Theorie F: Statistische Physik

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Theorie F:
Statistische Physik
P. Wölfle
Institut für Theorie der Kondensierten Materie
Universität Karlsruhe
http://www-tkm.physik.uni-karlsruhe.de
Vorlesung
SS 2008
Ausarbeitung: Daniel Hermann und Meikel Frank
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
3
1 Thermodynamik
1.1 Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . .
1.2 Erster Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Zweiter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Dritter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Thermodynamische Fundamentalbeziehung
1.6 Thermodynamische Potentiale . . . . . . . .
1.7 Thermodynamische Responsefunktionen . .
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5
5
6
7
10
10
11
13
2 Grundlagen der Statistischen Physik
2.1 Ziel und Methode der Statistischen Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Reine und statistische Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Entropie und Wahrscheinlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Entropie in der statistischen Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Thermodynamisches Gleichgewicht für ein abgeschlossenes System . . . .
2.6 Thermodynamisches Gleichgewicht für offene Systeme mit Energieaustausch
2.7 Thermodynamisches Gleichgewicht für offene Systeme mit Energie- und
Teilchenaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.8 Thermodynamische Funktionale und Stabilität . . . . . . . . . . . . . . .
15
15
15
17
20
20
21
3 Ideale Systeme
3.1 Mittelwerte und Korrelationen von Spinsystemen
3.2 Thermodynamik des Spin-Modells . . . . . . . .
3.3 Lineare Oszillatoren . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Ideales Boltzmanngas . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Systeme identischer Teilchen . . . . . . . . . . .
3.6 Das ideale Fermigas . . . . . . . . . . . . . . . .
3.7 Das ideale Bosegas . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.8 Photonen und Phononen (Hohlraumstrahlung) .
27
27
29
31
33
35
39
46
50
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24
26
4 Aufbau der Statistischen Physik
54
4.1 Zustandsoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.2 Schrödinger- und Heisenberg-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.3 Thermodynamisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
1
INHALTSVERZEICHNIS
4.4
4.5
4.6
4.7
4.8
4.9
4.10
Störungsrechnung für den kanonischen Zustand . . . . .
Thermodynamisches Variationsverfahren . . . . . . . . .
Klassischer Grenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gleichverteilungssatz und Virialsatz . . . . . . . . . . .
Quantenkorrekturen zur klassischen Statistik . . . . . .
Klassische Zustandsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . .
Zeitliche Entwicklung der klassischen Zustandsfunktion .
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5 Reale Systeme im thermodyn. Gleichgewicht und Phasenübergänge
5.1 Spin-Modelle mit Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Eindimensionales Isingmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Näherung des selbstkonsistenten Feldes für das Heisenbergmodell . . . .
5.4 Verdünnte Gase und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.5 Virialentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.6 van-der-Waals-Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.7 Molekularfeldnäherung von Responsefunktionen: die Theorien von DebyeHückel und Ornstein-Zernicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.8 Grenzen der Molekularfeldnäherung: kritische Phänomene . . . . . . . .
6 Thermodynamische Systeme außerhalb des Gleichgewichts
6.1 Lineare Responsetheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Zeitabhängige Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.2 Responsefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.3 Kausalität und analytische Struktur der Responsefunktion .
6.1.4 Positivität der Absorption und Stabilität . . . . . . . . . .
6.2 Fluktuations-Dissipations-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Dynamische Suszeptibilität und Zeitumkehr . . . . . . . . . . . . .
2
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65
66
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72
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76
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81
84
87
92
94
97
. 108
. 110
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115
115
115
117
120
121
124
125
Einleitung
Die Beschreibung makroskopischer Systeme von Teilchen, d.h. von Systemen mit großer
Teilchenzahl N , ist mit der detaillierten Beschreibung der (klassischen oder quantenmechanischen) mikroskopischen Physik weder möglich noch sinnvoll. Allein die Buchführung
über den Mikrozustand eines makroskopischen Systems zur Zeit t, d.h. die Angabe aller
Orte und Impulse der Atome in einer klassischen Beschreibung, bzw. aller Besetzungszahlen in einer Einteilchenbasis in der quantenmechanischen Beschreibung würde für ein
typisches System mit N ∼ 1023 Teilchen viele Tonnen Datenträger erfordern.
Die Gesamtheit dieser Informationen wäre aber auch viel zu detailliert. Alle denkbaren Experimente an einem makroskopischen System können nur einen verschwindend
kleinen Bruchteil dieser Gesamtinformationen abfragen.
Diese experimentell zugängliche Information gilt es theoretisch zu erfassen. Sie bestimmt das makroskopische Verhalten des Systems. Es ist intuitiv klar, daß es sich dabei
um gemittelte Eigenschaften handeln muß. Das gilt insbesondere für Systeme im thermodynamischen Gleichgewicht, deren makroskopischer Zustand zeitunabhängig ist. Es
ist dann naheliegend, gemittelte Größen über das Zeitmittel
1
Ā =
τ
Zτ
dt A(t)
0
einzuführen. Die Hauptidee der statistischen Physik besteht nun darin, dieses Zeitmittel
durch eine Mittelung über Gesamtheiten
NG
1 X
Ai
NG →∞ NG
Ā = lim
i=1
zu ersetzen, also über NG identische Kopien des betrachteten Systems. Sie unterscheiden
sich dadurch, daß sie zu einem früheren Zeitpunkt tAnfang mit beliebigen Anfangsbedingungen (verträglich mit globalen Randbedingungen wie Energie, Teilchenzahl, etc.)
anfingen, sich in den Gleichgewichtszustand zu entwickeln.
Die Gleichbedeutung von Zeit- und Schar-“ Mittelung läßt sich unter bestimmten
”
Voraussetzungen zeigen. Die Definition der Mittelung für gegebene Bedingungen (Energie fest; Temperatur fest; etc.) läßt sich relativ einfach ableiten. Die mathematische
Durchführung der Mittelung ist für realistische Systeme sehr schwierig und kann i.a. nur
mit Näherungsmethoden erreicht werden.
Dieses Vorgehen läßt sich auf Systeme außerhalb des Gleichgewichtszustandes erweitern, allerdings nur für kleine Auslenkungen bzw. für langsam veränderliche Erscheinungen.
3
Es zeigt sich, daß von den 1023 Freiheitsgraden des Systems nur eine Handvoll genügt,
um den makroskopischen Zustand des Systems zu charakterisieren.
Die phänomenologische Theorie thermodynamischer Systeme wurde bereits im 19.
Jahrhundert vollständig entwickelt. Sie war Voraussetzung für den Bau von Wärmekraftmaschinen, die die industrielle Revolution einleiteten. Die statistische Beschreibung
von Materie wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt (Maxwell,
Boltzmann, Gibbs), bedurfte aber einer wesentlichen Erweiterung durch die Quantenmechanik. Die statistische Physik ist noch nicht abgeschlossen und gehört zu den großen
aktiven Forschungsgebieten in der gegenwärtigen theoretischen Physik.
4
Kapitel 1
Thermodynamik
Die Thermodynamik ist eine phänomenologische Theorie (d.h. eine Theorie, die sich
nicht auf die mikroskopischen Grundgesetze der Quantenmechanik bezieht) makroskopischer Systeme, in denen Zustandsänderungen auftreten, in denen der Wärmeinhalt eines
Systems von Interesse ist. Die Zustandsänderungen sollen hinreichend langsam ablaufen.
1.1
Begriffe und Definitionen
• Ein √
thermodynamisches System ist jedes makroskopische System von N Teilchen
mit N ≫ 1.
• Ein thermodynamischer Zustand ist vollständig bestimmt durch die Angabe eines
Satzes von thermodynamischen Zustandsgrößen wie:
Druck P , Volumen V , Temperatur T ,
Teilchenzahl N , chemisches Potential µ,
~ Magnetisierung M
~,
Magnetfeld B,
~ elektrische Polarisation P~ .
elektrisches Feld E,
• Man unterscheidet intensive und extensive Größen, je nachdem, ob die Größe unabhängig von oder proportional zu der Teilchenzahl ist.
• Thermodynamisches Gleichgewicht herrscht in einem System, wenn ein stabiler,
zeitunabhängiger Zustand vorliegt.
• Der Zusammenhang zwischen Zustandsgrößen im thermodynamischen Gleichgewicht wird Zustandsgleichung genannt,
Beispiel:
f (P, V, T ) = 0 ,
und ist vom betrachteten System abhängig.
• Eine thermodynamische Zustandsänderung kann im Gleichgewicht nur durch Änderung der äußeren Bedingungen herbeigeführt werden. Man unterscheidet:
(i) quasistatische Zustandsänderung: langsame Änderung, so daß das System nahe der Gleichgewichtslage bleibt.
5
1.2. ERSTER HAUPTSATZ
(ii) reversible Zustandsänderung: Prozesse, die bei Zeitumkehr in den Ausgangszustand zurückführen (quasistatische Prozesse im Gleichgewichtszustand sind
reversible).
(iii) irreversible Zustandsänderung: Prozesse, die bei Zeitumkehr in endlicher Zeit
nicht zum Ausgangspunkt zurückführen.
(iv) isotherme Zustandsänderung: bei konstanter Temperatur geführte Prozesse.
(v) adiabatische Zustandsänderung: Prozeßablauf ohne Wärmeaustausch mit der
Umgebung.
• Jedem thermodynamischen System wird ein Wärmeinhalt Q zugeordnet, der bei
Temperaturerhöhung größer wird:
δQ = C δT
(C = Wärmekapazität)
• Ein thermodynamisches System kann thermodynamische Arbeit leisten, gegen Kräfte
oder Felder, die auf es einwirken. Mechanische Arbeit wird z.B. bei der Bewegung
eines Kolbens gegen einen äußeren Druck P geleistet,
b
b
δW = P dV
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
P
wenn das Volumen des Systems sich um dV ändert.
~ von einer Probe
Magnetische Arbeit wird bei der Änderung des Magnetfeldes B
~
mit Magnetisierung M geleistet
~ dB.
~
δW = M
Ähnlich bewirkt die Änderung des elektrischen Feldes, angelegt an eine Probe mit
elektrischer Polarisation P~ , eine Arbeit
~
δW = P~ dE.
• Ein Wärmebad ist ein Wärmereservoir, das auf einer konstanten Temperatur T
gehalten wird.
1.2
Erster Hauptsatz
Wärme ist eine Form von Energie“
”
Energieerhaltungssatz
Wir betrachten eine beliebige infinitesimale Zustandsänderung mit
(i) aufgenommener Wärmemenge δQ
(ii) geleisteter äußerer Arbeit δW
6
1.3. ZWEITER HAUPTSATZ
(iii) Änderungen der Teilchenzahl dN
Die Änderung der thermodynamischen inneren“ Energie U
”
ist
dU = δQ − δW + µ dN.
P
1
Da die innere“ Energie U und die Teilchenzahl N Erhaltungs”
größen sind, ist ihre Änderung dU bzw. dN zwischen gegebenen
Anfangs- und Endzuständen unabhängig vom Prozeßweg:
Z
Z
Z
Z
dU = dU ;
dN = dN.
1
2
1
A
b
bE
2
V
2
Konsequenz: Integrale über Kreisprozesse (geschlossene Kurven) sind Null:
I
I
dU = 0 ;
dN = 0
U und N sind Zustandsgrößen.
⇒ dU ist vollständiges Differential; z.B. für U (T, V, N ) gilt
∂U
∂U
∂U
dU =
dT +
dV +
dN
∂T V,N
∂V T,N
∂N T,V
mit den partiellen Ableitungen
∂U
∂T
=
V,N
∂U (T, V, N )
,
∂T
etc.
(δQ und δW sind keine vollständigen Differentiale).
Mit dem Ausdruck für δW im Falle mechanischer Arbeit
δW = P dV
folgt
P =−
1.3
∂U
∂V
,
ebenso µ =
δQ=0,N
∂U
∂N
.
δQ=0,V
Zweiter Hauptsatz
Es gibt keine thermodynamische Zustandsänderung, deren einzige Wirkung darin besteht, daß
(i) eine Wärmemenge einem Wärmespeicher entzogen und vollständig in Arbeit umgesetzt wird.
(ii) eine Wärmemenge einem kälteren Wärmespeicher entzogen und an einen
wärmeren Wärmespeicher abgegeben wird.
Thermodynamische Maschine: Kreisprozeß, wobei
7
1.3. ZWEITER HAUPTSATZ
a) Wärmemenge Q> aus einem Wärmespeicher aufgenommen wird
b) Wärmemenge Q< an einen Wärmespeicher abgegeben wird
c) Arbeit W > 0 geleistet wird
Carnot-Maschine: Reversibler Kreisprozeß mit 4 Stufen (ideales Gas)
∆U = 0 = ∆Q − ∆W
∆W = geleistete Arbeit =
∆Q = Q12 + Q34
I
P dV
(Q12 : im Prozeß (1 → 2) aufgenommene
Wärme, etc.)
Wirkungsgrad einer thermodynamischen Maschine
η=
wobei
∆W
∆Q
Q43
geleistete Arbeit
=
=
=1−
0<η<1
absorbierte Wärme
Q12
Q12
Q12
Q43 = −Q34 > 0
die im Prozeß (3 → 4) abgegebene Wärme ist.
• Carnotmaschine ist effektivste Wärmekraftmaschine, d.h. η is maximal
Beweis: Gegeben sei eine Wärmekraftmaschine A und eine
Carnot-Maschine B mit ηA > ηB . Benutzung von B als
Kühlmaschine würde Wärme von T< nach T> transferieren → Widerspruch zum 2. Hauptsatz.
ηA =
∆WA
∆WA
B
; ηB =
→ QA
12 < Q12
A
Q12
QB
12
• Alle Carnotmaschinen mit gleichem T> , T< haben gleichen Wirkungsgrad
(Beweis wie oben)
−→
1−η =
Q43
= f (T> , T< )
Q12
Bestimmung von f durch Betrachtung gekoppelter Carnot-Maschinen:
P
Q43
= f (T> , TM )
Q12
Q65
= f (TM , T< )
Q43
Q65 Q43
Q65
= f (T> , T< ) =
Q12
Q43 Q12
= f (TM , T< )f (T> , TM )
T>
2
4
8
TM
3
6
T<
5
V
Diese Funktionalgleichung für f hat die Lösung
f (T> , T< ) =
1
g(T> )
.
g(T< )
1.3. ZWEITER HAUPTSATZ
Wegen 0 ≤ f ≤ 1
metrisierung
muß g(T ) eine monoton fallende Funktion sein. Die Parag(T ) =
a
T
,
d.h. f =
T<
T>
definiert die sog. Kelvin-Temperaturskala für T .
(Das so definierte T stimmt mit T = P V /nR der Zustandsgleichung des idealen
Gases überein, denn der Wirkungsgrad einer Carnotmaschine mit idealem Gas als
Arbeitssubstanz ist gerade η = 1 − T< /T> )
Definition der Zustandsgröße Entropie
Für jeden Carnotprozeß gilt
P
Q34
T<
Q43
=−
=
Q12
Q12
T>
Q12 Q34
+
=0
T>
T<
⇐⇒
Jeder beliebige reversible Kreisprozeß läßt sich aus unendlich vielen infinitesimalen Carnotprozessen aufbauen. Die im Inneren des
Bereichs ausgetauschten Wärmemengen benachbarter Carnotprozesse kompensieren sich, es bleiben nur die Randbeiträge übrig
I
δQ
=0
T
dS ≡
V
δQ
ist vollständiges Differential einer Zustandsgröße S
T
Entropie“
”
Kreisprozesse mit irreversiblen Vorgängen besitzen geringeren Wirkungsgrad als der
Carnot-Prozeß: (alle Prozesse mit realen Systemen, die in endlicher Zeit ablaufen)
ηirr = 1 +
Daraus folgt
bzw. für die Zustandsänderung 1 → 2
Z2
1
irr
δQ
≤
T
I
Z2
1
rev
Q34
T<
<1−
Q12
T>
δQ
<0
T
δQ
≡
T
Z2
dS = ∆S
1
rev
In einem thermisch isolierten System (δQ ≡ 0) kann die Entropie nicht abnehmen:
∆S ≥ 0
Daraus folgt (bei festgehaltenen äußeren Parametern)
9
1.4. DRITTER HAUPTSATZ
Im thermodynamischen Gleichgewicht nimmt die Entropie S ihren Maximalwert
an.
