Auswirkungen der aktuellen Empfehlungen auf die HIV

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Dr. Andreas Lucht, MPH, MSc
FA für Laboratoriumsmedizin
FA für Mikrobiologie, Virologie und
Infektionsepidemiologie
Labor Krone, Bad Salzuflen
Konsiliarlabor für Treponemeninfektionen
HIV-Workshop des LZG NRW, Münster, 23.09.2015
Auswirkungen auf die Zielrichtung der
Diagnostik
Auswirkungen des vorgeschlagenen
Algorithmus auf die Labordiagnostik
Auswirkungen auf die Kommentierung
PCR-Diagnostik (NAT-Nukleinsäureamplifikationstests)
negative Screeningtests
- „ soll dazu dienen, eine HIV-Infektion bereits
aus der primär gewonnenen Probe“ …
- „ und auch möglichst früh nach Infektion sicher
nachzuweisen, so dass der Infizierte möglichst
schnell einer Therapie bzw. medizinischen
Versorgung zugeführt werden kann“
Stellungnahme der Gemeinsamen Diagnostikkommission der
Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten e.V.
(DVV e.V.) …, Bundesgesundheitsblatt 7/2015
HIV-Screeningtest (CMIA: p24, HIV-1-Ak, HIV-2-Ak)
reaktiv
nicht reaktiv
Anamnese, Klinik
Exposition vor
>6 Wochen <6
o.B. V.a. akute
Infektion
HIV-negativ
Immunoblot (HIV-1 Ak, HIV-2 Ak)
IB fraglich
oder negativ
IB
reaktiv
HIV-1-PCR
neg.
Kontrolle in 1-3
Wochen
pos.
HIV-positiv
bei reaktivem Suchtest, negativer oder fraglichem
Immunblot und negativer HIV-1-PCR, sollte eine
(qualitative) HIV-2-PCR durchgeführt werden
bei wiederholt isolierter Reaktivität einzelner Banden im
Immunblot (HIV-1 oder HIV-2), sollte neben einer HIV-1PCR auch eine HIV-2-PCR durchgeführt werden
kommerzielle, qualitative HIV-2-PCRs nur in der
Blutspende zugelassen, in-house-Methoden am NRZ
„notwendige“ HIV-2-NAT-Untersuchungen im Rückblick:
2013: 15; 2014: 22 , 1. Hj. 2015: 17
(ca. 100 Euro pro PCR, NRZ günstiger für LZG.NRW?? )
geschätzte Zahl der HIV-2-Antigen-Positiven mit
reaktivem Suchtest 0,01 pro Jahr (Berechnung später)
geschätzte Kosten ca. 2000-3000 Euro pro Jahr
Stellungnahme: „bei begründetem Verdacht auf eine
kürzlich erworbene Infektion (letzte potentielle
Exposition liegt kürzer als 6 Wochen zurück) und noch
fehlender Antikörperbildung (negativer Screeningtest)
sollte eine HIV-1 NAT durchgeführt werden“
erfolgt nicht automatisch durch das Labor, sondern
muss vom Gesundheitsamt/Klienten angefordert (und
bezahlt) werden, kann aus der vorhandenen Probe
durchgeführt werden
bei geschätzt ca. 4-5% der Klienten mit Exposition
innerhalb der letzten 6 Wochen:
- ca. 500 Untersuchungen im Jahr á 40 Euro
- ca. zusätzliche 3-5 Infektionen (Fiebig I, 12.-16.Tag)
- geschätzte Kosten: ca. 20.000 € pro Jahr
Wenn dass Labor diesem Algorithmus folgt,
können bei „Verdacht auf akute Infektion“ und
„Risiko in den letzten 6 Wochen“ bei negativem
Screeningtest erhebliche Kosten entstehen
(HIV-1-PCR, evtl. HIV-2-PCR, Immunoblot)
Vorabsprache des Vorgehens mit dem Labor,
dass kein spezifischer Laborablauf in Gang
gesetzt wird (kein Automatismus)
Negativer Suchtest ist ohnehin nie ganz sicher
-> Verlaufskontrolle nach 1-3 Wochen
Schafberger, HIVreport.de 03/2015
2014 European Guideline on HIV testing*:
bei klinischen Symptomen oder high-risk exposure
innerhalb der letzten 6 Wochen, erneuter Test 6
Wochen nach dem Expositionszeitpunkt
„englisches“ Vorgehen gemäß Empfehlung der
British Association for Sexual Health and HIV**:
„great majority“ 4 Wochen nach Exposition detektiert,
Test „highly likely to exclude HIV infection“
Testung auch bereits früher als 4 Wochen durchführen
um frühe Infektionen zu erkennen, nicht verweigern
Wiederholung 8 Wochen post exposure nur bei Patienten
mit hohem Risiko
* Gökengin et al., Int J STD & AIDS 2014
** BASHH: Statement on HIV window period
NAT (Nukleinsäureamplifikationstest)/PCR
als gleichwertiger Bestätigungstest
Sensitivitätsverlust bei NAT aus Serum
6-Wochen-Frist bei negativen Screeningtests
Stellungnahme spricht von „Gleichwertigkeit von
immunologischen Bestätigungstests und
Nukleinsäureamplifikationstesten (NAT) im
Rahmen der HIV-Stufendiagnostik“
NAT können das serologische HIV-Screening im
Rahmen der Stufendiagnostik zum Erstnachweis
einer HIV-Infektion nicht ersetzen
Bei Vorliegen eines grenzwertigen oder reaktiven
Ergebnisses im HIV-Screeningtest können beide
Verfahren gleichwertig angewendet werden,
Immunblot und PCR sind austauschbar in der
Bestätigungsdiagnostik
Akkreditierte Labore verwenden im Rahmen der
Routinediagnostik CE-zertifizierte Tests und
akkreditierte Testverfahren (keine in-house-Methoden).
