Hintergrundpapier Was ist Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)? Von Akupunktur, Kräuter-Dekokten, Ernährung für die Mitte, berührendem Tuina und bewegtem Qigong Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ist eine Heilkunst, die sich vor über 2000 Jahren in China herausbildete und über die Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt hat. Das Ziel einer Behandlung durch Chinesische Medizin ist es, den ganzen Menschen zu behandeln und nicht eine lokale Krankheit, denn auch sie ist eingebunden in den ganzen Organismus. Jede Störung hat eine individuelle Entwicklung und hat sich mit der individuellen Geschichte eines Menschen entfaltet. Auch wenn sich wichtige Symptome wie beispielsweise die bei Migräne ähneln, so sind die Ursachen doch meist vielfältig und unterschiedlich. Deshalb muss auch die Therapie individuell unterschiedlich sein. Die TCM beinhaltet dabei verschiedene therapeutische Verfahren. Akupunktur und Moxibustion Durch die Nadelung (bzw. Erwärmung) bestimmter Punkte auf der Körperoberfläche wird der Fluss der Lebensenergie reguliert. Diese Energie bezeichnen die Chinesen mit ‚Qi’ (sprich Tschi). Qi fließt in einem energetischen Netzwerk von Kanälen durch den Körper. Es verbindet nicht nur die Akupunkturpunkte, sondern über innere Verläufe auch die Organe miteinander und beeinflusst sie. Durch das Nadeln spezifischer Akupunkturpunkte wird der Organismus gezielt stimuliert, sich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zur Akupunkturbehandlung werden sehr dünne Nadeln in ausgewählte Punkte so gut wie schmerzfrei eingestochen, um das zuvor festgestellte energetische Ungleichgewicht zu korrigieren. Ein weiteres Behandlungsverfahren, das zusammen mit der Akupunktur oder auch getrennt für sich durchgeführt werden kann, ist die Moxibustion. Hierbei wird die Wolle aus den Blättern des Beifußes (Artemisia vulgaris) auf den Nadeln oder auf einer Unterlage (Knoblauch- oder Ingwerscheibe) über Akupunkturpunkten verglüht. Diese besonders heilsame Wärme stärkt den Organismus. Welche Krankheiten kann Akupunktur behandeln? Im allgemeinen hat sich gezeigt, dass Störungen wie Schlaflosigkeit, Stresserscheinungen, Energielosigkeit, Schmerzzustände (akute und chronische), hormonelle Störungen, funktionelle Erkrankungen, chronische Rhinitis, Allergien, Heuschnupfen, Autoimmunkrankheiten, Unfruchtbarkeit, Alterser-scheinungen sowie Kindererkrankungen sehr gut auf die Akupunktur ansprechen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Liste von Erkrankungen veröffentlicht, die erfolgreich mit der Akupunktur behandelt werden können; hier einige Beispiele: Erkältungen, Asthma, Sinusitis, Kopfschmerzen, Migräne, Trigeminusneuralgie, Arthritis, Ischialgie, Magenschleimhautentzündung (http://apps.who.int/medicinedocs/en/d/Js4926e/5.html). Arzneimitteltherapie Die Chinesische Arzneimitteltherapie verwendet vorwiegend Pflanzenteile, daneben auch Mineralien und einige Tierprodukte. Sie alle haben in über zweitausendjähriger Anwendung ihre heilende Wirkung erwiesen. Ein Grundsatz der Chinesischen Medizin ist die Erkenntnis, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Deshalb werden einzelne Kräuter und Substanzen in der Regel miteinander kombiniert. Jeder Patient und jede Patientin erhält so ein individuell auf sich und die Krankheitssituation abgestimmtes Rezept. Damit können sowohl akute als auch chronische Krankheiten behandelt werden. Grundsätzlich besteht keine Einschränkung der Anwendbarkeit der Chinesischen Arzneimitteltherapie auf bestimmte Erkrankungen. Jedes chinesische Arzneimittel hat unverkennbare Charakteristika. Diese setzen sich aus seiner Geschmacksrichtung, der Leitbahn, auf die es wirkt, und seinem Temperaturverhalten zusammen. Geschmacksrichtungen: süß, scharf, salzig, sauer, bitter, neutral, aromatisch (im Sinne von duftend) und adstringierend. Jedes Arzneimittel hat mindestens eine dieser Geschmacksrichtungen, meist aber zwei oder mehrere. Die Geschmacksrichtungen sind nicht nur sinnlich wahrnehmbar, sondern haben auch