homomorphismen, Untergruppen, Normalteiler, Faktorgruppen. Eine Gruppe ist bekanntlich definiert als eine Menge G, in der eine binäre Operation ′ ·′ : G×G → G definiert ist, die man in Abhängigkeit von den konkreten Beispielen wahlweise als Addition oder als Multiplikation versteht und bezeichnet. Die Axiome, der die Operation ′ ·′ unterliegt sind (1) das Assoziativgesetz, (2) die Existenz eines neutralen Elementes, meist mit 1, e oder 0 bezeichnet (letzteres bei additiver Schreibweise), und (3) zu jedem a ∈ G die Existenz eines inversen Elementes a−1 ∈ G, d. h., a−1 · a = a · a−1 = e. Eine Gruppe G heißt abelsch5 , wenn in ihr das Kommutativgesetz gilt: a b = b a für alle a, b ∈ G. Wir werden uns auf die multiplikative Schreibweise festlegen, und das Produktzeichen ′ ·′ meistens weglassen. Als Beispiele haben wir hier zumeist unendliche Gruppen im Auge: Man denke an die reellen oder komplexen Zahlen mit den Operationen ′ +′ und ′ ·′ oder an die Gruppen Gl(n, R) und Gl(n, C) der reellen oder komplexen regulären Matrizen der Ordnung n. Daneben spielen Gruppen von bijektiven Abbildungen, z. B., die Gruppe aller Permutationen S(n) der Zahlen 1, 2, . . . , n (die symmetrische Gruppe) und ihre Untergruppen eine Rolle. Allgemein bezeichnen wir mit S(M ) die Gruppe aller bijektiven Abbildungen (auch Transformationen) einer Menge M auf sich. Weitere Beispiele erhält man in großer Anzahl durch das Betrachten von Untergruppen von Gl(n, R) und Gl(n, C). Eine Untergruppe G1 ⊂ G ist eine Teilmenge, die hinsichtlich der beiden Operationen ’Multiplikation’ und ’Inversenbildung’ abgeschlossen ist, d. h., gilt a, b ∈ G1 so folgt a b ∈ G1 ebenso wie a−1 ∈ G1 . Eine spezielle Klasse von Untergruppen sind die Normalteiler Eine Untergruppe N ⊂ G heißt Normalteiler wenn zusätzlich gilt a−1 n a ∈ N für alle a ∈ G und alle n ∈ N . In einer abelschen Gruppe ist jede Untergruppe auch Normalteiler, nicht aber z. B. in Gl(n, R) oder Gl(n, C) (siehe Aufgabe 18.1). Definition 20.1 Ein (Gruppen-) Homomorphismus ist eine Abbildung f : G → H zweier Gruppen G und H, die mit den Gruppenoperationen von G und H verträglich ist, d. h., f (a b) = f (a) f (b). Im Fall G = H heißt f Automorphismus. Ist f bijektiv, so heißt f (Gruppen-) Isomorphismus. Als Beispiele nennen wir folgende: • fr : R → R, gegeben durch fr (x) = r x, r ∈ R fest gewählt, R mit der Operation ’+’. • f : C → Gl(2, R) (bzw. f : R → Gl(2, R)), f (a + bi ) = a b −b a bzw. f (r) = 1 r 0 1 • det : Gl(n, R) → R (bzw. det : Gl(n, C) → C) - die Determinante. • exp : R → R - die Exponentialfunktion, ebenso exp(t X) : t ∈ R → et X ∈ Gl(n, R), X ∈ Mn,n das Matrixexponential. • (Satz von Lagrange) Ist G eine endliche Gruppe und S(G) die Gruppe aller Permutationen von G so ist die Abbildung a ∈ G → la ∈ S(G), geben durch la (b) = a b ein injektiver Gruppenhomomorphismus. Die Abbildungen la : G → G heißen Linkstranslationen. Analog dazu definiert man Rechtstranslationen ra : G → G durch ra (b) = b a. • Ist G eine beliebige Gruppe und a ∈ G, so ist der zugehörige innere Automorphismus αa : G → G durch αa (b) = a−1 b a definiert. Die Operation b → a−1 b a nennt man auch Konjugation mit a. Wir betrachten die Bildmenge f (G) = Im(f ) ⊂ H und der Kern, Ker(f ) = {a ∈ G; f (a) = e}: Satz 20.1 • Ist f : G → H ein Homomorphismus zweier Gruppen, so ist das Bild Im(f ) ⊂ H eine Untergruppe und der Kern Ker(f ) ⊂ G ein Normalteiler. 5 Niels Henrik Abel, 1802 - 1829, norwegischer Mathematiker. 58 • Das volle Urbild f −1 (c) ⊂ G eines jeden Elementes c ∈ Im(f ), c = f (a), hat die Gestalt einer Nebenklasse, d. h., sie ist gleich der Menge a Ker(f ) = {a b; b ∈ Ker(f )}, aller Produkte von a mit den Elementen von Ker(f ). • Zwei Nebenklassen a1 Ker(f ) und a2 Ker(f ) sind entweder disjunkt, d. h., a1 Ker(f ) ∩ a2 Ker(f ) = ∅, oder als Mengen identisch: a1 Ker(f ) = a2 Ker(f ) - in Abhängigkeit davon ob f (a1 ) 6= f (a2 ) oder f (a1 ) = f (a2 ). Das heißt, durch a Ker(f ) ↔ f (a) ist eine bijektive Zuordnung der Menge aller Nebenklassen zu den Elementen von Im(f ) gegeben. • f ist genau dann injektiv, wenn Ker(f ) = {e} nur aus dem neutralen Element (dem Einselement) besteht. Satz 20.2 Ist N ⊂ G ein Normalteiler in einer Gruppe G so stimmt jede Linksnebenklasse a N = la (N ) mit der Rechtsnebenklasse N a = ra (N ) überein. Wir bezeichnen die Nebenklasse von a mit [a], also [a] = a N = N a. Die Menge aller Nebenklassen bezeichnen wir mit G/H = {a N ; a ∈ G} = {N a; a ∈ G} = {[a] ; a ∈ G}. Definiert man auf der Menge G/H eine Multiplikation durch (18.1) [a] [b] = [a b] , so ist diese ’wohldefiniert’, d. h., unabhängig von der Wahl der Repräsentanten a. Es könnte ja z. B. [a] = [a1 ] sein für ein anderes Gruppenelement a1 , dann ist aber auch [a b] = [a1 b]. Diese −1 erfüllt die Gruppenaxiome. Speziell ist [e] das Einselement in G/N und [a] Multiplikation a−1 = Definition 20.2 Man nennt G/N die Faktorgruppe. Es gilt der wichtige Homomorphiesatz: Satz 20.3 Ist f : G → H ein Homomorphismus zweier Gruppen, so ist die Abbildung [a] ∈ G/Ker(f ) → f (a) ∈ Im(f ) ein Gruppenisomorphismus. Gruppenräume (Transformationsgruppen), Orbits, Isotropiegruppen. Definition 20.3 Es sei M eine Menge, G eine Gruppe. Eine (Links-) Wirkung von G auf M ist eine Abbildung, die jedem a ∈ G eine bijektive Abbildung La : M → M zuordnet derart, daß (18.2) La b (x) = La ◦ Lb (x) und La−1 (x) = (La )−1 (a) gilt für alle a, b ∈ G, x ∈ M. Dann ist Le die identische Abbildung. Oft schreibt man auch einfach La (x) = a x. In küurzerer Formulierung: Eine Wirkung von G auf H ist gegeben durch einen Gruppenhomomorphismus von G in die Gruppe S(M ) aller Transformationen von M . Ist eine Wirkung von G auf M gegeben, so nennt man M einen G-Raum. Das Paar (G, M ) nennt man auch einen Gruppenraum oder eine Transformationsgruppe. Man betrachtet auch rechtsseitige Wirkungen a ∈ G → Ra ∈ S(M ). Diese sind ’Anti’Homomorphismen in die ’Permutationsgruppe’ S(M ), d. h., es gilt Ra b (x) = Rb ◦ Ra (x). Aus jeder Linkswirkung a → La wird eine Rechtswirkung a → Ra = La−1 und umgekehrt, d. h., man ersetzt einfach a durch a−1 . Dabei kommt die bekannte Gruppenregel (a b)−1 = b−1 a−1 für das inverse eines Produktes zum Tragen. Wir nennen Beispiele: • Ist V ein Vektorraum G = M = V und ~a, ~x ∈ V so ist durch L~a (~x) = ~x +~a ein Gruppenraum (V, V ) gegeben: V wirkt auf sich selbst durch Verschiebungen (Translationen). • Gl(n, R) wirkt auf Rn durch Matrizenmultiplikation: LA (~x) = A ~x für A ∈ Gl(n, R), ~x ∈ Rn . • Wirkt G auf M und ist H ⊂ G eine Untergruppe, so ist eine (induzierte) Wirkung von H auf G durch Einschränkung der Wirkung von G gegeben. • G wirkt auf sich selbst von links durch La (b) = a b, und von rechts durch Ra (b) = b a. 59 • Ist eine Wirkung von G auf M gegeben und Map(M, N ) die Menge aller Abbildungen f : M → N in eine feste andere Menge N , so wirkt G auf Map(M, N ) durch L̂a (f )(x) = f (La (x)) von links und durch R̂a (f )(x) = f (La−1 (x)) rechts. Ist z. B. N = R, G = Gl(n, R) und M = Rn so ist der Raum C ∞ (Rn ) aller differenzierbaren Funktionen ein Teilraum von Map(Rn , R). Die Abbildungen LA : Rn → Rn , A ∈ Gl(n, R), sind als lineare Koordinatentransformationen anzusehen und die Wirkung L̂A : Rn → Rn ist das Transformationsgesetz von Funktionen bezüglich A. • Betrachtet man die Wirkung der orthogonalen Gruppe O(3) ⊂ Gl(3, R) auf R3 , so gibt es viele Klassen geometrisch relevanter Teilmengen von R3 , z. B die Menge ∆ aller Dreiecke, die Menge R3(k) aller geordneten Mengen (X1 , . . . , Xn ) bestehend aus k paarweise verschiedenen Punkten, die Menge aller Geraden, aller Ebenen, aller Ellipsoide, aller Hyperboloide usw. auf denen eine Wirkung von O(3) induziert wird. Die Menge R3(k) symbolisiert räumliche Struktuuren wie z. B. Moleküle. Definition 20.4 Es sei (G, H) ein Gruppenraum und x ∈ M . Das Orbit G x ist die Menge G x = {La (x) a ∈ G} aller ’Translate’ von x. Die Teilmenge Gx = {a ∈ G La (x) = x} ⊂ G ist eine Untergruppe von G. Man nennt sie den Stabilisator oder die Isotropiegruppe von x. Ein Element x ∈ M heißt Fixpunkt von G, wenn Lg (x) = x für alle g ∈ G gilt, äquivalent dazu: Gx = G. Die Wirkung von G auf M heißt (G, H) transitiv, wenn ein