11 | 2013 Der Rabe des Elija ISSN 1861-4965 Zeitschrift des Dritten Orden im Karmel – Johannes Soreth www.dritterordenimkarmel.de Diakonenweihe von Paul Menting T.OCarm in Den Bosch (Niederlande) charistiefeier assistierten die vier neuen Diakone dem Bischof. Nach dem Gottesdienst waren alle Gläubigen zu einem Empfang im Priesterseminar St. Janscentrum eingeladen. Am folgenden Tag fand in Pauls Heimatgemeinde ein Festgottesdienst unter Mitwirkung der Kinder- und Jugendchöre statt. Hier assistierte Paul zum ersten Mal seinem Pastor in seiner neuen Funktion als Diakon. Anschließend war die Gemeinde zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Am Ende der Feierlichkeiten dankte Paul allen Anwesenden und bezog das Karmelcharisma – insbesondere die Geschwisterlichkeit, das Gebet und den Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden – auch auf die Arbeit eines Diakons. Im Geiste dieses Charismas will Paul seinen pastoralen Dienst in Nijmegen fortsetzen. Am Samstag, dem 9. November 2013, wurde Paul Menting von Bischof Antonius Hurkmans aus Den Bosch zum ständigen Diakon im Hauptberuf geweiht. 1999 hatte Paul sein Theologiestudium mit Schwerpunkt Spiritualität abgeschlossen. Im folgenden Jahr absolvierte er sein pastorales Praktikum in der Gemeinde ‚Heilig Landstichting‘ bei Nijmegen. Seit Juni 2000 war er in der ‚Emmaus-Gemeinde‘ zu Nijmegen als Pastoralreferent tätig. Im Juni 2012 fusionierte diese Gemeinde mit mehreren Nachbargemeinden zur heutigen Gemeinde ‚Heilige Dreifaltigkeit‘. In dieser Gemeinde wird Paul auch weiterhin tätig sein. Neben seiner Familie, Mitgliedern des Karmelordens und Freunden nahmen auch viele Gemeindemitglieder aus Nijmegen an der Weiheliturgie in der St. Janskathedraal in Den Bosch teil. Bischof Hurkmans betonte in seiner Predigt, dass ein Diakon zum Dienst an den Menschen berufen ist, und insbesondere den Menschen in Not beistehen soll. Nicht nur die Not an Leib und Leben sei damit gemeint, sondern auch die geistliche Not. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, solle Paul auch aus den reichen Quellen der Karmeltradition schöpfen, die ihm ja durch seine Mitgliedschaft im Dritten Orden ganz vertraut seien. Gemeinsam mit Paul wurden drei weitere Männer des Bistums zu ständigen Diakonen geweiht. Die Ehefrauen der Diakone legten den Weihe­ kandidaten die Stola und die Dalmatik an. Nach ihrer Weihe tauschten die vier Neugeweihten mit dem Bischof und den zahlreich erschienenen Diakonen des Bistums den Friedensgruß. In der Eu- Inhalt Diakonenweihe Paul Menting S. 1 Im Bauch von Mutter Gott S. 2 Diakonenweihe Frater Tobias Kraus Elisabeth Hense Buchbesprechungen S. 2 S. 6 Supplement Maria Petyts Visionen über den Holländischen KriegS. 9 Elisabeth Hense & Edeltraud Klueting Das Leben der hochgeschätzten Mutter Maria von der hl. Theresia übersetzt von Elisabeth Hense Über das innere Gebet Dominique de Staint Albert übersetzt von Edeltraud Klueting & Klaus R. Schenkelberger 1 S. 13 S. 19 Rabe des Elia Diakonenweihe von Frater Tobias Kraus O.Carm. in Mainz 11 | 2013 Konventes P. Lorenz van Rickelen mit dem neugeweihten Diakon den Friedensgruß aus. In der Eucharistiefeier assistierte Frater Tobias als neuer Diakon dem Bischof. Am Ende des Weihegottesdienstes bedankte sich Frater Tobias bei allen, die an der Feier teilgenommen und sie mitgestaltet haben, und lud zum anschließenden Empfang in den Klosterhof des Mainzer Konventes ein. Ab November wird Frater Tobias am Pastoralkurs des Pastoralseminars der PhilosophischTheologischen Hochschule Münster teilnehmen. Sein Diakonatspraktikum wird er in der Innenstadtpfarrei St. Joseph, Große Freiheit, HamburgAltona absolvieren. Am Sonntag, dem 20. Oktober 2013 wurde unser Mitbruder Frater Tobias Kraus O. Carm. von Bischof Wilmar Santin O.Carm. aus Brasilien zum Diakon geweiht. Bischof Wilmar ge­ hört zur Deutschen Provinz der Karmeliten und ist Bischof der Territorialprälatur Itaituba / Pará in Brasilien. Neben der Familie, Verwandten und Freunden von Frater Tobias nahmen zahlreiche Mitbrüder und Freunde des Mainzer Klosters an der Weiheliturgie in der Karmeliterkirche Mainz teil. Frater Tobias schloss im Sommer sein Studium der Theologie an der Gregoriana in Rom ab und gehört seit seiner Rückkehr aus Rom wieder dem Mainzer Ausbildungskonvent an. Bischof Wilmar wies in seiner Predigt auf zwei Gefahren hin, die das Diakonat bergen könne. Zum einen sei das Diakonat keine Wartezeit auf das Priestertum, sozusagen „ein Testlauf, um einen Priesterschein zu erhalten“. Zum andern sei der Diakon auch nicht nur ein Mitarbeiter für die Messe. Als Diakon komme es vielmehr darauf an, zu den Leuten zu gehen, die Menschen zu treffen, eine Kultur der Begegnung zu pflegen, wie es Papst Franziskus empfiehlt. Wörtlich sagte Bischof Wilmar zu dem Weihekandidaten: „Lieber Tobias, du darfst nicht ein Diakon wie jeder sein. Du bist und bleibst nach der Diakonenweihe ein Karmelit. Wenn Du Dein Diakonat ausübst, sollst du immer die Spuren hinterlassen, die zu einem Karmeliten gehören. Die Spur des Gebetes und die Spur der Meditation über das Wort Gottes.“ Die eigentliche Weihe erfolgte durch Handauflegung und Gebet. Nach dem Anlegen der Stola und der Dalmatik überreichte der Bischof dem neugeweihten Diakon das Evangeliar mit den Worten: „Empfange das Evangelium Christi: Zu seiner Verkündigung bist du bestellt. Was du liest, ergreife im Glauben, was du glaubst, das verkünde, und was du verkündest, erfülle im Leben.“ Danach tauschte Bischof Wilmar Santin, Provinzial P. Dieter Lankes und der Prior des Mainzer Im Bauch von Mutter Gott Michael vom hl. Augustinus (1622-1684) Jan van Ballaert wurde am 15. April 1622 in Brüssel geboren. Nach einer hervorragenden Schulausbildung bei den Augustinern trat er am 14. Oktober 1640 in den Karmel ein und erhielt den Klosternamen Michael vom hl. Augustinus. Michael entstammte einer sehr frommen und kinderreichen Familie. Bei seiner Priesterweihe am 10. Juni 1645 waren bereits drei seiner Brüder Weltpriester und drei weitere bei den Franziskanern; ein siebter Bruder legte während Michaels Primiz seine Gelübde im Karmel ab. Zwei seiner Schwestern gehörten der Beginenbewegung an, eine dritte war Tertiarin bei den Franziskanerinnen. Kaum 25 Jahre alt, wurde Michael Lektor in der Philosophie in Gent; dort begegnete er Maria Petyt, die noch ein Jahr jünger war als er. Ihre Beziehung entwickelte sich zu einer der großen mystischen Freundschaften jenes Jahrhunderts. Michael hatte verschiedene Ämter inne; er war Novizenmeister, Definitor, Prior in verschiedenen Klöstern und dreimal Provinzial. Er bemühte sich, die Reform von Touraine in den belgischen Konventen durchzusetzen und der kontemplativen Spiritualität so neue Impulse zu geben. Als geistlicher Begleiter war er sowohl bei den Laien als auch bei den Ordensleuten sehr beliebt. In seinen zahlreichen Büchern behandelte er den inneren Weg des Gebets; dabei verband er die reiche kontemplative Tradition Flanderns mit den Grundzügen der Karmelspiritualität. Viele seiner Werke erschienen in Niederländisch und 2 Rabe des Elia Latein, so auch folgende Werke, aus denen hier zitiert werden soll: „Het Godtvruchtigh Leven in Christo...“ im Jahre 1661 bzw. zwei Jahre später in erweiterter Form „Pia vita in Christo...“ und ebenfalls „Onderwijsinghe tot een grondighe verloogheninghe sijns selfs...“ im Jahre 1669 bzw. 1671 in teilweiser Anlehnung an die „Pia vita“ die „Institutionum mysticarum libri quatuor...“. Das letztgenannte Werk faßt die Essenz Michaels geistlicher Lehre zusammen. Die „Einsamkeit von zehn Tagen“ (Eensaemheydt van thien daghen) und „Das engelhafte Leben“ (Het enghels Leven) liegen nur in Niederländisch vor. Michaels Beschreibungen des mystischen Lebens und seine gut ausgearbeitete spirituelle Theologie bauen sehr häufig auf der mystischen Erfahrung Maria Petyts auf, deren Schriften er 1683/1684 in einem vierteiligen Werk herausgab. Am 2. Februar 1684 starb Michael vom hl. Augustinus in Brüssel. Immer wieder betonte Michael, daß das geistliche Karmelgebirge zwei Höhenzüge kennt, nämlich das kontemplative und das aktive Leben. Darum ist der Weg der KarmelitINNen auch ein doppelter: sie müssen mit Maria und Martha (Lk 10, 38-42) beide Bergspitzen der Karmelspiritualität ersteigen, wissend, daß Maria den besten Teil erwählt hat. Es war wohl gerade die kontemplative Gipfelerfahrung, die Michael zu einem weiblichen Gottesbild inspirierte. Wenn der Mensch sich ganz auf den stillen Gipfel der unmittelbaren Gottesschau mitnehmen läßt, kann er Gott auf mütterliche Weise erfahren: 11 | 2013 Das Bild des schnarchenden Kindes auf dem Schoß der Mutter deutet den Höhepunkt der kontemplativen Erfahrung als eine intensive Nähe zum schöpferischen Urgrund des Lebens, als eine sorglose Hingabe an diese unfaßbare Tiefe und als ein friedliches Genießens der unerschöpflichen Fülle des Lebens. Mehr noch als der Vater ist die Mutter Symbol für die lebenschenkende und umhegende Kraft. Wie der mütterliche Schoß der Ort der körperlichen Herkunft des Menschen ist, so ist der göttliche Schoß der Ort seiner geistigen Herkunft. Beiden, dem mütterlichen und dem göttlichen Schoß, muß der Mensch begegnet sein, um aus der Erfahrung zärtlicher Umhegung heraus mit Gott und den Menschen ein Leben in Vertrauen und Liebe leben zu können. Die Erfahrung der Geborgenheit, des Friedens und Genießens in Gott macht den Menschen sanftmütig und gelassen. Er lebt dann nicht länger in der Angst, zu kurz zu kommen, oder mit eigener Leistung und Anstrengung, sein Glück gegen die Interessen anderer verteidigen und sicher stellen zu müssen. Er überläßt sich vielmehr seiner göttlichen Mutter und wird von ihr gestärkt und genährt mit Liebe. Dieser süße Schlaf überkommt meistens die kleinen Kinder, das sind die sanftmütigen Menschen, die wie Säuglinge des allmächtigen Gottes sind, sorglos an der Brust der göttlichen Gunst liegen und wie Neugeborene arglos nach Milch verlangen (1 Petr. 2,2); zu diesen spricht der hl. Prophet David: Wirf auf den Herrn all deine Sorgen, er wird dich nähren (Ps 55). Und so machen sie es auch, liegen an den Brüsten des inneren Trostes und schlafen ganz leicht ein. Zu diesen spricht unser Herr: Wie eine Mutter ihr Kind streichelt und es ihm behaglich macht, so werde ich euch trösten (Jes 66,13). Die kleinen Kinder saugen und nehmen ihre Nahrung im Schlaf auf. So ergeht es auch den Sanftmütigen, die in einer intensiven Kontemplation wie in einem tiefen Schlaf sind: gerade wenn Gedenken, Verstehen und Empfinden keinen Einfluß auf sie haben, werden sie am allermeisten genährt. Ich bin davon überzeugt, daß dies ein Vorspiel und ein Vorgeschmack des ewigen Schlafes in himmlischer Ruhe ist, wovon David sagt: Seinem Geliebten gibt Gott Schlaf (Ps 127). Ich Ein gottliebender Mensch fühlt manchmal während des Betens folgendes: er scheint zu großer Stille hingezogen zu werden, er ist wie von Gott durchdrungen und umringt oder in Gott eingeschlossen, er ruht in ihm auf süße Weise, schläft aber nicht. Man könnte diese Verfassung eine träumende Ruhe nennen, denn einerseits ist es ein wahres Ruhen und Genießen von Frieden in Gott, so daß der Mensch körperlich nicht fühlt, wo er ist oder wie es ihm geht... und so atmet er in Gott und schnarcht gleichsam in Gott wie ein Kind im Schoß seiner Mutter: geborgen, zufrieden, gesättigt usw.1 Michael vom hl. Augustinus, D’aenbiddinghe Godts in den Geest ende waerheyt, in: Onderwijsinghe tot een grondighe verloogheninghe sijns selfs, ende van alle cre1 aturen, ende tot een godt-vormigh goddelijk leven in Godt om Godt, Mechelen 1669, S. 42-43. 3 Rabe des Elia meine nämlich, daß die Seligen im Himmel wie im Bach der Lust und dem Meer des göttlichen Wesens ertrunken sind oder auch in Gott liegen wie kleine Kinder im Bauch ihrer Mutter und daß die Seligen nach ihrer Gewohnheit fortwährend in einer klaren Über-Schau schlafen und da in Ewigkeit leben im Genuß der Gottheit so wie ein Kind im Bauch seiner Mutter fortwährend schläft und dennoch mit der Nahrung und Substanz der Mutter genährt wird.2 11 | 2013 Angst hat, sich von seiner Mutter zu entfernen, wenn es mit etwas spielt oder etwas anderes tut, was ihm gefällt und wozu es Lust hat, solange es auf dem Schoß seiner Mutter sitzt oder liegt.3 Das ausschließliche Fixiertsein auf den Gott der Liebe führt dazu, daß der Mensch sich von sich selbst und seinen egozentrischen Wünschen und Interessen loslöst. Die mystische Rückkehr auf den Mutterschoß hat nichts mit einem Rückfall in infantile Befriedigungsstrategien für egoistische Bedürfnisse zu tun. Der göttliche Schoß ist keine vom Ego entworfene, die Realität ersetzende Prothese, die die Konfrontation mit der eigenen Unvollständigkeit und den eigenen Defekten durch eine Art Selbstvergötterung kompensieren soll. Ganz im Gegenteil sehen wir hier einen völlig andersartigen Vorgang dargestellt: auf dem Schoß Gottes und im Bauch Gottes wird der Mensch befähigt, sich wie Gott in Liebe zu verschenken, selbst Vater und Mutter zu werden für andere, sie zu umhegen, zu stärken und zu nähren. Im Bauch der lebendigen, schöpferischen Gottheit, aus der alles Sein hervorgeht, findet der Mensch seinen eigentlichen Platz, da ist er geborgen, da hat er Frieden, da ist er in Harmonie mit seinem Ursprung, mit sich selbst, mit allen Geschöpfen. Aber verbirgt sich in diesen Bildern vom schnarchenden Kind auf dem mütterlichen Schoß oder vom Embryo im Bauch seiner Mutter nicht eine regressive Wunschvorstellung und ein eher bedenkliches Leitbild für geistliches Leben, das einem ungesunden Quietismus Tür und Tor öffnen kann? Das wäre wohl der Fall, wenn es Michael hier mehr um den Schoß und den Bauch zu tun wäre als um Gott. Doch nichts ist weniger wahr: Der Mensch, der in intensivem Liebesaustausch mit Gott lebt, hat keine Sorge um den Schoß oder den Bauch, er ist nur mit der Liebe selbst beschäftigt; nur Gott hat er im Auge, nur die Liebe interessiert ihn noch und gerade dadurch entfernt er sich nicht von Mutter Gott, sondern bleibt auf ihrem Schoß oder in ihrem Bauch und wird von ihr gestärkt und umhegt, was er auch tut: Wie gewandt muß man doch mit den verschiedenartigen Menschen umgehen. Nicht seinem eigenen Geist muß man sich fügen sondern der Verfassung der anderen, um friedlich in einem Haushalt zu leben und sich gegenseitig mit Liebe zur Seligkeit zu verhelfen. Ja, es ist die Liebe, die diese Fügsamkeit untereinander verursachen muß. Es ist die brüderliche Liebe, die keine Unannehmlichkeit, keine Unbequemlichkeit oder keine Unruhe scheut, um einem andern Angenehmes, Behaglichkeit oder Ruhe zu verschaffen. Die brüderliche Liebe ist nicht argwöhnisch und denkt nichts Schlechtes, sie erträgt gern alle Unvernünftigkeiten und Schwächen jedes einzelnen. Sie ist bereit, einem jeden in Freundschaft zu begegnen. Sie würde sich auszehren, um andern zu helfen; sie ist wie eine geistliche Amme oder Mutter, die sich gedrängt fühlt, anderen Süßes zu geben, ihnen nette Worte zu sagen, sie höflich zu behandeln.4 Der hl. Augustinus sagt: Liebe und tue was du willst. Ein Mensch, der so im Kuß des Friedens, in den Armen seines Liebsten und in der Liebe zu Gott ruht und da auf stille Weise bleibt und auf süße Weise damit beschäftigt bleibt, scheint in die Freiheit des Geistes versetzt zu sein... Seine eigentliche Hinwendung und Anhänglichkeit gilt Gott. In ihm ruht er und an ihm hängt er von Grund auf in einer aufrechten und festen Liebe, so daß alles, was er hervorbringt oder in ihm hervorgebracht wird, nur Gegenstand der göttlichen Liebeseruptionen ist. ... Gott liebend tut er, was er will. Es geht ihm wie einem Kind, daß keine Michael vom hl. Augustinus, D’aenbiddinghe Godts in den Geest ende waerheyt, in: Onderwijsinghe tot een grondighe verloogheninghe sijns selfs, ende van alle creaturen, ende tot een godt-vormigh goddelijk leven in Godt om Godt, Mechelen 1669, S. 51-52. 4 Michael vom hl. Augustinus, Eensaemheydt van thien dagen, Brüssel 1677, S. 459-460. 3 Michael vom hl. Augustinus, Het godtvruchtigh leven in Christo, Brüssel 1661, S. 176-177. 2 4 Rabe des Elia Die mütterliche Gotteserfahrung veranlaßt den kontemplativen Menschen zu einem mütterlichen Umgang mit seinen Mitmenschen. Die mystische Notwendigkeit des Loslassens und der Entblößung von allem Eigenen wird auf dem Gipfel der Kontemplation, dem wesenhaften Einswerden mit Mutter Gott, von gegenseitiger göttlichmenschlicher Liebe motiviert. Es ist Mutter Gott, die den Blick vom eigenen Ich wegzieht und auf den Gipfel des aktiven Lebens hinlenkt, denn eben diese kontemplative Liebeserfahrung mit Mutter Gott bewegt den Menschen zum positiven Denken, zur Menschenfreundlichkeit, zur liebevollen Sorge und Zuwendung. Erst beide Gipfel gemeinsam ermöglichen die ausgewogene und ausbalancierte Beschreibung der Hügellandschaft des geistlichen Lebens, die Michael vom hl. Augustinus als einen Schriftsteller mit reicher eigener Erfahrung auszeichnet. Wer beide Bergspitzen bestiegen hat, ist ein glücklicher Mensch und trägt zum Glück der Gemeinschaft bei, in der er lebt. Michael wünschte sich dann auch, bleibend unter dem Eindruck dieser Gipfelerlebnisse zu leben: 11 | 2013 Der gute Engel ist wie ein Pädagoge, oder Ziehvater eines adligen Kindes, das noch viel Abwechslung braucht, spielen muß und Nahrung benötigt, die seinem Alter und seiner Beschränktheit entspricht. Der Pädagoge oder die Amme achtet darauf, daß das Kind seine besten Kleider nicht schmutzig macht, sich nicht ungebührlich durchmogelt oder sich im Blick auf die Solidität seines Adels unangemessen verhält... Wenn sich das Kind schmutzig gemacht hat, so sorgt der Pädagoge oder die Amme dafür, daß es sofort gereinigt wird und ihm saubere Kleider gegeben werden. Wenn das Kind dann bei der Mutter oder Amme bleiben möchte, um ein bißchen zu spielen, so muß der Pädagoge das zulassen, doch sobald es möglich ist, entwöhnt oder entfremdet er das Kind dem Kinderspiel, um ihm mehr Reife einzuprägen... All diese Dingen sind auch auf viele fromme Menschen anwendbar, die unter der Begleitung oder der Vormundschaft des hl. Engels leben...6 Michael vom hl. Augustinus hat mit den drei Bildern vom mütterlichen Gott, vom mütterlichen Menschen und vom mütterlichen Engel kein feministisches Gesamtsystem für geistliches Leben entworfen. Die hier zitierten Texte finden sich über viele Werke verstreut und werden von Michael selbst nicht zu einem geschlossenen theologischen Konzept miteinander verbunden. Dennoch zeigt sich in diesen scheinbar zusammenhanglosen Texten auf originelle Weise eine durchaus konsistente Sicht auf das gesamte geistige Karmelgebirge. Die Kindheitserfahrungen Michaels dürften auf die hier besprochene Symbolik von großem Einfluß gewesen sein. Immerhin herrschte im Hause Ballaert offensichtlich ein Klima, das der geistlichen Entwicklung der Kinder sehr förderlich war (s.o.). Natürlich sprach Michael an vielen Stellen seiner Werke auch vom Vater-Gott, vom väterlichen und brüderlichen Menschen, vom väterlichen Engel und selbstverständlich bediente er sich auch gern der Symbolik vom Bräutigam und der Braut, wenn er die Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch darstellte. Im Rahmen dieses Aufsatzes mußte auf eine Untersuchung solcher Textstellen verzichtet werden. Ach, wenn die Liebe doch in mir brennen würde und frei in mir am Werk wäre! Es ist wirklich wahr, liebevolle Klosterleute sind glücklich und die Gemeinschaft, wo es solche gibt, ist glücklich. Denn sie sind wie Väter oder Mütter und Tröster der anderen; sie sind die Pfeiler des Glaubens.5 Der väterliche oder mütterliche Mensch vergegenwärtigt für andere Gottes väterliches oder mütterliches Wesen. Indem sich der väterliche oder mütterliche Mensch immer mehr zu dem entwickelt, zu dem er erschaffen ist, nämlich voll­ kommenes Bild Gottes zu werden, vermag Gott sich in diesem Menschen als Vater und Mutter zu offenbaren. Ein väterliches und mütterliches Klima im Umgang miteinander fördert den geistlichen Entwick­ lungsprozeß jedes einzelnen und gibt einer Gemeinschaft Stabilität trotz der persönlichen Fehler und Unzulänglichkeiten ihrer Mitglieder. Im Bild des väterlichen aber mehr noch mütterlichen Engels beschrieb Michael dieses für geistliche Reifung so unentbehrliche Klima: Michael vom hl. Augustinus, Het enghelsch Leven, Yperen 1681, S. 126-128. Michael vom hl. Augustinus, Eensaemheydt van thien dagen, Brüssel 1677, S. 392. 6 5 5 Rabe des Elia 11 | 2013 dem Hintergrund des philosophischen mystischen Atheismus mit der atheistischen Mystik bei Johannes vom Kreuz und Therese von Lisieux. Kapitel IV fasst zusammen und bringt die Kernpunkte christlicher Mystik ins Gespräch mit dem neuzeitlichen Atheismus. Aus der Mitte christlicher Gotteserfahrung heraus werden einige Antworten auf zentrale Argumente atheistischer Kritik am christlichen Gottesverständnis formuliert. Festzuhalten gilt es am Ende dieser Überlegungen, daß die Muttersymbolik in den Schriften Michaels der tragende Unterton seiner Mystik ist. Hier wie in seiner herzlichen Freundschaft mit Maria Petyt griff Michael anerkennend weibliche Impulse spirituellen Lebens auf und integrierte sie auf originelle Weise in den Gesamtzusammenhang seiner Spiritualität. Elisabeth Hense T.OCarm, 47533 Kleve Dieser Artikel wurde zuerst publiziert in: Christliche Innerlichkeit 2, 1995, 75-81. Edeltraud Klueting, Stephan Panzer und Andreas Scholten, Monasticon Carmelitanum – Die Klö­ ster des Karmelitenordens (O.Carm.) in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart, Mün­ ster: Aschendorff Verlag 2012. 