Für ein offenes System gilt:
δQ
T
wobei dS die Entropieänderung bei Durchlaufen reversibler Prozesse ist.
dS ≥
1.4
Dritter Hauptsatz
Die Entropie jedes abgeschlossenen thermodynamischen Systems, das einen nichtentarteten quantenmechanischen Grundzustand besitzt, geht für T → 0 gegen Null
lim S(T ) = 0
T →0
1.5
Thermodynamische Fundamentalbeziehung
Aus dem 2. Hauptsatz folgt für reversible Prozesse
δQ = T dS
und damit aus dem 1. Hauptsatz
dS =
1
P
µ
dU + dV − dN
T
T
T
Die Ableitungen von S nach U, V, N sind damit
∂S
∂S
1
P
;
=
=
∂U V,N
T
∂V U,N
T
;
∂S
∂N
U,V
=−
µ
T
S ist eine Funktion der natürlichen Variablen U, V, N , die extensive Größen sind, d.h.
proportional zum Volumen sind.
→
S ist ebenfalls extensive Größe
Dann gilt die Skalenrelation bei Änderung der Systemgröße um einen Faktor λ
S(λU, λV, λN ) = λS(U, V, N )
woraus durch Ableitung nach λ mit λ → 1 folgt
∂S
∂S
∂S
d
(λS) = S =
U+
V +
N
dλ
∂U
∂V
∂N
und daraus die thermodynamische Fundamentalbeziehung“
”
T S = U + P V − µN
10
1.6. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE
Aus dem Differential der Fundamentalbeziehung
T dS + S dT = dU + P dV + V dP − µ dN − N dµ
und dem 1. Hauptsatz folgt die Gibbs-Duhem-Beziehung
dµ = −
V
S
dT + dP
N
N
Das chemische Potential µ ist also eine Funktion der natürlichen Variablen T, P .
1.6
Thermodynamische Potentiale
Die Zustandsfunktion Innere Energie U kann als thermodynamisches Potential aufgefaßt
werden, denn sie beschreibt die Eigenschaft eines thermodynamischen Systems, potentielle Energie zu speichern.
Beispiel: Kolben im gasgefüllten Zylinder bei thermischer Isolierung
P1
1. Hauptsatz:
∆U = ∆Q − ∆W
−→
−∆W
P2
(∆W : mechanische Arbeit)
~
K
Minimaleigenschaft
Für irreversible Prozesse gilt mit δQ ≤ T dS
Z
Z
∆U ≤ T dS − ∆W + µ dN
d.h. im abgeschlossenen System mit S, V, N = const. gilt
(∆U )S,V,N ≤ 0
=⇒
Im Gleichgewichtszustand ist U minimal
Beziehungen zwischen thermodynamischen Ableitungen
Aus
dU = T dS − P dV + µ dN
folgt mit U = U (S, V, N )
∂U
T =
∂S V,N
;
P =−
∂U
∂V
11
;
S,N
µ=
∂U
∂N
S,V
mg
1.6. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE
(x,y)
(x,y)
= ∂U∂y∂x
erhält man die Maxwelldurch weitere Ableitung und Beachtung von ∂U∂x∂y
Relationen
∂T
∂P
=−
∂V S,N
∂S V,N
∂µ
∂T
=
∂N S,V
∂S V,N
∂P
∂µ
=−
∂N S,V
∂V S,N
Die innere Energie U ist das geeignete thermodynamische Potential zur Beschreibung
von Prozessen mit gegebenem S, V, N .
Es ist nützlich, weitere Potentiale zu definieren, mit anderen natürlichen Variablen.
Grundsätzlich ist dies durch eine sog. Legendre-Transformation zu erreichen:
f (x, y) :
∂f
∂f
, η=
∂x
∂y
dF = ξ dx + η dy − η dy − y dη = ξ dx − y dη
df = ξ dx + η dy
F (x, η) = f − ηy :
;
ξ=
• Enthalpie:
H(S, P, N ) ≡ U + P V = ST + µN
−→
dH = T dS + V dP + µ dN
für Prozesse mit gegebenem Druck P , statt V
• Helmholtz’sche Freie Energie:
F (T, V, N ) ≡ U − T S = −P V + µN
−→
dF = −S dT − P dV + µ dN
für Prozesse mit gegebener Temperatur T , statt S
• Gibbs’sche Freie Energie:
(freie Enthalpie)
G(T, P, N ) = U − T S + P V = µN
−→
dG = −S dT + V dP + µ dN
für Prozesse bei gegebenem T und P
• Großes Potential:
Ω(T, V, µ) = U − T S − µN = −P V
−→
dΩ = −S dT − P dV − N dµ
für Systeme mit variabler Teilchenzahl, z.B. Quantensysteme von Quasiteilchen
(Phononen im Festkörper)
Im Gleichgewichtszustand nehmen alle diese Potentiale ihren Minimalwert an.
12
1.7. THERMODYNAMISCHE RESPONSEFUNKTIONEN
1.7
Thermodynamische Responsefunktionen
Die Reaktion eines thermodynamischen Systems auf zeitunabhängige thermodynami”
sche Kräfte“ wird durch die Ableitung der thermodynamischen Potentiale beschrieben.
Thermische Responsefunktionen
Von größtem Interesse sind die thermischen Responsefunktionen oder spezifischen Wärmen
C, die die Änderung des Wärmeinhalts eines Systems (pro Volumen oder pro Masse) bei
Änderung der Temperatur angeben:
C=
δQ
dS
=T
dT
dT
Dabei ist zu spezifizieren, welche anderen Variablen festgehalten werden. Für das P -V System unterscheidet man:
2 ∂H ∂ F
∂S
>0
=
= −T
CV ≡ T
∂T V,N
∂T 2 V,N
∂T V,N
2 ∂S
∂H
∂ G
CP ≡ T
=
= −T
>0
∂T P,N
∂T 2 P,N
∂T P,N
∂2F
< 0, etc. . Somit sind F und G
Bemerkung: Stabilität (2. Hauptsatz) erfordert
∂T 2
konkave Funktionen von T . Ein System mit negativer spezifischer Wärme ist instabil,
da sich ein Gebiet mit erhöhter Temperatur weiter aufheizen würde, anstatt sich auf die
Gleichgewichtstemperatur abzukühlen.
Mechanische Responsefunktionen
• Änderung der Volumens bei Druckänderung:
Kompressibilität κ, isoterm oder adiabatisch:
1 ∂V
1 ∂n
1 ∂2G
κT ≡ −
>0
=
=−
V ∂P T
n ∂P T
V ∂P 2 T
1 ∂V
1 ∂2H
κS ≡ −
>0
=−
V ∂P S
V ∂P 2 S
wobei N = const. und n =
N
V
gesetzt wurde.
• Änderung des Volumens bei Temperaturänderung:
Thermischer Ausdehnungskoeffizient α:
∂G
1 ∂V
1 ∂
αP ≡
=
V ∂T P
V ∂T ∂P T P
Dieser kann größer oder kleiner als Null sein.
13
1.7. THERMODYNAMISCHE RESPONSEFUNKTIONEN
Identitäten zwischen mechanischen und thermischen Responsefunktionen
Es gelten folgende Beziehungen:
CP
κ
= T
CV
κS
CP − CV = T · V ·
α2P
≥0
κT
CP ≥ CV , da bei P = const. Volumenänderung auftritt, die zu zusätzlichem Arbeitsaufwand führt.
Magnetische Responsefunktionen
• magnetische Suszeptibilität:
χT /S ≡
∂M
∂B
T /S
• Temperaturkoeffizient der Magnetisierung:
∂M
αB ≡
∂T B
14
Kapitel 2
Grundlagen der Statistischen
Physik
2.1
Ziel und Methode der Statistischen Physik
Im Rahmen der statistischen Physik wird versucht, die makroskopischen Eigenschaften
von Systemen vieler Teilchen aus den mikroskopischen Bewegungsgesetzen abzuleiten.
Von besonderem Interesse sind nichtabgeschlossene Systeme, die mit einem Reservoirsystem (z.B. Wärmebad“) Energie bzw. Teilchen, Impuls, etc. austauschen können. Die
”
Gleichgewichtseigenschaften solcher Systeme, sowie das Verhalten bei langsamen räumlichen und zeitlichen Änderungen werden phänomenologisch beschrieben durch die Thermodynamik, sowie die Mechanik bzw. die Elektrodynamik der kontinuierlichen Medien.
Ziel der statistischen Mechanik ist
(i) die Begründung der Struktur der phänomenologischen Gleichungen (Hauptsätze
der Thermodynamik, Zustandsgleichungen, hydrodynamische Gleichungen, Maxwellgleichungen in Materie)
(ii) die Berechnung von Gleichgewichtsgrößen wie Energie, Druck, aber auch Struktur
(langreichweitige Ordnung), Phasendiagramme
(iii) die Berechnung thermodynamischer Responsefunktionen und Transporteigenschaften
(iv) die Berechnung mikroskopischer Eigenschaften (dynamische Strukturfunktion)
aus der mikroskopischen Dynamik.
2.2
Reine und statistische Zustände
Wie in der Einleitung ausgeführt wird eine statistische Beschreibung angestrebt, in der
die Wahrscheinlichkeit W (n) eingeführt wird, das System in einem bestimmten reinen
mikroskopischen Zustand |ni zu finden.
Für ein klassisches System ist |ni gegeben durch die Gesamtheit der Orte und Impulse
aller Teilchen :
|ni = |{~ri , p~i }i
15
2.2. REINE UND STATISTISCHE ZUSTÄNDE
und damit
W (n) = W ({~ri , p~i }) .
Für ein Quantensystem sind |ni normierte Quantenzustände des betrachteten Systems aus N Teilchen im Volumen V im Grenzfall V → ∞. Man ist vorwiegend an den
stationären (Energieeigen-)Zuständen interessiert, die definiert sind durch
H |ni = En |ni .
Eigenschaften der statistischen Wahrscheinlichkeit W (n)
• Positivität:
• Normiertheit:
und damit
W (n) ≥ 0
X
W (n) = 1
n
W (n) ≤ 1 .
Interpretation der Wahrscheinlichkeitsverteilung W (n)
Wir definieren eine statistische Gesamtheit als die Menge von NG identischen Kopien
des Systems (NG → ∞), die bestimmte Nebenbedingungen erfüllen, z.B. gegebene Energie, Teilchenzahl, etc. besitzen. Unter diesen sollen NG,n Systeme im mikroskopischen
Zustand |ni vorliegen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß das System sich im Zustand
|ni befindet ist dann
NG,n
W (n) = lim
NG →∞ NG
Die Gesamtheit ist in einem makroskopischen System im thermodynamischen Limes (Volumen→ ∞) realisiert, indem das System in NG Untersysteme aufgeteilt wird, die im Limes Volumen
VG → ∞ voneinander unabhängig sind (Oberflächenbeiträge geben
verschwindenden relativen Beitrag). Makroskopische Größen werden
durch Mittelwerte über die W (n) berechnet,
X
hn| X |ni W (n)
hXi =
V1
V1
V1
V1
V
n
wobei hn| X |ni der quantenmechanische Erwartungswert des Operators X im Zustand
|ni ist. Die Mittelwerte sind nur dann aussagekräftig, wenn die Schwankungen klein sind,
also
(X − hXi)2 ≪ (hXi)2
Diese Bedingung ist, wie später gezeigt wird, erfüllt, wenn das betrachtete System als zusammengesetzt aus sehr vielen gleichwertigen Untersystemen beschrieben werden kann.
Für die interessierenden Systeme ist das der Fall.
Damit läßt sich die Aufgabe der statistischen Physik etwas genauer formulieren als
(i) Ableitung der Wahrscheinlichkeitsverteilung W (n) für einen gegebenen makroskopischen Zustand: Zustandsfunktion W (n) (später: stat. Operator)
16
2.3. ENTROPIE UND WAHRSCHEINLICHKEITSTHEORIE
(ii) Berechnung von Mittelwerten beobachtbarer Größen
Dieses Programm ist bisher nicht vollständig durchgeführt worden. Man kennt zwar
die W (n) für Gleichgewichtszustände, für Nichtgleichgewichtszustände kann man aber
bisher nur Näherungen für kleine Abweichungen vom Gleichgewicht, bzw. für langsame
Änderungen des Zustands in Raum und Zeit angeben. Die analytisch exakte Berechnung
thermodynamischer Mittelwerte im Gleichgewicht ist andererseits nur für einige Modellsysteme möglich. Man ist auch hier weitgehend auf Näherungsmethoden oder numerische
Simulationen angewiesen.
2.3
Entropie und Wahrscheinlichkeitstheorie
Die Größe Entropie spielt in der Thermodynamik eine zentrale Rolle. In der mikroskopischen Physik ist dieser Begriff nicht definiert. Entropie läßt sich also nicht durch
Bildung des Erwartungswerts eines gegebenen Operators berechnen, d.h. ist nicht eine
Eigenschaft der Dynamik des Systems, sondern muß eine Eigenschaft der Wahrscheinlichkeitsverteilung W (n) sein.
Definition und Verknüpfungen von Wahrscheinlichkeiten
Wir betrachten eine Folge von M gleichwertigen Versuchen. Jeder Versuch hat als Ergebnis ein bestimmtes Ereignis |ni. Es soll N mögliche verschiedene Ergebnisse geben
(z.B. Zahlen 1, 2, . . . , 6 eines Würfels). Die Wahrscheinlichkeit W (n) bei einem Versuch
das Ereignis |ni zu finden ist definiert als relative Häufigkeit
Wn =
Mn
M
,
Normierung:
Mn = Zahl der Versuche mit Ergebnis |ni
X
Wn = 1
n
Kombinierte Ereignisse: Die Wahrscheinlichkeit, beim ersten Versuch |ni und beim
darauffolgenden |mi zu finden ist
Wn→m =
Mnm Mn
Mm Mn
Mnm
=
=
= Wm Wn ,
M
Mn M
M M
wobei die Unabhängigkeit der Versuche vorausgesetzt wird.
Korrelierte Ereignisse: Bei Ereignissen die nicht unabhängig sind (z.B. Herausgreifen von Kugeln verschiedener Farbe und verschiedenen Gewichts aus einem Reservoir,
wobei ein Ereignis durch beide Merkmale |mi und |ni charakterisiert ist) ist es nützlich,
die sogenannte bedingte Wahrscheinlichkeit Wm|n einzuführen, als Wahrscheinlichkeit
dafür, daß Merkmal |mi auftritt, wenn |ni mit Sicherheit vorliegt:
Wm|n =
17
Mm|n
Mn
2.3. ENTROPIE UND WAHRSCHEINLICHKEITSTHEORIE
Hier ist Mm|n die Zahl der Ereignisse mit Merkmalen |mi und |ni.
Normierung:
X
Wm|n = 1.
m
Die Wahrscheinlichkeit sowohl |mi als auch |ni zu finden ist
Wm,n = Wm|n Wn = Wn|m Wm
Normierung:
X
Wm,n = 1
n,m
Die Ereignisgruppen |ni und |mi sind statistisch unabhängig wenn gilt:
Wm|n = Wm
⇒
Wm,n = Wm Wn
Entropie als Maß der Unbestimmtheit
Definition der Entropie S als skalare Funktion einer Wahrscheinlichkeitsverteilung Wn ,
die den Unbestimmtheitsgrad beschreibt.
Forderungen:
(i) S ≥ 0 , und S = 0 falls Wn = δn,n0
(ii) S = S(W1 , W2 , . . . , WN ), symmetrisch in den Wn
(iii) für zusammengesetzte korrelierte Ereignisse soll gelten
X
Wn S{Wm|n }
S{Wn,m } = S{Wn } +
n
Dieser Zusammenhang erfüllt die Forderungen:
(a) S{Wn,m } ≥ S{Wn }
(b) S{Wn,m } = S{Wn } falls Wm|n = δm,n (feste Zuordnung von |mi , |ni)
(c) S{Wn,m } = S{Wn } + S{Wm } für unabhängige Ereignisse |ni , |mi
Durch (i)-(iii) ist die funktionale Form von S festgelegt.
Annahme:
Dann gilt
Nur Ereignis |1i sei durch weitere Merkmale |mi gekennzeichnet.
S({W1 Wm|1 }, W2 , . . .) = S(W1 , W2 , ..) + W1 S{Wm|1 }
Dies ist erfüllbar, wenn
S{Wn } =
X
fn (Wn )
n
Symmetrie
=
X
n
18
f (Wn )
2.3. ENTROPIE UND WAHRSCHEINLICHKEITSTHEORIE
Somit ergibt sich eine Funktionalgleichung für f :
X
X
f (Wm|1 )
f (W1 Wm|1 ) = f (W1 ) + W1
m
m
Diese wird gelöst durch den Ansatz
f (x) = g(x) ln(x) .
