Expertenrunde Zuckergipfel Die Teilnehmer am Zuckergipfel v. l. n. r.: Biologe Steiner, Konsumentin Hofmann, Spitzenkoch Walkensteiner, GESUND LEBEN-Chefredakteurin Wieser, Internist Weitgasser, SPAR-Sortimentsmanager Kousek, Anti Aging-Experte Metka, Diätologin Benedikt Zucker in aller Munde?! BEIM »SPAR-ZUCKERGIPFEL« DISKUTIERTEN EXPERTEN ÜBER DEN TREIBSTOFF FÜR UNSEREN KÖRPER: ZUCKER Z ucker ist gesund! Mehr noch: Zucker ist lebensnotwendig! – stellte Anti Aging-Spezialist Prof. Dr. med. Markus Metka beim hochkarätig besetzten „Zuckergipfel“ der Initiative „SPAR Ernährung heute“ in Salzburg fest: „Ohne Zucker könnten wir keine vier Minuten überleben!“ Als Treibstoff für unseren Körper brauchen wir vor allem zur Versorgung unseres Gehirns eine ganze Menge Zucker, nämlich ca. 120 Gramm täglich. Sonst bekommen wir Probleme mit der Denkkraft und Konzentration. Zum Vergleich: Das übliche Gewicht für eine Tafel Vollmilchschokolade beträgt 100 Gramm und sie enthält 40–45 Gramm reinen Zucker. Ein Problem in unserer industrialisierten westlichen Welt ist allerdings, dass wir im Schnitt viel zu viel Zucker über den Tag verteilt zu uns nehmen. Denn: Aus- 16 reichend Zucker für unsere Ernährung wäre ja beispielsweise schon im Obst und Gemüse enthalten. Darüber hinaus enthalten Kartoffeln und Getreideprodukte viel Stärke, die der Körper für die Energieversorgung in Zucker umwandelt. Das heißt: Zucker aus dem Packerl bräuchte unser Körper nicht wirklich zusätzlich. Zu viel vom süßen Stoff macht dick, krank und süchtig … und lässt uns schneller altern. Zucker im Anti Aging. „Ein großes Problem ist, dass unser Haushaltszucker über eine erhöhte Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse den oxidativen und inflammatorischen Stress besonders fördert, also Entzündungen im Körper anheizt“, erklärt Prof. Metka. „Die Folge sind oft chronische Erkrankungen wie Diabetes, Alzheimer und Krebs.“ Zur Hintergrundinfo: Unser Haushaltszucker gelangt sehr schnell ins Blut. Essen wir zu viel davon, steigt der Blutzuckerspiegel. Um dem entgegenzuwirken, produziert der Körper in der Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin. Dieses ist für die Zuckerverarbeitung verantwortlich: Der Insulinspiegel steigt extrem schnell und sehr hoch an, um den Blutzuckerspiegel wieder in den Normalbereich zu bringen. Das Problem dabei: Der Stoffwechsel kommt durcheinander, und die Bauchspeicheldrüse ist irgendwann erschöpft . Hinzu kommt: Überschüssiger Zucker, der keinen Platz in den Muskelzellen findet, wird durch das Insulin in Fett umgewandelt und in Depots gespeichert. Das macht auf Dauer dick und krank. Das Risiko für chronische Leiden, die uns vorzeitig altern lassen, steigt. Dem US- Ranking Zucker ist nicht gleich Zucker Der glykämische Index (GI) zählt! Produkt Ausgangspflanze Malzextrakt Gerste Traubenzucker Stärke aus Weizen, Mais, Reis Haushaltszucker Zuckerrübe oder -rohr Ahornsirup Ahorn Honig Blütenstaub Fructose Weizen- oder Maisstärke Fruchtsüßen Apfel, Birne … Agavendicksaft Agave enthaltener Zucker Maltose, Glucose, Maltodextrine Glucose Saccharose 80–90 % Saccharose Glucose, Fructose Fructose Fructose 80–90 % Fructose, 10–20 % Glucose Brennwert GI kcal/100 g 110 318 100 410 70 65 50 43 35 15 380 354 304 360 individuell 304 Quelle: Prof. Dr. med. Markus Metka Qualität des Zuckers. Aber nicht nur auf die Quantität, auch auf die Qualität des Zuckers kommt es an (siehe Kasten: Zucker ist nicht gleich Zucker!): Der glykämische Index (GI) wird als Maß für die Wirkung auf den Blutzuckerspiegel verwendet. Je höher der Wert ist, desto mehr Insulin wird akut ausgeschüttet. Die blutzuckersteigernde Wirkung von Traubenzucker (Glucose) dient dabei als Referenzwert (100). Haushaltszucker (Saccharose) hat einen GI von 70, Agavendicksaft hingegen nur einen GI von 15. Er leitet also kaum eine akute Insulinausschüttung ein … und ist somit als eine gesunde Alternative zum Zucker anzusehen. Dass bei