12 Karten und 92 Siegelabbildungen, 1032 Seiten. Buchbesprechungen Manuel Schlögl, Mystik – Atheismus – Dunkle Nacht. Johannes vom Kreuz und Therese von Lisieux im Gespräch mit dem neuzeitlichen Atheismus, Regensburg: Pustet 2013. Das epochale Grundlagen-Buch zu den deutsche Karmeliterklöstern In der abendländischen Ordensgeschichte sind die mittelalterlichen Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner sowohl allgemein bekannt als auch gut erforscht. Anders war dies bei der im Heiligen Land entstandenen Eremitengemeinschaft, die erst im Jahre 1247 mit ihnen rechtlich gleichgestellt wurde, und deren erstes Kloster des deutschen Sprachraums 1256 in Köln entstand, bei dem Karmeliterorden. In den neueren regionalen Klosterbüchern, die meist mit der Epoche der Säkularisation um 1800 enden, finden die jeweils wenigen Karmeliterklöster zwar Berücksichtigung, aber eine umfassende Darstellung der Klöster dieses Ordens war schon lange Zeit ein Forschungsdesiderat. Nach dem Startschuss für das große Forschungsprojekt seitens der beiden (noch getrennten) Provinzleitungen in Mainz im Jahre 2005 konnte zu dem am 1. Januar 2013 erfolgten Zusammenschluss der Nieder- und Oberdeutschen Karmeliterprovinzen „just in time“ dieser mit über 1000 Seiten gewichtige Band nach sieben Jahren intensiver Forschungsarbeit von 55 Autorinnen und Autoren vorgelegt werden. Das von dem Herausgeberteam Edeltraud Klueting, Stephan Panzer und Andreas H. Scholten solide und zuverlässig bearbeitete „Klosterbuch“ gliedert sich in fünf Teile. Nach dem Vorwort der beiden Provinziale umschreiben die drei Herausgeber in ihrem Vorwort u. a. die räumliche Begrenzung (vom Ijsselmeer bis Fünfkirchen/Pécs) sowie die systematische Gliederung der Einzelar- Haben Mystik und Atheismus etwas miteinander zu tun und wenn ja, was? Dieser Frage geht Manuel Schlögl in seiner Doktorarbeit mit dem oben genannten Titel nach. Kapitel I befasst sich mit den großen theologischen Entwürfen des 20. Jh., in denen eine ganze Reihe von Hinweisen auf eine Beziehung zwischen Mystik und Atheismus erkenntlich sind. Kapitel II zeichnet einen mystischen Atheismus bei Hegel, Feuerbach und Nietz­­sche nach. Kapitel III beschäftigt sich vor 6 Rabe des Elia tikel der 58 Klöster vor der Säkularisation und der 23 Klöster des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Aufarbeitung der Geschichte der Ordenshäuser bis in die unmittelbare Gegenwart kann als besonderes „Alleinstellungsmerkmal“ dieses Klosterbuches gelten. Gerade dieser Teil des Werkes ist ein Spiegelbild der Veränderungsprozesse in der modernen Gesellschaft. Unter den breit herangezogenen Quellen ist das niederdeutsche Provinzarchiv im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt für die Zeit vor 1802/1803 von besonderer Bedeutung. Auf den ersten 80 Seiten bieten Edeltraud Klueting und Stephan Panzer einen prägnanten Überblick der Entwicklung der deutschen Provinzen vor und nach der Säkularisation, wobei als Besonderheiten die Sächsische (1440-1524) und die Kölnische Provinz (1613-1624) von einer spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Blütephase des Karmeliterordens zeugen. In der Zeit des Baseler Konzils war die niederdeutsche Provinz 14421450 in ein siebenjähriges Schisma geraten, und im 17. Jahrhundert wurde sie von der Tourainer Reform geprägt. Während in der SäkularisationsEpoche die Niederdeutsche Provinz erloschen war, wurde das bayerische „Aussterbekloster Straubing“ zum Bindeglied für die neue Oberdeutsche Provinz in der Gestalt der 1879 dann entstandenen Germano-Hollandia. Bei der zuletzt 1969 auch wiedergegründeten Niederdeutschen Provinz machte sich schon bald die allgemeine „nachkonziliare Berufungskrise“ bemerkbar. Dieser brillante Überblick mit den Listen der jeweiligen Häuser, Provinziale und Quellen wird vertieft durch den zweiten Teil der insgesamt 12 vorangestellten Karten von Karsten Bremer und der 92 abgebildeten Siegel. Die sechs Provinzkarten zeigen die Frauen- und Männer-Klöster von 1347 bis 1991. Als deutliche Schwerpunkte der Verbreitung der Karmeliterklöster werden die Regionen Rhein, Main und Donau sichtbar. In den sechs Städte-Karten von Bischofssitzen vom Jahre 1500 (Augsburg, Köln, Magdeburg, Mainz, Trier, Würzburg) ist das Karmeliterkloster jeweils signifikant markiert. Beeindruckend ist die Bildserie der Provinz-, Konvents- und Prioren-Siegel, wobei es eine „sphragistische“ Besonderheit ist, dass Edeltraud Klueting erstmals der Nachweis gelingt, dass das Große Siegel der Kölner Universität dem Siegel der Deutschen Karmeliter-Provinz nachgebildet ist. Den Hauptteil des Bandes bilden die nach dem 11 | 2013 im Vorwort (S. 13) erläuterten Schema erarbeiteten 55 Kloster-Artikel von Aachen bis Würzburg (S. 113-795), wobei Geldern und Köln je ein Männer- und ein Frauenkloster aufweisen konnten. Angesichts der 670 Seiten gut gegliederter und kompakter Information sind die jedem Artikel vorangestellten Kurzdarstellungen der Konvente eine sehr gute Einstiegsorientierung. Sie lassen das Profil der jeweiligen Konvente im Kontext der Geschichte gut erkennen und dokumentieren ihre Geschichte, Bedeutung und Wirkung. In den Provinzkarten 1505 und 1566 wird die Reformation als größte Zäsur der älteren Ordensgeschichte deutlich erkennbar. Auffallend sind die zahlreichen Klosterstiftungen des regionalen und katholisch (gebliebenen) Adels. Den profunden und umfassenden Artikel über den bedeutendsten und größten Karmeliterkonvent des deutschen Reichsgebiets, Köln am Waidmarkt (S. 386-421), konnte Edeltraud Klueting glücklicherweise vor der Katastrophe des Einsturzes des Historischen Archivs der Stadt Köln (3. März 2009) abschließen. Das „Überleben des Klosters Straubing“ und die personellen Verbindungen mit den niederländischen Klöstern Boxmeer und Zenderen führten im Jahre 1879 zur Gründung der Provincia Germano-Hollandia unter dem Patronat der hl. Jungfrau Maria vom Berge Karmel und der Propheten Elija und Elischa. Wieder auf vier Klöster 7 Rabe des Elia angewachsen, entstand 1897 unter dem Provinzvikar Anton Seidl die Bayerische Provinz unter dem Titel „Beata Maria Virgo Dolorosa“ neu. Mit der Darstellung der Niederlassungen von Bad Reichhall bis Xanten auf rund 150 Seiten bietet das Monasticon Carmelitanum hier 23 insgesamt sehr gelungene und fundierte Konventsgeschichten bis ins postmoderne 21. Jahrhundert hinein, wobei das Schwergewicht der Klöster eindeutig an Rhein und Donau bzw. Süd- und Westdeutschland liegt. Aus der auch kirchlichen AufbruchPhase nach dem Zweiten Weltkrieg in der alten Bundesrepublik sind die eigene philosophischtheologische Hochschule in Wegberg (1958-1964) und die Gründung der Niederdeutschen Provinz (1969) zu nennen. Auch der Wiederbelebungsversuch des 1523 im Bauernkrieg zerstörten Klosters Ohrdruf in der Diözese Erfurt nach der Wiedervereinigung Deutschlands und in der Nachfolge von Schönstatt-Patres ab 1991 zeigt die Schwierigkeit auch für karmelitanisches Leben, in der „religionslosesten Region der Erde“ (US-Religionsmonitor 2012) auf Dauer wirken zu können. Demgegenüber war z. B. „Bamberg durchweg ein großer Konvent und seelsorglich überregional bedeutsam“ (S. 808). Nicht übersehen werden dürfen in den beiden Provinzgeschichten seit dem 19. Jahrhundert die seit 1951 „in der Mission“ hinzu gewachsenen Konvente in Brasilien (9), Indien (5) und Kamerun (2). Der Anhang des überzeugenden und großartigen Werkes bietet die „Regel des Ordens der Brüder der seligen Jungfrau Maria vom Berge Karmel“ in der Fassung von 1998 sowie ein Abkürzungsverzeichnis. Die von vier Autoren erarbeiteten zuverlässigen Personen-, Orts- und Sachregister erschließen diese einmalige Fundgrube zu über 750 Jahren Karmeliter in Deutschland, die in keiner wissenschaftlichen, karmelitanischen und kirchlichen Bibliothek als epochales Standardwerk der Ordensgeschichte fehlen darf. 11 | 2013 Impressum © Dritter Orden im Karmel – Johannes Soreth. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. ISSN 1861-4965 Redaktion: Drs. Ing. Paul Menting T.OCarm. Dr. Elisabeth Hense T.OCarm. Dr. Edeltraud Klueting T.OCarm. Reimund Haas Anschrift: Rehweg 15, 47533 Kleve E-Mail: [email protected] Redaktionsschluss für die zwölfte Ausgabe: September 2014. 8 Rabe des Elia Supplement Maria Petyts Visionen über den Holländischen Krieg Maria Petyt aufgenommen. Hier bezeichnen die Zahlen allerdings die Folia und nicht die Lagen. Diese Teile wurden von verschiedenen Händen geschrieben. F.Fol. 217r-221r und fol. 231r-452r (Ende des Codex) ist eine Ergänzung bzw. Fortsetzung des zweiten Teils der Vita. Diese Teile wurden ebenfalls von verschiedenen Händen geschrieben. G.Fol. 6r-29v sind zwei Indices. Das erste Inhaltsverzeichnis „Index capitum auctoris Vitae Ven. Matris Mariae…“ auf fol. 6r/v und fol. 9r-29v umfasst die 911 mit Kapitelnummern und Seitenzahlen gezählten Kapitel der „Vita Ven. Matris Mariae…“ (in der Literatur als zweiter Teil genannt). Das zweite Inhaltsverzeichnis ist nur fragmentarisch erhalten auf den fol. 7r-8v und umfasst Kapitel 56-158 der Vita (in der Literatur als erster Teil genannt). Einige Bemerkungen zu Codex Post III 70 im Archiv des Postulators O.Carm. zu Rom, Via Giovanni Lanza 138, in dem Maria Petyts Visionen überliefert werden. Bei der Durchsicht des Codex Post III 70 am 14.16. Januar 2013 wurden folgende Beobachtungen gemacht: Wir stellen fest, dass es sich bei dem Codex nicht um eine Handschrift handelt, die in einem eventuellen Kanonisationsprozess unmittelbar dem Heiligen Stuhl vorgelegt werden sollte. Der Zustand der Handschrift deutet darauf hin, dass es sich zum größten Teil um eine Vor­lage für eine Druckfassung der Vita der Maria Petyt handelt – für welchen Zweck auch immer. Ein kleinerer Teil des Codex war sicherlich nicht für den Druck vorgesehen. Begründung: Die Struktur der Handschrift lässt deutlich sieben Teile erkennen, die mit erheblichen Bruchstellen zusammengefügt wurden. Dabei handelt es sich in der Reihenfolge der (heutigen, nicht ursprünglichen) Foliierung um: A.Fol. 1r ist das Titelblatt, die Vorlage für den Drucker zur Gestaltung der Titelseite. Darauf weist auch die Anweisung auf dem aufgeklebten Papierstreifen in der oberen linken Ecke mit dem Hinweis „Titulus generalis prefigendus initio totius libri“ hin. B.Fol. 2r-5r ist das Vorwort „Praefatio ad lectorem et protestatio auctoris…“ des Michael vom hl. Augustinus zu dem gesamten Werk. Dass es sich um eine Druckvorlage handelt, geht aus dem aufgeklebten Papierstreifen mit der Aufschrift „Prefatio generalis prefigendus toti libro“ hervor. C.Fol. 30r-49v ist eine Beschreibung von Maria Petyts Visionen zum Holländischen Krieg. D.Fol. 50r-117v und fol. 200r-216v ist der erste Teil der Vita, der in diesen Teilen von derselben Hand geschrieben ist und – neben der durchgängigen neuen Foliierung – eine einheitliche ursprüngliche Foliierung von fol. 5-89 aufweist. E.Fol. 118r-199v und 222r-230v ist der zweite Teil der Vita. Auf Folio 118r-199r findet sich eine Zählung der Lagen (in der Regel Quaternionen) von 1/A-20/V. Die Zählung wird auf fol. 222r mit 21 und auf fol. 230r wieder Ad A: Fol. 1 weist einen anderen Schadensbefund durch Feuchtigkeitsspuren auf als die folgenden Blätter. Beim derzeitigen Zustand der Handschrift ist allerdings nicht zu entscheiden, ob dieses Blatt eventuell ursprünglich an einer anderen Stelle eingebunden war. Ad B: Auf Fol. 4v, Zeile 35 kündigt Michael vom hl. Augustinus an, dass die Vita (in der Literatur als erster Teil bezeichnet) 186 Kapitel umfasst und diese eine Ergänzung erhalten haben (in der Literatur als zweiter Teil bezeichnet): „et sic factum est, quod vitam suam non tam ex meo, quam ex Dei mandato scripserit stylo valde fluido, prout hic per 186 capita, deducta sequitur; neque in eam quidquam mutandum censui, neque addidi, nisi summaria capitum. Quia autem illa vita facile decem annis ante mortem eius rescripta fuit, et ab illo tempore ex simili mandato et oboedientia, plurima alia scripto mandavit, atque ut mihi de statu suo interiori rationem redderit, successive mihi tradidit examinanda, et discernenda, ex illis auctarium vitae illius componendum censui partim ad maiorem Dei gloriam, ut inde omnibus innotescant exuberantes divine erga hanc dilectam pietatis insinuationes, partim ad instructionem, consortionem et consolationem multarum Deum unico et sincere ….“ Zum Umfang der Vita (erster Teil) von 186 Kapiteln siehe unter D. Zum Umfang der Ergänzung (zweiter Teil) siehe unter E und F. Es kann ausgeschlossen werden, dass es sich um 9 Rabe des Elia Supplement ein Autograph von Marias Beichtvater Michael vom hl. Augustinus handelt. Ein Vergleich der Handschrift der Praefatio ad lectorem mit dem unzweifelhaft von Michael vom hl. Augustinus Maria Petyt 4.Fortsetzung auf fol. 34r-37v, ein Quaternio, geschrieben von Schreiber B. Diese Reihenfolge stimmt auch mit der Chronologie dieser Berichte überein. Es ist nicht unmittelbar ersichtlich, warum die ursprüngliche Reihenfolge der Blätter nicht beibehalten wurde, zumal – einmal abgesehen von dem Indexfragment auf fol. 7r-8v – nirgends sonst im Codex Seiten durcheinandergeraten sind. Ad D: Die Autopsie ergibt, dass der Beginn der Vita (erster Teil) unvollständig ist. Es fehlen die ersten vier Blätter. Im heutigen Zustand beginnt die Vita (fol. 50r) mit dem Ende des elften Kapitels der niederländischen Vita. Zu dieser Vita gehört das Indexfragment, das die Überschriften der Kapitel 56-158 verzeichnet. In seiner Praefatio ad lectorem führt Michael vom hl. Augustinus aus, dass er die Vita in 186 Kapitel eingeteilt und diese mit Überschriften versehen hat. Die Kapitel auf den fol. 50r-67v sind nicht im Indexfragment verzeichnet, die Kapitel auf fol. 68r-108v entsprechen den im Indexfragment verzeichneten Kapiteln 56-158, die restlichen von Michael angekündigten Kapitel stehen auf fol. 109r-117r. Tatsächlich entspricht der Umfang der eigentlichen Vita (erster Teil) nicht der von Michael angekündigten Länge von 186 Kapiteln. Der Befund nach ursprünglicher Foliierung ergibt einen größeren Umfang. Um diesen auf den genannten Umfang von 186 Kapiteln zu kürzen, wurden die überzähligen Kapitel auf fol. 117r/v (zeitgenössische Foliierung 72r/v) gestrichen und auf fol. 199r/v von einem anderen Schreiber eingefügt. Ebenso wurden die weiteren überzähligen Kapitel (zeitgenössische Foliierung 73-89) in die ergänzte Vita (zweiter Teil) verschoben und zwar auf fol. 200r-216v. Anhand der Kustoden lassen sich diese Verschiebungen verfolgen. Auf fol. 117v stand ursprünglich die Kustode „rationalem“, die im Text auf fol. 200r aufgenommen wird. Nach der Streichung der Kapitel auf fol. 117r/v wurde die Kustode ebenfalls gestrichen und durch die Kustode „Maria“ ersetzt, um den Anschluss an fol. 118 herzustellen. Allerdings ist die Kustode „Maria“ nichtssagend, da jede Seite in der Kopfzeile den Namen Maria enthält. Der starke Bruch zwischen fol. 117v und 118r spiegelt sich nicht nur in der Streichung der Kapitel und der ungewöhnlichen Kustode wieder, sondern auch in der Unterbrechung der zeitgenössischen selbst geschriebenen Brief vom 18. November 1678 ergibt, dass sich die Leitbuchstaben g, h, p, s, M und andere grundsätzlich unterscheiden. Hingewiesen sei auch auf die unterschiedliche Schreibung des eigenen Namens. Den Schreiber der Praefatio bezeichnen wir als Schreiber A. Wir identifizieren ihn als Schreiber der fol. 2r-5r (Praefatio), 30r-33v und 38r-41v (Holländischer Krieg) sowie 118r-129v (Fragment des zweiten Teils der Vita) und möglicherweise weiterer Lagen des zweiten Teils der Vita. Ad C: Die Visionen zum Holländischen Krieg wurden von den zwei bekannten Händen A und B geschrieben (von B stammen auch ein Teil des Index und weitere Textteile des zweiten Teils der Vita). Da diese Schreiberhände sowohl in der Praefatio wie im Index als auch im zweiten Teil der Vita und ebenso in den Berichten zum Holländischen Krieg identifiziert werden können, ist der Rückschluss erlaubt, dass die Berichte zum Holländischen Krieg originär zum vorliegenden Codex gehören. Die Verschränkung der Schreiberhände schließt aus, dass es sich bei den Berichten zum Holländischen Krieg um nicht authentische Ergänzungen oder um Verfälschungen handeln könnte. Bei der Autopsie hat sich ergeben, dass die heutige Reihenfolge der Lagen nicht die ursprüngliche Sequenz ist. Auf Grund der Kustoden ergibt sich folgende Korrektur: 1.Beginn auf fol. 38r-41v, ein Quaternio, geschrieben von Schreiber A, auf fol. 41r Kustode Jussu dei 2.Fortsetzung auf fol. 30r-33v, ein Quaternio, geschrieben von Schreiber A, auf fol. 30r Beginn Jussu dei, auf fol. 33v Kustode redit 3. Fortsetzung auf fol. 42r-49v, zwei Quaternionen, geschrieben von Schreiber B, auf fol. 42r Beginn Redit, auf fol. 49v Kustode in Folge Beschädigung verloren, 10 Rabe des Elia Supplement Maria Petyt Fol. 195 20 V Fol. 200 Fol. 73 Auf fol. 222r wird die Nummerierung der Lagen mit der Zahl 21 fortgesetzt. Sie bezeichnet nun nicht mehr eine Lage, sondern ein Blatt. Erst auf fol. 230r folgt die nächste Zahl 29, die ein Blatt zählt. Damit endet die alte Nummerierung. Im Textverlauf fehlen 6 Kapitel, die zwar im Inhaltsverzeichnis erscheinen, aber nicht kopiert wurden. Es handelt sich um die Kapitel 51-56. Da dieser Ausfall von Kapiteln mit einem Lagenund Schreiberwechsel korrespondiert, ist zu vermuten, dass die Kapitel vergessen worden sind. Kapitel 50 endet auf fol. 151v in einer unvollständigen Lage, der nur aus zwei Blättern bestehenden Lage I. Fol. 151v wurde nur mit sieben Zeilen beschrieben, daran schließt fol. 152r (Lage 10/K) mit Kapitel 57 an. Ad F: Fol. 217r-221r (221v vacat) und fol. 231r452r sind von mehreren Händen in unterschiedlich sorgfältiger Ausführung geschrieben worden. Ad G: Von den beiden Inhaltsverzeichnissen ist eines komplett, das andere nur als Fragment erhalten. Beide Indices stellen nicht das Inhaltsverzeichnis für die Druckvorlage dar und sind damit auch nicht das Inhaltsverzeichnis für diesen Codex. Die Indices könnten als Inhaltsverzeichnisse zu den heute nicht mehr bekannten Vorlagen für diese Abschrift gedient haben. Abweichend von den mit Kapitelnummern versehenen Indices enthält der Codex keine Zählung nach Kapitelnummern. In den Indices werden zu den einzelnen Kapiteln Seitenzahlen angegeben. Auch Seitenzahlen sind in dem Codex nicht vorhanden. Unsere Überprüfung, ob sich die Seitenzahlen mit der teilweise vorhandenen zeitgenössischen Lagenzählung und Foliierung in Einklang bringen lassen, ergab einen negativen Befund. a) Der „Index capitum vita Ven. Matris Mariae…“ (fol.6r/v und 9r-29v) wurde von zwei Händen geschrieben und erfasst die Überschriften aller Kapitel des sogenannten zweiten Teils der Vita auf den fol. 118r-452r. Einen der Schreiber nennen wir Schreiber B, der den Beginn (fol. 6r/v und 9r-15v) und das Ende (fol. 28r-29v) des Index geschrieben hat und außerdem: Fol. 34r-37v und 42r-49v (Holländischer Krieg), 164r-177v, 250r-257v, 355r-372v, 377r-380v, 387r-428v, 437r-452r. Den zweiten Schreiber nennen wir Schreiber C. Er schrieb fol. 16r27v. Foliierung: sie endet auf fol. 117r mit „72“ und wird auf fol. 200 mit „73“ wieder aufgenommen. Daraus lässt sich folgern, dass in eine bereits vorhandene Handschrift, die mindestens fol. 50r117v und 200r-216v (Ende der zeitgenössischen Foliierung) umfasste, der neue Text mit der Überschrift „Praefatio in vitam…“ (fol. 118r-199v) eingefügt und ab fol. 216v weitergeführt wurde. Die eigentliche Vita, deren erste Kapitel fehlen, wurde durchgängig von einer Hand geschrieben. Es handelt sich hierbei eindeutig nicht um ein Autograph von Michael vom hl. Augustinus. Ad E: Die „Praefatio in vitam Maria a Sta. Teresia Tertiaria Ordinis B.me Mariae de Monte Carmelo“ (zweiter Teil der Vita) beginnt – als Einschub in die zunächst umfangreichere erste Vita – auf fol. 118r. In diesem Teil wurde die Schreibarbeit auf verschiedene Hände verteilt. Zuerst wurde eine Zählung von Quaternionen (119, parallel dazu am Fuß der Seite A-T) bis fol. 193v durchgehalten. Darauf folgt ein Sesternio, beginnend mit einem leeren Blatt (fol. 194) und der Lagenzählung 20/V, die auf fol. 195r beginnt und bis 199v geht. Diese Lageneinteilung ist auf fol. 150r-152v (I,K) und fol. 172r-178v (P,Q) gestört. Auf die Lagenzählung folgt ab fol. 200r eine (alte) Zählung nach Folia, die mit fol. 73 beginnt und mit fol. 89 endet. Diese alte Zählung schließt mit dem altgezählten fol. 73 unmittelbar an die Foliierung der „eigentlichen“ Vita an, die im Codex mit dem heutigen fol. 117v endet. Daraus ergibt sich folgende Lagenzählung: Fol. 118 1 A Fol. 122 2 B Fol. 126 3 C Fol. 130 4 D Fol. 134 5 E Fol. 138 6 F Fol. 142 7 G Fol. 146 8 H Fol. 150 9 I Fol. 152 10 K Fol. 156 11 L Fol. 160 12 M Fol. 164 13 N Fol. 168 14 O Fol. 172 15 P Fol. 178 16 Q Fol. 182 17 R Fol. 186 18 S Fol. 190 19 T 11 Rabe des Elia Supplement b)Das Indexfragment wurde von einer Hand geschrieben, die weder mit A, B oder C identisch ist. Aus den dargestellten Beobachtungen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1. Der Text wurde als Druckvorlage aus mindestens zwei älteren Vorlagen kopiert. Eine wichtige Vorgabe für die Textkomposition war es, dass Michael vom hl. Augustin den Text der „eigentlichen“ Vita auf 186 Kapitel begrenzte. Dadurch ergab sich die Notwendigkeit der Ergänzung durch die Praefatio (ab fol. 118r). 2. Bemerkenswert ist, dass die Kapitel zum Holländischen Krieg im vollständigen Index (zum zweiten Teil der Vita) und im Indexfragment (zum ersten Teil der Vita) nicht auftauchen. Sie waren offensichtlich weder Teil der älteren Vorlagen noch sollten sie überhaupt im Druck erscheinen. Michael vom hl Augustin hielt sie zwar für so wertvoll, dass er sie aufschreiben ließ, fürchtete aber dennoch Irritationen beim Lesepublikum, wie er auf fol. 38r selbst formuliert: Maria Petyt zur Zeit des französischen Kriegs in Holland im Jahr 1672 und in den folgenden Jahren, ereignet haben. Als der König von Frankreich ein sehr großes Heer zusammengezogen hatte und in Holland einmarschierte, um (wie man fromm glauben darf) es vollständig einzunehmen und in den Schoß der heiligen Kirche zurückzuführen, wurde die ehrwürdige Mutter Maria von der heiligen Theresia auf wunderbare Weise wiederholt durch den Geist bewegt und angeleitet, für einen guten und wünschenswerten Ausgang dieses Krieges zu beten. Wie der Geist des Betens und der göttlichen Liebe damals in ihr gewirkt hat und mit welchem Ergebnis, werde ich hier nacheinander aus ihren Schriften darstellen, aber doch getrennt vom Kontext ihres übrigen Lebens, um zu vermeiden, dass das Missfallen bestimmter Personen erregt oder die Zweifel anderer geweckt werden. Und das Urteil darüber, ob diese Dinge nun aus dem göttlichen Geist hervorgegangen sind oder nicht, überlasse ich anderen, die sich hierauf verstehen und dergleichen abwägen können. Ich aber will diese Dinge in derselben Aufrichtigkeit erzählen, wie sie von ihr selbst aufgeschrieben und mir anvertraut wurden.“ „Aduertentia circa ea quae transacta sunt in V. Matre Maria a Sancta Theresia tertiaria Ordinis Fratrum Beatissimae Virginis Mariae de monte Carmelo tempore belli Gallici in Hollandia anno 1672 et sequentibus. Dum Rex Galliae maximo congregato exercitu Hollandiam invaderet animo (ut pie credere licet) illam totaliter occupandi, et ad gremium Stae Romanae Ecclesiae reducendi, valde frequenter V. haec mater Maria a Sta Theresia mirabiliter acta et directa fuit spiritu orandi pro bono et optato istius belli successu; qualiter autem spiritus orationis et diuini amoris in ipsa tunc operatus fuerit, et cum quali fructu, hic consequenter subiiciam ex ipsius scriptis seorsim tamen a contextu reliquae uitae ipsius, ne forte aliquibus displiceant, et nimiae uariorum Criisi exponantur, quae an a divino spiritu processerint vel ne aliorum quorum est similia examinare, et ponderare iudicio relinquo; referam tamen illa, ea sinceritate, qua ab ipsa scripta sunt, et mihi concredita.“ Dass der Teil über den Holländischen Krieg dem ersten und zweiten Teil zusammen mit den Indices vorangestellt wurde, erscheint logisch, da beides nicht zum Druck vorgesehen war. Dass das Titelblatt und die Praefatio ad lectorem dem gesamten Codex vorangestellt wurden, zeigt, dass der Schreiber, der die durchgängige Foliierung angebracht hat, nicht unterschieden hat zwischen dem zum Druck vorgesehenen Teil und dem hierfür nicht vorgesehenen Teil (die Indices und der Text über den Holländischen Krieg). 3. Dass der Buchbinder das Indexfragment (fol. 7-8) als lose Blätter zwischen fol. 6 und fol. 9 eingeschoben hat, zeigt, dass er sich der Tatsache bewusst war, dass fol. 7-8 eigentlich nicht hierhin gehören. Dass er ihnen – wenngleich in loser Form – aber trotzdem diesen Platz gegeben hat, wird nur dann verständlich, wenn er damit eine ihm bereits vorliegende Foliierung respektiert. Es ist daher zu vermuten, dass der Buchbinder nicht selbst die heutige durch- In deutscher Übersetzung: „Einige Bemerkungen über die Dinge, die sich in der ehrwürdigen Mutter Maria von der heiligen Theresia, Terziarin des Ordens der Brüder von der seligsten Jungfrau Maria vom Berg Karmel, 12 Rabe des Elia Supplement Maria Petyt Berichte zum Holländischen Krieg) auf grobe Weise falsch foliiert wurden. Die zum Druck vorgesehenen Teile weisen nirgends eine falsche Blätterfolge auf. Elisabeth Hense T.OCarm, 47533 Kleve & Edeltraud Klueting T.OCarm, 48165 Münster gängige Foliierung angebracht hat und somit auch nicht die ursprüngliche Reihenfolge der Folios zum Holländischen Krieg durcheinanderbrachte. 4. Es fällt auf, dass die Blätter beider zum Druck nicht vorgesehener Texte (die Indices und die Das Leben der hochgeschätzten Mutter Maria von der heiligen Theresia Rom, Carm. Archiv, Post III 70 (ehemals Post III 118), 38r-41v. Übersetzung von Dr. Elisabeth Hense, Radboud Universität Nijmegen In der letzten Ausgabe des Raben wurde eine Übersetzung der Seiten 30r-37v desselben Manuskripts geboten. Das Manuskript ist an vielen Stellen beschädigt und dadurch nicht immer zu entziffern. Diese Stellen sind mit drei Punkten (...) markiert. 