Lehrstuhl für Hochspannungstechnik Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik Technische Universität Dortmund Prof. Dr.-Ing. Frank Jenau Versuchsanleitung Zum Praktikumsversuch Gasentladung (V409) Praktikumsversuch BENT 04 Inhalt 1 Grundlagen ......................................................................................... 3 1.1 Allgemeines ....................................................................................................... 3 1.2 Gasentladung .................................................................................................... 4 1.2.1 Townsend-Mechanismus........................................................................................................ 4 1.2.2 Gesetz von Paschen ................................................................................................................ 5 1.3 Entladungen in Flüssigkeiten............................................................................. 5 1.4 Entladungen in Feststoffen ................................................................................ 6 1.5 Teilentladungen (TE) ......................................................................................... 6 1.5.1 Innereteilentladungen ............................................................................................................ 7 1.5.2 Äußereteilentladungen .......................................................................................................... 8 1.6 Polaritätseffekt................................................................................................. 10 2 Versuchsaufbau ............................................................................... 11 2.1 Allgemeines ..................................................................................................... 11 2.2 Spitze-Platte-Anordnung ................................................................................. 11 2.3 Kugel-Kugel-Elektroden ................................................................................. 11 3 Versuchsdurchführung.................................................................... 13 3.1 Spitze-Platte-Elektroden bei Gleichspannung ................................................. 13 3.2 Teilentladungsmessung .................................................................................. 13 3.3 Koronareuse bei Wechselspannung ................................................................ 14 3.4 Kugel-Kugel-Elektroden bei Wechselspannung .............................................. 14 4 Vorbereitung ..................................................................................... 15 4.1 Fragen ............................................................................................................. 15 5 Nachbearbeitung .............................................................................. 15 6 Literaturangaben .............................................................................. 16 7 Abbildungsverzeichnis .................................................................... 16 2 Praktikumsversuch BENT 04 1 Grundlagen 1.1 Allgemeines Eine grundlegende Aufgabe in der Hochspannungstechnik besteht in der Potentialtrennung, die über Isoliersysteme gewährleistet wird. Hier steht besonders die elektrische Festigkeit des Isolierstoffs im Vordergrund. Diese muss grundsätzlich größer sein als die elektrische Beanspruchung, damit es nicht zu einem Durchschlag, also zum kompletten Versagen der Isolierung und damit zu einem Kurzschluss kommt. Hier kommt den verwendeten Isoliermedien eine zentrale Bedeutung zu. Man kann Isolierstoffe gemäß ihres Aggregatzustandes in gasförmige, flüssige und feste Isolierstoffe einteilen, die ein unterschiedliches