Mittwoch 21.6.2017

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Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
$Id: jordan.tex,v 1.27 2017/06/21 12:09:19 hk Exp $
§5
Eigenwerte und die Jordansche Normalform
5.2
Eigenwerte von Matrizen
In der letzten Sitzung hatten wir eingesehen das die Eigenwerte einer n × n-Matrix A
genau die Nullstellen des sogenannten charakteristischen Polynoms χA (x) = det(x−A)
von A sind. Dabei ist χA ein normiertes Polynom von Grad n und hat somit höchstens
n Nullstellen, eine n × n-Matrix kann also auch höchstens n verschiedene Eigenwerte
haben. Wir wollen zum Abschluß dieses Abschnitts noch eine konzeptionellere Begründung dieser Tatsache angeben.
Lemma 5.4 (Lineare Unabhängigkeit von Eigenvektoren)
Seien K ∈ {R, C}, V ein Vektorraum über K und T ein Endomorphismus von V .
Weiter seien λ1 , . . . , λr paarweise verschiedene Eigenwerte von T und für 1 ≤ i ≤ r
sei 0 6= vi ∈ Eλi (T ) ein von Null verschiedener Eigenvektor zum Eigenwert λi . Dann
sind die Vektoren v1 , . . . , vr linear unabhängig.
Beweis: Angenommen die Vektoren v1 , . . . , vr wären linear abhängig. Dann gibt es
Skalare µ1 , . . . , µr ∈ K mit
Prs := |{1 ≤ i ≤ r|µi 6= 0}| ≥ 1, d.h. nicht alle der µ1 , . . . , µr
sind gleich Null, so das i=1 µi vi = 0 ist. Wir wählen diese so, dass s minimal ist.
Wähle weiter ein 1 ≤ i ≤ r mit µi 6= 0. Es ist
!
r
r
r
X
X
X
λ j µj v j
µj T v j =
0=T
µj v j =
und auch
r
X
j=1
j=1
j=1
λ i µj v j = λ i
r
X
µj vj = 0.
j=1
j=1
Ziehen wir diese beiden Gleichungen voneinander ab, so ergibt sich
X
(λj − λi )µj vj = 0,
1≤j≤r
j6=i
und die minimale Wahl von s liefert, dass (λj − λi )µj = 0 für alle 1 ≤ j ≤ r mit j 6= i
ist. Für 1 ≤ j ≤ r mit j 6= i ist aber auch λj 6= λi , also ist sogar µj = 0. Dies ergibt
µi v i =
r
X
µj v j = 0
j=1
18-1
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Mittwoch 21.6
im Widerspruch zu µi 6= 0 und vi 6= 0.
5.3
Diagonalisierbare und halbeinfache Matrizen
Definition 5.4: Seien K ∈ {R, C}, V ein endlich erzeugter Vektorraum über K und T
ein Endomorphismus von V . Dann heißt T diagonalisierbar, wenn es eine aus Eigenvektoren von T bestehende Basis von V gibt.
Eine n × n-Matrix A über K heißt dann diagonalisierbar wenn die lineare Abbildung
TA diagonalisierbar ist. Wir wollen uns jetzt überlegen was Diagonalisierbarkeit für
die Matrix A bedeutet. Nehme also an es gibt eine aus Eigenvektoren u1 , . . . , un von
A bestehende Basis des K n . Bezeichne S die Transformationsmatrix von der Basis
u1 , . . . , un zur Standardbasis, also die Matrix deren Spalten die Vektoren u1 , . . . , un
sind. Wir hatten gesehen, dass die Matrix von TA bezüglich der Basis u1 , . . . , un genau
die zu A ähnliche Matrix S −1 AS ist. Bezeichnen wir für 1 ≤ i ≤ n den zu ui gehörenden
Eigenwert von A mit λi , also Aui = λi ui , so ist damit


λ1


..
S −1 AS = 
.
.
λn
Gibt es umgekehrt eine invertierbare n×n-Matrix S für die S −1 AS eine Diagonalmatrix
etwa mit den Einträgen λ1 , . . . , λn ist, so bilden die Spalten u1 , . . . , un eine Basis des
K n und für 1 ≤ i ≤ n gilt Aui = λi ui , d.h. u1 , . . . , un sind Eigenvektoren von A und
somit ist A diagonalisierbar. Damit ist eine n×n-Matrix A genau dann diagonalisierbar
wenn sie zu einer Diagonalmatrix ähnlich ist.
Nehmen wir als ein Beispiel wieder einmal die schon gerechnete 3 × 3 Matrix