Man bekommt
i X
h
i
hX
g(W1 Wm|1 ) − g(W1 ) +
ln(Wm|1 ) g(W1 Wm|1 ) − W1 g(Wm|1 ) = 0 .
ln(W1 )
m
m
Diese Gleichung ist erfüllt für g(x) ∼ x, denn
X
W1 Wm|1 − W1 = 0
m
X
m
i
h
ln(Wm|1 ) W1 Wm|1 − W1 Wm|1 = 0
Damit ist der allgemeine Entropieausdruck:
S{Wn } = S = −k
X
Wn ln(Wn )
wobei k > 0
n
Maximale Entropie: Im Falle N verschiedener Ereignisse wird der maximale Wert
von S erreicht für die Gleichverteilung Wn = N1
Smax = k ln N
Zum Beweis untersuchen wir die Differenz Smax − S:
X
Smax − S = k ln N + k
Wn ln Wn
n
=k
hX
Wn ln N +
| n {z }
=1
=k
X
n
Unter Verwendung, daß
1
x
X
Wn ln Wn +
n
h
i
X 1
−1
N
| n {z }
=0
i
1
Wn ln(N Wn ) +
−1 .
N Wn
− 1 ≥ ln x1
für x > 0 ist, folgt
Smax − S ≥ 0 ,
und damit handelt es sich bei Smax tatsächlich um ein Maximum.
Anmerkung: Später wird gezeigt, daß die so definierte Entropie von Wn mit der
thermodynamischen Entropie im Gleichgewichtszustand übereinstimmt.
19
2.4. ENTROPIE IN DER STATISTISCHEN PHYSIK
2.4
Entropie in der statistischen Physik
Es ist naheliegend, den oben definierten Begriff der Entropie einer Wahrscheinlichkeitsverteilung auf die Verteilung der mikroskopischen Zustände in einem makroskopischen
System, W (n), anzuwenden.
Postulat:
Einem beliebigen Makrozustand mit Zustandsfunktion W (n) ist die Entropie
S({W (n)}) = −k
X
W (n) ln W (n)
n
zugeordnet. S wird maximal für die Zustandsfunktion W th (n), die den thermodynamischen Gleichgewichtszustand unter den gegebenen Nebenbedingungen beschreibt. S ist dann gleich der thermodynamischen Entropie. Die
Konstante k wird als Boltzmannkonstante“ bezeichnet:
”
erg
J
k ≃ 1.38 · 10−16
= 1.38 · 10−23
K
K
Additivität der Entropie
Für ein System, das aus zwei unabhängigen Teilsystemen besteht, gilt
W (n) = W1 (n1 ) W2 (n2 )
mit
X
W (n) = 1
und
n
Dann ist
X
W1 (n1 ) = 1 =
= −k
X
n1 ,n2
hX
W2 (n2 ) .
n2
n1
S({W (n)}) = −k
X
h
i
W1 (n1 ) W2 (n2 ) ln W1 (n1 ) + ln W2 (n2 )
W1 (n1 ) ln W1 (n1 ) +
X
n2
n1
= S({W1 (n1 )}) + S({W2 (n2 )}) .
i
W2 (n2 ) ln W2 (n2 )
S ist also eine extensive Größe.
2.5
Thermodynamisches Gleichgewicht für ein abgeschlossenes System
Die statistische Gesamtheit abgeschlossener Systeme wird als mikrokanonisch bezeichnet. Für ein abgeschlossenes System hat die Energie einen festen Wert E. Es gilt also
W (n) = 0
falls
20
En 6= E
2.6. THERMODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT FÜR OFFENE SYSTEME MIT
ENERGIEAUSTAUSCH
Das Maximum von S ist also zu suchen unter den Nebenbedingungen En = E, bzw.
X
n
En =E
W (n) ≡
X′
W (n) = 1
n
Dieses Extremalproblem mit Nebenbedingung läßt sich mit Hilfe der Lagrange-MultiplikatorMethode in ein uneingeschränktes Extremalproblem überführen. Wir definieren ein erweitertes Funktional SM ,
X
h X′
i
′
SM ({W (n)}, λ) = max −k
W (n) ln W (n) + λ
W (n) − 1
n
n
dessen Maximum durch die Extremalbedingungen (Euler-Gleichungen)
X′
∂SM
=0=
W (n) − 1
∂λ
n
∂SM
= −k ln W (n) − k + λ = 0
∂W (n)
bestimmt wird. Es ergibt sich bei Berücksichtigung der Normierung die mikrokanonische
Zustandsfunktion

 1
, alle n mit En = E
WM (n) = Ω(E)

0
, sonst
X′
wobei Ω(E) =
1 die Zahl der Zustände |ni mit Energie E ist. Die Entropie ist
n
dann gegeben durch
SM (E) = k ln Ω(E) .
Wie man sich leicht überzeugt, ist S maximal.
2.6
Thermodynamisches Gleichgewicht für offene Systeme
mit Energieaustausch
In der Regel sind die betrachteten Systeme nicht abgeschlossen, sondern stehen in Kontakt mit einem Wärmebad. Dann sind zwar Zustände mit beliebiger Energie zulässig,
aber durch die vorgegebene Temperatur T des Wärmebads wird der Mittelwert der
Energie kontrolliert:
X
hEi =
En W (n)
n
Dies ist die sog. kanonische Gesamtheit.
Das Maximum der Entropie ist also zu suchen unter der Nebenbedingung
X
W (n) = 1
und
hEi = const.
n
21
2.6. THERMODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT FÜR OFFENE SYSTEME MIT
ENERGIEAUSTAUSCH
d.h. es ist das Funktional zu maximieren:
i
Xh
SK (W (n), λ, η) =
−kW (n) ln W (n) + λW (n) + ηEn W (n) − λ − η hEi
n
Lösen der Euler-Gleichungen
∂SK
= 0 = −k ln W (n) − k + λ + ηEn
∂W (n)
führt zur kanonischen Zustandsfunktion
W th (n) ≡ WK (n) =
1 −En /kT
e
ZK
wobei η = −1/T gesetzt wurde und T zunächst unbestimmt ist, mit der kanonischen
Zustandssumme
X
ZK =
e−En /kT .
n
Die Helmholtz’sche Freie Energie ist damit
F = hEi − T S
h
X
X
En i
=
En WK (n) + kT
WK (n) − ln ZK −
kT
n
n
= −kT ln ZK
Umgekehrt gilt
ZK = e−F/kT .
Anschluß an die Thermodynamik:
1. Wir betrachten eine reversible Zustandsänderung, die durch Änderung des Parameters T erfolgt,
T → T + dT.
Änderung der Energie:
dhEi =
X
En dWK (n)
n
Änderung der Entropie:
dS = −k
= −k
X
n
X
n
dWK (n) ln WK (n) + 1
En
− ln ZK + 1
dWK (n) −
kT
Aus der Normierung von WK (n) folgt
dS =
P
n dWK (n)
= 0 und damit
1
1X
En dWK (n) = d < E >
T n
T
22
2.6. THERMODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT FÜR OFFENE SYSTEME MIT
ENERGIEAUSTAUSCH
Es gilt also der thermodynamische Zusammenhang
dU = T dS ,
wenn man T mit der absoluten Temperatur identifiziert, hEi mit der inneren Energie U , und S mit der thermodynamischen Entropie.
2. Stabilitätseigenschaft thermodynamischer Responsefunktionen:
Spezifische Wärme:
∂hEi e−En /kT
∂ X
CV ≡
En
=
∂T ∂T n
ZK
V
e−En /kT
1 X 2
E
−
E
hEi
n
n
kT 2 n
ZK
D
D
E
E
1
=
(Ê − Ê )2
≥0
kT 2
=
3. Äußere Kräfte:
Mechanische Kopplung, etc. , führt zu Änderung der Dynamik
Ĥ
−→
Ĥ + dĤ = Ĥ +
∂ Ĥ
da,
∂a
wobei a ein äußerer Parameter ist (z.B. Volumen, Magnetfeld, etc.). Damit ergeben
sich Änderungen der Energieeigenwerte
En
−→
En + dEn
,
dEn = hn|
∂ Ĥ
|ni da
∂a
und der Zustandsfunktion W (n). Für die Änderung der Entropie und der inneren
Energie folgt
X
1X
dW (n)En
dS = −k
dW (n) ln WK (n) =
T n
n
X
X
dhEi =
En dW (n) +
WK (n) dEn
n
n
= T dS +
X
n
Beispiel:
WK (n) hn|
Änderung des Volumens:
∂ Ĥ
|ni da
∂a
da = dV
dhEi = T dS − P dV
mit der Definition für den Druck
P =−
X
n
WK (n) hn|
23
∂ Ĥ
|ni
∂V
2.7. THERMODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT FÜR OFFENE SYSTEME MIT
ENERGIE- UND TEILCHENAUSTAUSCH
Interpretation: Gefäßwand wird durch Potential VW beschrieben
H = H0 +
N
X
VW (~ri ) ,
i=1
wobei ~ri der Ortsoperator des Teilchens i ist. Bei infinitesimaler Verrückung der
~ →R
~ + d~x folgt:
Wand R
N N X
X
~ ~r VW dx
~
n̂ · ∇
∇~ri VW d~x =
dH =
i
i=1
i=1
~ ~r VW der Operator der Kraft auf
wobei n̂ der Normalenvektor auf die Wand und ∇
i
Teilchen i ist (die nur auf der Fläche der verschobenen Wand wirkt!). Der auf die
Wand ausgeübte Druck (= Kraft/Fläche) ist
P =−
X
WK (n) hn|
≡−
X
WK (n) hn|
n
n
N
1 X
~ ~r VW |ni
n̂ · ∇
i
F
i=1
1 ∂H
|ni ,
F ∂x
wobei F die Wandfläche ist, und dV = F dx.
2.7
Thermodynamisches Gleichgewicht für offene Systeme
mit Energie- und Teilchenaustausch
Für die Beschreibung quantenmechanischer Vielteilchensysteme ist es nützlich, das Konzept eines Teilchenreservoirs einzuführen. Falls die betrachteten Teilchen nicht stabil
sind, die Teilchenzahl N also sogar im abgeschlossenen Systeme nicht erhalten ist (Photonen, Phononen, etc.), ist es sogar unvermeidlich, so vorzugehen. Die Gesamtteilchenzahl
ist dann nur im Mittel festgelegt
X
hN i =
Nn W (n)
n
und die Summation über |ni erstreckt sich über Zustände mit beliebiger Teilchenzahl
Nn . Man läßt also Energie- und Teilchenaustausch mit dem Reservoir zu. Dies ist die
großkanonische Gesamtheit.
Die Zustandsfunktion des Gleichgewichtszustands ergibt sich durch Bestimmung des
Maximums des erweiterten Entropiefunktionals
Xh
−kW (n) ln(W (n)) + λW (n)
SG (Wn , λ, η, ξ) =
n
unter den Nebenbedingungen
hEi = const.
i
+ ηEn W (n) + ξNn W (n) − λ − η hEi − ξ hN i
und
24
hN i = const. .
2.7. THERMODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT FÜR OFFENE SYSTEME MIT
ENERGIE- UND TEILCHENAUSTAUSCH
Man findet dadurch die großkanonische Zustandsfunktion
WG (n) =
1 −(En −µNn )/kT
e
ZG
wobei ξ = −µ/T gesetzt wurde, mit der Zustandssumme
X
ZG =
e−(En −µNn )/kT .
n
Der Zusammenhang mit ZK ist gegeben durch
ZG =
∞
X
(N )
ZK e+µN/kT ,
N =0
(N )
wobei ZK die kanonische Zustandssumme des N -Teilchensystems ist (Fugazitätsentwicklung, wobei exp(µ/kT ) = Fugazität).
Interpretation von µ
Wir betrachten eine Zustandsänderung, bei der sich T und µ ändern, die Dynamik
(Hamiltonoperator) aber ungeändert bleibt:
X
X
En µNn
dS = −k
dWG (n) ln WG (n) = k
dWG (n)
−
.
kT
kT
n
n
Mit den Relationen
dhEi = dU =
X
En dWG (n)
und
n
dhN i = dN =
X
Nn dWG (n)
n
folgt
dhEi = dU = T dS + µ dN
und damit die Identifizierung von µ mit dem chemischen Potential.
ZG hängt in einfacher Weise mit dem großen thermodynamischen Potential Ω zusammen:
Ω = U − T S − µN
h
i
X
=
WG (n) En − µNn + kT ln WG (n)
n
= −kT ln ZG
Umgekehrt gilt:
ZG = e−Ω/kT
25
2.8. THERMODYNAMISCHE FUNKTIONALE UND STABILITÄT
2.8
Thermodynamische Funktionale und Stabilität
Die gefundenen Gleichgewichtszustände sind global stabil, d.h. sie führen zum absoluten Maximum der Entropie. Für alle Zustände, die z.B. der Nebenbedingung U = hEi
genügen, ist nämlich
X
X
SK = −k
WK (n) ln WK (n) = −k
W (n) ln WK (n) ,
n
n
wobei W (n) eine beliebige Zustandsfunktion ist, die den Nebenbedingungen
X
X
W (n)En = U
,
W (n) = 1
n
n
genügt. Dann ist
S({Wn }) − SK
WK (n)
=k
W (n) ln
W (n)
n
X
WK (n)
−1 = 0.
≤k
W (n)
W (n)
n
X
In der Thermodynamik kann man zeigen, daß das jeweilige thermodynamische Potential im Gleichgewicht minimal wird. Es läßt sich ein Funktional definieren, das diese
Eigenschaft besitzt und im Minimum gleich dem oben bestimmten Gleichgewichtswert
wird. Für die Helmholtz’sche freie Energie ist dies:
h
i
X
F ({W (n)}) =
W (n) En + kT ln W (n) .
n
Es gilt also:
F ({W (n)}) ≥ F ({WK (n)}) .
26
Kapitel 3
Ideale Systeme
3.1
Mittelwerte und Korrelationen von Spinsystemen
~ (allgemein: ZweiWir betrachten ein System aus N Spins s = 1/2 im Magnetfeld B
Niveau-System). Das magnetische Moment eines Spins sei µ0 . Dann ist die Gesamtenergie
E({si }) = −
N
X
2si µ0 B
,
i=1
si = ±
1
2
wobei {si } die Spinkonfiguration angibt. Insgesamt kann E folgende Werte annehmen:
E = −mµ0 B
mit m ∈ {−N, −N + 2, . . . , N } .
Mikrokanonische Gesamtheit Abgeschlossenes System
E ist fest vorgegeben (mikrokanonische Gesamtheit). Alle Zustände zu gegebenem m
haben jeweils
1
1
N↑ = (N + m) Spins ↑ und N↓ = (N − m) Spins ↓ , N↑ + N↓ = N
2
2
Also ist die Anzahl der möglichen Zustände für gegebenes m
Ω(N, m) =
N!
N −m
( N +m
2 )!( 2 )!
=
N↓
N↑ !N↓ !
Im thermischen Gleichgewicht gilt:
W (n) =
1
.
Ω
Der Mittelwert eines Spins (z.B. s1 ) ist gegeben durch
i
1 1h
hs1 i =
N (s1 = 1/2) − N (s1 = −1/2)
2Ω
mit
N (s1 = ±1/2) = Anzahl der Spinkonfigurationen mit s1 = ±
= Ω(N − 1, m ∓ 1)
27
1
2
3.1. MITTELWERTE UND KORRELATIONEN VON SPINSYSTEMEN
und damit
1m
2N
Die Schwankung um den Mittelwert ergibt sich als
hs1 i =
D
wobei
2 E 2 1
= s1 − hs1 i2 =
s1 − hs1 i
4
m2
1− 2
N
i 1
2 1 1 h
N (s1 = 1/2) + N (s1 = −1/2) =
s1 =
4Ω
4
benutzt wurde.
Wir betrachten Korrelationen der Spins, z.B. s1 und s2 , die durch Erwartungswerte
von Produkten von Spinvariablen erfaßt werden. Mit der Zahl der Konfigurationen
(s1 s2 = 1/4)
(s1 s2 = 1/4)
(s1 s2 = −1/4)
↑↑
↓↓
↓↑ , ↑↓
folgt
hs1 s2 i =
z.B.
