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B
20 Hormone
20
Hormone
20 Hormone
20.1
Pankreashormone
20.1 Pankreashormone
Neben den Verdauungssekreten sezerniert
das Pankeas als endokrine Drüse auch die
beiden wichtigsten Regulatoren des Glucosestoffwechsels, Insulin und Glukagon.
Neben seiner Rolle als Verdauungssekrete sezernierende exokrine Drüse erfüllt
das Pankreas eine lebenswichtige Funktion als endokrine Drüse: Es bildet und
sezerniert die beiden Hauptregulatoren des Glucosestoffwechsels, Insulin und
Glukagon. Der Glucosespiegel wird normalerweise zwischen 80 und 120 mg/dl
konstant gehalten, um eine ausreichende Versorgung der glucoseabhängigen
Organe wie Gehirn und Erythrozyten zu gewährleisten. Andererseits darf der
Glucosespiegel nicht zu hoch sein, da sonst pathologische Effekte auftreten
(Diabetes mellitus).
20.1.1 Insulin
20.1.1 Insulin
E Definition
E Definition. Insulin ist ein Peptidhormon, das in den B-Zellen des Pankreas
gebildet wird. Es senkt die Blutglucosekonzentration und fördert die Bildung
von Energiespeichern (Glykogen, Triacylglycerine) und das Zellwachstum.
Struktur und Biosynthese
Struktur und Biosynthese
Insulin besteht aus einer A- und einer
B-Kette, die über Disulfidbrücken zusammenhängen (Abb. B-20.1).
Insulin besteht aus zwei Peptidketten, einer A-Kette mit 21 Aminosäuren und
einer B-Kette mit 30 Aminosäuren. Beide Peptidketten werden über zwei Disulfidbrücken zusammengehalten (Abb. B-20.1).
Die Synthese erfolgt wie bei allen Peptidhormonen am rauen endoplasmatischen Retikulum. Zunächst wird ein einkettiges Vorläufermolekül (Präproinsulin) gebildet, das unter Abspaltung des Signalpeptids in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums transportiert wird (Proinsulin). Es durchläuft den
Golgi-Apparat und wird in sekretorischen Vesikeln gespeichert. Auf dem Weg
wird die Vorstufe proteolytisch prozessiert: Ein Teil des Peptids, das sog. C-Peptid, wird abgespalten, so dass das reife Hormon Insulin entsteht (Abb. B-20.1).
Die Prozessierung ist für die biologische Aktivität essenziell und wird von einer
Protease aus der Familie der Prohormon-Konvertasen durchgeführt.
Das Hormon wird zusammen mit dem abgespaltenen C-Peptid in Form von
kompakten Zink-Komplexen gespeichert.
Am rauen ER entsteht Präproinsulin, aus
dem durch Abspaltung des Signalpeptids
Proinsulin wird. Aus Proinsulin entsteht
durch Abspaltung des C-Peptids das reife
Hormon Insulin (Abb. B-20.1).
Insulin wird zusammen mit dem abgespaltenen C-Peptid in Form von kompakten
Zink-Komplexen gespeichert und bei Bedarf sezerniert.
B-20.1
B-20.1
Biosynthese von Insulin
Signalpeptid
Präproinsulin
Abspaltung des
Signalpeptids
Faltung
im ER
C-Peptid
S
S
S
S
S
S
Proinsulin inaktiv
Prozessierung
im Golgi-Apparat
A-Kette
B-Kette
S
S
S
S
S
S
reifes Insulin aktiv
Ein kritischer Schritt ist die proteolytische Abspaltung des C-Peptids: Durch sie entsteht aus
dem einkettigen, inaktiven Proinsulin das aktive, zweikettige Insulin. ER: endoplasmatisches
Retikulum.
Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG
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20.1 Pankreashormone
E klinik. Bei der Sekretion von Insulin gelangt auch C-Peptid ins Blut und kann
somit in der klinischen Diagnostik als Maû für die Insulin-Syntheseleistung
des Pankreas dienen.
F klinik
Sekretion
Sekretion
Der primäre Stimulus für die Sekretion von Insulin ist ein hoher Glucosespiegel
im Blut. Die Sekretion wird aber durch Enterohormone (z. B. gastroinhibitorisches Peptid, GIP) gesteigert: Eine orale Gabe derselben Glucosemenge führt zu
einer stärkeren Insulinausschüttung als eine parenterale Verabreichung. Die
Sekretion wird durch Adrenalin und Somatostatin gehemmt.