38r Einige Bemerkungen über die Dinge, die sich in der ehrwürdigen Mutter Maria von der heiligen Theresia, Terziarin des Ordens der Brüder von der seligsten Jungfrau Maria vom Berg Karmel, zur Zeit des französischen Kriegs in Holland im Jahr 1672 und in den darauffolgenden Jahren, ereignet haben. helfen, nicht aber dem König, der mit seinem Königreich ihrer (Marias) Sorge anvertraut wird. Am dritten Mai 1672 schien der Geliebte mir wäh­ rend der Vesper anzudeuten, dass der König von Frankreich Ihm einen angenehmen Dienst erwiesen hat, indem er Holland angegriffen hat. Ihm wurde auch der Sieg versprochen. Der Geliebte trug mir auf, ihm mit meinen Gebeten zu helfen und in diesem Sinne Gehilfin und Bundesgenossin in seinem Heer zu sein. Den Spaniern jedoch schien gedroht zu werden, weil sie dem Geliebten missfielen, da sie die Holländer unterstützt und ihnen Hilfstruppen gesandt hatten, wodurch sie versuchten ... Holland wird zum katholischen Glauben zurückgeführt, doch schien es, dass das Missfallen ... des Geliebten nicht ... geradeheraus gegen den König oder die Königin, sondern gegen ... Darum befahl der Geliebte mir, wie es schien, dass ich die Jugend des Königs in meine Sorge um ihn und sein Königreich einbeziehen möge, und dass ich dies bewahren möge ... mit diesem Ziel empfing der Geist der Liebe wiederum einen neuen Zugang, Eifer ... ... Am vierten des genannten Monats wurde dieser Geist erneuert. ... Als der König von Frankreich ein sehr großes Heer zusammengezogen hatte und in Holland einmarschierte, um (wie man fromm glauben darf) es vollständig einzunehmen und in den Schoß der heiligen Kirche zurückzuführen, wurde die ehrwürdige Mutter Maria von der heiligen Theresia auf wunderbare Weise wiederholt durch den Geist bewegt und angeleitet, für einen guten und wünschenswerten Ausgang dieses Krieges zu beten. Wie der Geist des Betens und der gött­li­chen Liebe damals in ihr gewirkt hat und mit welchem Ergebnis, werde ich hier nacheinander aus ihren Schriften darstellen, aber doch getrennt vom Kontext ihres übrigen Lebens, um zu vermeiden, dass das Missfallen bestimmter Personen erregt oder die Zweifel anderer geweckt werden. Und das Urteil darüber, ob diese Dinge nun aus dem göttlichen Geist hervorgegangen sind oder nicht, überlasse ich anderen, die sich hierauf verstehen und dergleichen abwägen können. Ich aber will diese Dinge in derselben Aufrichtigkeit erzählen, wie sie von ihr selbst aufgeschrieben und mir anvertraut wurden. 38v Der Geliebte zeigt sich ihr und ist erfreut über die bevorstehende Besetzung Hollands. Er zeigt ihr den Eifer der neuen Katholiken und sagt, dass Sein Reich auch ihr gehört. Der Geliebte macht ihr deutlich, dass der König von Frankreich Ihm einen Dienst erwiesen hat, indem er Holland angegriffen hat. Er verspricht den Sieg und will, dass sie ihm hilft. Gott scheint den Spaniern zu drohen, weil sie den Ketzern Während der Geliebte wie gewohnt freundschaftlich mit mir sprach, schien Er unter anderem eine 13 Rabe des Elia Supplement Maria Petyt für den König von Frankreich gebetet wird ... ich wurde in meinem Herzen berührt, um für ihn zu beten, auch mit Tränen ... das schlechte und skandalöse Leben ... Verbesserung des Lebens ... was er verursacht ... ... große Freude, Vergnügen und Wohlgefallen zu zeigen, weil die Zeit bereits gekommen war, dass Holland katholisch werden sollte. Er war wie einer, der einem Vertrauten den bevorstehenden Ruhm und die Ehre kundtut und ankündigt, die Er dort durch das Gewinnen und die Bekehrung der Seelen erwerben wird, als ob Er danach lechzte, dass Er da König werden würde im Vollbesitz Seines Reiches. Er führte mir den Eifer und die Aufrichtigkeit vor Augen, mit der Ihm die neuen Katholiken dort [in Holland] dienen und Seinen heiligen Namen bekennen werden. Danach schien Er mir zu sagen: „Mein Königreich wird auch dein Königreich sein, Meine Ehre wird auch die deine sein und Mein Ruhm dein Ruhm.“ 39r Der Geliebte befiehlt der Seele, dass sie für diese Dinge beten soll. Unmittelbar und beinahe im selben Moment entsteht in meinem Herzen der Wunsch hiernach und das Empfinden hiervon. Es ist wie mit einem Funken im Feuer, der am Funkeln bleibt und nicht erlischt. Und wenn ich dies wahrnehme, bin ich ziemlich sicher, dass mir dies gegeben wird und Er mir am Herzen liegt. Am vierten Mai 1672 wurde meine Erinnerung erneuert, dass ich seit etwa zwei Jahren inbrünstig für den König von Frankreich zum Geliebten gebetet habe, als er ein so schlechtes Leben führte, und ich bat den Geliebten, mir diese Seele schenken zu wollen, die Er mir auch versprach und Er gab sie mir auch wirklich. Und ich verstand, dass bereits ein guter Eifer in ihm angelegt war wie ein Same oder ein Funke, der in seinem Herzen zu funkeln und zu wirken begann. Sie wird dazu inspiriert, dem Heer der Franzosen zu helfen und sie inspiriert diese, um allein für den Glauben zu kämpfen und sie besitzt ihnen gegenüber einen Geist von Liebe. Durch den freundschaftlichen Umgang mit dem Geliebten wurde in meinem Herzen das Feuer der Liebe umso mehr entzündet; eifrig und feurig sehnte ich mich danach, dem französischen Heer zu helfen, es zu ermutigen und zu inspirieren zu einem ganz eifrigen Eifer, um ganz allein für den Glauben zu kämpfen. Das Liebesfeuer leitet und führt den Geist in dem zuvor genannten Heer: nun zu den paramilitärischen Streitkräften, dann wieder zu den gewöhnlichen Soldaten, um sie in der Liebe Christi anzufeuern, zu inspirieren und zu ermutigen, damit sie ihren Leib und ihre Seele .... bringen und im Gehorsam Christi zur Verfügung stellen. So helfen sie mit, Christus auf den Thron seines Königreichs zu setzen und all seine Feinde zu vertreiben ... Die Empfindung des Eifers, durch die der Geist der Liebe eingenommen ist, ist sehr groß und außergewöhnlich, jedoch gut geordnet und reguliert. Als sie Jesus bat, dass Er das Heer der Franzosen segnen möge, wurde auch ihr befohlen, als Braut und als Gefährtin Jesu das Heer zu segnen. Mit mütterlichem Herzen kümmert sie sich um sie und macht hierbei Gebrauch von der Folgsamkeit der Engel. Als mein Geliebter einmal sehr freundschaftlich mit mir sprach so wie ein sehr liebevoller Bräutigam mit seiner liebsten Braut, sprach auch ich in vielen gleichartigen Worten mit Ihm, die ich unmöglich alle aufzeichnen kann. Unter anderem bat ich Ihn, dass Er das französische Heer segnen möge. Und Er seinerseits sagte zu mir: „Gib auch du ihnen den Segen, denn du bist Meine Gefährtin und Ich will dich mit Mir in dieser Ehre verbinden.“ Da sagte ich mit den Worten des Apostels Petrus: „Liebster, auf Dein Wort hin tue ich es.“ Und ich segnete sie in folgender Weise: „Die Allmacht des Vaters, die Weisheit des Sohnes und die Liebe des Heiligen Geistes sei mit euch, um die Feinde der Kirche zu besiegen. Amen.“ Am sechsundzwanzigsten Mai 1672 und den Ta- Gott will, dass sie für den König von Frankreich betet, dessen schlechtes Leben ihr gezeigt wird und wie sehr Gott durch ihn beleidigt wurde. Sie betet für ihn in der Hoffnung, dass sie erhört wird. Während ich am zweiten Pfingsttag 1670 im Gebet verweilte, verstand ich, dass Gott wollte, dass 14 Rabe des Elia Supplement gen davor genoss ich sodann eine innige Ruhe ... der Geist des Betens mit freiem Zugang und Vertrauen zum Geliebten wie von einem mütterlichen Herzen eingenommen ... für das Heer des Königs von Frankreich, damit ihnen das Notwendige nicht fehlen möge oder der Mut, das fortzuführen und zu einem guten Ende zu bringen, womit sie bereits in Holland begonnen hatten. Hierbei machte ich Gebrauch von der Folgsamkeit der Engel und vom Glauben, den ich hierzu empfangen hatte, und einem festen Vertrauen, denn der Geist der Liebe neigte in mir standhaft dazu, dass ich mich um sie kümmerte, für sie betete etc., weil sich dies bezieht auf die größere Ehre des Geliebten, Seinen Ruhm und Sein Wohlgefallen (..) das Heil vieler Seelen. Maria Petyt Dies geht weiter mit außergewöhnlich liebevollem Vertrauen, lebendiger Hoffnung ... 39v Nach der Einwirkung des Geistes der Liebe spricht sie voller Vertrauen mit dem Geliebten als seine Gefährtin über die Bekehrung der Seelen, damit diese sich dem König von Frankreich freiwillig übergeben mögen, damit gute Arbeiter gesandt werden. Sie sorgt sich um sie wie eine echte Mutter, um sie zu gebären und zu ernähren etc. während der Geliebte sie hierzu inspiriert. Der Geist der Liebe erregt dann viele Unterredungen voll bräutlichen Vertrauens mit dem Geliebten wie mit ihrem Gefährten, damit alle notwendigen Dinge für diejenigen, die offensichtlich bereits bekehrt sind, und für die, die noch bekehrt werden müssen, geregelt und in Ordnung gebracht werden: z.B. dass sie schnell aufgerieben und geschwächt werden und nicht lange wider­ spenstig und widerständig bleiben, dass sie sich dem König von Frankreich leicht unterwerfen und dass nicht so viele in ihrem Unglauben und ihren Irrungen sterben etc. Ebenso, dass es Ihm behagen möge, gute und eifrige Arbeiter in den Weingarten zu senden, die Er für würdig hält, mit den Gaben des Heiligen Geistes zu ehren und auszustatten, so dass sie in kurzer Zeit viel Arbeit verrichten und reiche Frucht erzeugen. So scheint mir nichts verweigert zu werden, sondern mir alles in Übereinstimmung mit meinem Gebet vergönnt zu sein. Denn mein Geliebter facht in mir selbst diese eifrigen, schmeichelnden und eindringlichen Sehnsüchte an, voll mütterlicher Sorge und Liebe, damit ich Ihn liebevoll dazu einlade, für alles Sorge zu tragen, um diese Seelen geistlich zu gebären und zu ihrem Heil in den notwendigen Dingen zu erziehen. Hierin schenkt der Geliebte mir unerschütterliches Vertrauen oder mehr noch: Er scheint mich hierzu hinzuziehen, damit ich meinem mütterlichen Herzen und Gefühl gegenüber diesen Seelen freien Lauf lasse. Wenn der Geist der Liebe dies wahrnimmt, macht er das mütterliche Herz sozusagen weit in angenehmer Freundschaft und Liebe, indem er diese Seelen sozusagen umfasst und umgreift und mit göttlicher Tugend anzieht (die ... vergönnt wurde). Er bringt sie in meinem Herzen zusammen und schließt sie da ein mit der Absicht, mit Eifer Sie hat den Gedanken, schwanger zu sein mit allen Seelen in Holland, um diese zu bekehren, die sie sozusagen vom Geliebten empfängt, damit sie die Mutter aller sein möge so wie Er deren Vater ist, die sie für Christus mit mütterlichem Gefühl geboren hat, indem sie ihnen Gnaden erteilte. Einen Tag nach dem Fest der Heiligen Dreifaltigkeit 1672 erschien es mir, dass ich sozusagen geistlich geschwängert sei, um alle elternlosen Seelen in Holland zum katholischen Glauben zu bekehren. Es erschien mir, dass ich sie in mein Herz geschlossen habe und sie in diesem Sinn als geistliche Kinder von meinem göttlichen Geliebten empfangen habe, und dass Er mich zur geistlichen ... Mutter machen wollte so wie Er der geistliche Vater ist. Wiederum schien mir bestätigt zu werden, dass ich Gefährtin des Geliebten sei, und dass ich wirklich ... und ein sehr zartes Gefühl all diesen Seelen gegenüber ... der Liebe war fließend, liebevoll ... und kraftvoll im Wirken ... Ich fühlte sozusagen, dass mir das Vertrauen des Geliebten gegeben wurde ... der göttlich ... das Geschenk des Glaubens und andere Gaben des Heiligen Geistes den Ungläubigen ... zuteilend ... hatte abgenommen, um mit der Gabe und dem Licht des entflammten Glaubens zu erleuchten ... Doch dieses Werk ... nicht ... liebevoll zu Hilfe ... oder sogar dass sie für würdig erachtet wurde, diese Gaben auszuteilen ... damit sie für jeden gewünschten Effekt besser ausgewählt würden ... dem ich gleichsam als Magd diese Seelen bringe. 15 Rabe des Elia Supplement Maria Petyt dorthin geschleudert, wie eine eiserne Kanonenkugel durch die Kraft des Feuers und des Pulvers an weit entlegene Orte geschleudert wird und da erstaunliche und ungewöhnliche Auswirkungen hat. Auf dieselbe Weise wird der Geist durch die Gnade eines außergewöhnlichen Liebes­ feu­ ers und göttliche Tugend herausgestoßen und abgeschossen. Der göttliche Geist begleitet den Geist im Wirken, Er wirkt sozusagen in Eintracht mit ihm gemeinsam. Und wenn der Geist dann etwas berührt oder einer Sache nahe kommt, geht sozusagen eine Kraft von ihm aus, die sich selbst mitteilt. Diese Erfahrung und diese Empfindung, wie die Kraft vom Geist ausgeht und wie sie sich mitteilt, kann ich nicht anders erklären, als dass ich erfahre, dass da sozusagen eine Kraft von mir ausgeht, wo auch immer der Geist hinkommt oder was auch immer er berührt. In diesem Moment segnete ich mit Jesus, als ob jene Frau ihn berührt hätte: „Wer hat mich berührt, denn eine Kraft ging von mir aus.“ ... über sie zu wachen, sie zu wärmen, zu nähren und vor allem zu schützen, was ihrem Heil im Wege steht oder es verzögert, wie es eine Henne mit ihren Küken macht. Dann hat dieser Geist wahrhaft die natürliche Fähigkeit und Neigung einer Henne ihren Küken gegenüber. Sie setzt sich mit einem starken Geist des Betens für die Bekehrung der Sünder und für den König von Frankreich ein, während sie den Geliebten sozusagen einlädt und bedrängt. Und der Geliebte scheint ihre Gebete zu beantworten. Der Geist des Betens sowohl für die Bekehrung der Seelen als auch für die Hilfe des Königs von Frankreich ist meistens ganz energievoll und stark. Der Geist hat immer wieder sozusagen eine kraftvolle und starke Anziehung und einen Antrieb bis ins göttliche Herz. Dies geschieht durch eine drängende, starke und gewaltige Liebe, die sehr subtil und geistlich im Grunde meiner Seele wirkt, vielmehr eingegossen als selbst am Werke. Es ist das Feuer der Liebe selbst, die dann in meinem Grund brennt und diese Anziehung und dieses Drängen bis zum Herzen bewirkt ... In der Seele ist dann eine große Nähe und innige Wahrnehmung und Erfahrung der göttlichen Gegenwart in meinem Innern – ohne ein Mittel sich sozusagen eindrückend. ... dies ist dann wahrzunehmen oder zu erfahren oder im Innern zu vernehmen; es ist erlaubt, etwas von der göttlichen Gegenwart ... entspricht dem Ausdruck der Seele, willigt in mein Gebet ein und neigt sich meiner Seele zu ... eindringlich durch die Eintracht gegenseitigen Verlangens, durch die Übereinkunft ... ... einige Zeit ... in der Vereinigung und Einheit mit Gott immer wieder ... durch die erwachende Liebe beginnt sie wiederum, sich mit diesen starken ... zu beschäftigen ... um in sich selbst zu ruhen in der puren Einsamkeit des Geistes und der Stille ... hat in mir andere Auswirkungen, weil mir eine besondere Tugend ... zum Beispiel zu dem bereits genannten Heer der Franzosen ... Geist der Seelen ... Der Geliebte stellt den König von Frankreich wie einen Sohn in ihr Herz. Der König von Spanien ist für einige Zeit wie ein Fremder und sein Reich gerät in ihrem Geist sozusagen in den Hintergrund. Danach wird der König von Spanien wieder in ihr Herz eingelassen und beide werden als ihre Zwillingsöhne emporgehoben. Der Geliebte lässt den König von Frankreich in mein Herz hinein und der Geist der Liebe hat manchmal seine liebe Not mit ihm wie mit einem Sohn, eine Not, von der ich glaube, dass sie durch Christus und in Christkönig gesandt wurde. Der König der Spanier war meinem Geist der Liebe für etwa zwei Monate fremd geworden und sein Königreich war meinem Herzen entglitten. Dies bewegte mich etwas und ich fühlte Mitleid mit ihm, weil ich fürchtete ... dass dies ein Zeichen für das Missfallen Gottes war oder für einen schlechten Ausgang oder für eine drohende zukünftige Strafe für sein Königreich ... ich bin mir darin aber noch nicht sicher, doch scheint der König wieder in mein Herz gelassen zu sein ... und der Geist der Liebe scheint die beiden Könige sehr liebevoll zu umfassen ... Aber wann und wie diese Einheit zwischen ihnen zustande komm­t, sehe und verstehe ich noch nicht. Beide sind meinem Geist gleicherweise lieb und ange- 40r Dies wird nicht in einer Weise natürlicher Gedanken und Vorstellungen in mir vollzogen und geschieht nicht auf diese Weise in mir, sondern der Geist wird sozusagen durch den Impuls der Liebe 16 Rabe des Elia Supplement nehm wie Zwillingssöhne, die mir gehören ... Maria Petyt Gottes… Der Geist Gottes betet vereinigt mit ihrem Geist für den König von Frankreich, den sie auf geistliche Weise in Gott sieht wie in einem Spiegel. Diese Weisen, wie im geheimen Einvernehmen zu beten und zu wirken ... der Geist gemäß dem göttlichen Licht ... des göttlichen Wesens. Oh wie… diese Weise zu beten, der ich mich hingebe… so dass ich Euer Ehrwürden etwas darüber sagen kann, und tue was ich kann… Gebete geschehen… des Geistes, einmal während des Stundengebets… Ich empfing die Kommunion. Es erschien mir, dass in dieser Erhebung des Geistes vor das Antlitz Gottes… des Wirkens oder der Wahrnehmung der Seele außer der Schau oder des Anblicks Gottes. Dieses zu leben… auf unsagbare Weise zu lieben und zu beten. Und der Geist Gottes, der mit meinem Geist vereinigt war, tat dies in mir… zu lieben, zu beten oder Er sah, liebte und betete. Ich war wirklich … weggezogen und ohne eine Vorstellung all der Dinge, die außerhalb von Gott sind. Ich sah nichts, dachte nichts… es war der König von Frankreich, für den der Geist betete, zu seiner Unterstützung… um Holland zurückzuführen zum katholischen Glauben. Von dieser Sache war der Geist… ohne materielle oder bildhafte Vorstellung oder einen Gedanken… wirkt nicht zusammen und darum hat sie keine materielle … noch eine Vorstellung von dem König oder eines anderen Dinges. Der passive Intellekt jedoch… in Kontemplation und gleichzeitig sah der passive Intellekt diesen Geist… in Gott, in der Entblößung von Gedanken und Bildern… ich kann es nicht erklären… All diese Weisen, wie der Geist betet und wirkt, sind lebendig und kooperativ ... und gleichzeitig vernünftig. Doch wirken diese Vermögen nicht mehr oder lebendiger als es deren Geist entspricht. Der Geist bleibt der höchste ... alle Seelenvermögen bleiben wohlgeordnet und reguliert ... womit der Geist durch die Unterwerfung Gott gegenüber ... die der Seele dann versprochen werden, z.B. die beiden Könige, ihre Königreiche, Heere ... Sie empfängt einen noch edleren Geist des Betens vom göttlichen Geist, der zusammen mit ihrem Geist auf unaussprechliche Weise betet. Am Samstag nach Fronleichnam habe ich den Geist des Betens ganz anders als zuvor empfangen… meiner Meinung nach ist er viel edler, erhabener und vollkommener, und nicht weniger wirksam, im Gegenteil noch wirksamer, weil der göttliche Geist mit meinem Geist eins geworden ist. Dieses Gebet bewirkte Er in mir und beinahe alles tut Er in mir, mit mir und durch mich. Und tatsächlich schien der göttliche Geist mich da zu besitzen, in mir zu leben und durch mich auf unaussprechliche Weise zu beten. Da wurde mir klar, was der Apostel über das Gebet des göttlichen Geistes in uns sagt: „der Geist selbst bittet in unaussprechlichen Seufzern.“ Damit will der Apostel nicht sagen oder andeuten, dass der Geist seufzend betet oder dass seine Seufzer so viel­fäl­tig sind, dass sie unzählbar und somit unaussprechlich sind, sondern er will sagen, dass die Weise des Gebets, in der der Geist in uns betet, unsagbar ist. Und das ist wahr, denn als ich mich selbst so vom Geist in Besitz genommen vorfand, auf außergewöhnliche Weise Ihm zugewandt und im Innern mit Ihm vereinigt, und dass der göttliche Geist in der Vereinigung mit meinem Geist auf seltsame Weise zu beten begann, verstand ich deutlich, dass dies die unsagbaren Seufzer des Geistes sind, über die der Apostel spricht. 41r Ich sah und nahm wahr, dass dieses Gebet eine große Wirkung hatte und dass dem König durch seine Kraft viele Gunsterweise zuströmten sowie göttliche Hilfe und Mitwirkung in der Ausführung und Umsetzung seines Plans und seiner Absicht. Ich verstand auch deutlich, dass Gott ihm durch ein solches Gebet und nicht anders diese Günste erweisen und göttliche Hilfe verschaffen und seine königlichen Ziele unterstützen wollte, und dass Gott hierzu einige wenige, kleine und demütige und zugleich reine und Gott aufrecht liebende Frauen hinzuzog und auswählte, um für jene zu beten. Unter diesen wenigen schien seine Majestät auch mich Unwürdige einzusetzen. Doch sagen zu wollen, dass der Geliebte einzig und allein mei- Die besagte Weise des Betens geschieht durch die Erhebung des Geistes vor das Angesicht 17 Rabe des Elia Supplement Maria Petyt die Seele von sich selbst weggezogen und ist reiner Geist, vereint mit dem göttlichen Geist. Es ist erstaunlich und kaum zu verstehen, wenn ich sage, dass ich eins bin in Gott und dass ich Gott in dieser Vereinigung sehe. Denn in unserer Art zu sprechen sind wir nicht eins mit dem, was wir sehen. Was wir sehen und womit wir eins sind, ist etwas anderes. Denn eins ist eins und sehen klingt… und was gesehen wird. Aber… verschieden… in seiner Kontemplation… der Geist, über den ich spreche. In diesem Moment zeigt Er mir, wie dies ist und wie ich es erklären kann… kennt Sich Selbst, erfüllt Sich Selbst und liebt Sich Selbst… ganz wesenhaft mit sich und in Sich vereinigt und eins, so auch… nen Einsatz und mein Gebet zu diesem Zweck gebrauchen wollte, schien mir eine unzulässige Annahme, auch wenn das innere Gespräch mit dem Geliebten, seine Freundlichkeit und das erwiesene Wohlwollen so etwas nahezulegen schien. Doch dies sollte besser zurückgewiesen werden. Unabhängig von den Mitteilungen anderer erkennt sie in Gott die Siege und den Erfolg des Königs von Frankreich. Sie wird dazu bewegt, für ihn zu beten, zu danken etc. Auch wenn mir niemand etwas von den Siegen gesagt hätte, die der König von Frankreich in Holland erlangt hat, würde ich doch nicht weniger darüber Bescheid wissen. Ich habe diesbezüglich nämlich sozusagen ein geistliches Echo oder eine gewisse Wahrnehmung, dass er Erfolge verzeichnet und Siege errungen hat, weil ich es im Geist sehe und spüre, dass Gott mit ihm ist und weil der Geliebte mir auf geistliche und innerliche Weise Gewissheit hierüber gibt. Wie der Apostel sagt: „Der Geist selbst bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“ So bezeugt der göttliche Geist meinem Geist auch, dass der König erfolg­ reich ist und Siege erringt über seine Feinde. Manchmal regt mich auch ein göttliches Licht, das im Geist erglänzt, zum Gebet an oder … Handeln, damit ich Gott für den Triumph und den Erfolg seiner Waffen danke, segne und verherrliche… damit ich bei Gott für den König eintrete. Zwei oder drei Tage nachdem die zuvor genannte Weise der Wahrnehmung in mir war, … der Geliebte mir eine andere, wie es mir schien, die ich bereits beschrieben habe und über die ich euer Ehrwürden im Zusammenhang mit einer Vision im Geiste berichtet habe. Die Seele ist zu einem Geist gemacht mit Gott … ein Sein, ein Wirken, Erkennen 41v In der gleichen Weise gibt Gott der Seele durch Gnade, was Er von Natur aus ist. Solange wie diese Einheit dauert, ist sie ein Geist mit Gott, ein Wirken, ein Erkennen, ein Wollen, ein Lieben. Sie kennt keinen Unterschied und keinen Abstand mitten im Ich und im Mein, alles ist deutlich Eins und in diesem Einen erkennt und versteht sie alles. Wenn sie also betet, ist es der Geist Gottes, der in ihr betet. Wenn sie Gott schaut und liebt, ist es Gott, der Sich Selbst schaut und liebt. Diese Verfassung der Einheit enthält in sich selbst wohl eine andere Reinheit, Einfachheit, Innerlichkeit und Erhabenheit des Geistes als die vorausgegangene. Als nämlich der Geist der Liebe meine Seelenkräfte wirken ließ und sie ausrichtete, wirkte ich viel mehr mit, auch wenn ich geleitet und geführt wurde durch Gnade und Liebesfeuer. Da nahm ich mich selbst auch mehr wahr oder die anderen Dinge, wenngleich in Gott. Doch war ich nicht so völlig eins mit Gott, als ob ich nun gleichzeitig mit der Gnade und dem Geist Gottes zusammenwirken kann. Und ich schien schon ganz eins mit Gott zu sein und in Ihn verwandelt zu sein. Der Geist Gottes macht jetzt nahezu alles zu Sich Selbst. Ohne zu schmecken, ohne zu erfahren, und ohne Unterschied zwischen den niederen und höheren Vermögen. Was immer ich in Gott schaue, schmecke, er- Sie versucht zu erklären, wie sich das erwähnte Gebet rein im Geiste ereignet… der Geist Gottes mit ihr vereint betet und Gott Sich Selbst sieht und liebt und … die Seele durch Gnade tut, was Gott durch seine Natur tut. Ich habe mich weit von dem entfernt, was ich zu sagen begonnen hatte, nämlich wie der Geist des Betens sich von dem vorausgegangenen unterscheidet, ja, wie dieses Gebet ganz im Geist geschieht ohne die Mitwirkung der niederen und sinnenhaften Kräfte, auch ohne deren Wahrneh­ mung. Denn in dieser erwähnten Schau Gottes ist 18 Rabe des Elia Supplement fahre, wahrnehme ist vollkommen in die Einheit des göttlichen Wesens aufgenommen… in diesem Zustand bin ich auf keinerlei Weise im Stande außerhalb Seiner zu sprechen oder mich zu beschäftigen. Meine Seele neigt zu äußerster Ruhe, all meine Vermögen verweilen und ruhen in Gott und werden zur Erhabenheit des Geistes hingezogen und befinden sich dort in ihrer Mitte, solange diese Anziehungskraft