X
(s1 s2 )n
n
Ω↑↑ = Ω(N − 2, m − 2)
Ω↓↓ = Ω(N − 2, m + 2)
Ω↑↓ = Ω↓↑ = Ω(N − 2, m)
1 Ω↑↑ + Ω↓↓ − 2Ω↑↓
1 m2 − N
1
=
=
Ω
4
Ω(N, m)
4 N (N − 1)
N +m N +m−2
Ω↑↑
Ω(N − 2, m − 2)
2
=
= 2
Ω
Ω(N, m)
N (N − 1)
,
Korrelationsfunktionen sind definiert durch
s1 − hs1 i s2 − hs2 i
= hs1 s2 i − hs1 i hs2 i
1
1 m 2
=
−1
4 N
N −1
Bemerkung:
etc.
N →∞
−→
0.
Korrelationen entstehen durch Nebenbedingung E = const.
Kanonische Gesamtheit
Mit der Zustandsfunktion
WK
1 −En /kT
1
=
e
=
exp
ZK
ZK
N
2µ0 B X
si
kT
i=1
!
ergibt sich für die Zustandssumme
ZK =
X X
s1 =±1/2 s2
. . . exp
N
2µ0 B X
si
kT
i=1
!
= (Z0 )N ,
wobei Z0 die Zustandssumme eines Spins darstellt:
X
2µ0 B
µ0 B
Z0 =
exp
s = 2 cosh
.
kT
kT
s=±1/2
28
3.2. THERMODYNAMIK DES SPIN-MODELLS
Die Zustandsfunktion WK separiert also in ein Produkt über alle Spins
N
N
Y
Y
1
2µ0 B
(i)
WK =
WK =
exp
si
Z0
kT
i=1
i=1
und damit ist
hsi sj i = hsi i hsj i
h(si − hsi i)(sj − hsj i)i = 0 ,
i 6= j
Für den Mittelwert eines Spins ergibt sich
X
µ0 B
1
(i)
hsi i =
si WK = tanh
2
kT
si =±1/2
und für die Schwankung von dem Mittelwert
∆si
2
=
D
2
si − hsi i
E
1
1
= − hsi i2 =
4
4
µ0 B
cosh
kT
2
−1
Die Schwankung um den Mittelwert des Gesamtspins einer Gruppe von ν Spins,
s
(ν)
=
ν
X
si ,
i=1
ist gegeben durch
∆s(ν)
2
=
D
D
2 E
2 E
= ν si − hsi i
s(ν) − s(ν)
Mit s(ν) = ν hsi i folgt für die relative Schwankung
1 ∆si
∆s(ν)
=√
ν hsi i
s(ν)
ν→∞
−→
0
Die Verallgemeinerung dieser Betrachtungsweise auf Spins s > 1/2, bzw. andere Systeme
mit endlicher Zahl von Energieniveaus ist direkt durchführbar.
3.2
Thermodynamik des Spin-Modells
In der mikrokanonischen Gesamtheit ergibt sich für die Entropie
N
N! ≈( N
N +m
N +m
N −m
N −m
e )
=
−k
S(E) = k ln Ω(N, m)
ln
ln
+
2
2N
2
2N
Hier ist E = −mµ0 B und −N < m < N . Aus der thermodynamischen Beziehung dU = T dS folgt
(
> 0 für E < 0
1
∂S
=
∂E
T
< 0 für E > 0
Dies ist eine allgemeine Eigenschaft von Systemen mit nach
oben beschränktem Energiespektrum.
29
S(E)
−N µ0 B
N µ0 B
E
3.2. THERMODYNAMIK DES SPIN-MODELLS
Der Zusammenhang zwischen E und T ergibt sich im betrachteten Modell zu
!
1 − µ0E
1
1 − m/N
1
∂S
∂S
k
k
BN
=
=
=
ln
ln
=
T
∂E
∂m (−µ0 B)
2µ0 B
1 − m/N
2µ0 B
1 + µ0E
BN
oder aufgelöst nach E:
µ0 B
kT
In der kanonischen Gesamtheit läßt sich die Helmholtz’sche Freie Energie aus der
Zustandssumme berechnen:
µ0 B
F (T ) = −kT ln ZK = −N kT ln 2 cosh
kT
E = −N µ0 B tanh
Daraus ergibt sich die Entropie
S=−
∂F
µ0 B
µ0 B
µ0 B
= N k ln 2 cosh
tanh
−
∂T
kT
kT
kT
und die spezifische Wärme
CB = T
∂S
∂T
= Nk
B
CB
µ0 B
kT
2
1
cosh2
µ0 B
kT
.
Schottky-Anomalie
∼
∼ e−2
µ0 B
kT
µ0 B
kT
2
T
µ0 B
Abbildung 3.1: spezifische Wärme in der kanonischen Gesamtheit
Der Verlauf von CB (T ) ist in Abbildung (3.1) dargestellt. Das Maximum in CB (T ) wird
als Schottky-Anomalie bezeichnet. Bei tiefen Temperaturen verhält sich CB (T ) exponentiell, proportional zu exp(−2µ0 B/kT ) als Folge der Energielücke zwischen Grundzustand
und erstem angeregten Zustand.
Das Verhalten bei hohen Temperaturen, CB ∝ 1/T 2 ist charakteristisch für ein System mit nach oben beschränktem Energiespektrum.
Die Magnetisierung ergibt sich durch Ableitung der freien Energie nach B (dF =
−SdT − M dB)
µ0 B
∂F
= N µ0 tanh
= 2N µ0 hsi i ,
M =−
∂B
kT
30
3.3. LINEARE OSZILLATOREN
wobei die letzte Gleichung
auch direkt durch Mittelung des mikroskopischen Ausdrucks
P
für M , M = 2µ0 i si , folgt. Die magnetische Suszeptibilität ist also:
χ=
∂M
1
N µ20
=
0B
∂B
kT cosh2 µkT
B→O
→
N µ20
kT
Für die innere Energie findet man
U = F + T S = −N µ0 B tanh
oder äquivalent
U=
X
i
3.3
µ0 B
= −M B
kT
(−2µ0 B) hsi i = −2N µ0 B hsi i .
Lineare Oszillatoren
Wir betrachten nun Systeme, die aus unabhängigen gleichartigen Elementarsystemen mit
unendlich vielen diskreten Energieniveaus bestehen. Der einfachste Fall ist durch den
linearen harmonischen Oszillator gegeben. Die Energieeigenwerte des i-ten Oszillators
sind
1
ǫni = h̄ω ni +
,
2
wobei ω die Eigenfrequenz und ni die Quantenzahl ist (ni = 0, 1, 2, 3, . . .).
Für ein System von N identischen Oszillatoren (gleiches ω) ist ein Mikrozustand
gegeben durch
|ni = |n1 , n2 , . . . , nN i
mit der Energie
En =
N
X
i=1
N
1 X
ǫn i .
=
h̄ω ni +
2
i=1
Kanonische Gesamtheit
Die Zustandssumme ist definiert durch
X
N
X
1
h̄ω ni +
ZK =
exp −
/kT
2
=
{ni }
∞
X
i=1
ǫn1 /kT
e
n1 =0
=
0 N
ZK
·
∞
X
ǫn2 /kT
e
n2 =0
···
∞
X
eǫnN /kT
nN =0
.
0 für einen einzelnen OszilZK läßt sich als Produkt N identischer Zustandssummen ZK
lator schreiben. Die Zustandssumme eines Oszillators ist
∞
n
X
e−h̄ω/2kT
0
=
e−h̄ω/2kT e−h̄ω/kT
ZK
=
1 − e−h̄ω/kT
n=0
=
1
h̄ω
2 sinh 2kT
31
3.3. LINEARE OSZILLATOREN
Daraus folgen:
a) Freie Energie:
0
F = −kT ln ZK = −N kT ln ZK
h̄ω
= N kT ln 2 sinh
2kT
h
i 1 −h̄ω/kT
= N kT ln 1 − e
+ h̄ω
2
b) Entropie:
S=−
∂F
∂T
h
−h̄ω/kT
= N k − ln 1 − e
(
N k ln kT
h̄ω
=
h̄ω −h̄ω/kT
e
N k kT
,
,
i
h̄ω/kT
+ h̄ω/kT
e
−1
kT ≫ h̄ω
kT ≪ h̄ω
c) Innere Energie:
U = F + TS = N
1
h̄ω
h̄ω + h̄ω/kT
2
e
−1
Die mittlere Zahl von Oszillatorquanten pro Oszillator ergibt sich zu
hni =
∞
X
n=0
n
1 −ǫn /kT
1
e
= h̄ω/kT
.
0
ZK
e
−1
Dies ist die sog. Bose-Einstein-Verteilung für Systeme ohne Teilchenzahlerhaltung.
Damit ist die innere Energie darzustellen als
1
U = N h̄ω hni +
2
d) Spezifische Wärme:
∂S
h̄ω 2
∂U
∂
1
C=T
=
= N h̄ω
hni = N k
h̄ω
∂T
∂T
∂T
2kT
sinh2 2kT
(
Nk
, kT ≫ h̄ω
=
h̄ω 2 −h̄ω/kT
, kT ≪ h̄ω
N k kT e
• Das Hochtemperatur-Verhalten ist im Einklang mit dem Gleichverteilungssatz:
Freiheitsgrade, die quadratisch im Hamiltonoperator auftreten, tra” 1
gen 2 k zu C bei.“
32
3.4. IDEALES BOLTZMANNGAS
In der Hamiltonfunktion des Oszillators treten sowohl die Orts- als auch die
Impulsvariable quadratisch auf, was zu einem Beitrag 2(k/2) = k pro Oszillator führt.
• Das Tieftemperatur-Verhalten ist wegen der Anregungslücke h̄ω zwischen
Grundzustand und erstem angeregten Zustand durch den Boltzmannfaktor
exp(−h̄ω/kT ) bestimmt. Man nennt dieses Verhalten thermisch aktiviert“.
”
3.4
Ideales Boltzmanngas
Die bisher betrachteten Systeme aus räumlich lokalisierten Spins bzw. Oszillatoren beschrieben innere Anregungen. Wir wenden uns jetzt den Bewegungsfreiheitsgraden eines
Systems von nichtwechselwirkenden, unterscheidbaren Teilchen mit Masse m in einem
Kasten mit Volumen L3 zu, dessen Hamiltonoperator gegeben ist durch
N
X
p~ˆ2i
H=
,
2m
i=1
wobei p~ˆi der Impulsoperator des i-ten Teilchens ist. Bei Verwendung periodischer Randbedingungen im Kasten der Länge L sind die Einteilchenzustände |~
pi i die Impulseigenzustände mit Energieeigenwerten
p2
ǫp i = i .
2m
Aus den Randbedingungen
!
h~r | p~i i = h~r + Le~k |~
pi i
eip~i ·~r/h̄ = eip~i ·(~r+Le~k )/h̄
←→
folgt die Quantisierungsbedingung für p~:
eip~i ·e~k L/h̄ = 1
→
pix L = 2πnix h̄
,
etc.
mit nix = 0, 1, . . . , ∞
Die Energieniveaus des Gesamtsystems sind durch die Quantenzahlen nix , niy , niz gegeben als
i
1
2πh̄ 2 h 2
En =
n1x + n21y + n21z + n22x + · · · + n2N z
2m
L
Kanonische Gesamtheit
Die Zustandssumme ergibt sich wegen der Unabhängigkeit der Teilchen und der Impulskomponenten zu
ZK = (Z0 )N D ,
wobei D die räumliche Dimension ist. Dabei wurde die Zustandssumme pro Teilchen
und Raumrichtung definiert als
Z0 =
∞
X
n=−∞
exp −n2
33
2π 2 h̄2
mL2 kT
3.4. IDEALES BOLTZMANNGAS
Im Limes L → ∞ gehen die Abstände zwischen den Energieniveaus gegen Null. Die
Summe läßt sich dann als Integral schreiben:
Z∞
2π 2 h̄2
L
lim Z0 = dn exp −n2
=
2
L→∞
mL kT
λT
−∞
mit der thermischen deBroglie-Wellenlänge
λT ≡
2πh̄2
mkT
1/2
Dabei wurde vorausgesetzt, daß die Temperatur T > 0 ist (siehe später). Damit ist
ZK =
L
λT
N D
und es folgen daraus die Größen
a) Freie Energie:
F = −N kT ln
= −N kT ln
wobei ∆ definiert wurde als ∆ =
V
λD
T
kT
∆
D/2
2πh̄2
mL2
,
und damit ǫn = ∆ · πn2 .
b) Entropie:
S = Nk
V = LD (Volumen)
,
D
ln
2
kT
∆
+ Nk
D
2
c) Innere Energie:
U = F + TS = Nk
d) Spezifische Wärme
∂U
D
= Nk
CV =
∂T V
2
e) Druck:
P =−
∂F
∂V
=
T
N kT
V
D
·T
2
(Gleichverteilungssatz)
(ideales Gasgesetz)
f) Kompressibilität:
κ=−
1
N
1 ∂V
=
, n=
V ∂P
nkT
V
34
3.5. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
g) Chemisches Potential:
∂F
D
µ=
= − kT ln
∂N
2
kT
∆
<0
Der Grenzfall tiefer Temperaturen kT ≪ ∆ für das endlich große System erfordert
2
eine gesonderte Diskussion. Die bisher diskutierten Ergebnisse sind für kT ≫ ∆ = 2πh̄
mL2
gültig, da nur dann die Summe über die Quantenzahlen durch das Integral ersetzt werden
kann. In diesem Temperaturbereich gibt es keine weitere Energieskala, so daß ZK durch
ein sog. Skalengesetz gegeben ist,
ZK ∝ T N D/2 V N .
Für kT ≪ ∆ kann Z0 durch die ersten Terme der Summe ersetzt werden
Z0 = 1 + 2e−π∆/kT + · · ·
und man erhält
F ≈ −kT N ln 1 + 2e−π∆/kT
≈ −2kT N e−π∆/kT
π∆
−π∆/kT
und S ≈ 2kN e
1+
kT
T →0
−→
0,
im Einklang mit dem 3. Hauptsatz.
Wir leiten noch die Maxwell-Verteilung der Geschwindigkeiten eines Teilchens ab.
3
Die Zahl der Teilchen mit Impuls p~ im Volumenelement des Impulsraums d3 p = 2πh̄
L
ist (Dimension D = 3)
3
f (~
p) d p =
X
δp~,p~1 WK
n
1 −~p2 /2mkT
=
e
(Z0 )3
L
2πh̄
3
d3 p
2 /2mkT
f (~
p) = (2πmkT )−3/2 e−~p
wobei die Faktorisierung von WK in Einteilchenbeiträge benutzt wurde:
p
~2
i
WK
p
~1
X
e− 2mkT X
e− 2mkT
= ΠN
δ
;
δ
W
=
K
p
~
,~
p
]vecp,~
p
i=1
1
1
(Zo )D
(Z0 )D
n
n
1
3.5
Systeme identischer Teilchen
Wir betrachten ein System von N identischen quantenmechanischen Teilchen, dessen
Dynamik durch den Hamiltonoperator
H(1, 2, . . . , N ) =
N
X
j=1
35
h(j)
3.5. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
gegeben sein soll (nichtwechselwirkendes System). Hierbei ist j = (~rj , σj ) die Ortsvariable
bzw. Spinprojektion eines Teilchens. Aus den Einteilchen-Energieeigenzuständen |λi mit
h |λi = ǫλ |λi
läßt sich der Hilbertraum eines N -Teilchen-Systems aus Zustandsvektoren aufbauen, die
ein direktes Produkt von Einteilchenzuständen sind:
ΦP (1, 2, . . . , N ) = ϕλ1 (1) ϕλ2 (2) · · · ϕλN (N )
wobei ϕλ (j) = hj|λi die Einteilchenwellenfunktion in der Ortsdarstellung ist. Für diese
gilt:
• Orthonormalität:
• Vollständigkeit:
Z
X
λ
dj ϕ∗λ (j)ϕλ′ (j) = δλ λ′
ϕ∗λ (j) ϕλ (j ′ ) = δ(j − j ′ )
Dann ist auch Φ orthonormiert (n = {λ1 , . . . , λN }):
Z
P P
Φn |Φn′ = d1 · · · dN ΦPn (1, . . . , N ) ΦPn′ (1, . . . , N ) = δλ1 λ′1 δλ2 λ′2 · · · δλN λ′N
und Φ ist Energieeigenzustand von H
H ΦPn = En ΦPn
,
En =
N
X
ǫλj
j=1
Die in der Natur vorkommenden Elementarteilchen lassen sich durch einen kleinen Satz
von Quantenzahlen vollständig charakterisieren (z.B. Elektron: Masse m, Ladung e, Spin
~s).