elektrisches Verhalten zeigen und verschiedene Vor- und Nachteile aufweisen. Als Beispiele für gasförmige Isolierstoffe sind besonders Luft und SF6 zu nennen. So wird beispielsweise Luft zwangsläufig als Isolierstoff bei Freiluftanlagen genutzt. Aufgrund einer hohen Elektronegativität und der damit verbundenen hohen elektrischen Festigkeit ermöglicht die Verwendung von SF6 als Isolierstoff in gekapselten Hochspannungsanlagen eine kompakte Bauweise. Flüssige Isolierstoffe, in der Regel Isolieröl, werden aufgrund ihrer guten Wärmeleiteigenschaften in Leistungskomponenten wie beispielsweise Leistungstransformatoren eingesetzt. Das größte Einsatzgebiet für feste Isolierstoffe ist als Isolierung in Kabeln. Außerdem kommen feste Isolierstoffe dort zum Einsatz, wo eine bestimmte mechanische Stabilität erforderlich ist, wie z.B. bei Stützern. Gase sind relativ einfach aufgebaut und ermöglichen daher das Studium grundlegender Zusammenhänge, die auch für das Verständnis der Vorgänge in elektrisch hochbelasteten festen und flüssigen Isolierstoffen Modellcharakter haben können. Daher werden in diesem Versuch grundlegende Zusammenhänge zunächst am Beispiel der Gasentladung erklärt, dann folgt ein Übergang auf flüssige und schließlich auf feste Isolierstoffe. Es soll ein grundlegendes Verständnis für das unterschiedliche Verhalten von verschiedenen Isolierstoffen vermittelt werden. Der Stoff der Vorlesung "Technologie des Energietransports" wird als bekannt vorausgesetzt. Insbesondere sind für die Durchführung des Versuchs ein Verständnis der wesentlichen Durchschlagsmechanismen (Townsend- und StreamerMechanismus) sowie die Kenntnis der Feldverteilung in den verwendeten Versuchsanordnungen nötig. Die für den Versuchsablauf im Hochspannungslabor geltenden Sicherheitsvorschriften sind einzuhalten. 3 Praktikumsversuch BENT 04 4 1.2 Gasentladung Grundlegende Erklärungen für den Durchschlagsmechanismus in Gasen liefern der Townsend-Mechanismus und das Paschengesetz, die hier kurz erläutert werden sollen. Für weitergehende Betrachtungen sei an dieser Stelle auf die Fachliteratur [1] [2] verwiesen. 1.2.1 Townsend-Mechanismus Bei einem Durchschlag kommt es zum vollständigen Versagen der Isolierung durch Ausbildung eines leitfähigen Kanals, der den Isolierstoff überbrückt. Dies setzt eine bestimmte Anzahl freier Ladungsträger voraus, die einen Stromfluss durch das Dielektrikum ermöglichen. Wird ein gasförmiger Isolierstoff unterhalb seiner elektrischen Festigkeit betrieben, ist die Anzahl der freien Ladungsträger zu gering und es kommt nicht zu Zusammenbruch der Isolation. Ein Modell für die steigende Zahl der freien Ladungsträger bei Überschreiten der Durchschlagsfeldstärke Ed liefert der Townsend-Mechanismus (auch: Generationenmechanismus). Hierbei wird angenommen, dass durch äußere Strahlung (UV-Strahlung, kosmische Strahlung,…) im Gasraum ein Startelektron zur Verfügung steht. Dieses Elektron wird durch das elektrische Feld beschleunigt. Dabei kommt es zu Stößen mit den Molekülen des Gases, die aber bei zu geringer kinetischer Energie des Elektrons nicht zur Ionisierung führen. Ist die zwischen den Stößen durch das Elektron aufgenommene kinetische Energie ausreichend groß, kommt es zur Ionisierung des Moleküls, wobei weitere freie Elektronen entstehen, die ihrerseits wieder im Feld beschleunigt werden und durch Stöße wiederum neue freie Elektronen erzeugen. Es ergibt sich ein lawinenartiges Anwachsen der Zahl freier Ladungsträger auf dem Weg von der Kathode zur Anode, weshalb man auch von „Elektronenlawinen“ spricht. Durch die Stoßionisation entstehen neben freien Elektronen positive Ionen, die im elektrischen Feld zur Kathode driften. Durch den Aufprall auf die Kathodenoberfläche können neue freie