bekannte Wirkungen im Körper: Salziges trocknet, Scharfes öffnet die Oberfläche: Dies zeigt sich beispielsweise im verstärkten Schwitzen nach dem Genuss von Chilisauce. Jedes Arzneimittel wirkt in bestimmten Leitbahnen oder Organen. So kann die Heilkraft gezielt lokal genutzt werden. Zudem behandeln die Arzneimittel bestimmte Syndrome der Chinesischen Medizin mit den dafür typischen Symptomen. Bei dem Syndrom ‚Magenhitze’ mit den Symptomen Sodbrennen und Schluckauf wird beispielsweise eine Rezeptur verabreicht, die den Magen kühlt, dabei das MagenQi absenkt (um den Schluckauf zu beruhigen) und auch die Ursache der Magenhitze behandelt, beispielsweise emotionalen Stress. Chinesische Arzneimittel werden traditionell in Form von Tees oder Dekokten eingenommen. Sie können auch in Form von konzentrierten Extrakten, Instantpulvern und Pillen verschrieben werden, die die Zubereitungsdauer erheblich verkürzen. Diätetik bzw. Ernährungslehre "Erst wenn die Ernährungstherapie keine Heilung bringt, sind Arzneimittel einzusetzen", heißt es bei einem berühmten chinesischen Arzt. Seit alters her haben die Chinesen die Nahrungsmittel nach ihrer energetischen Heilwirkung auf den Menschen untersucht. So ist es heute möglich, die verschiedensten Erkrankungen auch – und manche vor allem – mit bestimmten Nahrungsmitteln und Speisen zu behandeln und zu heilen. Eine individuell abgestimmte Ernährung wurde schon immer als Grundlage für die Überwindung bestehender und Vermeidung zukünftiger Erkrankungen eingesetzt. Sie versorgt den Körper mit spürbar mehr Energie, beugt Erkrankungen vor und verzögert so körperliches und geistiges Altern. Erkrankung entsteht aus Sicht der TCM wenn ein pathogener Faktor stärker ist als das gesunde (‚geradläufig’ genannte) Qi des Körpers. Eine der wichtigsten Quellen für letzteres ist die Nahrung. Daher sind die Verdauungsorgane, welche die Nahrungsmittel umwandeln und dafür sorgen, dass die nützlichen Bestandteile – ‚das Klare’ genannt – an ihren Bestimmungsort und alles Überflüssige – ‚das Trübe vom Trüben’ genannt – aus dem Körper geleitet werden, von so großer Bedeutung für die Gesunderhaltung. Die Stützung der Verdauungsorgane Magen, Milz und Pankreas (Bauchspeicheldrüse), der sogenannten ‚Mitte’ steht immer im Zentrum jeder diätetischen Verordnung. In der TCM ist die Milz im Gegensatz zur westlichen Medizin direkt der Verdauungsfunktion zugeordnet. Lebensmittel werden ähnlich den Arzneimitteln hinsichtlich ihrer Wirkung im Körper klassifiziert: Qualitäten für die Bestimmung der Heilwirkung sind Geschmack, Geruch, Temperaturverhalten, Farbe und Konsistenz der Nahrungsmittel. Diese Charakteristika stimulieren und nähren die inneren Organe. Weiterhin hat die Zubereitung Einfluss auf die Heilwirkung: Ein gedämpftes Gemüse wirkt beispielsweise weniger wärmend auf den Körper als ein im Ofen gebackenes. Eine Besonderheit ist auch, dass der Geschmack der Lebensmittel eine direkte, stärkende Funktion auf zugeordnete Organe hat: Saures stimuliert die Leber, Bitteres das Herz, Süßes Milz und Pankreas, Scharfes die Lunge, Salziges die Niere usw. Und da sich die energetische Wirkbeschreibung von Nahrungsmitteln in das diagnostische und therapeutische System der Chinesischen Medizin einfügt, kann die Diätetik wirkungsvoll mit anderen therapeutischen Verfahren wie Akupunktur und Arzneimitteltherapie verbunden werden. Tuina Anmo (Massage) Die Akupunktur setzt ihre Reize durch Nadeln, die Tuina-Massage durch unterschiedliche manuelle Techniken. Tuina ist eine der ältesten manuellen Therapien. Die Behandlung erfolgt auf dem Hintergrund der Leitbahntheorie und bezieht die Akupunkturpunkte mit ein. Dadurch wird der gesamte Organismus beeinflusst, um das gestörte Gleichgewicht wiederherzu-stellen und Schmerzzustände zu lindern. Tuina kann durchaus als energetische Massage verstanden werden, die die Qi- und Blutzirkulation im Körper anregt. Außerdem schließt sie Weichteilarbeit, wie die Behandlung von Muskeln, Sehnen und Bändern – ähnlich der westlichen Massage – mit ein. Sie geht sogar noch