Element x ∈ M in jedes andere y uberführt werden kann: y = La (x) für ein a∈ G. Dann kann man jedes Element von M in jedes andere überführen und es gibt nur ein Orbit: G x = M für alle x ∈ M . Allgemein ist jedes Orbit ein transitiver G-Raum. Beispiele; • Die Wirkung von Gl(n, R) auf Rn hat zwei Orbits: Das Orbit G 0 = {0} des Nullvektors und den Rest Rn \ {0}. Es gilt G ~x = Rn \ {0} für jeden Vektor ~x 6= 0 und jeder Vektor ~x 6= 0 kann in jeden anderen, der 6= 0 ist, überführt werden. Die Isotropiegruppe des Vektors n (1, 0, 0, . . . , 0)⊤ ist die Menge aller Matrizen A = (aij )i,j=1 mit a11 = 1 und ai1 = 0 für i = 2, . . . , n, kurz: die erste Spalte von A ist der Vektor (1, 0, 0, . . . , 0)⊤ . Dasselbe gilt für die spezielle lineare Gruppe Sl(n, R) ⊂ Gl(n, R) (bzw. Sl(n, C) ⊂ Gl(n, C)), die aus allen Matrizen besteht, deren Determinante 1 ist. n−1 • Die Orbits der Wirkung von O(n) auf Rn . sind die Sphären SR = ~x ∈ Rn h~x, ~xi = R vom Radius R ≥ 0. • Wir betrachten die additive Gruppe G = Z × Z × Z und drei linear unabhängige Vektoren ~x, ~y, ~z ∈ R3 . Eine Wirkung von G auf R3 ist durch L(k,l,m) (~a) = ~a + k ~x + l ~y + m ~z gegeben. Das Orbit des Nullvektors ist das regelmäßige Gitter, das sich durch wiederholtes Aneinandersetzen des von ~x, ~y , ~z aufgespannten Parallelepipeds ergibt. Aufgaben. Aufgabe 18.1 Man zeige, daß die die Teilmengen Dn ⊂ Gl(n, R) (bzw. Dn ⊂ Gl(n, C)) aller oberen (unteren) Dreiecksmatrizen Untergruppen aber keine Normalteiler sind. Dasselbe gilt für die Teilmengen O(n) ⊂ Gl(n, R) (bzw. O(n, C) ⊂ Gl(n, C)) aller orthogonalen Matrizen, d. h., A A⊤ = E die Einheitsmatrix. Im Gegensatz dazu ist die spezielle lineare Gruppe Sl(n, R) ⊂ Gl(n, R) (bzw. Sl(n, C) ⊂ Gl(n, C)), bestehend aus allen Matrizen mit der Determinante 1 ein Normalteiler. Aufgabe 18.2 Man beweise: Die inneren Automorphismen αa : G → G sind wie oben behauptet Gruppenhomomorphismen: αa (b1 b2 ) = αa (b1 ) αa (b2 ). G ist abelsch dann und nur dann, wenn jeder innere Automorphismus die identische Abbildung ist. Eine Untergruppe N ⊂ G ist Normalteiler dann und nur dann, wenn für alle a ∈ G αa (N ) = N gilt (d. h., Normalteiler sind invariant bei allen inneren Automorphismen). Schließlich zeige man αa b = αa ◦ αb . Aufgabe 18.3 Es sei (G, H) ein Gruppenraum. Man zeige: (1) Zwei Orbits G x und G y sind genau dann gleich, wenn ein a ∈ G existiert mit La (x) = y. (2) Gilt G x ∩ G y 6= ∅ für zwei Orbits, so folgt G x = G y. (3) Für alle b ∈ G gilt G (Lb (x)) = G x und GLb (x) = αb (Gx ) 60 19 Vektorfelder. Richtungsableitungen, Vektorfelder, Flüsse. ~ : Rn → Rn , d. h., als Ein Vektorfeld auf dem Rn ist urspünglich zu verstehen als eine Abbildung X ~ ein n-dimensionaler Vektor von Funktionen ξi (x1 , . . . , xn ), i = 1, . . . , n, den Komponenten von X. Wir werden Vektorfelder unter einem andere Aspekt betrachten, nämlich als Differentialoperatoren 1-ter Ordung im Raum C ∞ (Rn ) aller beliebig oft differenzierbaren Funktionen von n Variablen. Definition 21.1 Eine Derivation von C ∞ (Rn ) ist eine lineare Abbildung D : C ∞ (Rn ) → C ∞ (Rn ) die die folgende Produktregel erfüllt (19.1) D(f g) = D(f ) g + f D(g) für alle f, g ∈ C ∞ (Rn ). ~ mit den Komponenten ξi , i = 1, . . . , n ordnen wir die Derivation D ~ zu, die Einem Vektorfeld X X durch n X ∂f ξi DX~ (f ) = (19.2) ∂xi i=1 ~ definiert ist. Diese nennt man auch die Richtungsableitung von f (x1 , . . . .xn ) in Richtung von X. Natürlich sind die gewöhnlichen partiellen Ableitungen ∂/∂xi ebenfalls Derivationen. Diese bezeichnen Pnwir mit ∂i Wir können daher die Derivation DX~ nach (19.2) als Linearkombination DX~ = i=1 ξi ∂i schreiben. Satz 21.1 Es sei X (Rn ) der Raum aller Vektorfelder auf Rn . Zu jeder Derivation D : C ∞ (Rn ) → ~ ∈ X (Rn ) mit D = D ~ . Der Raum der Derivationen von C ∞ (Rn ) C ∞ (Rn ) gibt es ein Vektorfeld X X kann daher mit dem Raum X (Rn ) der Vektorfelder identifiziert werden. Beweis: Für eine beliebige Derivation D gilt D(1) = 0, wobei 1 die konstante Funktion f (x1 , . . . , xn ) = 1 bezeichnet. Das folgt aus der Produktregel (19.1): Aus D(f ) = D(1 