HUBBLES neuer Kosmos - Spektrum der Wissenschaft

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THEMEN DER WISSENSCHAFT
Galaxie UGC 10214 (240 Mio. Lj),
Galaxien dahinter (bis 13 Mrd. Lj)
Galaxie Messier 51(37 Mio. Lj)
Jupiter und Io, 5. 7. 1997
(etwa 40 Lichtminuten)

Sterngeburtsstätte NGC 2264 (2500 Lj)
Egal, welch langen Weg ein Lichtquant hinter sich hat, die Kameras und Spektrographen an Bord des Weltraumteleskops erfassen es. Das Photon muss nur
aus dem anvisierten Winkelbereich kommen, auf den 2.4-Meter-Spiegel treffen
und in den Wellenlängenbereich der Aufnahme passen. (Bilder: NASA/ESA/Dirk
Hoppe)
HUBBLES neuer Kosmos
Teil 1: Größe und materieller Gehalt
In nur 25 Jahren erwuchs die Kosmologie von einem spekulativen
Randgebiet der Physik zu einer eigenen empirischen Naturwissenschaft neben Chemie und Biologie. Der Dank dafür gilt vor allem
dem Weltraumteleskop HUBBLE. Weit vor dem Start bereits forderte
es die Forscher, und noch heute treibt es eine globale und demokratische Forschungskultur voran. Profitiert hat am meisten Europa.
VON ULF BORGEEST
Didaktisches Material zu
diesem Beitrag:
www.wissenschaft-schulen.de
Erde, Mond (Galileo-Sonde)
Milchstraße (Dirk Hoppe)
D
as Wissen vom Kosmos hat mit
dem Weltraumteleskop HUBBLE
(HST) gigantisch zugenommen.
Teil 1 des Texts belegt dies für die Maße
des Kosmos: das Weltalter, den Weltraum
und seinen Materiegehalt. Teil 2 legt dar,
wie umfassend und tiefgreifend das HST
zur Erforschung der Evolution des Kosmos
beigetragen hat. Teil 3 bewertet das HST
ethisch, wissenschaftlich sowie politisch
– und fragt zum Schluss, welche Forschungsziele aus dem Weltraumteleskop
HUBBLE erwachsen können.
1978 entschied ich mich, mein Physikstudium mit einer Diplomarbeit in der
Kosmologie abzuschließen. Sjur Refsdal, in Norwegen geboren, hatte angeboten, mich in seine GravitationslinsenForschungsgruppe an der Hamburger
Sternwarte aufzunehmen. Zur Einarbeitung in die Forschung gab er mir den
Vorabdruck eines Artikels von Malcolm
Longair, Astrophysiker im englischen
Cambridge: »The Space Telescope and its
Opportunities«, der im folgenden Jahr im
Quarterly Journal of the Royal Astronomical Society erscheinen sollte (1979, 20,
5–28). »Lesen Sie das gründlich, darin
steht die Zukunft der Forschung!«
Auch der Autor sparte nicht mit großen Worten: »Das erste Mal seit Galilei sind
die optischen Astronomen erneut in der Lage,
das Auflösungsvermögen ihrer Beobachtungen
zehnfach zu steigern«, lautet sein erster Satz.
Das überzeugte mich, obwohl ich vom
weiteren Artikel nur die Hälfte verstand.
Vorhersagen für HUBBLE
Als Ausgangspunkt für diesen Text habe
ich mir die alte Arbeit noch einmal vorgenommen: Der US-Kongress hatte die Mission im Jahr 1977 bewilligt, und die ESA
(15 % der Investitionen) hatte zudem versprochen, dass der ESA-Länder-Anteil an
den bewilligten Beobachtungsanträgen
nicht unter 15 Prozent rutschen werde.
Das tat er auch nie, aber ganz ohne
politische Hilfe! Denn schon längst war
die gesamte Astronomical Community im
Gespräch, welche Space-Telescope-Projekte jeweils wohl am sichersten zur Lösung welcher noch offenen, grundlegenden Frage führen würden. Und die von
NASA und ESA mit der Planung beauftragten Forscher strebten, wissenschaftlich motiviert, ohnehin einen globalen
Wettbewerb um die besten Proposals an:
Die für die Forscher mehrheitlich überzeugendsten Prognosen sollten den Zuschlag erhalten.
Longair war Interdisciplinary Scientist
der NASA Space Telescope Science Working
Group, die auf Grund des globalen GeSTERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
37
Kugelsternhaufen sind fast so alt
wie der Kosmos!
D
en Schwerpunkt eines Kugelsternhaufens wie 47 Tucanae umlaufen etwa eine Million Sterne auf weit
ausladenden, zufällig orientierten Ellipsenbahnen. Die insgesamt 147 Kugelsternhaufen der Galaxis umlaufen deren
Schwerpunkt ebenso ungeordnet. Vor
dem HST hatten die Forscher weiterhin
festgestellt:
a) Die Haufensterne sind etwa gleich alt,
also vermutlich gemeinsam entstanden.
b) Das Durchschnittsalter der Kugelsternhaufen beträgt (15 ± 3) Milliarden Jahre.
c) Praktisch alle Sterne der Galaxis sind
jünger als dieses Alter.

