566 B 20 Hormone 20 Hormone 20 Hormone 20.1 Pankreashormone 20.1 Pankreashormone Neben den Verdauungssekreten sezerniert das Pankeas als endokrine Drüse auch die beiden wichtigsten Regulatoren des Glucosestoffwechsels, Insulin und Glukagon. Neben seiner Rolle als Verdauungssekrete sezernierende exokrine Drüse erfüllt das Pankreas eine lebenswichtige Funktion als endokrine Drüse: Es bildet und sezerniert die beiden Hauptregulatoren des Glucosestoffwechsels, Insulin und Glukagon. Der Glucosespiegel wird normalerweise zwischen 80 und 120 mg/dl konstant gehalten, um eine ausreichende Versorgung der glucoseabhängigen Organe wie Gehirn und Erythrozyten zu gewährleisten. Andererseits darf der Glucosespiegel nicht zu hoch sein, da sonst pathologische Effekte auftreten (Diabetes mellitus). 20.1.1 Insulin 20.1.1 Insulin E Definition E Definition. Insulin ist ein Peptidhormon, das in den B-Zellen des Pankreas gebildet wird. Es senkt die Blutglucosekonzentration und fördert die Bildung von Energiespeichern (Glykogen, Triacylglycerine) und das Zellwachstum. Struktur und Biosynthese Struktur und Biosynthese Insulin besteht aus einer A- und einer B-Kette, die über Disulfidbrücken zusammenhängen (Abb. B-20.1). Insulin besteht aus zwei Peptidketten, einer A-Kette mit 21 Aminosäuren und einer B-Kette mit 30 Aminosäuren. Beide Peptidketten werden über zwei Disulfidbrücken zusammengehalten (Abb. B-20.1). Die Synthese erfolgt wie bei allen Peptidhormonen am rauen endoplasmatischen Retikulum. Zunächst wird ein einkettiges Vorläufermolekül (Präproinsulin) gebildet, das unter Abspaltung des Signalpeptids in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums transportiert wird (Proinsulin). Es durchläuft den Golgi-Apparat und wird in sekretorischen Vesikeln gespeichert. Auf dem Weg wird die Vorstufe proteolytisch prozessiert: Ein Teil des Peptids, das sog. C-Peptid, wird abgespalten, so dass das reife Hormon Insulin entsteht (Abb. B-20.1). Die Prozessierung ist für die biologische Aktivität essenziell und wird von einer Protease aus der Familie der Prohormon-Konvertasen durchgeführt. Das Hormon wird zusammen mit dem abgespaltenen C-Peptid in Form von kompakten Zink-Komplexen gespeichert. Am rauen ER entsteht Präproinsulin, aus dem durch Abspaltung des Signalpeptids Proinsulin wird. Aus Proinsulin entsteht durch Abspaltung des C-Peptids das reife Hormon Insulin (Abb. B-20.1). Insulin wird zusammen mit dem abgespaltenen C-Peptid in Form von kompakten Zink-Komplexen gespeichert und bei Bedarf sezerniert. B-20.1 B-20.1 Biosynthese von Insulin Signalpeptid Präproinsulin Abspaltung des Signalpeptids Faltung im ER C-Peptid S S S S S S Proinsulin inaktiv Prozessierung im Golgi-Apparat A-Kette B-Kette S S S S S S reifes Insulin aktiv Ein kritischer Schritt ist die proteolytische Abspaltung des C-Peptids: Durch sie entsteht aus dem einkettigen, inaktiven Proinsulin das aktive, zweikettige Insulin. ER: endoplasmatisches Retikulum. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG B 567 20.1 Pankreashormone E klinik. Bei der Sekretion von Insulin gelangt auch C-Peptid ins Blut und kann somit in der klinischen Diagnostik als Maû für die Insulin-Syntheseleistung des Pankreas dienen. F klinik Sekretion Sekretion Der primäre Stimulus für die Sekretion von Insulin ist ein hoher Glucosespiegel im Blut. Die Sekretion wird aber durch Enterohormone (z. B. gastroinhibitorisches Peptid, GIP) gesteigert: Eine orale Gabe derselben Glucosemenge führt zu einer stärkeren Insulinausschüttung als eine parenterale Verabreichung. Die Sekretion wird durch Adrenalin und Somatostatin gehemmt. Der Mechanismus der glucoseinduzierten Insulinsekretion ist gut untersucht (Abb. B-20.2). Eine Schlüsselstellung besitzt ein ATP-abhängiger K+-Kanal. Der Kanal wird durch ATP gehemmt. Dies führt zur Depolarisation der Zellmembran, wodurch Ca2+-Kanäle geöffnet werden, so dass Ca2+ einströmen und die Exozytose der gespeicherten Granula auslösen kann. Bei niedrigem ATP-Spiegel in der Zelle ist der K+-Kanal offen, so dass die Zelle hyperpolarisiert und die Exozytose gehemmt wird. Ein hoher ATP-Spiegel in der B-Zelle stimuliert also die Freisetzung von Insulin, ein niedriger ATP-Spiegel hemmt sie. Die Korrelation zwischen extrazellulärem Glucoseangebot und ATP-Spiegel in der B-Zelle wird wie folgt erreicht: Glucose gelangt mittels des GLUT2-Transporterproteins in die B-Zelle (wie auch in die Hepatozyten, S. 670) und wird durch die Glucokinase phosphoryliert. Beide Proteine haben hohe Km-Werte (Michaelis-Menten-Konstanten), also eine geringe Affinität, so dass sie bei einem erhöhten Angebot an Glucose unmittelbar mit einer Steigerung der Transportaktivität reagieren und Glucose so der Plasmaglucosekonzentration entsprechend umsetzen können. Anschlieûend wird die Glucose über Glykolyse, Citratzyklus und Atmungskette unter ATP-Gewinnung vollständig abgebaut, so dass die ATP-Bildung dem Glucosespiegel proportional ist. Der primäre Stimulus für die Sekretion von Insulin ist ein hoher Glucosespiegel im Blut, die Sekretion wird aber durch Enterohormone gesteigert. B-20.2 Mechanismus der glucoseinduzierten Insulinsekretion K Eine Schlüsselstellung im Mechanismus der glucoseinduzierten Insulinsekretion besitzt ein durch ATP gehemmter K+-Kanal (Abb. B-20.2). Die Aufnahme der Glucose über GLUT2, die Phosphorylierung durch die Glucokinase und der aerobe Abbau zu CO2 und Wasser sind so reguliert, dass die ATP-Bildung dem Blutglucosespiegel proportional ist. Die Folgen bei hohem Blutglucosespiegel sind: n Hemmung des K ATP-Kanals, n Depolarisation der Plasmamembran, n Exozytose von Speichergranula mit Insulin. B-20.2 + ATP-abhängiger Kaliumkanal ATP-Bindungsstelle ATP Ca2+ spannungsabhängiger Calciumkanal Glykolyse Citratzyklus Atmungskette GLUT2 Glucosei Glucose Exozytose Insulin Abbau Abbau Insulin hat im Blut nur eine Halbwertszeit von einigen Minuten. Der Abbau erfolgt vor allem durch Endozytose des Insulin-Rezeptor-Komplexes und seine Zerlegung in den Lysosomen. Er erfolgt durch Endozytose des Insulin-Rezeptor-Komplexes. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG 568 Molekulare Mechanismen der Insulinwirkung B 20 Hormone Molekulare Mechanismen der Insulinwirkung Der Insulinrezeptor ist eine Rezeptortyrosinkinase. Er ist ein Tetramer aus zwei á-Untereinheiten (binden Insulin) und zwei â-Untereinheiten mit Tyrosinkinaseaktivität (Abb. B-20.3). Insulin wirkt über einen Rezeptor, der zur Familie der Rezeptortyrosinkinasen gehört. Der Insulinrezeptor besteht aus vier Untereinheiten: n zwei extrazellulär gelegenen á-Untereinheiten, die zusammen