−9
4 −8
6 −8  .
A =  −11
8 −4
7
Hier hatten wir drei verschiedene Eigenwerte
λ1 = −1, λ2 = 2, λ3 = 3
und zu diesen hatten wir auch bereits die Eigenvektoren






−2
−4
−1
u1 =  −2  , u2 =  −3  , u3 =  −1  .
1
4
1
berechnet. Nach Lemma 4 sind u1 , u2 , u3 linear unabhängig, also eine Basis des R3 .
Damit ist A diagonalisierbar. Die Transformationsmatrix S von der Basis u1 , u2 , u3 zur
18-2
Mathematik für Physiker II, SS 2017
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Standardbasis des R3 entsteht durch Nebeneinanderschreiben dieser drei Spalten in
einer Matrix, also




−1
0 −1
−2 −4 −1
1
0 .
S =  −2 −3 −1  mit der Inversen S −1 =  −1
5 −4
2
1
4
1
Mit diesen Matrizen gilt nun tatsächlich

 
 

−2 −4 −1
−9
4 −8
−1
0 −1
6 −8  ·  −2 −3 −1 
1
0  ·  −11
S −1 AS =  −1
1
4
1
8 −4
7
5 −4
2

 
 

1
0 1
−2 −4 −1
−1 0 0
2 0  ·  −2 −3 −1  =  0 2 0  .
=  −2
15 −12 6
1
4
1
0 0 3
Wir formulieren und beweisen nun den Hauptsatz über diagonalisierbare Matrizen.
Satz 5.5 (Kennzeichnung diagonalisierbarer Matrizen)
Sei K ∈ {R, C} und sei A eine n × n Matrix über K. Weiter seien λ1 , . . . , λr die
verschiedenen Eigenwerte von A, und für 1 ≤ i ≤ r seien ni die algebraische Vielfachheit von λi und di die geometrische Vielfachheit von λi . Dann ist die Matrix A genau
dann diagonalisierbar wenn das charakteristische Polynom χA über K in Linearfaktoren zerfällt, wenn also χA (x) = (x − λ1 )n1 · . . . · (x − λr )nr gilt, und wenn ni = di für
jedes 1 ≤ i ≤ r ist.
Beweis: ”=⇒” Sei u1 , . . . , un eine aus Eigenvektoren von A bestehende Basis des K n
und für 1 ≤ i ≤ n sei µi ∈ K der Eigenwert von A mit Aui = µi ui . Dann ist A ähnlich
zur Diagonalmatrix mit den Einträgen µ1 , . . . , µn , also ist χA (x) = (x − µ1 ) · . . . · (x −
µn ). Damit sind µ1 , . . . , µn die mit Vielfachheit aufgezählten Eigenwerte von A, also
{λ1 , . . . , λr } = {µ1 , . . . , µn } und für jedes 1 ≤ i ≤ r ist ni = |{1 ≤ j ≤ n|µj = λi }|.
Insbesondere ist χA (x) = (x − λ1 )n1 . . . (x − λr )nr . Für 1 ≤ i ≤ r ist schließlich
Eλi (A) = huj |1 ≤ j ≤ n, µj = λi i
und somit auch di = dim Eλi (A) = ni .
”⇐=” Für jedes 1 ≤ i ≤ r wähle eine Basis ui1 , . . . , ui,di des Eigenraums Eλi (A). Dann
sind auch die Vektoren uij (1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ di ) linear unabhängig. Seien nämlich
Skalare αij ∈ K für 1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ di mit
di
r X
X
αij uij = 0
i=1 j=1
Pi
P
gegeben. Für jedes 1 ≤ i ≤ r ist dann vi := dj=1
αij uij ∈ Eλi (A) und es gilt ri=1 vi =
Pi
0. Nach Lemma 4 ist dj=1
αij uij = vi = 0 für jedes 1 ≤ i ≤ r, also auch αij = 0 für
18-3
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alle 1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ di . Wegen d1 + · · · + dr = n1 + · · · + nr = n sind die Vektoren
uij (1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ di ) eine aus Eigenvektoren von A bestehende Basis des K n ,
d.h. A ist diagonalisierbar.
Wie schon bemerkt hat eine n × n-Matrix im Normalfall n verschiedene komplexe
Eigenwerte, und wir wollen uns nun überlegen das eine solche Matrix weiter auch
immer diagonalisierbar ist. Damit sind die über C diagonalisierbaren Matrizen der
Regelfall.
Korollar 5.6: Seien K ∈ {R, C}, n ∈ N mit n ≥ 1 und A eine n × n-Matrix über K
die n verschiedene Eigenwerte besitzt. Dann ist A diagonalisierbar.
Beweis: Sind λ1 , . . . , λn die Eigenwerte von A, m1 , . . . , mn ihre algebraischen Vielfachheiten und d1 , . . . , dn ihre geometrischen Vielfachheiten, so gilt 1 ≤ di ≤ mi für jedes
1 ≤ i ≤ n. Wegen grad(χA ) = n sind auch χA (x) = (x − λ1 ) · . . . · (x − λn ) und
m1 + · · · + mn = n, also ist mi = di = 1 für alle 1 ≤ i ≤ n. Nach Satz 5 ist A
