1 MA 440 GEOMETRIE 2 HS 07 Zielsetzung • Die Studierenden lernen, dass geometrische Ideen vielfach verwendet werden. • Sie erweitern Ihr Wissen der Euklidischen Geometrie. • Sie lernen, dass geometrisches Denken weitere Zweige der Mathematik eröffnet. • Sie erwerben Fachwissen für den Geometrie-Unterricht der Sekundarstufe I Inhalt • Goldener Schnitt • Kreiswinkelsätze • Reguläre Polygone • Symmetrien • Euklidische und Nichteuklidische Geometrie • Graphen und Algorithmen Vorlesung mit Übungen Donnerstag, 10.15 – 12.00 , UZI Hörsaal Y27 H 25 Jede 2. Woche findet von 11.15 – 12.00 eine Übungsstunde in Gruppen statt. Ganze Gruppe A– Z im Raum ??5 bei Christoph Schwarz, [email protected] Während der Übungsstunde können Sie Fragen zur laufenden Übungsserie stellen. Es gibt 6 Übungsserien, wobei Sie je etwa 20 Punkte erreichen können. Die gelösten Aufgaben geben Sie eine Woche später ab. Die korrigierten Aufgaben erhalten Sie in der nächsten Übungsstunde zurück. Leistungsnachweis Der Leistungsnachweis, bzw. die Testatbedingung ist erfüllt, wenn Sie mindestens zwei Drittel aller möglichen Punkte, also 80 oder mehr Punkte, erreicht haben. Schriftliche Prüfung Sobald sie die drei Mathematikmodule (Geometrie 2 und 3 und Zahlentheorie) besucht haben, werden alle drei Module zusammen schriftlich geprüft. Die Prüfungsaufgaben sind im Stil der Übungsaufgaben. Die Prüfung findet meistens in der ersten Woche eines neuen Semesters statt. Bei ungenügender Leistung kann diese Prüfung einmal wiederholt werden. Das Prüfungsergebnis fliesst in die Diplomnote ein. Denken Sie daran, dass Mathematik nur verstanden werden kann, wenn man selber Aufgaben zur präsentierten Theorie löst. Die Übungsserien bilden daher einen wichtigen Bestandteil jedes Mathematikmoduls. Johanna Schönenberger-Deuel Dr. sc. math Institut für Mathematik, Uni Zürich UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 2 1. Goldener Schnitt Die Geometrie birgt zwei grosse Schätze: der eine ist der Satz von Pythagoras, der andere ist der Goldene Schnitt. Den ersten können wir mit einem Scheffel Gold vergleichen, den zweiten dürfen wir ein kostbares Juwel nennen. Johannes Kepler, 1571 – 1630 Der Goldene Schnitt ist das wohl berühmteste Zahlenverhältnis. Das Pentagramm kommt nicht nur in der Geometrie vor, es ist ein wichtiges Zeichen in der Magie (Drudenfuss: Schutzzeichen für Hexen und Druden). In der Antike ist das Pentagramm ein Symbol für dunkle, unergründliche Zusammenhänge. Es war das Erkennungszeichen des pythagoräischen Geheimbundes. Beim pythagoräischen Weltbild beruhen alle Harmonien auf ganzzahligen Verhältnissen. UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 3 Aufgabe: Untersuchen Sie das regelmässige Fünfeck. Zeichnen Sie die Diagonalen. Welches ist das Verhältnis von Diagonale zu Seite? UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 4 Hippasos von Metapont hat aber schon um 450 v. Chr. entdeckt, dass gerade im Pentagramm das Verhältnis von Diagonale zu Seite kein gemeinsames Mass enthält, das Verhältnis ist also irrational. Das haben Sie in der obigen Aufgabe herausgefunden. != Seite s = Diagonale d "= Diagonale d 1 = = Seite s ! Die Verhältnisse σ und τ sind irrationale Zahlen. In der Geometrie kommen diese Verhältnisse auch in anderen Zusammenhängen vor. Definition: Der Punkt T teilt die Strecke AB stetig oder im Goldenen Schnitt, wenn gilt: Die ganze Strecke d verhält sich zum längeren Abschnitt s, wie der längere Abschnitt s zum kürzeren d - s. d ° A d-s ° T s Der länger Abschnitt heisst Major, der kürzere Minor. UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. ° B 5 Ähnliche Dreiecke: ΔABD ~ ΔBTA ! ! AD AB = AB BT #= ! 1 # "1 ! d s = s d"s #2 "# "1= 0 != d 5 +1 = = 1.618 s 2 "= s 5 #1 = = 0.618 d 2 UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 6 Konstruktionen des Goldenen Schnitts Die Strecke d = 10 cm soll im Goldenen Schnitt geteilt werden. Warum besitzen d und s kein gemeinsames Mass m? Hätten d und s ein gemeinsames Mass m, dann gäbe es natürliche Zahlen p und q, so dass d = p.m und s = q.m. d p = !! . Dann wäre s q UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 7 Beweisidee von Hippasos Hippasos von Metapont (ca. 450 v. Chr.) war ein griechischer Mathematiker aus dem Kreis der Pythagoreer. Nach den Überlieferungen hat Hippasos zur glänzenden antiken Musiktheorie Wesentliches beigetragen. Er entwickelte Tonleitertheorien und