Fakultät für Mathematik Prof. Dr. Barbara Gentz SS 2013 Vertiefung NWI: 11. Vorlesung zur Wahrscheinlichkeitstheorie Mittwoch, 26.6.2013 11. Zufallsgrößen mit Dichten Erinnerung Der Satz von de Moivre-Laplace zeigt für eine mit Parametern n und p binomialverteilte Zufallsgröße Sn , daß Z b Sn − np ϕ(x) dx für n → ∞. ≤b → P a< p np(1 − p) a Motivation p Für große n können wir also die Ws., daß die ZV (Sn − np)/ np(1 − p) in einem Intervall (a, b] liegt, durch ein Integral approximieren. Wir möchten nun allgemeiner Zufallsgrößen mit Werten im Kontinuum (z.B. R , [0, ∞), [0, T ], [0, T )) mit Hilfe solcher Integrale einführen. Definition: Dichte Eine Funktion f : R → [0, ∞), die stückweise stetig ist, heißt Dichte, sofern Z +∞ f (x) dx = 1 −∞ gilt. Erläuterung Für eine Funktioin g ≥ 0, die auf jedem kompakten Intervall [−N, +N ] Riemann-integrierbar ist, ist R +N die Folge { −N g(x) dx}N ∈N monoton wachsend in N . Ist die Folge unbeschränkt, so setzen wir R +∞ −∞ g(x) dx = ∞, andernfalls Z +∞ Z +N g(x) dx = lim −∞ N →∞ −N g(x) dx . Beispiele von Dichten • Dichte der Standardnormalverteilung, vgl. Satz von de Moivre-Laplace 1 2 ϕ(x) = √ e−x /2 . 2π • Dichte der Normalverteilung mit Erwartungswert µ ∈ R und Varianz σ 2 > 0 ϕ(x; µ, σ 2 ) = √ 1 2 /2σ 2 2πσ 2 e−(x−µ) . Die Substitution y = (x − µ)/σ zeigt, daß x 7→ ϕ(x; µ, σ 2 ) eine Dichte ist. • Dichte der uniformen Verteilung auf [a, b] für −∞ < a < b < ∞ ( f (x) = 1 b−a für x ∈ [a, b] sonst 0 • Dichte der Exponentialverteilung zum Parameter α > 0 ( f (x) = für x < 0 für x ≥ 0 0 α e−αx Definition: Dichte und Verteilungsfunktion einer Zufallsgröße f sei eine Dichte. Dann heißt eine Zufallsgröße X absolutstetig mit Dichte f , falls FX (x) := P{X ≤ x} = Z x f (y) dy −∞ ∀x ∈ R . Die Funktion FX heißt Verteilungsfunktion von X. Warnung Angenommen, wir haben eine ZV X derart, daß P{a < X ≤ b} = (∗) Z b f (x) dx a für alle a, b mit a < b (mit einer über ganz R integrierbaren Funktion f ). Dann gilt für jedes n 0 ≤ P{X = a} ≤ P{a − 1/n < X ≤ a} = Z a f (x) dx → 0 für n → ∞ a−1/n Das heißt, für jedes a gilt P{X = a} = 0 . Eine diskrete Zufallsgröße kann somit die Eigenschaft (*) nicht haben! 2 Bemerkungen • Im Rahmen dieser Vorlesung nehmen wir einige Einschränkungen in Kauf: Wir zeigen z.B. nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Dichte existiert. Auch spezifizieren wir den Wahrscheinlichkeitsraum nicht. Hier gilt es zu beachten, daß P{X ∈ A} in der Regel nicht für alle Teilmengen von R definiert werden kann. Uns soll genügen, daß alles gutgeht, wenn wir uns auf Mengen A beschränken, die durch höchstens abzählbare Vereinigungen und Schnitte von Intervallen dargestellt werden können. • Vergleichen Sie die bekannten Eigenschaften der Verteilungsfunktion für diskrete Zufallsgrößen mit jenen der Verteilungsfunktion einer Zufallsgröße mit Dichte: – Verteilungsfunktionen sind monoton wachsend – Es gelten limx→−∞ FX (x) = 0 und limx→∞ FX (x) = 1 – Falls die Zufallsgröße X eine Dichte hat, so ist die Verteilungsfunktion FX stetig. Für diskrete Zufallsgrößen dagegen ist die Verteilungsfunktion stückweise konstant. (Machen Sie zwei Skizzen!) • Dichten sind nicht eindeutig bestimmt. (Beispiel: weitere