diagonalisierbar.
Bei einer n × n-Matrix A mit n verschiedenen Eigenwerten ist die Berechnung der
diagonalisierenden Basis, beziehungsweise gleichwertig der zu dieser Basis gehörenden
Transformationsmatrix, besonders einfach. Man bestimmt zu jedem der n Eigenwerte
einen von Null verschiedenen Eigenvektor, dann sind diese n Vektoren nach Lemma 4
automatisch linear unabhängig und somit eine Basis des K n . Schreibt man die n Vektoren dann als Spalten in eine Matrix S, so haben wir die gesuchte Transformationsmatrix
gefunden.
Wir wollen ein kleines Beispiel zur Anwendung der Diagonalisierung von Matrizen rechnen. Die sogenannten Fibonacci Zahlen sind die wie folgt rekursiv definierten
Zahlen
f0 := 0, f1 := 1 und fn := fn−1 + fn−2 für n ≥ 2,
also
f2 = 1, f3 = 2, f4 = 3, f5 = 5, f6 = 8, f7 = 13
und so weiter. Wir wollen eine geschlossene Formel für die n-te Fibonacci-Zahl herleiten.
Hierzu betrachten wir für jedes n ∈ N den Vektor
fn+1
1 1
un :=
und die Fibonacci-Matrix F :=
.
fn
1 0
Für jedes n ∈ N ist dann
1 1
fn+1
fn + fn+1
fn+2
F un =
·
=
=
= un+1 ,
1 0
fn
fn+1
fn+1
und insbesondere gilt F n u0 = un für jedes n ∈ N. Um die Fibonacci Zahlen fn zu
berechnen müssen wir die Vektoren un = F n u0 bestimmen und hierfür benötigen wir
18-4
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die Potenzen von F . Um wiederum diese Potenzen von F zu berechnen, wollen wir F
diagonalisieren. Das charakteristische Polynom ist
x − 1 −1 = x2 − x − 1
χF (x) = −1
x mit den Nullstellen x = (1 ±
√
5)/2. Wir haben also zwei verschiedene Eigenwerte
√
√
1− 5
1+ 5
λ=
und µ =
.
2
2
Es sind λµ = −1 und
√
√
1+ 5
1− 5
−1=−
= −µ.
λ−1=
2
2
Zur Bestimmung des Eigenraums zum Eigenwert λ rechnen wir
−µ −1
1 −λ
1
−λ
−→
−→
−1
λ
µ
1
0 1 + λµ
und wir erhalten den Eigenvektor
v=
λ
1
.
Für µ ist dagegen µ − 1 = −λ und somit
−λ −1
1 −µ
1
−µ
−→
−→
−1
µ
λ
1
0 1 + λµ
und diesmal erhalten wir den Eigenvektor
w=
µ
1
.
Die Transformationsmatrix von der Basis v, w zur Standardbasis e1 , e2 ist
S=
λ µ
1 1
mit S
−1
λ
1
=
λ−µ
1 −µ
−1
λ
1
=√
5
−1
µ
1 −λ
Dann ergibt sich
S
−1
FS =
µ
=⇒ S
−1
18-5
n
F S=
λn
µn
,
.
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und somit ist
F
n
=
=
=
=
1
√
5
1
√
5
1
√
5
1
√
5
−1
µ
n
µ
1 −λ
−1
µ
1 −λ
µn+1 − λn+1
λµ(λn − µn )
n
n
µ −λ
λµ(λn−1 − µn−1 )
µn+1 − λn+1
µn − λ n
.
µn − λ n
µn−1 − λn−1
λ µ
1 1
λn
λn+1 µn+1
λn
µn
Damit erhalten wir schließlich
n+1
1
fn+1
µ
− λn+1
µn − λ n
1
n
= un = F u0 = √
·
n
n
n−1
n−1
fn
µ
−
λ
µ
−
λ
0
5
und es folgt
1
fn = √
5
"
√ !n
1+ 5
−
2
√ !n #
1− 5
.
2
Der Teil dieser Überlegung der mit diagonalisierbaren Matrizen zu tun hat ist damit
beendet. Man kann die obige Formel auch noch in eine ganzzahlige Form umschreiben.
Für σ ∈ {−1, 1} ist nämlich
√ n X n k
√ X
n
(1 + σ 5) =
5 +σ 5
5k
2k
2k + 1
2k≤n
2k+1≤n
also
(1 +
√
n
5) − (1 −
√
n−1
[X
2 ]
√
n
5) = 2 5
k=0
n
5k
2k + 1
und somit ist
fn =
n−1
[X
2 ]
1
2n−1
k=0
n
5k .
2k + 1
Für reelle Matrizen gibt es jetzt noch eine kleine Erweiterung diagonalisierbarer Matrizen. Eine reelle Matrix ist insbesondere auch eine komplexe Matrix und ist sie als
komplexe Matrix diagonalisierbar, so nennen wir sie halbeinfach.
Definition 5.5 (Halbeinfache Matrizen)
Eine reelle n × n-Matrix heißt halbeinfach wenn sie über den komplexen Zahlen diagonalisierbar ist.
Für komplexe Matrizen verwenden wir halbeinfach“ als ein Synonym für diago”
”
nalisierbar“, diese Konvention erspart gelegentlich einige Fallunterscheidungen. Zur
18-6
Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
näheren Untersuchung des Zusammenhangs zwischen reellen und komplexen Matrizen
brauchen wir eine kleine Vorbemerkung. Sind n, m ∈ N mit n, m ≥ 1 und




