GEO Dossier

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Erdgeschichte: Plattentektonik
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G Dossier
Die Drift der
Kontinente
Die äußere Schale unserer Erde ist in einzelne Platten
zerbrochen. Diese tragen die Kontinente und Ozeanböden und
schwimmen auf dem plastischen Teil des Erdmantels. Weil der,
ähnlich wie siedendes Wasser in einem Topf, unablässig in Bewegung
ist, kollidieren oder verhaken sich die Platten. Die Folge sind
Vulkanausbrüche, Erdbeben und Gebirgsbildungen.
Unter Island steigt
heißes Magma auf
und treibt die Platten
Eurasiens und Nordamerikas auseinander.
Bei Thingvellir hat
das zu einem 60
bis 90 Meter breiten
Graben geführt
(Straßen und Häuser
sind auf diesem
Foto wegretuschiert,
um den Naturzustand
darzustellen)
Plattentektonik
Text: Jörn Auf
dem Kampe
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V
or gut einer Milliarde Jahren hätte ein Wanderer vom heutigen
Skandinavien aus zu Fuß Nordamerika erreichen können. Denn
damals war der größte Teil der globalen Landmasse in einem
Riesenkontinent verbunden. Dessen Zentrum bildete vermutlich
Laurentia, das Ur-Amerika. Australien lag hoch im Norden, gleich neben
der östlichen Antarktis, und auch Indien war nicht weit entfernt.
Viel mehr wissen Geologen nicht über das Aussehen dieses Großkontinents, den sie Rodinia genannt haben. Für gesichert aber halten sie, dass
er vor rund 750 Millionen Jahren auseinander gebrochen ist. Und dass es
andere Riesenkontinente gegeben hat, vor und nach Rodinia. Schlüsse darauf erlaubt die Weltkarte von heute. Südamerikas Ostküste beispielsweise
passt wie in einem Puzzle zur Westküste des südlichen Afrika.
Um zu verstehen, wieso die Erde ihre Oberfläche verändern kann,
muss man sich Folgendes klar machen: Die äußerste Schale unseres Planeten besteht derzeit aus sieben riesigen und zahlreichen kleineren Lithosphären-Platten, die auseinander driften, aneinander vorbeigleiten oder
kollidieren. In diese driftenden Platten eingebettet sind: ein Kontinent
(dann spricht man von kontinentaler Kruste) oder ein Stück Meeresboden
(ozeanische Kruste) oder beides.
Mit ihrem ungeheuren Gewicht lasten die rund 100 Kilometer mächtigen Platten auf einer verformbaren Schicht im oberen Erdmantel, der Asthenosphäre, die für sie eine Art zähes Schmiermittel ist. Sie können auf
ihr, gigantischen Flößen gleich, hinweggleiten. Und das verursacht die Be-
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Südamerikas ab: Dort wird die pazifische Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte gedrückt, pro Jahr um zehn Zentimeter. (Bei einer Kollision zwischen kontinentaler und ozeanischer Kruste sinkt stets die ozeanische ab – sie ist dichter und damit schwerer. Kontinentale Landmasse
bleibt dagegen fast immer erhalten.) Durch die ungeheuren Zugkräfte, die
beim Absinken entstehen, reißt am anderen Ende einer Platte die Erdkruste auf – im Falle der Nazca-Platte etwa 3200 Kilometer westlich. Dort spaltet sich der unterseeische Boden pro Jahr um 7,6 Zentimeter.
W E LT I N B E W E G U N G
Wenn Kontinente schieben und zerren, dann gestalten sie die Kruste des Planeten
um – und schwimmen dabei auf dem flüssigen Gestein der Tiefe.
Eurasische Platte
Eurasische Platte
Juan-de-FucaPlatte
wegung der Kontinente, die Entstehung von Vulkanen und neuen Ozeanen, die Entstehung von Gebirgen, nicht zuletzt Erdbeben.
Sämtliche Erkenntnisse über die unaufhörliche Mobilität dieser
äußersten, starren Schale der Erde, der Lithosphäre, haben die Geologen in
einer umfassenden Theorie gebündelt: der Lehre von der Plattentektonik.
Sie beschreibt die Bewegungen der Lithosphären-Platten und die zwischen
ihnen wirkenden Kräfte und gilt heute als Grundlage der modernen Geologie. Dass aber die wandernden Platten, die wie ein Mosaik die Erdoberfläche bedecken, sich nicht gegenseitig den Weg versperren, folgt aus der
so genannten Subduktion: Immer wieder werden Platten bei der Kollision
mit einer anderen in die Tiefe gedrückt, sodass sie in den heißen Erdmantel versinken. Dabei gelangt eine Platte in eine Zone mit deutlich höherem
Druck und höheren Temperaturen. Die Minerale in ihrem Gestein wandeln
sich um, sodass die Platte dichter und damit schwerer wird und noch weiter hinabsinkt. Derzeit spielt sich ein solcher Prozess vor der Westküste
Nordamerikanische
Platte
C
Anatolische
Platte
F
B
Arabische Platte
Philippinische
Platte
Eine Platte taucht unter die
andere und versinkt in der heißen
Tiefe des Erdinneren
Kontinentporträt
Südamerika, Bd. 2
Karibische
Platte
Pazifische Platte
Afrikanische Platte
Cocos-Platte
IndischAustralische
Platte
E
Somalische
Subplatte
Südamerikanische
Platte
NazcaPlatte
A
D
Plattengrenze
Antarktische
Platte
Vulkane
Subduktionszonen
Kollisionszonen
Die Buchstaben korrespondieren mit den Beschreibungen auf Seite 469
Sieben große und zahlreiche kleinere Platten bilden
untermeerische Gebirge (D). Gleiten Platten anein-
die Oberfläche unseres Planeten – wie die Teile eines
ander vorbei, können sie sich ineinander verhaken
gigantischen Puzzles. Sie sind, wenn auch sehr lang-
und Spannungen aufbauen, die sich mit einem Ruck
sam, ständig in Bewegung. Die treibende Kraft dafür
lösen – als Erdbeben (F). Prallen sie aufeinander,
sind Bewegungen im plastischen Erdmantel, auf
schiebt sich meist eine unter die andere und versinkt
dem die starren Erdschollen schwimmen, sowie das
in einer so genannten Subduktionszone in den Erd-
Gewicht der abtauchenden Platten selbst. Wo zwei
mantel (A, C). Die obere Platte wird dabei in der
Platten auseinander driften, reißt die Erdkruste auf,
Kollisionsregion emporgedrückt: Vulkane (rote Punk-
und glutflüssiges Gestein quillt hervor (E). Meistens
te) brechen aus, und mächtige Gebirge wachsen (B).
geschieht das am Grund der Ozeane – so entstehen
Erdbeben sind in solchen Zonen häufig.
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