Aus dem Vortrag zur Preisverleihung des Förderpreises des Biologischen Vereins für junge Wissenschaftler 2008 am 09.12.2008 Dr. Sebastian Newrzela "Resistenz polyklonaler, reifer T-Zellen gegenüber der Transformation durch retrovirale Transduktion" Nach den ersten Erfolgen der Gentherapie bei angeborenen Immundefekten wurden einige Fälle von Leukämie nach gammaretroviralem Gentransfer in Blutstammzellen bei Patienten mit „severe combined immunodeficiency“ (SCID-X1) veröffentlicht. Diese entfachten eine Diskussion über das Risiko der Insertionsmutagenese bei der Verwendung gammaretroviraler Vektoren. Durch eine insertionsbedingte Transaktivierung potentieller Onkogene und damit verbundenen malignen Veränderungen können gammaretroviral transduzierte Blutstammzellen Leukämien hervorrufen. Aber nicht nur Blutstammzellen werden als Zielzellen in der Gentherapie genutzt. In der Gruppe von Laer wurde in den letzten Jahren eine neue Gentherapie der HIV-1 Infektion entwickelt. Hierbei werden dem Patienten genetisch geschützte, autologe T-Lymphozyten infundiert. Die Gefahr einer Leukämie durch Insertionsmutagenese sollte im Zuge dieser Studie für reife T-Lymphozyten evaluiert werden. In einer vergleichenden Analyse wurde untersucht, ob der gammaretrovirale Gentransfer in reife T-Lymphozyten die gleiche Genotoxizität birgt wie in hämatopoetische Stammzellen. Hierzu wurden reife T-Lymphozyten und hämatopoetische Progenitoren von C57BL/6(Ly5.1)Mäusen mit multiplen Kopien gammaretroviraler Vektoren transduziert, die für die potenten T-Zell Onkogene LMO2, TCL1, ⊗TrkA oder das Kontrollgen GFP kodierten. Es wurden sehr hohe Transduktionseffizienzen mit bis zu 70% für reife T-Lymphozyten und bis zu 98% für hämatopoetische Progenitoren erzielt, um möglichst leukämiefördernde Bedingungen zu schaffen. Nach Transplantation in kongene Rag-1 defiziente Empfängertiere (Ly5.2) entwickelten Onkogen-modifizierte Stammzellen nach einer charakteristischen Latenzperiode Leukämien/Lymphome. Am häufigsten wurden unreife, CD8+CD4+ doppelpositive TVorläufer Leukämien/Lymphome beobachtet. In einigen Rezipienten führte außerdem eine Überexpression von TCL1 in hämatopoetischen Stammzellen zu der Entwicklung von reifzelligen T-Zell Leukämien/Lymphomen und B-Zell Leukämien/Lymphomen. Die Integrationsanalyse ergab oligo- bis monoklonale Tumore, wobei keine offensichtlich tumorfördernden, die gammaretroviralen Insertionen flankierenden Gene identifiziert werden konnten. Bemerkenswerterweise entwickelte keines der T-Zell transplantierten Empfängertiere ein/e Lymphom/Leukämie, obwohl auch diese Zellen mit den gleichen Vektoren modifiziert wurden und über einen sehr langen Zeitraum persistierten. Um die Kontrollmechanismen dieser Resistenz näher zu untersuchen, wurde eine für den TCR monoklonale, adulte T-Zell Population mit ⊗TrkA transduziert. Nach einer kurzen Latenzperiode entwickelten sich reifzellige T-Zell Leukämien/Lymphome. Anscheinend existiert eine Verbindung zwischen der relativen Transformationsresistenz reifer TLymphozyten und dem Konkurrenzverhalten verschiedener T-Zell Klone um stimulatorische MHC-TCR Nischen. Weiterhin wurde in vitro durch gammaretroviralen Transfer von LMO2 ein immortalisierter TZell Klon generiert. Dieser zeigte zwar nach einer langen Beobachtungszeit einen CD8-CD4doppelnegativen Phänotyp, aber auch einen rekombinierten TCR. In vitro überwuchs er eine unmanipulierte Kompetitorpopulation, konnte jedoch nach Transplantation kein/e T-Zell Lymphom/Leukämie induzieren. Die LM-PCR Analyse des Klons lieferte eine sehr interessante Integration zwischen den Genen für die alpha-Ketten des IL-2 und des IL-15 Rezeptors, welche dadurch konstitutiv exprimiert wurden. Dies könnte das erste Beispiel für eine insertionsbedingte Immortalisierung eines adulten T-Zell Klons sein. Es konnte zum ersten Mal eindeutig gezeigt werden, dass polyklonale, reife T-Zell Populationen in vivo eine hohe Transformationsresistenz aufweisen. Durch bestimmte Bedingungen können jedoch durchaus maligne Veränderung adulter, reifer T-Lymphozyten induziert werden. Für die Sicherheitsabschätzung gammaretroviraler Gentherapie-Studien mit reifen T-Lymphozyten sind die vorgestellten Ergebnisse von großer Bedeutung und könnten darüber hinaus Aufschluss über die populationsdynamischen Kontrollmechanismen reifer TZell Leukämien/ Lymphome geben.