Dichten für die uniforme Verteilung) • Ist die Dichte f stetig in einem Punkt a, so gilt dFX (y) . f (a) = dy y=a Beispiele • Verteilungsfunktion der uniformen Verteilung • Verteilungsfunktion Φ der Standardnormalverteilung • Verteilungsfunktion der Exponentialverteilung Sprechweise Eine ZG heißt normalverteilt, uniform verteilt, exponentialverteilt, etc, falls sie eine entsprechende Dichte hat. Rechenregeln Hat X eine Dichte f , so gelten für alle −∞ ≤ a < b ≤ ∞ • P{a < X < b} = P{a ≤ X ≤ b} = P{a ≤ X < b} = P{a < X ≤ b} • P{a < X ≤ b} = Z b a f (x) dx = P{X ≤ b} − P{X ≤ a} = FX (b) − FX (a) • P{X ≤ b} = FX (b) = • P{a < X} = Z ∞ a Z b f (x) dx −∞ f (x) dx = 1 − Z a −∞ f (x) dx = 1 − P{X ≤ a} = 1 − FX (a) 3 Beispiel Berechnen der Wahrscheinlichkeit, daß eine exponentialverteilte Zufallsgröße mit Parameter α einen Wert größer als a annimmt bzw. einen Wert zwischen a und b. • Direktes Ausrechnen des entsprechenden Integrals • Erst Berechnen der Verteilungsfunktion, dann der Ws. Definition: Erwartungswert und Varianz Sei X eine Zufallsgröße mit einer Dichte f . ∞ • Falls −∞ |x|f (x) dx < ∞, so sagen wir, daß der Erwartungswert von X existiert. Er ist in diesem Fall gegeben durch R E[X] = Z ∞ Z N xf (x) dx = lim N →∞ −N −∞ xf (x) dx . (Warnung: So dürfen wir nur rechnen, wenn wir bereits gezeigt haben, daß der Erwartungswert existiert.) • Falls der Erwartungswert von X existiert, definieren wir die Varianz von X als Z ∞ Var(X) = −∞ (x − E[X])2 f (x) dx . Ist Var(X) < ∞, so sagen wir, daß die Varianz existiert. Bemerkung Vergleichen Sie mit dem Fall diskreter Zufallsgrößen. Beispiele (siehe Tabelle im Anhang) • Uniforme Verteilung (direktes Ausrechnen – warum ist der Erwartungswert (a + b)/2 ?) • Normalverteilung (verwende Substitution) • Exponentialverteilung (verwende partielle Integration) Bemerkung Die bekannten Rechenregeln gelten weiter: • Linearität des Erwartungswerts • Var(aX + b) = a2 Var(X) für a, b ∈ R • Var(X) = E[X 2 ] − (E[X])2 • Tschebyscheffsche Ungleichung 4 p = = µ = 0, µ = 0, p 2 3/2 =1 µ = 1/2, Normalverteilung = 1) (µ = 0, Parameter Standardnormalverteilung Verteilung -4 -4 -4 -4 -2 -2 -2 -2 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.1 0.2 0.3 0.4 0.1 0.2 0.3 0.4 0.1 0.2 0.3 0.4 2 2 2 2 Dichte 4 4 4 4 Verteilungsfunktion ↵=2 ↵ = 1/2 ↵=1 a = 0, b = 3/2 uniforme Verteilung Exponentialverteilung Parameter Verteilung 0.4 1 2 3 3 5 5 -1 0.5 1 1.5 2 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 1 1 2 2 3 3 4 4 5 5 -1 -1 0.2 0.4 0.6 0.8 1 0.2 0.4 0.6 0.8 0.4 0.2 0.4 0.6 0.2 0.6 4 4 1 2 0.8 1 1 0.1 0.2 0.3 1 1 1 2 2 2 3 3 3 4 4 4 5 5 5 Verteilungsfunktion 0.8 -1 0.6 0.5 Dichte Exponentialverteilung uniforme Verteilung µ ∈ R, σ > 0 Normalverteilung ϕ(x; µ, σ) = √ α>0 f (x) = 0 αe−αx e −(x−µ)2 /2σ 2 sonst für x ≥ 0 sonst für x ∈ [a, b] 2πσ 2 1 1 2 ϕ(x) = √ e−x /2 2π Dichte 1 b−a a, b ∈ R, a < b f (x) = 0 (µ = 0, σ = 1) Parameter Standardnormalverteilung Verteilung x −∞ Z −∞ x F (x) = 1 − e−αx 0 für x ≥ 0 für x < 0 für x > b für a ≤ x ≤ b für x < a ϕ(y; µ, σ) dy ϕ(y) dy 0 x−a F (x) = b−a 1 F (x) = Φ(x) = Z Verteilungsfunktion Zufallsgrößen mit Dichten 1/α (a + b)/2 µ 0 Erwartungswert 1/α2 (a − b)2 /12 σ2 1 Varianz