Appendix zur Analyse abelscher Gruppen Anton Deitmar Inhaltsverzeichnis 1 Urysohn, Hahn-Banach, Stone-Weierstraß und Baire 1 2 Netze 6 3 Vektorwertige Integrale 1 13 Urysohn, Hahn-Banach, Stone-Weierstraß und Baire Definition 1.1. Eine Teilmenge K eines topologischen Raums X heißt kompakt, falls jede offene Überdeckung eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Das heißt, K ist genau dann kompakt, wenn es zu jeder Familie (Ui )i∈I S von offenen Mengen in X mit K ⊂ i∈I Ui eine endliche Teilmenge E ⊂ I S gibt, so dass bereits K ⊂ i∈E Ui gilt. Lemma 1.2. Sei X ein topologischer Raum, dann gilt (a) Ist X kompakt und ist K ⊂ X eine abgeschlossene Teilmenge, dann ist K kompakt. 1 Harmonische Analyse abelscher Gruppen 2 (b) Ist X ein Hausdorff-Raum und ist K ⊂ X kompakt, dann ist K abgeschlossen. (c) Stetige Bilder kompakter Mengen sind kompakt. Das heißt, ist f : X → Y stetig und ist K ⊂ X kompakt, dann ist f (K) ⊂ Y kompakt. Definition 1.3. Ein topologischer Raum X heißt lokalkompakt, falls jeder Punkt x ∈ X eine kompakte Umgebung besitzt. Definition 1.4. Eine Teilmenge A ⊂ X eines topologischen Raums heißt relativ kompakt, falls der Abschluss A ⊂ X kompakt ist. Lemma 1.5 (Lemma von Urysohn). Sei X ein lokalkompakter Hausdorff-Raum. Sei K ⊂ X kompakt und A ⊂ X abgeschlossen mit K ∩ A = ∅. (a) Es existiert eine relativ kompakte offene Umgebung U von K so dass K ⊂ U ⊂ U ⊂ X r A. (b) Es gibt eine stetige Abbildung mit kompaktem Träger f : X → [0, 1] mit f ≡ 1 auf K und f ≡ 0 auf A. Beweis. Deitmar: Analysis. Satz 1.6 (Satz von Hahn-Banach). Sei V ein normierter Raum über C oder R und U ⊂ V ein Unterraum. Sei α : U → C ein stetiges lineares Funktional. Dann kann α zu einem stetigen linearen Funktional V → C fortgesetzt werden. Proof. Funktionalanalysis. Korollar 1.7. Ist V ein normierter Raum und v ∈ V so dass α(v) = 0 für jedes stetige lineare Funktional α auf V. Dann ist v = 0. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 3 Proof. Sei 0 , v ∈ V. Sei U = Cv der Unterraum erzeugt von v. Das Funktional α : U → C, λv 7→ λ ist stetig, setzt also fort zu einem linearen Funktional α : V → C mit α(v) , 0. Der Satz von Stone-Weierstraß Definition 1.8. Sei X ein lokalkompakter Hausdorff-Raum. Man sagt, eine stetige Funktion f : X → C verschwindet im Unendlichen, falls es zu jedem ε > 0 ein Kompaktum K ⊂ X gibt so dass | f (x)| < ε für jedes x ∈ X r K. Sei C(X) die Menge aller stetigen Funktion von X nach C und C0 (X) die Menge aller stetigen Funktionen, die im Unendlichen verschwinden. Sie enthält die Menge Cc (X) aller stetigen Funktionen mit kompakten Trägern. Lemma 1.9. Sei X ein lokalkompakter Hausdorff-Raum. Jedes f ∈ C0 (X) ist beschränkt und die Supremumsnorm n o f = sup | f (x)| : x ∈ X X macht C0 (X) zu einem Banach-Raum, also einem vollständigen normierten Vektorraum. Beweis. Deitmar: Analysis. Definition 1.10. Sei X ein topologischer Raum. Eine Kompaktifizierung ist eine Abbildung c : X → Z, wobei Z ein kompakter Raum ist, c dichtes Bild hat und c ein Homöomorphismus aufs Bild ist, das heißt c ist stetig und injektiv und die Umkehrabbildung ist stetig auf dem Bild von c. Lemma 1.11. Zu jedem nichtkompakten Hausdorff-Raum X gibt es eine b die durch Hinzunahme eines einzigen Punktes entsteht, Kompaktifizierung X die sogenannte Einpunktkompaktifizierung. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 4 Beweis. Deitmar: Analysis. Lemma 1.12. Sei X ein Hausdorff-Raum. • Ist X kompakt, so ist C0 (X) = C(X). • Ist X nichtkompakt, so ist C0 (X) die Menge der stetigen Funktionen f , die durch f (∞) = 0 zu einer stetigen Funktion auf der Einpunktkompaktifizierung X̄ = X ∪ {∞} fortgesetzt werden können. Beweis. Klar nach Konstruktion. Die Menge C0 (X) ist ein komplexer Vektorraum. Mit f, g ∈ C0 (X) ist aber auch das punktweise Produkt f g : X → C, x 7→ f (x)g(x) in C0 (X). Dieses Produkt ist • bilinear: ( f, g) 7→ f g ist linear in jedem Argument, also (λ f + µ f 0 )g = λ f g + µ f 0 g, sowie f (λg + µg0 ) = λ f g + µ f g0 für alle f, f 0 , g, g0 ∈ C0 (X) und λ, µ ∈ C, sowie • assoziativ: f (gh) = ( f g)h für alle f, g, h ∈ C0 (X). Ein Vektorraum A zusammen mit einem bilinearen assoziativen Produkt A × A → A nennt man eine Algebra. Eine Unteralgebra ist ein Unterraum B ⊂ A, der unter dem Produkt abgeschlossen ist, d.h., der B · B ⊂ B erfüllt. Auch über R definiert man Algebren in analoger Weise. Beispiele 1.13. • Mn (C) ist eine C-Algebra und die Menge der oberen Dreiecksmatrizen ist eine Unteralgebra. • Ist X ein nichtkompakter Hausdorff-Raum, so ist C0 (X) eine Algebra und Cc (X) ist eine Unteralgebra. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 5 Satz 1.14 (Satz von Stone-Weierstraß). Sei X ein lokalkompakter Hausdorff-Raum und sei A ⊂ C0 (X) eine Unteralgebra so dass (a) A trennt Punkte, d.h. für je zwei x , y in X gibt es f ∈ A mit f (x) , f (y), (b) für jedes x ∈ X gibt es ein f ∈ A so dass f (x) , 0, und (c) A ist abgeschlossen unter komplexer Konjugation, das heißt f ∈ A ⇒ f ∈ A. Dann ist A dicht in C0 (X). Beweis. Deitmar: Analysis. Der Satz von Baire Erinnerung: Eine Teilmenge D eines topologischen Raums X heißt dicht in X, falls X der Abschluss D von D ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn U ∩ D , ∅ für jede offene Teilmenge ∅ , U ⊂ X gilt. Definition 1.15. Ein topologischer Raum X heißt Baire-Raum oder von zweiter Kategorie, falls für jede abzählbare Familie (Un )n∈N offener dichter Teilmengen von X der Schnitt D = ∩n∈N Un wieder eine dichte Teilmenge ist. Proposition 1.16. a) Ist X ein Baire-Raum, so ist jede offene Teilmenge U wieder ein Baire-Raum. b) Ist X ein Baire-Raum, so existiert für jede abzählbare Familie (An )n∈N Harmonische Analyse abelscher Gruppen 6 abgeschlossener Mengen mit X = ∪n∈N An schon ein Index n0 , so dass An0 eine nichtleere offene Menge enthält. Beweis. Deitmar: Analysis. Satz 1.17 (Baire). Jeder lokalkompakte Hausdorff-Raum ist ein Baire-Raum. Jeder vollständige metrische Raum ist ein Baire-Raum. Beweis. Deitmar: Analysis. Korollar 1.18. Ein Banach-Raum, der eine abzählbare Basis besitzt, ist endlich-dimensional. Beweis. Sei V ein Banach-Raum der von v1 , v2 , . . . aufgespannt wird. Sei An der von v1 , . . . vn aufgespannte Unterraum. Dieser ist als endlich-dimensionaler normierter Raum selbst vollständig, also S abgeschlossen in V. Ferner gilt V = n An , also enthält ein An eine offene Teilmenge von V. Jede offene Teilmenge von V enthält allerdings eine Basis, also ist V = An . 