Der Mechanismus der glucoseinduzierten Insulinsekretion ist gut untersucht
(Abb. B-20.2). Eine Schlüsselstellung besitzt ein ATP-abhängiger K+-Kanal. Der
Kanal wird durch ATP gehemmt. Dies führt zur Depolarisation der Zellmembran,
wodurch Ca2+-Kanäle geöffnet werden, so dass Ca2+ einströmen und die Exozytose der gespeicherten Granula auslösen kann. Bei niedrigem ATP-Spiegel in
der Zelle ist der K+-Kanal offen, so dass die Zelle hyperpolarisiert und die Exozytose gehemmt wird.
Ein hoher ATP-Spiegel in der B-Zelle stimuliert also die Freisetzung von Insulin,
ein niedriger ATP-Spiegel hemmt sie. Die Korrelation zwischen extrazellulärem
Glucoseangebot und ATP-Spiegel in der B-Zelle wird wie folgt erreicht: Glucose
gelangt mittels des GLUT2-Transporterproteins in die B-Zelle (wie auch in die
Hepatozyten, S. 670) und wird durch die Glucokinase phosphoryliert.
Beide Proteine haben hohe Km-Werte (Michaelis-Menten-Konstanten), also eine
geringe Affinität, so dass sie bei einem erhöhten Angebot an Glucose unmittelbar mit einer Steigerung der Transportaktivität reagieren und Glucose so der
Plasmaglucosekonzentration entsprechend umsetzen können. Anschlieûend
wird die Glucose über Glykolyse, Citratzyklus und Atmungskette unter ATP-Gewinnung vollständig abgebaut, so dass die ATP-Bildung dem Glucosespiegel
proportional ist.
Der primäre Stimulus für die Sekretion von
Insulin ist ein hoher Glucosespiegel im Blut,
die Sekretion wird aber durch Enterohormone gesteigert.
B-20.2
Mechanismus der glucoseinduzierten Insulinsekretion
K
Eine Schlüsselstellung im Mechanismus der
glucoseinduzierten Insulinsekretion besitzt
ein durch ATP gehemmter K+-Kanal
(Abb. B-20.2).
Die Aufnahme der Glucose über GLUT2, die
Phosphorylierung durch die Glucokinase und
der aerobe Abbau zu CO2 und Wasser sind so
reguliert, dass die ATP-Bildung dem Blutglucosespiegel proportional ist. Die Folgen
bei hohem Blutglucosespiegel sind:
n Hemmung des K
ATP-Kanals,
n Depolarisation der Plasmamembran,
n Exozytose von Speichergranula mit Insulin.
B-20.2
+
ATP-abhängiger Kaliumkanal
ATP-Bindungsstelle
ATP
Ca2+
spannungsabhängiger
Calciumkanal
Glykolyse
Citratzyklus
Atmungskette
GLUT2
Glucosei
Glucose
Exozytose
Insulin
Abbau
Abbau
Insulin hat im Blut nur eine Halbwertszeit von einigen Minuten. Der Abbau
erfolgt vor allem durch Endozytose des Insulin-Rezeptor-Komplexes und seine
Zerlegung in den Lysosomen.
Er erfolgt durch Endozytose des Insulin-Rezeptor-Komplexes.
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Molekulare Mechanismen der
Insulinwirkung
B
20 Hormone
Molekulare Mechanismen der Insulinwirkung
Der Insulinrezeptor ist eine Rezeptortyrosinkinase. Er ist ein Tetramer aus zwei
á-Untereinheiten (binden Insulin) und zwei
â-Untereinheiten mit Tyrosinkinaseaktivität
(Abb. B-20.3).
Insulin wirkt über einen Rezeptor, der zur Familie der Rezeptortyrosinkinasen
gehört. Der Insulinrezeptor besteht aus vier Untereinheiten:
n zwei extrazellulär gelegenen á-Untereinheiten, die zusammen ein Insulinmolekül binden,
n zwei membranspannenden â-Untereinheiten, die Tyrosinkinaseaktivität besitzen (Abb. B-20.3).
