Klassische Mechanik K.-H. Mütter 16. November 2002 1 Inhaltsverzeichnis 1 Konservative Kraft, Potential, Energieerhaltung 5 2 3-dimensionale konservative Kräfte 10 3 Die radialen Bewegungsgleichungen/Das 3. Keplersche Gesetz 14 4 Die Bahnkurven im Gravitationspotential 17 5 1 Die eindimensionale Bewegung im konservativen Kraftfeld Das Potential Die Energieerhaltung Dies ist die erste Vorlesung in theoretischer Physik. Die bisherigen Vorlesungen haben ihnen einen Überblick über die wichtigsten Phänomene und Begrie der Mechanik gegeben. Hierzu zählen insbesondere die Keplerschen Gesetze, die daraus resultierende Gravitationskraft und die kinetische und potentielle Energie. Isaac Newton hat nicht nur das fundamentale Kraftgesetz für die Gravitation F (~x) = −G · mM ~x · ~x2 |~x| ~x = ~xm − ~xM (1.1) formuliert, sondern auch die Bewegungsgleichung 2 ¨m = d ~xm (t) ~x dt2 ¨m = F (~x) m~x (1.2) ~xm = ~xm (t) mit der Masse m, der sich in dem M zum Beispiel der Sonne an der Stelle ~xM etwa für einen Massepunkt an der Position Gravitationsfeld (1.1) einer schweren Masse bewegt. Der Ort des Massenpunktes ~xm wird durch einen dreidimensionalen Vektor x1 = x2 x3 ~xm beschrieben; und Sie haben bei Herrn Krause in der Mathematik gelernt, daÿ es wichtig ist, bei jedem Vektor ~x auch das Koordinatensystem anzugeben, und zwar sowohl den Koordina- tenursprung als auch die Ausrichtung der Koordinatenachsen. Herr Krause führt deshalb einen Index k an dem Vektorpfeil ~xkm ein, der Sie daran erin- nern soll, daÿ die Koordinaten in einem bestimmten Koordinatensystem angegeben sind. Herr Mättig hat dies in seinen Vorlesungen bisher nicht getan; ich werde das hier auch nicht tun, werde aber bei jedem Problem, bei dem Vektoren auftreten, das Koordinatensystem explizit denieren. Dies kann man auf eine geschickte Weise und auf viele ungeschickte Weisen tun. In dem Gravitationsgesetz ist ~x der Abstandsvektor zwischen den beiden Massepunkten Die geschickte Wahl des Koordinatenursprungs liegt im Mittelpunkt der Sonne (~ xM m und M . = ~0), wenn wir davon ausgehen, daÿ die Sonne sich aufgrund ihrer groÿen Masse selbst nicht bewegt. In diesem Koordinatensystem ist also Bewegungsgleichung ~xm = ~x, und die Gleichungen (1.1) und (1.2) liefern die für die zeitliche Entwicklung (Evolution) ~x = ~x(t) des Massepunktes z.B. eines Planeten. Die Lösung dieser Bewegungsgleichung ist ein mathematisches Problem; Herr Mättig hat diese Lösung für einfache Fälle den freien Fall und die Wurfparabel vorgeführt. 