f ) = D(1) f + 1 D(f ) folgt D(1) = 0. Ähnlich zeigt man, daß D(const) = 0 für jede konstante Funktion gilt. Die Derivation D können wir auf die Koordinatenfunktionen xi : Rn → R anwenden und erhalten Funktionen ξi = D(xi ) ∈ C ∞ (Rn ). Eine beliebige Funktion f ∈ C ∞ (Rn ) entwickeln wir ⊤ in eine Taylorreihe: nun in einem festen Punkt x0 = x01 , . . . , x0n n X ∂f x0 xi − x0i + Restglied. f (x) = f (x1 , . . . , xn ) = f x0 + ∂xi i=1 Wendet man darauf D an, so fällt das konstante Glied f x0 weg, unter dem Summenzeichen sind die partiellen Ableitungen Konstanten, die mit den Funktionen D xi − x0i = D (xi ) − D x0i = D (xi ) = ξi zu multiplizieren sind, und das Restglied ist eine Summe von Ausdrücken der Form Rij = aij xi − x0i xj − x0j , die nach Anwendung von D im Punkt x0 verschwinden (siehe Aufgabe (19.6)). Insgesamt gilt im Punkt x0 X ∂f D(f ) x0 = x0 ξi x0 ∂xi ~ = Pn ξi ∂i . Da x0 beliebig war, hat D die Form (19.2) mit X i=1 61 Q.E.D. Satz 21.2 • Es seien D1 , D2 : C ∞ (Rn ) → C ∞ (Rn ) Derivationen. Dann sind die Verknüpfungen D1 ◦ D2 und D2 ◦ D1 keine Derivationen, jedoch ihr Kommutator (19.3) [D1 , D2 ] = D1 ◦ D2 − D2 ◦ D1 . ~ die Derivation D ~ zuordnet ist bijektiv. • Die Abbildung, die jedem Vektorfeld X X ~ ,X ~ die Darstellung D ~ = Pn ηi ∂i und D ~ = Pn ξi ∂i , so • Gilt für zwei Vektorfelder Y i=1 i=1 Y X gilt n X n n X n X X ∂ξj ∂ηj ηi (19.4) DY~ , DX~ = (ηi (∂i ξj ) − ξi (∂i ηj )) ∂j . ∂j = − ξi ∂xi ∂xi i=1 j=1 i=1 j=1 Da Vektorfelder in umkehrbar eindeutiger Beziehung zu Derivationen von C ∞ (Rn ) stehen, werden wir auf die künstliche Unterscheidung zwischen Vektorfeldern und Derivationen verzichten und ~ = Pn ξi ∂i identifizieren. Die ∂i kann man dann mit der kanonischen Basis des Rn DY~ mit X i=1 identifizieren. Statt DY~ (f ) schreiben wir einfach Y~ (f ). h i ~ ,X ~ heißt Kommutator von Y ~ und X. ~ Der Satz 21.3 Das durch (19.4) definierte Vektorfeld Y Kommutator von Vektorfeldern hat folgende Eigenschaften: i i h h ~ Y ~ (Antikommutativität), ~ = − X, Y~ , X h i h i h i ~1 + s Y ~2 , X ~ =r Y ~1 , X ~ +s Y ~2 , X ~ , r, s ∈ R, rY h h ii h h ii h h ii ~ , X, ~ Z ~ + X, ~ Z, ~ Y ~ + Z, ~ Y ~ ,X ~ = 0 (Jacobi-Identität), Y h i h i h i h i ~ ,hX ~ =h Y ~ ,X ~ + Y ~ h X, ~ und h Y ~ ,X ~ =h Y ~ ,X ~ − Xh ~ ~ , h ∈ C ∞ (Rn ). Y Y ~ = Vektorfelder sind auch als Systeme von gewöhnlichen Differentialgleichungen anzusehen: Zu X Pn ′ ξ ∂ gehört das System x (t) = ξ (x (t), . . . , x (t)). Nach dem Existenz und Eindeutigkeitsi 1 n i i=1 i i satz für Lösungen derartiger Systeme gibt es zu jedem Anfangswert ~x0 = (x1,0 , . . . , xn,0 ) genau ⊤ eine Lösungskurve γ~x0 (t) = (x1 (t), . . . , xn (t)) , die für hinreichend kleine Werte von t ∈ R definiert ist. Die Differentialgleichung lautet in kompakter Schreibweise (19.5) dγ~x0 (t) ~ (γ~x (t)) , =X 0 dt γ~x0 (0) = ~x0 . Betrachtet man γ~x0 (t) in Abhängigkeit sowohl von t als auch vom Anfangswert ~x0 , so ergibt sich eine Abbildung von R × Rn in Rn , die sich als Gruppenraum mit der Gruppe G = R erweist. ~ ein Vektorfeld auf Rn . Die Abbildung (t, ~x0 ) ∈ R × Rn , die jedem Definition 21.2 Es sei X n Paar (t,~x0 ) ∈ R × R die Lösungskurve γ~x0 (t) zuordnet, ist für eine Teilmenge der Gestalt W = (t, ~x0 ) |t| < eps (~x0 ) definiert, wobei eps : Rn → R eine positive stetige Funktion ist. Man nennt (19.6) ~ Exp : W → Rn das Exponential oder den Fluß von X. ~ x0 , die die Abhängigkeit von X ~ Wir verwenden für das Exponential die Schreibweise Exp(t X)~ ~ x0 die Lösungskurve durch ~x0 . berücksichtigt. Es ist also t → γ~x0 (t) = Exp(t X)~ ~ ein Vektorfeld auf Rn , so gilt abgesehen von der Tatsache, daß Exp(t X) ~ i. A. Satz 21.4 Ist X nur für kleine Werte von |t| definiert ist, (19.7) ~ x0 ) = Exp(s X) ~ ◦ Exp(t X)(~ ~ x0 ) für alle ~x0 ∈ Rn . Exp((t + s) X)(~ 62 Beweis: Wir betrachten die Lösungskurve γ~x0 durch ~x0 , bilden für einen festen Wert t ∈ R den Punkt ~x1 = γ~x0 (t) und betrachten dann die Lösungskurvee γ~x1 durch ~x1 . Dann gilt ~ x1 ) = Exp(s X) ~ Exp(t X)~ ~ x0 = Exp(s X) ~ ◦ Exp(t X) ~ (~x0 ) . γ e~x1 (s) = Exp(s X)(~ Andererseits ist die