Prof. Dr. Patrizio Neff Dirk Damjantschitsch Essen, 10. November 2011 Fakultät für Mathematik Universität Duisburg-Essen Campus Essen 4. Tutorium zur Vorlesung Analysis I im WS 11/12 Bernsteinscher Äquivalenzsatz Satz: Sind X und Y Mengen und gibt es zwei injektive Funktionen f : X → Y und g : Y → X , dann existiert eine bijektive Funktion φ : X → Y . Anleitung: 1. Sei x ∈ X . Wir setzen x0 := x und konstruieren rekursiv eine Folge Fx := (x0 , y1 , x2 . . .) von Elementen xk ∈ X, yk ∈ Y wie folgt: Ist x ∈ / g(Y ), so setzen wir Fx = (x0 ). Ist x ∈ g(Y ), so existiert ein und nur ein y1 ∈ Y mit x0 = g(y1 ) (Warum?). Ist y1 ∈ / f (X), setzen wir Fx = (x0 , y1 ). Ist y1 ∈ f (X), so gibt es ein und nur ein x2 ∈ X mit y1 = f (x2 ) (Warum?). Und so weiter und so fort. Die Folge Fx heiÿt die Folge der Vorfahren von x. Ebenso deniert man für jedes y ∈ Y die Folge Fy der Vorfahren von y . Machen Sie sich die Konstruktion der Folge der Vorfahren klar. Wie viele Elemente können die Folgen enthalten? Kann es eine Vorfahrenfolge der Form (x, y, x, y, x, y, . . .) geben? 2. Sei X0 die Menge aller x ∈ X mit einer geraden Anzahl von Vorfahren. D.h., die Folge Fx ist von der Form Fx = (x0 , . . . , yk ) für ein k ∈ N, k ist in diesem Fall ungerade. Sei analog X1 die Menge aller x ∈ X mit einer ungeraden Anzahl von Vorfahren, d.h. X1 = {x ∈ X| Fx = (x0 , . . . , xk ) für ein k ∈ N}. Schlieÿlich sei X∞ die Menge aller x ∈ X , für die Fx nicht abbricht. Analog seien Y0 , Y1 , Y∞ deniert. Machen Sie sich die Konstruktion dieser Mengen klar. 3. f bildet X1 bijektiv auf Y0 ab. Warum? 4. g bildet Y1 bijektiv auf X0 ab (Warum?). Also existiert eine bijektive Funktion g 0 : X0 → Y1 mit gg 0 (x) = x und g 0 g(y) = y für x ∈ X0 und y ∈ Y1 (Begründung?). 5. f bildet X∞ bijektiv auf Y∞ ab. Warum? 6. Die Mengen X0 , X1 , X∞ sind disjunkt und jedes Element von X ist in einer dieser Mengen enthalten. Warum? Ebenso ist Y die disjunkte Vereinigung von Y0 , Y1 , Y∞ . 7. Wir denieren φ : X → Y durch ( f (x) falls x ∈ X1 oder x ∈ X∞ , φ(x) = g 0 (x) falls x ∈ X0 . Zeigen Sie, dass dann φ die gesuchte Funktion ist. Nun betrachten wir eine Anwendung des Bernsteinschen Äquivalenzsatzes. Gegeben seien zwei Mengen X, Y . Die Menge Y hat mindestens so viele Elemente wie X , wenn es eine Injektion α : X → Y gibt. In diesem Fall schreiben wir m(X) ≤ m(Y ). Man sagt, die Mächtigkeit (oder Kardinalität) von X ist kleiner oder gleich der Mächtigkeit von Y . Denition: Zwei Mengen X und Y heiÿen gleichmächtig, wenn zwischen ihnen eine bijektive Funktion existiert. Dann schreiben wir m(X) = m(Y ). Folgt aus m(X) ≤ m(Y ) und m(Y ) ≤ m(X) schon m(X) = m(Y )? Machen Sie sich zunächst klar, dass die Frage keineswegs trivial ist. Formulieren Sie die Antwort als Folgerung des Bernsteinschen Äquivalenzsatzes.