Das Hepatozelluläre Karzinom - Zukünftige Therapiestrategien

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© Schattauer 2009
Das Hepatozelluläre Karzinom
Zukünftige Therapiestrategien
M. Müller
Abteilung Innere Medizin IV, Hepatologie und Gastroenterologie, Medizinische Klinik (Krehl-Klinik)
Schlüsselwörter
Keywords
Hepatozelluläres Karzinom, HCC, Sorafenib,
molekulare Therapie, lokal ablative Therapien
Hepatocellular Carcinoma, sorafenib, targeted therapy, loco ablative therapies
Zusammenfassung
Summary
In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind
Fortschritte in Diagnostik und Therapie des
HCC erzielt worden. Screening und Surveillance von Patienten mit chronischer Lebererkrankung ermöglichen die Früherkennung eines
HCC. Patienten mit HCC im Frühstadium können mittels chirurgischer Resektion, Lebertransplantation oder lokal ablativer Verfahren
geheilt werden. Patienten mit fortgeschrittenem HCC können von Behandlungen mit
transarterieller Chemoembolisation und mit
dem Tyrosinkinase-Inhibitor Sorafenib profitieren. Sorafenib ist die erste systemische
Therapie, die beim fortgeschrittenen HCC zu
einer Verlängerung des Gesamtüberlebens
führt. Sorafenib stellt somit den neuen Standard in der Behandlung des fortgeschrittenen
HCC dar. Auf der Grundlage des Verständnisses der molekularen Pathogenese des HCC
wurden weitere geeignete therapeutische
Zielstrukturen identifiziert. Eine Reihe von
neuen molekularen Therapien befindet sich
derzeit in der präklinischen und klinischen
Prüfung. Molekulare Signalwege, die gezielt
von neuen Substanzen beeinflusst werden
können, sind Signalwege der Angiogenese,
Wachstumsfaktor-Rezeptoren und Signaltransduktionswege, die zur Vermittlung von
Proliferationssignalen führen.
The prevalence of hepatocellular carcinoma
(HCC) in Europe and the US is increasing and
HCC is currently the leading cause of death in
patients with cirrhosis. Surveillance programs
aim to detect tumours at an early stage. Curative treatments for early stage tumours include liver transplantation (LTX), resection
and percutaneous ablation. Transarterial chemoembolization can improve survival for patients with intermediate stage tumours. Sorafenib, a multikinase inhibitor, has shown
survival benefits in patients at advanced
stages of HCC. These results represent a
breakthrough in the management of HCC,
and prove that molecular targeted therapies
can be effective in this tumour. Consequently,
sorafenib has become the standard of care in
advanced stage HCC. Molecular therapies currently tested within clinical trials in HCC aim
to abrogate signaling pathways related to
proliferation and cell survival or rely on the
blockade of growth factors and signals related to the dissemination of the disease. Specific knowledge of the molecular classification
of HCC will be used to identify new drug targets, to discriminate the best candidates for
resection or LTX and to guide personalized
medicine.
Korrespondenzadresse
Priv. Doz. Dr. Martina Müller-Schilling
Abteilung Innere Medizin IV
Hepatologie und Gastroenterologie
Medizinische Klinik (Krehl Klinik)
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Tel.: 0 62 21 / 5 63 87 95
Fax: 0 62 21 / 56 43 95
E-Mail: [email protected]
Hepatocellular carcinoma – novel treatment strategies
Med Welt 2009; 60: 143–148
Einleitung
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist
weltweit der fünfthäufigste Krebs und die
dritthäufigste krebsbedingte Todesursache.
Weltweit wird mit 500 000 bis 1 Million Neuerkrankungen pro Jahr gerechnet. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist das HCC mittlerweile die häufigste Todesursache. Die Inzidenz des HCC nimmt in Europa und den
USA deutlich zu. In den vergangenen beiden
Dekaden konnte in den USA ein Anstieg der
Tumorinzidenz von 1,4 auf 2,4 Fälle pro
100 000 Einwohner beobachtet werden (2,
4–6).
In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind
Fortschritte in Diagnostik und Therapie des
HCC erzielt worden. Die Einführung von sonografischen Screeningprogrammen für Patienten mit Leberzirrhose führt zunehmend
zur Diagnose von HCCs im Frühstadium. Jede neu aufgetretene Raumforderung in der
Leber bei bestehender Leberzirrhose sollte
weiter abgeklärt werden.
