Technologische Wirkung von Ballaststoffen in Lebensmitteln

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Technologische Wirkung von Ballaststoffen
in Lebensmitteln
Neben den vielfältigen diskutierten Wirkungen der verschiedenen Ballaststoffe als Einsatz funktioneller Zutaten mit
Mehrwert für die menschliche Gesundheit wie z.B. Senkung des Blutcholesterinspiegels oder Regulierung des Blutzuckerspiegels, haben die Ballaststoffe auch zahlreiche technologisch nutzbare Eigenschaften und werden in unterschiedlichster Weise in der Lebensmittelindustrie eingesetzt.
B
allaststoffe werden im Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend
die Information für Verbraucher über Lebensmittel (LMIV) folgend definiert: „Ballaststoffe“
bedeutet Kohlenhydratpolymere mit drei oder
mehr Monomereinheiten, die im Dünndarm
des Menschen weder verdaut noch absorbiert
werden und zu folgenden Klassen zählen:
ƒ essbare Kohlenhydratpolymere, die in
Lebensmitteln, wenn diese verzehrt werden, auf natürliche Weise vorkommen;
ƒ essbare Kohlenhydratpolymere, die auf
physikalische, enzymatische oder chemische
Weise aus Lebensmittelrohstoffen gewonnen werden und laut allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen eine
positive physiologische Wirkung besitzen;
ƒ essbare synthetische Kohlenhydratpolymere, die laut allgemein anerkannten
wissenschaftlichen Nachweisen eine positive physiologische Wirkung besitzen;1
Die Definition von Ballaststoffen umfasst
hierbei eine große Zahl chemisch
unterschiedlichster Verbindungen.2
Ballaststoffe sind unterteilbar in löslich und unlöslich (siehe Tabelle 1). Viele der Ballaststoffe fungieren als Zusatzstoffe und zählen dabei
zu den pflanzlichen Hydrokolloiden (griechisch:
„hydro“= Wasser, „kolla“= Leim), wie z.B. die
Zusatzstoffe E 406 (Agar Agar), E 407 (Carragen), E 410 (Johannisbrotkernmehl) oder E 440
(Pektin). Hydrokolloide bilden, wie ihr Name assoziiert, in wässrigen Lösungen kolloidale Lösungen. Je nach Hydrokolloid und Temperatur variieren die Wasseraufnahmekapazität, die
Wasserbindung und -retention. Alle Lebensmittelzusatzstoffe, die als Stabilisator oder als
Gelier- bzw. Verdickungsmittel zugelassen sind,
sowie z.B. auch Inulin zählen zur Gruppe der
Hydrokolloide.* Hydrokolloide unterstützen mit
funktionellen Eigenschaften die Struktur und
die Textur von Lebensmitteln, beeinflussen das
Aussehen und das Mundgefühl. Je nach Verwendung bedingt das Hydrokolloid eine andere
Funktion im Lebensmittel (siehe Tabelle 2).
Ein weit verbreiteter Einsatz von Hydrokolloiden ist die Verwendung als Schutzkolloid in
der Lebensmittelindustrie. Dies soll folgend am
Beispiel Pektin erläutert werden:
HYDROKOLLOIDE ALS SCHUTZKOLLOIDE
AM BEISPIEL DES BALLASTSTOFFES PEKTIN
Pektine werden zum einen als Geliermittel
für Marmeladen, Konfitüren und Fruchtzubereitungen eingesetzt. Darüber hinaus haben
sie die Eigenschaft, Proteine in einem sauren
Milieu zu stabilisieren, indem Sie als Schutzkolloid die Proteine umhüllen, z.B. bei der Herstel-
Tabelle 1: Einteilung der Ballaststoffe/pflanzlichen Hydrokolloide 7
wasserlösliche Ballaststoffe
wasserunlösliche Ballaststoffe
lung von Molkereiprodukten. Die Pektine bilden bei der haltbarmachenden Erhitzung von
Mischgetränken aus Milchprodukt und Fruchtsaft im sauren pH-Bereich eine Schutzhülle um
die Proteine und verhindern so eine Agglomeration der Milchproteine. Hintergrund der Reaktion ist, dass ein Milchgetränk als neutrales Getränk noch hitzestabil ist. Die Proteine
in dem neutralen Getränk sind negativ geladen. Wird nun das Getränk durch z.B. Fruchtsaft gesäuert, sinkt der pH-Wert und ist als
Konsequenz unter dem iso-elektrischen Punkt.
Bedingt durch die positive Überschussladung
sind die Proteine in Folge nicht mehr hitzestabil. Negativ geladene Pektine sind nun in der
Lage, mit den positiv geladenen Proteinen zu
reagieren und diesen wieder eine negative
Überschussladung zu verleihen. Die Proteine
sind somit wieder hitzestabil.3 Das Pektin fungierte als Schutzkolloid.