Kurve γ(s) = γ~x0 (t + s) ebenfalls eine Lösungskurve durch ~x1 , denn γ(0) = γ~x0 (t0) = ~x1 und die Differentialgleichung (19.5) ist auch erfüllt: ~ (γ~x (t + s)) = X ~ (γ(s)) . dγ(s)/ ds = dγ~x0 (t + s)/ ds = X 0 Nach dem Existenz und Eindeutigkeitssatz muß daher e γ~x1 = γ(s) sein. Das ist gleichbedeutend ~ ~ ~ mit Exp(s X) ◦ Exp(t X) (~x0 ) = Exp((t + s) X) (~x0 ).Q.E.D. Differentialformen und Vektorfelder. Definition 21.3 • Eine Lie-Algebra ist ein Vektorraum g auf dem zusätzlich zu den Vektorraumoperationen eine Abbildung (X, Y ) ∈ g × g → [X, Y ] ∈ g definiert ist, die (1) linear in jedem der beiden Argumente X und Y ist, (2) anti-kommutativ (oder anti-symmetrisch) ist, d. h., es gilt [X, Y ] = − [Y, X] für alle (X, Y ) ∈ g × g und (3) die Jacobi-Identität (19.8) [X, [Y, Z]] + [Y, [Z, X]] + [Z, [X, Y ]] = 0 erfüllt. Diese Abbildung heißt Kommutator. Beispiele: (a) [X, Y ] = 0 für alle X, Y ∈ g. Eine solche Lie-Algebra heißt abelsch. (b) Nach Satz 21.3 ist der Raum X (Rn ) aller Vektorfelder auf Rn eine Lie-Algebra. (c) Weitere Beispiele ergeben sich aus Aufgabe19.1. • Differentielle k-Formen auf Rn wurden im Arbeitsblatt Cartanscher Kalkül -Äußere Algebra für n = 3 ausführlich und für größere n kurzPbesprochen (siehe Formel (6.3)). Eine 1-Form V ist demnach ein Ausdruck der Gestalt ω = ni=1 ai dxi . Man betrachtet den Raum (Rn ) der 1-Formen als dualen des Raumes X (Rn ). Das heißt: Es ist, ähnlich dem Skalarprodukt, eine bilineare Abbildung n ^ D E X n n ~ ~ ai ξi ∈ C ∞ (Rn ) , ω, X ∈ (R ) × X (R ) → ω, X = (19.9) i=1 V P ~ ∈ ~ = n ξi ∂i definiert. Für jedes feste ω ∈ (Rn ) ist dann durch X ai dxi , X i=1 D E ~ ∈ C ∞ (Rn ) eine lineare Abbildung gegeben und das Wesen der Duallität X (Rn ) → ω, X ω= Pn i=1 ~ in C ∞ (Rn ) auf diesem Wege durch eine besteht darin, daß jede lineare Abbildung von X 1-Form erzeugt wird. Speziell gilt ( dxi , ∂j ) = δij . und für zwei 1-Formen (19.10) ~ . ~ − ω2 Y~ ω1 X ~ ,X ~ = ω1 Y~ ω2 X ω1 ∧ ω2 Y Ähnlich den 1-Formen als lineare Abbildungen werden 2-Formen ω (2) = (19.11) X i<j aij dxi ∧ dxj ∈ 2 ^ (Rn ) als bilineare Abbildungen (19.12) ω (2) : X (Rn ) × X (Rn ) → C ∞ (Rn ) , X ~ ,X ~ = ω (2) Y aij ηi ξj , i<j ~ = Pn ηi ∂i ) verstanden. Es besteht der folgende Zusammenhang zwischen dem Kommutator (Y i=1 von Vektorfeldern und dem äußeren Differential einer 1-Form ω : 63 Satz. 5 (19.13) h i ~ ,X ~ =Y ~ω X ~ −X ~ω Y ~ −ω Y ~ ,X ~ . dω Y Der Kommutator von Vektorfeldern kann auch durch das Exponentials ausgedrückt werden: ~ ,X ~ ∈ X (Rn ) zwei Vektorfelder. und x0 ∈ R ein fester Punkt. Für kleine Werte Satz. 6 Es seien Y von t ∈ R definiert die Abbildung (19.14) ~ ◦ Exp(−t Y ~ ) ◦ Exp(−t X)(x ~ t ∈ R → γ(t) = Exp(t Y~ ) ◦ Exp(t X) 0) eine Kurve γ(t) mit γ(0) = x0 . Es gilt: (19.15) Allgemeiner gilt in erster Näherung (19.16) √ i h dγ( t) ~ ,X ~ (x0 ). Y = t=0 dt t2 h ~ ~ i ~ ) ◦ Exp(t X) ~ ◦ Exp(−t Y ~ ) ◦ Exp(−t X)(x ~ X, Y + o(t2 ), Exp(t Y 0) = 2 wobei die Größe o(t2 ) für t → 0 von der Ordnung t3 gegen 0 konvergiert. Transformation von Vektorfeldern. Es seien U, V ⊂ Rn zwei offene Mengen und F : U → V ein Diffeomorphismus, d. h., eine bijektive, beliebig oft differenzierbare Abbildung, deren Jacobi-Matrix in jedem Punkt regulär ist. Dann ist auch die inverse Abbildung F −1 : V → U ein Diffeomorphismus. Ferner seien X (U ), X (V ) die Räume aller auf U bzw. V definierten Vektorfelder. Wir definieren eine Abbildung F∗ : X (U ) → ~ ist das Vektorfeld auf V , das dem Punkt y = F (x) ∈ V den Vektor X (V ) wie folgt: F∗ (X) ~ ~ ~ zu definieren ist die folgende: F∗ (X)(y) = dFx (X(x)) zuordnet. Eine zweite Möglichkeit, F∗ (X) Durch einen Punkt x ∈ U legen wir eine beliebige differenzierbare Kurve γ(t) mit γ(0) = x und ~ dγ/ dt(0) = γ ′ (0) = X(x). Dann ist F ◦ γ(t) eine Kurve durch y in V , deren Tangentialvektor in ~ y das Bild von X(x) bei F∗ ist. Insgesamt gilt (19.17) n o dF ◦ γ(0) ~ ~ F −1 (y) . F∗ (X)(y) = = dFF −1 (y) X dt Die induzierte Abbildung F∗ : X (U ) → X (V ) ist verträglich mit den hier betrachteten Operationen auf Funktionen und Vektorfeldern. Satz. 7 Es sei F : U → V