Die kommerziellen Immunblots sind für die HIVBestätigungsdiagnostik vorgesehen und zugelassen.
Die kommerziellen HIV-1-NAT-Systeme sind von den
Herstellern nur für den Einsatz im Kontext einer HIVTherapie zugelassen (Therapiemonitoring).
„Die Anwendung von HIV-NAT-Systemen im Rahmen
einer Stufendiagnostik ist möglich,
…sollte jedoch im Befund kommentiert werden“
Die verwendete HIV-NAT ist vom Hersteller
für die Verlaufsdiagnostik bei bekannter HIVInfektion, aber nicht für den Erstnachweis einer
HIV-Infektion vorgesehen. Der Einsatz der
HIV-NAT im Rahmen der Stufendiagnostik
entspricht jedoch den aktuellen Empfehlungen
zur HIV-Bestätigungsdiagnostik.
prinzipiell serologische und NAT-Diagnostik aus
einem einzigen Röhrchen gewünscht (aber welches?)
Architect HIV Ag/Ab Combo (CMIA) kann wie die
Mehrzahl der anderen Screeningtests theoretisch
sowohl Serum als auch Plasma als Probenmaterial
verwenden*
aber für Screeningtests bei Großgeräteeinsatz im
akkreditierten Labor besser nur ein Probenmaterial
(allgemein Serum für CMIA);
Arztpraxen, Krankenhäuser schicken grundsätzlich
Serum zur Antikörperdiagnostik
falls Bestätigungsdiagnostik grundsätzlich mittels
NAT durchgeführt wird, wäre evtl. Plasma besser
* http://www.fda.gov/downloads/BiologicsBloodVaccines/UCM216309.p
Stellungnahme: Steht als primär gewonnene Probe
Serum zur Verfügung, ist zu beachten, dass die HIVPCR aus Serum ggf. zu einer reduzierten Sensitivität
führt und abweichend von den Herstellerangaben
als „off-label use“* durchgeführt wird.
*allgemein: Zulassungsüberschreitung eines AM
*Definition des G-BA: Unter „Off-Label-Use“
versteht man die Anwendung eines zugelassenen
Arzneimittels außerhalb der von den nationalen und
europäischen Zulassungsbehörden genehmigten
Anwendungsgebiete (Indikationen)“.
persönliche, umfassende, gründliche Aufklärung
zu möglichem Nutzen und möglichem Risiko
ausführliche, lückenlose Dokumentation
Zustimmung des Patienten „in jedem Fall
unerlässlich“ (Einwilligungserklärung)
alleinige (haftungsrechtliche) Verantwortung beim
veranlassenden Arzt
Gefährdungshaftung des pharmazeutischen
Unternehmens nur bei zulassungs- bzw.
bestimmungsgemäßem Einsatz
https://www.g-ba.de/institution/themenschwerpunkte/arzneimittel/off-label-use/hintergrund/
im Serum vor allem bei längerem Stehen lassen und bei
Transport von Vollblut (nicht zentrifugiert)
laut Untersuchungen im eigenen Labor ca. 5-10%
Reduktion der gemessenen Viruslast
laut NRZ bis maximal 20% Verlust
Viruslasten bei positiven PCRs aus Serum der
Gesundheitsämter NRW 2014-2015:
1,4 Mio., 7,5 Mio., 150.000, 4,2 Mio., 1,2 Mio.,
1,3 Mio., >10 Mio., >30 Mio. VÄ/ml
laut Stellungnahme NAT „nicht eindeutig“ bei </= 1000
Kopien/ml
Für die verwendete HIV-NAT-Bestimmung ist
vom Hersteller Plasma als
Untersuchungsmaterial vorgesehen. In diesem
Fall war jedoch nur Serum für die
Untersuchung vorhanden. Damit ist eine
geringfügige Einschränkung der Sensitivität im
Vergleich zur Verwendung von Plasma
gegeben. Dem wird durch die Empfehlung
einer Verlaufskontrolle Rechnung getragen.
