von Magdalena Hoffmann, Alice Nikolic Herausforderungen im 21. Jahrhundert: Wenn Demenz, Delir und Depression zu ständigen Begleitern in der Geriatrie werden Einleitung Psychiatrisch auffällige Patient/inn/en werden in der Geriatrie immer öfter zu einer besonderen Herausforderung. Psychogeriatrische Patient/inn/en leiden neben multiplen somatischen Erkrankungen auch zunehmend unter psychischen Störungen, denen wir nur mit psychiatrischem Fachwissen, interdisziplinärer Kompetenz sowie multiprofessioneller Strategie gerecht werden können. Wurde früher klar zwischen psychisch kranken Menschen in der Psychiatrie und körperlich Kranken im Krankenhaus bzw. im Pflegeheim getrennt, finden sich seit den 90iger Jahren nun aber vermehrt alte und psychisch kranke Menschen in der Geriatrie wieder (vgl. Perrar/Sirsch/Kutschke 2007, S.58). Das stellt die Geriatrie vor eine besondere Herausforderung: Neben der Behandlung und Betreuung hochgradig pflegebedürftiger alter Menschen umfasst der Aufgabenbereich der Geriatrie nun auch die Auseinandersetzung mit verschiedenen psychiatrischen Krankheitsverläufen, zu denen das Management psychotischer Störungen unterschiedlichster Genese ebenso zählt wie das Wissen um Wirkprinzipien und Interaktionen von Psychopharmaka. Weiters sollten sozialmedizinische Aspekte und juristische Fragestellungen fester Bestandteil der Behandlung und Betreuung sein. Die drei „D“ und Psychosen Die drei „D“ – Demenz, Delir und Depression – gehören neben psychotischen Störungen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in der Geriatrie. Es folgt ein Überblick: Demenz Laut WHO ist Demenz ein Syndrom mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet (vgl. WGKK 2009). Zu den Hauptsymptomen zählen die Beeinträchtigung sowie ein späterer Verlust des Kurz- und Langzeitgedächtnisses. Etwa 100.000 Österreicher/innen leiden an einer demenziellen Erkrankung. 2050 wird diese Zahl auf etwa 230.000 angestiegen sein (vgl. ebd.). Delir Das Delir ist die häufigste psychische Störung im Alter. Es wird definiert als Verlust der Fähigkeit, mit der üblichen Klarheit und Kohärenz zu denken. Reaktionen auf Umweltstimuli sind unangemessen, die betroffene Person ist unfähig, sich zu orientieren. Die Hauptsymptome des Delirs sind globale, fluktuierende Störungen kognitiver Funktionen, desorientiertes Denken und Desorientiertheit, fragmentierter Gedankenduktus, reduzierte Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu erhalten bzw. zu verlagern, herabgesetztes Bewusstseinsniveau, gesteigerte / reduzierte psychomotorische Aktivität, gestörter Schlaf-Wach-Zyklus, akustische oder optische Halluzinationen, Illusionen, akuter Beginn und kurze Dauer (vgl. Frühwald 2009). Depression Die verschiedenen depressiven Verlaufsformen finden sich unter den affektiven und den Belastungsstörungen. Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Frauen sind häufiger davon betroffen als Männer. Klassische Symptome sind z.B. Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Verlust von Interessen und Antriebslosigkeit.[1] Psychosen Allgemein ist bei Psychosen die Struktur des Ich-Erlebens beeinträchtigt. Der Begriff Psychosen fasst Krankheiten zusammen, bei denen schwere Beeinträchtigungen der psychischen Funktionen vorliegen. Der Realitätsbezug ist ebenso wie das Denken, die Wahrnehmung, der Wille und das Fühlen beeinträchtigt. Man unterscheidet je nach Entstehungsursache organische und nicht organische psychotische Störungen. Die häufigste Form der nicht-organischen Psychose ist die Schizophrenie.[2] „Psychogeriatrische Diagnose- und Behandlungskompetenz umfasst die psychiatrische Exploration ebenso wie die Bewertung somatischer Komorbiditäten. Sie erfordert neuropsychiatrisches Wissen ebenso wie die Kenntnis psychodynamische Denkmodelle.