6 1 KONSERVATIVE KRAFT, POTENTIAL, ENERGIEERHALTUNG Ich möchte noch einmal auf den freien Fall zurückkommen. Dies ist eine Bewegung auf einer Geraden mit nur einer Koordinaten x(t), und die Bewegungsgleichung vereinfacht sich zu Hier ist jetzt m mM x2 F (x) = −G · mẍ = F (x) die Masse des fallenden Körpers, M (1.3) M = ME , x die x ∼ RE = 6.378km. Fallhöhe von 100m, d.h. die die Masse der Erde Entfernung zwischen dem fallenden Körper und dem Erdmittelpunkt: Diese Entfernung ändert sich praktisch nicht bei einer typischen Gravitationskraft ist praktisch konstant: F x = RE = −m · g g = 9.8 m s2 (1.4) In diesem Fall läÿt sich die Bewegungsgleichung durch Integration lösen, wie Herr Mättig vorgeführt hat: d2 x(t0 ) = −gt dt02 0 Z t Z t 0 g 0 dx(t ) x(t) − x(0) = dt · = dt · (ẋ(0) − gt0 ) = ẋ(0) · t − · t2 0 dt 2 0 0 g 2 x(t) = x(0) + ẋ(t) · t − · t 2 Z t ẋ(t) − ẋ(0) = dt0 · (1.5) (1.6) (1.7) Die Lösung (1.7) gibt an, wo sich der fallende Körper zu jeder Zeit bendet, wenn ich die Anfangswerte x(0) = x t = 0 ẋ(0) = ẋ t = 0 Anfangsort (1.8) Anfangsgeschwindigkeit (1.9) festlege. t0 bestimmen, die der Körper beim Durchlaufen der Punkte x(0) = x(t 0 ) = RE (Auftrepunkt an der Erdoberäche bei einer Anfangsgeẋ t = 0 = 0), so setze ich ein: s 2h g 2 (1.10) x(t0 ) − x(0) = −h = − · t0 t0 = g 2 Will ich z.B. die Fallzeit RE + h (h: Fallhöhe), schwindigkeit Die Annahme, daÿ die Erdbeschleunigung für Höhen h RE . g Für groÿe Höhen, z.B. unabhängig vom Ort h = RE , x des Körpers ist, gilt nur ändert sich die Beschleunigung, die auf den Körper ausgeübt wird, erheblich: ME 2 = −g RE ME g ẍ = −G · =− 2 (2RE ) 4 ẍ = −G · x = RE : x = 2RE : Wenn ein Körper aus der Höhe h = RE fällt, ändert sich die Beschleunigung von (1.11) (1.12) − g4 auf −g kontinuierlich. Wie berechnet sich jetzt die Fallzeit des Körpers? Wir benötigen die Lösung der Dierentialgleichung (1.3): mẍ = F x(t) F (x) = −G · mM x(t)2 (1.13) 7 Hierzu multiplizieren wir die beide Seiten mit der Geschwindigkeit. Links: mẋẍ = m · dx d2 x 1 d · = m· dt dt2 2 dt dx dt 2 (1.14) auf der rechten Seite: dx d = ẋF x(t) = F x(t) · dt dt Z x(t) dx0 · F (x0 ) = − x(0) d V x(t) − V x(0) dt (1.15) Zur Verizierung von (1.14) und (1.15) ist die Kettenregel anzuwenden: dẋ d 2 d d2 x ẋ = ẋ2 · = 2ẋ · 2 = 2ẋẍ dt dẋ dt dt Z x(t) Z x d d dx dx0 · F (x0 ) = dx0 · F (x0 ) · dt x(0) dx 0 dt Kombinieren wir nun (1.13), (1.14) und (1.15), so erhalten wir o d nm 2 ẋ + V x(t) = 0 dt 2 Dabei ist (1.16) m 2 ẋ = T 2 die bereits eingeführte kinetische Energie, und V x(t) = − x(t) Z dx · F (x) (1.17) a die potentielle Energie. Gleichung (1.16) besagt, daÿ die Summe aus kinetischer und potentieller Energie m 2 ẋ (t) + V x(t) = E 2 Gesamtenergie. eine von der Zeit unabhängige Gröÿe ist, die (1.18) Dies ist eine Folge der Bewe- gungsgleichung (1.13), von der wir gestartet sind. Der Wert von den Anfangsbedingungen E bestimmt sich alleine aus m 2 ẋ (0) + V x(0) = E 2 (1.19) Die Gleichung (1.18) ist wiederum eine Dierentialgleichung für die Bahnkurve x(t). Durch Auösen nach der Geschwindigkeit r ẋ(t) = ± 2 · m dx E − V x(t) = dt q wird man auf eine Gleichung für die Orts- und Zeitdierentiale r m dx0 0 dt = ± ·q 2 E − V x(t) dx, dt (1.20) geführt: (1.21) 8 1 KONSERVATIVE KRAFT, POTENTIAL, ENERGIEERHALTUNG Durch Integration der linken Seite über die Zeit