2 Netze In der Topologie metrischer Räume spielt Konvergenz von Folgen eine wichtige Rolle. In allgemeinen topologischen Räumen reichen Folgen nicht mehr aus, man verallgemeinert den Folgenbegriff zum Begriff des Netzes. Definition 2.1. Sei I eine Menge. Eine partielle Ordnung auf I ist eine Relation, die als “≤” geschrieben wird, so dass für alle x, y, z ∈ I gilt Harmonische Analyse abelscher Gruppen 7 • x ≤ x, • x ≤ y und y ≤ x ⇒ x = y, • x ≤ y und y ≤ z ⇒ x ≤ z. (≤ ist reflexiv) (≤ ist anti-symmetrisch) (≤ ist transitiv) Bemerkung. Ist “≤” eine partielle Ordnung, so ist die umgekehrte Relation x4y ⇔ x≥y ebenfalls eine partielle Ordnung. Beispiele 2.2. • Die natürliche “kleiner-gleich”-Relation ≤ auf R ist eine partielle Ordnung. • Sei X eine Menge. Auf der Menge P(X) aller Teilmengen von X gibt es eine natürliche Ordnung durch Inklusion, also für A, B ⊂ X, A ≤ B ⇔ A ⊂ B. • Sei X ein topologischer Raum und sei x ∈ X ein Punkt. Die Menge aller offenen Umgebungen von x ist partiell geordnet durch Inklusion, aber auch durch die umgekehrte Inklusion, also durch U≥V ⇔ U ⊂ V. Definition 2.3. Eine partiell geordnete Menge (I, ≤) heißt gerichtet, falls je zwei Elemente eine obere Schranke haben, falls es also zu je zwei x, y ∈ I ein z ∈ I gibt, so dass x ≤ z und y ≤ z gilt. Ist I gerichtet, so hat jede endliche Teilmenge eine obere Schranke, was man leicht durch eine Induktion einsieht. Beispiele 2.4. • Die natürlichen Zahlen sind mit der “kleiner-gleich”-Relation gerichtet. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 8 • Ist X eine Menge, so ist die Menge M aller endlichen Teilmengen mit der Inklusion gerichtet, denn für zwei endliche Mengen E, F ⊂ X ist E ∪ F eine obere Schranke in M. • Sei X ein topologischer Raum und sei x ∈ X ein Punkt. Die Menge Ux aller Umgebungen von x ist mit der umgekehrten Inklusion gerichtet, denn für U, V ∈ Ux ist U ∩ V eine obere Schranke. Definition 2.5. Ein Netz in einem topologischen Raum X ist eine Abbildung α : I → X, wobei I eine gerichtete Menge ist. Man schreibt die Bilder als αi , i ∈ I. Beispiel 2.6. Jede Folge ist ein Netz, wobei man N mit der natürlichen “kleiner-gleich”-Relation versieht. Definition 2.7. Ein Netz α konvergiert gegen einen Punkt x ∈ X, falls es zu jeder Umgebung U von x einen Index i0 ∈ I gibt so dass i ≥ i0 ⇒ αi ∈ U. In dem Fall einer Folge, also I = N, stimmt dies mit der Definition der Konvergenz einer Folge überein. A priori kann ein Netz gegen mehrere Punkte konvergieren. Den Extremfall stellt die triviale Topologie dar, in der jedes Netz gegen jeden Punkt konvergiert. Die Eindeutigkeit der Limiten ist äquivalent zur Hausdorff-Eigenschaft. Satz 2.8. Ein topologischer Raum X ist genau dann ein Hausdorff-Raum, wenn Limiten eindeutig sind, d.h., wenn jedes Netz höchstens einen Grenzwert hat. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 9 Beweis. Sei X ein Hausdorff-Raum und sei (xi ) ein Netz in X, das sowohl gegen x ∈ X als auch gegen y ∈ X konvergiert. Es ist zu zeigen, dass x = y ist. Angenommen, sie sind verschieden. Wegen der Hausdorff-Eigenschaft gibt es offene Mengen U 3 x und V 3 y so dass U ∩ V = ∅. Da (xi ) gegen x und y konvergiert, gibt es einen Index i so dass xi ∈ U und xi ∈ V, ein Widerspruch! Also ist der Limes eines Netzes in der Tat eindeutig bestimmt. Für die Rückrichtung sei ein topologischer Raum X gegeben, in dem alle Limiten eindeutig sind. Es ist zu zeigen, dass X ein Hausdorff-Raum ist. Seien also x, y in X mit der Eigenschaft, dass je zwei Umgebungen U von x und V von y einen nichtleeren Schnitt haben. Es ist zu zeigen, dass x = y gilt. Sei S die Menge aller Paare (U, V) so dass U eine offene Umgebung von x ist und V eine von y. Die Menge S wird partiell geordnet durch umgekehrte Inklusion, d.h., (U, V) ≤ (U0 , V 0 ) ⇔ U ⊃ U0 und V ⊃ V 0 . Die Menge S ist gerichtet, da der Schnitt zweier Umgebungen wieder eine Umgebung ist. Für jedes (U, V) ∈ S wähle ein Element zUV in U ∩ V. Dann ist zUV ein Netz mit Indexmenge S. Da zUV sowohl in U als auch in V liegt, konvergiert dieses Netz gegen x und gegen y. Wegen der Eindeutigkeit der Limiten ist x = y. Definition 2.9. Eine Abbildung φ : J → I zwischen zwei gerichteten Mengen heißt streng cofinal, falls es zu jedem i0 ∈ I ein j0 ∈ J gibt, so dass für jedes j ≥ j0 gilt φ( j) ≥ i0 . Das bedeutet, dass die Abbildung φ nicht monoton zu sein braucht, sie kann vor und zurückspringen, aber sie soll ”im Wesentlichen” monoton sein. Definition 2.10. Sei α : I → X ein Netz. Ein Teilnetz ist ein Netz Harmonische Analyse abelscher Gruppen 10 β : J → X zusammen mit einer Faktorisierung φ J β / I α X so dass die Abbildung φ streng cofinal ist. Mit anderen Worten, Teilnetze werden gegeben durch streng cofinale Abbildungen in die Indexmenge I. Konvergiert α gegen x ∈ X, dann konvergiert jedes Teilnetz ebenfalls gegen x ∈ X. Satz 2.11. Sei X ein topologischer Raum und sei A ⊂ X. Der Abschluss A ist gleich der Menge aller Limiten von Netzen in A. Mit anderen Worten, ein Punkt x ∈ X liegt genau dann in A , wenn es ein Netz (αi )i∈I gibt mit αi ∈ A, für alle i ∈ I, welches in X gegen x konvergiert. Beweis. Der Abschluss A ist die Menge aller x ∈ X so dass A ∩ U , ∅ für jede Umgebung von x gilt. Sei also x ∈ A und U eine Umgebung von x. Dann ist A ∩ U nichtleer. Wähle ein Element αU in A ∩ U. Sei I die Menge aller Umgebungen U von x. Die Menge I sei versehen mit der partiellen Ordnung der umgekehrten Inklusion U ≤ U0 ⇔ U ⊃ U0 . Dann ist der Schnitt zweier Umgebungen eine obere Schranke für beide, also ist die Menge I gerichtet. Das Netz (αU )U∈I konvergiert nach Konstruktion gegen x. Für die andere Richtung sei x ∈ X und αi ∈ A, i ∈ I ein Netz, das gegen x Harmonische Analyse abelscher Gruppen 11 konvergiert. Sei U eine Umgebung von x. Dann existiert ein i ∈ I mit αi ∈ U, also ist U ∩ A , ∅. Da U beliebig ist, folgt x ∈ A. Satz 2.12. Eine