ein Insulinmolekül binden, n zwei membranspannenden â-Untereinheiten, die Tyrosinkinaseaktivität besitzen (Abb. B-20.3). Nach Bindung von Insulin an den Rezeptor werden am Rezeptor Tyrosinreste phosphoryliert, die als Andockstellen für Phosphotyrosin bindende Proteine dienen. So wird Ras stimuliert, das Wachstumsprozesse induziert. Die Bindung von Insulin an den Insulinrezeptor führt zur Aktivierung der Kinasedomänen durch Autophosphorylierung (S. 559) und zur Phosphorylierung von Tyrosinresten auûerhalb der Kinasedomänen, die als Andockstellen für Phosphotyrosin bindende Proteine dienen. Ein solches Protein ist der ¹Adapterª GRB2, dessen Bindung an die Andockstelle zur Aktivierung von Ras (S. 560) und so zur Induktion von Wachstumsprozessen führt. Für die metabolischen Funktionen des Insulins hingegen ist die Bindung des Insulinrezeptorsubstrats (IRS) an ein Phosphotyrosin essenziell. Nach Phosphorylierung von Tyrosinresten des IRS durch die Kinasedomänen des Rezeptors binden weitere Signaltransduktionsmoleküle an das IRS und werden aktiviert (Abb. B-20.3); das für den Metabolismus wichtigste ist die PI3-Kinase. Diese Kinase phosphoryliert das Membranphospholipid Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP2) in Position 3, so dass Phosphatidylinositol3,4,5-trisphosphat (PIP3) entsteht (Abb. B-20.4 a). Zahlreiche Proteine besitzen Bindedomänen für PIP3, so auch die für die Insulinsignaltransduktion wichtige Proteinkinase B (PKB = Akt-Kinase). Diese Kinase wird an der Zellmembran durch zwei weitere Kinasen (PDKs, PIP3-dependent kinases), die ebenfalls durch PIP3 zur Zellmembran rekrutiert werden, an zwei Stellen phosphoryliert und dadurch aktiviert (Abb. B-20.4 b). Die an der Plasmamembran lokalisierte aktive PKB phosphoryliert zahlreiche Proteine. So wird die Phosphodiesterase 3B durch Phosphorylierung aktiviert und senkt den cAMP-Spiegel in der Zelle, die Glykogen-Synthase-Kinase 3 (GSK 3) wird inaktiviert, so dass die Inhibition der Glykogen-Synthase entfällt. Die PKB ist auch, zusammen mit anderen Faktoren, an der Fusion der GLUT4-Vesikel mit der Plasmamembran (Translokation, s. u.) und der Stimulation der Proteinbiosynthese beteiligt (Abb. B-20.4 b). B-20.3 B-20.3 Signaltransduktion durch Insulin Insulin Rezeptor P Ras SOS GRB2 P Y-Kinase Die PKB vermittelt zahlreiche Schlüsselreaktionen der Insulinwirkung (Abb. B-20.4 b). Y-Kinase Die metabolischen Wirkungen werden durch die Signaltransduktionskaskade Insulinrezeptorsubstrat (IRS) ? PI3-Kinase ? Proteinkinase B (PKB) (Abb. B-20.4) vermittelt. P P P IRS P andere Wege GRB2 SOS Ras P PI3-Kinase Proteinkinase B (Akt-Kinase) IRS = Insulin-Rezeptor-Substrat, Y-Kinase = Tyrosinkinase. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG 569 20.1 Pankreashormone B Signaltransduktion des aktivierten Insulinrezeptors B-20.4 PIP3 PIP2 PI3-K P P P P IRS P P P P P P PIP3 R K P P P inaktiv P ATP Phosphodiesterase P ADP a b P P PDK P P P PKB P P PDK P P PKB P P P P aktiv Translation Phosphorylierung von Initiations- und Elongationsfaktoren a Aktivierung der PI3-Kinase. R: regulatorische Untereinheit, K: katalytische Untereinheit der PI3-Kinase. E klinik. Insulinmangel erzeugt das Krankheitsbild des Diabetes mellitus. Beim Typ-1-Diabetes liegt eine verminderte Insulinsekretion vor, da