oder diese Verfassung der Einheit andauert. Alles was außerhalb … des Zentrum ist, ist mir zuwider und verursacht Übelkeit bei mir. Maria Petyt ner Seele, dass die Seele sich selbst kaum wahrnimmt, weil ihr Blick und ihre ganze Aufmerksamkeit so sehr auf Gott gerichtet und zu Ihm hingezogen wird. Dieses Lieben, dieser Blick auf Gott oder dieses Schauen, oder diese Liebe Gottes machen Gott deutlich, was die Seele begehrt und worum sie bittet, z.B. Erfolg, glückliche Fortschritte im Kampf für den König von Frankreich gegen die Häretiker in Holland. Die Seele erkennt und versteht, dass dies so ist, darum tut die Seele in diesem friedlichen Blick viel mehr als sie mit ausdrucksvollen Worten aussprechen könnte. Denn mir … genügt eine Geste. Ich erfahre, dass der Geist viel kraftvoller in diesem ruhigen und liebevollen Blick auf Gott betet als er mit vielen schmeichelnden Gebeten und Fürbitten tun könnte… dennoch ist weder die eine noch die andere Weise des Betens in mir… oder meine andere … kann ich folgen oder verursachen, selbst wenn ich dazu… sondern beide müssen mir gewährt werden, jede von beiden… wirkt der Geist Gottes ohne … wenn mir gnadenhaft… der Geist und in der ein oder anderen Weise ihm Raum schaffend mit heiliger Freiheit… für würdig halten zu wirken… Das erwähnte Gebet des göttlichen Geistes geschieht ohne Worte, ohne Fürsprache, durch den Blick auf Gott. Dieses Gebet ist wirkungsvoller als anderes Beten, auch wenn beide Gebetsweisen von Gott gegeben sind. Keine der beiden kommt aus der Kraft des Menschen. Wenn dieser Geist des Betens in mir wirkt, dann geschieht dieses Gebet nicht durch Sprache und Worte oder durch schmeichelnde Fürsprache und Drängen etc., sondern nur mit einem Blick auf Gott und einem brennenden Gefühl der Liebe. Das geschieht so angenehm und inniglich in mei- Dominique de Staint Albert – Über das innere Gebet und die notwendige Empfänglichkeit der Seele Übersetzung: Dr. Edeltraud Klueting T.OCarm, P. Klaus R. Schenkelberger O.Carm. 1. Die wichtigste Beschäftigung für den Christen ist das sprung, unserer Mitte und unserem letzten Ziel. Bisher waren wir von ihm weit entfernt, denn bisher war Gott sehr selten der Gegenstand unseres Denkens, unserer Beschäftigung oder unserer Liebe. Die Übung des inneren Gebetes ist eines der wichtigsten, wenn nicht das einzige Mittel, um zu ihm zurückzukommen, dank der geistlichen Erleuchtung und Regung, die wir von ihm em­ pfangen haben, um an unserem Heil und unserer Vollkommenheit zu arbeiten. Ohne sie sind wir unfähig dieses zu tun. Daraus lässt sich schließen, dass wir das innere Gebet nicht nur wie ein absolut notwendiges Mittel und wie die Hauptsache in unserem Leben verrichten müssen, sondern als unsere einzige und ausschließliche Beschäftigung. Durch unsere Gelübde sind wir von allen sonstigen Beschäftigungen und Verpflichtungen oder anderen Hindernissen befreit. Wir sind verpflichtet unser Möglichstes zu tun, um mit Hilfe des inneren Gebetes zu dem Ursprung zurückzukehren, von dem wir herkommen. Bemühen wir uns innere Gebet Sobald man sich im inneren Gebet übt, ist es wichtig darüber nachzudenken, worum es sich dabei handelt und was sein Ziel ist. Man muss darauf achten, es einfach und regelmäßig zu verrichten, so wie man andere gute Werke tut, indem man sich selbst zurücknimmt, die Tugenden fördert oder einfach Mittel benutzt um Gott zu gefallen. Man muss dies tun als das Wichtigste und Wesentlichste in unserem Leben. Von der Wortbedeutung her verstehen wir unter innerem Gebet ein geistliches Gespräch, eine innere Beschäftigung oder ein vertrautes Gespräch der Seele mit Gott, so wie sich ein Kind mit seinem Vater unterhält oder eine Frau mit ihrem Mann oder eine Freundin mit ihrem Freund. Wir sind nicht von dieser Welt, und wir haben das Ordensleben gewählt, um ohne Unterlass an unserer Vollkommenheit zu arbeiten. Diese besteht in unserer Verbindung mit Gott, unserem Ur19 Rabe des Elia Supplement darum, uns ganz mit Gott zu vereinen, nicht nur auf gewöhnliche Art und Weise, so wie es mit seiner Gnade geschieht, sondern auch indem wir jederzeit unser Herz und unseren Willen auf ihn ausrichten und durch innere Akte nach Erkenntnis und Liebe streben. Dies kann sich nur mit Hilfe des inneren Gebetes verwirklichen. Diesbezüglich muss man anmerken, dass es einen Unterschied gibt zwischen den gewöhnlichen Gläubigen und denen, die nach Vollkommenheit streben. Die wahren Gläubigen bemühen sich mit aller Kraft, die Tugenden von Glaube, Hoffnung und Liebe beständig in die Tat umzusetzen. Die anderen besitzen lediglich den Glauben als göttlichen Zustand. Sie glauben, ihn in sich zu haben, ohne weiter voranzukommen und ohne die Praxis und die Erfahrung in die Tat umzusetzen. Aber die innerlichen Menschen erfahren und verkosten sie so, wie es die Apostel und die Heiligen konnten, gemäß dem Zeugnis des hl. Paulus. Er sagte, dass Gott ihm durch seinen Geist Dinge enthüllte, die kein Auge je gesehen, kein Ohr je gehört und was in keines Menschen Herz jemals gekommen. Diese Dinge sind nichts anderes als die Einsicht und die Erkenntnis der Gaben Gottes sowie der übernatürliche Zustand, zu dem seine Majestät ihn erhoben hatte. Als Gläubige und Ordensleute sind wir einzig in der Welt, um schon jetzt und für immer mit Gott, unserem Ursprung und letzten Ziel, vereint zu sein. Beständig müssen wir ihm unsere Aufmerksamkeit schenken, indem wir unser Herz und unseren Willen auf ihn ausrichten. Letztlich bleibt uns nur, diesen festen Beschluss zu fassen, dass unsere Gedanken, Sehnsüchte und Leidenschaften, unser Leiden und unsere Taten, auf dieses wichtige Ziel ausgerichtet sind. Nehmen wir die Mittel, um hierhin zu gelangen mit der Gnade Gottes! Diese bestehen in dieser Beschäftigung und diesem inneren Handeln, um dieses Ziel bereits jetzt zu erlangen, das die Hauptsache in unserem Leben darstellt. Wenn jemand nicht versucht, die Übung des inneren Gebetes zu seiner Hauptbeschäftigung und seinem Ein und Alles zu machen, sondern es nur als ein Mittel neben anderen ansieht, um einfach Gott besser zu dienen und besser zu handeln, dann wird dieser nie zur wahren Vollkommenheit und zum Ziel des wahren inneren Gebetes gelangen. Dies besteht allein in der inneren und beständigen Einheit unseres Herzens mit Gott, der Dominique de Saint Albert Mitte und dem Ursprung, von dem wir gekommen sind, um zu ihm zurückzukehren. Diese Wahrheit bedeutet, dass wir in der Welt sind, dass wir einzig dazu leben und existieren, um zu dieser Einheit zu finden durch unser inneres Tun der Erkenntnis und der Liebe. Daraus folgt ganz selbstverständlich und absolut sicher, dass wir aus dieser inneren Beschäftigung nicht nur die Hauptsache in unserem Leben machen sollen, sondern unser Ein und Alles, und dass unsere Tätigkeiten, Sehnsüchte, Beschäftigungen und Pläne daraus hervorwachsen sollen. Anders gesagt: Alles, was uns nicht tiefer mit unserem höchsten Ziel, nämlich mit Gott vereint, ist umsonst und verloren, gemäß den Worten der hl. Väter: Alles, was der Seele nicht dient, ist schädlich für sie. Ich kann nicht genug auf dieser Wahrheit insistieren, die so unbekannt und so wenig geachtet, gesucht und geliebt ist, dass nur wenige Menschen ihr anhängen wollen. Einige sind davon überzeugt und wollen andere davon überzeugen, wenn sie mit anderen Menschen sprechen, die die Gelübde des inneren Lebens und des mystischen und kontemplativen Lebens gemacht haben, dass es sich um etwas handelt, das nicht für alle gemacht ist. Für sie handelt es sich um die seltenen und unverdienten Gnadengaben, die Gott einigen auserwählten Seelen gewährt, die er an dieses Leben ziehen will und aus anderen Gründen. All diesen Menschen möchte ich die Frage stellen: Sind wir nicht alle verpflichtet, uns unentwegt nach Gott zu sehnen und auf ihn auszurichten, ihm, dem letzten Ziel unseres Lebens, dem wir gehören? Dies ist möglich dank der Mittel, die uns direkt mit ihm verbinden, indem wir unsere Erkenntnis und unseren Willen benutzen, die ja einzig dazu geschaffen sind, um diesem Ziel zu dienen, und uns mit ihm zu beschäftigen. Ich frage in der Tat: Was ist das geistliche Leben, wenn es nicht das göttliche Leben ist, aus dem wir leben? Ist Gott nicht Geist? Und wer sich ihm beständig nähert, wird er nicht selbst eines Geistes mit ihm, wie es der hl. Paulus sagt: Wer zu Gott gehört, wird eines Geistes mit ihm. Ich glaube, dass es deshalb so wenige geistliche Menschen gibt, weil man es für gering achtet und das Gespür fehlt, dass das innere geistliche Leben das wahre Leben unserer Seele ist. Wenn man euch fragen würde: Wollt ihr nicht vollkommen, heilig und erfüllt mit großer Gottesliebe sein, so würdet ihr mir mit ja antworten. Ich aber sage euch, dass 20 Rabe des Elia Supplement ihr es nicht sein könnt, wenn ihr keine geistlichen Menschen seid. Ihr werdet heilig in dem Maße, in dem euch der Heilige Geist führt. Diesbezüglich ist es gut eines zu bedenken: Man muss nicht denken, dass die Hauptsache des geistlichen Lebens in erhabenen Gedanken besteht oder auch darin, von Gott die unverdiente Gabe der Erkenntnis, Gnaden oder außergewöhnliche Gunsterweise zu erlangen. Nein, worum handelt es sich bei diesem Leben? Es besteht in der liebenden Achtsamkeit des Herzens und unseres Willens auf Gott. Dadurch sehnen wir uns nach ihm in innerlicher, gegenwärtiger und beständiger Weise. Je mehr wir versuchen uns Gott zu nähern, uns nach ihm zu sehnen und ihn zu lieben, desto mehr werden wir von ihm erfüllt und ganz Geist wie er. Was ist von all dem Gesagten zu behalten? Wir müssen ernsthaft über unsere Situation nachdenken, entweder bei den zehntägigen Jahresexerzitien, den monatlichen Exerzitien oder bei der wöchentlichen und täglichen Zeit der Besinnung. Prüfen wir uns: Schätzen wir genügend das geistliche und innere Leben? Sofern wir diese wichtige Übung nicht getan haben, können wir sicher sein, dass das ein Hauptgrund dafür ist, dass wir nicht voranschreiten. Wozu sind wir zum Ordensleben berufen? Zum Studium, zum Unterrichten, zum Predigen, zum Beichtehören? Nein, wir sind dazu allein deshalb berufen, um wahre Ordensleute zu sein. Um dies wirklich zu sein, genügt es nicht, die Regel und die Konstitutionen zu beachten und von Zeit zu Zeit andere Tugendhandlungen zu verrichten. Die guten Christen in der Welt tun dies sehr gut. Warum und wozu sind wir also da? Um ständig mit Gott verbunden zu sein und mit dem Herzen und dem Geist innerlich mit ihm beschäftigt und auf ihn achtsam zu sein. Das ist es, was einen wahren Ordensmann ausmacht. Ohne diese Achtsamkeit gegenüber Gott und ohne diese Beziehung zu ihm ist alles andere nichts, oder nur sehr wenig. Es stellt sich nun die Frage, ob wir uns danach sehnen und streben, die Vollkommenheit zu erreichen, zu der uns Gott ruft und ob wir uns wirklich mit solchem Eifer und Ernst danach sehnen, wie wir es sollten. Es ist notwendig, dass wir uns damit beständig auseinandersetzen, um allein für Gott zu leben, der in uns selbst ist - indem wir innerlich und vertraut mit ihm umgehen, indem wir uns seinem liebevollen und anbetungswürdi- Dominique de Saint Albert gen Willen unterwerfen, was sich durch unseren Gehorsam zeigt. Alles andere darf für uns nicht mehr zählen, zumindest sollen wir dem gegenüber gleichgültig sein. Wenn wir wirklich wir selbst sein wollen, dann dürfen wir den ersten Platz nicht mehr der Predigt, dem Studium, dem Beichthören oder anderen Tätigkeiten geben. Wir können den ersten Platz nur dem einzig Notwendigen und der wichtigen Beschäftigung des inneren Lebens geben, um alles Übrige dann an dieses Ziel anzubinden, weil es das Wichtigste ist, so wie man das Zweitrangige an das Wesentliche unseres Lebens anbindet. Davon hängt unser ewiges Glück ab. Wenn wir diesen Entschluss als absolut notwendige Bedingung und Voraussetzung gefasst haben, um dahin zu gelangen, müssen wir nach Gott zu streben beginnen, der die Mitte unseres Lebens ist, und dazu die Mittel einsetzen. 2. Die notwendigen Mittel, um im inneren Gebet voranzukommen Am Anfang unserer Umformung ist unser Geist noch plump und wie an die Materie gebunden, voller Illusionen und voll von Gedanken an die Welt und die Geschöpfe. Deshalb ist es nötig, dass er sich zunächst der Betrachtung der göttlichen Geheimnisse hingibt. Dabei müssen wir mit Methodik, Ordnung und entsprechenden Anwendungen die Gründe, die Besonderheiten und Umstände betrachten, die sie begleiten, bevor wir unseren Willen dazu anleiten, Reue, Gnade und Liebe zu Gott zu erwecken, und auch anderes, das den Themen entspricht, mit denen wir uns im inneren Gebet unterhalten können. Die Erkenntnis und das Bewusstsein der Wirkung des Erbarmens und der unbegrenzten Güte Gottes uns gegenüber, welche sich in seinem Heilsplan und der Erfüllung aller Geheimnisse für uns alle und einen jeden einzelnen von uns erweisen, als wenn wir allein auf der Erde wären, erweckt in unserer Seele und in unserem Herzen das Gefühl tiefer Dankbarkeit und Liebe zu dem Urheber solcher Wohltaten. Wenn wir uns so bemühen, unseren Geist allmäh­ lich an diese Überlegungen zu gewöhnen und ihn beständig mit diesen guten Gedanken, Betrachtungen und Gefühlen der Liebe erfüllen, dann verlieren die Phantasien, Ideen und Ein­ drücke des Geschaffenen und der Dinge dieser Welt nach und nach an Bedeutung. Und obwohl 21 Rabe des Elia Supplement sie sich zunächst gegen unseren Willen aufzulehnen scheinen, können sie dennoch nicht unsere Zustimmung gewinnen, weil der Wille schon aufgrund der vorausgegangenen Betrachtungen von der Liebe vorgewarnt, berührt und durchdrungen ist. In der ersten Zeit seid ihr mit der Methode der Meditation beschäftigt und erwägt aufmerksam und tiefgründig die Ursachen, die Akte des Verzichtens und die Umstände, die in guten Büchern nachzulesen sind. Ihr habt gespürt, dass euer Wille von der Erinnerung an Gott und vom Wunsch, sich mit göttlichen Dingen zu beschäftigen, berührt ist. Danach muss man aber unmerklich zu einer einfacheren, verborgeneren und unmittelbareren Form der Meditation, zu einem vertrauteren Gespräch mit Gott kommen. Zum Beispiel könnt ihr euch direkt vor seine göttliche Majestät und Güte stellen, nachdem ihr längere Zeit die Umstände der Geburt unseres Herrn oder ein anderes Geheimnis meditiert habt, und wenn ihr den Geist bereits angefüllt habt mit der Erkenntnis von all dem, was man dazu sagen kann. Ihr könnt es tun, indem ihr liebevoll mit ihm sprecht , indem ihr ihn demütig fragt, indem ihr ihm antwortet, ihn anbetet, ihm dankt, und indem ihr zahlreiche Werke der Liebe tut, indem ihr den Beschluss fasst, ihm immer besser zu dienen, immer in seiner Gegenwart zu wandeln, seine Tugenden, seine Liebe und Lebenssituationen nachzuahmen, etc. Schließlich, wenn ihr einige Zeit damit verbracht habt, innerlich und vertraut mit dem Gott zu spre­ chen, der Mensch geworden ist, und seine Geheimnisse zu bedenken, wird es gut sein, zu unserem viel vertrauteren und innerlicheren Gespräch mit diesem Gott der Liebe, dem ungeschaffenen Gott, zu kommen. Ihr könnt ihn jetzt durch den einfachen Blick des Glaubens schauen, wie er allen Dingen innewohnt und noch innerlicher in uns selbst ist. So sagte es einst der Apostel Paulus bei seiner Rede auf dem Areopag: “Der unbekannte Gott, den ich heute verkünde, ist nicht ein Gott, der uns fern ist. Er ist ein Gott, in dem wir leben, uns bewegen und in dem wir beständig sind.“ Er ist wie eine anbetungswürdige Gegenwart, die alle Wesen mit seiner Unendlichkeit und Größe erfüllt. Von jetzt an dürft ihr euch nicht mehr vorstellen, dass er mehr im Himmel als auf der Erde gegenwärtig ist, denn er wohnt in euch und ist euch viel näher Dominique de Saint Albert und innerlicher, als ihr euch selbst seid. So wie es die antiken Philosophen bezeugen: „Ihr seid mir innerlicher als das Innerste in mir, und über allem, was das Erhabenste in mir ist.“ Dies ist die einfache Sicht des Glaubens, der leuchtet, voller Geschmack und von Liebe erfüllt ist. Es handelt sich um die Gegenwart Gottes in euch, die wie eine unfehlbare Wahrheit ist, die der hl. Geist durch den Mund und die Erfahrung des Prophetenkönigs (David) bezeugt, das Licht unseres Glücks, o mein Herr und mein Gott, ist in der Tiefe unserer Seele und unseres Herzens eingeschrieben. Eure aktuelle Übung besteht jetzt darin, zwischen Gott und euch ein Gespräch zu entwickeln, ähnlich wie das zwischen einem guten Sohn und seinem Vater oder zwischen zwei treuen Freunden. Sie sind beständig beieinander, sie leben, essen und trinken miteinander, schlafen im selben Zimmer, sind immer füreinander da und tun nichts ohne den anderen. Euer Gesprächsstoff wird hauptsächlich die Liebe und die gegenseitige Sehnsucht sein, nie voneinander getrennt zu sein und sich gegenseitig Freude zu bereiten. Wenn dem Menschen dieses Gefühl tief ins Herz geprägt ist, dass sein Gott ihn unablässig und voller Aufmerksamkeit anschaut, als ob es niemanden sonst auf der Welt gäbe, auf den er achten müsste und für den er da ist als nur diesen einen Menschen, und dass Gott sich unendlich danach sehnt, immer bei ihm zu sein, von ihm geliebt, angerufen, gebraucht zu werden und dass es seine größte Wonne ist, sich ihm mitzuteilen und ihn im Inneren fühlen zu lassen, wie liebevoll und zärtlich er zu den Menschen ist, die ihn suchen und die die Wahrheit lieben – dann wird seine hauptsächliche Übung darin bestehen, sich mit Hilfe der großen Liebe und des lebendigen Glaubens zur Gegenliebe zu diesem guten und unendlich liebenswürdigen Gott zu ermuntern und zu sagen: „O Gott der Liebe, wo bin ich, wozu lebe ich, wenn nicht dazu, dich, meinen liebenswürdigen Herrn, zu lieben. Ich glaube fest, dass du voller Achtsamkeit für mich bist und dich danach sehnst mich zu besitzen und mich mit dir selbst zu erfüllen. Wie könnte ich dich, o meine göttliche Liebe, auch nur einen Augenblick vergessen? O Gott der Liebe, lass uns miteinander leben, du in mir und ich in dir, lass mich dich vor allem nie aus den Augen verlieren.“ Diese Übung, die aus dem lebendigen Glauben 22 Rabe des Elia Supplement mit Liebe und Eifer hervorgeht, gibt uns große Kraft, um beständig in seiner Gegenwart zu wandeln und uns bei ihm auszuruhen, weil er in unserem Inneren gegenwärtig ist. Der Mensch behält davon eine liebende Erinnerung an die Gegenwart seiner göttlichen Majestät und tut alles, um ihm nicht zu missfallen. Ebenso handelt er auch voller Tugend in all seinem Tun und Verhalten, so als wenn er bewegt ist von der Gegenwart dessen, der tief in seinem Herzen eingeschrieben ist gemäß dem Beispiel des Prophetenkönigs, der oft in seinem Innern zu Gott sagte: „Mein Herz hat gesagt, o mein Gott, ich suche dein Angesicht, dein Angesicht, Herr, will ich beständig suchen.“ Wenn wir fühlen, dass die liebende Erinnerung an Gott erkaltet wegen der vielen Beschäftigungen, oder der verschiedenen Gedanken, oder weil sich das Herz zusammenschnürt und die Kraft zu lieben ermüdet ist, oder weil Gott uns von allem Sinnlichen entwöhnen will, um uns fähi­g zu machen für sein größeres Geschenk und eine größere, viel klarere und ganz bloße Einheit oder aus welchem Grund auch immer, versuchen wir vorsichtig, ohne uns auszustrecken, uns an seinem Angesicht und seiner Gegenwart zu sättigen, weil er uns aus ganzem Herzen liebt, mit folgenden oder ähnlichen Worten: „O Gott der Liebe, wo bist du? Warum verbirgst du dich vor mir? Weißt du nicht, dass ich hier bin und dass ich hier nur für dich arbeite? Verlass mich nicht mein Gott, denn ich kann nicht einen einzigen Augenblick ohne dich sein.“ Wenn wir danach wieder zu uns gekommen sind, können wir in Ruhe bleiben und unseren Blick einfach und liebend auf Gott richten, in dessen Gegenwart wir leben, so wie wir es am Beispiel unseres Vaters Elija üben, der das ständige innere Gebet tut, weil die Erinnerung, die man an Gott hat, weder einer einfachen Überlegung gleicht noch einem Nachdenken über einige Eigenschaften oder besondere Vollkommenheiten. Es handelt sich nur um den einfachen Blick auf Gott, klar und liebend, sehnend und dürstend nach Gott, der wie ein Schatz ist und das Innerste unseres Herzens. Es ist ein Gedanke, der begleitet ist von liebendem, heftigem und drängendem Sehnen nach Gott. Der hl. Maxim sagte, dass die Heiligen, obwohl sie auf der Erde leben, im Grunde bereits im Himmel sind, nämlich in ihrem Sehnen und Denken. Der Mensch, den Gott in dieser Übung hält, wird beständig in der Liebe vorankommen, er fühlt Dominique de Saint Albert auch sein Sehnen und Hungern nach Gott beständig wachsen. Er wird wie ungeduldig, und jede Tat, die er verrichten kann, reicht nicht aus, um sein Sehnen zu erklären oder auszudrücken. Und wenn er daran denkt, sich mit Gott über gewöhnliche Dinge zu unterhalten, verspürt er seine Schwäche, die ihn vor Ohnmacht umbringt, weil sein Sehnen größer ist als das, was er auszusprechen vermag. Hier muss darauf geachtet werden, dass wir uns nicht zum Sprechen oder zum Tun zwingen. Es ist genug, nur das Wesentliche in der Stille zu sagen, ohne uns an zahlreichen Worten, die vom Kopf oder Willen kommen, aufzuhalten, und uns damit zufrieden zu geben, indem wir zum Beispiel sagen: „O Liebe, o Gott der Liebe, du bist mein Gott, das genügt mir. Gott ist mein Leben, das genügt.“ Wenn ein Mensch in Glauben und Liebe so handelt, ist das für ihn eine größere Genugtuung als ein langes Gespräch oder viele andere Taten, weil sein Herz direkt zum Herzen Gottes spricht, und sich beide in vollkommener Weise verstehen. Wenn der Mensch durch Offenbarungen oder liebende Hingabe seines Wesens spürt, dass er in Gottes Gegenwart wandelt und beständig an ihn denkt und dass er jeden Tag sich nach ihm sehnt und nach ihm hungert, Schmerzen empfindet und nach ihm schmachtet, oder wegen des Elans und der Liebesempfindungen, die ihn bedrängen, so wird er den Menschen einladen, sich in Gott zu verlieren, und sich mit ihm zu verbinden, indem er sich ihm in seinem ganzen Sein hingibt. Dabei soll der Mensch selbst seine wesenhafte Umformung lassen, die ihm sozusagen als Hilfe diente und auf die er sich bislang stützte. Dabei soll er in der reinen und bloßen Sehnsucht nach Gott ausharren. Diese Sehnsucht ist nichts anderes als ein einfacher Akt, durch den er ihn anschaut wie einen großen, unendlichen Schatz, der allein ihn sättigen kann. Daraus entsteht ein großes Gut. Wenn der Mensch aufgehört hat selbst tätig zu sein und aus eigenem Antrieb zu handeln, wird Gott seine Sehnsucht erfüllen und ihn ohne Unterlass wachsen lassen. Dank seiner Gnade wird er immer in ihm bleiben, er wird ihn anschauen, betrachten und immer mehr lieben. Diese Sehnsucht ist nichts anderes als ein wirkliches Lieben, es ist wie ein unstillbarer Hunger und ein unauslöschlicher Durst nach Gott, der in uns die Erinnerung und die erfahre23 Rabe des Elia Supplement ne Gotteserkenntnis bewirkt. In der Tat: Gott ist das Gute und die unendliche Güte, und es ziemt sich ihn innerlich zu ersehnen. Diese Sehnsucht besteht darin, dass wir ihn verkosten. Aber weil wir ihn nicht lieben können wie er es verdient, je mehr ich ihn liebe, desto mehr sehne ich mich danach ihn zu lieben, weil der Geschmack den Hunger für den Geliebten bewirkt und wachsen lässt. Dieser Zustand ist der Zustand der innigen Einigung des geschaffenen Geistes mit dem ungeschaffenen. In ihm ist der Höhepunkt des Geiste­s, der Herzensgrund und der Wille direkt und ohne Vermittlung in einzigartiger und unmittelbarer Weise mit Gott verbunden, dass man ihn über allem schaut, unabhängig von jeder Vorstellung, Gefühl und Geschmack. Die Seele verliert sich mehr und mehr in diesem weiten Ozean und diesem Abgrund, wo sie sagen kann: „Er bewegt mich in diesem schönen Abgrund. Dorthin gehe ich und verliere ich mich. Ihm überlasse ich mein Sein, das Sein allen Seins. Komm mich zu besitzen.