씰Abbildung 1 zeigt den diagnostischen
Algorithmus der AASLD (American Association for the Study of Liver Diseases), der die
Größe der Läsion, das Gefäßmuster in der
Bildgebung und die Höhe des AFP (alpha-Fetoprotein) berücksichtigt. Die therapeutischen Möglichkeiten reichen von der Resektion und orthotopen Lebertransplantation,
den lokal ablativen Verfahren, der Chemoembolisation bis zu neuen molekularen Therapien. Hier steht mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Sorafenib seit 2007 erstmals eine systemische Therapie zur Verfügung, die zu einer
Verlängerung des Gesamtüberlebens beim
HCC führt.
Ziel ist es, individuelle Therapiekonzepte
im interdisziplinären Team zu erarbeiten und
die Durchführung von weiteren Studien zur
Evaluation des Stellenwerts neuer molekularer Therapien und der Kombination neuer
systemischer mit chirurgischen und interventionellen Therapieverfahren (씰Tab. 1).
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Behandlung
Die Einteilung gemäß der Barcelona-Clinicfor-Liver-Cancer-Klassifikation
(BCLC-
Klassifikation) bildet die Grundlage des therapeutischen Managements beim HCC (12).
Sie berücksichtigt sowohl Leberfunktion als
auch Tumorstadium (씰Tab. 2 und 씰Abb. 2).
Frühstadium
Patienten im Frühstadium können vollständig geheilt werden und sollten einer der kura-
Abb. 1
Diagnostischer Algorithmus bei neu aufgetretener Raumforderung in der Ultraschalluntersuchung
bei Leberzirrhose.
AASLD Practice Guideline 2005, modifiziert nach Bruix et al.
(1, 14).
Behandlungskonzept
Benefit
Evidenzlevel
BCLC Stadium
verlängertes Gesamtüberleben
3iiA
0-A
adjuvante Therapie
kontrovers
1A-D
Lebertransplantation
verlängertes Gesamtüberleben
3iiA
neoadjuvante Therapie
Behandlungs-Response
3Diii
perkutane Behandlungen
verlängertes Gesamtüberleben
3iiA
Radiofrequenzablation
bessere lokale Kontrolle
1iiD
Embolisation/Chemoembolisation
verlängertes Gesamtüberleben
1iiA
B
Sorafenib
verlängertes Gesamtüberleben
1iA
C
Hormontherapie
Tamoxifen
Anti-Androgene
kein Überlebensvorteil
1iA
Chirurgische Behandlungen
Leberresektion
A
Tab. 1
BCLC-Klassifikation
zur Einschätzung der
Prognose von Patienten mit HCC sowie
zur Therapiestratifizierung.
Lokoregionale Behandlungen
0-A
Systemische Behandlung
systemische Chemotherapie
kein Überlebensvorteil
1iiA
Immuntherapie
kein Überlebensvorteil
1iiA
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tiven Therapien zugeführt werden: chirurgische Tumorresektion, Lebertransplantation
oder einer lokal-ablativen Therapie (2).
Eine intrahepatische Rezidivrate von 70%
innerhalb von 5 Jahren stellt den entscheidenden Nachteil der Resektion gegenüber der
Lebertransplantation dar (11). In 60–70%
der Fälle sind dies intrahepatische Metastasen, welche zum Zeitpunkt der Resektion
nicht detektiert wurden, in 30–40%
De-novo-HCC. Adjuvante Strategien zur
Prävention von Tumorrezidiven nach Resektion wurden in einer Vielzahl von Studien untersucht. Bisher gibt es keinen Konsens über
eine adjuvante Therapie nach Resektion eines
HCC. Hier besteht ein dringender Bedarf an
weiteren klinischen randomisierten Studien
(20).
Die Lebertransplantation ist die Methode
der Wahl für Patienten mit kleinen multinodulären HCC und einer fortgeschrittenen
Leberzirrhose. Sie bietet gleichzeitig die Möglichkeit zur kurativen Sanierung der Leberzirrhose als Präkanzerose. Für Patienten mit
HCC innerhalb der von Mazzaferro publizierten so genannten Milan-Kriterien (singuläres HCC unter 5 cm oder bis zu 3 Tumoren
unter 3 cm) konnte ein 5-Jahresüberleben
Tab. 2
Evidenzbasierte Therapien beim HCC, modifiziert nach (15)
BCLC Stadium
Allgemeinzustand (PS) Tumor
Leberfunktion
A1
0
1 Herd < 5cm
keine portale Hypertension
normales Bilirubin
A2
0
1 Herd < 5cm
portale Hypertension
normales Bilirubin
A3
0
1 Herd < 5cm
portale Hypertension
Bilirubin erhöht
A4
0
= 3 Herde < 3cm
Child Pugh A oder B
B
0
groß multilokulär
Child Pugh A oder B
C
1–2
Gefäßinvasion oder
Metastasen
Child Pugh A oder B
D
3 –4
egal
Child Pugh C
von zirka 75% sowie Rezidivraten von weniger als 15% erzielt werden (19).