a11 · · · a1n
a11 · · · a1n

..  ∈ Cm×n , so setzen wir A :=  ..
..  .
...
...
A =  ...
 .
. 
. 
am1 · · · amn
am1 · · · amn
Für A, B ∈ Cm×n , λ ∈ C sind dann A + B = A + B und λA = λ A und sind auch
r ∈ N mit r ≥ 1, A ∈ Cm×n , B ∈ Cn×r , so ist auch AB = A B. Für eine reelle Matrix
A ∈ Rm×n ist A = A.
Seien nun n ∈ N mit n ≥ 1 und A ∈ Rn×n . Weiter sei λ ∈ C\R ein komplexer, aber
nicht reeller, Eigenwert von A. Sei v ∈ Eλ (A) ein zugehöriger Eigenvektor. Dann folgt
aus Av = λv auch
Av = Av = Av = λv = λv,
d.h. auch die komplex Konjugierte λ von λ ist ein komplexer Eigenwert von A und v
ein zugehöriger Eigenvektor. Wegen λ = λ folgt weiter
Eλ (A) = {v|v ∈ Eλ (A)}.
Insbesondere haben die beiden konjugierten Eigenwerte λ und λ über C dieselbe geometrische Vielfachheit, und da das charakteristische Polynom χA reell ist, haben sie auch
dieselbe algebraische Vielfachheit. Wähle nun 0 6= w ∈ Eλ (A). Dann ist w ∈ Eλ (A)
und wegen λ 6= λ sind w, w nach Lemma 4 linear unabhängig. Damit sind auch die
beiden Vektoren
1
1
u := (w + w) und v := (w − w)
2
2i
linear unabhängig, und wegen
1
1
u = (w + w) = u und v = − (w − w) = v
2
2i
sind u, v ∈ Rn reelle Vektoren. Schreiben wir λ = reit = r cos t + ir sin t in Polarkoordinaten, so sind
1
1
r cos t
r sin t
Au = (Aw+Aw) = (λw+λw) =
(w+w)−
(w−w) = (r cos t)u−(r sin t)v
2
2
2
2i
und
Av =
1
r cos t
r sin t
1
(Aw − Aw) = (λw − λw) =
(w − w) +
(w + w)
2i
2i
2i
2
= (r sin t)u + (r cos t)v,
bezüglich der Basis v, u hat TA eingeschränkt auf hu, vi = hw, wi also die Form
r cos t −r sin t
TA |hw, wi =
.
r sin t
r cos t
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Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
Dies ist eine Drehmatrix zum Drehwinkel t gestreckt um den Faktor r, und solche
Matrizen beziehungsweise die zugehörigen linearen Abbildungen bezeichnet man als
Drehstreckungen. Fassen wir jetzt die nicht reellen Eigenwerte von A in komplex konjugierten Paaren zusammen, so ergibt sich das eine halbeinfache reelle Matrix bezüglich
einer geeigneten Transformationsmatrix S die Form


D1
...