Abbildung f : X → Y zwischen topologischen Räumen ist genau dann stetig, wenn für jedes Netz (x j ) in X, das konvergiert, das Bildnetz f (x j ) ebenfalls konvergiert. In diesem Falle gilt: konvergiert x j gegen x, so konvergiert f (x j ) gegen f (x). Beweis. Der folgende Beweis ist fast wörtlich derselbe wie für Folgen in R. Sei f stetig und sei (xi )i∈I ein gegen x ∈ X konvergentes Netz. Es ist zu zeigen, dass f (xi ) → f (x). Sei hierzu U eine offene Umgebung von f (x), dann ist V = f −1 (U) eine offene Umgebung von x. Daher existiert ein i0 so dass xi ∈ V für jedes i ≥ i0 , also f (xi ) ∈ U für jedes i ≥ i0 , also konvergiert f (xi ) gegen f (x). Für die umgekehrte Richtung nimm an, dass f die Limes-Bedingung erfüllt. Sei A ⊂ Y abgeschlossen und sei B ⊂ X das Urbild zu A. Es ist zu zeigen, dass B abgeschlossen ist. Sei hierzu bi ein Netz in B, konvergent gegen x ∈ X. Dann konvergiert das Netz f (xi ) ∈ A gegen f (x). Da A abgeschlossen ist, folgt f (x) ∈ A, also x ∈ f −1 (A) = B, damit ist B abgeschlossen. Satz 2.13. Ein topologischer Raum X ist genau dann kompakt, wenn jedes Netz in X ein konvergentes Teilnetz hat. Beweis. Sei X kompakt und sei (xi )i∈I ein Netz in X. Für jedes i ∈ I sei Ai der Abschluss der Menge {x j : j ≥ i}. Jeder endliche Schnitt von Mengen Harmonische Analyse abelscher Gruppen 12 der Form Ai , i ∈ I ist nichtleer, also ist nach der endlichen Schnitteigenschaft \ Ai , ∅. i∈I Sei x ein Element dieses Schnittes. Das bedeutet, dass man zu jeder Umgebung U von x und jedem Index i ∈ I einen Index φ(U, i) = i0 ≥ i findet, so dass xi0 = xφ(U,i) ∈ U. Sei J die Menge aller Paare (U, i), wobei U eine Umgebung von x ist und i ∈ I. Auf J ist (U, i) ≤ (U0 , i0 ) ⇔ U ⊃ U0 und i ≤ i0 eine partielle Ordnung. Es wird nun gezeigt, dass die Abbildung φ : J → I streng cofinal ist. Hierzu sei i ∈ I und j = (U, i) ∈ J ein Element mit i als zweitem Argument. Nach Konstruktion ist φ( j0 ) ≥ i für jedes j0 ≥ j, also ist φ streng cofinal. Um einzusehen, dass das konstruierte Teilnetz φ : J → X konvergiert, wählt man eine Umgebung U von x und ein Element j0 = (U, i) ∈ J. Für jedes j ≥ j0 gilt dann φ( j) ∈ U, also hat (xi ) ein konvergentes Teilnetz. Für die Rückrichtung sei angenommen, dass jedes Netz ein konvergentes Teilnetz hat. Sei A ein System abgeschlossener Teilmengen so dass jeder endliche Schnitt nichtleer ist. Es ist zu zeigen, dass der Schnitt aller Elemente von A nichtleer ist. Hierzu sei B die Menge aller endlichen Schnitte von Elementen von A. Mit der Ordnung B1 ≥ B2 ⇔ B1 ⊂ B2 ist die Menge B gerichtet. Für jedes B ∈ B sei ein xB ∈ B ausgewählt. Dann ist (xB )B∈B ein Netz in X und nach der Annahme existiert ein Teilnetz (xB j ) j∈J das gegen ein x ∈ X konvergiert. Aber dann gilt x ∈ B für jedes B ∈ B, denn für festes B kann man j0 so wählen, dass B j ⊂ B für jedes j ≥ j0 gilt. Hieraus folgt xB j ∈ B für alle j ≥ j0 . Da B abgeschlossen ist, liegt der Limes x von (xB j ) ebenfalls in B. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 3 13 Vektorwertige Integrale Sei (X, A, µ) ein Maßraum. Für eine Banach-Raum-wertige Funktion R f : X → V wollen wir ein Integral X f dµ ∈ V definieren, so dass für jedes stetige lineare Funktional α auf V die Formel ! Z Z α f dµ = α( f ) dµ X X gilt. Beispiel 3.1. Ist V = Cn , so definiert man für f = ( f1 , . . . , fn ) einfach ! Z Z Z f dµ = f1 dµ, . . . , fn dµ . X X X Um die Definition allgemein zu machen, sei (V, ||·||) ein Banach-Raum. Eine einfache Funktion ist eine Funktion s : X → V, die in der Form s= n X 1A j b j j=1 geschrieben werden kann, wobei A1 , . . . , An paarweise disjunkte messbare Menhen sind mit µ(A j ) < ∞ und b j ∈ V. Wir definieren das Integral der einfachen Funktion s als Z s dµ := X n X µ(A j )b j ∈ V. j=1 R R Beachte dass X s dµ ≤ X ||s|| dµ und dass für jedes lineare Funktional R R α : V → C gilt α X s dµ = X α(s) dµ. Wir versehen den Banach-Raum V mit der Borel-σ-algebra. Eine messbare Funktion f : X → V heißt integrierbar, wenn eine Folge sn Harmonische Analyse abelscher Gruppen 14 einfacher Funktionen existiert, so dass Z lim f − sn dµ = 0. n→∞ X In diesem Fall nennen wir (sn ) eine approximierende Folge. Proposition 3.2. (a) Ist f integrierbar und ist (sn ) eine approximierende Folge, dann konvergiert die Folge von Vektoren Z sn dµ X in V. Der Limes hängt nicht von der Wahl der approximierenden Folge ab. Wir definieren das Integral von f ( Bochner-Integral) als diesen Limes: Z Z f dµ := lim sn dµ. n→∞ X (b) Für jede integrierbare Funktion f gilt Z Z f dµ ≤ X X f dµ < ∞. X (c) Sei f integrierbar. Für jeden stetigen linearen Operator T : V → W in einen Banach-Raum W gilt ! Z Z T f dµ = T( f ) dµ. X X (d) Ist V = C, dann ist das Bochner-Integral gleich dem üblichen Integral. Proof. Es reicht zu zeigen, dass für jede approximierende Folge (sn ) die R Folge der Integrale X sn dµ konvergiert,dann folgt auch die Eindeutigkeit, denn ist (tn ) eine weitere approximierende Folge, dann ist die Folge (rn ) mit r2n = sn und r2n−1 = tn ebenfalls approximierend. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 15 R Dann mus folglich die Folge X rn dµ ebenfalls konvergieren und damit R R müssen die Limiten von X sn dµ und X tn dµ übereinstimmen. Um die Konvergenz zu zeigen, reicht es zu zeigen, dass die Folge von R Vektoren X sn dµ eine Cauchy-Folge ist. Für m, n ∈ N betrachte Z Z Z sn dµ = sm − sn dµ sm dµ − X X Z X ≤ ||sm − sn || dµ X Z Z ≤ sm − f dµ + f − sn dµ. X X Die rechte Seite geht gegen Null für m, n → ∞, was zeigt, dass R s dµ X n eine Cauchy-Folge ist. Damit folgt (a). Für (b) beachte, dass die Ungleichung f − ||sn || ≤ f − sn zeigt, dass die C-wertige Funktion f integrierbar ist und dass ||sn || gegen k f k in L1 (X) konvergiert. Es folgt Z Z Z Z f dµ = lim sn dµ ≤ lim k f k dµ. ||sn || dµ = X n n X X X Schliesslich zu Teil (c). Die Stetigkeit und Linearität von T impliziert ! Z Z T f dµ = lim T(sn ) dµ. X n X Wor wollen zeigen, dass die rechte Seite mit R X T( f ) dµ übereinstimmt. Da T stetig ist, gibt es C > 0, so dass |T(v)| ≤ C ||v|| für jedes v ∈ V gilt. Insbesondere gilt T( f ) ≤ C f und daher ist T( f ) integrierbar. Wir Harmonische Analyse abelscher Gruppen 16 