der Aufnahme natürlichen Fruchtzuckers (Fructose) – wie er in Obst und Gemüse vorkommt – der Blutzuckerspiegel konstant auf einem relativ niedrigen Niveau bleibt, erklärt sich daraus, dass er ganz langsam aus den Zellen der Lebensmittel herausgelöst und ins Blut abgegeben wird. Isolierte Fructose hingegen – wie der High Fructose Corn Syrup (aus Maisstärke), der in den USA in fast allen Nahrungsmitteln enthalten ist – stellt mit einem GI von 85 keine gesunde Alternative zum Haushaltszucker dar! Maltose (Bier) übertrifft mit einem GI von 110 übrigens sogar Traubenzucker und isolierte Fructose. „Der berühmt-berüchtigte Bierbauch hat also auch eine wissenschaftliche Grundlage!“, hält Experte Metka fest. Auch bei gesüßten Getränken rät er, Vorsicht walten zu lassen: „Softdrinks sind eine Hauptquelle des übermäßigen Zuckerkonsums!“ Überblick Breites Angebot an Süßungsmitteln Wie Sie den Durchblick bewahren SÜSSUNGSMITTEL mit Energie ohne Energie Isolierte Kohlenhydrate konzentrierte Lebensmittel Honig Fruchtdicksäfte Zuckerrübensirup Melasse Agavendicksaft Mono- und Disaccharide Glucose (Traubenzucker) Fructose (Fruchtzucker) Saccharose (Haushaltszucker) Lactose (Milchzucker) Maltose (Malzzucker) Verarbeitete Stärkeprodukte Zuckeralkohole Süßstoffe Glukosesirup InvertzuckerSirup Stärkezucker Sorbit Xylit Mannit Laktit Maltit Isomalt Saccharin Cyclamat Aspartam Acesulfam-K Aspartam-Acesulfamsalz Thaumatin Neohesperidin DC Sucralose Heft Nr. 2/10 17 Quelle: Koerber, Karl von u.a.: Vollwert-Ernährung. Haug Verlag 2004. Fotos: © I-Stockphoto, SPAR/Günther Freund Bestseller-Autor Nicholas Perricone zufolge sieht, wer 28 Tage keinen Haushaltszucker zu sich nimmt, um 10 Jahre jünger aus! Umgekehrt altert, wer Diabetes – und damit zu viel Zucker im Körper hat – quasi im Zeitraffer. Expertenrunde Zuckergipfel Mag. Carmen Wieser, GESUND LEBEN-Chefredakteurin Prof. Dr. Konrad Steiner, Biologe und Lehrer an der HLFS Urspung Prof. Dr. med. Markus Metka, Anti Aging-Experte »Wenn es Alternativen bei so polarisierenden Lebensmitteln wie Zucker gibt, müssen wir als Lebensmittelhändler diese aufzeigen.« »Stevia hat vier große Vorteile: Es ist natürlich, bis zu 300 Mal süßer als Zucker, kalorienfrei und plaquehemmend.« »Dem US-Bestseller-Autor Perricone zufolge sieht, wer 28 Tage keinen Haushaltszucker zu sich nimmt, um 10 Jahre jünger aus. « Die süße Gretchenfrage – Zucker oder Süßstoff? Über Stoffwechselprozesse, Süßstoffe, die Volkskrankheit Diabetes und Herausforderungen für Konsumenten Ob der zugeführte Zucker uns auf Dauer krank macht, hängt – wie wir bereits gehört haben – von der Art und Menge ab. „Außerdem sollte die Zuckerzufuhr insgesamt nicht mehr als 10 Prozent der Gesamtkalorienzufuhr ausmachen“, hebt Doz. Dr. Raimund Weitgasser, Diabetesexperte am Universitätsklinikum Salzburg, hervor. „Auch der Lebensstil insgesamt spielt eine bedeutende Rolle. Fatal sind eine hohe Fett- und Zuckerzufuhr, eine geringe Ballaststoffzufuhr und wenig körperliche Bewegung.“ Als zusätzliche Risikofaktoren nennt der Experte: familiäre Vorbelastungen, einen hohen Blutdruck, hohe bzw. gestörte Blutfette sowie das Rauchen. Besser Süßstoffe? Künstliche Süßstoffe können insbesondere für Übergewichtige und Diabetiker hilfreich sein, weil sie zu einem verbesserten Geschmack beitragen, ohne den Insulin- und Blutzuckerspiegel wesentlich zu beeinflussen. Auch liefern sie praktisch keine Kalorien. „Studien zeigen, dass das Verlangen nach süßen Spei- 18 sen durch künstliche Süßstoffe nicht erhöht wird“, hält Anna Maria Benedikt, leitende Diätologin am LKH Salzburg, einem der zahlreichen Gerüchte, die im Zusammenhang mit den künstlichen Süßungsmitteln im Umlauf sind, entgegen. „Im Gegenteil: Der Ersatz von Saccharose durch künstliche Süßstoffe Anna Maria Benedikt MSc, Diätologin Salzburger Landesklinik »Produkte mit Zucker müssen im Sinne der Konsumenten und Patienten klar und einfach gekennzeichnet sein.