Limitierender Faktor ist der Mangel an
Spenderorganen, der zu einem Tumorprogress bei bis zu 50% der Patienten auf der
Warteliste führt. Die meisten Transplantationszentren wenden daher neoadjuvante Therapien an. In den vergangenen Jahren hat sich
die Leberlebendspende als Alternative zur Expansion des Spenderpools zunehmend etab-
liert. Die meisten Zentren orientieren sich bei
der Leberlebendspende an den gültigen Listungskriterien sowie den Milan-Kriterien
(11). Eine kürzlich von Mazzaferro publizierte retrospektive Analyse von Daten von 1556
Patienten, die bei HCC mit LTX behandelt
wurden, identifizierte eine mikrovaskuläre
Invasion, Tumorgröße und Tumoranzahl als
die für das Gesamtüberleben nach LTX entscheidenden Parameter. Bis zur klinischen
Abb. 2
Strategie für Staging
und Therapieentscheidung bei Patienten mit HCC, modifiziert nach (1, 14).
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Anwendung molekularer prognostischer
Profile schlagen Mazzaferro et al. (18) die Anwendung der „up-to-seven criteria“ anstelle
der Milan-Kriterien vor. „Up-to-seven“ bedeutet, dass Patienten mit HCC für eine LTX
in Frage kommen, wenn 7 als die Summe der
Größe des größten Tumorknotens (in cm)
plus der Anzahl der Tumore nicht überschritten wird.
Intermediäres Stadium
Die intermediäre Gruppe beinhaltet Patienten, die ein HCC aufweisen, das außerhalb
der Milan-Kriterien liegt, die aber keine tumorassoziierten Symptome, extrahepatische
Ausbreitung (M0, N0) oder makrovaskuläre
Invasion haben. Patienten mit HCC im Intermediär-Stadium sollten mit transarterieller
Chemoembolisation (TACE) behandelt werden. TACE ist das einzige der nicht-kurativen
Verfahren, für das in einer Metaanalyse eine
verbesserte Überlebensrate bei HCC-Patienten gezeigt werden konnte (9, 13). Für andere
Therapien wie die systemische Chemotherapie, Radiotherapie, Tamoxifen, Anti-Androgene und Octreotid hat man keinen Überlebensvorteil nachweisen können. Bei der TACE wird die tumorversorgende Arterie
(HCCs werden fast ausschließlich durch Äste
der A. hepatica versorgt) zuerst angiografisch
identifiziert. Chemotherapeutika, meist Anthrazykline wie Adriamycin und/oder Platinderivate wie Cisplatin gelöst im lipophilen
Kontrastmittel Lipiodol, werden dann über
diese Arterie in den Tumor injiziert. Zusätzlich wird im Anschluss die tumorversorgende
Arterie embolisiert.
Fortgeschrittenes Stadium
Patienten mit fortgeschrittenem HCC (tumorassoziierte Symptome, extrahepatische
Ausbreitung und/oder makrovaskuläre Invasion) haben eine 1-Jahres-Überlebensrate
unter 50% und sollten in klinische Studien
mit neuen Therapien eingeschlossen werden.
Mit den Ergebnissen der SHARP-Studie (Sorafenib Hepatocellular Carcinoma Assessment Randomised Protocol) wurde ein erster
Durchbruch in der systemischen Behandlung
von fortgeschrittenen HCCs erzielt. Der Tyrosinkinase-Inhibitor Sorafenib erzielte im
Vergleich zu Placebo eine signifikante Verlängerung des medianen Überlebens (10,7 vs. 7,9
Monate) (17) und ist somit die erste systemische Therapie, die bei Patienten mit HCC zur
einer Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit führt.
Abb. 3 Molekulare Therapien, die beim hepatozellulären Karzinom (HCC) evaluiert werden und die Signalwege, in die sie eingreifen, modifiziert nach Llovet et al. (14).
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Die Ergebnisse der SHARP-Studie wurden
in einer weiteren Phase-III-Studie mit 271
HCC-Patienten aus 23 Zentren in China,
Südkorea und Taiwan bestätigt (3). Sorafenib
ist ein oraler Multi-Kinase-Hemmer, der die
Tumorzellen und die Tumorgefäße angreift.