vom Anfangszeitpunkt t = t(x), bei dem sich das Teilchen an der Stelle t(x) Z x t = 0 bis zum Zeitpunkt bende dt0 = t(x) (1.22) 0 und durch Integration der rechten Seite über den Ort vom Anfangsort x (zur Zeit t) x t = 0 bis zum Ort Z dx0 x ± x(0) p Z E−V (x0 ) erhalten wir schlieÿlich die Umkehrfunktion t(x) = t(x) dt0 = t(x) (1.23) 0 zur Bahnkurve x(t). Damit die Bahnkurve eine reelle Funktion der Zeit ist, muÿ oenbar gelten E − V (x0 ) ≥ 0 x0 ∈ [x(0), x] (1.24) Die Lösung (1.23) gilt übrigens nicht nur für die Gravitationskraft (1.13), sondern für jede Kraft F (x), die nur vom Ort und nicht von der Geschwindigkeit ẋ oder explizit von der Zeit abhängt. Kommen wir zurück auf den freien Fall aus groÿer Höhe h (h ∼ RE ). Die Anfangsbedingungen sind wieder gegeben durch ẋ(0) = 0 Da x0 < x(0), x(0) = h + RE (1.25) ist die Geschwindigkeit und damit das Vorzeichen in der Wurzel negativ. mME mME E − V (x ) = −G · + = G · mME x(0) x0 0 1 1 − x0 x0 (0) ≥0 (1.26) Es ergibt sich somitf für die Fallzeit als Funktion des Ortes: r t(x) = m 1 ·√ 2 GmME Z Z 1 1 1 =√ ·√ G · ME 2 dx0 x x(0) q 1 x0 s y0 1 − y0 dy 0 y Für die Fallzeit bis zur Erdoberäche ist y= − 1 x(0) x = RE y0 = x0 <1 x(0) (1.27) y= x x = x(0) h + RE (1.28) einzusetzen: 1 RE = h + RE 1 + RhE Wir wollen uns schlieÿlich auch die Lösung (1.23) der Energieerhaltung für ein allgemeines Potential V (x) mit Maxima und Minima ansehen, wie in Abbildung 1. Die Gesamtenergie ist nach (1.19) wiederum durch die Anfangsbedingungen x(0), ẋ(0) gegeben. Der Ausdruck (1.20) für die Geschwindigkeit ist nur dann reell, wenn E − V (x) ≥ 0 (1.29) 9 Abbildung 1: Ein Potential mit lokalem Minimum und Maximum also in der abgebildeten Situation für xj (E), j = 1, 2, 3 x1 (E) ≤ x ≤ x2 (E) und für x > x3 (E). die Nullstellen von E − V (x) = 0 Wenn dabei ein Anfangsort x(0) j = 1, 2, 3 gegeben ist, so verläuft die Bahnkurve x1 und x2 . (1.30) mit x1 (E) ≤ x(0) ≤ x2 (E) punkten Dabei sind x(t) Es handelt sich um eine für alle Zeiten periodische (1.31) t > 0 zwischen den Umkehr- Bewegung. An den Umkehrpunkten verschwindet nach (1.20) die Geschwindigkeit ẋ = 0 für x = xj (E) j = 1, 2 (1.32) Sie wechselt hier oenbar das Vorzeichen, und ensprechend ist das Vorzeichen der Wurzel zu wählen. Die Zeit, die der Massepunkt braucht, um von einem Umkehrpunkt x1 (E) zum anderen x2 (E) zu gelangen, entspricht genau einer halben Periode: r m 2 Z dx0 x2 (E) x1 (E) T = t x2 (E) − t x1 (E) = 2 E − V (x0 ) p (1.33) 10 2 3-DIMENSIONALE KONSERVATIVE KRÄFTE 2 Die 3-dimensionale Bewegung in konservativen Kraftfeldern Energie- und Drehimpulserhaltung Der Flächensatz Herr Mättig hatte bereits in einer früheren Vorlesung darauf hingewiesen, daÿ die von Kepler empirisch gefundenen Gesetzt aus den Newtonschen Gleichungen ¨ = F (~x) m~x mit der Gravitationskraft F (~x) = −G · (2.1) mM ~x · ~x2 |~x| (2.2) abgeleitet werden können. Dazu muÿ das Dierentialgleichungssystem