Dr


−1
S AS = 

λ


1


...


λs
hat, wobei λ1 , . . . , λs die mit Vielfachheiten aufgezählten reellen Eigenwerte von A
sind, und die Matrizen D1 , . . . , Dr Drehstreckungsmatrizen sind. Dabei ist r die halbe
Anzahl der mit Vielfachheit aufgezählten nicht reellen Eigenwerte von A und ist µi der
i-te dieser Eigenwerte, so ist Di die Drehstreckung deren Drehanteil das Argument der
komplexen Zahl µi ist und deren Streckungsanteil der Betrag |µi | ist.
5.4
Die Jordansche Normalform
Wir hatten bereits erwähnt, dass eine n × n Matrix im Normalfall n verschiedene
komplexe Eigenwerte hat und über den komplexen Zahlen diagonalisierbar ist. Leider
kommen einen durchaus auch Matrizen unter, die nicht zu diesem Normalfall gehören
und auch nicht diagonalisierbar sind. Für solche Matrizen kann man trotzdem noch
eine Basis finden, bezüglich derer die transformierte Matrix fast in Diagonalform ist,
es tritt nur eine zusätzliche Nebendiagonale mit Nullen und Einsen auf.
Definition 5.6: Das n × n Jordankästchen zum Eigenwert λ ∈ C ist die n × n Matrix


λ 1


λ 1




... ...
J := 
,



λ 1 
λ
wobei die leeren Einträge wie immer für Nullen stehen. Eine Matrix A ist in Jordan
Normalform, wenn sie die Gestalt


J1


...
A=

Jr
mit Jordankästchen J1 , . . . , Jr hat.
18-8
Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
Beispiele für Matrizen in Jordan Normalform



2 1 0 0 0

 0 2 1 0 0 




 0 0 2 0 0  und 




 0 0 0 5 1 

0 0 0 0 5
sind
2
0
0
0
0
0
1
2
0
0
0
0
0
0
2
0
0
0
0
0
1
2
0
0
0
0
0
0
2
0
0
0
0
0
0
3




.



Im ersten Beispiel haben wir zwei Jordankästchen


2 1


2 1




2



5 1 
5
ein 3 × 3 Kästchen zum Eigenwert 2 und ein 2 × 2 Kästchen zum Eigenwert 5. Im
zweiten Beispiel haben wir sogar vier einzelne Jordan Kästchen


2 1


2






2 1

A=


2





2 
3
zwei 2 × 2 Kästchen zum Eigenwert 2, dann ein 1 × 1 Kästchen wieder zum Eigenwert
2 und schließlich ein 1 × 1 Kästchen zum Eigenwert 3. Beachte das in der Diagonale
jedes einzelnen Kästchens immer derselbe Eigenwert stehen muss, zum Beispiel ist die
Matrix
@
@
2 1
 @@
2





