ERNÄHRUNG Ballaststoffe – Geht es um Ernährungsempfehlungen und um gesunde Ernährung, ist immer wieder auch von ihnen die Rede. Ihre Bezeichnung „Ballaststoffe“ wirft manchmal die eine oder andere Frage auf. Fest steht: So negativ, wie ihr Name besetzt ist, sind sie keinesfalls zu bewerten – ganz im Gegenteil! FOTO: © KALIM - FOTOLIA Ballast für den Körper? ­ asserlösliche und wasserunlösliche Balw laststoffe. Lösliche Ballaststoffe (z. B. Inulin, Oligofruktose, Pektin, Gummi arabicum) findet man vorwiegend in Obst und Gemüse, die unlöslichen (z. B. Cellulose, Hemicellulose, Lignin) sind hauptsächlich in Getreide und Getreideprodukten enthalten. Text: Prim. Dr. Meinrad Lindschinger, Mag. (FH) Irene Schmid, Monika Wilfling Ballaststoffe sind kein Ballast! Ballaststoffe umfassen diejenigen Bestandteile pflanzlicher Lebensmittel (Hüllen- und Stützmaterialien von Pflanzen), die von den Dünndarmenzymen des Menschen nicht bzw. weitgehend nicht verdaut werden können. Der Begriff Ballaststoffe stammt aus einer Zeit, in der die nicht direkt als Nährstoffe verwertbaren Teile der Kost als überflüssig galten.1 Das Wort „Ballaststoffe“ wurde erstmals im Jahr 1953 verwendet. Am passendsten ist der Begriff Füll- und Quellstoffe, auch mög24 09/2015 Aktiv-Club lich ist die Definition „Nahrungsfasern – dietary fibres“, wie die Ballaststoffe von den Engländern bezeichnet werden. Mittlerweile gelten die Ballaststoffe – egal wie auch immer sie benannt werden – als wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil der gesunden Ernährung. Eine Vielzahl an wichtigen ­Funktionen Ballaststoffe können vom Körper nicht abgebaut werden. Sie werden grob in zwei große Gruppen eingeteilt – in Hügelland Prim. Dr. Meinrad Lindschinger Leiter des Instituts für Ernährung und Stoffwechselerkran­kungen, Laßnitzhöhe; Vorsitzender des Kneipp-Aktiv-Clubs Hügelland; Wissenschaftliche Leitung der Apfel, Obst und Gemüse Akademie Mag. (FH) Irene Schmid Gesundheitsmanagement am Institut für ­Ernährung und Stoffwechselerkrankungen; Schriftführerin des Kneipp-Aktiv-Clubs Hügelland östlich von Graz; Referentin an der Apfel, Obst und Gemüse Akademie ERNÄHRUNG Ballaststoffe haben einen hohen Sättigungswert. Sie besitzen ein hohes Wasserbindungsvermögen und können dadurch im Magen und im Darm aufquellen und vervielfachen so ihr Volumen – dazu brauchen sie aber unbedingt Flüssigkeit – daher ist die tägliche Flüssigkeitszufuhr mit kalorienarmen bzw. -freien Getränken von zumindest 1,5 bis 2 Litern dringend erforderlich! Durch diese Volumenzunahme kommt es bereits im Magen zu einer erhöhten Magenverweildauer und im Darm werden die Dehnungsrezeptoren in der Darmwand stimuliert. Somit wird der Darminhalt auch gut weitertransportiert – die Peristaltik wird angeregt. Ballaststoffe können auch verschiedene Substanzen, z. B. Gallensäuren, binden und mitausscheiden. Dadurch wirken sie sich u.a. positiv auf den Cholesterinspiegel aus, weil bei der Produktion neuer Gallensäuren Cholesterin verbraucht wird. Einen weiteren Einfluss haben die Ballaststoffe auf den Blutzuckerspiegel. Da die unverdaubaren Bestandteile im Verdauungsbrei die Kohlenhydrataufnahme ins Blut stark verzögern, werden die sog. Einfachzucker – zerlegte Kohlenhydrate – nur „tröpfchenweise“ ins Blut aufgenommen, so steigt der Blutzucker nicht stark an. Sie haben dadurch lange Energie und keinen Heißhunger auf Süßes. Ein Teil der Ballaststoffe ist auch „Nahrung“ für die nützlichen Darmbakterien – sie unterstützen damit eine gesunde Darmflora und beeinflussen so auch das Immunsystem positiv. Diese sog. Präbiotika werden zur Fermentation verwendet, d. h. ihr Abbau wird von den Darmbakterien bewirkt, deren Wachstum (v. a. Bifidobakterien und