Elektronen freigesetzt werden, die ihrerseits wieder eine Lawine im Feld starten können. Aus dieser Rückwirkung lässt sich die Zündbedingung nach Townsend formulieren: „Ein durch Fremdionisierung erzeugtes Startelektron muss über den Prozess aus Lawinenbildung und Rückwirkung auf die Kathode mindestens ein neues Startelektron erzeugen. Dann erzeugt jede Lawine mindestens eine Folgelawine und es entsteht ein leitfähiger Entladungskanal“ [2]. Abbildung 1: Physikalisches Modell zur Beschreibung des Townsend- bzw. Generationenmechanismus, zur Ableitung der Zündbedingung nach Townsend und zur Ableitung des Paschen-Gesetzes. [1] Praktikumsversuch BENT 04 1.2.2 Gesetz von Paschen Aus der mathematischen Beschreibung der Zündbedingung lässt sich analytisch das Gesetz von Paschen ableiten, dass auch in Versuchen bestätigt wurde. Es besagt, dass die Durchschlagsspannung eine Funktion des Produktes aus Druck und Elektrodenabstand ist [1]. Der qualitative Verlauf ist in Abbildung 2 dargestellt. Der charakteristische Verlauf der Paschenkurve ist durch hohe Werte der Durchschlagspannung bei sehr niedrigen und sehr hohen pd-Werten gekennzeichnet. Dazwischen liegt ein Minimum, das sogenannte Abbildung 2: Gesetz von Paschen als analytisch bestimmte Näherungsfunktion Paschen-Minimum. Bei niedrigen pd-Werten steigt die Durchschlagspannung an, weil die Zahl der für Stöße zur Verfügung stehenden Moleküle abnimmt. Hohe pd-Werte bedeuten große Abstände bzw. hohen Drücke. Große Abstände bewirken eine Verringerung der Feldstärke und damit eine Verr ingerung der Geschwindigkeit der an den Stoßprozessen beteiligten Elektronen. Große Drücke bewirken eine Verkürzung der für die Beschleunigung der Elektronen zur Verfügung stehenden freien Weglängen. Beide Effekte bewirken ein Ansteigen der elektrischen Festigkeit bei hohen pd-Werten. 1.3 Entladungen in Flüssigkeiten Die wichtigsten Isolierflüssigkeiten sind Isolieröle, die in der Regel aus Mineralöl, aber aufgrund ihrer besseren Umweltverträglichkeit zunehmend auch aus pflanzlichen Ölen hergestellt werden. Haupteinsatzgebiet ist aufgrund der guten Wärmeleiteigenschaften der Leistungstransformator, gleichzeitig als Isolier- und Kühlmedium. Grundsätzlich haben Isolierflüssigkeiten eine höhere elektrische Festigkeit als Isoliergase und werden deshalb dort eingesetzt, wo die elektrische Festigkeit von Gas nicht ausreichend ist. Im Gegensatz zu reinen Gasen ergeben sich aber bei Isolieröl eine Vielzahl von schwer definierbaren Einflussfaktoren (Feuchtigkeit, beanspruchtes Volumen, Ölströmung, Verunreinigungen,…) auf das elektrische und dielektrische Verhalten. Dies äußert sich in verhältnismäßig starken Streuungen bei Durchschlagsversuchen mit Isolieröl. Grundsätzlich geht man aber bei kurzer Beanspruchungsdauer von einem dem Gasdurchschlag ähnlichen Durchschlagmechanismus aus. Bei ausreichend hoher Feldstärke kommt es im Öl durch Bildung von Gebieten geringerer Dichte (z.B. Gasbläschen) zu ausreichend langen freien Weglängen um Lawinenprozesse ähnlich dem Townsend-Mechanismus einzuleiten (verschleierter Gasdurchschlag) [1]. Bei längerer Beanspruchungsdauer spielen zunehmend Verunreinigungen, im Öl gelöste Fasern und Feuchtigkeit eine Rolle. Trotz zahlreicher experimentellen Arbeiten mit Isolieröl existiert aber bis heute keine der Gasentladung vergleichbare geschlossene Theorie des Öldurchschlags [2]. 