@2 1 
@
3
@
@
@
nicht in Jordan Normalform. Über den komplexen Zahlen läßt sich jede Matrix auf
Jordansche Normalform transformieren, im reellen Fall müssen wir verlangen das sämtliche Eigenwerte reell sind.
Satz 5.7 (Existenz der Jordanschen Normalform)
Seien K ∈ {R, C}, n ∈ N mit n ≥ 1 und A eine n × n-Matrix deren charakteristisches
18-9
Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
Polynom über K in Linearfaktoren zerfällt. Dann gibt es eine invertierbare n×n Matrix
S über K so, dass die transformierte Matrix S −1 AS in Jordan Normalform ist.
Den recht komplizierten Beweis dieses Satzes wollen wir hier nicht vorführen. Woran
wir interessiert sind ist die praktische Durchführung der Transformation auf Jordan
Normalform. Wir denken uns also wir hätten eine n × n Matrix A vorgegeben, und
wir suchen eine Basis u1 , . . . , un des Cn bezüglich derer die Matrix A in Jordanscher
Normalform ist. Gleichwertig hierzu ist es eine invertierbare n × n Matrix S zu suchen
so, dass die transformierte Matrix S −1 AS in Jordanscher Normalform ist. Dies ist genau
dasselbe rechnerische Problem, die Spalten einer solchen Matrix S bilden die gesuchte
Basis des Cn und umgekehrt. Den reellen Fall muss man nicht gesondert behandeln, ist
A eine reelle Matrix die keine nicht reellen Eigenwerte in C hat, so wird unser Verfahren
auch eine reelle Basis des Rn beziehungsweise eine reelle Transformationsmatrix S
liefern.
Wir werden eine Folge immer komplizierter werdender Beispiele durchrechnen, und
das Rechenverfahren so nach und nach kennenlernen, ehe wir es dann einmal formal
beschreiben. Wir beginnen mit dem Beispiel der folgenden 2 × 2 Matrix
5
8
A :=
.
−2 −3
Die Jordan Normalform von A besteht entweder aus einem 2 × 2 Kästchen oder aus
zwei 1 × 1 Kästchen, und in beiden Fällen sind die auftretenden komplexen Zahlen
auf den Diagonalen der Jordankästchen gerade die Eigenwerte von A. Um diese zu
berechnen, bestimmen wir erst einmal das charakteristische Polynom von A
x − 5 −8 = (x − 5)(x + 3) + 16 = x2 − 2x + 1 = (x − 1)2 .
χA (x) = 2
x+3 Wir haben also nur einen einzigen Eigenwert λ = 1. Da A keine Streckung ist, muss die
gesuchte Jordan Normalform damit ein 2 × 2 Jordankästchen zum Eigenwert 1 sein.
Nennen wir die gesuchte Basis des C2 jetzt u1 , u2 , so muss die Matrix der linearen
Abbildung A bezüglich der Basis u1 , u2 gerade das Kästchen
1 1
B :=
0 1
sein d.h. die Bedingungen an u1 und u2 sind Au1 = u1 und Au2 = u1 +u2 . Insbesondere
soll u1 einfach ein Eigenvektor von A zum Eigenwert λ = 1 sein, und diese können wir
durch Lösen des homogenen linearen Gleichungssystems (A − 1)x = 0 berechnen. Wie
wir gleich sehen werden, ist es nützlich das Gaußsche Eliminationsverfahren gleich mit
einer unbestimmten, allgemeinen rechten Seite durchzuführen. Wegen
4
8
N := A − 1 =
,
−2 −4
18-10
Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
haben wir die Rechnung
y1
4
8 y1
4 8
−→
−2 −4 y2
0 0 12 y1 + y2 ,
x
und die Lösung der Eigenvektorgleichung N
= 0 berechnet sich durch
y
4x + 8y = 0 =⇒ x = −2y.
Als Eigenvektor verwenden wir die Lösung mit y = 2, also
−4
u1 :=
.
2
Wie kommen wir jetzt an den zweiten Basisvektor u2 ? Wir haben die Bedingung Au2 =
u1 + u2 , und diese schreiben wir zu N u2 = (A − 1)u2 = Au2 − u2 = u1 um, d.h. der
zweite Basisvektor u2 ergibt sich als Lösung des linearen Gleichungssystems N u2 = u1 .
Die linke Seite dieses Gleichungssystems ist wieder die Matrix N = A − 1, die auch
schon bei der Berechnung von u1 aufgetreten ist. Da wir dieses Gleichungssystem schon
mit allgemeiner rechter Seite (y1 , y2 ) umgeformt haben, müssen wir nur noch y1 = −4
und y2 = 2 einsetzen, und erhalten
1
x
−4
y1
!
N
=
=⇒ 4x+8y = y1 = −4 =⇒ x = (−4−8y) = −1−2y,
=
y
2
y2
4
und setzen wir etwa y = 1 ein, so ergibt sich eine Lösung
−3
u2 :=
.
1
Zum Abschluß wollen wir nun noch verifizieren, dass unsere Rechnung tatsächlich ein
korrektes Ergebnis geliefert hat. Wir haben
5
8
−4
−4
Au1 =
·
=
= u1 ,
−2 −3
2
2
5
8
−3
−7
−4
−3
Au2 =
·
=
=
+
= u1 + u2 ,
−2 −3
1
3
2
1
d.h. bezüglich der Basis u1 , u2 ist A tatsächlich das Jordankästchen B. Die Transformationsmatrix S von der Basis u1 , u2 zur kanonischen Basis e1 , e2 ist jetzt die Matrix
1
−4 −3
1
3
−1
S=
mit der Inversen S =
.
2
1
2 −2 −4
Es muss jetzt S −1 AS = B gelten, und tatsächlich ist
1
1
3
5
8
−4 −3
−1
S AS =
·
·
−2 −3
2
1
2 −2 −4
1 −1 −1
1 2 2
−4 −3
=
·
=
= B.
2
1
2 −2 −4
2 0 2
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Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
Nachdem wir im Beispiel einer 2 × 2 Matrix die Jordansche Normalform noch aus dem
Stand heraus berechnet haben, ist es für die Behandlung größerer Matrizen hilfreich,
sich vorher einen ersten Rechenplan zu überlegen. Zu diesem Zweck halten wir zunächst
einige Kleinigkeiten über Matrizen in Jordanscher Normalform fest. Ist J ein n × n
Jordankästchen zum Eigenwert λ ∈ C, so ist
x−λ
−1
x
−
λ
−1
...
...
χJ (x) = = (x − λ)n
x
−
λ
−1
x−λ d.h. λ ist der einzige Eigenwert von J und λ hat die algebraische Vielfachheit n. Der
Eigenraum zum Eigenwert λ ist dagegen Eλ (J) = he1 i der vom ersten kanonischen
Basisvektor erzeugte Teilraum, und insbesondere hat λ die geometrische Vielfachheit
1. Ist A eine allgemeine Matrix in Jordan Normalform