Ähnliches. Auch wird heute angenommen, dass er es war, der die berühmte Inkommensurabilität von Seite und Diagonale im Fünfeck (Pentagramm), dem pythagoräischen Ordenssymbol, fand. Versucht man nämlich durch Wechselwegnahme zwischen Seite und Diagonale eine kleinste gemeinsame Teilstrecke zu finden, so stößt man auf ein kleineres Pentagramm, in dem die Streckenverhältnisse wieder der Ausgangssituation gleich sind und so weiter. Es gibt die Legende, dass die Pythagoräer Hippasos im Meer ertränkt haben sollen, weil er diesen berühmten Beweis veröffentlicht hat. oder Fügt man Fünfecke so aneinander, dass die Seite sn des n-ten Fünfecks die Diagonale dn+1 des (n+1)-ten Fünfecks wird. Also gilt dann: dn s d d n+1 = sn ! = n = n+1 für jedes n sn sn+1 sn+1 ! "= UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. d n d n+1 = =… sn sn+1 8 Hätten dn und sn ein gemeinsames Mass m, dann hätten es auch dn+1 und sn+1. Nun werden aber die Fünfecke mit wachsendem n immer kleiner, also kleiner als jedes Mass m. Das ist nicht möglich, also gibt es kein gemeinsames Mass m. Der Name Goldener Schnitt ist im 19. Jahrhundert entstanden, wahrscheinlich aus „sectio divina“ (Kepler) und „regula aurea“ (goldene Regel). Der Goldene Schnitt spielt in der Kunst eine grosse Rolle. Warum der Name stetige Teilung? Trägt man bei einer stetig geteilten Strecke a den Minor (die kleinere Strecke) auf dem Major s (längere Strecke) ab, so wird diese wieder im Goldenen Schnitt geteilt. (Beweis?) UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 9 Weitere Beziehungen von σ und τ 5 +1 = 1.618 2 1 5 #1 "= = = 0.618 ! 2 != Da τ > 0 und τ2 = 1 + τ, erhalten wir für τ die Wurzelfolge ! = 1+ ! = 1+ 1 + ! = 1+ 1+ 1+ ! = 1+ 1 + 1+ 1 + ... Für σ gilt 1 = σ2 + σ = σ(σ + 1), also ! = Kettenbruch ! = 1 = 1+ ! 1 1+ 1 1+ ! 1 und damit erhalten wir für σ den 1+ ! 1 = 1 1+ 1+ 1 1+ ! 1 = 1 1+ 1 1+ 1 1+ 1+ 1 1 + ... Näherungswerte für σ berechnen: 1 !1 = = 1 1 1 1 !2 = = 1+ ! 1 2 !3 = 1 2 = 1+ ! 2 3 3 5 8 13 ! 4 = , ! 5 = , ! 6 = , ! 7 = , ..... 5 8 13 21 σ7= 0.619... ist ein guter Näherungswert für σ = 0.618... Vergleichen Sie das Rechteck R mit den Seitenlängen 13 und 21 und das Goldene Rechteck mit den Seitenlängen 13 und 13τ (= 21.034). Vergleichen Sie die Zahlenfolge der Zähler sowie diejenige der Nenner. Kennen Sie die Folge? – Fibonacci-Folge. UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 10 Definition: Ein Rechteck mit Seitenverhältnis Länge : Breite = d : s = ! = 5 +1 2 heisst Goldenes Rechteck. s d Goldene Dreiecke sind gleichschenklige Dreiecke mit Seitenverhältnis Schenkel : Basis = d : s = ! oder Schenkel : Basis = s : d = " Somit gibt es spitzwinklige oder stumpfwinklige Goldene Dreiecke. d d s s s d Aufgabe: Zeichnen Sie im regulären Fünfeck die beiden Arten Goldener Dreiecke ein. UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 11 Die Rechtecke Rn mit den Seiten dn und sn sind Goldene Rechtecke. Die kürzere Seite des grösseren Rechtecks Rn ist immer die längere Seite des nachfolgenden kleineren Rechtecks Rn-1. Bemerkung: Mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus zur Bestimmung des ggT zweier natürlicher Zahlen kann man schön zeigen, dass für Goldene Rechtecke kein gemeinsames Mass der beiden Seiten existiert. Euklidischen Algorithmus zur Bestimmung des ggT von a und b (a > b): ggT(a, b) = ggT(b, a - b) = ... [denn aus ggT(a, b) = m, folgt a = pm und b = qm für p, q natürliche Zahlen, also a - b = m(p - q)] z.B. ggT(15, 9) = ggT(9, 6) = ggT(6, 3) = ggT(3, 3) = 3. Zeichnen Sie dazu ein Rechteck mit Seitenlängen 15 und 9. Von diesem Rechteck nimmt man solange ein Quadrat (Seitenlänge = kleinere Rechteckseite) weg, bis ein Quadrat übrig bleibt. Mit diesem Quadrat lässt sich das gegebene Rechteck auspflastern, seine Seite ist das grösste gemeinsame Mass der Rechteckseiten. Folgerung: Erscheint beim Verfahren des Euklidischen Algorithmus ein Rechteck, das zum gegebenen ähnlich ist, so kann nie ein Quadrat übrig bleiben, es gibt also kein gemeinsames Mass der Rechteckseiten. UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 12 Die Vorderfront des Parthenon (Athen, 432 v. Chr.) passt fast exakt in ein Goldenes Rechteck. Konstruktionen 1. Goldenes Rechteck mit gegebener Breite b UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D. 13 2. Reguläres 5- Eck mit gegebener Seite s 3. Reguläres 5- Eck und 10-Eck mit gegebenem Umkreis r UNIZH MA 440 Geom2 J.S.-D.