weiter, indem sie auch Gelenke einbezieht. Chiropraktische Eingriffe, Mobilisation und Repositionen gehören zur hohen Kunst eines fortgeschrittenen Tuina-Praktizierenden. Auch die passive und aktive Bewegungstherapie gehören zum Behandlungsablauf. Die Domäne der Tuina-Therapie sind die Bereiche Orthopädie (Beschwerden des Bewegungsapparates) und Traumatologie (verletzungsbedingte Beschwerden und Krankheitsbil-der). Es können degenerative, chronische und akute Prozesse mit Tuina behandelt werden. Sie wird auch bei inneren Krankheitsgeschehen angewendet. Tuina kann auch stärkend eingesetzt werden und ist so eine große Hilfe für ältere oder geschwächte Erkrankte oder bei chronischen Erkrankungen. Qi Gong und Tai Ji Quan Qi Gong bedeutet übersetzt ‚Arbeit mit dem Qi’. Ursprünglich stammen die fließend anmutenden Übungen aus meditativen Praktiken und sind damit seit vielen Jahrhunderten erprobt. Im modernen China sind diese Übungen zu einem Bestandteil der traditionellen Medizin geworden. Es handelt sich dabei um Bewegungsabläufe und Atemkoordinations-übungen, mit denen Krankheiten unterstützend therapiert werden. Qi Gong und Tai Ji reinigen und stärken unsere Kräfte. Darüber hinaus vermitteln sie Entspannung und innere Ruhe. Besonders Qi Gong kann auch im Westen von jedermann bis ins hohe Alter erlernt und praktiziert werden. Qigong findet heute nicht nur in der Rekonvaleszenz von Erkrankungen einen wichtigen Platz, sondern ist auch bedeutsam in der Prävention. Der Natürlichkeit von Atem und Bewegung folgend, begleiten Vorstellungsbilder die Übungen, die der Natur entlehnt sind. Dabei ‚Fliegen wir wie ein Kranich’ oder ‚Stehen wie ein Baum’ oder ‚Streichen die Wasseroberfläche des Sees glatt'. Die Übungen berühren so tiefe, ursprüngliche Kräfte im Menschen. Kennt der Körper die Bewegungen nach und nach immer besser, leiten die Bilder die Bewegungen an und mit der Zeit entsteht eine Verknüpfung von Vorstellung und Bewegung, Bewegung und Vorstellung. Es kommt zu einer eingeübten und wiederholbaren Erfahrung von Ruhe und Gelassenheit. Alle Bewegungen werden in einem natürlichen Fluss der Energie ausgeführt. Sie entwickeln darin eine unaufdringliche Kraft, die mit den Wurzeln der vitalen Kräfte dauerhaft verbunden bleiben. Der Übende entspannt sich und der Atem wird langsam und gleichmäßig. Die täglichen Spannungen verlassen den Körper und es entsteht eine innere Harmonie, die auch dem kranken Menschen hilft zu heilen. Der Körper wird gestärkt, die Gefühle gleichen sich aus und der Geist klärt sich. Über die AGTCM Die AGTCM – Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V. – (www.agtcm.de) ist eine berufsübergreifende Interessengemeinschaft, die sich für die Qualität in Lehre und Anwendung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) einsetzt. Die AGTCM wurde 1954 gegründet und zählt heute etwa 1.600 Mitglieder, von denen die meisten als Heilpraktiker oder Schulmediziner TCM praktizieren. Sie gehört zu den wichtigsten Verbänden für Chinesische Medizin in Deutschland und sichert mit ihren fünf Kooperationsschulen einen der höchsten Ausbildungsstandards für Akupunktur, chinesische Arzneimitteltherapie, Tuina und Qigong in Deutschland (www.bildungsnetzwerk-tcm.de). Patienten unterstützt die AGTCM zum Beispiel bei der Suche nach passenden TCM-Therapeuten in ihrer Nähe und gibt ihnen Kriterien für die Qualität von TCM-Behandlungen an die Hand. Die AGTCM veranstaltet in jedem Jahr den TCM Kongress Rothenburg (o.d.T.), der sich in den vergangenen Jahrzehnten als renommiertester TCM-Kongress der westlichen Welt etabliert hat. Darüber hinaus setzt sich die AGTCM international für die Belange der TCM ein – zum Beispiel als Gründungsmitglied der European TCM Association (ETCMA), in der Organisationen aus 18 europäischen Ländern zusammen arbeiten. Weitere Informationen unter: www.agtcm.de Weitere Informationen und Pressekontakt AGTCM AGTCM Vorstandsmitglied für Öffentlichkeitsarbeit Tom Tuchardt Silbersteinstr. 97 D-12051 Berlin Telefon: +49 (0)176 96322019 E-Mail: [email protected]