Nach Bindung von Insulin an den Rezeptor
werden am Rezeptor Tyrosinreste phosphoryliert, die als Andockstellen für Phosphotyrosin bindende Proteine dienen. So wird
Ras stimuliert, das Wachstumsprozesse induziert.
Die Bindung von Insulin an den Insulinrezeptor führt zur Aktivierung der Kinasedomänen durch Autophosphorylierung (S. 559) und zur Phosphorylierung von
Tyrosinresten auûerhalb der Kinasedomänen, die als Andockstellen für Phosphotyrosin bindende Proteine dienen. Ein solches Protein ist der ¹Adapterª
GRB2, dessen Bindung an die Andockstelle zur Aktivierung von Ras (S. 560)
und so zur Induktion von Wachstumsprozessen führt.
Für die metabolischen Funktionen des Insulins hingegen ist die Bindung des
Insulinrezeptorsubstrats (IRS) an ein Phosphotyrosin essenziell.
Nach Phosphorylierung von Tyrosinresten des IRS durch die Kinasedomänen des
Rezeptors binden weitere Signaltransduktionsmoleküle an das IRS und werden
aktiviert (Abb. B-20.3); das für den Metabolismus wichtigste ist die PI3-Kinase.
Diese Kinase phosphoryliert das Membranphospholipid Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP2) in Position 3, so dass Phosphatidylinositol3,4,5-trisphosphat (PIP3) entsteht (Abb. B-20.4 a). Zahlreiche Proteine besitzen
Bindedomänen für PIP3, so auch die für die Insulinsignaltransduktion wichtige
Proteinkinase B (PKB = Akt-Kinase). Diese Kinase wird an der Zellmembran
durch zwei weitere Kinasen (PDKs, PIP3-dependent kinases), die ebenfalls
durch PIP3 zur Zellmembran rekrutiert werden, an zwei Stellen phosphoryliert
und dadurch aktiviert (Abb. B-20.4 b).
Die an der Plasmamembran lokalisierte aktive PKB phosphoryliert zahlreiche
Proteine. So wird die Phosphodiesterase 3B durch Phosphorylierung aktiviert
und senkt den cAMP-Spiegel in der Zelle, die Glykogen-Synthase-Kinase 3 (GSK
3) wird inaktiviert, so dass die Inhibition der Glykogen-Synthase entfällt. Die
PKB ist auch, zusammen mit anderen Faktoren, an der Fusion der GLUT4-Vesikel
mit der Plasmamembran (Translokation, s. u.) und der Stimulation der Proteinbiosynthese beteiligt (Abb. B-20.4 b).
B-20.3
B-20.3
Signaltransduktion durch Insulin
Insulin
Rezeptor
P
Ras
SOS
GRB2
P
Y-Kinase
Die PKB vermittelt zahlreiche Schlüsselreaktionen der Insulinwirkung (Abb. B-20.4 b).
Y-Kinase
Die metabolischen Wirkungen werden
durch die Signaltransduktionskaskade Insulinrezeptorsubstrat (IRS) ? PI3-Kinase ?
Proteinkinase B (PKB) (Abb. B-20.4) vermittelt.
P
P
P
IRS
P
andere Wege
GRB2
SOS
Ras
P
PI3-Kinase
Proteinkinase B
(Akt-Kinase)
IRS = Insulin-Rezeptor-Substrat, Y-Kinase = Tyrosinkinase.
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20.1 Pankreashormone
B
Signaltransduktion des aktivierten Insulinrezeptors
B-20.4
PIP3
PIP2
PI3-K
P
P
P
P
IRS
P
P
P
P
P
P
PIP3
R K
P
P
P
inaktiv
P
ATP
Phosphodiesterase
P
ADP
a
b
P
P
PDK
P
P
P
PKB
P
P
PDK
P
P
PKB
P
P
P
P
aktiv
Translation
Phosphorylierung von
Initiations- und Elongationsfaktoren
a Aktivierung der PI3-Kinase. R: regulatorische Untereinheit, K: katalytische Untereinheit der PI3-Kinase.