Milchsäurebakterien) von diesen Ballaststoffen begünstigt wird. Ballaststoffe und Gesundheit – Ballaststoffe und Prävention k­ alorienreduzierter und unterstützt somit ein gesünderes Körpergewicht.5 Diese ballaststoffreiche Ernährung ist zudem oft Durch die grundlegenden Veränderungen auch ein Teil eines gesunden Lebensstils der Ernährungsgewohnheiten in den letz– neben beispielsweise sportlicher Betäten 150 Jahren ging in den Industrieläntigung, Maßnahmen zur Stressreduktion dern der Verzehr der wichtigsten ballastund positivem Denken – und das ist nastoffliefernden Lebensmittel stark zurück. türlich sehr positiv zu beurteilen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen aber, dass eine ausreichende Zufuhr Ballaststoffaufnahme: an Ballaststoffen zahlreichen Krankheiverbesserungswürdig ten und Funktionsstörungen entgegenwirDie durchschnittliche Zufuhr in Österken kann.2 reich beträgt ca. 18 bis 22 g/Tag (abhänSo kommen Studien zu dem Schluss, dass gig je nach Alter und Geschlecht), dem eine adäquate Ballaststoffaufnahme das gegenüber steht eine empfohlene Zufuhr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen von 30 g/Tag für Erwachsene. Menschen senken kann. Auch die mögliche Vormit vegetarischer und veganer Ernährung sorge gegen Erkrankungen wie Darmweisen eine passende Zufuhr auf – natürkrebs oder auch ein positiver Einfluss auf lich durch entsprechende Lebensmitteldie Immunfunktion des Körpers müssen auswahl dieser Ernährungsformen.6 Aber erwähnt werden. auch mit einer gesunden, abwechslungsAuch in Hinblick auf Diabetes Mellitus reichen Mischkost kann ohne Weiteres Typ 2 wirken sich Ballaststoffe günstig die 30 g-Marke erreicht werden. Weraus. Die Aufnahme von Glukose (Ein- den einige Lebensmittel „ausgetauscht“ – fachzucker) ins Blut wird durch ausrei- besser – „optimiert“, dann steht der richchende Aufnahme von Nahrungsfasern tigen Zufuhr nichts im Wege. Besonders abgeschwächt. Weiters hängt eine bal- leicht gelingt dies durch den regelmäßilaststoffreiche Ernährung auch mit einem gen Konsum von Brot, Nudeln und anniedrigeren Körpergewicht zusammen, deren Getreideprodukten (z. B. Flocken, denn üblicherweise ist eine ballaststoff- Mehle) aus Vollkorn. Zusätzlich sollte die reiche Ernährung auch fettärmer und tägliche Obst- und Gemüseaufnahme auf ,, p ,, Ballaststoffe sind kein Ballast für unseren Körper – ganz im Gegenteil: Sie transportieren »Ballast« aus dem Körper! Prim. Dr. Meinrad Lindschinger FOTO: © SARSMIS - FOTOLIA Damit unser Darm gut funktionieren kann, braucht er dringend diese Ballaststoffe – sowohl die aus Obst und Gemüse als auch die aus Getreide und Getreideprodukten. Ballaststoffe haben viele bedeutsame Eigenschaften, die für den Körper wichtig sind. Einige wichtige Funktionen im Überblick: Weiters ist noch erwähnenswert, dass Lebensmittel mit einem höheren Ballaststoffgehalt auch vermehrt Vitamine und Mineralstoffe enthalten (Vollkornprodukte, Obst, Gemüse).1,3,4 09/2015 25 FOTO: © LILY - FOTOLIA ERNÄHRUNG ,, bzw. die Aufnahme zu erhöhen. Verschiedene Belastungsprofile im Alltag, wie Stress, erhöhte Konzentration oder Sport, erfordern diese individuelle Nährstoffdeckung. So liefern z. B. Vollkornbrot, Schwarzwurzeln oder Beeren wichtige Nährstoffe bei Stress. Vollkornbrot, Hülsenfrüchte, Äpfel oder Orangen wären einige wichtige Lebensmittel für Brain Food, der Ernährung für erhöhte Konzentrationsanforderungen. Bei der Ernährung für Sportler sind es beispielsweise Vollkornbrot, Brokkoli, Paprika oder Birne, also ballaststoffreiche Lebensmittel, die gleichzeitig einen weiteren wichtigen Gesundheitsnutzen haben!10 Vieles auf einen Streich ­mindestens fünf Portionen pro Tag erhöht werden. So kann durch Vollkornprodukte, Obst und Gemüse