Die Kugelsternhaufen waren also die ältesten bekannten Körper im All, deren
Alter sich kernphysikalisch, also unabhängig von einem Weltmodell ermitteln
ließ. Wenn ein Urknall für die lokale
Expansion des Weltraums verantwortlich
wäre, musste man beim damaligen Kenntnisstand erwarten, dass das lokale Hubble-Alter (T0, Kasten rechts) größer als das
Durchschnittsalter der Kugelsternhaufen
ist – sein wahrscheinlichster Wert betrug
jedoch nur 13 Milliarden Jahre. Mit dem
Weltraumteleskop HUBBLE haben die Forscher viele Kugelsternhaufen analysiert:
a) Blue Stragglers sind ein neuer Typ
heißer Sterne, die aus Sternkollisionen
stammen.
b) Das Haufenalter variiert leicht.
c) Kein Haufen ist älter als (13 ± 1.5)
Milliarden Jahre. Ein Triumph für den
Urknall!
Der Kugelsternhaufen 47 Tucanae.
HUBBLE Deep Field Nord (WF/PC)
– helle Quasare, nahe aktive Galaxien (1)
– Atmosphären und Magnetfelder der
Gasplaneten und ihrer Monde,
Deute riumhäufigkeit in Kometen (3)
Ausweitung des Weltraums
Mondscheibe
Bildfeld WF/PC2
sprächs für jedes Instrument wichtige
Forschungsziele definiert hatte (in Klammern der Teil meines Texts, der die tatsächlichen Beobachtungen diskutiert):
 Wide Field/Planetary Camera
(WF/PC):
– Bestimmung der lokalen Expansionsrate des Weltraums (1)
– Überprüfung von Weltmodellen und
der damals noch hypothetischen kosmischen Evolution (1)
– Vergleich naher und ferner Galaxien (2)
– stellare Populationen in Deep Fields (1)
– hochaufgelöste Aufnahmen von Galaxienkernen (2)
– Aufnahmen von kompakten Quellen
in mehreren Filterbereichen, um deren spektrale Energiever teilung (grobes
Spektrum) zu ermitteln (2)
– Bewegung von Supernovaresten und
Protosternen (2)
– Planetenatmosphären (3)
– Suche nach extrasolaren Planeten (3)
– Kometen (3)
38
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
 Faint Object Spectrograph (FOS):
– räumlich hochaufgelöste Spektren
aktiver Galaxien (2)
– Elementhäufigkeiten in Galaxien (2)
– Physik der Quasare (1)
– Untersuchung von Quasaren, die sich
in fernen Galaxien befinden (1)
– Zentralsterne Planetarischer Nebel (2)
– Kometen (3)
 Faint Object Camera (FOC):
– Physik der Kerne von Gala xien (2)
– Gas nahe Kernen von Gala xien (2)
– Suche nach Schwarzen Löchern
in Kernen von Gala xien (2)
– Bewegung von Sternen in Kernen von
Gala xien (2)
– Physik und Elementhäufigkeiten in galaktischen Gaswolken (2)
 High Resolution Spectrograph
(HRS):
– Physik und Elementhäufigkeiten
im interstellaren Medium (2)
– Sternwinde (2)
– Sternentwicklung und Elementhäufigkeiten (2)
Erstaunlicherweise hatten alle diese Ziele mit der Kosmologie, im weiteren Sinne,
zu tun: Wie ist der Kosmos insgesamt
aufgebaut (1), wie hat er sich geschichtlich entwickelt (2) und welche Bedingungen fördern belebte Planeten (3)? Den
späteren Namen HUBBLE hatte dem Space
Telescope das damals drängendste Ziel eingebracht: die möglichst genaue Messung
des Hubble-Alters des Weltraums. (Kästen
rechts und S. 40 oben)
In den 1920er Jahre hatte der US-Astronom Edwin Powell Hubble (1889 bis
1953) durch Entfernungsmessungen mit
dem 2.5-Meter-Spiegelteleskop auf dem
Mt. Wilson in Kalifornien zunächst entdeckt, dass sich die »Spiralnebel« außerhalb des Milchstraßensystems befinden
(Kasten S. 40 unten). Dann hatte er durch
zusätzliche Messung der Rot verschiebungen
ein konstantes Verhältnis von Entfernungen
und Rotverschiebungen festgestellt, die
Hubble-Relation: Je länger eine Lichtwelle
zu uns unterwegs gewesen ist, desto stärker ist sie gedehnt worden und erscheint
uns daher rotverschoben.
Die Rotverschiebung ist somit sowohl
ein direktes Maß für die Entfernung einer
Galaxie als auch für die Dehnung des
Weltraums während der Reisezeit des
Lichts. Beträgt die Lichtreisezeit von einer
Galaxie zu uns zum Beispiel 100 Millio-
Relativistische Kosmologie – ganz anschaulich!
W
ir können nicht beliebig tief in
die Vergangenheit blicken. Denn
der sichtbare Weltraum ist durch den
Mikrowellenhintergrund begrenzt: In einer
anvisierten Richtung befindet sich
1. a) ein leuchtender oder
b) ein undurchsichtiger Körper.
2. Oder der Blick endet im Feuerball.

 Die Metrik des sichtbaren Weltraums
Das HUBBLE Deep Field Nord
von 1995, eine 10 Tage lang
belichtete Aufnahme, zeigt
etwa 3000, teils mehr als 10
Mrd. Lj ferne Galaxien: meist
spiralförmige wie die Galaxis und teils in einer früheren
Entwicklungsphase. Zwischen
den Galaxien erscheint ein extrem schwaches visuelles Hintergrundlicht, das von irregulären
Galaxien stammen könnte.
Anblick des
Mikrowellenhintergrunds
im expandierten Kosmos
Feuerball
tatsächliche
Abstände von
Lichtstrahlen
ergibt sich daher empirisch aus den Eigenschaften des beobachteten Lichts. Sie darf
nicht einfach aus der Geometrie (Metrik
auf der Erde) des Griechen Euklid (etwa
330 bis 275 v. Chr.) übernommen werden.
 Der Koordinaten-Ursprung des sichtbaren Weltraums ist der Brennpunkt des
Auges oder des Teleskops. Für alle Menschen und Teleskope gemittelt also etwa
der Mittelpunkt der Erde.
 Koordinaten: Der Abstand eines beobachteten Körpers von der Erde ist durch
die Lichtlaufzeit T von ihm zu uns gegeben. Und die Richtung, aus der das Licht
kam, ist durch die anvisierten Himmelskoordinaten (a, d) bestimmt. Der wahrnehmbare (T, a, d)-Weltraum ist also dreidimensional, wobei die Koordinaten a und
d direkt messbar, T aber nicht direkt messbar ist.
 Die Rotverschiebung des Lichts, das aus
einer anvisierten Richtung kommt, ist:
z = D l / l,
wobei l die (vom einem Körper oder vom
Hintergrund) ausgesandte Wellenlänge
und D l die beobachtete Wellenlängenverschiebung zum Roten hin ist.
 Die Rotverschiebung des Hintergrunds
beträgt z = 1089�±�0.1�%. In
Richtung auf das Sternbild Zentaur zeigt
er eine etwas kleinere, in entgegengesetzter Richtung eine gleichermaßen größere
Rotverschiebung (WMAP). Dies erklärt sich
durch eine:
 Absolute Bewegung des Beobachters
im Gravitationsfeld des lokalen Weltraums:
Der Beobachter treibt mit 600 km/s in die
genannte Richtung. Dies erklärt sich
a) durch die Bewegung der Galaxis auf den
»Großen Attraktor« zu,

