HIV und AIDS

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HIV und AIDS
1. Allgemeines
Unter AIDS versteht man “aquired immunodeficiency syndrome” oder “erworbenes Immunmangel-Syndrom”, welches durch HIV, das humane ImmunodefizienzVirus hervorgerufen wird.
Weltweit sind etwa 40 Millionen Menschen HIV-infiziert, über 25 Millionen sind bereits an AIDS gestorben, alleine im Jahre 2006 waren es 2.9 Millionen (davon fast
500'000 Kinder). Über 90% der Betroffenen leben in Entwicklungsländern (v.a. Afrika), welche diesem Problem nicht adäquat begegnen können.
Innerhalb der industrialisierten Länder hat die Schweiz mit 800-900 Neuinfektionen
pro Jahr eine der höchsten Raten, ca. 40% sind Frauen. Seit 2001 steigt die Rate
wieder und die heterosexuelle Transmission nimmt an Bedeutung zu. Die Übertragung findet statt durch kontaminiertes Blut (iv Drogen mit Nadeltausch, Bluttransfusion), ungeschützter GV und vertikal (selten intrauterin, häufiger peripartal oder
durch Stillen). Als Risikofaktoren gelten ungeschützter GV mit mehreren Partnern,
Analsex (Anal- und Rektumschleimhaut sind verletzlicher, was den Viruseintritt erleichtert), Geschlechtskrankheiten mit Ulcusbildung wie Herpes, Syphilis und weicher Schanker (Ulcera dienen als Eintrittspforten), zuletzt auch Drogenabusus (ivInjektionen, Crack-Kokain). Die Beschneidung beim Mann reduziert das Übertragungsrisiko.
Das humane Immunodefizienzvirus (HIV) ist ein RNS-Virus aus der Familie der
Retroviren. HIV befällt die CD4-Lymphozyten (T4 = Helfer-Zellen) und integriert mit
Hilfe der reversen Transkriptase das Virusgenom in die Wirtszelle, welche dieses
dann im Rahmen der eigenen Vermehrung vervielfältigt. Mit Hilfe der Protease
werden die Viruseiweisse wieder herausgeschnitten und zusammen gesetzt, womit
neue Viren entstehen. Durch diesen Prozess wird die Wirtszelle zunehmend geschwächt und zuletzt zerstört, sodass durch die Abnahme der CD4-Zellzahl die Immunabwehr geschwächt wird und der Patient für opportunistische Infektionen und
Malignome anfällig wird.
Es gibt zwei Typen (HIV-1 und HIV-2), von denen HIV-1 im Vordergrund steht. Im
Vergleich zu HIV-1 findet die Übertragung von HIV-2 auf das Kind in der Schwangerschaft seltener statt, dafür wird das HIV-2 häufig für IUFT verantwortlich ge-
Hebammenschule am KSSG • Dr. P. Böhi
23.6.2007
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macht. In Europa treten HIV-2 Infektionen nur vereinzelt auf.
2. Klinische Symptome
Die HIV-Infektion läuft kontinuierlich ab, kann aber aus didaktischen Gründen in 4
Stadien eingeteilt werden:
•
Akute retrovirale Infektion: Mehrere Wochen nach der Infektion tritt ein
Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild auf mit generalisierten Lymphknotenschwellungen, welches nach einigen Wochen abheilt.
•
Latente Phase: Der Patient ist asymptomatisch, im lymphatischen Gewebe
findet aber weiterhin eine langsame Virusreplikation statt. Diese Phase dauert etwa 5-10 Jahre.
•
Frühsymptome: Leichte bis mittelschwere Symptomatik (Fieber, Malaise,
Müdigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, generalisierte
Lymphadenopathie) mit opportunistischen Infektionen (Pneumocystis carinii
Pneumonie, Mykobakterien, Lungen-Tuberkulose, Toxoplasmose, Candidose, CMV, Herpes genitalis, Hepatitis B und C, Syphilis).
•
Spätsymptome: Vollbild der Erkrankung (AIDS). Zusätzlich ZNS-Symptome
wie Demenz und periphere Neuropathie (direkt durch HIV-Infekt und indirekt durch opportunistische Infektionen wie Toxoplasmose) sowie Malignome (Kaposi-Sarkom v.a. bei Männern, Non-Hodgkin-Lymphom, invasives
Zervixkarzinom bei Frauen).
Die Schwangerschaft selbst beeinflusst den Verlauf des HIV-Infekts nicht ungünstig,
da aber in der Regel zusätzlich soziale Probleme (Migration, Drogen, schlechtere
medizinische Versorgung) vorhanden sind, muss bei HIV-infizierten Schwangeren
grundsätzlich mit einer höheren Morbidität in der Schwangerschaft gerechnet
werden. Im Auge behalten werden müssen Zervixdysplasie (und andere HPVInfekte wie Kondylome), Candida-Infektionen und vorzeitige Wehen (diese treten
häufiger auf und erhöhen das Risiko einer maternofetalen Transmission).
3. Diagnostik
Im Blut wird ein HIV-Test durchgeführt durch Nachweis von Antikörpern gegen
HIV-1 und HIV-2 sowie den Nachweis von viralen Antigenen wie p24 (viral core), gp41 (envelope) und gp-120/160 (envelope). Die Tests werden in der Regel zur Bestätigung der Diagnose stufenweise miteinander kombiniert.
Zwischen der Infektion und dem Positivwerden des HIV-Tests liegt ein immunologisches Fenster, welches bis zu 3 Monate gross sein kann; im Zweifelsfall muss der
Hebammenschule am KSSG • Dr. P. Böhi
23.6.2007
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Test nach 3 Monaten wiederholt werden.