schätzen ab Z Z Z T(sn ) dµ ≤ T( f ) − T(sn ) dµ T( f ) dµ − X X X Z = T( f − sn ) dµ XZ f − sn dµ. ≤C X Dies geht gegen Null und die Behauptung folgt. Schliesslich folgt (d) aus der letzten Abschätzung angewendet auf den Operator T = Id. Definition 3.3. Eine Funktion f : X → V heißt eine separable Funktion, falls es eine abzählbare Menge C ⊂ V gibt, so dass das Bild f (X) im Abschluss C von C enthalten ist. Ist V selbst separabel, dann ist jede V-wertige Funktion separabel. Eine Funktion f : X → V heißt wesentlich separabel, falls es eine messbare Nullmenge N ⊂ X gibt, so dass f auf X r N separabel ist. Lemma 3.4. Sei X ein topologischer Raum und sei f : X → V eine stetige Funktion deren Träger σ-kompakt ist. Dann ist f separabel. Proof. Das Bild f (X) ist σ-kompakt. Daher reicht es, zu zeigen, dass jede σ-kompakte Teilmenge K ⊂ V eine abzählbare dichte Teilmenge hat. Es reicht, anzunehmen, dass K kompakt ist. Aus der Kompaktheit folgt, n dass es zu jedem n ∈ N Elemente k1n , . . . , kr(n) ∈ K gibt, so dass K ⊂ r(n) [ B1/n (kν ), ν=1 wobei Br (a) der offene Ball mit Radius r um a ist. Die Menge aller kνn für n ∈ N und 1 ≤ ν ≤ r(n) ist dann eine abzählbare dichte Teilmenge von K. Proposition 3.5. Für eine messbare Funktion f : X → V sind qeuivalent: Harmonische Analyse abelscher Gruppen 17 • f ist integrierbar. R • f ist wesentlich separabel und X f dµ < ∞. Proof. Ist f integrierbar, so ist nach Proposition 3.2 (b) die Funktion f ebenfalls integrierbar. Wir müssen zeigen, dass f wesentlich separabel ist. Sei also (sn ) eine approximierende Folge. Da jedes sn endliches Bild hat, ist der Banach-Raum E, der von allen Bildern sn (X), n = 1, 2, . . . erzeugt wird, separabel. Die Menge N = f −1 (V r E) ist eine abzählbare S Vereinigung N = n Nn , wobei Nn = {x ∈ X : f (x) − e ≥ n1 ∀e ∈ E}. Da R f − sn dµ gegen Null geht, ist Nn eine Nullmenge für jedes n und X damit ist N eine Nullmenge. Also f wesentlich separabel. Für die umgekehrte Richtung nimm an, dass f wesentlich separabel ist R und X f dµ < ∞ gilt. Nach Abänderung von f auf einer Nullmenge können wir annehmen, dass f separabel ist. Sei C = {cn : n ∈ N} eine abzählbare Teilmenge von V mit f (X) ⊂ C. Für n ∈ N und δ > 0 sei Aδn die Menge aller x ∈ X für die gilt f (x) ≥ δ und f (x) − cn < δ. Da f messbar ist, ist dies eine messbare Menge. Wir machen diese Folge paarweise disjunkt indem wir definieren: Dδn := Aδn [ r Aδk . k<n δ n∈N An = δ n∈N Dn ist gleich f −1 ( f (X) r Bδ (0)), da f (X) ⊂ C. S Da f integrierbar ist, ist die Menge n∈N Dδn von endlichem Maß. Sei P sn = nj=1 1D1/n c j . Dann ist sn eine einfache Funktion. Wir zeigen, dass die Die Menge S S j Folge(sn ) punktweise gegen f konvergiert. Sei x ∈ X. Ist f (x) = 0, dann ist sn (x) = 0 für jedes n. Nimm also f (x) , 0 an. Dann ist f (x) ≥ n1 für S ein n ∈ N. Für jedes m ≥ n gilt x ∈ ν∈N D1/m ν , so dass für jedes m ≥ n genau ein ν0 existiert mit x ∈ D1/m ν0 , daher ist sm (x) = cν0 und f (x) − cν0 < m1 , so dass sn → f konvergiert wie behauptet. Wir sehen Harmonische Analyse abelscher Gruppen 18 auch, dass ||sn || ≤ 2 f nach