Galaxis
Erde
Horizont des Weltraums
Das Diagramm zeigt die 2002
vom NASA-Satelliten WMAP gemessene
Mikrowellenhintergrundstrahlung: Das etwa tausendfach rotverschobene optische Licht, das der Feuerball
des kosmischen Urgases bei einem Weltalter von 380 000 Jahren ausgesandt hat.
b) durch die Bewegung der Sonne um den
Schwerpunkt der Galaxis; und
c) es führt sogar die jährliche Bewegung
der Erde um die Sonne zu einer leichten
periodischen Veränderung des Rotverschiebungsdipols der Hintergrundstrahlung.
 Relativität: Der Beobachter misst dieselbe Lichtgeschwindigkeit c in jeder Richtung, unabhängig vom Dipol des Hintergrunds.
 Kosmische Entfernungsskala: Edwin P. Hubble hat als erster festgestellt,
dass bei Galaxien im lokalen Weltraum,
durchschnittlich, mit der Entfernung (bzw.
Laufzeit T) auch die Rotverschiebung z des
von uns empfangenen Lichts wächst:
z = T / T0 , für z  1 .
 Die Streuung um den Durchschnitt
lässt sich durch die erwartete Streuung
der absoluten Galaxienbewegungen relativ zum Hintergrund (Pekuliarbewegung)
erklären, die durchschnittlich etwa 300
km/s beträgt.
 T0 ist das Hubble-Alter des lokalen Weltraums (hier und heute). Ein zeitlich konstante Expansion vorausgesetzt, hätte der
lokale Weltraum zu Beginn des Hubble-Alters keine Ausdehnung gehabt. Nach dem
heutigen Stand der Erkenntnis beträgt das
Hubble-Alter 13.7 Milliarden Jahre.
Das Hubble-Alter fernerer Bereiche des
Weltraums lässt sich durch Vergleich der
Laufzeiten zweier Bilder eines Mehrfachquasars ermitteln. (Siehe S. 47)
 Ferne Ortsräume: Die Beobachtung einer Galaxie oder eines Galaxienhaufens liefert deren Rotverschiebung z und eine Helligkeitsverteilung am Himmel (a, d). Ein
physikalisches Modell solch eines Objekts
wird sinnvollerweise in einem euklidischen
Ortsraum (u, v, w) mit Meter-Koordinaten
erstellt. Bei Rotverschiebungen größer als
eins, hängt die Umrechnungsformel zwischen dem (a, d)-Himmel und dem (u, v,
w)-Ortraum nicht nur von z sondern auch
sehr stark vom genauen kosmologischen
Modell ab.
 Makrolinsen: Liegen jedoch eine besonders kompakte Galaxie oder ein Haufen
vor einem untersuchten, sehr fernen Objekt, so erscheint es vergrößert und verzerrt, wodurch die Umrechnungsformel zusätzlich vom Ablenkungsfeld x (a, d) der
Linse bestimmt ist (Kasten S. 44). Dies ist
aber nur für Prozentbruchteile des Himmels der Fall. In allen anderen Fällen kann
die Krümmung der Lichtstrahlen vernachlässigt werden. Bei kompakten Galaxienhaufen hat x die Größenordnung Bogenminuten.
STERNE UND WELTRAUM
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39
Entfernungsbestimmung im lokalen Universum
D
ie Aufnahme oben, gewonnen mit
der Advanced Camera for Surveys
(ACS) zeigt die hellsten Sterne in der Spiralgalaxie NGC 3370 einzeln. Das ist Voraussetzung, um Galaxienentfernungen
mittels stellarer Standardkerzen wie den
pulsierenden Delta-Cephei-Sternen zu bestimmen. Diese Methode wandte Edwin
P. Hubble bereits in den 1920er Jahren
bei besonders nahen Galaxien an.
Für NGC 3370 konnten die Forscher zudem eine noch genauere Methode nutzen:
Von dort erreichte uns im November 1994
das Licht der Supernova 1994ae vom Typ
Ia. Solche Supernovae scheinen alle dieselbe Maximalleuchtkraft zu haben und
sind daher hervorragend als Standardkerzen bei der Entfernungsbestimmung geeignet. Die so bestimmte Lichtlaufzeit,
98 Millionen Jahre von NGC 3370 bis zur
Erde, ist daher bis auf etwa fünf Prozent
genau. Vor dem HST wies die Entfernungsbestimmung von Galaxien typische Fehler von 20 bis 50 Prozent auf.
Was sind normale Galaxien?
D
as Bild unten sowie das große Bild
oben, beide mit ACS aufgenommen,
zeigen zwei mögliche Erscheinungsformen normaler Galaxien mit jeweils mehr
als zehn Milliarden Sternen. Im Gegensatz dazu sind die irregulären Galaxien
(rechts) meist viel sternärmer.
Normale Galaxien unterscheiden sich
voneinander vor allem durch das Größenverhältnis der gasreichen Scheibe zum
gasarmen Bulge, dem kleinen bis riesengroßen Sternhaufen um den Schwerpunkt der Galaxie. NGC 3370 (großes
Bild) ist eine besonders gasreiche Spiralgalaxie, die nur einen relativ kleinen
Bulge besitzt. Bei Messier 104 (unten)
haben Scheibe und Bulge ähnliche Durchmesser. Bei den Elliptischen Galaxien ist
der Bulge so groß, dass die Scheibe in
ihm kaum zu erkennen ist (kein Bild).
40
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
nen Jahre, und ist die gemessene Rotverschiebung 0.8 Prozent (z = 0.008), so ergibt sich unter Annahme einer konstanten
Expansionsrate, dass eine Dehnung von
100 Prozent etwa 13 Milliarden Jahre
(Hubble-Alter) gedauert hätte, das Weltalter also vermutlich diese Größenordnung hat.
Ein amerikanisches Team um Alan
Sandage, sowie ein europäisches Team
um den Schweizer Andreas Tammann
hatten Hubbles Methode verfeinert und
das Hubble-Alter zwischen etwa 10 und
etwas mehr als 20 Milliarden Jahren eingrenzen können. Für das HST behaupteten sie:
 Prognose 1: Das hohe Auflösungsvermögen und der hohe Bildkontrast der WF/PC
erlauben eine genaue Entfernungsbestimmung
von Galaxien in bis zu 100 Millionen Lichtjahre Abstand von der Erde. Damit wird sich das
Hubble-Alter auf 15 Prozent genau ermitteln
lassen.
Wie weit zurück der Urknall tatsächlich lag, war daraus aber nicht unbedingt
zu folgern. Man wusste nur von anderer
Seite, dass es mehr als zwölf Milliarden
Jahre sind, denn so alt etwa sind die ältesten Sterne der Galaxis (Kasten S. 38).
Dunkle Energie
NGC 1569 (WF/PC)
Sombrerogalaxie Messier 104 (28 Mio. Lj, ACS)
NGC 3370 (98 Mio. Lj, ACS)
Albert Einstein (1879 bis 1955) hatte mit
der 1915 vollendeten Relativitätstheorie eine formale Basis der modernen Kosmologie gelegt: Seine Feldgleichungen beschreiben ein Gleichgewicht zwischen der Verteilung und der Bewegung der kosmischen
Materie einerseits sowie der Krümmung
und der Dehnung der Raumzeit andererseits. Was Einstein an Hubbles Befund beunruhigte, war, dass die aus der Mechanik
und der Elektrodynamik synthetisierte Relativitätstheorie ein expandierendes Universum nicht besser vorhersagen konnte
als ein kollabierendes. »Gott würfelt
nicht!«
Was fehlte seiner Theorie nur? Einstein hatte darauf hingewiesen, dass die
Feldgleichungen nicht eindeutig sind. Sie lassen im Weltmodell einen Parameter, die
»kosmologische Konstante« frei, die viele
Forscher neuerdings Dunkle Energie nennen. Sie kann positiv oder negativ sein,
was im Weltmodell einer gewissen Beschleunigung oder einer entgegengesetzten Bremsung der Expansion entspricht.
Aber die Dunkle Energie beantwortete Einsteins Frage nach dem notwendigen
Grund für die Expansion nicht, sie war
damals, wie er selbst sagte, eine »große
Eselei«. Aber gelöst ist das Problem der
Uneindeutigkeit der Feldgleichungen bis
heute nicht. So dass man der Dunklen Energie prinzipiell Raum geben muss.
Welchen Wert die Dunkle Energie tatsächlich hat, war während der Vorbereitungszeit auf das Weltraumteleskop
HUBBLE kaum einzugrenzen (siehe auch
Teil 3, Ziele nach dem HST). Nur wer sie,
per definitionem, gleich null setzte, konnte aus dem lokalen Hubble-Alter eine
obere Grenze des Weltalters von etwa 20
Milliarden Jahren ableiten. Aber man
wusste:
 Prognose 2: Durch Beobachtung des
Helligkeitsverlaufs von Supernovae des
Typs Ia (Standardkerzen) lässt sich die Expansionsrate des fernen Weltraums direkt
messen und damit das Ausmaß der Dunklen
Energie eingrenzen. (Kästen links)
Danach wurde das Weltall transparent,
davor war es undurchsichtig. Der kosmischen Feuerball erscheint uns aber nicht
wie eine Flamme im sichtbaren Licht, sondern als Mikrowellen, elektromagnetische
Strahlung mit tausendfach größerer Wellenlänge. Denn während das Licht fast das
gesamte Weltalter lang zu uns unterwegs
war, dehnte sich der Weltraum um eben
diesen Faktor aus. Dem waren die Lichtwellen zwangsläufig unterworfen.
Die tatsächliche Bestätigung dieser Prognose gelang Arno A. Penzias (geb. 1933)
und Robert W. Wilson (geb. 1936) von
den Bell Telephone Laboratories im Jahr
1965 zunächst zufällig. Sie haben sie danach sehr sorgfältig weiter vermessen
und physikalisch modelliert, was als die
wichtigste Bestätigung des Urknallmodells bis dahin galt.
Der Mikrowellenhintergrund begrenzt
den überhaupt sichtbaren Weltraum (Kasten S. 39). Ein fundamentales Maß des
Kosmos ist die Masse aller Materie darin.
Dass es im Kosmos, außer den leuchtenden Sternen und dem Gas dazwischen,
noch viel mehr durchsichtige, nicht leuchtende Dunkle Materie gibt, die sowohl an
die einzelnen Galaxien als auch an ganze
Galaxienhaufen gebunden ist, war durch
Messungen der Galaxienrotation sowie
ihrer Bahnbewegungen in den Haufen
belegt. Ob es sich bei der Dunklen Materie aber um leuchtschwache Sterne, um
bislang übersehenes intergalaktisches
Gas, um Schwarze Löcher oder um exotische Teilchen handelte, war völlig ungeklärt. Und wiederum durfte die Dunkle
Energie nicht vergessen werden, der wie
jeder Energie auch Schwere und Trägheit
innewohnt.
Ende der 1970er Jahre sagten einige
Kosmologen aus »ästhetischen Gründen«
vorher, die kosmische Gesamtmasse wäre
genau gleich der höchstens erlaubten, um
auch ohne Dunkle Energie einem finalen
»Big Crunch« zu entgehen. Bei dem heutzutage gültigen Weltalter von (13.7 ± 0.7)
Milliarden Jahren wären dies 2  1049 Kilogramm. Andere Forscher hielten, auf-
Albert Einstein (1879 bis 1955,
Bild: SternWelt)
George Gamow (1904 bis 1968,
Bild: SternWelt)
Wieviel Materie gibt es?