E klinik. Insulinmangel erzeugt das Krankheitsbild des Diabetes mellitus. Beim Typ-1-Diabetes liegt eine verminderte
Insulinsekretion vor, da die B-Zellen aufgrund einer Autoimmunerkrankung zerstört sind. Er lässt sich nur durch
Insulinsubstitution behandeln (in der Regel wird rekombinant hergestelltes Humaninsulin verwendet). Bei Typ2-Diabetes ist die Insulinwirkung auf die Zielzellen vermindert. Erblich bedingte oder häufiger erworbene Ursachen
sind:
n eine Resistenz der normalerweise Insulin-empfindlichen
Gewebe gegen die Insulinwirkung aufgrund von Störungen der Signaltransduktion (z. B. verringerte Aktivität
oder Expression des Insulinrezeptors oder des IRS, gestörte Translokation von GLUT4)
n und/oder eine Funktionsstörung der B-Zellen (z. B. abnorme Ansprechbarkeit des ATP-abhängigen K+-Kanals, Defekte der Prozessierung und Sekretion von Insulin, Degeneration von B-Zellen).
Sehr oft liegt eine Kombination beider Faktoren vor: Zunächst besteht eine Insulinresistenz, die durch gesteigerte
Insulinsekretion (Hyperinsulinämie) und eine Vergröûerung der B-Zellmasse kompensiert wird. Im Laufe der
GSK3
GlykogenSynthase
GLUT4-Translokation
in die Plasmamembran
b Aktivierung der Proteinkinase B (PKB) mit Hilfe zweier PIP3-abhängiger Kinasen (PDK) sowie wichtige Folgereaktionen
Jahre degenerieren die B-Zellen dann. Pathogenetisch bedeutsam ist ein hohes Übergewicht, insbesondere vermehrtes viszerales Fettgewebe. Damit verbunden sind
erhöhte Spiegel an freien Fettsäuren, die neben Dysregulation des Glucose- und Fettstoffwechsels (z. B. Hemmung der Glucoseaufnahme im Muskel, Stimulation der
Gluconeogenese, abnorme Deposition von Triglyceriden
in vielen Geweben) die Insulinresistenz verstärken und
auf Dauer sogar zur Apoptose von B-Zellen des Pankreas
führen können (¹Lipotoxizitätª). Der Diabetes mellitus
Typ 2 ist im typischen Fall mit Adipositas, Bluthochdruck,
Arteriosklerose und Hypertriglyceridämie verbunden, die
gemeinsam als metabolisches Syndrom bezeichnet werden. Im Frühstadium ist eine Umstellung der Ernährungs-/Lebensgewohnheiten als Therapie häufig ausreichend. Später lässt sich in leichteren Erkrankungsfällen
die Insulinsekretion durch Sulfonylharnstoffe steigern.
Diese stimulieren die Insulinsekretion, indem sie den
ATP-abhängigen K+-Kanal der B-Zelle hemmen. Thiazolidindione aktivieren PPARã (S. 565) und steigern so die Aufnahme von freien Fettsäuren und Glucose in die Zelle. Die
Empfindlichkeit der Zellen für Insulin nimmt zu.
Zelluläre Wirkungen von Insulin
Zelluläre Wirkungen von Insulin
Insulin beeinflusst den Stoffwechsel fast aller Gewebe. Insulinunabhängig sind
im Wesentlichen Erythrozyten, Niere und Darmmukosa. Die wichtigsten Insulinabhängigen Organe sind Leber, Muskel und Fettgewebe. Bei der Wirkung von
Insulin lassen sich schnelle, durch Aktivierung bereits vorhandener Proteine
verursachte, und langsame, durch Enzyminduktion oder -repression verursachte
Effekte unterscheiden.
Die wichtigsten Insulin-abhängigen Organe
sind Leber, Muskel und Fettgewebe.
Schnelle Stoffwechselwirkungen
Schnelle Stoffwechselwirkungen
Senkung des Blutzuckerspiegels:
Senkung des Blutzuckerspiegels:
E Merke. Insulin steigert die Glucoseaufnahme in Skelettmuskel- und Fett-
zellen um ein Vielfaches, indem es den Einbau von GLUT4 in die Plasmamembran stimuliert. Auf diese Weise sinkt der Blutzuckerspiegel innerhalb von
Minuten.
Rassow, Hauser, Netzker, Deutzmann, Duale Reihe, Biochemie (ISBN 3131253517), ã 2006 Georg Thieme Verlag KG
F Merke
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