J1


..
A=

.
Jr
mit Jordankästchen J1 , . . . , Jr , so sei Ji für 1 ≤ i ≤ r das ni × ni Jordankästchen zum
Eigenwert λi ∈ C, und dann ist
χA (x) = (x − λ1 )n1 · . . . · (x − λr )nr ,
und ist λ ∈ {λ1 , . . . , λr } einer der Eigenwerte von A, so hat λ die algebraische Vielfachheit
X
aλ =
ni
1≤i≤r
λi =λ
und die geometrische Vielfachheit
dλ = |{1 ≤ i ≤ r : λi = λ}|.
Die ersten Rechenschritte zur Bestimmung der Jordanschen Normalform einer Matrix
A sind damit:
1. Bestimme die komplexen Eigenwerte λ1 , . . . , λr von A. Dies sind dann genau die
in den verschiedenen Jordankästchen zu A auftretenden Eigenwerte.
2. Für jeden Eigenwert λ von A ist die Gesamtgröße aller Jordankästchen zum
Eigenwert λ gleich der algebraischen Vielfachheit des Eigenwerts λ von A.
3. Ist λ ein Eigenwert von A, so ist die Anzahl der Jordankästchen zum Eigenwert
λ gleich der geometrischen Vielfachheit des Eigenwerts λ von A.
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Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
Wir wollen jetzt das Beispiel der 3 × 3 Matrix


1 1 −3
1 
A :=  0 1
1 0
4
behandeln. Zuerst brauchen wir dann die Eigenwerte von A und ihre algebraischen
Vielfachheiten, wir rechnen also das charakteristische Polynom von A aus
x − 1 −1
3
x − 1 −1 −1
3
−
x − 1 −1 = (x − 1) χA (x) = 0
0
x−4 0 x−4 −1
0
x−4
= (x − 1)2 (x − 4) − 1 + 3(x − 1) = (x2 − 2x + 1)(x − 4) + 3x − 4
= x3 − 6x2 + 12x − 8.
Hier ist x = 2 eine Nullstelle. Die Ableitung ist 3x2 − 12x + 12 und x = 2 ist auch eine
Nullstelle der Ableitung. Die zweite Ableitung wird 6x − 12 erneut mit der Nullstelle
x = 2, d.h. der Eigenwert λ = 2 hat die algebraische Vielfachheit 3. Damit gilt χA (x) =
(x−2)3 und die Jordansche Normalform von A wird nur Jordankästchen zum Eigenwert
2 haben. Um ihre Anzahl zu bestimmen berechnen wir den Eigenraum E2 (A) und damit
insbesondere die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts 2. Hierzu müssen wir das
homogene lineare Gleichungssystem N x = 0 mit der Koeffizientenmatrix


−1
1 −3
1 
N := A − 2 =  0 −1
1
0
2
lösen. Wie im 2 × 2 Beispiel lösen wir das lineare Gleichungssystem gleich mit allgemeiner rechter Seite, also N x = y, dies wird sich als nützlich erweisen. Wir führen wieder
das Gaußsche Eliminationsverfahren durch
−1
1 −3 y1
−1
1 −3
y1
−1
1 −3
y1
1
y2
1
y2
0 −1
1 y2 −→ 0 −1
−→ 0 −1
1
0
2 y3
0
1 −1 y1 + y3
0
0
0 y1 + y2 + y3 .
Für unsere Eigenvektoren haben wir damit die Gleichung
y = z, x = y − 3z = −2z,
d.h. die geometrische Vielfachheit von λ = 2 ist d2 = 1, und der Eigenraum E2 (A) wird
erzeugt vom Eigenvektor