Konstruktion. Alos konvergiert f − sn → 0 punktweise und f − sn ≤ f + ||sn || ≤ 3 f . Nach dem Satz über dominierte Konvergenz schliessen wir Z f − sn dµ → 0. X Korollar 3.6. Sei V ein Banach-Raum. Sei X ein lokalkompakter Hausdorff-Raum und µ ein Radon-Maß. Dann ist jede stetige Funktion f : X → V mit kompaktem Träger integrierbar. Proof. Da die C-wertige Funktion f wieder stetig ist mit kompaktem Träger, ist sie integrierbar. Daher folgt das Korollar aus Lemma 3.4 und Proposition 3.5. Definition 3.7. Sei D ⊂ C eine offene Menge und sei f : D → V eine Abbildung in einen Banach-Raum V. Wir sagen, dass f holomorph ist, falls für jedes z ∈ D der Limes 1 f 0 (z) = lim ( f (z + h) − f (z)) h→0 h in V existiert. Beachte, dass für holomorphes f und ein lineares stetiges Funktional α : V → C die Funktion z 7→ α( f (z)) eine holomorphe Funktion von D nach C ist. Lemma 3.8. Eine holomorphe Abbildung ist stetig. Proof. Sei zn → z eine in D konvergente Folge. Da der Limes f 0 (z) existiert, gibt es ein c > 0 so dass aus 0 < |w − z| < c folgt, dass erstens w ∈ D ist und zweitens |w − z|−1 f (w) − f (z) < 2 f 0 (z) gilt. Sei n0 ∈ N so dass für n ≥ n0 gilt |zn − z| < c, dann folgt für n ≥ n0 , dass f (zn ) − f (z) < 2 f 0 (z) |zn − z|. Harmonische Analyse abelscher Gruppen 19 Da die rechte Seite gegen Null geht, tut dies auch die linke. Definition 3.9. Sei D ⊂ C eine offene Menge und sei f : D → V eine holomorphe Funktion. Sei γ : [0, 1] → D stetig differenzierbar. Das Wegintegral ist definiert als das vektorwertige Integral Z Z γ0 (t) f (γ(t)) dt. f (z) dz := γ [0,1] Sei a ∈ D und sei B = Br (a) eine Kreisscheibe um a, deren Abschluss in R der Menge D enthalten ist. Wir schreiben ∂B f (z) dz für das Integral R R über den positiv orientierten Rand von B, d.h., ∂B f (z) dz = γ f (z) dz, wobei γ : [0, 1] → D durch γ(t) = a + re2πit gegeben ist. Satz 3.10 (Cauchy Integral Formel). Sei D ⊂ C eine offene Menge und sei f : D → V holomorph, wobei V ein Banach-Raum ist. Sei B ⊂ C eine offene Kreisscheibe mit B ⊂ D. Dann gilt für jedes z ∈ B Z f (ξ) 1 f (z) = dξ. 2πi ∂B ξ − z Proof. Sei α : V → C ein stetiges lineares Funktional. Dann gilt nach Cauchys Integralformel ! Z Z f (ξ) α( f (ξ)) 1 1 α dξ = dξ = α( f (z)). 2πi ∂B ξ − z 2πi ∂B ξ − z Nach Korollar 1.7 folgt die behauptete Gleichheit. Korollar 3.11. Sei die Situation wie im Satz und sei B eine offene Kreisscheibe Harmonische Analyse abelscher Gruppen 20 um Null so dass B ⊂ D. Dann existieren vn ∈ V so dass f (z) = ∞ X zn vn n=0 für jedes z ∈ B gilt, wobei die Summe gleichmäßig auf jeder abgeschlossenen Teilmenge von B konvergiert. Proof. Ist z ∈ B und ξ ∈ ∂B, dann folgt |z/ξ| < 1, so dass die geometrische Reihe ∞ X (z/ξ)n = n=0 1 1 − z/ξ gleichmäßigi konvergiert für (z, ξ) in einer gegebenen abgeschlossenen Teilmenge von B × ∂B. Mit Cauchys Formel erhalten wir Z Z f (ξ) 1 1 f (ξ) 1 f (z) = dξ = dξ 2πi ∂B ξ − z 2πi ∂B ξ 1 − z/ξ Z Z ∞ ∞ f (ξ) X f (ξ) 1 X n 1 n (z/ξ) dξ = z = dξ. n+1 2πi ∂B ξ n=0 2πi n=0 ∂B ξ Die Vertauschung ist wegen gleichmäßiger Konvergenz gerechtfertigt. Die Behauptung folgt.