In präklinischen Modellen beeinflusste Sorafenib zwei Kinase-Klassen, die am Zellwachstum und an der Angiogenese mitwirken. Zu
diesen Kinasen gehören die RAF Kinase,
VGFR-1, VEGFR-2, VEGFR-3, PDGFR-B,
KIT und FLT-3 und RET. Sorafenib stellt den
neuen Standard in der palliativen Behandlung des fortgeschrittenen HCC dar und wird
künftig Kontrollarm für weitere Studien sein.
Hiermit verbunden ist die Frage nach geeigneten primären und sekundären Endpunkten in kontrollierten Phase-II/III-Studien. Die Konsensuskonferenz der EASL (European Association for the Study of the Liver)
und der AASLD (American Association for
the Study of Liver Diseases) empfiehlt „Time
to Progression“ (Zeitraum zwischen dem
Einschluss in die Studie bis zur radiologischen Progression der Erkrankung) als optimalen primären Endpunkt in Phase-II-Studien beim HCC. In Phase-III-Studien wurde
das Gesamtüberleben, in adjuvanten Studien
„Time to Recurrence“ als optimaler primärer
Endpunkt definiert (16).
giogener Faktoren wie VEGF, PDGF und Angiopoietin 2 im HCC ist etabliert. Einige Publikationen zeigen eine prognostische Bedeutung von VEGF-Plasma-Spiegeln. Dies begründet die Rationale für den Einsatz von antiangiogenetischen Substanzen beim HCC.
Derzeit stehen zwei Ansätze zur Verfügung: die Applikation von Antikörpern, die
den für die Blutgefäßbildung essenziellen
Wachstumsfaktor VEGF binden und inaktivieren, oder intrazellulär wirkende Moleküle,
die die Aktivierung des VEGF-Rezeptors unterdrücken. Der rekombinante humanisierte
Antikörper Bevacizumab, der das VEGF-Molekül bindet und inaktiviert, ist bisher in Phase-II-Studien beim HCC untersucht worden.
Bevacizumab hat bei Patienten mit HCC sowohl als Einzelsubstanz als auch in Kombination zu viel versprechenden Ergebnissen geführt.
Die Aktivität des VEGFR kann außer
durch blockierende Antikörper auch durch
kleinmolekulare Inhibitoren der Tyrosinkinase-Aktivität des Rezeptors blockiert werden. Die Mehrzahl dieser Mutikinase-Inhibitoren blockiert neben den VEGF-Rezeptoren
auch andere Wachstumsfaktor-Rezeptoren.
Beim HCC wird derzeit der bereits beim Nierenzellkarzinom sowie bei gastrointestinalen
Stromatumoren zugelassene Multikinase-Inhibitor Sunitinib in Phase-II- und Phase-IIIStudien getestet (8, 10).
Fazit für die Praxis
●
●
●
●
●
●
●
●
●
Neue molekulare Therapien
Die SHARP Studie hat gezeigt, dass Patienten
mit HCC von einer systemischen molekularen Therapie profitieren können. Somit ist
der Ansatz richtig, zunächst die molekulare
Pathogenese zu verstehen, um dann gezielt
rationale, molekulare Therapien zu entwickeln und zu evaluieren (22). 씰Abbildung 3 zeigt für die Hepatokarzinogenese relevante Signalwege und neue molekulare
Therapien, die in diese Signalkaskade eingreifen (7, 14, 24).
Antiangiogenetische Substanzen
Auf Grund der in der Mehrzahl der HCC
nachweisbaren starken Vaskularisierung
kommt Therapieansätzen, die auf eine Verhinderung des Wachstums von tumorversorgenden Blutgefäßen abzielen, eine besondere
Bedeutung zu. Die Überexpression pro-an-
Molekulare Therapien, die gezielt
Wachstumsfaktoren und
deren Rezeptoren angreifen
●
Die Blockade von Wachstumsfaktor-Rezeptoren, die bei vielen HCC überexprimiert
werden, stellt ein weiteres innovatives Therapiekonzept dar. Zu den in der Hepatokarzinogenese wichtigen Wachstumsfaktoren gehören der Epidermal-Growth-Factor-Rezeptor (EGFR), der Fibroblast-Growth-FactorRezeptor (FGFR), der Hepatocyte-GrowthFactor-Rezeptor (HGFR), der Stem-CellGrowth-Factor-Rezeptor (c-kit), der PlateletGrowth-Factor-Rezeptor (PGFR) sowie der
Vascular-Endothelial-Growth-Factor-Rezeptor (VEGFR).