5 Praktikumsversuch BENT 04 1.4 Entladungen in Feststoffen Ist eine hohe elektrische Festigkeit bei begrenztem Raum und/oder mechanische Stabilität notwendig, wird häufig auf Feststoffisolierungen zurückgegriffen. Hier werden insbesondere Kunststoffe wie Epoxidharze und Keramiken eingesetzt. Gegen feste Isolierungen sprechen häufig der verhältnismäßig schlechte Wärmeabtransport oder fertigungstechnische Hindernisse, da feste Isolierstoffe in der Regel vergossen werden, was nicht für jede Elektrodenanordnung möglich ist. Feste Stoffe haben grundsätzlich eine sehr hohe elektrische Festigkeit, die weit über der von Gasen oder Isolierflüssigkeiten liegt. Wie beim Isolieröl spielt die Beanspruchungszeit eine entscheidende Rolle für den Durchschlagsmechanismus. Bei Kurzzeitbelastung kommt es aufgrund von Stoßionisationsprozessen erst bei sehr hohen Feldstärken zum Durchschlag. Bei Belastungen über einen längeren Zeitraum kann die Wärmeentwicklung im Dielektrikum zur thermischen Zerstörung des Isolierstoffs führen (Wärmedurchschlag). Da sich ein fester Isolierstoff aufgrund der Struktur nicht wie ein Gas oder eine Flüssigkeit durch Rekombination von Ladungsträgern mit den Molekülen des Stoffs „selbst heilen“ kann, spielt außerdem die Alterung des Materials eine entscheidende Rolle. Chemische Veränderungen durch die Feldbelastung oder Erosion durch Teilentladung (s. nächstes Kapitel) sind zwei Beispiele für Alterungsvorgänge in der Feststoffisolierung. 1.5 Teilentladungen (TE) In technischen Anordnungen mit Z inhomogener Feldverteilung kommt es bei Steigern der Spannung bis zur EinsetzspanP nung UE nicht direkt zum DurchCC schlag, sondern vorher zu sogenannten Teilentladungen AKV (TE, auch Vorentladungen, Koronaentladungen,…). Aufgrund der Inhomogenität des Feldes ist Abbildung 3: Teilentladungsmesskreis mit Prüfquelle, Entkopplungsnur in einem örtlich begrenzten impedanz Z, Koppelkondensator CC Prüfling P und Ankopplungsvierpol AKV Bereich die Feldstärke so groß, das Stoßionisationen möglich sind. Es versagt also nicht die gesamte Isolierung, sondern es kommt im Bereich der höchsten Feldstärke zu Teildurchschlägen, die einen Teil der Isolierung überbrücken und im Feldschwachen Bereich wieder verlöschen. Bei weiterer Spannungssteigerung kommt es schließlich zum vollständigen Durchschlag. Die kurzzeitige elektrische Festigkeit eines Isolierstoffs wird in der Regel nicht durch TE beeinflusst, allerdings kommt es bei organischen Isolierstoffen (z.B. Epoxidharz) durch TE zu Erosionen und dadurch zu einer drastisch verkürzten Lebensdauer. Das Auftreten von Teilentladungen ist deshalb ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der ≈ 6 Praktikumsversuch BENT 04 Isolationsqualität. TE können auf verschiedene Weisen detektiert werden. Da TE akustische und elektromagnetische Wellen emittieren, ist im einfachsten Fall eine Detektion über das Gehör und das Auge möglich. Darüber hinaus werden Ultraschallmikrofone und spezielle Kameras eingesetzt. Am weitesten etabliert ist allerdings die elektrische Messung von Teilentladungen im TE-Messkreis nach DIN EN 60270, der in Abbildung 3 dargestellt ist. Im Falle einer Teilentladung im Prüfling, fließt im Kreis aus Koppelkondensator, Prüfling und Ankopplungsvierpol ein Ausgleichsstrom, der über den AKV gemessen werden kann. Aus dem TE-Strom kann die sogenannte scheinbare Ladung qs bestimmt werden (im Bereich einiger pC), die ein Maß für die Intensität der TE darstellt. Eine Übersicht der Erscheinungsformen von Teilentladungen zeigt die Abbildung 4: Abbildung 4: Erscheinungsformen von Teilentladungen [1] 1.5.1 Innereteilentladungen Die Voraussetzung für eine innere Teilentladung sind lokale Feldüberhöhungen im festen Dielektrikum. Sie werden durch Fehlstellen, Hohlräume, Lunker oder Gaseinschlüsse im Dielektrikum hervorgerufen. Der eingeschlossene Gasraum kann dabei vollständig vom Isoliermedium umgeben sein oder teilweise an eine Elektrode grenzen (Elektrodenablösung). Überschreitet die am Hohlraum liegende Spannung die Zündspannung, so kommt es zu einem unvollkommenen Durchschlag. 