Stufendiagnostik ist Grundlage für die
gesicherte Diagnose einer HIV-Infektion (und
damit Basis für die Mitteilung an den
betroffenen Patienten bereits beim
virusdiagnostischen Erstnachweis (anders als
alte Empfehlung von 1992)
Die Untersuchung einer zweiten, unabhängig
gewonnen Blutprobe zum Ausschluss einer
Probenverwechslung oder
Probenkontamination ist dringend angeraten.
nur für 4. Generations-Labortests (HIV-1-Ak,
HIV-2-Ak, p24-Antigen), nicht 3. Generation
Ausschluss „mit hoher Sicherheit“ (nicht wie
bereits im Januar von AIDS-Hilfe vorab auf
Website verkündet: „sicher ausgeschlossen“)
bei Schnelltests (auch mit Ag-Nachweis)
weiterhin Aussschluss einer HIV-Infektion mit
hoher Sicherheit, wenn Exposition kürzer als 12
Wochen zurückliegt
(Alere Schnelltest hat nicht die erforderliche
Sensitivität für den Antigennachweis)
Das negative Ergebnis im HIV-Antigen/Antikörper-Screeningtest schließt eine HIVInfektion mit hoher Wahrscheinlichkeit aus,
wenn die letzte potenzielle HIV-Exposition
länger als 6 Wochen zurückliegt. Bei
weiterbestehendem Verdacht auf eine HIVInfektion wird eine Verlaufskontrolle
empfohlen.
„eine Infektion mit einer seltenen HIV-Variante
vorliegt z.B. HIV-1-Gruppe O oder HIV-2, …,
da der (sensitive) Nachweis von HIV-Antigen
nicht in jedem Fall gesichert ist“
ein/e präexistierende/r
Immunsuppression/Immundefekt mit
Antikörperbildungsstörung (zeitlich
verzögerter Nachweis von HIV-Antikörpern)
eine antiretrovirale Postexpositionsprophylaxe
(PEP) durchgeführt wird (Zeitfenster beginnt 6
Wochen nach Absetzen der PEP)
Stellungnahme der Gemeinsamen Diagnostikkommission der Deutschen Vereinigung zur
Bekämpfung von Viruskrankheiten e.V. (DVV e.V.) …, Bundesgesundheitsblatt 7/2015
Ausnahmen sind für die AIDS-Hilfe in der Praxis „kaum
relevant“*
- da es sich um in der Regel schwerkranke Patienten
handelt (bekannte Erkrankung und Medikation) und sie
daher nicht im Gesundheitsamt/Testprojekt zu erwarten
sind*
- seltene HIV-1-Varianten und HIV-2 sind in Deutschland
extrem selten und haben im Durchschnitt auch nach 22
Tagen Antikörper, damit ist man mit den 6 Wochen auch
bei „durchschnittlichen“ seltenen HIV-1-Varianten und
HIV-2 Patienten auf der sicheren Seite* ???