Die Aktivierung dieser Rezeptoren induziert intrazelluläre Signaltransduktionswegen, die unter anderem den Ras-RafERK1/2-MAPK-Signalweg aktivieren und
●
●
Das Hepatozelluläre Karzinom ist weltweit der fünfthäufigste Krebs und die
dritthäufigste krebsbedingte Todesursache.
HCC = Todesursache Nr. 1 bei Patienten
mit Leberzirrhose.
Die Inzidenz des HCC wird in den nächsten zwei Jahrzehnten weiter steigen.
Patienten mit einer Leberzirrhose haben
ein Risiko von 1–6 %/Jahr ein HCC zu
entwickeln.
Die Surveillance von Patienten mit Leberzirrhose ermöglicht die Früherkennung des HCC.
Patienten mit einer Leberzirrhose sollten
alle 6 Monate sonografisch und durch
Bestimmung des alpha-Fetoproteins
(AFP) untersucht werden. Eine neu aufgetretene Raumforderung in der Leber,
sollte weiter abgeklärt werden; der diagnostische Algorithmus berücksichtigt
die Größe der Läsion, das Gefäßmuster
in der Bildgebung und die Höhe des AFP.
Screening ist kosteneffektiv und verlängert das Überleben.
Chirurgische Resektion, Lebertransplantation und lokal ablative Verfahren sind
kurative Therapieansätze für Patienten
im Frühstadium.
Die TACE (Transarterielle Chemoembolisation) ist für ausgewählte Patienten
mit nicht resektablem, nicht zu großem
HCC (Intermediärstadium), mit nicht
wesentlich eingeschränkter Leberfunktion, lebensverlängernd.
Für Patienten mit fortgeschrittenem
HCC ist der Tyrosinkinase-Inhibitor
Sorafenib die erste systemische Therapieoption, die zu einer Verlängerung des
Gesamtüberlebens führt.
Die Charakterisierung der molekularen
Veränderungen, die zur Entstehung eines HCC beitragen, eröffnet neue therapeutische Optionen durch zielgerichtete
Interventionen.
Neue molekulare Substanzen, die u. a.
Angiogenese, Tumorzellproliferation,
Wachstumsfaktor-Rezeptoren blockieren, befinden sich im präklinischen und
klinischen Test.
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Proliferation auslösen. Eine Blockade des
Ras/MAPK-Signalwegs kann durch monoklonale Antikörper gegen EGFR (Cetuximab)
oder ErbB2/Her2neu (Trastuzumab) erfolgen. Der blockierende EGFR-Antikörper Cetuximab ist bereits für die Behandlung verschiedener Tumorerkrankungen zugelassen.
Cetuximab wurde in Phase-II-Studien beim
HCC geprüft. Neben der direkten Blockade
des EGF-Rezeptors durch blockierende Antikörper, führt auch die Inhibition der katalytischen Domäne von EGFR durch kleinmolekulare Inhibitoren, zum Beispiel durch Erlotinib oder Gefitinib, zu einer Blockade der
proliferativen Wirkung. Der TyrosinkinaseInhibitor Erlotinib wurde bereits in Phase-IIStudien bei Patienten mit nicht resezierbarem
HCC eingesetzt (8, 21).
PI3Kinase/Akt/mTOR
Die Aktivierung des PI3-Kinase-Signalwegs
führt zur Erzeugung des sekundären Botenstoffs Phosphoinositoltriphosphat und damit
zur Aktivierung der AKT(PKB)-Kinase. Zentrales Substrat der AKT-Kinase ist die so genannte „mammalian target of rapamycin“-Proteinfamilie (mTOR). mTOR reguliert Proteine, die an der Kontrolle des Zellzyklus beteiligt sind (23). Zellkulturuntersuchungen zeigen, dass mTOR-Inhibitoren
wie Rapamycin oder Everolimus die Proliferation von HCC-Zellen blockieren können.
Verschiedene mTOR-Inhibitoren befinden
sich derzeit in klinischer Testung (Temsirolimus), wobei RAD001 derzeit in einer PhaseI/II-Studie bei Patienten mit HCC getestet
wird (7, 10).
Wnt-Signalweg
Der Wnt-Signalweg ist bei mindestens 30%
der HCCs aktiviert. Obwohl mehrere therapeutische Zielstrukturen wie Wnt-Liganden,
Frizzled-Rezeptoren und der TLF/beta-catenin-Komplex identifiziert wurden, gibt es
bisher keine molekulare Therapieoption zur
Blockade dieses Signalwegs (14).
Interessenkonflikt
Es besteht kein Interessenkonflikt.
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