7 Praktikumsversuch BENT 04 8 Ladungshöhe [pC] Abbildung 5: Schematische Darstellung innerer Teilentladung Phasenlage 90° 180° 270° 360° Abbildung 6: Phasenwinkelhistogramm bei innerer Teilentladung Diese unvollkommenen Durchschläge bzw. Impulsströme überlagern sich mit dem netzfrequenten Strom und können das Netz zusätzlich belasten. Des Weiteren befindet sich die Phasenlage von Innerenteilentladungen an den Nulldurchgängen der anliegenden Spannung. 1.5.2 Äußereteilentladungen Äußere Teilentladung werden auch als Koronaentladung bezeichnet. Die Voraussetzungen, die zu einer Koronaentladung führen sind, dass in gasförmigen Dielektrikas lokale Feldüberhöhungen, hervorgerufen durch raue Oberflächen und Spitze-Platte Anordnungen auftreten. Praktikumsversuch BENT 04 9 Ladungshöhe [pC] Abbildung 7: Schematische Darstellung äußerer Teilentladung Phasenlage 90° 180° 270° 360° Abbildung 8: Phasenwinkelhistogramm bei äußerer Teilentladung In Abbildung 8 ist zu erkennen, dass die Phasenlage der äußeren Teilentladungen sich in den Scheiteln der anliegenden Spannung befindet. Zeitgleich entstehen Stromimpulse die sich mit dem netzfrequenten Strom überlagern. Praktikumsversuch BENT 04 1.6 Polaritätseffekt Die Raumladungszonen führen bei unsymmetrischen Elektrodenanordnungen speziell in Luft zu polaritätsabhängigen Erscheinungen, dem Polaritätseffekt. Hier kommt es aufgrund von Stoßprozessen, die Raumladungswolken zur Folge haben. Diese Raumladungen überlagern sich dem Ursprungsfeld und führen im Fall der negativen Spitze zu einer Erhöhung des resultierenden Gesamtfeldes vor der Spitze und zu einer Abschwächung des Feldes vor der positiven Elektrode. Dies hat beim Hochfahren der Spannung einen früheren Einsatz von Teilentladungen und einen späteren Durchschlag zur Folge. Im Falle einer positiven Spitze führen die Raumladungen zu einer Vergleichmäßigung des resultierenden Feldes und damit zu einer im Vergleich zur negativen Spitze höheren Einsetz- und niedrigeren Durchschlagspannung. Diese Zusammenhänge sind in Abbildung 9 veranschaulicht. Abbildung 9: Polaritätseffekt im stark inhomogenen Feld bei positiver Spitze (links) und negativer Spitze (rechts). [1] In Abbildung 9 (oben) ist zu erkennen, dass durch Stoßprozesse Raumladungsverteilungen entstehen. Diese Raumladungsverteilungen überlagern sich mit dem Ursprungsfeld. Weiterhin ist (unten) zu erkennen, der Feldstärkeverlauf entlang der xAchse als raumladungsfreies Grundfeld (dünne Linien) und das raumladungsbeschwerte resultierende Feld (starke Linien) mit Verschiebung der Ionisierungsgrenzen. 10 Praktikumsversuch BENT 04 11 2 Versuchsaufbau 2.1 Allgemeines Die in den Versuchen verwendeten Aufbauten haben zum Ziel, praxisrelevante Probleme auf einen Laboraufbau zu übertragen. Es kommen zwei verschiedene Elektrodenanordnungen zum Einsatz: Die Spitze-Platt-Anordnung und die Kugel-KugelAnordnung. 2.2 Spitze-Platte-Anordnung Die Spitze-Platte-Anordnung stellt ein Musterbeispiel für eine inhomogene, unsymmetrische Elektrodenkonfiguration dar. Sie kommt in der Technik in vielen Varianten vor, die in ihrer extremen Form jedoch meist zwangsläufig entstehen und in der Regel nicht gewollt sind. Sie eignet sich für grundlegende Studien typisch hochspannungstechnischer Phänomene wie z.B. Teilentladungen, Raumladungsbildung, Polaritätseffekt, die bei Untersuchungen in homogenen Anordnungen nicht auftreten. Die verwendete Anordnung ist rechts in Abbildung 10 dargestellt. Durch den gekapselten Aufbau kann das Isoliermedium Gas durch eine Flüssigkeit, in diesem Fall Mineralöl, ersetzt werden. Die Schlagweite kann über ein Gewinde eingestellt werden. Der Radius der Spitze beträgt r ≈ 0,04 mm. Abbildung 10: SpitzePlatte Anordnung 2.3 Kugel-Kugel-Elektroden Für entladungsphysikalische