eine gute Mischung an wasserlöslichen und wasserunlöslichen Ballaststoffen erreicht werden. Beim Brot hat die Auswahl der richtigen Sorte einen großen Einfluss auf die Ballaststoffzufuhr. Während nur vier ­Scheiben Vollkornbrot (ca. je 50 g) in etwa 15 g Ballaststoffe enthalten, müsste man für die gleiche Menge an Ballaststoffen 15 Scheiben Toastbrot, 11 Semmeln oder 19 Croissants essen! Spitzenreiter beim Gemüse sind z. B. Schwarzwurzeln mit 9 g Ballaststoffen, Hülsenfrüchte mit ca. 7 g Ballaststoffen, Brokkoli oder Paprika mit 6 g Ballaststoffen je 200 g-Portion. Hingegen liefern Tomaten (2,5 g), Zucchini (2,6 g) oder Salatgurken (1 g) je 200 g-Portion oder grüner Salat mit 1 g Ballaststoffen bei einer Portion eher weniger Ballaststoffe. Beim Obst sind vor allem Birnen, Beeren, Äpfel oder Orangen gute Ballaststofflieferanten. Natürlich als ganzes Stück Obst und nicht als Obstsaft genossen, denn da landen die meisten Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und sekundären Pflanzeninhaltsstoffe – die wertvollen 26 09/2015 ,, Untersuchungen in Österreich weisen darauf hin, dass bei uns leider keine Altersgruppe auch nur annähernd die Richtwerte für eine angemessene Ballaststoffaufnahme erreicht. Prim. Dr. Meinrad Lindschinger I­ nhaltstoffe, die zu einem Großteil in und direkt unter der Schale zu finden sind – auf dem Biomüll! Eine weitere Möglichkeit, die Ballaststoffzufuhr zu erhöhen, ist der Einsatz von Ballaststoffsupplementen. Dies wird jedoch nur selten empfohlen, da neben Ballaststoffen mit der Nahrung schließlich auch Vitamine, Mineralstoffe, Wasser und andere wichtige Nahrungsbestandteile aufgenommen werden, weshalb eine abwechslungsreiche ballaststoffreiche Ernährung Supplementen in der Regel vorzuziehen ist.2,7,8 Wenn Sie doch Kleie, Samen oder Ballaststoffpulver in Ihren Speiseplan integrieren wollen, müssen Sie eine Eingewöhnungsphase berücksichtigen und dürfen nicht vergessen, dass Sie dann einen zusätzlich erhöhten Flüssigkeitsbedarf haben.9 Ziehen Sie außerdem am besten auch einen Arzt oder einen Experten auf dem Gebiet der Ernährung zurate. Weiters können Sie Ihrer Ernährung noch einen Zusatznutzen verschaffen. Bei einer bedarfsangepassten Ernährung nach functional eating® werden natürliche Lebensmittel richtig kombiniert, um den Bedarf an individuellen Nährstoffen zu decken Versuchen Sie – sofern Ihre Ernährung nicht ohnehin schon ausreichend Ballaststoffe enthält –, Ihre jetzige Ernährung schrittweise in eine ballaststoffreiche Ernährung zu verändern. Machen Sie diesen Schritt nicht zu schnell und schon gar nicht von einem Tag auf den anderen mit hohen Mengen, denn Ihr Körper muss sich erst daran gewöhnen – erst recht dann, wenn Obst und Gemüse bis dato nicht regelmäßig auf dem Speiseplan gestanden sind. Nutzen Sie die breite Palette an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide – Ihr Darm wird „aufblühen“. Je bunter Ihre Ernährung ist, desto besser! Und nicht vergessen: Viel trinken und regelmäßig Bewegung machen! Ihr Körper wird es Ihnen danken! LITERATUR Elmadfa, I. & Leitzmann, C. (1990): Ernährung des Menschen, 2. Aufl. 1 jem, journal für ernährungsmedizin, 15. Jahrgang, Nummer 4/2013 2 wikipedia – Ballaststoffe 3 VFED aktuell, aus der Wissenschaft, 138/2014 4 J. Slavin: Fiber and prebiotics: mechanisms and health benefits, Nutrients, vol. 5, no. 4, pp. 1417-35, Apr. 2013 5 Österr. Ernährungsbericht 2012 6 Elmadfa, I., Aign, W., Muskat, E. & Fritzsche, D.: Die große GU Nährwert Kalorien Tabelle, 2014/2015 7 Wahrburg & Egert: Kalorien- & Nährwerttabelle, 2012/2013 8 Lindschinger, M. (2002): Anti-Stress-Ernährung. Leoben: Kneipp. 9 Lindschinger M. & Karalus, B. (2008): Iss dich schön klug und sexy. München: Riva. 10