Damit setzen sich Systeme mit großer Teilchenzahl unvermeidlich aus einer großen
Zahl identischer Teilchen zusammen.
Postulat:
Zustände, die sich nur durch Austausch zweier identischer Teilchen unterscheiden sind äquivalent, d.h. führen zu den gleichen beobachtbaren Eigenschaften.
Mit der Definition des Permutationsoperators P̂ (z.B. Transposition P̂ij ), angewandt
auf einen beliebigen Zustand Φ
P̂ij Φ(1, . . . , i, j, . . . , N ) = Φ(1, . . . , j, i, . . . , N )
muß deshalb für jede Permutation gelten
P̂ Φ = eiθ Φ
denn Zustände eiθ Φ mit beliebiger Phase θ bilden den Satz unitär-äquivalenter Zustände.
Man kann zeigen, dass in D = 3 Dimensionen nur zwei Klassen von Zuständen
zulässig sind:
36
3.5. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
1. Symmetrische Zustände
P̂ |Φs i = |Φs i
für alle
P̂
Teilchen mit solchen Zustandsvektoren heißen Bosonen.
2. Antisymmetrische Zustände
P̂ |Φa i = (−1)P |Φa i
für alle
P̂
wobei (−1)P = ±1 für gerade/ungerade Permutationen, d.h. solche, die durch eine
gerade/ungerade Zahl von Transpositionen aufgebaut werden können. Teilchen mit
solchen Zustandsvektoren heißen Fermionen.
Bemerkungen
(i) Eine genauere Untersuchung des Konfigurationsraumes führt zu folgendem Ergebnis:
D=3,
θ = 0, π
Bosonen, Fermionen
D=2,
θ beliebig
D=1,
θ beliebig
Anyonen“
”
Untersuchung irrelevant, da kein
Teilchenaustausch möglich
(ii) Im Rahmen einer feldtheoretischen Beschreibung der Elementarteilchen, die die
Eigenschaften der Lokalität, Kausalität und Lorentzkovarianz besitzt, läßt sich
zeigen, daß
• Fermionen halbzahligen Spin: S = 1/2 , 3/2 , . . .
• Bosonen ganzzahligen Spin: S = 0 , 1 , . . .
besitzen. Man bezeichnet dies als das Spin-Statistik-Theorem“.
”
Struktur quantenmechanischer Vielteilchenzustände
Bosonen: Total symmetrisierte Zustände werden aus Produktzuständen ΦP durch
Superposition gebildet:
X P̂ ΦP
|Φs i = Ks
P
Da die Permutationen eine Gruppe bilden, gilt:
X
X
P̂ ′ P̂ |Φi = Ks
P̂ ′ |Φs i = Ks
P̂ ′′ |Φi = |Φs i
P
P ′′
Für die Normierungskonstante Ks gilt:
hΦs |Φs i = |Ks |2 N !
Y
!
(nλ !) = 1
λ
wobei nλ die Anzahl der Eigenzustände ϕλ in Φ ist. Es ist also
1
Ks = p
.
Q
N ! λ (nλ !)
Mit diesem Ks ist |Φs i normiert. (Man beachte, daß n! = Γ(n + 1) und 0! = 1). Die
Besetzung der Eigenzustände |λi, nλ , ist beliebig.
37
3.5. SYSTEME IDENTISCHER TEILCHEN
Fermionen:
Total antisymmetrisierte Zustände erhält man analog aus
X
(−1)P P̂ ΦP .
|Φa i = Ka
P
Es gilt
P̂ ′ |Φa i = Ka
wobei
X
P
(−1)P P̂ ′ P̂ |Φi = Ka (−1)P
′′
(−1)P = (−1)P
′P
′
X
P ′′
′′
′
(−1)P P̂ ′′ |Φi = (−1)P |Φa i
′
= (−1)P (−1)P
benutzt wurde. In diesem Fall sind nur nλ = 0, 1 möglich, denn |Φa i ≡ 0 falls
für ein beliebiges λ gilt.
Mit
1
Ka = √
N!
ist |Φa i normiert.
nλ > 1
Besetzungszahldarstellung
|Φs,a i ist eindeutig charakterisiert durch die Angabe der Besetzungszahlen nλ
|Φs,ai = |n1 , n2 , . . .is,a ≡ |{nλ }is,a ≡ |ni
und die Symmetrie des Zustandes (s, a). Die |{nλ }is,a bilden ein vollständiges, orthonormiertes Basissystem im Hilbertraum der Fermi/Bose-Systeme mit beliebiger Teilchenzahl
(Fockraum):
• Orthonormalität:
• Vollständigkeit :
{nλ }|{n′λ } = δn1 ,n′1 δn2 n′2 · · ·
X
{nλ }
|{nλ }i h{nλ }| = 1̂
Durch die Festlegung der Teilchenzahl N
N=
X
nλ
λ
wird die Zahl der möglichen Zustände stark eingeschränkt.
Die Zustände |{nλ }i sind Eigenzustände des Teilchenzahloperators N̂
N̂ |{nλ }i = N ({nλ }) |{nλ }i
mit Eigenwert
N ({nλ }) =
X
nλ
λ
und für nichtwechselwirkende Systeme auch Energieeigenzustände
Ĥ |{nλ }i = E({nλ }) |{nλ }i
X
E({nλ }) =
ǫλ n λ .
λ
38
3.6. DAS IDEALE FERMIGAS
3.6
Das ideale Fermigas
Wir betrachten ein System von N identischen, nichtwechselwirkenden Fermionen in der
großkanonischen Gesamtheit1 . Der Hamiltonoperator des Systems ist
H=
N
X
h(j) ,
j=1
wobei h die Einteilcheneigenschaften charakterisiert:
h |λi = ǫλ |λi
Gesamtenergie und Teilchenzahl sind gegeben durch
X
E({nλ }) =
ǫλ n λ
λ
N ({nλ }) =
X
nλ
nλ = 0, 1
λ
Mit der Zustandsfunktion
WG =
h
i
1
exp − E({nλ }) − µN ({nλ }) /kT
ZG
erhält man die Zustandssumme
h
i
X
ZG =
exp − E({nλ }) − µN ({nλ }) /kT
{nλ }
1
X
=
e−n1 (ǫ1 −µ)/kT
n1 =0
=
Y
!
1
X
n2 =0
e−n2 (ǫ2 −µ)/kT
!
···
Zλ
λ
mit
Zλ =
X
e−nλ (ǫλ −µ)/kT = 1 + e−(ǫλ −µ)/kT .
nλ =0,1
Als mittlere Besetzungszahl ergibt sich
hnλ′ i =
=
X
{nλ }
nλ′ WG ({nλ }) =
1
e(ǫλ′ −µ)/kT
+1
X
nλ ′
nλ′
e−(ǫλ′ −µ)/kT
1 −nλ′ (ǫλ′ −µ)/kT
e
=
Zλ′
1 + e−(ǫλ′ −µ)/kT
≡ f (ǫλ′ − µ) ≡ fλ′
(Fermi-Funktion).
Die Schwankung der Besetzungszahl ist dann
(nλ − hnλ i)2 = hnλ i − hnλ i2 = fλ (1 − fλ ) ≤ fλ ,
1
man sollte eigentlich mit der kanonischen Gesamtheit rechnen, da aber die Teilchenzahl N als sehr
groß angenommen wird, sind kanonische und großkanonische Gesamtheit in diesem Fall annähernd äquivalent (∆N/hN i → 0, siehe unten). Die Rechnung vereinfacht sich in der großkanonischen Gesamtheit.
39
3.6. DAS IDEALE FERMIGAS
wobei ausgenutzt wurde, daß n2λ = nλ ist, d.h. n2λ = hnλ i. Die Besetzungszahlen sind
unkorreliert:
hnλ nλ′ i = hnλ i hnλ′ i .
Daraus folgt für die Gesamtteilchenzahl
X
hN i =
fλ
λ
X
(∆N ) = (N − hN i)2 =
fλ (1 − fλ ) ≤ hN i
2
λ
Als relative Schwankung ergibt sich somit
1
(∆N )
≤p
hN i
hN i
hN i→∞
−→
0.
(Dies ist die Rechtfertigung dafür, daß in der Rechnung die großkanonische Gesamtheit
verwendet wird.)
Aus der Zustandssumme ergibt sich das große thermodynamische Potential
i
X h
Ω = −kT ln ZG = −kT
ln 1 + e−(ǫλ −µ)/kT ,
λ
und man erhält
N = hN i = −
∂Ω X
=
fλ
∂µ
λ
Ω X ǫλ − µ
∂Ω
=− +
fλ
S=−
∂T
T
T
λ
∂Ω
Ω
P =−
=− .
∂V
V
Grenzfall T = 0
Im Grundzustand sind die Einteilchenzustände bis zur
Grenzenergie µ(T = 0) ≡ ǫF (Fermienergie) besetzt:
(
1 , ǫλ < µ
fλ = Θ(µ − ǫλ ) =
0 , ǫλ > µ .
fλ
Fermisee
µ
Das große Potential ist gleich der Grundzustandsenergie, bezogen auf das chemische
Potential:
X
Ω=
(ǫλ − µ) Θ(µ − ǫλ ) ,
λ
wobei benutzt wurde, daß
i
h
lim −kT ln 1 + e−(ǫλ −µ)/kT
T →0
Es ist außerdem
N=
X
λ
−→
(ǫλ − µ) Θ(µ − ǫλ )
Θ(µ − ǫλ ) .
Die charakteristische Energieskala ist durch ǫF gegeben.
40
ǫλ
3.6. DAS IDEALE FERMIGAS
Tieftemperaturbereich kT ≪ ǫF
Die scharfe Fermikante wird in einem Energiebereich ≈ kT aufgeweicht (s. Abbildung
3.2(a)). Die Ableitung der Fermifunktion nach der Energie bildet ein scharfes Maximum
(s. Abbildung 3.2(b)):
−
∂f
1
≡ −f ′ (ǫλ − µ) ≡
∂ǫλ
4kT cosh2
ǫλ −µ
2kT
f ′ ist eine gerade Funktion in (ǫλ − µ) und schließt mit der ǫ-Achse die Fläche 1 ein
−f ′
fλ
kT
1
1
ǫλ
µ
µ
(a)
ǫλ
(b)
Abbildung 3.2: Fermifunktion und ihre Ableitung
(in Abbildung 3.2(b) schraffiert). Eine Entwicklung von Ω nach Potenzen von
ausgehend von dem Ausdruck
Z∞
i
h
Ω = −kT V (2s + 1) dǫ N (ǫ) ln 1 + e−(ǫ−µ)/kT
kT
ǫF
kann
(3.1)
−∞
vorgenommen werden. Hier wurde (für eine Spinprojektion (S = 1/2)) die Zustandsdichte definiert:
X
1
δ(ǫ − ǫλ ) .
N (ǫ) =
V (2s + 1)
λ
Eine zweifache partielle Integration liefert
Z∞
Ω = −V (2s + 1) dǫ b(ǫ) −f ′ (ǫ − µ) ,
−∞
wobei definiert wurde
b(ǫ) =
Zǫ
dǫ′ a(ǫ′ )
;
a(ǫ) =
Zǫ
dǫ′ N (ǫ′ )
−∞
−∞
Im Integralausdruck 3.1 für Ω wird im Integranden die schwach veränderliche Funktion
b(ǫ) mit der rasch veränderlichen Funktion −f ′ (ǫ − µ) multipliziert. Eine Entwicklung
von b(ǫ) um ǫ = µ erlaubt eine näherungsweise Auswertung des Integrals:
1
b(ǫ) = b(µ) + b′ (µ) (ǫ − µ) + b′′ (µ) (ǫ − µ)2 + · · ·
2
41
3.6. DAS IDEALE FERMIGAS
wobei
b′ (µ) = a(µ) ;
b′′ (µ) = a′ (µ) = N (µ) .
Mit Hilfe der Integrale
In =
Z∞
−∞
dǫ (ǫ − µ) −f (ǫ − µ) =
n
In = 0 ,
′
n ungerade


1

π2
2
3 (kT )


4
 7π (kT )4
15
,
n=0
,
n=2
,
n=4
läßt sich die Tieftemperaturentwicklung von Ω (auch Sommerfeldentwicklung genannt)
angeben:
i
h
π2
Ω
= (2s + 1) −b(µ) − N (µ)(kT )2 + O(kT )4 = −P
V
6
Die Größen µ, S, CV ergeben sich daraus durch Ableitung nach den entsprechenden Variablen wie folgt:
• Chemisches Potential:
N =−
mit
h ∂b
i
∂Ω
π 2 ∂N (µ)
= V (2s + 1)
+
(kT )2 + · · ·
∂µ
∂µ
6 ∂µ
∂b
= a(µ) = a(ǫF ) + (µ − ǫF )a′ (ǫF ) + · · ·
∂µ
ZǫF
N
a(ǫF ) = dǫ′ N (ǫ′ ) =
; a′ (ǫF ) = N (ǫF )
V (2s + 1)
−∞
π2 1
=⇒ µ(T ) = ǫF −
6 N (ǫF )
• Entropie:
S=−
∂N (ǫF )
∂ǫF
(kT )2 + O(kT )4
∂Ω
π2
= V N (ǫF )k2 T
∂T
3
• Spezifische Wärme:
CV = T
∂S
∂T
V
≡S
Bemerkung:
1. S(T ) → 0
für
T →0
2. Lineare Abhängigkeit S ∝ T ist Folge der endlichen Zustandsdichte für beliebig
kleine Anregungsenergie (ǫ − ǫF ):
lim N (ǫ) = N (ǫF ) > 0
ǫ→ǫF
3. CV = γT
;
γ ∝ N (ǫF )
42
3.6. DAS IDEALE FERMIGAS
Spezialfall:
lumen LD .
Freie Fermionen mit periodischen Randbedingungen im Kasten mit Vo-
Die Impulseigenwerte sind
2πh̄
nx
L
py , pz analog
px =
,
nx ganz
Daraus ergibt sich die Energie
ǫλ ≡ ǫp~σ =
1
p2
=
2m
2m
2πh̄
L
2 X
D
n2µ
µ=1
Für die Zustandsdichte (ohne Spinentartung, s = 1/2) erhält man
1 X
δ(ǫ − ǫp~ )
V
p
~
Z
L D
1
dD p δ(ǫ − ǫp )
=
V 2πh̄
Z∞
ΩD
=
dp pD−1 δ(ǫ − ǫp )
(2πh̄)D
N (ǫ) =
0
=
In drei Dimensionen gilt:
D=3 :
(D−1)
1
ΩD
p(ǫ)
D
dǫp (2πh̄)
Ω3 = 4π
N (ǫ) =
dp p(ǫ)=√2mǫ
mp(ǫ)
2π 2 h̄3
speziell
N (ǫF ) =
mpF
,
2π 2 h̄3
p
wobei pF ≡ p(ǫF ) = 2mǫF = h̄kF der Fermi-Impuls, kF die Fermi-Wellenzahl ist. Für
die Zustandsdichte in zwei bzw. einer Dimension bekommt man
m
N (ǫ) =
D=2 :
Ω2 = 2π
2πh̄2
m
ǫ→0
−→ ∞
D=1:
Ω1 = 2
N (ǫ) =
πh̄p(ǫ)
• Kompressibilität:
1
κT =
n
∂n
∂P
.
T
Die Duhem-Gibbs-Relation
dµ = −
V
S
dT + dP
N
N
vereinfacht sich mit dT = 0 und n = N/V zu
dP = n dµ
43
3.6. DAS IDEALE FERMIGAS
und es folgt
1
κT = 2
n
Mit
∂n
∂µ
.
T
Z
1 X
n=
fλ = 2 dǫ N (ǫ) f (ǫ − µ)
V
λ
erhält man
∂n
=2
∂µ
Z
∂f dǫ N (ǫ) −
∂ǫ
∂n
= 2N (ǫF ) + O(T 2 )
∂µ
• Spinsuszeptibilität: (S = 1/2)
χ=
∂M
∂B
mit der Magnetisierung
M = µ0
i
1 X′ h
f (ǫλ↑ − µ) − f (ǫλ↓ − µ) .