“[3] [1]Vgl. WHO. Access to: http://www.euro.who.int/de/what-we-do/health-topics/noncommunicable-diseases/mental-health/news/news/2012/10/depression-in-europe . [12.04.2013]. [2]Vgl. http://gesund.co.at/krankheitslexikon-psychosen-12138/, 12.04.2013. [3]Prim. Dr. Schreiber, Primaria der gerontopsychiatrischen Abteilungen in der Tokio-Straße1, Interview am 06.03.13 im Haus der Barmherzigkeit. Pflegerische Herausforderungen Die komplexen Zusammenhänge dieser Erkrankungen werden im Pflegealltag zur Herausforderung: So kommt es beispielsweise bei Demenzen häufig zu Mangelernährung, welche wiederum zu einem Delir (vgl. Wirth, zit. n. Teisig et al. 2007, S.259) und schlechter Wundheilung führen kann. Durch das Delir wiederum kann es zu getriebenem Umherwandern kommen, welches im schlimmsten Fall zu freiheitsein- und -beschränkenden Maßnahmen führen kann. Daher bedarf es in der Geriatrie zunehmend einer Erweiterung der fachlichen Kompetenz, insbesondere im Hinblick auf das Erkennen, Benennen und Bewältigen komplexer Pflegesituationen. Hinzu kommen weiters Kommunikationskompetenz und das Beherrschen von Deeskalationstechniken, Vertrautheit mit den Fragestellungen der typischen psychiatrischen Krankheitsbilder in der Geriatrie, juristische Kenntnisse bei Freiheitsein- und -beschränkungen sowie zu Fragen der Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz.[1] „Speziell die Kenntnis und Gesprächsführung bei psychotischen und depressiven Symptomen stellen eine große Herausforderung dar, der neben Schulung auch mit verpflichtender Supervision für die Pflege begegnet wird“[2] [1]Siehe dazu: http://www.ris.bka.gv.at, Unterbringungsgesetz. [2]Interview mit Mag. Elvira Koelbl-Catic, MSc, Pflegedienstleitung in der Tokio-Straße1, Interview am 06.03.2013 im Haus der Barmherzigkeit. Gesellschaftliche Herausforderungen Kostenreduktion im Gesundheitswesen ist zu einem zentralem Thema geworden (vgl. Teisig et al. 2007, S.47f.). Beispiele dafür sind Mitarbeiter/innen-Abbau, Bettenreduktion und Zusammenlegung von Einrichtungen. Zum einen ist es eine besondere gesellschaftliche Herausforderung, die Schutz- und Hilfsbedürftigkeit der alten und psychisch kranken Menschen anzuerkennen und diese schlussendlich zu finanzieren. Zum anderen stellt gerade die Betreuung psychisch kranker, alter, pflegebedürftiger Menschen eine außerordentlich hohe Herausforderung auf fachlicher, emotionaler und ökonomischer Ebene an die Expert/inn/en des Gesundheitswesens. Ausblick in die Zukunft Die geriatrischen Einrichtungen sind in Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungen dazu aufgefordert, ihr Unternehmen und ganz speziell ihre Mitarbeiter/innen auf diese besonderen Herausforderungen vorzubereiten. Speziell die Themen Pflege bei Demenz, psychiatrische und neurologische Gesundheits- und Krankenpflege sowie Deeskalation im Fortbildungsprogramm sollten hier ihren Platz finden. Weiters braucht die Zusammenarbeit auf der Ebene der Geriatrie mit Psychiater/inne/n, Psycholog/inn/en und psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen neue Modelle und Strategien. Literatur Literatur Frühwald, T. (2009): Delir - eine klinische Herausforderung in der Geriatrie. Springer Verlag GmbH. URL: http://www.springermedizin.at/artikel/12429-delir-eine-klinische-herausforderung-in-der-geriatrie. [12.04.2013]. Perrar, K.M.; Sirsch, E.; Kutschke, A. (2007): Gerontopsychiatrie für Pflegeberufe. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag KG. Teisig, M.; Drach, L.M.; Gutzmann, G. et al. (2007): Alt und psychisch krank, Diagnostik, Therapie und Versorgungsstrukturen im Spannungsfeld von Ethik und Ressourcen. Stuttgart: Kohlhammer. WGKK (2009): Erster österreichischer Demenzbericht [23.04.13].