In den 1940er Jahren leitete George Gamow (1904 bis 1968) von der Universität Washington aus dem Urknallmodell
die Prognose ab, im Mikrowellenbereich
werde eine kosmische Hintergrundstrahlung zu messen sein. Diese hätte das kosmische Urgas hervorgebracht, als es etwa
so heiß wie eine Gasflamme war. Nach
heutiger Vorstellung geschah dies etwa
380 000 Jahre nach dem Urknall.

Der Mikrowellenhintergrund
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
41
Was sind aktive Galaxien?
Lebensgefährlich?
E
Q
ACS
WF/PC

in Quasar sitzt im Schwerpunkt einer
Galaxie und besteht aus einer glühenden Akkretionsscheibe, also einem
Strudel aus Gas (rot im Diagramm unten
rechts), der das zentrale Schwarze Loch
umgibt. Das Gas bewegt sich allmählich
auf das Loch zu und erhitzt sich durch
Reibung stark. In der Nähe des Schwarzen Lochs erzeugt die Scheibe einen
Wind, den ihr Magnetfeld beschleunigt
und bündelt. So entstehen zwei entgegengesetzt gerichtete Jets, die etwa 100
Schwarzschildradien dick sind (blau). Die
Ionen im Jetplasma sind 100 Milliarden
Grad heiß. Die Elektronen der Jets beschleunigen sogar auf noch höhere Energien und geben diese durch Emission
von Synchrotronstrahlung, mit Wellenlängen vom Radiobereich bis zum sichtbaren Licht, wieder ab – deswegen sind
die Jets sichtbar (oben: Quasarjet, unten: nahe Galaxie mit schwacher Aktivität und winzigem Jet).
Der Quasar 3C 273 (3 Mrd. Lj)
mit Jet und benachbarten Galaxien. Inset: Muttergalaxie,
durch Abblenden des Quasars
sichtbar gemacht (Koronographie).
uasare sind die aktiven Kerne großer Elliptischer Galaxien, oder
Vorläufern davon. Die Aktivität ist
häufig auf die Verschmelzung mit einer zweiten Galaxie zurückzuführen,
deren Gas das Schwarze Loch der ersten füttert. Im Bild beendet vermutlich gerade eine Spiralgalaxie wie unser Milchstraßensystem ihre Existenz!
Galaxien des
umgebenden
Haufens
Jet
Elliptische
Riesengalaxie
Verschmelzung
Quasar PKS 2349
Scheibe

grund tiefsinniger statistischer Überlegungen zur Lichtausbreitung im Modell
des »Clumpy Universe« ein Zehntel davon
für genug. Die übrigen zählten überschlägig Sterne und Galaxien und begnügten
sich, sogar inklusive Dunkler Materie,
mit einem Hundertstel der höchstens erlaubten Masse.
Die Schmalbandfilter der Direktkameras und das Auflösungsvermögen der Spektrographen des HST waren so konzipiert,
dass sie im sichtbaren Licht, und vor allem im UV-Bereich quantitative Analysen von Elementhäufigkeiten an diversen
Arten von Himmelskörpern und im diffusen Gas dazwischen erlauben:
 Prognose 3: Sehr tiefe Aufnahmen ausgewählter Himmelsfelder in diversen Filterbereichen, sowie Spektren von Sternen, Nebeln und
Quasaren werden es erstmals dem HST erlauben, sowohl den absoluten Anteil der baryonischen Materie, als auch die Elementhäufig42
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
Die aktive Galaxie NGC 4438
(50 Mio. Lj), aufgenommen
mit der WF/PC.
keiten vielerorts im Kosmos quantitativ einzugrenzen. (Kästen S. 38, 39, 46, und 48)
Daraus würden sich auch kausale Zusammenhänge, was die Entstehung und
die Entwicklung der verschiedenen Arten angeht, ableiten lassen.
Prognose der Galaxienevolution
Die Vorstellung, ein Urknall habe den
Weltraum hervorgebracht und blähe ihn
noch heute auf, nahmen wir Kosmologen als Standardmodell, als praktische Arbeitshypothese hin. Nur etwa 95 Prozent
von uns waren überzeugt, die übrigen
meldeten Zweifel an. Für das Weltraumteleskop wollten wir die besten Prognosen finden, um evolutionäre Weltmodelle
überhaupt bestätigen oder widerlegen
zu können. Das Urknallmodell sagt ein
endliches Weltalter voraus, womit folgt:
 Prognose 4: Beobachtungen in möglichst
großen Entfernungen werden erweisen, dass
Lebensgefahr auf den besiedelten
Planeten der Sterne der ehemaligen
Spiralgalaxie droht aber in den meisten Fällen nicht zwangsläufig. Nur
von einem der zwei oder vier QuasarJets sollte man sich nicht treffen lassen. Galaxis und Andromeda werden
auf ganz ähnliche Art in – frühestens
– fünf Milliarden Jahren kollidieren.
Bitte vergessen Sie nicht, rechtszeitig Lebensmittelvorräte einzukaufen!
sich alle Galaxien auf einer Zeitskala von zehn
Milliarden Jahren aus dem Urgas zu ihrem heutigen Erscheinungsbild entwickelt haben.
Die Forscher planten, mehr als fünf
Milliarden Lichtjahre entfernte, normale
Galaxien aufzuspüren. Die hätten mehr als
fünf Milliarden Jahre weniger Zeit gehabt,
sich zu entwickeln, als die normalen Galaxien, welche hier und heute zu sehen sind.
Sie würden wahrscheinlich signifikante
Unterschiede zeigen. Vom Erdboden aus
waren solch tiefe Aufnahmen bis dahin
aber nicht gelungen. Wie erfolgreich das
HST diese Prognose bestätigt hat, etwa in
Form der verschiedenen Deep Fields, wird
das zentrale Thema von Teil 2 sein; hier
nur ein Beispiel im Kasten S. 39.
Quasare: ferne Galaxien?
Aber wahrscheinlich hatten die Astronomen bereits vor dem Weltraumteleskop
HUBBLE eine spezielle Art sehr ferner,
Galaxienhaufen Abell 1689 (2.2 Mrd Lj, ACS)
Galaxien bildeten sich dort, wo sich bereits die Dunkle Materie
gesammelt hatte
D
nes diffuses Leuchten künstlich dargestellt. In Deutschland führt Peter Schneider, Universität Bonn, mit seinem Team
solche Untersuchungen durch. Es sind die
mit Abstand genauesten Wägungen und
Massenverteilungsmessungen, die es für
Galaxienhaufen gibt.
Beobachtungen des HST von Galaxienhaufen dienen auch dem Studium der
kosmischen Evolution:
a) durch den Vergleich weit entfernter,
also junger Haufen mit relativ nahen;
b) indem man wiederum die Haufen als
Linsen nutzt: Sie vergrößern sehr weit
entfernte Galaxien und lassen sie heller
erscheinen. So lassen sich ganz junge Galaxien untersuchen, die sonst kaum nachweisbar wären.