“ Es ist zu bemerken, dass diese Tugend, die den Grund der Seele erfüllt, nichts anderes ist als die Liebe und die beständige Sehnsucht nach Gott, und dies geschieht direkt und innerlich, so dass die Sehnsucht nicht darin besteht Gott zu sehen, sondern sich an Gott zu erfreuen, weil er Gott ist. Dieser Akt ähnelt dem der Heiligen, die im Sein Gottes leben, ohne über sich selbst nachzudenken. Gott aber hat die Sehnsucht der Seele nach ihm geweckt und erfüllt, und er ist es, der ihr Regung verleiht, der sie wachsen, sich entfalten und in sich aufgehen läßt. In dem Maß, wie er sie erfüllt, macht er sie immer fähiger, ihn immer mehr beständig zu besitzen. Je mehr diese Fähigkeit sich vergrößert, desto größer wird ihr Bedürfnis, ihr Mühen und ihr Hunger nach ihm. In diesem Zustand hat der Verstand keine andere Aktivität als die des bloßen Glaubens. Zu Gunsten dieses Glaubens hat er dem Willen gezeigt, dass Gott unfassbar ist und dass er allen Sinn und Verstand übersteigt. Der Wille hat dieses unaussprechliche Ziel durchdrungen und hat es verdient, es zu verkosten, weil der Geschmack eine Art der Erkenntnis ist, die der Macht und der Fähigkeit entspricht, die man schmecken und lieben kann, und die nichts anderes ist als der Wille. Das ist etwa vergleichbar mit einer Person, die Honig Dominique de Saint Albert genossen hat, ohne jemals davon gehört zu haben. Dennoch kann man sagen, dass diese Person eine aus der Erfahrung gewonnene und sichere Erkenntnis hat. Von daher kommt auch die Erleuchtung in den Verstand, die bewirkt, dass der Glaube viel klarer und lebendiger ist, und dass man das, was man vor dieser Erfahrung mit einem ganz gewöhnlichen Glauben glaubte, jetzt auch mit dem Verstand besitzt. Jetzt scheint es uns, dass wir die Dinge, die wir wahrnehmen, durch den Glauben sehen, obwohl diese Erkenntnis nicht den Verdienst des Glaubens wegnimmt, weil er nicht ganz klar ist. Dennoch machen wir die Erfahrung, dass unser Glaube sicher ist. In diesem Zustand müssen wir uns treu darum bemühen, die Entäußerung, Verzicht und Entbehrungen, die auf uns zukommen, mit Großmut zu erdulden. Tatsächlich sehen wir uns gewöhnlich so von allem entäußert und so leer, dass wir glauben, weder Gedanken noch Erinnerungen an Gott zu haben aufgrund der Zerstreuungen, der Boshaftigkeiten und der Extravaganzen der Phantasie, aber auch wegen der Gespräche, Überlegungen und Ideen, die unser Verstand von allen Dingen ausbildet, die sich uns präsentieren. Inmitten all dieser Unklarheiten müssen wir uns stets fest und unbeugsam in einem größtmöglichen Gleichgewicht halten. Wir denken nachdrücklich und sind überzeugt, dass es weder die Gespräche noch die Gedanken oder Worte sind, die uns zu Gott bringen oder uns von ihm entfernen, sondern allein die innerste Sehnsucht, die wir im Grunde unseres Herzens und unseres Willens haben. Diese Sehnsucht ist durchdrungen und beseelt von Gott selbst, der reiner Geist ist. Seine Majestät handelt unablässig im Geheimen mit dieser selben Sehnsucht, indem sie sie reinigt und stärkt. Sie tut es umso mehr, wenn die Sehnsucht durch Widerstände, Störungen und Hindernisse der Vorstellung und des Verstandes angefochten und bekämpft wird, die ihren Antrieb, ihre Freiheit oder Freude zu verringern oder auszulöschen scheinen. Wäre Gott von der Erkenntnis oder der Fassungskraft des menschlichen Herzens abhängig, dann könnten unsere Gedanken und Reden ihn dort erreichen und dort festhalten. Gott aber ist reiner Geist, unsichtbar und unantastbar für uns. Wir glauben an ihn nur mit den Augen des Glaubens. Das ist auch notwendig, um wirklich mit ihm ver24 Rabe des Elia Supplement eint zu sein, nämlich mit Hilfe eines unbekannten und unaussprechlichen Mittels, damit unsere Erkenntnis keine verstandesmäßige Erkenntnis ist, sondern eine unmittelbare, das heißt unvermittelte, ohne Nachdenken und ohne Rückwendung zu uns selbst. Ebenso ist es, wenn das Bewusstsein der Seele bezeugt, dass sie allein Gott will und sich nach ihm allein sehnt, wenn sie in diesem Zustand verweilt. Die umherschweifenden Gedanken an andere Dinge, die wir verabscheuen und missbilligen, können uns zusetzen, indem sie unsere Sinne und unsere Vorstellung treffen. Aber im Gegensatz dazu ist das Feuer viel stärker, wenn es vom Gegenteil getroffen wird, so wie im Winter, wenn es viel stärker brennt. So ist es auch mit den Mühen und Abschweifungen, die nur dazu dienen, die Sehnsucht nach dem Geliebten zu vergrößern, und das umso mehr, wenn sie ihm die Freude und das Besitzen entreißen wollen. So wird die Sehnsucht beständig von Liebe erfüllt, dass kein Wasser sie auszulöschen vermag. Im Gegenteil, der Schmerz und die Mühsal, die diese Widersprüche und Widerstände in der Seele verursachen, verhelfen dazu, das Brennen der Flamme zu vergrößern und zu intensivieren. Es handelt sich hier um tiefste Geheimnisse, die niemand versteht, wenn er nicht selbst die Erfahrung macht. Diese besteht darin, dass der Wille ohne Hilfe des Verstandes handeln kann, und das im Moment, wo man ganz eingenommen ist vom Denken und Verstehen. Das ist ohne Zweifel bemerkenswert, das man nicht sehr schätzt und liebt. Aber wir sollen und dürfen nicht daran zweifeln, dass dies nur mit der nötigen Gnade geschehen kann. Das ereignete sich in besonderer Weise bei unserem Herrn, der zugleich die erworbene und eingegebene Erkenntnis hatte. Diese standen nicht im Widerspruch zueinander. Seine heilige Seele und sein Wille taten, was von dieser eingegebenen Erkenntnis kam. Diesbezüglich ist zu bedenken, dass diese Tätigkeit der Seele, die wir Sehnsucht nach Gott und Streben nach Gott nennen, keine bestimmte, durch Gespräche und Überlegungen geformte Kenntnis von dem Objekt erfordert, das sie anzieht. Seine Majestät kann sich ihr einprägen, sie in ihrer Sehnsucht an sich ziehen, selbst dann, wenn der Verstand mit anderen Dingen erfüllt und beschäftigt ist. Ist es nicht so, dass wir oft mehrere Dinge zugleich tun ohne daran zu den- Dominique de Saint Albert ken, weil wir sie tun ohne nachzudenken? Eine Person, die Laute spielt, ist sowohl auf das Instrument aufmerksam als auch auf die musikalische Logik. Dennoch sinnt sie nicht darüber nach, sondern macht es spontan. Seid gewiss, in diesem Zustand bemerkt man, dass man immer achtsam ist – das ist eine Gewohnheit – wenn auch ohne große Anstrengung. Ich sage euch, dass Gott, der unseren Geist und unsere Seele sozusagen voneinander trennt, und die Sehnsucht unseres Wollens vom sinnlichen Tun der Einsicht, dass Gott in uns einen Schmerz hervorruft wie einen geheimen Vorwurf in all der Zeit, wo die Erkenntnis durch die Überlegung und das Nachdenken ein Hindernis für ihn war. In der Tat, das Proprium einer Person, die unter dem Einfluss der Liebe Gottes steht, ist es, sich beständig nach ihm zu sehnen in einem reinen, einfachen Glauben und auf dem Weg der Entäußerung, indem sie sich über alles Sichtbare und Erkennbare erhebt, und indem sie über alles Sinnliche hinausgeht. Je stärker die Tätigkeit der Sinne ist, desto mehr vermehrt sie, im Gegensatz dazu, die inneren Kräfte der Seele und des Willens. Sie reinigt und stärkt sie in dem Maße, wie die sinnlichen Dinge sie ermüden und mühsam sind, indem sie sie stören. Je weniger eine Person Gott verspürt, desto klarer und tiefer wohnt Gott in ihr. Da er reiner Geist ist, vereint seine Majestät auch unseren Geist mit sich in rein geistlicher Weise, unerkannt von unserem Verstand und unseren Sinnen. Das bewahrheitet sich durch die Gnade, die wir in den Sakramenten empfangen, zum Beispiel bei der Beichte, wo wir glauben, dass bei der Absolution Gott uns die heiligmachende Gnade schenkt, obwohl wir davon nichts spüren. Ein Mensch also, der tief mit Gott vereint und ganz in ihm verloren ist, aufgegangen und begraben in ihm ist, darf sich weder auf seine eigenen Kräfte verlassen noch auf seine natürliche und grobe Art zu handeln, unter dem Vorwand, dass er dadurch schneller zu Gott voranschreitet. Aber wenn er sich immer fest und unbewegt hält, wenn er in Ruhe und Geduld die Abschweifungen und Hindernisse der Phantasie und der Vernunft erträgt, die sich der Intention und den Absichten des Willens entgegenstellen, so wird auch die innere Sehnsucht ihr widerstehen im tiefsten Inneren der Seele und des Herzens. Je klarer, reiner und entäußerter er sich an Gott hält, desto weniger spürt er den Widerstand von Seiten der Natur 25 Rabe des Elia Supplement und der Sinne. Ihr werdet bemerken, dass es dabei einen Schmerz und ein geheimes Schmachten gibt, die die Seele und den Geist in Gott fließen lassen durch ein unaussprechliches Seufzen, wie es der hl. Paulus sagt: In dem Maß, wie die Sehnsucht groß und stark war – vor den Angriffen und Hindernissen von Seiten der Sinne und des Verstandes – verspürt der Mensch immer mehr, dass er aller Gefühle, greifbaren und fassbaren Überlegungen beraubt ist, die in diesem Zustand für ihn nicht existieren. Inmitten all diesen Nebels und dieser Finsternis bleibt im Menschen jene beständige Unruhe, die ihn immer mehr und weiter zu Gott trägt und drängt, wie zu seiner Mitte, immer tiefer und innerlicher, und dies umso mehr, je größer die Mühsal und die Arbeit ist. In der Tat glaubt er eine Last zu tragen, die so groß und drückend ist, dass er in Verzweiflung geriete, wenn Gott ihm nicht helfen würde. Aber die göttliche Majestät, seine Mitte und Hilfe, hat seine Liebe so sehr in sein Herz geschrieben, dass sie ihm immer einen verborgenen Antrieb gibt, dass er sie führt und zu sich streben lässt. Das ruft im Menschen diese Unruhe, dieses Sehnen und diesen Hunger nach Gott hervor und neigt ihn zu ihm wie zu seiner Mitte. Gott zieht ihn beständig zu sich und bleibt ihm im Innersten verbunden, während der Mensch Müdigkeit und Hindernisse der Vorstellungs- und Einbildungskraft erleidet. Dominique de Saint Albert zieht ihn an, nicht mehr und nicht weniger wie ein Magnet das Eisen natürlich anzieht. Der Mensch spürt dabei nicht, wie all das geschieht, weil er sich keines Mittels bedient, um dorthin zu kommen. Nichtsdestoweniger zählt all das nicht, was er empfangen kann, seine unstillbare Sehnsucht und Unruhe lassen ihm keine Ruhe. Der Mensch soll sich immer ruhig verhalten, wie die Nadel eines Kompasses, die vom Magneten angezogen wird. Was die entgegengesetzten Verfassungen angeht, wenn sich der Mensch in der Situation befindet, in der er weder klare Erkenntnis noch Gedanken oder Gefühle an Gott hat, und wenn er ganz von den Sinnen und Ausschweifungen der Phantasie und selbst des Verstandes gefangen ist, so soll er gar nicht aus seinem inneren Seelengrund herausgehen, wo sich die Zuneigung und die Achtsamkeit der Seele befinden. Das heißt, er soll diese innere Sehnsucht nicht aufgeben, die er inmitten von allem in seinem Herzen und in seinem Willen beständig empfindet, um zu handeln und zu überlegen, unter dem Vorwand, dass er seine Erinnerung an Gott wachhält. Er soll wissen, dass er sich daran mehr erinnert, wenn er nicht denkt. Was er tun soll, das ist ihn zu umarmen wie seine Mitte, mit beiden Armen des Glaubens und der Liebe, und nach ihm umso mehr zu streben, als die Widerstände ihn daran zu hindern scheinen. In dem Maß, wie die Schwierigkeiten größer werden und die Überlegungen und Vorstellungen ihn drängen und ermüden, verdoppelt sich diese Unruhe umso mehr im Herzensgrund und in seinem Willen, und er lässt sich mehr und mehr zu seiner Mitte tragen und sich mit ihr innerlicher vereinen als das wahrnehmbar ist, und doch zugleich wahr ist. Die Erfahrung einzelner Personen zeigt dies ganz deutlich. Nach Dunkelheit und Mühsal, Ängsten und Hindernissen, die vom Verstand, der Natur und den Sinnen kommen, fühlen sie sich stärker erhoben und von Gott erfüllt als je zuvor. Dennoch geschah dies im Moment, wo sich diese Menschen verloren und untergegangen glaubten, ohne eine Vorstellung oder ein Gefühl von Gott zu haben. Als sie dachten, dass Gott sie sterben lassen würde, da vergrößerte und erhob er sie in so reiner und innerlicher Weise, dass sie davon nichts sahen und wussten. Es ist gut anzumerken, dass Gott sich besser und innerlicher mit jemandem vereint, der im passi- 3. Über die beiden verschiedenen Verfassungen, in denen sich der Mensch in dieser Situation von Licht und Finsternis befindet, und über die Art und Weise, wie er sich verhalten soll. Der Mensch, der Gott liebt, muss wissen, wie er sich verhalten soll, wenn Seine Majestät ihm klare Erkenntnis, gute Gefühle und manchmal auch verstandesmäßige und einsichtige Worte über seinen gegenwärtigen Zustand eingibt. Er soll sich dieser bedienen um voranzuschreiten und sich mehr und mehr in Gott zu verlieren. Was er tun muss, ist ganz einfach in seiner einfachen Sehnsucht zu verharren, die alles übersteigt. Durch das alleinige Mühen vereint ihn diese Sehnsucht mit Gott tiefer und fester als jede andere Tätigkeit, die von Erleuchtungen kommt, die er vielleicht erhalten hat. Der Verstand ist dieses: Die gleiche innere Sehnsucht erhält von Gott sofort ihre Prägung. Diese berührt ihn, gibt ihm die Regung und 26 Rabe des Elia Supplement ven Zustand ist, als mit jemandem, der sich im aktiven befindet. Der aktive Zustand besteht zum Beispiel darin, seinen Zustand zu fühlen und mit dem Verstand zu kennen, ebenso wie seine gegenwärtige Verfassung. Man sieht sich ihn Gott, indem man überlegt und indem man ihm äußerste Achtsamkeit entgegenbringt, so als wenn man schon wirklich in der Ewigkeit wäre. Man denkt nicht an andere Dinge, nur an ihn, und erinnert sich nur an ihn. Gott erfüllt die Seele mit einem fast unendlichen Licht, mit einer solchen Zärtlichkeit und Fülle, dass es ihr erscheint, dass sie ihn niemals verlassen dürfte und sie keine andere Person als ihn verkosten noch sehen würde. Dieser Mensch denkt, dass er sich bereits im Hafen der Seligkeit befindet. Der passive Zustand besteht darin, nichts von all dem zu fühlen. Im Gegenteil, man empfindet nur Kummer, Mühe und Schmerz und Abscheu. Er besteht darin, weder Licht, Visionen, Gedanken und Gefühle an Gott zu haben. Er besteht darin, nur eine Vorstellung zu haben, die von Ausschweifungen und schlechten und bösartigen Zuständen erfüllt ist. Und was dabei die Mühsal dieses Menschen verdoppelt, ist, dass er sich in alle mögliche Gedanken und schlechte Ideen verwickelt und angegriffen sieht, die sie sehr mit Leid erfüllen. Schließlich sieht er sich ärmer und leerer als die, die noch nie vom inneren Gebet gehört haben. Im passiven Zustand handelt Gott mehr in der Seele. Gott ist reiner Geist. In ihm gibt es nichts Sinnliches, nichts was sinnlich ins Herz des Menschen fällt, so wie es der hl. Paulus sagt (1Kor 2,9): Gott ist nichts von dem, was wir hören, verstehen oder verkosten können. Danach berührt der göttliche Geist den Gipfel des geschaffenen Geistes und den tiefsten Grund der Seele und des Willens. Dies ist nichts anderes als dieses vornehmste Streben nach Gott wie nach unserer Mitte, welches dank seiner selbst und nicht durch eine erkannte Gabe die verborgene Regung der Unruhe nach der Mitte unserer Seele hervorruft, die nichts anderes als Gott selbst ist. Im Gegenteil dazu kann auch dies vorkommen: man kennt und empfindet mit dem Verstand seinen Zustand und seine gegenwärtige Verfassung. Man fühlt sich umgeben von klaren Erkenntnissen und erhabenen Gefühlen Gott gegenüber, obwohl man sich nicht ausruht, und man fühlt, dass die Sehnsucht sich weder anhalten noch an etwas festmachen lässt, aber dass sie immer mehr Dominique de Saint Albert nach dem Unendlichen strebt. Dieses Gefühl und diese Erkenntnis, die wir von der Anstrengung und dem Streben dieser selben Sehnsucht haben, bewirkt, dass die Seele weniger rein ist, und dass das Wirken Gottes in ihr schwächer ist. In der Tat, je weniger man weiß und je weniger man Gott beim Nachdenken fühlt, desto mehr schreitet man voran, dringt sozusagen in ihn ein und verliert sich dort wie in seinem Urgrund und in einem weiten Ozean der Liebe und des unendlichen Glücks. Die Personen, die versuchen Gott gegenüber treu und aufmerksam zu sein, können dies bezeugen. Während sie die Erfahrung des Alleinseins, des Zweifels, der Angst, des Todes und der Verlassenheit machen, fühlen sie gewöhnlich in all dieser Zeit, dass ihr Bewusstsein viel ruhiger und klarer ist, weil Gott sie wie in einem Schmelztiegel hält, um sie innerlich zu läutern und zu reinigen. So macht er sie zu einer viel innigeren und voll­ kommeneren Vereinigung mit Seiner göttlichen Majestät fähig. „Selig die reinen Herzens sind, sie werden Gott schauen.“ (Mt 5,8). Um ein reines Herz und eine reine Seele zu haben, darf nur Gott allein in uns eintreten, in unaussprechlicher Weise, d.h. entäußert von allem Sinnlichen oder Intellektuellen, das wir vom Verstand her kennen. Die Anzeichen dafür, dass Gott in unsere Seele und in unser Herz kommt, um in ihnen zu handeln, sind diese Unruhe, dieser Appetit und diese Sehnsucht, die man verspürt. Je mehr wir uns Gott wie unserer Mitte nähern, desto mehr bewegen wir uns mit Kraft auf ihn zu und umso heftiger sehnen wir uns nach ihm. Wir werden immer unersättlicher nach ihm, weil dieser Hunger nach ihm in dem Maße wächst, wie wir auf Gott, unsere geliebte Mitte, warten. Es ist zum Beispiel so, wie wenn Seine göttliche Majestät ein Magnet wäre, der das Eisen mit aller Kraft an sich zieht ohne dorthin zu kommen, und wenn dieser Magnet empfindungsfähig wäre, so würde er sich desto mehr seinem Objekt nähern, je mehr er von ihm angezogen und zu ihm hingeneigt würde, mit all seiner Kraft bis in Unendlichkeit, wenn das möglich wäre. So ergeht es auch dem Herzen, das von der Liebe und dem Geist Gottes bewegt und ergriffen ist. Dieser hinterlässt im Herzen einen tiefen Eindruck durch seine Güte und unendliche Liebe. Als bewegende Kraft und Ursprung bewirkt er mit der Regung der wirksamen, zuvorkommenden Gnade 27 Rabe des Elia Supplement einen tiefen Eindruck und ein tiefes Streben, die den Menschen beständig in Regung hält und ihn zur göttlichen Mitte trägt. Weil diese Mitte und dieses Objekt eine unendliche Anziehungskraft haben, will das Herz ihn auch lieben und bis in die Unendlichkeit mit ihm verbunden sein. Weil es dies aber nicht vermag, lässt das in ihm eine ständige Unruhe entstehen. Je mehr es sich Gott nähert, desto mehr will es Gott näherkommen, je mehr es ihn berührt und verkostet, desto mehr hat es Hunger und Durst, Gott zu besitzen und sich an ihm zu erfreuen. Aber weil es ihn nicht unendlich lieben kann, wie es dies möchte, wenn es ihm möglich wäre, so hat es den Eindruck, als wenn es Gott nicht liebe, während es ihn doch ohne Unterlass liebt, und dass es in jedem Augenblick ihn so zu lieben beginnt, als ob es ihn nie geliebt hätte. Dieses unersättliche Streben und Sehnen zu lieben wachsen in dem Maß, in dem man Gott verkostet, dessen Güte und Zärtlichkeit unendlich sind. Dieses Verkosten lässt das Streben und Sehnen wachsen, aber weil diese von einer Art Unruhe, Mühe und Leiden begleitet sind, so sind diese Taten sehr viel verdienstvoller. Dominique de Saint Albert Mittel wünschen sie ihm inständig alles Glück, das er besitzt, und sie erfreuen sich unendlich an dieser Wirklichkeit. Diese göttliche und unbegrenzte Güte verdient auch unendliche Liebe und Wohlgefallen, das alle endlichen und begrenzten Kräfte und Fähigkeiten des Geschöpfes übersteigt. Auch der Mensch, der sich noch in dieser Welt sieht, wird, da er keine Grenzen für seine Liebe setzt, unersättlich nach dieser Liebe und diesem Wohlgefallen. Deshalb sagt er niemals: „Das genügt“, sondern er liebt immer mehr und sehnt sich nach dem Gott dieser reinen Liebe der Freundschaft und des Wohlgefallens. Darin besteht also das wahre Glück in dieser Welt: Gott jetzt und ohne Unterlass mit wahrer Liebe und Hingabe zu lieben. Wir sind nicht nur geboren um Gott zu erkennen, sondern hauptsächlich und einzig darum um ihn zu lieben, und wir sollen uns nichts anderes wünschen als ihn zu lieben. Nicht die Größe unserer Erkenntnis, sondern die Größe unserer Liebe wird die Regel und das unfehlbare Maß für die Größe des Ruhmes und des Glücks sein, die uns im Himmel gegeben werden. Deshalb ist es nicht nötig, um Gott in diesem Leben vollkommen zu lieben, ihn vollkommen zu erkennen. Und obwohl man eine Sache nicht lieben kann, bevor man sie kennt, wie auch immer, so ist es jedoch immer wahr zu sagen, dass die Größe des Entzückens und der Liebe diejenige der Theorie und der Erkenntnis übertreffen kann. Wir erkennen Gott auf dieser Erde nicht unmittelbar. Wir erkennen ihn nur durch sein Wirken. Aber was die Liebe betrifft, so können wir ihn ohne Schwierigkeit unmittelbar und unvermittelt lieben, so wie er wirklich ist, und rein um seiner selbst willen. Möge uns der Glaube lehren, dass Gott ein unendliches Sein ist, groß und unerschöpflich an Güte und Vollkommenheit. Dies genügt, um uns die Fülle seiner Zuneigung in Erinnerung zu rufen, mit der Aussicht darauf, sie zu vereinen und sie glücklich ersterben zu lassen in diesem göttlichen Zentrum. Aus ihm schöpfen wir all unsere Kraft, all unsere Energie und all unser liebendes Handeln, wie in einem Gegenstand, für den allein und für dessen Liebe wir diese Veranlagung erhalten haben, nämlich das Vermögen und die Fähigkeit zu lieben, was wir besitzen. Deshalb, weil wir die Liebe besitzen, die teilhat an der ungeschaffenen Liebe, in der sich Gott selbst unendlich liebt, gibt sie uns diese Empfänglich- 4. Von der Vortrefflichkeit des inneren Lebens Dank des zuvor Gesagten kann man sich eine Vorstellung von der Vortrefflichkeit und dem Verdienst des inneren Lebens, des Gebetslebens und des vertrauten und beständigen Umgangs mit Gott machen. Tatsächlich führt dieses die Seele und erhebt sie zu einer Art engelhaftem und göttlichem Leben, in dem Maß wie dies in dieser Welt möglich ist. So kann sie fortwährend vor Liebe brennen, allein von der Liebe leben und nur Liebe atmen. Man soll nicht denken, dass die Menschen, die von dem inneren Gebet und der Kontemplation angezogen werden und sich ihnen hingeben, im Nichtstun verharren. Im Gegenteil, sie handeln unentwegt auf die beste und ausgezeichnetste Weise, die auf Erden bestehen kann, nämlich indem sie Gott mit reiner Liebe lieben. Diese Liebe ist dieselbe wie die der Heiligen. Diese leben nur davon, dass Gott Gott ist, und sie ruhen allein darin, und dass Gott der ist, der ihnen genügt, um sie glücklich zu machen. Ebenso ist es mit den wahrhaft kontemplativen Menschen. Der Blick des Glaubens und der Liebe, mit dem sie Gott schauen, ist eine liebende Erinnerung an das, was in ihm selbst ist. Durch dieses 28 Rabe des Elia Supplement keit und Neigung, nach Gott zu streben und uns mit ihm durch Übung der wirklichen Liebe zu vereinen. Diese Liebe ist ebenso groß und stark wie die Kraft der Leichtigkeit, die es dem Feuer erlaubt sich in die Höhe zu erheben, und die Schwer­kraft, die es dem Stein erlaubt nach unten zu fallen. Leider glauben wir aufgrund des Glaubens, den wir haben, in dieser ausgezeichneten Haltung und Veranlagung und in diesen schönen eingegebenen Tugenden, die sich in unserem Seelengrund befinden. Jedoch bedienen wir uns ihrer nicht, und so bleiben sie ohne Wirkung, denn wir handeln zu selten. Daraus ergibt sich, dass wir nicht die Erfahrung dieses Zustandes haben, zu dem wir durch die heiligmachende Gnade erhoben sind. Dominique de Saint Albert zu erkennen; und dennoch sind es doch nur sehr wenige, die die wahre Erkenntnis Gottes und der Heiligen suchen. Aber was ist die wahre Erkenntnis Gottes? Ist das nicht eine fruchtbare, wirksame und effektive Erkenntnis, die Gott dazu bringt sich selbst zu lieben, insoweit wie seine unendliche Majestät sich als liebend erkennt, d.h. unendlich liebend. In Gott ist die Liebe ebenso groß wie die Erkenntnis selbst. In der Tat, er ist ein Gegenstand, der in der Unendlichkeit erkennbar ist, er ist unendlich erkannt, und weil die Liebe seiner Erkenntnis entspricht, wie er sich als bis zur Unendlichkeit liebenswürdig erkennt, muss er sich notwendiger Weise unendlich lieben. Bemühen wir uns diese Erkenntnis Gottes nachzuahmen, uns danach zu sehnen, ihn allein deshalb zu erkennen um ihn zu lieben, und ihn so sehr zu lieben, selbst mehr als wir ihn erkennen. Dies ließ den hl. Petrus Thomas, einen Karmeliten unseres Ordens, in seinen Maximen sagen: „Zu sagen und zu glauben, dass es auf den Wegen zu Gott viele Schwierigkeiten gibt, ist ein Irrtum von mehreren Personen, die sich hier getäuscht haben aufgrund der Unvollkommenheit ihrer Vorstellung. In der Tat ist es nur die Frage, einen unendlich liebenswerten Gott zu lieben und unendlich zu lieben, wenn das möglich wäre.