ein Diffeomorphismus zweier offener Teilmengen des Rn . Dann gilt für ~ Y ~ ∈ X (U ), f ∈ C ∞ (U ) alle X, ~ + sY ~ ) = r F∗ (X) ~ + s F∗ (Y ~ ) und • F∗ : X (U ) → X (U ) ist R-linear, d. h., F∗ (r X • F induziert ebenso eine Transformation der Funktionen, d. h., eine Abbildung F∗ : C ∞ (U ) → C ∞ (V ), gegeben durch F∗ (f ) = f ◦ F −1 , die wir mit demselben Symbol bezeichnen. Sie ist ein R-linearer Isomorphismus und verträglich mit der Multiplikation von Funktionen: F∗ (f g) = F∗ (f ) F∗ (g) (d. h., ein Ring-Homomorphismus). Im Zusammenhang mit der Transformation der Vektorfelder gilt ~ = F∗ (f ) F∗ (X). ~ (19.18) F∗ (f X) • Beide induzierte Abbildungen F∗ : C ∞ (U ) → C ∞ (V ) und F∗ : X (U ) → X (V ) haben die sogenannte Funktoreigenschaft. Ist G : W → U ein zweiter Diffeomorphismus, so gilt (F ◦ G)∗ = F∗ ◦ G∗ . Setzt man speziell W = V und G = F −1 : V → U , so folgt daraus, daß die −1 Abbildung F∗ bijektiv und ihre inverse durch (F∗ ) = F −1 ∗ gegeben ist. 64 • Im Zusammenhang mit der Richtungsableitung gilt DF∗ (X) ~ f . ~ (F∗ (f )) = F∗ DX (19.19) Beweis von (19.19): Es sei x0 ∈ U und γ(t) eine Kurve in U mit γ(0) = x0 und γ ′ (0) = ~ 0 ). Dann ist D ~ f (x0 ) = d (f ◦ γ)(0) und X(x X dt DF∗ (X) ~ (F∗ (f )) (F (x0 )) = d d d f ◦ F −1 ◦ F ◦ γ (0) = (F∗ (f ) ◦ F ◦ γ) (0) = (f ◦ γ) (0), dt dt dt Insgesamt also DF∗ (X) ~ (F∗ (f )) ◦ F = DX ~ f , was zur Aussage (19.19) gleichwertig ist. Q.E.D. • F∗ : X (U ) → X (V ) ist ein Isomorphismus der Lie Algebren. Speziell gilt (19.20) F∗ h i h i ~ Y ~ ~ F∗ (Y ~ ) für alle X, ~ Y ~ ∈ X (U ). X, = F∗ (X), Aufgabe 19.1 Eine Algebra ist ein Vektorraum A auf dem zusätzlich zu den Vektorraumoperationen eine ’Multiplikation’ (X, Y ) ∈ A × A → X Y ∈ A definiert ist, d. h., eine Abbildung die linear in jedem der beiden Argumente X und Y ist und außerdem das Assoziativgesetz (X Y ) Z = X (Y Z) erfüllt. Ein Beispiel ist der Vektorraum Mn,n aller quadratischen Matrizen mit der üblichen Matrizenmultiplikation. Man zeige, durch [X, Y ] = X Y − Y X wird in A ein Kommutator definiert. Die entstehende Lie-Algebra ist abelsch dann und nur dann, wenn die Multiplikation in A kommutativ ist. Bemerkung: Die damit aus Mn,n erhaltene Lie-Algebra wird in Analogie zur zugehörigen Gruppe Gl(n, R) mit gl(n, R) bezeichnet. Eine allgemeine Konstruktion, die jeder Lie-Gruppe G in ’fast’ eindeutiger und ’natürlicher’ Weise eine Lie-Algebra L(G) = g zuordnet, wird an anderer Stelle besprochen. Dabei bezeichnet man die zugehörige Lie-Algebra im allgemeinen mit dem dem Gruppensymbol entsprechenden kleinen Frakturbuchstaben oder, da Frakturbuchstaben in vielen anderen Sprachen kaum bekannt sind, z. B., mit den entsprechenden lateinischen Buchstaben, die dann unterstrichen werden. ~ = ∂k , X ~ = ∂l . Aufgabe 19.2 PMan beweise Satz 5. Dazu P betrachte man zuerst den Fall Y n Ist ω = i<j (∂i aj − ∂j ai ) dxi ∧ dxj , Daraus ergibt sich i=1 ai dxi , so ist d ω = d ω (∂k , ∂l ) = ∂k al − ∂l ak . Dann zeige man daß der Ausdruck auf der rechten Seite der h i ~ ,X ~ = Y ~ ω X ~ −X ~ ω Y~ − ω Y~ , X ~ . die Gleichung (19.13), also der Operator Ω Y ~ = f g Ω Y~ , X ~ besitzt. Dann kann man die für Y ~ = ∂k , X ~ = ∂l . Eigenschaft Ω f Y~ , g X bewiesene Identität auf beliebige Vektorfelder ausdehnen. ~ 1 = x ∂x + y ∂y , X ~ 2 = y ∂x + Aufgabe 19.3 Man berechne die Kommutatoren der Vektorfelder X ~ 3 = ∂x auf R2 . Man zeige, die Flüsse Exp(t X ~ 1 )~x0 und Exp(t X ~ 2 )~x0 (siehe (19.6)) x ∂y und X ~ 1, X ~ 2 sind durch der beiden Vektorfelder X ~ 1 )~x = t ~x = Exp(t X t 0 0 t ~ 2 )~x = ~x bzw. Exp(t X cosh(t) sinh(t) sinh(t) cosh(t) ~x gegeben. Daraus folgere man, daß die beiden Flüsse kommutieren, d. h., es gilt (19.21) ~ 2 ) ◦ Exp(t X ~ 1 )~x = Exp(t X ~ 1 ) ◦ Exp(s X ~ 2 )~x Exp(s X für alle s t ∈ R, ~x ∈ R2 . ~ 1, X ~ 2 ist Bemerkung: In Ergänzung zu (19.16) gilt: Der Kommutator zweier Vektorfelder X genau dann gleich 0, wenn die zugehörigen Flüsse kommutieren, wenn (19.21) gilt. i h ~ 1, X ~ 2 = 0. Man erhält für den Kommutator X 65 Aufgabe 19.4 Man zeige, daß in einer Lie-Algebra g die Antisymmetrie [X, Y ] = − [Y, X] gleich wertig zu der Bedingung [X, X] = 0 für alle4 X ∈ g ist. Hinweis: Man betrachte [X + Y, X + Y ] = 0. Aufgabe 19.5 Die 3-dimensionale Heisenberg-Lie Algebra g wird wie folgt durch Vorgabe von Kommutatorregeln definiert: Es sei e1 , e2 , e3 die Basis des R3 . Wir definieren einen Kommutator [., .] : R3 × R3 → R3 zunächst durch [e1 , e2 ] = e3 , [e1 , e3 ] = [e2 , e3 ] = 0. Daraus ergeben sich alle anderen Kommutatoren von Vektoren dieser Basis aus der Antikommutativität, z. B., [e3 , e1 ] = − [e3 , e1 ], und daraus wiederum die Kommutatoren [x, y] beliebiger Vektoren x, y ∈ R3 aus der Bilinearität. Man zeige, daß diese Kommutatoroperation die Jacobi-Identität (19.8) erfüllt. Ferner zeige man, daß die Zuordnung 0 1 e1 → 0 0 0 0 0 0 , 0 0 0 e2 → 0 0 0 0 0 1 , 0 0 e3 → 0 0 0 1 0 0 0 0 einen linearen Isomorphie von g auf den Vektorraum D3 der oberen Dreiecksmatrizen vom Typ 3 × 3 definiert, daß D3 eine Liesche Unteralgebra von gl(3, R). Die 3-dimensionale Heisenberg-Lie Algebra g ist somit zur Lie Algebra der oberen Dreiecksmatrizen isomorph. ) Aufgabe 19.6 Es sei D eine Derivation von C ∞ (Rn ). Man zeige (a) D(1/f ) = − D(f f 2 für alle f ∈ C ∞ (Rn ). (b) Wenn f1 f2 ∈ C ∞ (Rn ) im Punkt x0 ∈ Rn verschwinden (.. h., f1 (x0 ) = f2 (x0 ) = 0), g ∈ C ∞ (Rn ) eine beliebige Funktion ist und h = D(g f1 f2 ) gesetzt wird, so gilt auch h(x0 ) = 0. 66 20 Quaternionen. Die Quaternionen entstanden bei der Suche nach anderen Erweiterungen des Körpers der reellen Zahlen. Diese Suche führte zu einer Konstruktion ähnlich der des Übergangs von den reellen zu den komplexen Zahlen. Definition 22.1 Unter der Quaternionengruppe Q versteht man die aus den 8 Symbolen Q = {1, i, j, k, −1, −i, −j, −k} bestehende Gruppe, in der die Multiplikation nach folgenden Regeln erfolgt: (i) 1 ist das Einselement und -1 eine ”negative” 1: 1 x = x 1 = x und (−1) x = x (−1) = −x für alle x ∈ Q. (ii) i2 = j 2 = k 2 = i j k = −1. (3) alle anderen Produktbildungen ergeben sich aus i j = k = −i j und den Gleichungen die daraus durch zyklisches Vertauschen der Symbole i, j, k folgen. Gedenktafel an der Broom Bridge in Dublin, wo William Rowan Hamilton im Oktober 1843 die Multiplikationsregeln der Quaternionen in den Stein ritzte. Definition 22.2 Eine Algebra ist ein reeller (oder komplexer) Vektorraum A in dem eine binäre Operation (d. h. eine Multiplikation) (a, b) ∈ A × A → a b ∈ A definiert ist, die die beide Distributivgesetze (a1 + a2 ) b = a1 b + a2 b und a (b1 + b2 ) = a b1 + a b2 erfüllt. A heißt kommutativ, wenn diese Multiplikation das Kommutativgesetz, assoziativ, wenn sie das Assoziativgesetz erfüllt. Beispiele für assoziative Algebren sind die Räume Mn der quadratischen reellen Matrizen (bzw. Mn (C) quadratischen V komplexen Matrizen). Ein anderes Beispiel ist die in Abschnitt 7 erwähnte äußere Algebra (Rn ) von Rn . Unter den nicht-kommutativen und nicht-assoziativen Algebren sind die Lie-Algebren von besonderer Bedeutung (siehe Abschnitt 21). Ein Algebren-Homomorphismus h : A1 → A2 zweier Algebren ist eine linear Abbildung, die mit der Multiplikation verträglich ist: h(a b) = h(a) h(b) für alle a, b ∈ A1 . Definition 22.3 Der Schiefkörper der Quaternionen (die hyperkomplexen Zahlen), mit H bezeichnet, besteht aus allen Ausdrücken der Form q = a + b j + c i + d k, a, b, c, d ∈ R. Die Quaternion q wird mit dem Vektor (a, b, c, d)⊤ ∈ R4 identifiziert und Summe und Produkt mit Skalaren werden wie üblich gliedweise definiert, so daß diese Identifizierung ein Vektorraumisomorphismus ist. Das Produkt q q1 = (a + b i + c j + d k) (a1 + b1 j + c1 i + d1 k) definiert man durch gliedweises Ausmultiplizieren unter Beachten der Regeln von Definition 22.1. Man nennt a den Real- und b j + c i + d k den Imaginärteil der Quaternion q = a + b j + c i + d k. Die konjugierte der Quaternion q ist q = q = a − b j − c i − d k, d. h., wie bei den komplexen Zahlen entsteht die konjugierte durch Umkehren des Vorzeichens des Imaginärteils. Ebenso ist der Betrag von q durch |q|2 = a2 + b2 + c2 + d2 = q q gegeben. Wir fassen Satz. 8 Die Menge H der Quaternionen