die B-Zellen aufgrund einer Autoimmunerkrankung zerstört sind. Er lässt sich nur durch Insulinsubstitution behandeln (in der Regel wird rekombinant hergestelltes Humaninsulin verwendet). Bei Typ2-Diabetes ist die Insulinwirkung auf die Zielzellen vermindert. Erblich bedingte oder häufiger erworbene Ursachen sind: n eine Resistenz der normalerweise Insulin-empfindlichen Gewebe gegen die Insulinwirkung aufgrund von Störungen der Signaltransduktion (z. B. verringerte Aktivität oder Expression des Insulinrezeptors oder des IRS, gestörte Translokation von GLUT4) n und/oder eine Funktionsstörung der B-Zellen (z. B. abnorme Ansprechbarkeit des ATP-abhängigen K+-Kanals, Defekte der Prozessierung und Sekretion von Insulin, Degeneration von B-Zellen). Sehr oft liegt eine Kombination beider Faktoren vor: Zunächst besteht eine Insulinresistenz, die durch gesteigerte Insulinsekretion (Hyperinsulinämie) und eine Vergröûerung der B-Zellmasse kompensiert wird. Im Laufe der GSK3 GlykogenSynthase GLUT4-Translokation in die Plasmamembran b Aktivierung der Proteinkinase B (PKB) mit Hilfe zweier PIP3-abhängiger Kinasen (PDK) sowie wichtige Folgereaktionen Jahre degenerieren die B-Zellen dann. Pathogenetisch bedeutsam ist ein hohes Übergewicht, insbesondere vermehrtes viszerales Fettgewebe. Damit verbunden sind erhöhte Spiegel an freien Fettsäuren, die neben Dysregulation des Glucose- und Fettstoffwechsels (z. B. Hemmung der Glucoseaufnahme im Muskel, Stimulation der Gluconeogenese, abnorme Deposition von Triglyceriden in vielen Geweben) die Insulinresistenz verstärken und auf Dauer sogar zur Apoptose von B-Zellen des Pankreas führen können (¹Lipotoxizitätª). Der Diabetes mellitus Typ 2 ist im typischen Fall mit Adipositas, Bluthochdruck, Arteriosklerose und Hypertriglyceridämie verbunden, die gemeinsam als metabolisches Syndrom bezeichnet werden. Im Frühstadium ist eine Umstellung der Ernährungs-/Lebensgewohnheiten als Therapie häufig ausreichend. Später lässt sich in leichteren Erkrankungsfällen die Insulinsekretion durch Sulfonylharnstoffe steigern. Diese stimulieren die Insulinsekretion, indem sie den ATP-abhängigen K+-Kanal der B-Zelle hemmen. Thiazolidindione aktivieren PPARã (S. 565) und steigern so die Aufnahme von freien Fettsäuren und Glucose in die Zelle. Die Empfindlichkeit der Zellen für Insulin nimmt zu. Zelluläre Wirkungen von Insulin Zelluläre Wirkungen von Insulin Insulin beeinflusst den Stoffwechsel fast aller Gewebe. Insulinunabhängig sind im Wesentlichen Erythrozyten, Niere und Darmmukosa. Die wichtigsten Insulinabhängigen Organe sind Leber, Muskel und Fettgewebe. Bei der Wirkung von Insulin lassen sich schnelle, durch Aktivierung bereits vorhandener Proteine verursachte, und langsame, durch Enzyminduktion oder -repression verursachte Effekte unterscheiden. Die wichtigsten Insulin-abhängigen Organe sind Leber, Muskel und Fettgewebe. Schnelle Stoffwechselwirkungen Schnelle Stoffwechselwirkungen Senkung des Blutzuckerspiegels: Senkung des Blutzuckerspiegels: E Merke. Insulin steigert die Glucoseaufnahme in Skelettmuskel- und Fett- zellen um ein Vielfaches, indem es den Einbau von GLUT4 in die Plasmamembran stimuliert. Auf diese Weise sinkt der Blutzuckerspiegel innerhalb von Minuten. Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG F Merke