aber kein genauer Zeitverlauf von HIV-2 bekannt;
unauffällige Antikörperbefunde schliessen eine akute
oder frühe HIV-2-Infektion nicht aus (<60 Tage seit
Zeitpunkt der Exposition)**
* Schafberger, HIVreport.de 03/2015
** http://www.mayomedicallaboratories.com/test-catalog/Clinical+and+Interpretive/61785
Stellungnahme: … da der (sensitive) Nachweis von
HIV-1 Gruppe O- und HIV-2-Antigen nicht in jedem
Fall gesichert ist
AIDS-Hilfe: „die Stellungnahme … liest sich etwas
sperrig, weil natürlich Ausnahmesituationen und
Einschränkungen ausführlich erläutert werden“
aber „schwammige Formulierungen“ der Hersteller und
der Stellungnahme verschleiern, dass HIV-Tests zum
Nachweis von p24-Antigen (HIV-1) konzipiert sind und
nicht zum Nachweis von p26/p27 (HIV-2)
unterschiedliche Situation: HIV-1 Gruppe O und HIV-2
seltene HIV-1-Variante (Outlier)
Vorkommen vor allem in West-Zentralafrika
(Kamerun, Äquatorialguinea, Gabun)
in Deutschland etwa 0,6% der HIV-Infektionen
manche Tests haben Schwierigkeiten Gruppe O
zu erkennen (sowohl Screeningtests, als auch
Immunoblot und PCR)
der von uns verwendete CMIA hat hohe Agund Ak-Sensitivität für HIV-1 Gruppe O, der
verwendete Inno-Lia Blot ist ebenfalls explizit
zugelassen für HIV-1, HIV-2 und HIV-1 Gr. O
endemisch in Westafrika (Senegal, Gambia, Elfenbeinküste, Kap Verde, Guinea-Bissau, Mauretanien)
relativ häufig in Ländern mit entsprechender kolonialer
Vergangenheit (Portugal, Spanien, Frankreich) und
Ländern mit engen Verbindungen nach Westafrika
(Brasilien, Indien)
weltweit geschätzt 1-2 Millionen Infizierte
in Deutschland sehr selten, 2013 u. 2014: 0,3% laut RKI*
längere asymptomatische Phase
niedrige Viruslast, häufig unbehandelt PCR negativ
intrinsische Resistenz für Nicht-nukleosidische Reverse
Transkriptase Inhibitoren (NNRTI)
häufig schlechtes Ansprechen auf Therapie
* Epidemiologisches Bulletin Nr. 27, 7/2015
• Originated in or have traveled to an HIV-2-endemic area – West
African countries (Guinea-Bissau, Cape Verde, Ivory Coast,
Gambia, Mali, Mauritania, Nigeria, Sierra Leone, Benin,
Burkina Faso, Ghana, Guinea, Liberia, Niger, Sao Tome,
Senegal, and Togo), Angola, Mozambique, and India
• Received medical care, injections, immunizations,
phlebotomy, surgery, or blood products or participated in
vaccine trials in an HIV-2-endemic area
• Had sexual or needle-sharing contact with persons who
are infected with HIV-2 or are from an HIV-2-endemic area
• Born to a mother with known HIV-2 infection
• Had opportunistic infections or other clinical symptoms of
HIV/AIDS but tested negative or indeterminate for HIV-1
• Had multiple HIV-1 indeterminate antibody test results
• Had a confirmed diagnosis of HIV-1 but an undetectable
viral load that is incompatible with the clinical status
http://www.mayomedicallaboratories.com/it-mmfiles/HIV-2_Testing_Algorithm_Screening__Nonsymptomatic__Diagnostic__Symptomatic_.pdf
Vergleich der Antigenkomponente verschiedener HIVAntigen-/Antikörpertests
HIV-1-Varianten
- 3 von 10 Tests erkennen keine Typ O Isolate
- 6 von 10 Tests erkennen keine Typ P Isolate
- 5 von 10 Tests erkennen nicht alle Typ M non-BIsolate
HIV-2 (Kreuzreaktivität)
- 3 von 10 Tests waren in der Lage auch HIV-2 zu
erkennen (in 2-10 von 30 Proben)
Architect-CMIA erkennt HIV-1 Gruppen gut, HIV-2 nicht
Testung der Antigensensitivität von 5 p24Antigen-Tests und 11 Ag/Ak-Combotests
Testung mit VLPs mit p24 von HIV-1 Subtypen
A-H und CRFs (circulating recombinant forms)
nur 3/11 Combo-Tests erkennen alle Subtypen
mit ausreichender Sensitivität (Abbott
Architect 97,7%, Siemens 93%, Roche 89,9%)
Von den 4. Generationstests (Combo) haben
viele Sensitivitätsprobleme vor allem bei nonB-Subtypen (weltweit Subtyp C und A häufig)
2014 ca. 12.000 Untersuchungen, davon 170
Erstbefunde, davon 7 akute HIV-Infektionen
zu erwartende Anzahl von frühen (Antikörpernegativen oder –fraglichen) HIV-1 Gruppe OInfektionen: 0,6%, d.h. 0,04 Fälle/Jahr
zu erwartende Anzahl von frühen (Antikörpernegativen oder –fraglichen ) HIV-2-Infektionen:
0,3%, d.h. 0,02 Fälle pro Jahr
d.h. alle 25 Jahre ein Fall von akuter HIV-1 Gr.O
und alle 50 Jahre ein Fall akuter HIV-2 Infektion
zu erwarten im ÖGD NRW
Stufendiagnostik im ÖGD NRW entspricht
weitestgehend dem neuen Algorithmus
6-Wochen-Frist für Labordiagnostik unter
Berücksichtigung der (für den ÖGD fraglich
relevanten) Ausnahmen, insbesondere HIV-2
weiterhin 12-Wochen-Frist für alle Schnelltests
NAT „gleichwertig“ nur in der
Bestätigungsdiagnostik mit entsprechendem
Hinweis in der Kommentierung
Diagnostik aus einer Primärprobe: NAT aus Serum
ist „off-label use“ mit geringem Sensitivitätsverlust
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