« hat nachweislich einen positiven Einfluss bei Übergewicht und Adipositas.“ Was stimmt ist, dass für alle künstlichen Süßstoffe in Versuchen mit Ratten und Mäusen mit sehr hohen Dosierungen eine krebserregende Wirkung festgestellt wurde. „In Bevölkerungsstudien beim Menschen gibt es jedoch keinen Hinweis auf vermehrte Tumore“, ist Experte Weitgasser wichtig zu betonen. Um eine potentielle Restgefahr zu verringern, raten Experten, unterschiedliche Süßstoffe in jeweils sehr niedriger Konzentration zu kombinieren. Natürlich: Stevia. Da bei Konsumenten ein klarer Trend zu natürlichen Inhaltsstoffen in Nahrungsmitteln zu bemerken ist, Süßstoffe jedoch künstliche Syntheseprodukte sind (z.B. aus Aminosäuren) und mit E-Nummern deklariert werden müssen, sind natürliche Alternativen gefragt. Eine solche könnte in Zukunft die südamerikanische Pflanze Stevia sein. Noch ist sie nicht EU-weit zugelassen. Prof. Dr. Konrad Steiner, Biologe, Bauer und Lehrer an der Höheren landund forstwirtschaftlichen Schule in Univ.-Doz. Dr. med. Raimund Weitgasser, Diabetesexperte Thomas Walkensteiner, Haubenkoch im Schloss Fuschl Anita Hofmann, Konsumentin & Mutter »Dramatisch ist, dass Volkskrankheiten wie Diabetes immer mehr zunehmen, auch in Salzburg sind die Zahlen gestiegen.« »Mit weniger Zucker ergeben sich oft neue Geschmackserlebnisse – wir müssen die Geschmacksnerven sensibilisieren.« »Als Mutter ist für mich vor allem versteckter Zucker ein Problem. Daher finde ich es toll, dass es etwa zuckerreduziertes Ketchup gibt.« Ursprung/Elixhausen, ist jedoch optimis- lern mit Stevia experimentiert, zu betotisch, dass es noch in diesem Jahr zur Zu- nen: „Nicht alle Rezepte gelingen mit lassung kommt. „Das Joint FAO/WHO Stevia. Eine Linzer- oder Topfentorte z.B. Expert Committee on Food Additives, wird wunderbar, Windgebäck grauskurz JECFA, hat im Juni 2008 eine täg- lich!“ Besonders stolz sind Professor und lich tolerierbare Aufnahmemenge von Schüler auf eine „Zahnpflegepraline“, 0–4 mg/kg Körpergewicht festgelegt. die sie gemeinsam mit einem ChocolaDas könnte den Tagesbedarf an Zucker tier entwickelt haben. Steiner: „Meine ersetzen“, erklärt er die Hintergründe. Schülerinnen und Schüler konnten zei„Frankreich hat bereits im August 2009 gen, dass die in Stevia enthaltenen Stevioside Plaque hemmen und soden Stevia-Inhaltsstoff Rebaudiosid A (97 % Reinheit) für zwei Jahmit ein gesunder Kariesre genehmigt!“ schutz sind!“ , Wussten Suiente« Das große Plus des SüßFazit: Auf Süßes »b warum der t? krauts Stevia, das in gänzlich verzichten este is der gesünd r e ck u Z st b O unseren Breiten im muss niemand. r ist jener in ht Bunter Zucke e g r se Sommer gut im GarWie bei so vielem ie d d – un nund Gemüse so t, lu B s ten – und das ganze gilt auch beim Zuin gsam nicht nur lan voln n si ch o n Jahr über auf der ckerkonsum der auch dern enthält e in m ita V e Fensterbank – gedeiht: Grundsatz: Die Dole und wichtig offe. Es senkt nachweislich sis macht’s. Wer Süund Ballastst den Blutzuckerspiegel, hat ßes in Maßen genießt und auch mal mit keine Kalorien und ist dazu Alternativen zum noch 300-mal süßer als Zucker. Haushaltszucker Zum Kochen wird es vor allem in Pulver- oder auch in Fluid-Form experimentiert, verwendet. Wichtig muss weniger ist Steiner, der mit gesundheitlichen Schäden selbst seit 2006 rechnen. mit seinen Schü- SPAR-Sortimentsmanager Mag. Herwig Kousek Expertenstatement Markttrends Alternativen zum Haushaltszucker Mag. Herwig Kousek, SPAR-Sortimentmanager »Die Nachfrage nach Alternativen zum Haushaltszucker ist noch nicht groß. Es werden zu über 90 % weißer Rüben- und Rohrzucker verkauft. Es ist aber ein Trend zu natürlichen Süßstoffen zu erkennen. Wir verzeichneten im vergangenen Jahr ein Plus von über 15 % bei natürlichen Süßungsmitteln wie Ahorn- und Rübensirup. Ganz neu haben wir Bio-Agavendicksaft im Sortiment, dieser weist einen niedrigen Verarbeitungsgrad auf und enthält wertvolle Inhaltsstoffe.« Heft Nr. 2/10 19