er Galaxienhaufen Abell 1689 (oben),
aufgenommen vom HST, ist einer der
imposantesten Körper im Kosmos überhaupt. Mehr als 80 Prozent seiner Masse
bestehen, wie überall im All, aus durchsichtiger, nicht leuchtender Dunkler Materie. Deren Gravitationskraft hat nach dem
Urknall so viel Gas an sich gebunden, dass
hunderte von Galaxien so groß wie das
Milchstraßensystem, etliche Elliptische
Riesengalaxien und Tausende von Zwerggalaxien, die insgesamt aber kaum ins Gewicht fallen, daraus entstehen konnten.
Die gemeinsame Gravitation von Dunkler und aus Atomen bestehender Materie
ist so stark, dass der Galaxienhaufen auf
das Universum dahinter wie eine Zerrlinse wirkt (Gravitationslinseneffekt): Das
Licht von noch weiter entfernten Galaxien wird zum Schwerpunkt des Haufens
hin abgelenkt, so dass diese, teils zu langen Bögen verzerrt, an veränderten Positionen erscheinen. Die beobachtete Verzerrung benutzten britische Forscher, um
daraus die Massenverteilung des Haufens
zu berechnen; das Ergebnis ist als grü-
RDCS 1252.9-2927, ein etwa
7 Mrd. Lj entfernter Galaxienhaufen, enthält einen größeren Anteil an gasreichen,
Sterne bildenden Galaxien als
Haufen unseres heutigen Universums.
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005 43
aktiver Galaxien aufgespürt: Anfang der
1960er Jahre hatten britische Forscher
mit großen Antennen die ersten Signale
von außerhalb des Milchstraßensystems
empfangen.
Ihre Quellen sahen visuell zum Teil
wie Sterne aus und waren daraufhin Quasare, kurz für quasistellare Radioquellen,
genannt worden. Die Forscher konnten
diese Quellen den damals bekannten Arten von Himmelskörpern aber nicht eindeutig zuordnen.
Im Jahr 1963 hatte der Niederländer
Maarten Schmidt (geb. 1929) das optische
Spektrum eines Quasars, 3C 273, veröffentlicht, der im Vergleich zu den damals
bekannten Galaxien eine sehr hohe Rotverschiebung aufweist. Es war vernünftig
gewesen, diese Rotverschiebung, wie bei
den Galaxien, als Maß für die Entfernung
anzusehen. Das hatte die Quasare für alle
Kosmologen sofort attraktiv gemacht.
Lichtstrahlkrümmung
 Sterne, Galaxien, Haufen krümmen
durch ihre Schwerkraft vorbeilaufende
Lichtstrahlen und lassen den Kosmos
dahinter vergrößert und verzerrt erscheinen (Kasten S. 43).
 Makrolinsen sind besonders kompakte Galaxien und Haufen, die beim Beobachter Mehrfachbilder von Hintergrundquellen hervorrufen.
 Ablenkungswinkel x: Einstein hat aus
seiner Relativitätstheorie eine ganz einfache Formel abgeleitet, die für folgende
Situation gilt: Läuft der Lichtstrahl einer
fernen Quelle (Galaxie, Quasar, Hintergrundstrahlung) außen an einer Makrolinse vorbei, so wird er um einen Winkel
x gekrümmt. Dann ist
x = 2 rS / r ,
(x im Bogenmaß); wobei r der Abstand
des Lichtstrahls vom Schwerpunkt der
Linse und rs ihr Schwarzschildradius
ist.
Diese Formel ist der einzige physikalische Input der Bildverarbeitungssoftware, die, auf Bildern des HST von
Galaxienhaufen angewandt, die Materieverteilung der Haufen, inklusive des
unsichtbaren Anteils (!), liefert (Kasten
S. 43).
 Schwarzschildradius:
rs = 2 M G/c 2,
wobei M: Linsenmasse, G: Gravitationskonstante, c: Lichtgeschwindigkeit.
 Erste tatsächliche Bestätigung: Im
Mai 1919 beobachtete der Brite Sir Arthur Eddington (1882 bis 1944) bei einer Sonnenfinsternis, dass Sterne, die
zufällig gerade nahe dem Sonnenrand
zu sehen waren, eine leicht veränderte
Himmelsposition aufwiesen, wobei die
Verschiebung weg vom Rand gerichtet
war. Die Winkelverschiebung der Sterne
am Himmel war gleich dem Krümmungswinkel der Lichtstrahlen im Schwerefeld
der Sonne – und stimmte genau mit der
von Einstein vorhergesagten Krümmung
der Lichtstrahlen überein. So verhalf
Eddington Einsteins Relativitätstheorie
zum Durchbruch.
 Mikrolinsen: Jeder Stern, außer die
Sonne bei uns, ruft plötzlich mehrfache
Mikrobilder eines ferneren Sterns hervor,
wenn dieser sich exakt hinter ihm bewegt. Die Mikrobilder, die ebenso plötzlich wieder verschwinden, sind mit Teleskopen nicht auflösbar, äußern sich
aber in einem Aufblitzen für Stunden bis
Tage.
Prognose für Quasare
Noch in den 1960er Jahren sagten die
Briten Fred Hoyle (1915 bis 2001) und
Wallace Sargent (geb. 1935) vorher:
 Prognose 5: Quasare werden sich als ferne Galaxien herausstellen, deren Kerne massereiche Schwarze Löcher enthalten. Man wird
finden, dass diese Kerne aktiv und sehr leuchtkräftig sind, wenn Gas oder ganze Sterne in
die Löcher stürzen. (Kasten S. 42 rechts)
Im englischen Cambridge überprüften Martin Rees (geb. 1942) und Roger
Doppel- und Vierfachquasare durch Gravitationslinsen
Quasar
A
B
C
D
D
ie Abb. 2–4 sind Aufnahmen des Weltraumteleskops HUBBLE, die Abb. 5 und
6 stammen von Teleskopen der ESO und
wurden durch Bildverarbeitungssoftware
geschärft. Abb. 7 ist die Röntgenaufnahme des NASA-Satelliten CHANDRA eines Vierfachquasars, bei dem zwischen den Quasarbildern die Linse nicht erkennbar ist.
Abb. 1 zeigt das Prinzip der Lichtablenkung, die zu einem Vierfachquasar führt
Abb.Nr.
Linse
Name
Bildabstand
(Abb. 4 und 7). Bewegen wir in Gedanken
das Milchstraßensystem mit der Erde von
der Achse Quasar–Linse fort, so bewegen
sich zwei der auf der Erde wahrgenommenen Bilder aufeinander zu, bis etwa eine
Bildanordnung wie in Abb. 3 entsteht;
danach verschwindet das enge Doppelbild (A1, A2) für die Erdbewohner, so dass
ihnen nur noch ein Doppelquasar übrig
bleibt.
Quasar: D
[Mrd. Lj]
z
Linse: D
[Mrd. Lj]
z
Nr.
(entdeckt)
2
Einsteinkreuz
<1.8
0.04
0.5
0.04
4.
3
PG 1115-080
<2.3
1.72
3
0.29
2.
4
0957+561
6.1
1.41
4
0.39
1.
5
UM 673
2.2
2.72
0.49
5.
6
RXS J 1131-1231
7
Kleeblatt
1.1
2.55
9
6.
Erde

STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005

44
Abb. 1: Das Prinzip eines Linseneffekts.
Abb. 2: Das Einsteinkreuz 2237+
0305.
Blandford (geb. 1949) diese Vorhersage
erfolgreich auf ihre physikalische Konsistenz: Das einströmende Gas umgibt das
Schwarze Loch mit einer Akkretionsscheibe, die sehr effektiv Gravitationsenergie in
Lichtenergie umwandelt und daher zu einer hohen Leuchtkraft führt.
Übrigens sah die Mehrheit der Astrophysiker diese Prognose erst Mitte der
1990er Jahre als bestätigt an, nachdem
John Bahcall (geb. 1934) vom Institute of
Advanced Study in Princeton mit dem HST
in einigen Fällen tatsächlich die Muttergalaxie in direkter Umgebung der etwa
tausendfach helleren Quasarquelle nachwies (siehe Abb. S. 42 oben Mitte und S.
42 rechts) – obwohl dies Anderen bereits
zuvor vom Boden aus, ebenfalls stichhaltig, aber schwerer nachvollziehbar, gelungen war.
Prognosen des Linseneffekts
Refsdal hatte seit seiner Doktorarbeit
Anfang der 1960er Jahre den Gravitationslinseneffekt theoretisch erforscht. (Kasten
S. 44 oben). Dabei kann die Lichtablenkung durch Himmelskörper mehrere
Bilder einer dahinter befindlichen Lichtquelle hervorrufen.
Dies hatte im Jahr 1936 Einstein selbst
für Sterne als Linsen behandelt, aber eine
pessimistische Beobachtungsprognose
gegeben. Ein Jahr darauf begründete der
Schweizer Fritz Zwicky (1898 bis 1974)
jedoch:
 Prognose 6: Linseneffekte mit Mehrfachbildern werden bei Galaxien, als Linsen
wie als Quellen, relativ häufig zu beobachten
sein. Etwa jede 400ste weit entfernte Galaxie
wird sich als signifikant beeinflusst herausstellen.
Bis 1978 gab es aber keinen tatsächlichen Nachweis eines Linseneffekts.
Denn genügend ferne Galaxien waren,
wie erwähnt, noch nicht beobachtbar.
So blieben die Gravitationslinsen ein
exotisches Forschungsfeld, das weltweit
nur etwa ein Dutzend Kosmologen bearbeitete, in Hamburg Refsdal, die Doktorandin Kyonge Chang aus Südkorea,
und mit mir zwei Diplomanden. Refsdal
hatte, auf der Basis von Zwickys Prognose, bereits in den 1960ern vorhergesagt:
 Prognose 7: Linseneffekte mit Mehrfachbildern von Quasaren, hervorgerufen von Linsengalaxien, werden relativ häufig zu beobachten sein. (Kasten unten)
Der Anteil von Mehrfachquasaren in
ausgewählten Quasarstichproben sei etwa gleich der Gesamtmasse der potentiellen Linsengalaxien im Verhältnis zur
kosmologisch kritischen Masse. Da der
erwartete Abstand der Quasarbilder aber
gering sei, würde zur Bestätigung der Vorhersage wahrscheinlich das Weltraumteleskop HUBBLE nötig sein. Umfangreiche Stichproben würden dann aber sogar
Evolutionseffekte und Hinweise auf das
richtige Weltmodell enthalten.
Kosmische Wägerei
Refsdal erhoffte sich von der genauen
Beobachtung solcher Mehrfachquasare
noch weitere Erkenntnisse: Der Abstand
zwischen den Quasarbildern sei ein direktes Maß für die ablenkende Masse,
die am Himmel zwischen den Bildern
liegt. Dieses Maß umfasse die sichtbare
und die Dunkle Materie der Linse.
Schwarze Löcher, normalhelle und
schwache Sterne, sowie Planeten in der
Linse wirken wie kleine zusätzliche Linsen, deren Mikrolinseneffekt getrennt auswertbar sei, so dass der stellare Massenanteil im Prizip unabhängig zu ermitteln
wäre.
Prognose des Mikrolinseneffekts
Die Galaxis, die Linse und der Quasar
bewegen sich relativ zum Mikrowellenhintergrund (Kasten S. 39). Daher sei eine rasante Bewegung der Linsensterne relativ zu den Lichtstrahlen zu erwarten, die
den Quasar mit uns verbinden:
 Prognose 8: Weil die Sterne als Mikrolinsen wirken, habe dies auswertbare Helligkeitsschwankungen in den betroffenen Quasarbildern zur Folge.
Nachweismethode: Quasare seien bekanntlich helligkeitsvariabel, so dass sich
in den Quasarbildern die Schwankungen durch die Mikrolinsen mit den intrinsischen, im Quasar selbst erzeugten, Variationen überlagern. Die intrinsischen
Schwankungen wären in den Bildern al-
B
Galaxie (3 Mrd. Lj)
C
A2

A1

Abb. 3: Der Quasar PG 1115080.
Abb. 4: Der Doppelquasar 0957+
561.
B
Bild des Quasars:
B
C
D
A
A

Linse:
Spiralgalaxie
(0.5 Mrd. Lj)
Abb. 5: Oben: UM 673 (Q 0142100).
Abb. 6: Mitte: RXS J 1131-1231.
Abb. 7: Unten: Das Kleeblatt
(H 1413-117).
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
45
Quasare durchleuchten den Kosmos: Daher bleibt
ihnen keinerlei atomare Materie verborgen
as Team von Dieter Reimers aus Hamburg hatte Anfang der 1980er Jahre, von Spanien und von Chile aus, eine
umfangreiche Durchmusterung fast des gesamten Himmels nach den hellsten Quasaren begonnen. Die ganze Mühe hatte sich
bereits gelohnt, als ihnen 1988 die Entdeckung von HS 1700+642 gelang: Mit
V = 16 mag und z = 2.72 durchscheint er
den Kosmos mit derart viel Licht, dass das
Weltraumteleskop HUBBLE nach nur einigen Stunden Messung ein informationsgeladenes Spektrum lieferte (unten). Die
bewilligte Teleskopzeit für solche Quasare
machte das Team drei Jahre lang zum HSTNutzer Nummer 1 in Europa. Bekannt war
bereits, dass ein erheblicher Teil des ursprünglichen UV-Lichts auf der Reise von
fernen Quasaren zu uns verloren geht, absorbiert in intergalaktischen Gaswolken,
die zusammen viel mehr Volumen einnehmen als alle Galaxien und Galaxienhaufen.
Die Spektren zeigen daher einen »Wald«
von Wasserstoffabsorptionslinien.