Zusätzlich können bei Sauermilchgetränken
Pektine die Viskosität anpassen und ein verbessertes Mundgefühl bedingen. Eine zusätzliche Einsatzmöglichkeit von Pektinen ist die Herstellung von Desserts, welche im kalten Zustand
gelieren. Das Pektin bedingt, dass die Fruchtzubereitung auch nach dem Mischen mit z.B.
Sahne geliert und eine feste Textur bekommt.
Aufgrund der Thermostabilität wird Pektin im
Backwarenbereich für Toppings und Füllungen
verwendet. Darüber hinaus bewirkt die Wasserbindungsfähigkeit des Pektins eine Haltbarkeits* Neben Hydrokolloiden, die zu den Ballaststoffen
zählen, gibt es auch zahlreiche Hydrokolloide, die
nicht zu den Ballaststoffen zählen, wie z.B. Stärke
oder Gelatine. Diese werde im vorliegenden
ƒ Pektine (z. B. in Obstschalen, Gemüse)
ƒ Cellulose (in allen Pflanzen)
ƒ andere Quellstoffe:
ƒ unlösliche Hemicellulose (Polymer
- Agar (Polymer aus Galactose)
- Alginate (Polymere aus Mannuron- und
Glucuronsäuren, z. B. in Braunalgen)
- Carrageen (z. B. in Rotalgen)
- Carubin (Johannisbrotkernmehl)
- Guar (Guarbohne)
ƒ Polyfructosane, z. B. Inulin (Topinambur,
Artischocken, Chicorée)
ƒ lösliche Hemicellulosen (Gemisch aus
Polysacchariden)
aus Hexosanen)
ƒ Lignin (phenolische Makromoleküle,
z. B. in Obstkernen,
Getreide)
Artikel jedoch nicht näher betrachtet
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verlängerung von Tiefkühlteiglingen. Da Pektingele glänzend und klar sind, finden sie auch bei
hochwertigen Feinkostprodukten Anwendung.4
Tabelle 2: Anwendungsbereiche von pflanzlichen Hydrokolloiden/ Ballaststoffen in der Lebensmittelwirtschaft (Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) 3
Lebensmittel
Eine weitere allgemeine, in der Industrie eingesetzte Eigenschaft von Hydrokolloiden ist die
Stabilisation von Emulsionen durch meist unlösliche Hydrokolloide. Die feinen Polymerstrukturen lagern sich an den Grenzflächen der Emulsion und verhindern so eine Koaleszenz. Eine
andere Eigenschaft von Hydrokolloiden ist die
Viskositätserhöhung der wässrigen Phase in
Wasser-Öl-Emulsionen. Als Folge verzögert sich
das Zusammenfließen der Öltröpfchen.3
RECHTLICHE EINORDNUNG DER
BALLASTSTOFFE
Diskutiert wird die Einordnung der Hydrokolloide, die zu den Ballaststoffen zählen bei Lebensmittelzugabe. Das Frage ist, ob jene als Nährstoff oder als technologischer Zusatzstoff angesehen werden müssen. Als Nährstoff würde
ein Hydrokolloid/Ballaststoff keiner gesonderten Zulassung bedürfen, als technologischer Zusatzstoff unterliegt das Hydrokolloid/der Ballaststoff einer Zulassungspflicht. In vielen Fällen wie
z.B. bei Weizenhalmfasern liegt eine solche Zu-
Hydrokolloid/Ballaststoff
Konfitüren, Marmeladen, Gelees, Milchpuddings,
Pektin
Joghurts, Tortenguss, Getränke
Fruchtzubereitungen für Joghurt
Pektin, Johannisbrotkernmehl, Xanthan
Pektin, Alginate, Methylcellulose (MC), Hydroproply-
backfeste Fruchtzubereitungen
methylcellulose (HPMC)
Pektine, Agar Agar, Carragen, Alginat, Gummi
Süßwaren
Arabicum
Sülzen und Aspik
Alginate, Carragen, Pektin
Ketchup, Dips, Relish
Xanthan, Johannisbrotkernmehl, Pektine
Mayonnaise
Methylcellulose
Speiseeis
Alginate, Guar, mikrokristalline Cellulose
Obst- und Gemüsekonserven
Guar, Johannisbrotkernmehl
lassung nicht vor und das Hydrokolloid/der Ballaststoff würde beim beabsichtigten Einsatz als
technologischer Zusatzstoff verboten werden.