V
λ
Im Magnetfeld werden die Einteilchenenergien aufgespalten (Zeeman-Effekt):
ǫλ↑,↓ = ǫλ ∓ µ0 B
1 X′ ∂fλ + O(B 3 )
−
M = 2µ20 B
V
∂ǫ
λ
Also folgt
χ = 2µ20 N (ǫF ) + O(T 2 )
Hochtemperaturlimes kT ≫ ǫF
Für hohe Temperaturen findet ein Übergang zu klassischem Verhalten statt (Boltzmanngas). Wir vermuten, daß für das chemische Potential gilt:
−
µ
≫1
kT
Die Fermiverteilung geht dann über in die Boltzmannverteilung
f (ǫλ − µ) ≃ e−(ǫλ −µ)/kT ≪ 1
Für die Teilchendichte ergibt sich
n=
Z
1 X
N
f (ǫλ − µ) = dǫ N (ǫ) e−(ǫ−µ)/kT
=
V
V
λ
44
3.6. DAS IDEALE FERMIGAS
Freie Fermionen mit Masse m und Spin S = 1/2 haben in drei Dimensionen die Zustandsdichte
√
√
2m3 √
N (ǫ) = 2 2 3 ǫ =: C ′ 3 ǫ .
2π h̄
In die Teilchendichte eingesetzt ergibt sich
′
µ/kT
n = 2C 3 e
Z∞
√
dǫ ǫ e−ǫ/kT = C˜3 eµ/kT (kT )3/2
0
mit
√
Z∞
√ −x
π
′
C̃3 = C3 dx x e = C 3
.
2
0
Die Gleichung für n läßt sich nach dem chemischen Potential µ auflösen:
µ(T ) = kT ln
h λ(T ) 3 4 i 3
n
ǫ
= kT ln
= kT ln F + const.
3/2
λ
3π
2
kT
C̃3 (kT )
F
mit
2πh̄2
λ(T ) =
mkT
2πh̄
λF =
pF
1/2
thermische deBroglie-Wellenlänge
Fermi-Wellenlänge (≃ mittlerer Teilchenabstand) .
Für λ(T ) ≪ λF ist −µ ≫ kT (oder äquivalent kT ≫ ǫF ).
Für das Thermodynamische Potential erhalten wir:
Z
Z
i
h
Ω
−(ǫ−µ)/kT
≃ −kT dǫ N (ǫ) e−(ǫ−µ)/kT
= −kT dǫ N (ǫ) ln 1 + e
V
= −kT n = −P
und es ergibt sich das ideale Gasgesetz
P V = N kT
Aus Ω ergeben sich
• Entropie:
• Innere Energie:
• Spezifische Wärme:
S = Nk
h5
2
−
µ i 3
kT
= N k ln
+ const.
kT
2
ǫF
U = Ω + T S + µN =
CV =
45
3
Nk
2
3
N kT
2
3.7. DAS IDEALE BOSEGAS
S(T )
µ(T )
T2
ln T
T
T
−T ln T
T
1 1
,
κT χ
CV
3
2Nk
T2
T
T
T
TF ≡ ǫF /k
T
Abbildung 3.3: Temperaturabhängigkeit von µ, S, CV und κT bzw. χ für das ideale Fermigas
• Kompressibilität:
κT =
1
nkT
∂n
n
=
∂µ
kT
−→
• Spinsuszeptibilität:
χ=n
µ20
kT
;
µ↑,↓ = µ ± µ0 B
Die Größen µ(T ), S(T ), CV und κT bzw. χ sind in Abbildung 3.3 aufgetragen.
3.7
Das ideale Bosegas
Wir betrachten Systeme identischer, nichtwechselwirkender Bosonen im großkanonischen
Ensemble. Die großkanonische Zustandssumme lautet
h
i
X
ZG =
exp − E({nλ }) − µN ({nλ }) /kT
{nλ }
∞
X
=
e−n1 (ǫ1 −µ)/kT
n1 =0
=
Y
!
∞
X
e−n2 (ǫ2 −µ)/kT
n2 =0
!
Zλ
λ
mit
Zλ =
∞
X
e−nλ (ǫλ −µ)/kT =
nλ =0
46
1
1−
e−(ǫλ −µ)/kT
.
···
3.7. DAS IDEALE BOSEGAS
Damit erhält man als mittlere Besetzungszahl
X
1 −nλ (ǫλ −µ)/kT
∂
hnλ i =
nλ
e
= −kT
ln Zλ
Zλ
∂ǫλ
n
λ
=
1
e(ǫλ −µ)/kT
−1
≡ g(ǫλ − µ)
(Bose-Einstein-Verteilung, s. Abb. 3.4)
Aus hnλ i ≥ 0 und ǫλ ≥ 0 folgt
g(ǫ − µ)
µ
ǫ
-1
Abbildung 3.4: Bose-Einstein-Verteilung
µ≤0
Aus der Zustandssumme ergibt sich das große thermodynamische Potential
i
X h
Ω = −kT ln ZG = kT
ln 1 − e−(ǫλ −µ)/kT
λ
und daraus die Größen
• Entropie:
S=−
• Innere Energie:
Ω X ǫλ − µ
∂Ω
=− +
g(ǫλ − µ)
∂T
T
T
λ
U = Ω + T S + µN =
X
λ
Hohe Temperaturen:
ǫλ g(ǫλ − µ)
−µ ≫ kT
Die mittlere Besetzungszahl geht über in
hnλ i = e−(ǫλ −µ)/kT
−→
Boltzmanngas
Wie für das ideale Fermigas im Hochtemperaturlimes (siehe Abschnitt 3.6) ergibt sich
für das chemische Potential (Spin 0, Masse m, D = 3):
λ(T )
µ(T ) = 3kT ln
+ const.
, λ(T ) ≪ a0 ,
a0
47
3.7. DAS IDEALE BOSEGAS
wobei
a0 = n−1/3
1/2
2πh̄2
λ(T ) =
mkT
Tiefe Temperaturen:
mittlerer Teilchenabstand
thermische deBroglie-Wellenlänge .
λ(T ) ≫ a0 , kT ≪
h̄2
ma20
Wir machen den Ansatz
n=
Z
1
1 X
1
N
?
.
=
=
dǫ N (ǫ) (ǫ−µ)/kT
(ǫ
−µ)/kT
p
V
V
e
−1
e
−
1
p
~
Wir betrachten im folgenden Systeme freier Bosonen (kein Einteilchenpotential, Impuls√
eigenzustände | ~
p >) In D = 3 Dimensionen ist die Zustandsdichte dann N (ǫ) = C3 ǫ
und man bekommt
Z
Z
1
1
≤ dǫ N (ǫ) ǫ/kT
dǫ N (ǫ) (ǫ−µ)/kT
e
−1
e
−1
Z∞
x1/2
= C3 (kT )3/2 dx
x−1
| {z }
}
|e {z
0
1
2
λ3 (T )
=
√
1
λ3 (T )
π
x1/2 e−x (1−e−x +··· )
ζ(3/2)
| {z }
P 1
l l3/2 = 2.612
T →0
−→
0
Dies ergibt einen Widerspruch, denn die Teilchen können für T → 0 nicht einfach verschwinden. Vielmehr
wird
für T < T0 der tiefste Einteilchenzustand makroskopisch besetzt:
N0 = np~=0 ∝ V
n=
N
N0 (T )
1
=
+ 3
ζ(3/2)
V
V
λ (T )
mit
n0 (T ) ≡
i
h
a 3
N0 (T )
0
ζ(3/2)
=n 1−
V
λ(T )
h
T 3/2 i
=n 1−
, T < T0 .
T0
Für die sog. Bose-Einstein-Kondensationstemperatur erhält man
T0 =
−2/3 h̄2
1 2π ζ(3/2)
k|
{z
} ma20
,
a0 = n−1/3
3,31
Für T > T0 ist µ(T ) < 0 (siehe Abbildung 3.5) Weiter ergibt sich:
48
3.7. DAS IDEALE BOSEGAS
n0 (T )
µ(T )
− 32 n T0T−T
0
T0
∂T 2 ∂2µ
T
T0
∂µ ∂T T
=0
0
T0
(a)
T
<0
(b)
Abbildung 3.5: Besetzung des Grundzustandes n0 (T ) und chemisches Potential µ(T )
• Spezifische Wärme:
CV,N
Z∞
∂
= dǫ N (ǫ) ǫ
g(ǫ − µ)
∂T
0
k
=
4
Z∞
1
∂µ i
1 hǫ − µ
+
dǫ N (ǫ) ǫ
kT kT
∂(kT ) sinh2 ǫ−µ
kT
0
Wegen limT →T0
∂2µ
∂T 2 < 0 hat
C
V (T )
∂CV
∂T
einen Sprung (s. Abbildung 3.6).
3
2 kN
T 3/2
T
T0
Abbildung 3.6: Spezifische Wärme CV (T )
• Entropie:
Z
i µ
h
5
dǫ N (ǫ) ln 1 − e−(ǫ−µ)/kT − N
S = − kV
2
T
Für den Grenzübergang T → 0 ergibt sich
S ∝ T 3/2
,
T →0
Für T < T0 tragen nur die angeregten Teilchen (ǫ > 0) zu S bei. Die Entropie des
Kondensats ist Null.
• Druck:
Z
i
h
Ω
= −kT dǫ N (ǫ) ln 1 − e−(ǫ−µ)/kT
V
Der Druck ist also unabhängig von V für T < T0 (s. Abbildung 3.7)!
P =−
49
3.8. PHOTONEN UND PHONONEN (HOHLRAUMSTRAHLUNG)
P
P0 (T2 )
V = V0 (T )
b
Isothermen
P0 (T1 )
b
T2 > T1
T1
V
Abbildung 3.7: P -V -Diagramm des Bosegases
Bemerkungen:
1. Für beliebig kleine anziehende Wechselwirkung ist das Bosegas instabil gegen Kollaps in einen “Punkt”. Stabilität erfordert eine infinitesimal kleine abstoßende
Wechselwirkung.
2. Auftreten der Bose-Kondensation hängt von limǫ→0 N (ǫ) ab. Für D = 2 (N (ǫ) ∼
√
const.) bzw. D = 1 (N (ǫ) ∼ 1/ ǫ) divergiert das Teilchenzahlintegral:
!
Z
ln µ D = 2
N (ǫ)
µ→0
dǫ (ǫ−µ)/kT
−→ ∞
√1
D=1
e
−1
µ
3. Bose-Kondensation wird durch makroskopische Wellenfunktion beschrieben:
ψ = |ψ| eiθ
Zustand mit räumlich variierender Phase θ(~r) beschreibt Teilchenströme im Grundzustand (die dissipationsfrei sind): Suprastrom:
Z
p̂
~
js = (ψ ∗ ψ + h.c.) ∼ ∇θ
m
(Zusammenhang mit Supraleitung in Metallen.)
3.8
Photonen und Phononen (Hohlraumstrahlung)
Systeme harmonischer Oszillatoren können als nichtwechselwirkende Bose-Systeme der
als Teilchen interpretierten Oszillatorquanten aufgefasst werden:
50
3.8. PHOTONEN UND PHONONEN (HOHLRAUMSTRAHLUNG)
Oszillator
Eigenschwingung λ
Anregungszahl nλ (Zahl der Quanten)
X
1
En =
h̄ωλ nλ +
2
λ
Bosonen
Einteilchenzustand λ
Besetzungszahl nλ
X
En =
ǫλ n λ
λ
Unterschied: Die Zahl der Oszillatorquanten ist nicht erhalten. Das chemische Potential (Lagrangeparameter) ist deshalb Null
Beispiele:
X µ = 0, da
nλ beliebig
µ
≤ ǫmin , wenn
X
nλ = N fest
1. Quantisiertes elektromagnetisches Feld:
Klassische Maxwellgleichungen haben allgemeine Lösungen aufgebaut aus ebenen
Wellen mit Wellenvektor ~k, Polarisationsvektor ês und Frequenz ω = ck, z.B.
~k~
r)
~ r , t) = ê · E0 e−i(ωt−
E(~
s
Es gibt zwei transversale Polarisationsrichtungen: s = 1, 2 Für festes ~k beschreibt
die Wellengleichung einen harmonischen Oszillator mit Frequenz ωk = c|~k| :
2
1 ∂2
∂
2
2
~
~
− ∇ E(~r, t) = 0
+ ωk E~k (t) = 0
=⇒
c2 ∂t2
∂t2
Quantisierung:
p|
ǫ~k = h̄ωk = c|~
,
p~ = h̄~k → Photonen
Das elektromagnetische Strahlungsfeld ist also aufgebaut aus unabhängigen linearen Oszillatoren mit Quantenzahl:
λ = (~p, s)
Jeder dieser Oszillatoren kann mit np~,s Quanten besetzt sein.
2. Gitterschwingungen im Festkörper:
Atome im Festkörper bilden i.a. Kristallgitter. Um die Gleichgewichtslagen sind
Schwingungen möglich. Für kleine Schwingungsamplituden reicht die harmonische
Näherung aus: Wir haben wieder ein System unabhängiger harmonischer Oszillatoren: Eigenschwingungen“, bezeichnet durch
”
Gitterimpuls: p~ = h̄~k, ~k ∈ 1. Brillouinzone (kx ≤ πa , etc.)
Polarisation:
tionen)
ês , s = 1, 2, 3 (eine longitudinale, zwei transversale Polarisa-
eventuell weitere innere Quantenzahlen
51
3.8. PHOTONEN UND PHONONEN (HOHLRAUMSTRAHLUNG)
Energie:
ǫp~ = h̄ω~k = c | p~ |
,
|~
p|a ≪ h̄
→ Phononen
wobei hier c die Schallgeschwindigkeit und a die Gitterkonstante ist.
Bemerkung: Für mehratomige Gitter gibt es neben den obigen “akustischen” Phononen auch “optische” Phononen mit limp→0 ǫp > 0
Für die betrachteten Systeme harmonischer Oszillatoren lautet das große thermodynamische Potential allgemein:
i
X h
Ω(T, V, µ = 0) = kT
ln 1 − e−ǫp /kT
p
~,s
Z∞
= kT V
0
i
h
dω N (ω) ln 1 − e−h̄ω/kT .
Die Zustandsdichte bei linearem Spektrum ω = ck für D = 3 Dimensionen ist gegeben
durch
ω2
4πp2 h̄dk
=
N (ω) = 2 ·
(2πh̄)3 dω
π 2 c3
Der Faktor zwei berücksichtigt die Polarisation (Photonen). Für das große Potential
folgt:
Z∞
i
h
(kT )4
2
−x
dx
x
ln
1
−
e
Ω=V 2
= −γV T 4
π (h̄c)3
{z
}
|0
π4
− 45
Daraus ergeben sich
• spezifische Wärme:
• Strahlungsdruck:
CV = 12γV T 3
P = γT 4 .
Strahlungsenergie pro Frequenzintervall dω:
ω3
h̄
dEω
= V N (ω)h̄ω g(h̄ω) = V 2 3 h̄ω/kT
dω
π c e
−1
Dies ist das Planck’sche Strahlungsgesetz (s. Abbildung 3.8). Für die Grenzfälle h̄ω ≪ kT
bzw. h̄ω ≫ kT erhält man:
(
kT
, h̄ω ≪ kT
(Rayleigh-Jeans)
dEω
ω2
=V 2 3
−h̄ω/kT
dω
π c
h̄ωe
, h̄ω ≫ kT
(Wien)
Das Maximum von
dEω
dω
liegt bei h̄ωM = 2.822 kT .
52
3.8. PHOTONEN UND PHONONEN (HOHLRAUMSTRAHLUNG)
dEω
dω
ω
2.822 kT
Abbildung 3.8: Planck’sches Strahlungsgesetz
53
Kapitel 4
Aufbau der Statistischen Physik
4.1
Zustandsoperator
Die bisherige Darstellung der Zustandsfunktion erfordert die Kenntnis der Energieeigenwerte und -zustände des Systems. Für realistische, d.h. wechselwirkende Systeme sind
die Energieeigenzustände i.a. nicht bekannt. Eine darstellungsunabhängige Form der Zu”
standsfunktion“ ist dann von Interesse.