Oben: Der Quasar HS 1700+
642. Unten: Das Spektrum des
Quasars, aufgenommen mit dem
Faint Object Spektrograph des
Weltraumteleskops HUBBLE. Die
Belichtungszeit betrug nahezu
elf Stunden, verteilt auf drei
Messungen im Zeitraum Dezember 1991 bis Februar 1992.
Rätselhaft aber war, wie sich diese Wolken in die Gesamtstruktur des Kosmos einordnen und wieviel Masse sie insgesamt
besitzen. Die Analyse der HST-Spektren ergab, dass die Wolken, wie die Galaxien, der
großräumigen Filamentstruktur der Dunklen Materie folgen. Sie sind an diese gravitativ aber nicht so stark gebunden wie
Galaxien. Das erstaunlichste Ergebnis war:
Im jungen Universum, bis herab zu einer
Rotverschiebung von 1.5, als immerhin
mehr als zwei Milliarden Jahre seit dem
Urknall vergangen waren, befanden sich
bei weitem die meisten Atome des Kosmos
in diesen Wolken.
Dass der übrige Wasserstoff in den Galaxien steckt, war damit noch nicht gesagt:
Selbst ein extrem dünnes Gas zwischen
den Filamenten, in den Voids, könnte wegen deren Größe ebenfalls viel davon bergen. Wiederum waren es Quasarspektren,
die diese Möglichkeit zunehmend unwahrscheinlich erscheinen ließen: Bisweilen
verläuft der Sehstrahl zu einem Quasar direkt durch das stark verdichtete Gas einer
jungen Galaxie. Die statistische Auswertung solche Fälle ergab, dass die Gesamtmenge des dortigen Wasserstoffs ausreicht,
die Differenz zwischen den im Urknall erzeugten und den in den Wasserstoffwolken
gefundenen Atomen zu schließen.
Lyman-LinienAbsorber (LLA)
Lyman-KantenAbsorber (LKA)
Lichtweg Quasar–Erde
D
Quasar
Erde
Galaxien
im Vordergrund

Quasar
LKA (z = 0.8842)
Großräumige Struktur: Verteilung
von Gas und Galaxien im heutigen Kosmos (Bild: MPA)
LKA (z = 1.157)
Lichtintensität
Quasar-Emission
200
46
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
220
240
Resultate durch das Weltraumteleskop HUBBLE
Dargestellt in
1
Das lokale Hubble-Alter beträgt: 13.1 Milliarden Jahre (± 10 %).
Kasten S. 40
2
Die Expansionsrate entfernter Bereiche des Weltraums (Typ-1a-SN) deutet auf ein tatsächliches Weltalter
von 13.6 Milliarden Jahren (± 10 %) hin.
Kasten S. 40,
siehe Teil 3
3
Die Aufteilung der baryonischen Materie zwischen Galaxien und intergalaktischem Raum ist für
z > 1 bis auf etwa zehn Prozent genau bestimmt.
Kasten S. 46
4
Die Evolution der Galaxien und Galaxienhaufen auf kosmischer Zeitskala ist überzeugend belegt
siehe Teil 2
5
Das Quasar-Modell (Akkretionsscheibe um Schwarzes Loch) ist bestätigt.
Kasten S. 42
6
Makrobilder von Galaxien (Bögen) wurden zuerst vom Boden aus beobachtet, mit dem HST ergeben sich
exakte Haufen-Massenverteilungen.
Kasten S. 43
7
Mehrfachquasare wurden zuerst vom Boden aus beobachtet, mit dem Weltraumteleskop HUBBLE ergeben
sich exakte Linsenmodelle.
Kasten S. 45
8
Mikrolensing wurde zuerst vom Boden aus nachgewiesen, erfordert aber oft HST-Beobachtungen
zur quantitativen Auswertung.
siehe Teil 3
9
Bodengebundene Beobachtungen der Lichtlaufzeitdifferenz bei Mehrfachquasaren bestätigen das unter
den Prognosen 1 und 2 genannte Weltmodell.
lerdings nicht gleichzeitig sichtbar, da die
Laufzeiten längs der Lichtstrahlen für die
Bilder unterschiedlich sind.
Durch numerische Anpassung der Helligkeitsverläufe der Quasarbilder aneinander – wären jedoch in den meisten
beobachteten Fällen der Mikrolinsen- und
der intrinsische Effekt zu trennen, und es
würden sich zudem die Laufzeitdifferenzen
ergeben.
Bestimmung des Hubble-Alters
Der Clou daran wäre, dass die ermittelten Laufzeitdifferenzen, bei Kenntnis der
»Abbildungsfehler« der Gravitationslinse, ein direktes Maß für die Expansionsrate des Weltraums (bis zur Entfernung
der Linsengalaxie) seien:
 Prognose 9: Aus den gemessenen Lichtkurven eines Mehrfachquasars ergibt sich ein
Hubble-Alter des Kosmos, das unabhängig
von der lokalen Expansionsrate ist.
Strategische Planungen
Die prinzipiellen Ideen zu diesen Verfahren hatte Refsdal bereits allein oder
zusammen mit Chang entwickelt, wir
Jüngeren sollten sie nun für denkbare
reale Situationen ausarbeiten, um daraus konkrete Prognosen für Beobach-
tungsprogramme, zum Beispiel mit
dem Weltraumteleskop HUBBLE, abzuleiten. Weltweit schmiedete man damals
in Forschungsinstituten an ähnlich kühnen Plänen für kosmologische Beobachtungen mit dem HST, um, »wenn’s losgeht,« gegen die internationale Konkurrenz gerüstet zu sein. »Man sollte sich
auch auf den internationalen Konferenzen blicken lassen, Gescheites vortragen
und hören, was die Anderen so planen.«
Damals begann das Weltraumteleskop
HUBBLE sich bereits auszuzahlen.
Die Suche nach Mehrfachquasaren
war in die anfangs zitierte Liste der vorrangigen HST-Projekte nicht aufgenommen worden, weil es für die Gravitationslinsenprognosen nur eine theoretische
Herleitung, aber noch keine Bestätigung
durch Beobachtungen gab.
Der erste Mehrfachquasar
Während des britischen Jodrell-Bank-Radio-Survey (Wellenlänge etwa 3 cm) hatten Richard Porcas und seine Kollegen
neben vielen anderen Quellen, auch eine
starke Radioquelle an der Himmelsposition 0957+561 entdeckt.
Um zu prüfen, welche Art von Himmelskörper jeweils hinter der Strahlung