“ Doch leider! Wir tun es nicht und tun sogar das Gegenteil. In der Tat werden wir nicht müde, zu studieren, zu überlegen, nachzudenken, und wir sind unfähig uns Gewalt anzutun, um unsere Seele und unser Herz zum inneren Gebet zu bringen. Ich spreche von nicht einmal einer oder zwei Stunden am Tag und von der wirklichen Übung der Liebe und der Gegenwart Gottes. Oft machen wir es gar nicht. Und wir wissen, dass wir allein durch die Liebe Gott nahekommen und nur durch sie in der Beziehung mit Seiner göttlichen Majestät voranschreiten können. Alle Wissenschaft und alle spekulative Erkenntnis von Gott können in einem Menschen sein, der sich im Zustand der Todsünde befindet. Ach, wozu dient ihm das alles, wenn er es nicht in die Tat umsetzt, wenn nicht zu einem viel strengeren Urteil? Wir müssen also hauptsächlich die Lehre der Heiligen suchen, die die Liebe in unseren Herzen hervorbringt, und es als unser einziges Ziel und Vorhaben ansehen, uns in allen Geschäften, zu denen die Vorsehung und der Gehorsam uns rufen, mit Gott aus Liebe immer mehr zu vereinen. 5. Worin besteht die wahre Kontemplation in diesem Leben? Wenn wir sagen, dass das wahre geistliche und kontemplative Leben in der Nächstenliebe und in der Liebe zu Gott besteht, dürfen wir nicht denken, dass diejenigen, die eine Haltung der größten Nächstenliebe haben, auch die kontemplativsten Menschen sind. Die Haltung der Nächstenliebe lässt uns Gott nicht unmittelbar erfahren und verkosten, uns an ihm erfreuen, oder uns an ihn erinnern. Nein! Aber es sind die wirkliche Nächstenliebe und die wirkliche Liebe zu Gott, die uns Gott beständig ersehnen lassen, nach ihm schmach­ten lassen, nur nach ihm atmen lassen und in der Konsequenz unsere Erinnerung, unsere Erkenntnis, unser Herz und unseren Willen an ihm festmachen lassen, indem wir jetzt und immer beständig nach ihm streben, wie nach der Mitte unserer Seele. In dieser liebenden, sozusagen hungrigen, Erinnerung, und voller Leidenschaft durch das Genießen Gottes und seine beständige Gegenwart, besteht die wahre Kontemplation in dieser Welt. Man muss mit Gott durch das Denken und durch die Zuneigung vereint sein, wie wir im 2. Kapitel gesagt haben. Das Denken allein ohne die Zuneigung und die Sehnsucht vereint die Seele nicht mit Gott und formt sie nicht in ihn um. Die Zuneigung und die wirkliche Liebe können nicht ohne die Gedanken bestehen, die sie begleiten. Aber wenn ich daran denke, ist das ganz und gar der Frömmigkeit würdig, zu sehen, dass fast alle Christen, auch die Ordensleute, die durch ihren Stand und die Gelübde dazu verpflichtet sind, sich mit solcher Leidenschaft danach sehnen Gott 29 Rabe des Elia Supplement Einige sehnen sich in Aufrichtigkeit und Wahrheit danach, einzig für Gott allein zu leben und sich ganz der inneren Sammlung, der Achtsamkeit, der Aufmerksamkeit und der ständigen Verbindung mit Seiner göttlichen Majestät zu widmen, durch eine Rückkehr und wie ein ständiges Zurückfließen der Liebe in sich wie in ihre Mitte. Und sie versuchen treu zu sein in dieser liebenden und unübertrefflichen Übung (sofern es sich um Personen handelt, die unter dem Gehorsam leben). Es ist wahr, dass sie niemals ablehnen sollen, was man von ihnen verlangt, selbst wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die die Äußerlichkeit begünstigen und die den Geist zerstreuen. Unter diesen ist die Konzentration auf das Studium der Philosophie und der Theologie oder anderer Fächer die mühsamste von allen. Ein Ordensmann, der von der Kontemplation angezogen ist und sich ihr widmet, möchte sich lieber inmitten einer Armee befinden als bei den Argumenten des Aristoteles. Der Grund dafür ist klar, weil in dem einen Fall allein die Sinne abgelenkt sind, aber in dem anderen der Geist ganz und gar absorbiert scheint. Von nun an ist er nicht mehr achtsam auf Gott, sondern er hat nur noch die Absicht und den Wunsch, ihm in dieser Beschäftigung zu gefallen. Dominique de Saint Albert Umso mehr glauben wir daran, dass Gott unsere innere Vollkommenheit unendlich mehr ersehnt als wir selbst. Und weil wir doch diesen Zustand, diese Tätigkeit, diese Beschäftigung, zu denen uns seine Vorsehung ruft: zum Lektor, Prediger, Beichtvater oder was auch immer, aus uns selbst heraus weder gesucht noch erhalten haben, so müssen wir glauben, dass es unmittelbar Er ist, der uns trägt und uns dazu beruft. Glauben wir daran, dass Seine Majestät vorausschauend dafür sorgt, dass wir Fortschritte machen, besonders im inneren Leben, wenn wir ihm treu sind, wie er es von uns ersehnt und wünscht. In der Tat, im Inneren leben wir aus dem Glauben, der Liebe und dem Handeln. Gott berührt uns und zieht uns an sich, über uns selbst hinaus. Auf gleiche Weise sollen wir im äußeren Bereich handeln, d.h. auf alle Auswahl und Wahl verzichten, wir sollen nichts erbitten und nichts zurückweisen, sondern blindlings dahin gehen, wohin uns Gottes Geist und sein Wille tragen. Es bleibt uns nur, treu in dieser Verfassung und bei diesem starken und festen wirklichen Entschluss zu bleiben, z.B. zum Studieren, Predigen, Beichtehören, Arbeiten, und diese Dienste einzig auszuüben um Gott mehr zu lieben. Nicht um mehr Kenntnisse von Gott zu gewinnen, sondern um uns mehr mit Gott zu beschäftigen, weil derjenige, der von Gottes Geist bewegt ist, nicht dorthin gelangt, das in gewisser Weise zu tun. Das heißt, dass er keine mit Hilfe der Wissenschaften, der Spekulation und des scholastischen Denkens erworbenen Kenntnisse nötig hat um zu lieben. In der Tat, der einfache Glaube, das Verkosten und die Erfahrung, die Gott ihm von sich selbst gegeben hat, die Salbung und die verschiedenen Eindrücke seines Geistes geben ihm ein erhabenes Gefühl Seiner Majestät. Es geht also nicht darum, mehr Kenntnisse zu erwerben um Gott mehr zu lieben, nein, es geht darum, durch das Leiden und den grausamen Tod, den er von all diesen geschaffenen Gedanken und Kenntnissen erdulden wird, seine Seele und sein Herz mehr zu reinigen, damit der Geist durch das Nachdenken und die ständige Verwendung des Verstandes gezwungen sein wird zu sammeln, was ihn bedrückt und unendlich bedrängt. Das ist die schlimmste Hölle, die ein Herz, das in Gott verliebt ist, erleiden kann. Es sucht mit Gott allein, rein und einfach nur die Unterredung, seine Gegenwart und die Beziehung zu ihm, um sich Nichtsdestoweniger müssen wir, wenn der Gehorsam uns zum Studium ruft, uns diesem einfach widmen und glauben, dass Gott uns darum bittet und darin seinen Willen sehen. In der Tat haben wir darauf verzichtet, nach unserer eigenen Vorstellung zu handeln, um ihm den Platz zu lassen, und uns von ihm durch seine göttlichen Taten in übernatürlicher Weise vorbereiten und bewegen zu lassen durch das Bemühen und den ständigen Antrieb, den er unserem Herzen und Sehnen gibt, indem er diese heftig und wirksam berührt. Gleichfalls sollen wir bei all unseren Taten und äußeren Tätigkeiten nicht auswählen oder selbst bestimmen, sondern von Gott den Anstoß erhalten für den Weg, den er befiehlt, d.h. durch unsere Oberen und die, die an ihrer Stelle sind, durch deren Mund er zu uns spricht und uns seinen Willen kundtut. Dies ließ den großen hl. Angelus aus unserem Orden in seinen geistliche Maximen sagen, dass der wahre Gehorsame mit einem Geist der Milde, der Güte und der Gelassenheit all das annehmen muss, was ihm rechtmäßig befohlen wird, ohne es zu prüfen und selbst ohne über die Sache eigenwillig nachzudenken. 30 Rabe des Elia Supplement so weit wie möglich von allem loszumachen und dessen zu entledigen, was nicht Gott ist. Doch sieht er sich gezwungen, seinen Verstand mit einer Unzahl von Ideen und geschaffenen Bildern zu erfüllen und auszuschmücken. Das bedeutet, ständig den grausamsten und größten Feind, den es in der Welt gibt, in seiner Wohnung aufzunehmen. Aber bleiben wir mutig und trösten wir uns in dieser Situation, wo wir durch viele Reden und erhabene Gedanken, von denen nichts Gott ist, von Gott getrennt sind. Im Gegenteil, wir hängen uns an ihn durch ein liebendes Bemühen, durch ein innerliches Sehnen und ein liebendes Streben unseres Herzens und unseres Willens, ohne andere Erkenntnis zu benutzen als die des Glaubens, so vermute ich. Je mehr diese Gespräche und Gedanken unsere Anziehung, unseren Hang und unsere Neigung zu Gott so zu vermindern scheinen, als würden sie sie auslöschen, desto mehr rufen sie in uns eine Unruhe, eine Regung und ein Brennen im Herzen hervor. In gewisser Weise ist es so, als wenn man sich bemüht eine große Flamme auszulöschen, indem man etwas Schweres darauf wirft. Je mehr sie unterdrückt wird, desto mehr hat sie Kraft und Stärke um zu handeln, um sich zu bewegen und sich viel stärker und mächtiger zu erheben dank ihres natürlichen Elans, den man mit Gewalt angehalten hat. Es ist bei uns ebenso, obwohl wir uns dessen nicht bewusst sind und nicht daran denken, wenn wir ganz in Tätigkeiten, Nachdenken und Handlungen aufzugehen scheinen. Später werden wir sehen, dass unsere Seele einfacher, heiterer und weiter in Gott ist als je zuvor. Und durch Erfahrung sehen wir, dass alle rein erworbene Wissenschaft und Erkenntnis sich mit der erfahrenen Erkenntnis, die wir von Gott haben, weder berühren noch vermischen, dank der Anstrengung und des liebenden Strebens des Willens. Die erworbene Wissenschaft, die in unserem Herrn war, behinderte in seiner Seele nicht die eingegebene Erkenntnis, die sie vom selben Gegenstand hatte. Deshalb darf der Mensch sich in diesem Zustand keine Sorgen machen und sich nicht verwirren lassen, wenn er in Bezug auf Gott gleichzeitig zwei Bereiche der Aktivität und der Aufmerksamkeit hat, nämlich gleichzeitig die Sinne, das Reden und den Verstand. Das würde bedeuten sich durch Geschwätz zu belasten. In der Tat: je mehr man aufmerksam auf das eine ist, desto weniger ist Dominique de Saint Albert man es auf das andere, so als wolle man zum Beispiel über die Liebe und Güte Gottes meditieren und zur gleichen Zeit darüber nachdenken und argumentieren. Dies sind zwei verschiedene Dinge, die ihrer Natur nach unvereinbar sind, und das ist auch nicht notwendig. Man muss sich um das Studieren oder eine andere Tätigkeit so bemühen, als hätte man nur das zu tun. (Ich spreche hier für die, die zu diesem Stand gehören, wo man weder Meditation noch Verstand, noch andere Erkenntnis benutzt, die von den Handlungen kommen, die uns an Gott erinnern.) Man muss Gott in der Mitte des Herzens und des Willens handeln lassen, die die göttliche Güte anzieht, und die sie reinigt wie ein sehr reines Öl, ohne sich mit allen geschaffenen Dingen zu vermischen, d.h. mit allen Vorstellungen, Gedanken und Erkenntnissen des Verstandes und der Phantasie. Und der Grund, dass es scheint, dass wir nach all diesen Gedanken und Überlegungen nicht mit Gott geeint sind, ist, dass wir seine Tätigkeit nicht gefühlt haben, dass wir davon keine überlegte Erkenntnis haben, und dennoch waren wir ihn der Tat ihm innerlich sehr verbunden, so wie wir es im 3. Kapitel, das den Zustand des Entzugs und der Finsternis behandelt, dargelegt haben. Daraus folgere ich dies: für die Menschen, die sich in Gott verloren haben, indem sie ihre eigenen Fähigkeiten entfalten – eine wahre Anziehung an Gott immer vorausgesetzt – und die sich selbst übertreffen, können das Studium, eine andere Übung oder welche Beschäftigung auch immer, selbst die entspannteste, die sie von Gott entfernen und in ihnen einen dauernden Zustand der Trockenheit und des Entzugs bewirken, nicht nur nicht schädlich sein, sondern sie dienen ihnen im Gegenteil allein dazu, sich noch tiefer mit Gott zu vereinen. Ich glaube, wenn unsere Schwäche Gott stärken könnte mit der gleichen Sehnsucht und der gleichen Leidenschaft wie Seine göttliche Majestät und Güte dies tut für die Reinigung und die Vollkommenheit unserer Seelen, so würde Gott uns unser ganzes Leben lang in einem Zustand des Todes und der ständigen Entbehrung lassen, wenn wir dazu fähig wären, so wie es die Heiligen erfahren haben, die diesen Zustand durchgemacht haben. Aber Gott müsste uns außergewöhnliche Gnaden geben, um weiterzuleben ohne zu verzweifeln. Und seine göttliche Weisheit, Vorsehung und Führung würden uns von seiner Seite aus niemals 31 Rabe des Elia Supplement fehlen, vorausgesetzt, dass wir ihn handeln ließen und dass wir gerne sein göttliches Tun und seine Prüfungen ertragen würden, wie der Heilige Geist durch den Mund der Weisheit bezeugt: „Ertragt gerne die Prüfungen und das Tun Gottes in euch!“ Ertragt sie geduldig im Geist des Glaubens, der Liebe, der Selbstentäußerung, des Opfers und der Hingabe eures Lebens in seine Hände, um ihn in euch das geschehen zu lassen, was ihm gefällt und wie es ihm gefällt. Tut dies ohne wissen zu wollen, was er tun will, so wie er es richten wird, um euch ganz in ihm auszuruhen und euch ihm anzuvertrauen, in der Überzeugung und dem festen Glauben, dass er immer gut handeln wird. Aber leider, nur wenige Menschen kommen dazu, sich selber zu verlieren, weil nur wenige sich verlieren wollen. „Wer sein Leben verliert, wird es finden“, sagt der Herr. Dennoch: Glückliches Verlieren, durch das es geschieht, dass man sich in Gott findet wie in seiner Mitte. Kommen wir zu unserem Thema zurück. Glauben wir nicht, dass wir von Gott entfernt oder getrennt sind, wenn wir keine guten Gedanken oder Gefühle von seiner göttlichen Gegenwart und seiner Majestät haben. Im Gegenteil: es ist gerade dann, dass wir besonders innerlich mit ihm vereint sind, und dies viel entäußerter, reiner, sicherer und geistlicher, dank der Akte des Glaubens und der Nächstenliebe, deren ständiges Streben im Grund unseres Herzens und unseres Willens für uns nicht fühlbar und nicht wahrnehmbar sind. Ebenso ist es mit den vielen anderen Taten, die wir gewöhnlich tun und die für uns sozusagen natürlich sind. Wir kennen sie nicht durch unseren Verstand, sondern wir sind wirklich darauf aufmerksam durch unser ständiges, tiefes und innerliches Sehnen, auf dem wir uns immer beruhigen, ausruhen und uns wie in Sicherheit aufhalten können. Erklären wir es noch deutlicher: Diejenigen, die es gewöhnt sind, ihre inneren oder äußeren Handlungen aus Liebe zu Gott zu verrichten ohne bewusst darüber nachzudenken, tun dies ebenso gut und sogar besser, als diejenigen, die es bewusst aus Liebe zu Gott tun, aber nicht die gewöhnliche innere Haltung dazu haben. Die natürliche und moralische Erklärung dafür ist, dass das Ziel, das in unserem Herzen und Willen vorherrschend ist, so wie der erste Beweger ist, der den Schwung und die Regung für fast all unser Sehnen, unsere Zuneigung und unsere Neigungen gibt. Wenn Dominique de Saint Albert eine Person z.B. leidenschaftlich den Reichtum liebt, so strebt alles, was sie tun kann, unmerklich darauf hin, diesen zu erhalten, ob sie kommt oder geht, was immer sie tut, alle Tätigkeiten zielen nur darauf ab, Güter zu gewinnen und anzuhäufen. Hier ist es ebenso: Gott ist das einzige Ziel, das verfolgt wird, nicht nur was die Absicht anbelangt, sondern auch was die Aufmerksamkeit und die Sehnsucht. Er ist tatsächlich unser einziger Schatz, und wir glauben ihn bereits zu besitzen. Das befriedigt uns und zieht uns unmerklich an und bewirkt in uns beständig den Hunger und Durst ihn zu besitzen und uns mehr und mehr an ihm zu erfreuen. Es kann vorkommen, dass wir verwirrt sind oder viele Gedanken im Bereich der Sinne, in unserer Vorstellung oder unserem Denken haben, dennoch ist das Ohr unserer Seele und unseres Herzens immer offen für die ewige und fortwährende Stimme dieses unerbittlichen Meisters, der uns unablässig im Inneren sagt: „Liebe, liebe, liebe den, der dich ewig und unendlich geliebt hat und der dich auch jetzt ohne Unterlass liebt“. Diese Stimme erregt unser Herz und lässt es nicht zur Ruhe kommen, aber sie hält es in einer beständigen Unruhe und Regung, damit wir auf diese unendliche Liebe so antworten, wie wir es mit wirklicher und beständiger Achtsamkeit können. Ich gestehe, dass diejenigen, die sich noch nicht hinreichend beherrschen, und deren Gipfel der Seele, d.h. deren Grund des Herzens und des Willens, noch nicht genug von der göttlichen Liebe durchdrungen und entzündet sind, und die auch nicht von großem Hunger und großer Sehnsucht nach Gott beseelt sind, dass diese Personen, so sage ich, Mühe haben, in der Gegenwart Gottes zu wandeln inmitten ihrer äußeren Tätigkeiten, vor allem, wenn sie mit dem Verstand argumentieren. So wie das Mittel, dessen sie sich bedienen, nur ein vertrautes und liebevolles Gespräch ist, das von diesen Reden und diesen Überlegungen unterbrochen wird, so scheint es ihnen, als seien sie nicht mehr bei Gott, wenn sie nicht mehr mit ihm sprechen. Das stört sie unendlich und führt dazu, dass sie es nicht wagen, sich ganz dem Denken und dem Studieren zu widmen, denn sie sind überzeugt, dass sie mit ihrem Empfinden in beide Richtungen aufmerksam sein müssen, zugleich auf Gott, indem sie über ihn nachdenken, als auch auf den Gegenstand, über den sie meditieren und den sie hin und her wenden. Dar32 Rabe des Elia Supplement auf muss für alle Menschen hingewiesen werden, die sich verschiedenen Aktivitäten widmen, weil sie so ihre Gesundheit erheblich beeinträchtigen und in bedauernswerte Schwierigkeiten kommen könnten. Das sollen sie tun bei diesen Begegnungen: Sie sollen sich durch einen Blick des Glaubens, der Liebe und des Loslassens tief in Gott werfen. Danach sollen sie einfach ihren Verstand gebrauchen, d.h. ihre Erinnerung und ihre Einsicht für die Dinge, die Gott von ihnen verlangt, indem sie seinen liebenden Willen berücksichtigen, indem sie die hl. Schutzengel nachahmen, damit der Wille Gottes überall geschehe. Sie glauben, dass Seine Majestät sie beständig anschaut, als hätte er nur sie auf Erden zu beachten. So bewahren diese Menschen so weit wie möglich im Grunde ihrer Seele und ihres Herzens die innere Sehnsucht und die liebende Erinnerung an Gott. Diese Sehnsucht und Erinnerung bewirken, dass sie sich ohne Unterlass mit Gott unterhalten und ihm ihre Liebe und Treue bezeugen, ohne sich mit Gewalt anzustrengen, um immer mit ihm zu sprechen, was ihnen später schädlich sein könnte. Aber sie können sich nur von Zeit zu Zeit und mit Unterbrechungen durch liebende Blicke und wesentliche Unterhaltungen über ihr Sein mit ihm vereinen, indem sie sich in ihn wie in ihre Mitte und wie in einen weiten Ozean der Liebe ergießen. Sie sagen zum Beispiel: „O Gott der Liebe, ziehe mich an dich! O meine Mitte und Seligkeit“. Und eine der Prüfungen, die man haben kann, um in dieser ganzen Zeit nicht von Gott getrennt zu sein, ist es, dass man sich gehalten fühlt, das innere Gebet zu verrichten, und dass man im Grunde seines Herzens und seines Willens eine gewisse Anhänglichkeit an die Gegenwart Gottes und eine innere Sehnsucht nach ihm fühlt, wenn man dort herauskommt. Die innere Mühsal, die wir wegen all der äußeren Hindernisse fühlen, bezeugt unseren guten Willen und unsere reine Absicht Gott gegenüber. Zu diesem Thema habe ich diese wichtige Anweisung zu geben: Es ist wichtig die Personen, bei denen man eine besondere Anziehung von Gott für die inneren Dinge feststellt, nicht all zu früh auf das Studium, auf Übungen und Beschäftigungen zu orientieren, die die Veräußerlichung und die Zerstreuung begünstigen. In der Tat könnte es ihnen an der Zeit fehlen, ihre Anziehung und ihren inneren Zustand zu erkennen und zu un- Dominique de Saint Albert terscheiden, und durch die Prüfungen und die verschiedenen Wege bei den Übungen des geistlichen Lebens und der Praxis der Tugend und der Vollkommenheit, zu der sie berufen sind, hindurchzugehen. Folglich würden sie es aufs Spiel setzen, niemals in die verborgene Kammer des Herzens des Bräutigams einzutreten und in die Wirkungen seiner göttlichen Liebe, durch die er in denen handelt, die ihm treu sind. Ich denke auch, dass es sehr schwierig ist für jemanden, der zuvor mit Gott in vertrauter und liebender Weise gesprochen hat, und der sich seitdem dem Forschen und dem Studium der Wissenschaften, vor allem der Theologie, gewidmet hat, auf den Weg der überwesentlichen, d.h. der übernatürlichen und eingegebenen, Liebe zurückzukommen. Als dieser Mensch noch auf dem Weg der Gespräche und der Handlungen war, so war es ihm sehr leicht, seiner natürlichen Neigung zu folgen ohne sie zu überwinden, und der Anziehung Gottes und seinem göttlichen Handeln zu folgen sowie aus den Motiven der theologischen Wahrheiten zu schöpfen, über die er nachgedacht hat und die ihm als Mittler zwischen Gott und ihm selbst dienten. Danach es für diese Menschen besser, zwei, drei oder sogar vier Jahre damit zu verbringen, das forschende Nachdenken sowie die formellen Tätigkeiten zu lassen, um sich in Liebe umwandeln zu lassen und die Liebe und die erfahrene Gotteserkenntnis zu praktizieren, die die Wissenschaft aller Wissenschaften ist. Wenn der Mensch dann die Anziehung und den Geschmack daran gefunden hat, wird alle andere erworbene Wissenschaft keinen Wert mehr für ihn haben, was ihn danach viel verfügbarer und fähiger macht, diese für den Ruhm Gottes und das Wohl des Nächsten zu erwerben. 6. Die Übung der Tugenden im Zustand der Vereinigung Bisher haben wir nichts gesagt über die Treue, die man beim Verrichten der Tugenden haben muss, bei den Gelegenheiten, die sich in diesem Zustand ergeben. Aber es genügt zu sagen, dass es an der Liebe fehlt, wenn man eine einzige Tugend verfehlt. Und ein Mensch kann das nicht tun, ohne im Inneren einen großen Vorwurf zu verspüren. In der Tat, da er ganz an Gott hingegeben ist und im Inneren nur für ihn lebt, muss er auch äußerlich nur für ihn leben. Und derselbe Gegenstand und das gleiche Prinzip beseelt ihn im Inneren, 33 Rabe des Elia Supplement lässt ihn handeln und lässt ihn ohne Unterlass die Gegenwart seines Gottes suchen, die nichts anderes ist als Gott selbst. Er bringt ihn dazu, im Äußeren zugleich Tugendübungen zu verrichten, die seinem Zustand und den Gelegenheiten, die die Vorsehung ihm präsentiert, entsprechen, um dieses Vorhaben zu erfüllen, wo er Gott gegenwärtig schauen soll. Gott erwartet dies von ihm, er wünscht es und fordert es von ihm. Wenn man gelegentlich eine Beleidigung, ein Unrecht, eine Verleumdung oder eine üble Nachrede hinnimmt, so kann man es natürlich nicht lassen, darin die Strafe und den Schlag heftig zu spüren, denn die falsche Beschuldigung stört selbst den Weisen, sagt der Hl. Geist. Gott bewahrt uns nicht davor, einen körperlichen oder geistlichen Schmerz zu spüren. In der Tat, weiß Seine Majestät sehr wohl, dass wir empfindlich sind. Überdies musste seine heilige Menschheit, ganz vereint mit der Gottheit in der Person des Wortes, folglich all seine göttliche Kraft und Tugend entfalten, um seinen Leib und heilige Seele unempfindlich für Schmerzen und Leiden zu machen. Gleichwohl wollte er sie als Mensch spüren, um uns zu trösten und die Art und Weise zu lehren, in der wir uns nach seinem Beispiel verhalten sollen. So weit wie möglich sollen wir die Widerstände der Natur, der Sinne und des Verstandes beherrschen, um im Grunde der Seele und des Herzens mit ihm zu sagen: „Dennoch, mein Gott, soll dein Wille geschehen und nicht der meine.