Untersuchungen, in diesem Fall der Einfluss des Drucks auf die elektrische Festigkeit, sind möglichst homogene, symmetrische Anordnungen üblich. Diese können durch Kugel-Kugel-Elektroden realisiert werden, wenn der Quotient aus Schlagweite und Kugeldurchmesser klein bleibt. Gegenüber der Platte-Platte-Anordnung hat sie den Vorzug, dass die Schlagweite sehr genau bestimmbar ist und dass es kein Randproblem gibt. Die verwendete Anordnung ist in einem druckbeständigen Plexigaszylinder installiert. Diese gekapselete Bauweise erlaubt eine Variation des Druckes im Bereich ≈5 mbar bis ≈ 1 bar. Abbildung 11: gekapselte Kugel-Kugel Anordnung Praktikumsversuch BENT 04 12 2.4 Koronareuse Eine Anordnung koaxialer Zylinderelektroden wird als Koronareuse bezeichnet. Sie wird vornehmlich für Modelluntersuchungen zum Phänomen der Vorentladungen (Korona) an Freileitungsseilen genutzt. Dies ist sinnvoll, da das Feld in Leiternähe nur schwach durch den Außenzylinder im Modell bzw. die Erde in der Praxis beeinflusst wird. Die Koronareuse ist als Schutzringanordnung ausgeführt, so dass Randeinflüsse der Anordnung auf eine potentielle Messung des Reusenstromes keinen Einfluss haben. Der Reusenstrom setzt sich aus einem kapazitiven Anteil und dem ohmschen Koronastrom zusammen, der Wirkverluste hervorruft. Die verwendete Koronareuse ist in Abbildung 12 dargestellt. Abbildung 12: Koronareuse Praktikumsversuch BENT 04 3 Versuchsdurchführung 3.1 Spitze-Platte-Elektroden bei Gleichspannung Abbildung 13: Messung der Durchschlagspannung bei Gleichspannung Unter Verwendung des Versuchsaufbaus aus Abbildung 13 in Kombination mit der Spitze-Platte-Anordnung als Prüfling sind die Abhängigkeiten Ue = f(s) und Ud = f(s) für positive und negative Polarität der Spitze bei Schlagweiten s = 10; 20; 30 mm zu messen. Die Einsetzspannung ist optisch und akustisch sowie durch Einsatz des Teilentladungsmessgeräts zu bestimmen. Jeder Versuch ist dreimal durchzuführen. Erklären sie das unterschiedliche Ausbilden der Teilentladungen bei den verschiedenen Polaritäten Erläutern sie die unterschiedlichen Durchschlagspannungen bei den verschiedenen Polaritäten 3.2 Teilentladungsmessung Abbildung 14: Teilentladungsmessung bei Wechselspannung Für die folgende Teilentladungsmessung, ist der Versuchsaufbau wie in Abbildung 14 gezeigt zu errichten. Als Prüfling wird eine Spitze-Platte Anordnung mit einem konstanten Abstand von 10 Milimeter verwendet. Erhöhen Sie VORSICHTIG die Spannung (maximal 10 kVeff), ein Durchschlag ist aufjedenfall zu Vermeiden! 13 Praktikumsversuch BENT 04 Ab welcher Spannung treten Teilentladungen auf? Wie ist die Phasenlage der Teilentladungen? Erklärung? Wie funktioniert die Detektion von Teilentladungen? 3.3 Koronareuse bei Wechselspannung Abbildung 15: Messung der Durchschlagspannung bei Wechselspannung Bei den folgenden Versuchen wird der Wechselspannungsaufbau aus Abbildung 15 aufgebaut. Als Prüfling wird die Koronareuse verwendet. Die Abhängigkeiten Ue = f(r/R) und Ud = f(r/R) sind für Durchmesser d = 4,5; 54; 82 mm zu messen (D = 150 mm). Diskutieren Sie die Ergebnisse! 3.4 Kugel-Kugel-Elektroden bei Wechselspannung Bei den folgenden Versuchen wird der Wechselspannungsaufbau aus Abbildung 15 mit der gekapselten Kugel-Kugel-Anordnung als Prüfling verwendet. Die Abhängigkeit Ud = f(p · s) ist für s = 10 mm und p = 0,5; 50; 100; 1000 mbar bei Luft zu messen. Es sind jeweils 3 Durchschlagwerte aufzunehmen. Zeichnen Sie die Messergebnisse in die Paschenkurve ein. Erläutern Sie das Verhalten der Durchschlagsspannungen. 14 Praktikumsversuch BENT 04 4 Vorbereitung Die folgenden Fragen werden im Rahmen der Vorbesprechung behandelt. Die eingehende Beschäftigung mit dem Stoff der Vorlesung Technologie des Energietransports und der vorliegenden Versuchsanleitung sind dazu von Vorteil. 