Prognosen
steckt, hatten die Forscher die gemessenen Positionen in die Himmelskarten des
schon in den 1950er Jahren gewonnenen
Mt. Palomar Observatory Sky Survey (POSS,
www.eso.org/archive/dss/dss) übertragen.
An der Himmelsposition 0957+561
war den Radioastronomen jedoch keine
eindeutige Identifikation gelungen. Dort
befinden sich, innerhalb der Positionsungenauigkeit der Radiomessungen, zwei
nahezu gleichhelle visuelle Punktquellen, die nur einen Abstand von einem
sechshundertstel Grad (6 Bogensekunden
= 6) aufweisen.
Im Jahr 1979 veröffentlichten die Briten Dennis Walsh und Bob Carswell sowie der Amerikaner Ray Weyman Spektren beider Quellen, die sie mit dem
2.1-Meter-Teleskop des Kitt Peak National Observatory, USA, gewonnen hatten.
LKA (z = 1.725)
LKA (z = 1.847)
260
Erfolge vom HST: Die in den Kästen kurz dargelegten Forschungsergebnisse zeigen bereits, wie
dramatisch sich unser Bild vom
Kosmos mit dem Weltraumteleskop HUBBLE veränderte. Für die
im Text hervorgehobenen Prognosen sind die Resultate hier
nochmals zusammengefasst.
LKA (z = 2.315)
Beispiele für LAA
280
LKA (z = 2.167)
300
Wellenlänge [nm]
STERNE UND WELTRAUM
Juli 2005
47
Die Andromeda-Galaxie ist jünger als vermutet!
D
ie 2.5 Millionen Lichtjahre entfernte Andromeda-Galaxie (Messier��31,
kleines Bild rechts mit Ortsangabe des
Bildes ganz rechts) bildet zusammen mit
dem Milchstraßensystem ein gravitativ
wechselwirkendes Galaxienpaar, das etliche Zwerggalaxien umschwärmen.
Wie die Galaxis besitzt auch Messier
31 (M 31) einen ausgedehnten Halo aus
Einzelsternen und aus Kugelsternhaufen,
wie das große Bild, der Ausschnitt einer
sehr tiefen ACS-Aufnahme, zeigt. Zur
Überraschung der Forscher stellten sich
die Halosterne unserer Nachbargalaxie
als deutlich jünger heraus: Während deren Alter in der Galaxis 11 bis 13 Milliarden Jahre beträgt (Kasten Seite 38),
sind es bei Messier 31 für etwa ein Drittel der Halosterne nur 6 bis 8 Milliarden
Jahre.
Ihr sensationeller Befund: Die beiden
Punktquellen zeigen fast identische, typische Quasarspektren – aus einer Entfernung von mehr als elf Milliarden
Lichtjahren (z = 1.41). Die Autoren sagten vorher, dies werde sich als der erste
beobachtete Fall eines Linseneffekts erweisen.
Digitale Bilder
Das 5-Meter-Hale-Teleskop auf dem Mt.
Palomar war gerade als eines der ersten
Teleskope überhaupt mit einer CCD-Kamera ausgestattet worden. Sie zählt de
facto Photonen und erlaubt quantitativ
auswertbare Beobachtungen, die für jeden Forscher nachvollziehbar sind. Daher haben CCD-Aufnahmen eine deutlich höhere Überzeugungskraft als Photoplatten, die immer einem subjektiv
gefärbten Aufnahmeprozess unterliegen
und nie frei von Plattenfehlern sind.
Die kalifornischen Astronomen hatten ihre neue Kamera zur Beobachtung
des Doppelquasars und des wenig später
entdeckten, zweiten Mehrfachquasars
PG 1115-080 eingesetzt. Mit einem Beobachtungsaufwand von nur wenigen
Stunden konnten Peter Young und seine
Kollegen viele Seiten des Astrophysical
Journal mit hochwertigen Daten füllen
und Forschungsgeschichte schreiben:
Die CCD-Aufnahme des Doppelquasars
(Seeing 1) zeigt auf einen Blick nicht
nur die große Linsengalaxie, sondern
zudem Hunderte von Galaxien des sie
umgebenden Haufens, die allesamt eine
bis dahin für normale, nicht aktive Galaxien als »extrem« geltende Entfernung
von fast vier Milliarden Lichtjahren aufweisen.
48
STERNE UND WELTRAUM
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Ausschnitt rechts
Wahrscheinlich hat vor dieser Zeit
Messier��31 durch Verschmelzung mit einer größeren oder mehreren kleineren
Galaxien massenhaft neue Sterne gebildet, sich also anders als die Galaxis entwickelt (Siehe Teil 2). Diese Vermutung
Alan Stockton hatte, unabhängig
von den Kaliforniern, mit dem 2.2-Meter-Teleskop der Universität Hawaii auf
dem Vulkan Mauna Kea, eine photographische Belichtung bei einem Seeing (atmosphärische Unschärfe) von nur 0.5
Bogensekunden gewonnen und damit
die Helligkeitsverteilung der Riesengalaxie besser bestimmt. Refsdal erhielt von
ihm einen Ausschnitt des digitalisierten
Bildes in numerischer Form, damit wir
daraus ein Modell der Gravitationslinse
ableiten konnten.
In Hamburg arbeiteten wir noch mit
Lochkarten als Speichermedium, und
einen bildgebenden Computermonitor
besaß das Institut nicht. Unsere einzige Darstellungsoption war, die Pixelintensitäten als quadratmetergroßes Raster von dreistelligen Zahlen auszudrucken, die Refsdal dann in mühseliger
Kleinarbeit mit im Kopf interpolierten
Höhenlinien per Bleistift verband.
Beobachtende Kosmologie
Die Mehrfachquasare und die CCD-Kameras gaben den Startschuss für die Eroberung des fernen Kosmos durch konkret planbare Programme mit optischen
Teleskopen. Dies löste eine beachtliche
Umwälzung aus. Aus der handvoll Linsenforschern erwuchs innerhalb kürzest
möglicher Zeit (drei Jahre zur Ausbildung von Nachwuchs und zur Beantragung und Bewilligung der Forschungsmittel) eine Lensing Community, die sich
das erste Mal im Juni 1983 in Belgien fast
vollständig versammelte.
Auf Einladung des damaligen IAUGeneralsekretärs
Jean-Pierre Swings
waren 145 Forscher zum 24th Liége Inter-
stützen zwei unabhängige Befunde aus
Beobachtungen des Weltraumteleskops
HUBBLE: Messier 31 hat 1. einen doppelten Kern und 2. weniger, dafür aber
stärker mit schweren Elementen angereicherte, interstellare Materie.
national Colloquium gekommen – Thema: Quasars and Gravitational Lensing. Die
Gravitationslinsen und ihre Möglichkeiten zur Enträtselung des Kosmos waren
aber das Hauptthema.
Die beobachtende Kosmologie als
Forschungsgebiet, das heute ein gleiches
Gewicht wie die Astronomie des lokalen
Kosmos hat, entwickelte sich danach rasend schnell. Die Liége-Konferenz kann
durchaus als der Startpunkt angesehen werden: Das sehnsüchtig erwartete
Weltraumteleskop HUBBLE im Sinn und
die gereiften Pläne für diverse neue nationale Teleskope mit Spiegeldurchmessern zwischen 2.5 und 10 Metern in der
Tasche, herrschte Aufbruchstimmung
zu immer ferneren Galaxien, um die Geschichte des Kosmos zu studieren.
□
Danksagung: Der Autor dankt Prof. Peter
Schneider von der Universität Bonn für die
Unterstützung, die er diesem Beitrag als Stichwortgeber, Korrektor und Kritiker gab – vermutlich so, wie er sich, als Mitherausgeber von
»Astronomy and Astrophysics«, wohl selbst
den idealen »Referee« wünscht.
Dr. Ulf Borgeest, geboren 1953, ist als
freier SuW-Mitarbeiter
hauptsächlich für die
SuW-Specials verantwortlich. Er hat bis 1993 als
Astrophysiker über Quasare und Gravitationslinsen geforscht.
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