“ Halten wir uns fest, immer mutig und unerschütterlich bei diesen Begegnungen, um den Kelch zu trinken und alle Bitterkeit mit Liebe herunterzuschlucken, süß wie Milch, indem wir sie aus der Hand Gottes annehmen, der uns dadurch umgestalten und uns in sich aufnehmen will. Schließlich soll das Feuer der Liebe alles in uns aufzehren und alle Leidenschaften und Anhänglichkeiten sterben lassen, die uns noch von außen halten können, wie eine ewige Glut, die in unserem Herzen entzündet ist. Sie verbrennt und verzehrt all das, was zu verhindern scheint, dass seine Flamme in seine Sphäre und in seine Mitte aufsteigt, die Gott selbst ist. In diesem Zustand sollen wir dann einzig und gerne über Gott nachdenken, vor dem wir immer stehen dank der liebenden und brennenden Erinnerung, die wir von seiner göttlichen Gegenwart besitzen. Und weil wir sehen, dass diese Widersprüche und kleinen Verfolgungen nur von ihm kommen und mit seiner ausdrücklichen Erlaub- Dominique de Saint Albert nis, so dienen sie nur dazu, unsere Liebe zu Seiner göttlichen Majestät zu verdoppeln. Wir machen uns dann eine Freude daraus, dass es für uns eine neue Gelegenheit ist, ihm zu gefallen und weitere Fortschritte in seiner Liebe und in einer sehr reinen und sehr vollkommenen Vereinigung mit ihm zu machen. Man muss dabei folgendes Prinzip und folgende Maxime voraussetzen: Im Inneren besteht die innere Übung in einer wirklichen Liebe der göttlichen Nächstenliebe, mit deren Hilfe unser Herz sich ohne Unterlass und beständig zu Gott bewegt und neigt wie zu seiner Mitte. Ebenso äußerlich, alles was wir tun, unterlassen und leiden, muss zu der wirklichen Liebe in Beziehung gesetzt werden und von ihr beseelt sein und kein anderes Ziel als Gott haben. Er ist der einzige Gegenstand, den unser Wille ununterbrochen betrachtet und nach dem er sich ohne Unterlass sehnt. Dadurch nähern wir uns ihm immer mehr, wie dem ersten Anfang, unserem erhabenen und letzten Ziel in dem Maß, dass in uns selbst alles nur noch Liebe ist, die allein von der Schau und der Liebe Gottes erhellt und beseelt wird. Hier liegt das wahre Geheimnis und Mittel, alle anderen Tugenden vollkommener und dauerhafter zu erwerben, als wir sie wegen ihrer eigenen oder besonderen Vollkommenheit ausüben würden, denn weil sie geschaffen sind, führen sie uns nur auf Umwegen zu Gott. Es ist die göttliche Liebe, die Gott direkt betrifft und die das Geschöpf direkt wie mit seiner natürlichen Mitte mit ihm vereint. Sie ist die einzige Regel, das einzige Maß, dem der Genuss des Zieles und erhabenen Gutes entspricht, nach dem wir streben und das nichts weniger als Gott selbst ist. So besitzen ihn diejenigen, die sich sehnlichst nach Gott sehnen, nach ihm geschmachtet und öfters beständig nach ihm geeifert haben, und sie erfreuen sich an ihm entsprechend ihrer Sehnsucht, ihres Brennens und ihrer wirklichen und beständigen Liebe. In der Tat, mit der Kraft des Sehnens haben wir in uns einen größeren Durst, einen größeren Appetit und einen unersättlichen Hunger nach Gott entstehen lassen. Und wir sind entsprechend erfüllt mit dem Appetit, Hunger und Durst und folglich mit der mehr oder weniger großen Fähigkeit, die wir erworben haben, um Gott zu besitzen und uns an ihm zu erfreuen, dank unserer Treue und der wirklichen und beständigen Liebe. Dazu sagte die leidenschaftli34 Rabe des Elia Supplement che Magdalena von Pazzi in einer Verzückung der Liebe: „Jemand der keine große Fähigkeit der Seele und des Herzens hat, um Gott zu besitzen und sich an ihm in Fülle zu erfreuen, ihn zu lieben und ihn höher und vollkommener zu verherrlichen, der weiß niemals genug zu lieben“. Abgesehen von der Übung der Tugend, in der wir unsere unmittelbare und hauptsächliche Übung machen wollen, dient sie nur dazu, alles zu entfernen, was ein Hindernis sein und was das Aufsteigen der Seele zu Gott verhindern kann, der erfüllt ist von der Nächstenliebe und dieser wirklichen Liebe. Tatsächlich besteht das Besondere der Tugenden nur darin, unsere Leidenschaften zu zügeln und uns zu helfen, unsere Eigenliebe und das Begehren unserer eigenen Vortrefflichkeit zu überwinden. Aber trotz allem ist die Seele noch nicht in Gott verloren, und obwohl sie Tugendhandlungen hervorbringt wegen der Vorzüglichkeit und Anständigkeit, die sie begleiten, wegen des Nutzens und der Vorteile, die sie davon zu gewinnen erhofft, so dient das nur dazu, diese schöner zu machen, zu schmücken und sie für die Vereinigung mit Gott durch diese Nächstenliebe und diese wirkliche Liebe bereit zu machen. Es ist anzumerken, dass, um zu Gott zu gehen und nach der Vereinigung mit Seiner Majestät durch die Übung der beständigen Liebe zu streben, nicht bedeutet, dass man zuvor alle Tugenden erworben hat und dass das auch nicht nötig ist. Aber um dorthin zu gelangen und sie mit größerer Leichtigkeit und Beständigkeit zu erwerben, müssen wir zuerst Gott zu unserem Ziel machen und ihn uns zuerst in unserem Herzen einprägen als unseren ersten Ursprung und unseren letzten Ausgang, durch den wir in dieser Welt sind, leben und atmen. Und dann müssen wir in der Kraft dieser starken und wirksamen Sehnsucht, dorthin zu gelangen, koste es was es wolle, mit seiner heiligen Gnade, die uns niemals fehlt, weil wir alle für dieses liebenswürdige Ziel geschaffen sind, den festen Entschluss fassen, tapfer alle Hindernisse, Bindungen und Schwierigkeiten zu überwinden, die unsere Sinne, Launen, Leidenschaften und entgegengesetzten Gewohnheiten uns später als Hindernis entgegen stellen könnten. Und in dem Maß, in dem die Sehnsucht nach diesem Ziel in uns wächst, nimmt in demselben Maß auch die Leichtigkeit zu, Handlungen und Mittel hervorzubringen und auszuüben, um dahin zu gelangen. Die Sehnsucht entzündet, wie ich sagte, eine Glut Dominique de Saint Albert in unserem Herzen und lässt sie ständig größer werden, sie verzehrt all unsere Bindungen, unsere Unvollkommenheiten und unsere schlechten Gewohnheiten schneller und wirksamer, als wenn wir viel Zeit dafür verwenden würden, eine nach der anderen auszurotten. Es ist, als wenn, zum Vergleich, jemand Dornen, Stacheln und Dornbüsche aus einem Gehölz oder Wald ausreißen wollte. Es ist gewiss, dass er besser und schneller an sein Ziel käme, wenn er sie verbrennen würde, als wenn er sie eine nach der anderen mit einem Messer ausreißen würde. All das dient einzig dazu, die Art und Weise aufzuzeigen, wie sich diejenigen, die sich auf dem festen Weg der wirklichen Liebe bewegen, mit allen Tugenden umgehen. Alle tun dies aus dem gleichen Beweggrund und für das gleiche Ziel, was auch immer ihr Zustand, aktiv oder passiv, ist, d.h. ob sie handeln oder nicht. Wenn sie noch aktiv sind, d.h. wenn sie noch innerlich mit Gott sprechen durch Reden und vertrautes Unterhalten mit Seiner göttlichen Majestät, so tun sie alles, was sie vollbringen und erleiden, einzig dafür, um dem zu gefallen, mit dem sie sprechen und dessen Gegenwart tief in ihrem Herzen und ihrer Seele eingeprägt und eingegraben ist. Sie verhalten sich Gott gegenüber so wie in einem höflichen und angemessenen Gespräch, wo man alles tut, um einem Freund zu gefallen oder um mehr und mehr sein Wohlwollen und seine Freundschaft zu gewinnen. So sollen wir gegenüber dem Gegenstand unserer Liebe handeln. Wir haben keine andere Sehnsucht und keine andere Leidenschaft, als Gott in allem, was wir tun und sagen, immer mehr zu gefallen. Wir handeln nur, um dem zu gefallen, dem wir ganz und gar ergeben und geweiht sind. Wenn wir nicht mehr aktiv sind und wenn wir bereits durch die Regungen und das Handeln der Gnade und des Geistes Gottes in uns geführt werden, so verzehren wir alles im Brennofen unserer Liebe, dessen wir uns bedienen, um weitere Fortschritte zu machen und sozusagen weiter einzudringen in diesen tiefen Abgrund der Liebe. 7. Über die Versuchungen in diesem Zustand Die Menschen, die sich in diesem Zustand befinden, sind nicht ohne Sünden und sind wie die anderen Menschen Versuchungen unterworfen, wie es der große hl. Apostel Paulus bezeugt, dieser feurige Mann, eingetaucht in die wirkliche und beständige Liebe zu Gott, der sich oft in sei35 Rabe des Elia Supplement ne Briefen beklagt: „Welch unglücklicher Mensch bin ich, wer befreit mich aus der Sklaverei meines sterblichen Leibes. Damit die große Anzahl von Offenbarungen, Ekstasen, Gaben, Gnaden und Gunsterweisen, die ich von meinem Gott erhalten habe, mir keine Gelegenheit zum Stolz geben, hat er mir einen Engel Satans gegeben, der mich unablässig schlägt. Dreimal habe ich den Herrn inständig darum gebeten, mich in seiner Güte davon zu befreien. Und seine göttliche Majestät hat mir geantwortet: Meine Gnade soll dir genügen, und du darfst dich weder wundern noch beunruhigen, weil die Tugend sich in der Schwachheit festigt und vollkommener wird“ (2 Kor 12,9). Und die meisten Heiligen sind verfolgt worden. Was wir in dieser schwierigen Situation tun sollen, ist zunächst, dass wir unsere Phantasie beherrschen, sobald wir im Licht unseres Verstandes darüber nachdenken, so wie es der fromme hl. Bernhard, der milde hl. Franziskus, die seraphische hl. Teresa und die vor Liebe brennende hl. Magdalena von Pazzi und alle anderen großen Gott liebenden Herzen getan haben. Das wahre Geheimnis, um damit zum Ende zu kommen, ist nicht diese völlig zu bekämpfen und sie zu verachten, denn je mehr wir sie bekämpfen wollen, desto mehr beeindrucken sie uns. Bitten wir unseren Herrn, selbst den Platz der Versuchung einzunehmen und unsere Seele, unser Herz und unsere Phantasie mit seiner Weisheit, Liebe und göttlichen Reinheit zu erfüllen. Wir handeln in diesen schwierigen Momenten wie ein Mensch, der in einem schönen Saal mehrere Gemälde betrachtet, die hier in großer Zahl vorhanden sind. Wenn er eines sieht, das ihm nicht gefällt, wendet er seinem Blick davon ab, um ein anderes anzuschauen, und er tut das ohne zu überlegen. Wir handeln bei diesen Gelegenheiten genauso. Wenn wir über eine schlechte Idee oder einen schlechten Gegenstand nachdenken, vergessen wir ihn ohne zu zögern, ohne zu verhandeln oder zu überlegen, und zwar vergessen wir ihn gänzlich, ohne freiwillig unter dem Vorwand, zu prüfen, um zu sehen, ob wir dem zugestimmt haben oder nicht, zurückzukehren. Das ist der kürzeste Weg, um damit fertig zu werden. Wie wir uns beim mündlichen oder beim inneren Gebet auch an die Gegenwart Gottes erinnern, der uns nie aus dem Auge verliert, durch einen tiefen, liebenden und sehnsüchtigen Blick, um ihm zu gefallen. Dieser beweist Seiner göttliche Majestät Dominique de Saint Albert die Abneigung, die wir von all dem haben, und diese Abneigung ist schon viel wert. Gott hat diesen Feind in uns lassen wollen wie beim hl. Paulus und anderen Heiligen, um uns zu demütigen und uns misstrauisch gegen uns selbst zu machen. So werden wir ohne Dünkel sein, wenn seine Güte uns einige Gnaden und außergewöhnliche Gunsterweise gewährt und gewisse Gaben mit uns teilt, die er gewöhnlich denen gibt, die ihn lieben. So teilen wir uns nur das Nichts und die Sünde zu, die beiden einzigen Dinge, deren wir uns rühmen können. Wenn wir von unserer Seite aus unser Möglichstes getan haben, um all dem nicht zuzustimmen und um unser Herz rein von all diesen Zudringlichkeiten der Phantasie und der Sinne zu bewahren, sollen wir in Ruhe bleiben und uns auf unseren Geliebten stützen, um uns allein ihm zu widmen. Wenn die Schwierigkeiten andauern, wie das wegen der Heftigkeit und der Ausschweifungen der Phantasie oder wegen des Instinkts oder der gewöhnlichen Boshaftigkeit des Teufels, der uns unser Glück neidet, oft vorkommt, dann verdoppeln wir unseren Glauben, unser Vertrauen und unsere Liebe zu Gott, um ihn um seine Hilfe zu bitten und ihm durch tiefes und liebendes Seufzen den äußersten Schmerz, Abscheu und Entsetzen, den wir von all dem haben, zu bezeugen. Das kommt übrigens vom Handeln Gottes in uns und beweist, dass unser Wille daran in keiner Weise mitwirkt. Indessen gilt es nicht, zu unserer eigenen Aktivität zurückzukehren und zu unserer eigenen Handlungsweise, sondern unseren Geist mit Geschicklichkeit in den Begegnungen zu benutzen, um uns einem anderen gleichgültigen, nützlichen oder notwendigen Gegenstand zuzuwenden, damit wir unsere Phantasie so weit wie möglich den entgegengesetzten Gegenständen entziehen, sei es dass wir uns im Gedächtnis an etwas erinnern, sei es dass wir uns dem Studium zuwenden, sei es dass wir uns etwas anderem Unschuldigen und Belustigendem widmen. In der Tat genügt es nicht, diese Art von Versuchungen zu verachten, die sich nur bekämpfen lassen, indem man vor ihnen flieht, sondern man muss vor ihnen noch einen Schmerz und ein wirkliches und deutliches Entsetzen empfinden. Und Gott will nicht, dass wir unsere Erinnerung und unsere Phantasie mit Vorbedacht mit gefährlichen und schädlichen Gedanken beunruhigen, wenn wir sie guten und nützlichen Gedanken zuwenden können, um ihm 36 Rabe des Elia Supplement zu dienen, wie dem Studieren, Beten, Handeln und anderen ähnlichen Dingen, und all dies ohne Unrecht tun im Hinblick auf den liebenden Blick der Seele, wie wir im 5. Kapitel erklärt haben. Wenn man sich von ähnlichen Dingen angegriffen sieht und dabei in Einsamkeit ist, und wenn man leicht ein Buch nehmen oder schreiben kann, oder sich mit etwas anderem beschäftigen kann, was ohne Gefahr ist, dann ist das gut. Der einzige Grund ist, dass Gott will, dass wir von unserer Seite unser Möglichstes tun, um der Versuchung zu entfliehen. Diese ist nicht wie die anderen, die sich sichtbar und durch deutliche Taten bekämpfen lassen; diese Versuchung ist äußerst gefährlich wegen der Abhängigkeit und der schlechten Verlockung unserer elenden Natur zu den sinnlich wahrnehmbaren Dingen. Deshalb ist es viel besser diese so zu bekämpfen, wie wir es gesagt haben, lieber indem wir ihnen entfliehen als dass wir sie bekämpfen, und indem wir uns mit etwas anderem beschäftigen, das ohne Gefahr ist, sobald wir daran denken, aus Angst uns so wenig wie möglich freiwillig von ihr anziehen zu lassen. Deshalb haben die großen Heiligen mit aller Kraft gemieden, was solchen Ideen und schlechten Gedanken den geringsten Einlass gab. Und obwohl es unser Herr ist, der es dieser Art von Versuchung erlaubt zu unserem größten Heil zu uns zu kommen, wie wir es bei dem großen Apostel, dem hl. Paulus, gesehen haben, und wie es andere Heilige erfahren haben wie der hl. Benedikt, der hl. Franziskus, die hl. Katharina von Siena, die hl. Teresa, die hl. Magdalena von Pazzi und viele andere, so will Seine Majestät nicht, dass wir sie direkt bekämpfen, sondern dass wir ihr eher entfliehen, nicht nur indem wir an ihnen nicht mitwirken, sondern indem wir verhindern, dass sie überhaupt in uns entstehen, was allein seine göttlichen Gnade möglich macht. Ich glaube nicht, dass man seine Gedanken, seine Erinnerung und seine Einsicht woanders ablenken soll, in der Vermutung, dass die Phantasien lebendig und die Gedanken lange andauert sind, ausgenommen, wenn es nötig ist, so wenn man Beichte hört oder Fragen darüber liest. Ebenso geht es mit den anderen Gedanken, die wir fallen lassen oder verachten können, um die Anziehungskraft zu unterbinden. Deshalb darf ein starker und großzügiger Geist nicht mehr wertschätzen als man Mücken schätzt, die vor den Augen herumfliegen, oder Träumereien und Er- Dominique de Saint Albert zählungen einer Verrückten, die zu unseren Ohren spricht. Mit Blick auf unsere Phantasie, die eine sehr irrende, verrückte und freche Macht ist, müssen wir ebenso handeln, denn wir können mit ihr nur fertig werden, wenn wir sie verachten und nicht freiwillig auf sie hören. Was die anderen Versuchungen angeht, besonders diejenigen, die von Zornesgelüsten oder Wut kommen, wie die Regungen der Ungeduld, Empörung, Groll, Abneigung oder andere, so soll ein von der Liebe zu Gott erfülltes Herz sie verändern und sie sehr schnell im Feuer der Liebe und der Nächstenliebe verbrennen. Widerstehen wir ihnen mit noch mehr Zuneigung zu unserem Nächsten, als wir entgegengesetzte Regungen und Widerstände von Seiten der Natur und des Verstandes empfinden. Versuchen wir diese schlechten Gefühle bereits in der Wurzel zu ersticken, bevor sie beginnen, so können sie kaum zum Vorschein kommen. Um es deutlicher zu sagen: seien wir wachsam, sie nicht nach außen kommen zu lassen, sondern ersticken wir sie großzügig, indem wir auf Gott und seine Liebe schauen, und fühlen wir Mitleid gegenüber denen, auf die wir wütend sind. Wenn die erste Erregung und die erste Bewegtheit vorbei ist, wird es gut sein, zu ihnen zu sprechen, sie mit Vorsicht und Klugheit mit einem Geist der Nächstenliebe zu unterrichten, wenn es angebracht ist, so wie es der hl. Franz von Sales tat, der niemals sprach, wenn er sich erschüttert fühlte. Versuchen wir nicht übereifrig zu sein, weil sich die Leidenschaft oft dazugesellt. In der Tat, wie dieser innere Zustand ein wahrer innerer Tod ist, und man mehr Fortschritte durch Leiden als durch das Tun macht, so soll es auch im Äußeren sein. Seien wir liebende Menschen, im Übermaß mild und geduldig, wenn man so sagen kann, und entrüsten wir uns niemals absichtlich gegen irgendjemanden, selbst wenn wir Obere sind oder wenn wir uns dazu aus Gewissensgründen verpflichtet fühlen. Eine andere ausgezeichnete Übung für wahrhaft innerliche Personen ist, dass sie sich niemals zu sich selbst hinreißen lassen, und durch eine natürliche Zuneigung den Dingen entgegenkommen, die im Äußeren erscheinen, vor allem denen, die außergewöhnlich sind. Sie sollen warten, dass Gott sie dorthin bringt und selbst dorthin führt, indem sie immer davon ausgehen, dass sie nicht verpflichtet sind und dass der Nächste davon we37 Rabe des Elia Supplement der Schaden nimmt noch ein schlechtes Beispiel erhält. Das wahre Geheimnis von all dem ist, immer in der gleichen Stimmung und im Gleichgewicht zu bleiben, mit einem Blick voll von Gauben und Liebe, und alle Taten in dieser Absicht zu vollziehen, indem man sich bemüht so weit wie möglich im voraus zu planen, ohne dass es etwas Unerwartetes oder nicht Ausgewähltes gibt, und unseren Urheber nachzuahmen. Gott hat alles mit Gewicht, Zahl und Maß gemacht, er befiehlt uns durch den Mund der Weisheit, in allen Werken vollkommen zu sein und sie auf vortrefflichste Weise zu vollbringen. Dies tut sich mit umso mehr Leichtigkeit, als das göttliche Licht unsere Schritte zu jeder Gelegenheit erleuchten wird, selbst in den Momenten der Entsagung und Trockenheit, wie in den Momenten der Freude und der Fülle. Und wenn wir etwas für Gott getan haben, das nicht geglückt ist, und man sieht, dass man es hätte anders machen sollen, so dürfen wir nicht denken, dass wir schlecht gehandelt haben. Unsere Absicht war in der Tat gut und wir können nicht immer alles voraussehen. Um schließlich bei all unseren Beschäftigungen und Tätigkeiten Erfolg zu haben, ist es absolut notwendig, uns ohne Unterlass etwas Zeit zur Ruhe und Sammlung vor Gott vorzuschreiben, selbst wenn wir uns wegen der vielen Beschäftigungen nicht des Friedens oder der Ruhe des Geistes erfreuen können. Indessen gibt uns in diesem Augenblick die Schwierigkeit die Erkenntnis, wie der Prophet (Jes 29,19) sagt, d.h. die Anstrengung, die wir tun können, um zu uns selbst und unserem erleuchteten Verstand zurückzukommen, wird uns erleuchten und uns im Lichte Gottes die Fehler, die Unachtsamkeiten und die Überraschungen sehen lassen, die wir an dem Tag begangen haben. Dominique de Saint Albert seine heilige Menschheit im Ölgarten beschränkt wurde. Er hat es durch die sterbliche Traurigkeit gezeigt, die er in seiner heiligen Seele in diesem Augenblick empfand, und durch das Blutschwitzen, das an seinem heiligen Leib erschienen ist. Ebenso hat er am Kreuz das Übermaß dieser Verlassenheit durch den Schrei nahe der Verzweiflung ausdrücken wollen, den er an den Vater richtete: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“. (Mt 27,46) Auch die Menschen, die Gott in ihrem Leben eher handeln lassen als selbst zu handeln, finden sich für gewöhnlich in dem Zustand, wo unser Herr während seines sterblichen Lebens dem Leiden unterworfen war. Seine heilige Seele handelte immer aus Liebe, sie sah Gott von Angesicht zu Angesicht und kannte ihn in innigster Weise. Jedoch ließ er davon weder einen Lichtstrahl ausgehen, noch Freude oder Trost in seinem Leib und seiner Seele. Im Gegenteil, er bewahrte durch ein großes Wunder eine erhabene Traurigkeit und mit einer erhabenen Freude in seiner vernünftigen Seele, ohne dass die Freude seine Traurigkeit vermindert hätte, als wenn sie keine Freude fühlte. Ebenso ist eine Person, die diesen Zustand kennt, so sehr mit Gott vereint, dank des verborgenen und vereinenden Tuns der höheren Kräfte, die Klugheit und Willen sind, dass davon nichts in den geringeren Fähigkeiten erscheint. Diese Menschen denken, dass sie nicht mehr das Gefühl für Gott haben, so wie ein derber Christ, der noch nie vom inneren Beten gehört hat. Sie sind voller Kummer, Verwirrung, Empörung und Murren. Sie sehen sich in einem solchen Zustand, dass ihnen alles missfällt, und das schlimmste für sie ist, dass sie es sich nicht einmal vor Augen führen können, um es mit Geduld ertragen zu können, indem sie dem zustimmen. Im Gegenteil, sie spüren in sich selbst eine solche Ungeduld, dass sie in Verzweiflung fallen würden, wenn Gott sie nicht zurückhielte. Das ist für sie ein wahres Fegefeuer, sehr ähnlich dem, das die Seelen nach dem Tod erleiden. Ihre Tröstungen, wenn es solche überhaupt gibt, sind nicht wie die der Martyrer. Diese waren so zahlreich, dass sie ihre Leiden verminderten, indem sie sie sozusagen von der Liebe Gottes trunken machten. Aber das ist eine Art Tröstung, die die Menschen nicht durch den Verstand kennen. Es sind einzig der Glaube, das Vertrauen und die Liebe, die sie am Willen Gottes festhalten lassen. Das 8. Der Zustand der Trockenheit und der Entbehrung macht uns dem gekreuzigten Jesus ähnlich Eine der stärksten Triebfedern, die uns dazu bringen muss, aus unserer Beschäftigung und Unterredung mit Gott nicht nur unsere Hauptbeschäftigung sondern unsere einzig notwendige und unser alles zu machen, ist die sehr große Ähnlichkeit, die wir dadurch mit dem gekreuzigten Jesus erhalten. Der Grund dafür ist, dass wir ihn in seinem Leiden so stark und grausam wie möglich nachahmen, d.h. im inneren Loslassen, auf das 38 Rabe des Elia Supplement hindert sie nicht daran, ebenso von ganzem Herzen den Schmerz des Feuers zu erleiden, als wenn sie nicht glauben, nicht hoffen und nicht lieben würden, und unendlichen Schmerz und Traurigkeit zu empfinden. Ebenso ist es mit den Menschen, die Gott gehören, und die er bewegt und führt durch sein eigenes Handeln. Seine Majestät reinigt sie in einem Fegefeuer, das diesem fast ähnlich ist, hilflos, ohne dass sie ihre Leiden ein wenig mindern, sich bei ihm beklagen oder dem zustimmen könnten, was ihnen eine gewisse Erleichterung bringen würde. Sie können nur leiden und scheinen nicht zu leiden, aber sie sind die Ungeduldigsten dieser Welt. Und dennoch, inmitten von all dem, bleiben sie fest mit Gott verbunden, der seine Hand auf sie gelegt hat; nicht auf positive Weise indem er sie betrübt, sondern indem er seine Mithilfe und fühlbaren Gnaden von ihnen entfernt. Er lässt sie in der reinen Natur und in der Hand ihrer Feinde: des Teufels, der Welt, der Sinnenwelt, von denen jeder auf seine Weise ihnen einen Kampf liefert. Folglich hat Seine Majestät sie einzig durch eine Art von kleinem Netz mit sich verbunden, das sie nicht wahrnehmen, d.h. durch einen Akt des Glaubens und der passiven Liebe. Sie bleiben sehr der Freude Gottes unterworfen, ohne die Möglichkeit, es ihm zu bezeugen und fast ohne es glauben zu können. Aber Seine göttliche Majestät sieht es genug, und ihr Herz ist in seinen Händen sehr viel stärker und tiefer, als in dem Augenblick, als sie einen Zustand der Fülle und der verstandesmäßigen Erkenntnis Gottes spürten. Und als sie sich seiner so erfreuten, wenn ihnen dann etwas in ihren Augen Unangenehmes passiert wäre oder etwas, was sie zur Sünde bewegte, so hätte ihr mit der fühlbaren Gnade volles Herz dies mit Hass, Abscheu und Entsetzen sofort schnellstens verworfen, denn sie hätten es dann durch ein inneres Zeugnis wahrgenommen. So ist es auch mit dem inneren Fegefeuer. Da ihr Herz immer mit Gott vereint bleibt, empfinden diese Menschen ohne Unterlass Gefühle der Abneigung, des Hasses und des Entsetzens gegenüber allem, was dem Gegenstand ihrer Liebe entgegen ist. Sie kannten Gott, als sie getröstet wurden und freuten sich spürbar über ihn. Aber da sie keine verstandesmäßige Kenntnis von ihrem Zustand haben, empfinden sie keinen so großen Schrecken durch ihre ausdrücklichen Dominique de Saint Albert und spürbaren Handlungen. Ich bestätige es noch mehr: Selbst wenn sie Handlungen vollziehen würden, die der Ungeduld ähneln, so wie der hl. Hiob auf dem Höhepunkt seiner Prüfung sagte: „Möge der Tag verloren sein, an dem ich geboren bin. Ich habe jede Hoffnung verloren“ (Hiob 3,3) und andere ähnliche Gefühle – sie sündigten nicht. In der Tat, dies geschieht nicht im unteren und verstandesmäßigen Teil und in der fühlbaren Vorstellung, während der Grund ihrer Seele sehr mit Gott geeint bleibt, gemäß und ergeben seinem Gefallen. Dies war ebenso in der Seele meines Heilands in seiner Todesangst der Fall, jedoch unvergleichbar, als seine heilige Menschheit sagte: „Mein Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen“. Tatsächlich war er gleichzeitig im Grunde seines Willens eins mit dem seines Vaters, wie er mit den folgenden Worten zeigt: „Stets geschehe dein Wille, nicht der meine“. (Mt 26,39) Dies macht diese Leiden äußerst lobenswert für diese Personen. Tatsächlich schmälern ihr sehr großes Talent und die fast natürliche Gewohnheit Gutes zu tun, die sie dank ihrer Zusammenarbeit und Treue von der zuvorkommenden Gnade erhalten, ihr Verdienst keineswegs. Im Gegenteil, sie vermehren es sehr, obwohl sie fast ohne Mühe und Schwierigkeit handeln. Dasselbe gilt auch für das Leiden. Obwohl sie große Regungen und Gefühle der Ungeduld inmitten ihrer Prüfung und ihrem Fegefeuer zu haben scheinen, so stirbt – weil sie Gott zuvor ihren ganzen Willen anvertraut hatten, damit er sie bewege und führe – ihr Wille dennoch tausendmal vor Schmerzen, sich so elend zu sehen, weil es ihnen an Geduld fehlt. Sie glauben diese nicht zu haben, doch in Wirklichkeit besitzen sie sie in höchstem Maße. Wenn wir in der Trockenheit sind, kommt es oft vor, dass wir weder Eifer noch Talent in all den Übungen haben, und dass wir dann urteilen, weder Liebe noch Sehnsucht nach Gott zu haben, was uns dann wie den Propheten sagen lässt: „Meine Seele hat sich danach gesehnt, sich zu sehnen“. (Ps 118,174) Dennoch ist es gewiss, dass wir in diesem Augenblick eine größere Sehnsucht haben, als wenn wir den größten Eifer hätten. Auch das kommt davon, dass wir sie trotz unserer großen Anstrengung nicht fühlen. In der Tat haben wir den Eindruck, eine schwere Last auf unseren Schultern zu tragen, die uns hindert voranzukommen, aber die uns nicht daran hin39 Rabe des Elia Supplement dert, uns anzustrengen Anstrengungen zu machen. Diesbezüglich ist es gut anzumerken, dass je mehr Schmerz wir haben, wir desto mehr voranschreiten auf Gottes Wegen, wie es uns der große Apostel Paulus versichert: „Jeder wird empfangen gemäß seiner Arbeit“. (1 Kor 3,8) Dominique de Saint Albert besitzt. Seitdem bleibt sie immer bei ihrem Geliebten, ob sie sich nun an ihm erfreut und ihn besitzt, oder ob sie ihn sucht und aufmerksam bei ihm bleibt. Jedenfalls, wie das vollkommene Leben nicht im Genuss besteht, sondern nur in der Sehnsucht, der Suche und der Nachfolge, so ist es in der Tat notwendig, immer zu laufen ohne anzuhalten. Ich meine nicht, sagt derselbe Apostel, schon erhalten zu haben, was ich suche noch das, was ich mit so großem Eifer und so großer Zuneigung, noch ganz vollkommen und zufrieden zu sein. „Deshalb setze ich meinen Lauf fort und strenge mich an, zum Ziel zu gelangen, um den Preis davonzutragen, zu dem mich Gott ruft in meinem Retter Jesus Christus“. (Phil 3,13-14). Und derjenige, der am meisten arbeitet und mehr Anstrengung vollbringt, ist der, der am schnellsten läuft. Deshalb schreitet man mehr voran, wenn man leidet, seufzt und stirbt, sozusagen mit Seufzen und Bedauern über die Abwesenheit Gottes, als wenn man ihn in dem Augenblick seiner Gegenwart liebkost, umarmt und mit großer Liebe liebt. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Ehemann kennt wahrhaft die Größe der Liebe und Treue seiner Frau durch ihre Liebkosungen, durch ihre Anhänglichkeit an ihn und ihre Gegenwart, wenn sie ihn besitzt und an dem Gespräch, an Unterhaltungen und seinen beständigen Liebkosungen erfreut. Aber er kennt sie ebenso durch Schmerz, Kummer und Ungeduld, die ihm ihre Abwesenheit verursacht, vor allem wenn er erfährt, dass sie in weiter Ferne nach ihm schmachtet, dass sie untröstlich ist, dass ihr Leben nur aus Tränen, Seufzen und Schluchzen besteht. Das sind sichere Kennzeichen, dass sein Leben das ihre ist, weil sie nicht ohne ihn leben will, und das Leben während seiner Abwesenheit für sie wie der Tod ist. Und wenn der Mann den Zustand und die Verfassung seiner Frau kennt, würde er dann nicht von neuem den Plan schmieden, sie über alles zu lieben und ihr in Zukunft um so mehr Gelegenheit zu Zufriedenheit, Genugtuung, Liebe und Trost zu geben, die ihren Kummer, ihre Mühe und ihr Schmachten übertreffen. In der Tat muss die Fülle des Leidens und der Freude der Größe der Sehnsucht und der Zuneigung entsprechen. Um mehr miteinander verbunden zu sein, ist es notwendig, auch mehr Sehnsucht zu haben und zu suchen, und folglich muss er notwendigerweise weggehen. Von daher ist zu schließen, dass der Zustand der Bedürftigkeit und des Leides löblicher ist als der andere. Wir sind in der Tat wie von einem tiefen Abgrund verschlungen, fast wie jemand, der sich am Boden eines Brunnens befindet. Dieser Mensch sieht in Wirklichkeit das Licht von weitem, aber wenn man die Öffnung des Brunnens verschließt, welcher Schmerz, welcher Kummer, welche Verzweiflung! Dies erklärt uns der Prophet, der diesen Zustand durchgemacht hat, wenn er sagt: „Mein Gott, dass mich die Tiefe nicht verschlinge und das Loch des Brunnens sich nicht über mir schließe“. (Ps 68,16) Wenn ein Mensch sich im Leiden befindet, hat er den Eindruck, dass ein großes Chaos, d.h. eine große Wolke, große Dunkelheit und Verwirrung ihn von Gott trennt. Das bewirkt, dass er sich selbst in Schmerzen und Seufzen verzehrt, weil er das verloren hat, wonach er sucht. Aber die Nebel lassen ihn nicht die Erinnerung verlieren. Im Gegenteil, sie dienen nur dazu, diese Erinnerung und Sehnsucht zu vergrößern, so wie man Öl ins Feuer gießen wollte, um es auszulöschen. Von nun an ist er untröstlich über die Abwesenheit und die Trennung von seinem Geliebten. Er sagt ohne Unterlass zu ihm wie die Braut im Hohenlied: „Komm, mein Geliebter“. (Hld 7,12) In der Tat, obwohl er nicht bei Gott ist, um sich an ihm in direkter und spürbarer Weise zu erfreuen, so ist er es doch tatsächlich dank des Glaubens durch die Erinnerung an seine göttliche Gegenwart, im Geist und in Wahrheit. Und der wirkliche Schmerz, den er über seine Abwesenheit empfindet, ist nur eine sehr starke Sehnsucht, sehr heftig und sehr drängend nach seiner Gegenwart, und eine beständige Erinnerung an die verlorene oder weit entfernte Sache. Das ist es, was der große Apostel ausdrücken will (Röm 8,26), wenn er sagt, dass der Hl. Geist mit unauslöschlichem Seufzen in uns betet. Das bedeutet, dass der Hl. Geist, der der Meister und göttliche Besitzer unseres Herzens und Willens ist, unsere Seele in unbegreiflicher Weise schreien und seufzen lässt, während sie keinen Geschmack von Gott mehr 40 Rabe des Elia Supplement Das ist es, was unseren Herrn sagen ließ, als er sich an seine Apostel und Jünger wandte, als er ihnen nach seiner Auferstehung von Zeit zu Zeit erschien: „Es ist gut für euch, wenn ich weggehe, denn wenn ich nicht weggehe, erhaltet ihr nicht den Heiligen Geist, und wenn ihr meinem Weggehen zustimmt, sende ich ihn euch.“ (Joh 16,7) Er wollte sie nach und nach von diesem spürbaren Halt seiner göttlichen Gegenwart entwöhnen und ihren Glauben, ihr Vertrauen, ihre Liebe und ihre Sehnsucht nach ihm mehr wachsen lassen. Er wollte sie so bereit machen, sein Licht, seine Gnade, seine Gunst und die Fülle der Gaben seines göttlichen Geistes zu empfangen entsprechend ihrer Leere, ihrer Veranlagung und Fähigkeiten. Wenn Gott zu uns käme, um uns sofort mit seiner Liebe und Güte zu erfüllen und wunschlos glücklich zu machen, vom ersten Moment unseres Sehnens, das wir empfinden, dann würden wir nicht so rasche Fortschritte machen, das ist sicher. In der Tat, Gott ist unendlich liebenswürdig, und je mehr man ihn liebt, desto mehr spürt man die Sehnsucht, ihn zu lieben in dem Augenblick, wo die Seele seine Gegenwart spürt und verkostet. Auf jeden Fall ist die verstandesmäßige Erkenntnis, die man von der Liebe und der göttlichen Gegenwart hat, ein sicherer Halt und ein Ruhepunkt, den man in sich hat und der erklärt, dass wir Gott nicht in reiner Weise lieben. Deshalb ist es notwendig, dass er uns entzogen ist, damit es nichts in uns gibt, das nicht nach ihm strebt, und hätten wir kein Gefühl von ihm, so würden wir über uns selbst hinausgehen, um allein für ihn zu leben: „Mein Geliebter ist mein und ich gehöre ihm.“ (Hld 2,16) Dominique de Saint Albert erhabene Gute, der nur Liebe ist und der nichts anderes verlangt als sich mitzuteilen, euch nach dem Maß eurer Leere erfüllt. Geht aus euch selbst heraus und aus dem Bereich der Sinne und alles Geschaffenen, wenn seine göttliche Gutheit euch ruft und euch nach innen zieht, um euch besser seiner Liebe hinzugeben.“ Und hier die Schriftstellen: „Wenn ihr nicht glaubt, dann werdet ihr nicht hören“. (Jes 7,8) „Der Gerechte lebt vom Glauben und durch den Glauben“ (Gal 3,11), der handelt dank der Liebe, seinem Anfang und Ende. „Dein Glaube hat dich gerettet, gehe hin in Frieden“, sagt unser Herr zu Maria Magdalena. „Die wahren Anbeter werden meinen Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten, und mein Vater sucht solche Anbeter“ (Joh 4,23-24), die ihn im Geist des Glaubens, in der Wahrheit des Opfers und der Liebe anbeten. Wenn Gott in uns handelt, wissen wir nicht, was er im Augenblick tut, aber danach lässt es uns Seine göttliche Majestät, wenn sie es für angemessen hält, als eine Wirkung und Frucht unseres Glaubens verstehen. Gewöhnlich kennen wir die mystischen Wege nur, wenn wir sich durchschritten haben. „Ich sagte inmitten der Finsternis, dass sie fähig wäre mich zu bedecken und zu begraben, aber gemäß meinem eigenen Erleben habe ich gesehen“, so sagt der Prophet, „dass meine Nacht zum Licht wurde“ (Ps 138,11-12), auf dem Höhepunkt der geistlichen Wonnen. In der Tat, der Finsternis, die von dir, o mein Gott, kommt, folgt keine Dunkelheit, und ihre Nacht wird hell wie der schönste Tag, sein Licht vergrößert sich entsprechend der Finsternis. In dieser Zeit der Finsternis müssen wir dem Patriarchen Abraham, dem Vater der Glaubenden, nacheifern, eine feste Zuversicht gegen allen Anschein von Hoffnung (Röm 4,18) haben und glauben, dass es uns gut geht, obwohl wir denken, dass es uns schlecht geht. „Wenn er mich töten würde und wenn er mich verlieren sollte, so würde ich auf ihn hoffen“, sagte der hl. Hiob in seiner tiefsten Prüfung und Verlassenheit. Wir sollen Moses nacheifern, der das Unsichtbare erduldete und ertrug, als wenn er es gesehen hätte. (Job 11,27) Wir können uns Gott vorstellen, als wenn er seinen Aufenthalt und seine Wohnung an einem erhöhten Ort gemacht hat. Je mehr wir uns ihm nähern, desto mehr entfernt er sich von uns (Ps 90,9), weil er uns immer unbegreiflicher erscheint. Je mehr jemand das Un- 9. Wie die Seele vorzüglich mehrere Passagen der hl. Schrift benutzen kann auf diesem mystischen Weg und bei all diesen Zuständen der Verlorenheit. Schlussfolgerung über die Wahrheit und Sicherheit des Zustandes passiver Kontemplation. Auf allen mystischen und verlorenen Wegen bedienen wir uns sehr der Sprüche und Maximen der hl. Schrift. Sie sind für uns unendlich vorteilhaft, um Gott in allen Prüfungen anzunehmen, durch die uns Seine göttliche Majestät gehen lässt, um uns mehr und mehr und ohne Unterlass für eine reinere und vollkommenere Vereinigung mit ihm vorzubereiten. Der große hl. Augustinus bezeugt das: „Macht euch leer von euch selbst und von allem, das nicht Gott ist in euch, damit dieser 41 Rabe des Elia Supplement endliche versteht, desto mehr kennt er es nicht und sieht ganz deutlich, dass er es nicht verstehen kann. In der Tat, so wie er unbegrenzt, erhaben und unergründlich ist, so ist er folglich auch unzugänglich für unseren Geist und unergründlich für unsere Gedanken. (Sir 18,5) Deshalb beginnt man immer neu auf diesem Weg der Liebe. Wenn man glaubt, alles vollendet zu haben, dann fängt man damit erst an. Jemand, der diese innere und mystische Führung hundert Jahre lang erfahren hat, wird zum Beispiel im letzten Augenblick sehen, dass er noch nicht einmal begonnen hat. Der Grund dafür ist, dass er nach dem Unendlichen strebt, und dass dieses kein Verhältnis zum Unendlichen hat. Je mehr wir in unsere eigene Tiefe eindringen um Gott zu finden, desto mehr erhebt sich Seine göttliche Majestät über uns, um sich noch mehr ersehnen und suchen zu lassen. (Ps 63,8) Diese Wege der Liebe sind wahrhaft die verborgenen Geheimnisse der göttlichen Weisheit, die Gott den gläubigen Menschen offenbart und enthüllt, die sich dessen würdig erweisen und die sich seiner liebenden Führung überlassen, wenn sie davon angezogen und gerufen sind. (Ps 50,8) Das ist das verborgene Manna, das niemand kennt als der, der es gekostet und erfahren hat. Das „verborgene Manna“ (Apg 2,17). Das Erhabenste und Höchste in deinen göttlichen Mitteilungen und Strömen hat mich überschüttet, o mein Gott, sagte der Prophet. Dies sind jedoch Dinge, die wir ersehnen dürfen, denn darin besteht unsere Vereinigung mit Gott wie in der Mitte unserer Seelen, wohin wir beständig streben sollen. Diesen Zustand können wir von jetzt an kennen. Er ist wie ein mittlerer Zustand, der sich zwischen dem Stand der Heiligen und dem der gewöhnlichen Christen befindet, die noch auf dem Weg sind. Der Unterschied zwischen den Heiligen, den gewöhnlichen Christen auf dem Weg und den wahrhaft geistlichen und mystischen Menschen ist, dass die ersten Gott sehen und ihn kosten dank des Lichtes seiner Herrlichkeit und Liebe, mit der sie Seine Majestät sie ununterbrochen erfüllt. „In deinem Licht sehen wir das Licht“, sagte der Prophet, und ihr berauscht uns mit den ewigen Strömen der Wonne und der Liebe. Die gewöhnlichen Christen sehen und verkosten Gott nur durch das Licht des Glaubens und einer allgemeinen und vagen Liebe. Die innerlichen Menschen Dominique de Saint Albert sehen Gott nicht in Wahrheit mit dem Licht des Glaubens, aber sie verkosten ihn und haben eine eingegebene und erfahrene Kenntnis von ihm. Es ist, als wenn uns jemand versichern würde, dass der Honig, den wir noch nie gekostet haben, süß ist. Wir haben davon zuerst eine Vorstellung einer süßen Sache, einzig weil man es uns sagt. Aber wenn wir danach es dann gekostet haben, sind wir uns dessen sicher durch unsere eigene Erfahrung, die sehr verschieden ist von der einfachen Kenntnis, die wir davon zuvor gehabt haben. Ebenso ist dieses erfahrene Wissen von Gott keine geschenkte Gabe, wir bereits bemerkt haben, wie es zum Beispiel die Gabe der Prophetie oder andere sind. Es ist hingegen die Frucht und das Ergebnis der Liebe und der wahren Sehnsucht nach Gott. Er ist ebenso unendlich in seiner Güte und natürlichen Milde wie in seinem göttlichen Wesen, und seine göttliche Majestät erfüllt uns ganz, Leib und Seele, mit seinem selben unendlichen Wesen. Deshalb erfüllt er uns auch mit seiner gleichen Güte und Milde, vorausgesetzt, dass wir ihm in uns Platz machen, indem wir ihm die Kraft unserer Seele hingeben, wenn er sich ihrer bedienen will, um selbst in ihr zu wirken, vor allem in unserem Willen. Wir sind verändert, hungernd und unersättlich, und Gott ist das Objekt dieses Hungers und Durstes, die in unserem Innersten sind, und er ist noch innerlicher in uns als wir selbst. Daraus ergibt sich: Wenn wir uns nach ihm sehnen, dann besitzen wir ihn gleichzeitig. Aber da Gott unendlich ist, gefällt es Seiner Majestät, diesen Hunger und Durst nach ihm umso mehr zu entfachen und zu verstärken, ihn mit unersättlicher Sehnsucht zu besitzen. „Diejenigen, die von mir trinken“ sagt der hl. Geist durch den Mund des Weisen, „werden noch weiter Durst haben“ (Sir 24,21). Da dieser Durst und Hunger von Mühen und Sehnen begleitet wird, die sehr löblich für uns sind, weiten sie sich aus, vergrößern sie uns, geben sie uns eine fast unbegrenzte Größe und Fähig­ keit ohne Maß, die sich ständig vergrößert. Wir können jetzt eines Tages in der Herrlichkeit die Fülle der Wonne und des Besitzens empfangen, entsprechend unserer unersättlichen Sehnsucht nach Gott. Gott hat vom Himmel in meine Seele und mein Herz ein Feuer geworfen (Jes 1,13). Es zehrt mich auf bis ins Mark, es erfüllt mich mit Licht und Liebe und in diesem göttlichen Gegenüber entdecke ich alle Tage aufs Neue Reize, dir 42 Rabe des Elia Supplement meine Sehnsucht nach ihm immer unersättlicher machen. Diese göttliche Liebe ist vergleichbar mit einem Fieber, das bis ins Mark verschlingt und verzehrt. An diesem Liebesfeuer starb der seraphische hl. Franziskus, der physisch so ausgetrocknet war wie ein Skelett. Das gleiche ist geschehen bei der vor Liebe brennenden Magdalena von Pazzi, der hl. Marguerite du Saint-Sacrement de Beaune und einigen anderen Heiligen. Es ist richtig, dass diese Liebe nicht immer in körperlichen Sinnen um sich greift, wie das der große hl. Antonius bezeugt. Er war von dieser Liebe erfüllt und hatte immer ein frisches und rötliches Angesicht wie eine Rose. Dennoch kannte er diese Zustände und wüstenhaften Erfahrungen, wie man es in einer Betrachtung über seine Gefühle sehen kann, die von Cassian berichtet wird: „Dieser“, sagte er, „wenn er sich erinnerte, was er während des inneren Gebetes machte, fand, dass er nicht vollkommen war.“ Wer nur die Meditation praktiziert, weiß, was er tut, und wer sich mit Gott in vertrauter Weise unterhält und liebend mit ihm spricht, kann wissen, was er denkt und sagt; ebenso wie diejenigen, die ohne Unterlass in wesentlichen Unterhaltungen und ständigen Erinnerungen an seine göttliche Gegenwart nach ihm streben. Man kann also sagen: Der hl. Antonius dachte, man müsse mit Gott vereint sein, um ein vollkommen inneres Gebet zu tun, und in unbekannter Weise an ihm festhalten, ohne strukturierte und gegliederte Rede, ohne Überlegungen und geschaffene Bilder. Gott ist es, der göttlich in der Seele handelt, er inspiriert sie ohne Unterlass. Und die Seele arbeitet auf ihre Weise mit, nicht nur in existentieller und lebendiger Weise, sondern auch wahrhaft frei und folglich löblich. Diese göttliche Tat ist nichts anderes als eine lebendige Erinnerung, unendlich sehnsüchtig nach dem erhabenen Guten. Dies geschieht ohne die Hilfe von Formen oder geschaffenen Bildern, noch anderen Erkenntnissen, wie sie von der Sehnsucht und dem Durst nach diesem unendlich Guten kommen. Aber da es unmöglich ist, etwas wirklich zu ersehnen und zu lieben, an das man sich nicht mehr erinnert, so nennt man diese Sehnsucht „liebender Blick“. Bemerken wir wohl, dass diese heiligmachende und verwandelnde Vereinigung unserer Seele mit Gott nicht in einer einfachen Erinne- Dominique de Saint Albert rung an Gott besteht, die vom Glauben her gesehen ist, dass sie alle Formen der Bilder und Erscheinungen übersteigt, ohne wahre Liebe zu ihm. Nein, aber diese wahre Liebe besteht gerade in der vereinigenden Tugend, die die Seele mit Gott wie mit ihrer sehr geliebten Mitte vereint. Darin kann man den gleichen Unterschied sehen, der zwischen zwei Menschen besteht, von der der eine weiß, wo der Schatz des anderen ist, ohne ihn zu besitzen oder auch ein Recht an ihm zu haben. Die Erinnerung, die er daran hat, ist sehr verschieden von der des Eigentümers, weil er sich nur daran erinnert, indem er ihn mit Schmerz, Furcht und Unruhe ersehnt. „Da wo dein Schatz ist“, sagt unser Herr, „da ist auch dein Herz.“ (Mt 6,21) Dies einfache Erinnerung, die man an Gott hat, ist ähnlich der, die man von einem Leckerbissen hat, zum Beispiel vom Nektar, von Ambrosia oder einem anderen kostbaren Likör, den man einst gekostet hatte, und der die Sehnsucht und die Liebe miteinschließt. Oder es ist ebenso, wenn man einen großen Schatz gezeigt bekam und uns Hoffnungen machte, ihn zu bekommen. Das Streben und die Zuneigung, die wir zu diesem Schatz empfinden, bewirkt, dass wir oft daran denken, vor allem, wenn man uns Zeichen und Versicherungen gibt, dass wir ihn besitzen können. Ebenso, wenn ein Mensch im Licht des Glaubens versteht und aus sicherer Erkenntnis weiß, dass Gott ein unendliches Wesen ist, das zugleich das Leben und das unendlich liebende Gute ist, so genügt ihm das, nachdem er sein Herz und seine Liebe von den irdischen Dingen zurückgezogen hat, um sich in diesen Abgrund der Güte hineinzustürzen durch seine Sehnsucht, seine Anstrengungen und das zärtliche Gefühl der Liebe. Diejenigen, die mehr und mehr wachsen, lassen diesen Menschen glücklicherweise dort wohnen, wo sein ganzer Schatz ist und all sein Gut. Er hält sich, wie es der liebende hl. Augustinus sagt, mehr an dem Ort auf, wo er liebt, als an dem, wo er lebt, mit der wahrhaft überschwänglichen Liebe, die nicht mehr sinnlich, sondern sehr göttlich und übernatürlich ist. In der Tat, ist es nicht eine ständige Verzückung, keine andere natürliche Tätigkeit zu haben, aber eine andere göttliche und übernatürliche Tätigkeit angelegt zu haben? Diese ist eine sehr hohe Teilhabe an der ungeschaffenen Liebe, mit der sich 43 Rabe des Elia Supplement Gott selbst liebt. Dank dieser können wir von dem Leben Gottes selbst leben. Dieses Leben besteht in einem ewigen Liebesakt und der Erkenntnis, die Seine Majestät von seinem unendlichen Wesen hat, und es ist auch die Tätigkeit der Heiligen, durch die sie Gott schauen und sich an ihm erfreuen. Es ist wahr, dass unser Zustand in dieser Welt grundverschieden von dem der Herrlichkeit ist. In der Tat, in der Herrlichkeit geht die Erkenntnis der Liebe voraus und ist wie die erste, gemäß der Lehre des Doctor angelicus (Thomas von Aquin). Doch hier ist die Erkenntnis von der Liebe verursacht, die die Erinnerung auf den ersehnten Gegenstand aufmerksam macht. Diese Erkenntnis ist beständig mit der göttlichen Lieblichkeit erfüllt und schmeckt in Wirklichkeit, wie sehr Gott sanft, mild und liebenswert ist. (Ps 33,9) Das bewirkt, dass die Gabe der Weisheit, die man eine köstliche Wissenschaft nennt, der Nächstenliebe entspricht, so wie die Gabe der Einsicht dem Glauben entspricht. In der Tat bewirkt die Liebe die Sehnsucht, die Sehnsucht das Suchen, das Suchen erlaubt das Besitzen und das Besitzen einer guten Sache gibt uns darin den Geschmack und die Erfahrung, ebenso wie der Geschmack den Appetit begleitet. Dominique de Saint Albert ohne Unterlass zu lieben, und diese wirkliche Liebe erzeugt in ihnen in jedem Augenblick die Erinnerung an die Güte und das unendliche Wesen Gottes. Diese Menschen können Gott weder lieben noch besitzen wie es Seine göttliche Majestät verdient, aber sie wünschen es leidenschaftlich. Diese drängende, unersättliche und sehnende Erinnerung an Gott, wie wir es schon mehrmals gesagt haben, ist die höchste Schau, die man von Gott auf dieser Welt haben kann. In der Tat, sie schließt den Glauben mit ein und fügt dem noch die Gaben der Weisheit hinzu, die wie das Verkosten und die Erfahrung der Dinge ist, die wir glauben. Dies ist die Weisheit der Heiligen (Spr 9,10), selbst die der Seraphim, die wir ersehnen dürfen. Diese erhält man nur durch Kreuze, Prüfungen, Entbehrungen, Mangel, durch eine vollkommene Entäußerung seiner selbst, durch ein völliges Loslassen von allem, was nicht Gott ist, und eine edle Anstrengung unseres Willens. Diesem geht die Gnade voraus und steht ihm bei, die ihm niemals fehlt, und dieser Zustand zielt nur darauf ab, uns zu heiligen, in uns alle Tugenden entstehen zu lassen, um daraus Taten auszuüben mit einem höchsten Grad an Vortrefflichkeit und Vollkommenheit, d.h. in Gott und für Gott. Wir alle, die wir nach der Vollkommenheit streben, sollen dieses Gefühl, dieses Ziel und diesen Plan haben. (Phil 3,16) Daraus muss man folgern, dass es in dieser Welt kein anderes Mittel gibt, um wirklich zu wissen, wer Gott ist, als den Weg des Schmeckens und der köstlichen Erfahrung. Und dorthin gelangt man nur durch die beharrliche, starke und edle Übung der beständigen Liebe und durch einen unstillbaren Durst, den man nach dem Wasser hat, das zum ewigen Leben strömt.(Joh 4,14) Je mehr Liebestaten man vollbringt, desto mehr steigert man diese Liebe, desto mehr entzündet man sie, bis schließlich das Herz davon ganz durchdrungen und getragen ist. Jetzt nimmt Gott selbst Besitz von ihm und taucht es in sich hinein wie in einen weiten Ozean unendlicher Güte, die es erfüllt. Aber diese Güte verändert es noch mehr, sie vergrößert seinen Durst, sie vermehrt und erweitert seine Fähigkeiten, damit sie es tränken kann mit einem neuen Übermaß der Fülle von diesem göttlichen Strom der Wonnen und unvergleichlichen Freuden. Man kann ebenso sehen, dass die Menschen, die diesem Zustand kennen, nicht ohne Beschäftigung sind. Im Gegenteil, ihre Beschäftigung ist es, 44