bildet mit den hier eingeführten alghebraischen Operationen einen nichtkommutativen Körper (Schiefkörper), d. h., Es gelten für Addition und Multiplikation das Assoziativ- und das (beiderseitige) Distributivgesetz, das Kommutativgesetz nu für die Addition. Das neutrale Element der Multiplikation ist 1 = 1 + 0 j + 0 i + 0 k. Jede Quaternion q 6= 0 hat eine Inverse q −1 , d. h., es gilt q q −1 = q −1 q = 1. Diese ist in einfacher Weise durch q −1 = q/|q|2 zu berechnen. Die Konjugation ist verträglich mit diesen Operationen. Sie ist ein Antiisomorphismus des Körpers H auf sich, d. h., es gilt q q1 = q1 q für alle p q ∈ H. Darstellen von Quaternionen durch Matrizen. Der Körper C kann durch die Zuordnung w = c+d i → q = c+db i+0 j +0 k mit einem Unterkörper von H identifiziert werden. Für das Produkt von w mit j erhält man w j = c j + d k. Zwei beliebige 67 komplexe Zahlen z = a + b i, w = c + d i ∈ C setzen wir zu der Quaternion q = z + w j = a + b i + c j + d k ∈ H zusammen. Hierbei ist die Reihenfolge w j zu beachten. Es gilt w j = w j. Es sei M2 (C) die Algebra der komplexen Matrizen vom Typ 2× 2. Eine Matrix A ∈ M2 (C) können wir mit einer reellen Matrix µ(A) ∈ M4 (R) vom Typ 4 × 4 identifizieren, indem wir in A jedes Element u v aij = u + v i von A durch die Matrix µ(aij = ersetzen. Die Zuordnung A → µ(A) ist −v u ein Algebren-Homomorphismus. Satz. 9 Injektive Homomorphismen des Körpers der Quaternionen in M2 (C) und M4 (R) sind durch die folgende Abbildung gegeben. (20.1) λ : H → M2 (C), λ(z + w j) = z −w w z c d −d c . a −b b a a b −b a → −c d −d −c In engem Zusammenhang zu den Quaternionen stehen die Pauli Matrizen, die in der Diracgleichung auftreten. (20.2) σ0 σ2 = = λ(1) = −i λ(j) = 1 0 0 1 0 i −i 0 , σ1 , = σ3 = −i λ(k) = −i λ(i) = 0 1 1 0 1 0 0 −1 , , die in der Diracgleichung auftreten. Sie erfüllen die Identitäten (20.3) 2 σ0 = σ12 = σ22 = σ32 = 1, σ1 σ2 = −σ2 σ1 = i σ3 , σ2 σ3 = −σ3 σ2 = i σ1 , σ3 σ1 = −σ1 σ3 = i σ2 . Der Diracoperator ist - grob gesagt - der Schrödingeroperator des Elektrons. Er wirkt auf Spinorfelder, den entsprechenden Wellenfunktionen. Spinorfelder sind 4-dimensionale Vektoren komplexwertiger Funktionen, d. h. differenzierbare Abbildungen Ψ : x = (x0 , x1 , x2 , x3 )⊤ ∈ R4 → (φ(x), ψ(x))⊤ ∈ C4 . Aus den obigen Pauli-Matrizen bildet man die folgenden Matrizen vom Typ 4 × 4: 0 σk σ0 0 k 0 (20.4) , k = 1, 2, 3. , γ = γ = −σk 0 0 −σ0 Diese erfüllen dann die Identitäten γ a γ b +γ b γ a = 2 g a b E4 , wobei g a b = (20.5) 1 für −1 für 0 für a 6= b a=b=0 a=b>0 gilt, d. h. g a b = diag(1, −1, −1, −1). Der Klein-Gordon-Operator auf dem Raum der glatten Funktionen C ∞ (R4 ) ist KG = P3 ∂ 2 ab ∂ a,b=0 g ∂xa ∂xb + m Mit Hilfe der Matrizen (20.4) erhält man für KG folgende Zerlegung in ein Produkt von Operatoren 1-ter Ordnung: ∂2 ∂2 ∂2 ∂2 (20.6)−KG = − 2 + 2 + 2 + 2 − m2 = ∂x0 ∂x1 ∂x2 ∂x3 3 X ∂ i γa +m ∂x a a=0 ! i 3 X b=0 ! ∂ γb −m , ∂xb wobei alle in (20.6) auftretenden Operatoren als Operatoren anzusehen sind, die auf Spinorfeldern wirken. Quaternionen und orthogonale Abbildungen des Raumes R3 . 68 Aufgabe 20.1 (1) Man beweise Satz 8. (2) Es seien q = a+b j +c i+d k und p = x+y j +u i+v k. Man zeige q q = q q = a2 + b2 + c2 + d2 , und q −1 = q/|q|2 . Aufgabe 20.2 Man berechne (1 + j + k)−1 =? 45 −1 + i + j + k (1 + i + j) (1 + j − k) − 3 (1 + j − k) (1 + i + j) =? =? 2 (1 + i + j + k) (1 − i − j − k) =? (Hinweis: Es gilt ((−1 + i + j + k)/2)3 ∈ Z.) Aufgabe 20.3 Die Zuordungen a + b i ∈ C → a + 0 i + b j + 0 k ∈ H und a + b i ∈ C → a + 0 i + 0 j + b k ∈ H sind injektive Homomorphismen der Körper. Aufgabe 20.4 Es seien q = α + β j und p = γ + δ j zwei Quaternionen, dargestellt durch 4 komplexe Zahlen α, β, γ, δ ∈ C. Man zeige, daß die entsprechende Darstellung des Produktes p q durch (α + β j) (γ + δ j) = α γ − β δ + (α δ + β γ) j gegeben ist. Mit Hilfe dieser Gleichung beweise man, daß die in (20.1) definierte Abbildung λ die Multiplikation respektiert: λ(q p) = λ(q) λ(p). Man zeige ferner λ q −1 = λ(q)−1 , ⊤ DET (λ(q)) = |q|2 und λ (q) = λ(q) . Aufgabe 20.5 Man beweise die Gleichung (20.6). 69