Reine Zustände
Wir gehen aus von dem Fall eines reinen Zustandes |ψi i eines N-Teilchensystems mit
Wellenfunktion ψi (~r1 . . . ~rN ) = h~r1 . . . ~rN |ψi i. Der quantenmechanische Erwartungswert
einer physikalischen Größe X im Zustand |ψi i ist gegeben durch
X
Xi ≡ hψi | X̂ |ψi i =
hψi |ni hn| X̂ |mi hm|ψi i ,
n,m
wobei die Zustände |ni ein vollständiges (i.a. orthonormales) System bilden. Dieses könnte z.B. aus Einteilcheneigenzuständen konstruiert sein. Durch Umstellen der Terme ergibt
sich daraus
X
hψi |ni hn| X̂ |mi hm|ψi i
Xi =
n,m
=
X
n,m
=
X
n
≡
hn| X̂ |mi hm| P̂i |ni
hn| X̂ P̂i |ni
Tr X̂ P̂i .
Hier ist Tr (Â) die Spur“ (im englischen trace“) des Operators  und der Operator
”
”
P̂i = |ψi i hψi | ist der Projektionsoperator auf den Zustand |ψi i im Hilbertraum, d.h.
P̂i2 = P̂i .
54
4.1. ZUSTANDSOPERATOR
Statistische Zustände
Wir betrachten nun statistische Zustände, realisiert durch eine Gesamtheit, d.h. eine
Menge von identischen Kopien des Systems. Jedes dieser Systeme befindet sich in einem
wohldefinierten reinen Zustand |ψi i. Ein gegebener Zustand |ψi i komme mit der relativen
Häufigkeit γi in der Gesamtheit vor, wobei
X
γi = 1
und
γi
reell,
0 ≤ γi ≤ 1 .
i
Die |ψi i müssen eine vollständige Basis bilden, aber nicht unbedingt orthogonal sein.
Für den gemittelten Erwartungswert von X̂ gilt
X
hXi =
γi hψi | X̂ |ψi i = Tr X̂ Ŵ
i
wobei Ŵ als Zustandsoperator (statistischer Operator, Dichtematrix) bezeichnet wird.
Man erhält Ŵ aus der Beziehung
X
Ŵ =
γi P̂i .
i
Allgemeine Eigenschaften des Zustandsoperators Ŵ sind:
1. Normiertheit:
Tr Ŵ = 1
2. Hermitizität:
3. Positivität:
Ŵ † = Ŵ
hψ| Ŵ |ψi ≥ 0 , ∀ |ψi
Somit besitzt der Zustandsoperator Ŵ ein orthonormales System von Eigenvektoren |µi
mit reellen Eigenwerten wµ , wobei 0 ≤ wµ ≤ 1. Es gilt also:
X
Ŵ =
wµ |µi hw|µ |µi hµ| mit Ŵ |µi = wµ |µi
µ
Im allgemeinen ist Ŵ 2 6= Ŵ . Falls aber doch Ŵ 2 = Ŵ ist, liegt ein reiner Zustand
vor.
Mittelwerte und Korrelationen
Der Mittelwert eines hermiteschen Operators X̂ ist definiert als
∗
X̂ = Tr X̂ Ŵ = Tr Ŵ X̂ = Tr Ŵ † X̂ † = X̂
wobei benutzt wurde, daß die Spur invariant unter zyklischer Vertauschung ist und
sowohl Ŵ = Ŵ † als auch X̂ = X̂ † gilt. Die Schwankung des Systems ist gegeben durch
D
2
E 2
(X̂ − X̂ )2 = X̂ 2 − X̂ = Tr X̂ 2 Ŵ − Tr X̂ Ŵ
55
4.1. ZUSTANDSOPERATOR
Die Schwankung kann quantenmechanisch auch für den Fall Ŵ 2 = Ŵ von Null verschieden sein. Wir definieren weiter die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer physikalischen
Größe X als
p(X) = Tr δ(X − X̂)Ŵ ) ,
wobei p(X) reell ist. Die Momente der Verteilungsfunktion p(X) sind dann definiert
durch
Z
n
X = dX X n p(X) = Tr X̂ n Ŵ .
Die Korrelationsfunktion zweier miteinander vertauschenden Größen X, Y ist gegeben
durch
(X − X )(Y − Y ) = XY − X Y ,
für nichtvertauschende X, Y gilt hingegen XY → 12 (XY + Y X), also
(X − X )(Y − Y ) = 21 (XY + Y X) − X Y .
Einteilchen-Dichtematrix und Verteilungsfunktion
Physikalische Größen hängen oft nur von einer Teilmenge der Quantenzahlen des gesamten Systems ab, z.B. X1 nur von |n1 i (in einer bestimmten Basis). Dann ist es auch
naheliegend, die Mittelung über die restlichen Quantenzustände vorher auszuführen:
Wir wählen ein Basissystem von Zuständen
|ni = |n1 i ⊗ |n2 i = |n1 , n2 i .
Der Erwartungswert einer Observablen X̂1 ergibt sich dann aus
′
n X̂1 |ni = n′1 X̂1 |n1 i δn′2 ,n2 .
Für den Mittelwert folgt
X1 = Tr X̂1 Ŵ = Tr 1 X̂1 Ŵ1
mit dem verkürzten Zustandsoperator
X
′
n2 , n′1 Ŵ |n1 , n2 i .
n1 Ŵ1 |n1 i =
n2
Beispiel:
Für Einteilchenoperatoren in Ortsraumdarstellung definieren wir
|ni
−→
|n1 i −→
|n2 i −→
|~r1 , ~r2 , . . . , ~rN i
|~r1 i
|~r2 , ~r3 , . . . , ~rN i
Der verkürzte Zustandsoperator ist dann gegeben durch
Z
′
~r1 Ŵ1 |~r1 i = d3 r2 · · · d3 rN ~rN , . . . , ~r2 , ~r1′ Ŵ |~r1 , . . . , ~rN i .
56
4.2. SCHRÖDINGER- UND HEISENBERG-BILD
Der Einteilchendichteoperator ρ̂ ist gegeben durch
ρ̂ = X̂1 = δ(~ˆr1 − ~r0 )
Der Mittelwert des Einteilchenoperators kann mit den Matrixelementen
′
~r1 X̂1 |~r1 i = δ(~r1′ − ~r1 )δ(~r1 − ~r0 )
durch Ŵ1 dargestellt werden:
4.2
ρ̂ = h~r0 | Ŵ1 |~r0 i .
Schrödinger- und Heisenberg-Bild
Die Zeitentwicklung des Zustandsoperators wird durch die Zeitentwicklung quantenmechanischer Zustände gegeben. Aus der zeitabhängigen Schrödingergleichung
ih̄
∂
|ψi , ti = Ĥ |ψi , ti ,
∂t
ih̄
∂
< ψi (t) |= − < ψi (t) | Ĥ
∂t
folgt damit für die Projektionsoperatoren P̂i = |ψi i hψi |
ih̄
∂
|ψi i hψi | = Ĥ |ψi i hψi | − |ψi i hψi | Ĥ
∂t
oder
ih̄
Für den Zustandsoperator
X
∂
P̂i (t) = Ĥ, P̂i .
∂t
γi P̂i gilt also die von-Neumann-Gleichung:
i
ih̄
∂
Ŵ (t) = Ĥ, Ŵ (t) .
∂t
Diese Gleichung kann formal gelöst werden mit Hilfe des Zeitentwicklungsoperators U (t),
der definiert wird durch
|ψi , ti = Û (t) |ψi , 0i .
Û (t) ist Lösung der Gleichung
ih̄
∂
Û (t) = Ĥ Û (t)
∂t
mit
Û (0) = 1̂ .
Für einen zeitunabhängigen Hamiltonoperator Ĥ ergibt sich damit der Zeitentwicklungsoperator Û (t) zu :
Û (t) = e−iĤt/h̄
Der Zustandsoperator ist damit
Ŵ (t) = Û (t) Ŵ (0) Û † (t) .
57
4.2. SCHRÖDINGER- UND HEISENBERG-BILD
Bemerkung: Für den verkürzten Zustandsoperator ist die Zeitentwicklung im allgemeinen nicht durch eine DGL 1.Ordnung gegeben. Die Kenntnis von W1 (0) erlaubt also
nicht die Berechnung von W1 (t) !
Mittelwerte
Für den zeitabhängigen Mitelwert eines Operators X̂ folgt:
X̂(t) = Tr X̂ Ŵ (t) = Tr X̂ Û (t)Ŵ (0)Û † (t)
= Tr Û † (t)X̂ Û (t) Ŵ (0) = Tr X̂H (t)ŴH
wobei im dritten Schritt zyklisch vertauscht wurde und X̂ ≡ X̂S ≡ X̂(0) ist. Ferner ist
X̂H (t) der Operator im Heisenberg-Bild mit
X̂H (t) = Û † (t)X̂(0)Û (t) .
Er erfüllt die Heisenberg-Bewegungsgleichung:
ih̄
∂
X̂H (t) = X̂H , Ĥ
∂t
(falls X̂S zeitunabhängig). In Tabelle 4.1 sind Schrödinger- und Heisenberg-Bild gegenübergestellt.
Schrödinger-Bild
Zustand
|ψS i = U (t) |ψi (0)i = |ψi (t)i
Heisenberg-Bild
|ψH i = |ψi (0)i
Operator
X̂S = X̂(0)
X̂H = Û † (t)X̂(0)Û (t)
Zustandsoperator
ŴS = Û (t)Ŵ (0)Û † (t)
ŴH = Ŵ (0)
Tabelle 4.1: Gegenüberstellung
Zeitabhängige Korrelationsfunktionen
Zeitliche Korrelationen lassen sich im Heisenberg-Bild am besten behandeln:
X̂(0)Ŷ (t) = Tr X̂H (0)ŶH (t)ŴH
Beispiel:
Harmonischer Oszillator
Ĥ =
p̂2
1
+ mω 2 x̂2
2m 2
Die Heisenberg-Bewegungsgleichungen für p̂ und x̂ lauten
∂ p̂ = p̂, Ĥ =
∂t
∂ x̂ = x̂, Ĥ =
ih̄
∂t
ih̄
1
mω 2 p̂, x̂2 = −ih̄mω 2 x̂
2
1 h̄
x̂, p̂2 = i p̂
2m
m
58
4.3. THERMODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT
wobei die Relation x̂, p̂ = ih̄ benutzt wurde. Der Ansatz:
p̂(t) = p̂1 cos(λt) + p̂2 sin(λt) ,
etc.
ergibt eingesetzt den Wert des Parameters λ:
mit p̂1 = p̂(0) ; p̂2 =
1˙
p̂(0) ,
λ
λ = ω und damit die Lösung:
p̂(t) = p̂(0) cos(ωt) − mω x̂(0) sin(ωt)
1
p̂(0) sin(ωt)
x̂(t) = x̂(0) cos(ωt) +
mω
Die Korrelationsfunktionen von x und p lassen sich durch die gleichzeitigen Mittelwerte
von x2 und px ausdrücken:
1
sin(ωt) p̂(0)x̂(0) + cos(ωt) x̂2 (0)
x̂(0)x̂(t) =
mω
x̂(0)p̂(t) = cos(ωt) p̂(0)x̂(0) − mω sin(ωt) x̂2 (0)
4.3
Thermodynamisches Gleichgewicht
Für die stationären Zustände eines abgeschlossenen Systems gilt im Schrödingerbild
ih̄
∂
Ŵ = 0 = Ĥ, Ŵ
∂t
Daraus folgt die Existenz simultaner Eigenzustände von Ĥ und Ŵ :
Ĥ |ni = En |ni
Ŵ |ni = Wn |ni .
Für die Eigenwerte Wn = W (n) gilt:
1. aus Normiertheit Tr Ŵ = 1:
2. aus Hermitezität Ŵ † = Ŵ :
3. aus Positivität hψ| Ŵ |ψi ≥ 0:
P
n W (n)
=1
W ∗ (n) = W (n)
W (n) ≥ 0
Außerdem gilt für einen reinen Zustand | n0 >:
W (n) = δn,no .
Der Erwartungswert eines Operators ist so gegeben durch
X
X̂ = Tr X̂ Ŵ =
Xn W (n) .
n
Zustandsfunktionen der Gleichgewichtszustände werden durch Bestimmung des Maximums des Entropiefunktionals gefunden:
S([Ŵ ]) = −k Tr Ŵ ln Ŵ
mit den Nebenbedingungen für die
59
4.3. THERMODYNAMISCHES GLEICHGEWICHT
Tr Ŵ = 1
1. Mikrokanonische Gesamtheit:
ŴM
=
Ω(E) =
1
∆(Ĥ − E)
Ω(E)
Tr ∆(Ĥ − E)
(=
ˆ Zahl der Zustände mit Energie E)
S(E) = k ln Ω(E)
wobei ∆(Ĥ − E) definiert ist als
(
1 , En = E
∆(En − E) =
0 , sonst
2. Kanonische Gesamtheit:
ŴK
ZK
Tr Ŵ = 1 ,
=
1 −Ĥ/kT
e
ZK
=
Tr e−Ĥ/kT
Tr Ĥ Ŵ = E
F (T ) = −kT ln ZK (T )
3. Großkanonische Gesamtheit: Tr Ŵ = 1 , Tr Ĥ Ŵ = E , Tr N̂ Ŵ = N
ŴG =
1 −(Ĥ−µN̂ )/kT
e
ZG
ZG =
Tr e−(Ĥ−µN̂ )/kT
Ω(T, µ) = −kT ln ZG
Beweis des Ausdrucks für ŴK :
Bestimmung des Extremums von S̃:
S̃([Ŵ ], λ, η) = S([Ŵ ]) + λ Tr Ŵ − 1 + η Tr Ĥ Ŵ − E
Mit Ŵ = ŴK + δŴ folgt:
h
i
S̃ = −k Tr (ŴK + δŴ ) ln(ŴK + δŴ ) + λ Tr ŴK + δŴ − 1
+ η Tr Ĥ ŴK + Tr ĤδŴ − E
und mit
h
i
Tr ŴK ln(ŴK + δŴ ) =
=
ist am Extremum zu fordern
δS̃ = S([Ŵ ]) − S([ŴK ]) = Tr
woraus folgt
und damit
h
i
−1
δŴ )
Tr ŴK ln ŴK + ln(1 + ŴK
Tr ŴK ln ŴK + Tr δŴ + O(δŴ 2 )
hn o
i
!
−k ln ŴK + 1 + λ + η Ĥ δŴ = 0
−k ln ŴK + 1 + λ + η Ĥ = 0
ŴK =
1 −Ĥ/kT
e
ZK
60
4.4. STÖRUNGSRECHNUNG FÜR DEN KANONISCHEN ZUSTAND
4.4
Störungsrechnung für den kanonischen Zustand
Eine wirkungsvolle und allgemeine Methode zur Berechnung der Gleichgewichtseigenschaften nichtidealer, d.h. realer thermodynamischer Systeme ist die Störungstheorie.
Dabei geht man aus von einem idealen System, charakterisiert durch den Hamiltonoperator H0 , und betrachtet die Abweichung davon als kleine Störung:
Ĥ = Ĥ0 + gV̂ .
Hierbei ist gV̂ die Störung, mit dimensionsloser Kopplungskonstante g ≪ 1. Die Energieeigenzustände |ni von H0 seien bekannt. Die Entwicklung von ŴK , ZK , F in Potenzreihen
in g ergibt
ŴK = Ŵ0 + gŴ1 + g2 Ŵ2 + · · ·
ZK = Z0 + gZ1 + · · ·
F = F0 + gF1 + · · · ,
wobei
Ŵ0 =
1 −Ĥ0 /kT
e
Z0
Z0 = Tr e−Ĥ0 /kT
F0 = −kT ln Z0
Eine Entwicklung des Operators
e−Ĥ/kT = e−(Ĥ0 +gV̂ )/kT
nach Potenzen von g ist nicht unmittelbar möglich, da i.a. Ĥ0 , V̂ 6= 0 und deshalb
e−Ĥ/kT 6= e−Ĥ0 /kT e−gV̂ /kT .
Wir schreiben deshalb
e−Ĥ/kT = e−Ĥ0 /kT Ŝ(1/kT )
und berechnen die Potenzreihenentwicklung des allgemeineren Operators
Ŝ(β) = e+β Ĥ0 e−β Ĥ ,
der für β = 1/kT gleich dem zu berechnenden Term ist.