4.1 Fragen Im inhomogenen Feld einer Spitze-Platte-Anordnung bilden sich bei genügend hoher Spannung Raumladungen aus. Wo treten diese auf? Welche Polarität besitzen sie? Wie wirken sie sich auf die Teilentladungseinsetzspannung und die Durchschlagsspannung aus? Skizzieren Sie den Potentialverlauf einer Spitze-Platte-Anordnung über der Schlagweite in Abhängigkeit von der Polarität der Spitze! Welche Eigenschaften von SF6 sind für die Hochspannungstechnik relevant? Erläutern Sie in kurzen Stichpunkten die Funktionsweise einer Teilentladungsmessung. Welchen Verlauf weist die Durchschlagsspannung in Gasen als Funktion des Produktes von Druck p · s auf? Versuchen Sie, eine physikalische Erklärung für die gegenläufigen Prozesse zu finden, die diese Erscheinung hervorrufen! 5 Nachbearbeitung Nach Beendigung der Versuchsdurchführung erfolgt die Auswertung des Praktikums durch ein Protokoll. Das Protoll muss die folgenden minimal Anforderungen besitzen: Titelblatt Inhaltsverzeichnis Einleitung Kapitel der Versuchsdurchführungen mit Auswertung Zusammenfassung Abbildungsverzeichnis und gegebenenfalls Formel-, oder Tabellenverzeichnis Weitere Informationen zum Thema wissenschaftliches Schreiben sind im folgenden Buch zu finden: Technische Berichte Autoren: Lutz Hering, Heike Hering (Autor) Verlag: Vieweg+Teubner Verlag ISBN-10: 3834805718 15 Praktikumsversuch BENT 04 6 Literaturangaben [1] A.Küchler, Hochspannungstechnik, Berlin, 2009. [2] W. K. u. W. M.Beyer, Hochspannungstechnik- Theoretische und praktische Grundlagen, Berlin, 1992. 7 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Physikalisches Modell zur Beschreibung des Townsend- bzw. Generationenmechanismus, zur Ableitung der Zündbedingung nach Townsend und zur Ableitung des Paschen-Gesetzes. ..................................................................................................... 4 Abbildung 2: Gesetz von Paschen als analytisch bestimmte Näherungsfunktion ...................... 5 Abbildung 3: Teilentladungsmesskreis mit Prüfquelle, Entkopplungsimpedanz Z, Koppelkondensator CC Prüfling P und Ankopplungsvierpol AKV................................................. 6 Abbildung 4: Erscheinungsformen von Teilentladungen, vgl. [1] .................................................. 7 Abbildung 5: Schematische Darstellung innerer Teilentladung ..................................................... 8 Abbildung 6: Phasenwinkelhistogramm bei innerer Teilentladung ............................................... 8 Abbildung 7: Schematische Darstellung äußerer Teilentladung ................................................... 9 Abbildung 8: Phasenwinkelhistogramm bei äußerer Teilentladung .............................................. 9 Abbildung 9: Polaritätseffekt im stark inhomogenen Feld bei positiver Spitze (links) und negativer Spitze (rechts).................................................................................................................... 10 Abbildung 10: SpitzePlatte Anordnung............................................................................................ 11 Abbildung 11: gekapselte Kugel-Kugel Anordnung ....................................................................... 11 Abbildung 12: Koronareuse............................................................................................................... 12 Abbildung 13: Messung der Durchschlagspannung bei Gleichspannung ................................. 13 Abbildung 14: Teilentladungsmessung bei Wechselspannung ................................................... 13 Abbildung 15: Messung der Durchschlagspannung bei Gleichspannung ................................. 14 16