für die Koordinaten x1 (t), x2 (t), x3 (t) mit ~x = (x1 , x2 , x3 )T des Planeten mit der Masse m lösen. Die Sonnenmasse M ist so groÿ, daÿ sie in guter Näherung als ruhend angenommen werden kann. Wenn Sie in den dreihundert mathematischen Büchern über Dierentialgleichungen nach einer Lösung des Systems (2.1), (2.2) suchen, werden Sie mit groÿer Wahrscheinlichkeit enttäuscht werden. Die ersten 100 Bücher enthalten meist nur Existenz- und Eindeutigkeitsbeweise und ~x(t), die Geschwin¨(t) in linearer Form auftreten. Die Gravitationskraft ~x Abstand ~ x (Sonne-Planet). Isaac Newton war der erste, dem es behandeln vornehmlich lineare Dierentialgleichungen, in denen der Ort digkeit ~x˙ (t) und die Beschleunigung ist aber keineswegs linear im gelungen ist, • Das richtige Gleichungssystem (2.1), (2.2) aufzustellen • dieses mit der noch nicht erfundenen Dierential- und Integralrechnung zu lösen. Die Naturforscher vor Isaac Newton wie z.B. der von den Philosophen hochgelobte Aristoteles kannten keine Dierential- und Integralrechnung, was eine klare Unterscheidung zwischen ¨) unmöglich machte. Geschwindigkeit (~ x˙ ) und Beschleunigung (~x Der Weg zur Lösung des Dierentialgleichungssystems (2.1), (2.2) führt über Erhaltungssätze, auf deren Bedeutung Herr Mättig bereits in einer früheren Vorlesung hingewiesen hat. I.a. werden Erhaltungsgröÿen aus bestimmten Kombinationen der zeitabhängigen Orts- und Geschwindigkeitsvektoren ~x, ~x˙ aufgebaut, so daÿ die gesamte Kombination zeitunabhängig ist. Wir haben z.B. bei der eindimensionalen Bewegung gesehen, daÿ die Summe m 2 ẋ (t) + V x(t) = E 2 aus kinetischer und potentieller Energie also die Gesamtenergie (2.3) E nicht von der Zeit abhängt. Ein entsprechender Erhaltungssatz gilt unter bestimmten Bedingungen auch für den dreidimensionalen Fall: m ˙2 ~x (t) + V ~x(t) = E 2 (2.4) 11 F (x) Im eindimensionalen Fall erhielt man die Kraft F (x) = − aus dem Potential V (x) durch Ableiten: d V (x) dx (2.5) Wir werden sehen, daÿ die Energieerhaltung (2.4) im 3-dimensionalen Fall genau dann gilt, wenn sich die drei Kraftkomponenten Fj (x1 , x2 , x3 ) = − ∂ V (x1 , x2 , x3 ) ∂xj j = 1, 2, 3 ~ (~x) F~ = −∇V (2.6) durch partielle Ableitungen nach den Ortskoordinaten gewinnen lassen. Dies ist nicht für alle Kräfte F~ (~x) möglich. Kräfte, die diese Eigenschaft haben, heiÿen konservativ. Herr Mättig hat bereits die partiellen Ableitungen eingeführt; zu beachten ist, daÿ bei der x1 Ableitung z.B. nach x2 , x3 alle anderen Koordinaten als konstant anzusehen sind. Herr Mättig hat auch gezeigt, daÿ in der Tat die Gravitationskraft (2.2) als Gradient des Gravitationspotentials V (~x) = −G · mM mM = −G · 1 |~x| x21 + x22 + x23 2 (2.7) dargestellt werden kann. Der Beweis, daÿ aus der Bewegungsgleichung (2.1) mit konservativer Kraft (2.6) die Erhaltung der Energie (2.4) folgt, wird genauso geführt wie im eindimensionalen Fall. Man multipliziert