Der HIV-Test sollte bei allen Schwangeren durchgeführt werden, da ein selektives
Screening aufgrund Risikofaktoren 50% der Fälle verpassen würde. Bei über 28%
der Frauen mit einer HIV-Infektion wird die Diagnose erstmals in der Schwangerschaft gestellt; viele Frauen sind sich eines erhöhten Risikos nicht bewusst, zudem
kann durch rechtzeitige Erfassung einer HIV-Infektion der Mutter das Übertragungsrisiko auf den Feten durch entsprechende Therapie gesenkt werden.
Bei HIV-positiven Schwangeren muss eine entsprechende geburtshilfliche Beratung
stattfinden (Risiko perinatale Transmission, Schwangerschaftskomplikationen) und
ein Hilfsangebot (Sozialarbeiter, Hebammen, Psychologen etc.) etabliert werden.
Einstellen des Rauchens (da dies den Verlauf der Erkrankung beschleunigt). Screening nach weiteren sexuell übertragbaren Krankheiten (GO, Syphilis, Chlamydien,
Herpes, Hepatitis B und C), CMV und Toxoplasmose (beide können Chorioretinitis
und ZNS-Symptome verursachen und sind behandelbar). Tuberkulin-Test und falls
positiv Thoraxröntgen. Impfungen gegen Hepatits A und B, Pneumokokken und Influenza. Pap-Abstrich (Zervixdysplasie?). Wiederholte Bestimmung der CD4-Zahl
(sollte über 400 Zellen/ml liegen) und des Virus-Loads (HIV RNA-PCR) um den Zustand des Immunsystems bzw. die Progression/Remission der Erkrankung zu erfassen.
4. Perinatale Transmission
Etwa 90% aller HIV-Infektionen bei Kindern geschehen perinatal, ein kleiner Teil
findet hämatogen gegen Ende der Schwangerschaft statt, der Hauptteil unter der
Geburt durch Kontakt mit mütterlichem Blut und Genitalsekreten. Die durchschnittliche Rate an perinataler Transmission liegt bei 20-30%.
Es gibt eine ganze Reihe von Risikofaktoren, welche das Risiko einer vertikalen
Transmission auf das Kind erhöhen:
•
HIV-1 vs. HIV-2: Risiko bei HIV-1 grösser da höhere Virulenz
•
St.n. Kind mit HIV-Infektion: Höhere Viruslast der Mutter
•
Mutter mit AIDS: Höhere Viruslast, niedrigere Immunkompetenz
•
Frühgeburt: Verminderte Immunkompetenz des Kindes
•
Verminderte CD4-Zahl der Mutter: Verminderte Immunität der Mutter
•
Höhere Viruslast der Mutter
•
Erstgeborener Zwilling: Längere Exposition mit Blut und Genitalsekreten als
zweitgeborener Zwilling
Hebammenschule am KSSG • Dr. P. Böhi
23.6.2007
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Chorioamnionitis: Plazentainfekt erleichtert den hämatogenen Übertritt der
Viren
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Geburt, v.a. nach längerem Blasensprung: Längere Exposition mit Blut und
Genitalsekreten
•
Blutkontakt (Episiotomie, Vaginalriss, Zange): Vermehrte Exposition mit Blut
und Genitalsekreten
5. Therapie und Prävention
Die Schwangere benötigt eine antivirale Therapie, welche einerseits die perinatale
Transmission reduzieren und andererseits den Verlauf der mütterlichen Erkrankung
verbessern soll.
Je nach Viruslast beginnt die Chemoprophylaxe in der Regel bei 22 SSW mit einer
Dreierkombination an Medikamenten (HAART = hochaktive antiretrovirale Therapie) mit dem Ziel, die Viruslast unter die Nachweisbarkeitsgrenze zu reduzieren. In
der Regel werden zwei Reverse-Transkriptase-Hemmer und ein ProteinaseHemmer eingesetzt. Je höher die Viruslast ist, desto früher muss die Therapie einsetzen (frühestens ab der 14. SSW).
Die sogenannte Viruslast (viral load) wird durch die Bestimmung der HIV-RNS mittels
PCR gemessen, dabei ist das Therapieziel, diese auf <50 RNS-Kopien/ml Blut bis anfangs der 36. SSW zu supprimieren.
Eine Sectio reduziert die Transmissionsrate im Vergleich zur vaginalen Geburt auf
unter 10%, wird diese mit einer medikamentösen antiretroviralen Therapie kombiniert, kann die Transmissionsrate auf 2% gesenkt werden. Somit besteht der heutige Standard darin, zusätzlich zur HAART bei 37 0/7 SSW eine elektive Sektio
durchzuführen (auch bei negativem viral load). Die Sektio soll notfallmässig vorgezogen werden bei spontanem Blasensprung (Intervall <4h) und beginnender Wehentätigkeit.
Kann aus irgendeinem Grund keine Sectio durchgeführt werden, dann müssen die
folgenden geburtshilflichen Kriterien beachtet werden: Blase so lange wie möglich
stehen lassen, keine instrumentellen Eingriffe, welche das Kind vermehrt mit Blut
und Sekreten der Mutter in Kontakt bringen (dh. keine Episiotomie, Skalpelektrode, MBU, vaginal-operative Entbindung). Schutz des Personals!
Postpartal bekommt das Neugeborene eine Chemoprophylaxe mit AZT (Zidovudin)
Hebammenschule am KSSG • Dr. P. Böhi
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während 6 Wochen, es muss abgestillt werden (Vermeidung einer Übertragung von
HIV mit der Muttermilch), zudem soll die Mutter aufpassen, dass keines ihrer Körpersekrete mit Hautläsionen oder Schleimhäuten des Kindes in Kontakt kommt.
Hebammenschule am KSSG • Dr. P. Böhi
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