−2
u1 :=  1  .
1
Insbesondere besteht die Jordansche Normalform zu A nur aus einem einzelnen 3 × 3
Kästchen mit Eigenwert 2. Als den ersten Vektor der zugehörigen Basis können wir
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Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
unseren Eigenvektor u1 verwenden, aber wie finden wir die anderen beiden Basisvektoren? Dass die transformierte Matrix zu A bezüglich der gesuchten Basis u1 , u2 , u3
ein 3 × 3 Jordankästchen mit Eigenwert 2 ist, bedeutet das die Matrix der linearen
Abbildung f (x) = A · x bezüglich der Basis u1 , u2 , u3 gleich


2 1 0
B= 0 2 1 
0 0 2
ist. Die Spalten der Matrix B sind die Koeffizienten der Bilder f (ui ) = Aui (i = 1, 2, 3)
geschrieben als Linearkombinationen in u1 , u2 , u3 , d.h. wir haben die folgenden drei
Bedingungen an die gesuchte Basis u1 , u2 , u3 :
Au1 = 2u1 , Au2 = 2u2 + u1 und Au3 = 2u3 + u2 .
Die Bedingung Au1 = 2u1 besagt einfach das u1 ein Eigenvektor zum Eigenwert λ = 2
sein soll. Die Bedingung für u2 schreiben wir noch etwas um
Au2 = 2u2 + u1 ⇐⇒ Au2 − 2u2 = u1 ⇐⇒ (A − 2)u2 = u1 ⇐⇒ N u2 = u1 ,
und dies ist einfach ein lineares Gleichungssystem für u2 dessen rechte Seite der schon
berechnete Eigenvektor u1 ist. Die Koeffizientenmatrix ist die Matrix N , also genau
dieselbe die schon bei der Berechnung des Eigenraums E2 (A) auftrat. Aus diesem
Grund haben wir die Gauß Elimination oben mit einer unbestimmten rechten Seite
durchgeführt, wir können jetzt einfach die Komponenten von u1 für die Unbekannten
y1 , y2 , y3 einsetzen. Für unser lineares Gleichungssystem
 


x
−2
!
N u2 = N  y  = u1 =  1  ,
z
1
müssen wir oben y1 = −2, y2 = 1 und y3 = 1 einsetzen. Die Gleichungen werden zu
−1
1 −3 −2
0 −1
1
1
mit den Lösungen
y = −1 + z und x = −(−2 − y + 3z) = 2 + y − 3z = 1 − 2z,
und wir verwenden die Lösung mit z = 0, also


1
u2 =  −1  .
0
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Mathematik für Physiker II, SS 2017
Mittwoch 21.6
Für den dritten Basisvektor u3 können wir die Bedingung Au3 = 2u3 + u2 völlig analog
zu N u3 = u2 umschreiben, und da wir u2 schon berechnet haben können wir in der
obigen Stufenform y1 = 1, y2 = −1 und y3 = 0 einsetzen, und erhalten
y = 1 + z, x = −(1 − y + 3z) = 1 − y − 3z = −4z.
Wählen wir wieder die Lösung mit z = 0, so haben wir
 
0

1 .
u3 =
0
Damit sind wir eigentlich fertig, aber vorsichtshalber wollen wir das Ergebnis noch
einmal überprüfen, also nachrechnen das bezüglich der Basis u1 , u2 , u3 tatsächlich ein
Jordankästchen vorliegt.


 

1 1 −3
−2
−4
1   1  =  2  = 2u1 ,
Au1 =  0 1
1 0
4
1
2


 


 

1 1 −3
1
0
1
−4
1   −1  =  −1  = 2  −1  +  2  = 2u2 + u1 ,
Au2 =  0 1
1 0
4
0
1
0
2

   
  

1 1 −3
0
1
0
1









0 1
1
1
1
−1  = 2u3 + u2 .
Au3 =
=
=2 1
+
1 0
4
0
0
0
0
Die Rechnung hat also wirklich funktioniert, bezüglich der Basis u1 , u2 , u3 ist A in
Jordan Normalform. Testen wir auch noch einmal die Transformationsmatrix, d.h. die
Matrix deren Spalten unsere drei Basisvektoren sind




−2
1 0
0 0 1
S =  1 −1 1  mit der Inversen S −1 =  1 0 2  .
1
0 0
1 1 1
Die transformierte Matrix ist dann wie erwartet




0 0 1
1 1 −3
−2
1 0
1   1 −1 1 
S −1 AS =  1 0 2   0 1
1 1 1
1 0
4
1
0 0


 

1 0 4
−2
1 0
2 1 0
=  3 1 5   1 −1 1  =  0 2 1  .
2 2 2
1
0 0
0 0 2
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