beide Seiten von (2.1) skalar mit dem Geschwindigkeitsvektor: ¨ = m· m~x˙ q ~x 3 X j=1 ~x˙ q F~ (x) = − 3 m d X ẋj ẍj = · 2 dt j=1 dxj dt 2 1 d = m· 2 dt d~x dt 2 3 X ∂ d V (x1 , x2 , x3 ) ẋj = − V x1 (t), x2 (t), x3 (t) ∂xj dt (2.8) (2.9) j=1 Die Gravitationskraft hat eine weitere wichtige Eigenschaft: Sie ist eine wirkt in Richtung des Verbindungsvektors Zentralkraft, d.h. sie ~x zwischen den beiden Massen. Zentralkräfte haben allgemein die Gestalt F~ (~x) = f (~k) · ~x wobei f (~x) eine skalare Funktion von ~x (2.10) ist. Bei der Gravitationskraft ist f (~x) = −G · mM |~x|3 (2.11) Multiplizieren wir nun die Bewegungsgleichung (2.1) mit einer Zentralkraft (2.10) vektoriell mit dem Ortsvektor ~x, so nden wir für die linke Seite: ¨) = m · d (~x × ~x˙ ) = d J~ J~ = m · ~x × ~x˙ m(~x × ~x dt dt ˙ ˙ ¨ = m(~x × ~x + ~x × ~x) nach Produktregel (2.12) (2.13) und für die rechte Seite: ~x × F~ (~x) = (~x × ~x) · f (x) = 0 (2.14) 12 2 3-DIMENSIONALE KONSERVATIVE KRÄFTE Somit folgt aus (2.12) und (2.14) und der Bewegungsgleichung (2.1), daÿ der Drehimpulsvektor J~ = m · ~x × ~x˙ (2.15) eine zeitlich erhaltene Gröÿe ist: d ~ J =0 dt ~ ≡ J~ t = 0 J(t) (2.16) Die Komponenten des Drehimpulsvektors ergeben sich aus den Anfangsbedingungen J~ t = 0 = m ~x(0) × ~x˙ (0) (2.17) sind diese z.B. so vorgegeben, daÿ x1 (0) ~x(0) = 0 0 0 ~x˙ (0) = ẋ2 (0) 0 (2.18) so zeigt der Drehimpulsvektor 0 ~ = J(0) ~ J(t) = m · x1 (0) · ẋ2 (0) · 0 1 für alle Zeiten in die 3-Richtung. Da nach (2.15) die Bewegung für alle Zeiten nur in der ~ J(t) x1 -x2 -Ebene senkrecht auf (2.19) ~x(t) und ~x˙ (t) steht, kann verlaufen. Es ist dann günstig, in dieser Ebene Polarkoordinaten einzuführen cos ϕ(t) ~x(t) = r(t) · sin ϕ(t) r(t) = |~x(t)| 0 cos ϕ(t) − sin ϕ(t) ~x˙ (t) = ṙ(t) · sin ϕ(t) + r(t) · ϕ̇(t) · cos ϕ(t) 0 0 (2.20) (2.21) Hieraus ergibt sich für den Drehimpuls: 0 2 ˙ ~ ~ J(t) = m · ~x(t) × ~x(t) = m · r (t) · ϕ̇(t) · 0 = J(0) 1 (2.22) (2.22) beinhaltet das von Herrn Mättig eingangs erwähnte 2. Keplersche Gesetz: Der von der Sonne nach dem Planeten gezogene Fahrtrahl überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen Wenn sich in dem Zeitintervall dt der Vektor dA = ~x(t) um dϕ 1 2 · r (t) · dϕ 2 dreht, so ist (2.23) 13 ~x(t + dt) 6 T T dϕ T T TT 1 ~x(t) t - S Abbildung 2: Überstrichene Fläche die überstrichene Fläche. D.h. ~ dA 1 dϕ |J(0)| = · r2 (t) · = = const. dt 2 dt 2m (2.24) Das zweite Keplersche Gesetz ist also eine Folge der Tatsache, daÿ die Gravitationskraft eine Zentralkraft ist, und deshalb der Drehimpulserhaltungssatz gilt! Zum Schluÿ wollen wir uns noch die Konsequenzen der Energieerhaltung (2.4) ansehen. Wir drücken zunächst die kinetische Energie durch die Polarkoordinaten (2.21) aus: m ˙2 m 2 ~x (t) = ṙ (t) + r2 (t) · ϕ̇2 (t) 2 2 Als nächstes beachten wir, daÿ wir aufgrund der Drehimpulserhaltung (2.22) die schwindigkeit ϕ̇(t) = wieder durch den (zeitabhängigen!) Radius (2.25) Winkelge- ~ |J(0)| m · r2 (t) r(t) (2.26) ausdrücken können. (2.25) und (2.26) in die Energieerhaltung (2.4) eingesetzt liefert m 2 · ṙ (t) + Ve (r) = E 2 mit dem (2.27) eektiven Potential Ve (r) = V (r) + m 2 J~2 (0) J2 r · = V (r) + 2 2mr2 (mr2 )2 (2.27) beschreibt die Bewegung eines eindimensionalen Teilchens in einem Potential Dieses Problem haben wir bereits gelöst! (2.28) Ve (r). 