Hintergrund der Problemstellung sind zunehmende vor allem auf europäischer Ebene verschärfte Gesetzte zum Schutze des Verbrauchers vor Irreführung und gesundheitlicher
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Gefahr durch Inverkehrbringen von Lebensmitteln. Die Ansichten zwischen Lebensmittelwirtschaft und -überwachung sowie der
Gerichte bzw. Juristen sind sich hier uneinig. Aufgrund eines nicht gesamt harmonisierten Unionsrecht ist eine Beurteilung z.B.
der Weizenhalmfaser aus lebensmittelrechtlicher Sicht daher eine Auslegungsfrage.5
AUSGABE 5/2014
food TECHNOLOGIE
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Laut einer rechtlichen Stellungnahme des Arbeitskreises lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
(ALS) und des Arbeitskreises der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der vom Tier
stammenden Lebensmittel tätigen Sachverständigen (ALTS) sei dann von einer Verwendung als
Nährstoff auszugehen, wenn durch die Zugabe
des Hydrokolloids/Ballaststoffes eine Gesamtballaststoffmenge im Lebensmittel erreicht wird,
die nach der VO (EG) Nr. 1924/2006 (HealthClaims-Verordnung) die Auslobung des Lebensmittels als „Ballaststoffquelle“ zulasse. Der zu
erreichende Ballaststoffgehalt müsste in diesem
Fall bei 3g/100g oder 1,5g/100kcal liegen.6
Autor:
Anja Pruban, fis Europe, Bad Bentheim
Weitere Informationen:
www.fis-europe.net
Quellen Literatur: beim Verfasser
Schnee®Weizen Vollkornmehl ist auch als
Mikrogranulat, sowie als BIO Variante
(ökologische Qualität) verfügbar
Die richtigen Rohstoffe sorgen für einen
Ballaststoff-Boost mit Genuss
Inzwischen sind Ballaststoffe zumindest im übertragenen Sinn in aller Munde, aber wie sieht die tatsächliche Versorgung in Deutschland aus? Die Redaktion der Food Technologie sprach mit Michael Gusko, Geschäftsführer der
Kampffmeyer Food Innovation GmbH, über Lösungen für eine verbesserte Ballaststoffbilanz.
FT: Ist Deutschland ein Ballaststoffmangelland?
MICHAEL GUSKO: Ja, die Mehrheit der Bevölkerung verzehrt nach wie vor zu wenig Ballaststoffe, das zeigt unter anderem eine Studie der
DGE. Und das, obwohl erwiesenermaßen immer
mehr Verbraucher wissen, dass Ballaststoffe ein
sehr wichtiger Teil der Ernährung sind und beispielsweise das Risiko für Adipositas und andere
ernährungsbedingte Krankheiten erheblich reduzieren können. Das erscheint paradox; aber der
Grund hierfür ist ebenso einfach wie menschlich –
und hat vorwiegend mit Geschmacksvorlieben
und Gewohnheiten zu tun. So ist bekannt, dass
Vollkornprodukte viele Ballaststoffe liefern und
damit ein Großteil der täglichen Verzehrsempfehlung abgedeckt werden kann. Weißmehlprodukte sind in der Regel jedoch schlicht und einfach
beliebter. Und das betrifft ja nicht nur Deutschland, sondern die meisten – insbesondere die
südlichen – europäischen Länder.
Wir nutzen unsere Kompetenz in Sachen Getreide, um Lösungen zu entwickeln, die Gesundheit und Genuss vereinen. Ein Beispiel ist
unser Vollkornmehl Schnee®Weizen: Es verleiht
Produkten die Nährstoffe des vollen Korns bei
gleichzeitigem Aussehen und Geschmack von
„weißen“ Backwaren. So bieten wir einen innovativen Ansatz, den Ballaststoffverzehr zu
verbessern, ohne gewohnte Ernährungsmuster
und Vorlieben umstellen zu müssen.
FT: Aber ballaststoffangereicherte
Backwaren gibt es doch zuhauf. Wo
liegt der Vorteil von Schnee®Weizen?
M. GUSKO: Ohne Frage boomt der Markt für
funktionelle Lebensmittel. Gleichzeitig wächst
bei vielen Verbrauchern auch der Wunsch nach
Michael Gusko,
Geschäftsführer,
Kampffmeyer Food
Innovation GmbH
Natürlichkeit und Authentizität – zuviel „Funktion“ schürt bei manchem dann eher Skepsis.
Mit Schnee®Weizen verfolgen wir nicht den Ansatz der künstlichen Anreicherung von Lebensmitteln, vielmehr ergibt sich der ernährungsphysiologische Mehrwert aus dem Rohstoff an
sich. Für unseren Schnee®Weizen wird das ganze Korn vermahlen. Beim Nährstoffprofil punktet das Vollkornmehl nicht nur hinsichtlich des
Ballaststoffgehalts, sondern auch wenn es um
Mineralien, Vitamine und die wertvollen sekundären Pflanzeninhaltstoffe geht.
Dahingegen liefern resistente Stärken oder Celluloseisolate zwar Ballaststoffe, aber sie sind in
der Regel chemisch aufgereinigt und enthalten nicht mehr das natürliche Vitamin und Mineralienspektrum der Ausgangsrohstoffe. Mit
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