14 3 DIE RADIALEN BEWEGUNGSGLEICHUNGEN/DAS 3. KEPLERSCHE GESETZ 3 Die radiale Bewegungsgleichungund das eektive Potential Das 3. Keplersche Gesetz Die Energieerhaltung (2.27) ist eine Dierentialgleichung für die zeitliche Entwicklung des Radius r(t) der einzigen verbleibenden Funktion der Zeit t. Das eektive Potential (2.28) enthält neben dem Gravitationspotential V (r) = − α r α=G·m·M (3.1) einen weiteren Term, der proportional zum Betrag des Drehimpulses ist: ~ = m · x1 (0) · ẋ2 (0) J = |J| (3.2) Er verschwindet insbesondere, wenn in den Anfangsbedingungen (2.18) die Anfangsgeschwindigkeit ẋ2 (0) verschwindet! Bei einer solchen Konstellation würde der Planet in die Sonne stürzen. Man kann auch sagen, daÿ der Zusatzterm mit der Zentrifugalkraft zu tun hat; diese verhindert genau, daÿ der Planet in die Sonne stürzt. Man beachte, daÿ wir zwei konkurrierende Terme im eektiven Potential haben; das anziehende Gravitationspotential (3.1), das mit trifugalterm J2 2mr2 , der oenbar für kleine Man ndet ein Minimum an der Stelle r 1 r abfällt, und den abstoÿenden (positiven) Zendominiert. Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: R: Ve (r) 6 1 r2 E2 r1 (E1 ) r r2 (E1 ) R - E1 − 1r E0 Abbildung 3: Eektives Gravitationspotential α J2 dVe = 0 = − dr r=R R2 mR3 R= J2 mα (3.3) 15 J Wie der Drehimpuls ist auch die Gesamtenergie E durch die Anfangsbedingungen xiert: m 2 α ẋ2 (0) − =E 2 |x1 (0)| (3.4) Die Planetenbahn hängt von den Anfangsbedingungen ab, bzw. von den Werten für Jeder Planet hat seine eigenen Anfangsbedingungen bzw. seine eigenen Werte für E E und und J. J. Drei typische Situationen sind in Abb. 3 gezeigt. 1. Fangen wir an mit der niedrigsten Energie E0 = Ve (R), die genau dem Minimum des eektiven Potentials entspricht. Aus der radialen Bewegungsgleichung folgt dann: m 2 ṙ (t) = E0 − Ve (R) = 0 2 (3.5) d.h. m 2 ṙ (t) = E0 − Ve (R) = 0 2 J ϕ̇(t) = mR2 r(t) = R = const. (3.6) (3.7) Dies entspricht oenbar einer Kreisbahn mit dem Radius R aus (siehe (3.3)), die mit konstanter Winkelgeschwindigkeit durchlaufen wird. Die Periode (Umlaufzeit) beträgt R= 2π 2π · mR2 = ϕ̇ J Man beachte, daÿ Kreisbahnen mit vorgegebenem Radius (3.8) R nur realisiert werden können J0 und E0 : mit ganz speziellen Anfangsbedingungen, bzw. Werten für J02 = Rmα E0 = − α J02 + R 2mR2 (3.9) 2. E0 < E < 0 Das eindimensionale Teilchen kann eine oszillierende Bewegung zwischen den Umkehrpunkten r1 (E) und r2 (E) ausführen, die sich aus den Nullstellen der Geschwindigkeit ergeben: E − Ve (ri ) = E − J2 α + =0 2mri2 ri i = 1, 2 (3.10) Dies ist eine quadratische Gleichung für die Umkehrpunkte mit der Lösung 12 α 2 J2 α ri = − ± + 2E 2E 2mE Für E<0 sind beide Lösungen r1 und r2 i = 1, 2 (3.11) positiv und geben den kleinsten und gröÿten Abstand des Planeten von der Sonne an. Wir werden später sehen, daÿ diese Bahnen Ellipsen sind, so wie es Kepler in seinem 1. Gesetz formuliert hat. Die Umlaufzeit T 16 3 DIE RADIALEN BEWEGUNGSGLEICHUNGEN/DAS 3. KEPLERSCHE GESETZ kann unmittelbar aus der Periode des eindimensionalen Problems berechnet werden. Nach (1.33) gilt: T (E, J) = √ Z r2 2m r1 1 dr · {E − Ve (r)} 2 α J2 − r 2mr2 2 J 1 2mα 1 2mE = − − 2 · − 2m r2 J r J2 J2 1 1 1 1 = − − − 2m r r1 r r2 r Z 1 r1 r2 r 2 2 dr · r {(r − r)(r − r )} T (E, J) = 2m 2 1 J 2 r1 E − Ve (r) = E + (3.12) (3.13) (3.14) (3.15) (3.16) Im Rahmen der Übungen wird dieses Integral berechnet. Als Resultat erhält man r T (E, J) = m · 2π α r1 + r2 2 2 3 (3.17) Dies ist gerade das 3. Keplersche Gesetz: Das Quadrat der Umlaufzeit T ist proportional zur 3. Potenz der groÿen Halb- achse. 3. E>0 Aus (3.11) folgt nur noch Lösung r2 ein physikalisch interpretierbarer Umkehrpunkt, der der +- entspricht.(Die −-Lösung führt zu einem physikalisch negativem Radius!) Das Objekt das man nun nicht mehr als Planet bezeichnen kann verläuft nicht mehr auf einer geschlossenen Bahn, sondern auf einer Hyperbel; es nähert sich der Sonne bis zu einem minimalen Abstand Sonne. r1 und entfernt sich anschlieÿend immer weiter von der 17 4 Die Bahnkurven im Gravitationspotential Wir haben bisher lediglich die zeitliche Entwicklung der Radialbewegung Ist man an der Bahnkurve r = r(ϕ) r = r(t) diskutiert. interessiert, so benutzt man die Drehimpulserhaltung (2.15), um die Zeitabhängigkeit durch die Winkelabhängigkeit auszudrücken: dt = m 2 r dϕ J (4.1) Dies macht oenbar nur dann einen Sinn, wenn der Anfangsdrehimpuls Für J =0 J = J(0) 6= 0 ist. bewegt sich das Teilchen immer auf einer Geraden, wie wir bereits früher gesehen haben. Aus der Energieerhaltung (2.27) erhält man dann eine Dierentialgleichung für die Bahnkurve: J2 1 · 2m r4 Für die oben erwähnte Kreisbahn ist: dr dϕ dr dϕ 2 dr dϕ = 0. + V (r) + J2 =E 2mr2 (4.2) Wir beschränken uns im folgenden auf den Fall 6= 0. Die Integration der Dierentialgleichung erfolgt mit der Methode der Separation der Variablen: 1. Auösung nach dr dϕ : r J2 E − V (r) − 2mr2 12 J2 E − V (r ) − 2mr2 − 12 2m J2 J dr0 dϕ = √ · 02 2m r dr = r2 · dϕ (4.3) 2. Separation der Variablen: 0 3. Integration über ϕ0 auf der rechten und r(ϕ) Z ϕ − ϕ0 = r(ϕ0 ) dr0 · r02 0 dr0 (4.4) auf der linken Seite: 2m 1 E − V (r ) 2 − 02 J r 0 − 1 2 (4.5) Die Berechnung dieses Integrals für das Gravitationspotential wird in den Übungen vorgeführt. Mit Hilfe der Variablensubstitution u0 = 1 r0 v 0 = ε−1 u0 l − 1 (4.6) 2E ·l+1 α (4.7) wobei r J2 l= αm ε= wird das Integral (4.5) in diese Form gebracht: Z v ϕ − ϕ0 = v0 √ dv 0 = arccos v − arccos v0 1 − v 02 (4.8) 18 4 oder nach v DIE BAHNKURVEN IM GRAVITATIONSPOTENTIAL aufgelöst: l v = cos(ϕ − ψ0 ) = ε mit ψ0 = ϕ0 − arccos v0 . 1 1 − r l (4.9) (4.9) beschreibt den Zusammenhang zwischen r und ϕ: r(ϕ) = l (1 + ε cos(ϕ − ψ0 ))−1 (4.10) längs der Bahnkurve. (4.10) stellt Kegelschnitte in Polarkoordinaten dar. Entsprechend den Werten für die Gesamtenergie E ergeben sich folgende Situationen: 1. Gebundene Bewegung: E<0 r = r(φ) α>0 ε2 = 2El +1<1 α r2 = l 1−ε variiert zwischen den Umkehrpunkten r1 = und ist periodisch in l 1+ε ϕ. r(ϕ • Der groÿen Halbachse • Der Exzentrizität (4.12) stellt eine Ellipse dar mit r1 +r2 2 r1 −r2 r1 +r2 = l 1−ε2 =ε Abbildung 4: Ellipse im Keplerproblem (Energie letztere Beschreibt die Abweichung von der Kreisbahn (ε vom Kraftzentrum erhält man für ε (4.11) ϕ = 0. E < 0) = 0). Den kürzesten Abstand Man beachte, daÿ die Bahnparameter alleine durch die Anfangsbedingungen d.h. durch die Gesamtenergie Bahndrehimpuls J E l und und den gegeben sind. 2. Innite Bewegung mit E>0 ε2 = α>0 Jetzt liefert die Bahngleichung (4.10) eine Hyperbel für l = 1 + ε cos ϕ > 0 r mit Asymptoten für E < 0: (4.13) ψ0 = 0: cos ϕ > − cos ϕ0 = − 1ε : −ϕ0 ≤ ϕ ≤ ϕ0 Abbildung 5: 2El +1>0 α Hyperbelbahn 1 ε (4.14) 19 3. Innite Bewegung im Grenzfall E=0 für ψ0 =0 α>0 (4.15) liefert die Bahngleichung (4.10) eine Parabel: l = 1 + cos ϕ > 0 r ϕ ε=0 darf jetzt den ganzen Bereich cos ϕ > −1 −π ≤ ϕ ≤ π Abbildung 6: Grenzfall E = 0: (4.16) überstreichen. Parabelförmige Bahn Auf dieser Folie sehen Sie die Bahndaten für die Planeten unseres Sonnensystems. Die erste Spalte zeigt den mittleren Sonnenabstand oder die groÿe Halbachse dann in astronomischen Einheiten Millionen km. AE . 1AE r1 +r2 einmal in 2 entspricht dem Abstand Erde-Sonne von km, 150 Die siderische Umlaufzeit ist die Zeit, die der Planet für eine Umkreisung der Sonne braucht. Die synodische Umlaufzeit gibt die Zeit an, wann der Planet von der Erde aus wieder an der selben Position erscheint; diese Zeit wird weitgehend durch die Umlaufzeit der Erde um die Sonne bestimmt, wie man an der Beobachtung des entferntesten Planeten Pluto mit einer siderischen Umlaufzeit von fast 250 Jahren ersieht. Man beachte, daÿ jeder Planet seine eigenen Anfangsbedingungen hat; diese legen einerseits die Bahnparameter l und ε (=Exzentrizität) fest, andererseits die Bahnebene. Es ist nicht so, daÿ alle Planetenbahnen in der selben Ebene verlaufen müssen. Dieses würde erfordern, daÿ der liebe Gott beim Schöpfungsakt ganz spezielle Anfangswerte für die Orte und Geschwindigkeiten der Planeten gewählt hätte. Die spezielle Ebene, in der die Erdbahn um die Sonne verläuft, heiÿt Ekliptik. Die Bahnebenen der anderen Planeten sind um einen Winkel der in dieser Spalte aufgeführt ist gegenüber der Ekliptik geneigt. Dieser Winkel ist am gröÿten für Pluto; Pluto besitzt auch die gröÿte Bahnexzentrizität ε.