Über die Differentialgleichung
∂
Ŝ(β) = eβ Ĥ0 (Ĥ0 − Ĥ) e−β Ĥ = −gV̂ (β)Ŝ(β)
∂β
mit
V̂ (β) = eβ Ĥ0 V̂ e−β Ĥ0
61
4.4. STÖRUNGSRECHNUNG FÜR DEN KANONISCHEN ZUSTAND
ergibt sich durch Integration die Integralgleichung
Ŝ(β) = 1 − g
Zβ
dβ ′ V̂ (β ′ )Ŝ(β ′ ) .
0
Diese Integralgleichung läßt sich für kleine Kopplung g i.a. durch Iteration lösen:
Zβ
Ŝ(β) = 1 − g
=1+
dβ ′ V̂ (β ′ ) + g2
0
∞
X
Zβ
dβ ′
0
Zβ
0
′
dβ ′′ V̂ (β ′ )V̂ (β ′′ ) + · · ·
gn Ŝn (β)
n=1
mit
n
Ŝn (β) = (−1)
Zβ
0
βZn−1
Zβ1
dβ1 dβ2 · · ·
dβn V̂ (β1 ) · · · V̂ (βn ) .
0
0
Damit ist also
h
i
e−Ĥ/kT = e−Ĥ0 /kT 1 + gŜ1 (1/kT ) + g2 Ŝ2 (1/kT ) + · · ·
Bemerkung:
Definition eines Ordnungsoperators“
”
(
V̂ (β1 )V̂ (β2 )
T̂β V̂ (β1 )V̂ (β2 ) =
V̂ (β2 )V̂ (β1 )
,
,
β1 > β2
β2 > β1
erlaubt Darstellung von Ŝ(β):
h
Ŝ(β) = T̂β exp −g
Zβ
0
i
dβ ′ V̂ (β ′ )
Beweis:
β
Z
∞
in
X
1h
−g dβ ′ V̂ (β ′ )
Ŝ(β) = T̂β
n!
n=0
=
∞
X
0
n
(−g)
n=0
Zβ
0
βZn−1
Zβ1
dβ1 dβ2 · · ·
dβn V̂ (β1 ) · · · V̂ (βn )
0
0
mit β1 > β2 > . . . > βn
62
4.4. STÖRUNGSRECHNUNG FÜR DEN KANONISCHEN ZUSTAND
Erste Ordnung Störungstheorie
• Zustandssumme:
1/kT
Z
h
gZ1 = −g Tr e−Ĥ0 /kT
= −g Tr
h
i
dβ V̂ (β)
0
1/kT
Z
dβ e−β Ĥ0 e−Ĥ0 /kT eβ Ĥ0 V̂
0
i
V̂ 0
V 0
g
−Ĥ0 /kT
=−
Tr e
V̂ = −gZ0
→ ZK = Z0 1 − g
+ O(g2 )
kT
kT
kT
• Zustandsoperator:
−Ĥ0 /kT
gŴ1 = e
= −gŴ0
n
Z1
g
−g 2 −
Z0
Z0
1/kT
Z
0
o
dβ V̂ (β)
1/kT
Z
0
dβ V̂ (β) − V̂ 0
wobei V̂ 0 = Tr (V̂ Ŵ0 ).
• Freie Energie:
V 0
) = F0 + g V̂ 0 + 0(g2 )
F = −kT ℓnZK = −kT ℓnZ0 + ℓn(1 − g
kT
gZ1
= g V̂ 0
gF1 = −kT
Z0
Bemerkungen:
1.
Tr Ŵ1 = 0
2.
Z = e−F/kT = e−(F0 +gF1 +··· )/kT = Z0 e−gF1 /kT
Zweite Ordnung
Alternative Methode: Kopplungskonstantenintegration von F (g):
∂F
∂
= −kT
ln Tr e−(Ĥ0 +gV̂ )/kT
∂g
∂g
h
i
1
Tr V̂ e−(Ĥ0 +gV̂ )/kT
=
ZK
∞
X
gn Tr (V̂ Ŵn )
= Tr (V̂ Ŵ ) =
n=0
63
4.4. STÖRUNGSRECHNUNG FÜR DEN KANONISCHEN ZUSTAND
Mit F (g = 0) ≡ F0 folgt durch Integration
∞
X
gn+1
F (g) = F0 +
Tr (V̂ Ŵn )
n+1
n=0
= F0 + g Tr (V̂ Ŵ0 ) +
g2
Tr (V̂ Ŵ1 ) + · · ·
2
Matrixelemente von Ŵ1 in Eigenzuständen von Ĥ0 :
′
g
n gŴ1 |ni = −
Z0
1/kT
Z
0
dβ n′ e−Ĥ0 /kT eβ Ĥ0 V̂ − V̂ 0 e−β Ĥ0 |ni
e−En′ /kT
= −g n′ V̂ − V̂ 0 |ni
Z0
1/kT
Z
dβ eβ(En′ −En )
0
e−En′ /kT e(En′ −En )/kT − 1
= −g n′ V̂ − V̂ 0 |ni
Z0
En′ − En
′ ) − W (n)
′
W
(n
0
0
= +g n V̂ − V̂ 0 |ni
En′ − En
Daraus folgt
h
i
g2
g2
Tr (V̂ Ŵ1 ) =
Tr (V̂ − V̂ 0 )Ŵ1
2
2
′ ′
g2 X
=
hn| V̂ − V̂ 0 n n Ŵ1 |ni
2
′
g2 F2 =
n,n
g2
2 W (n′ ) − W (n)
X 0
0
=
n′ V̂ − V̂ 0 |ni
′ − En
2
E
n
′
n,n
Bemerkung: Die störungstheoretischen Beiträge gF1 und g2 F2 entsprechen den Korrekturen zur Grundzustandsenergie, z.B.
gE1 = h0| gV̂ |0i
2
X 2
2
g E2 = g
hn| V̂ |0i
n6=0
1
,
E0 − En
wobei die thermisch angeregten Zustände mit einem Besetzungszahl-Faktor W0 (n) → 0
gewichtet werden (Faktor 2 ergibt sich aus den beiden Möglichkeiten n′ = 0, n > 0 und
n = 0, n′ > 0). Der diagonale Term n′ = n in F2 verschwindet im Limes T → 0 wie
e−(E1 −E0 )/kT , da
2
X
2 T →0 W (n) hn| V̂ − V̂ |ni
−→ h0| V̂ − h0| V̂ |0i |0i = 0
n
64
4.5. THERMODYNAMISCHES VARIATIONSVERFAHREN
4.5
Thermodynamisches Variationsverfahren
Variationsverfahren sind eine wirksame Methode, um Näherungslösungen für den Fall
zu konstruieren, daß Störungstheorie nicht anwendbar ist. In der Quantenmechanik wird
das Ritz’sche Variationsverfahren für die Bestimmung des Grundzustands eines Systems
benutzt, das auf der Ungleichung für die Grundzustandsenergie E0 beruht:
hψ| Ĥ |ψi ≥ E0
Dabei ist |ψi ein beliebiger, normierter Zustand. Man setzt einen Variationszustand
|ψvar ; λi i
an, der von Parametern λi abhängt. Diese werden variiert, so daß
hψvar ; λi | Ĥ |ψvar ; λi i = E{λi }
zum Minimum wird. Dann muß gelten
∂
E{λi } = 0 ;
∂λi
E.W.
∂2E >0,
∂λi ∂λj
wobei E.W.(A) die Eigenwerte der Matrix A bezeichnen soll. Für die statistische Physik
läßt sich ein entsprechendes Variationsprinzip für die Freie Energie benutzen, das von
der Minimaleigenschaft von F im Gleichgewicht ausgeht.
Die verallgemeinerte Freie Energie
n
o
F̃ ([Ŵ ]) = hEi − T S([Ŵ ]) = Tr Ĥ Ŵ + kT Ŵ ln Ŵ
nimmt unter der Nebenbedingung Tr (Ŵ ) = 1 ihren kleinsten Wert an, wenn Ŵ = ŴK .
Beweis:
n
h
Ĥ io
F̃ ([Ŵ ]) − F (T ) = Tr Ĥ Ŵ + kT Ŵ ln Ŵ − Ĥ ŴK − kT ŴK − ln ZK −
kT
n
h
Ĥ io
= kT Tr Ŵ ln Ŵ − Ŵ − ln ZK −
kT
n h
io
= kT Tr Ŵ ln Ŵ − ln ŴK
Mit den Eigenzuständen |µi von Ŵ und |ni von ŴK ist
io
n h
X
WKn
=−
Wµ |hµ|ni|2 ln
Tr Ŵ ln Ŵ − ln ŴK
Wµ
µ,n
X
WKn
≥−
Wµ |hµ|ni|2
−1 =0
Wµ
µ,n
und damit
F̃ ([Ŵ ]) − F (T ) ≥ 0
65
4.6. KLASSISCHER GRENZFALL
Anwendung auf Systeme wechselwirkender Teilchen im äußeren Potential U :
Ĥ = Ĥ0 + Û + Ĥint
Näherung des mittleren (selbstkonsistenten) Feldes (Molekularfeld): Wechselwirkung
Hint wird näherungsweise durch Einteilchenpotential beschrieben:
Û + Hint
−→
Ûeff = Û + ÛSF ;
Ĥ −→ Ĥef f
Damit ergibt sich die Näherung für den Zustandsoperator
ŴSF =
1 −(Ĥ0 +Ûeff )/kT
e
ZSF
ÛSF wird so bestimmt, daß F̃ ({ŴSF }) minimal wird:
n
o
F̃ ({ŴSF }) = Tr Ĥ ŴSF + kT ŴSF ln ŴSF
h
i
= −kT ln ZSF + Tr Ĥint − ÛSF ŴSF
Notwendige Bedingung für Minimum:
Mit
und
δF̃
=0
δUSF
h
i
δF̃ = −kT δ ln ZSF + Tr −δÛSF ŴSF + Tr Ĥint − ÛSF δŴSF = 0
δZ
δÛSF SF
−
δŴSF = ŴSF −
ZSF
kT
−Heff /kT δZSF
e
−δÛSF = Tr
,
ZSF
ZSF
kT
ergibt sich das gegenseitige Wegheben der ersten Terme in δF̃ . Der verbleibende Term
läßt sich mit der Definition
 SF = Tr (ÂŴSF )
als Bedingung für USF schreiben,
Ĥint − ÛSF SF δÛSF SF = (Ĥint − ÛSF ) δÛSF SF ,
die für beliebige δUSF erfüllt sein muß.
4.6
Klassischer Grenzfall
Wenn die quantenmechanische Wellennatur der Teilchen eines betrachteten Systems unwichtig ist, d.h. wenn die thermische deBroglie-Wellenlänge kurz ist gegen alle charakteristischen Längen des Systems,
λT ≪ mittlerer Teilchenabstand; Reichweite des Potentials; . . .
ist eine rein klassische Beschreibung des Systems möglich (λT = (2πh̄2 /mkT )1/2 ).
66
4.6. KLASSISCHER GRENZFALL
Einzelnes Teilchen
Wir betrachten zunächst ein Teilchen in einer Dimension, dessen Dynamik gegeben sei
durch den Hamiltonoperator
p̂2
Ĥ =
+ V (x̂)
2m
Für die Auswertung der Zustandssumme ist die Vertauschbarkeit von kinetischer und
potentieller Energie im klassischen Grenzfall wesentlich:
h p̂2
i
i
h̄ h ′
p̂V (x̂) + V ′ (x̂)p̂ .
, V (x̂) =
2m
2mi
Mit
V ′ (x̂) ≃
1
V (x̂)
a0
läßt sich die rechte Seite abschätzen als
2
i
h p̂2
p
1 λT
, V (x̂) ≃ −i
,
hV (x̂)i
2m
2m
2π a0
wobei λT ≃ 2πh̄/ hpiT benutzt wurde. Daraus folgt daß für λT /a0 → 0 die Terme p̂2 /2m
und V (x̂) vertauschen. Dann ist
p̂2
+ V (x̂) /kT
2m
λT 2
= e−p̂ /2mkT e−V (x̂)/kT 1̂ + O
a0
e−Ĥ/kT = exp −
und damit kann die Zustandssumme dargestellt werden als
2
ZK = Tr e−p̂ /2mkT e−V (x̂)/kT .
Die Berechnung der Spur kann mit Hilfe der Impulseigenzustände
Z
′
dp
p̂ |pi = p |pi ;
p|p = 2πh̄ δ(p − p′ ) ,
|pi hp| = 1̂
2πh̄
und Ortseigenzustände
x̂ |xi = x |xi
und der Wellenfunktion
;
′
x|x = δ(x − x′ ) ,
Z
dx |xi hx| = 1̂
hx|pi = hp|xi∗ = eipx/h̄
erfolgen. Bildung der Spur in der Basis der Impulseigenzustände
Z
dp
2
hp| e−p̂ /2mkT e−V (x̂)/kT |pi
ZK =
2πh̄
R
und einschieben des Einheitsoperators dx |xi hx| ergibt
Z
dp
2
ZK =
dx e−p /2mkT e−V (x)/kT hp|xi hx|pi
| {z }
2πh̄
=1
67
4.6. KLASSISCHER GRENZFALL
und damit
ZK =
Z
dpdx −H(p,x)/kT
e
2πh̄
mit der klassischen Hamiltonfunktion
H(p, x) =
p2
+ V (x) .
2m
Interpretation: Der klassische Zustandsraum ist der sog. Phasenraum der Variablen
x, p. Die Zustandssumme kann aufgefaßt werden als Summe über alle Volumenelemente
der Größe 2πh̄ mit dem Boltzmanngewicht e−E/kT :
p
∆p ∆x = 2πh̄
ZK =
X
∆x
e−H(pn ,xn )/kT
∆p
b
(xn , pn )
n
x
(Bohr-Sommerfeld-Quantisierung). Ersetzen der Summe durch ein Integral im Limes
h̄ → 0 ergibt den oben abgeleiteten Ausdruck.
Nach Ausführen der Impulsintegration ergibt sich:
Z
1
ZK =
dx e−V (x)/kT
λT
mit
λT =
2πh̄2 1/2
mkT
.
N identische Fermionen
Nun werden Systeme mit N identischen Fermionen in D = 3 Dimensionen mit dem
Hamiltonoperator
N
X
p̂2i
+ V̂ (r̂1 . . . r̂N )
Ĥ =
2m
i=1
betrachtet. Wir definieren zuerst als Basiszustände im N -Teilchen-Hilbertraum die antisymmetrisierten Impulseigenzustände
1 X
|~
p1 . . . p~N iF = √
(−1)P |~
p1 i ⊗ |~
p2 i ⊗ · · · ⊗ |~
pN i ,
N! P
die orthonormiert und vollständig sind:
~1 . . . ~
pN |~
p1′ . . . ~
pN′ F = (2πh̄)3N δ(~
p1 − p~1′ ) · · · δ(~
pN − ~pN′ )
F p
Z 3
d p1 · · · d 3 pN
1
|~p1 . . . p~N iF F h~
p1 . . . ~pN | = 1̂ .
N!
(2πh̄)3N
68
4.7. GLEICHVERTEILUNGSSATZ UND VIRIALSATZ
Bei der Definition des Einheitsoperators in Ortsdarstellung ist zu beachten, daß Zustände
mit permutierten Koordinaten auf Grund der Symmetrieeigenshaften des Zustandsvektors miteinander zu identifizieren sind. Bei unbeschränkter Integration über die ~ri gilt
also
Z
1
d3 r1 . . . d3 rN |~r1 , . . . ~rN i < ~r1 , . . . ~rN |= 1̂
N!
wobei
|~r1 , . . . ~rN i = |~r1 i ⊗ |~r2 i ⊗ . . . ⊗ |~rN i .
Damit läßt sich ZK analog zum Einteilchenfall schreiben als
ZK
Z Y
N
2
d3 pi d3 ri −H({~pi ,~ri })/kT 1 e
h~
p
.
.
.
p
~
|~
r
.
.
.
~
r
i
=
1
N
1
N
(2πh̄)3
N! F
i=1
Z Y
N
d3 pi d3 ri −H({~pi ,~ri })/kT 1
e
,
=
(2πh̄)3
N!
i=1
da
2 1 2 h
i2
˙
p1 . . . ~
pN |~r1 . . . ~rN i =
N ! + (N − 2)! ei(~p1 −~p2 )(~r1 −~r2 ) + · · · = 1
h~
N!
und Integrale über Phasenfaktoren von der Ordnung O λT /a0 und damit vernachlässigbar sind.
Ausführen der Integrale gibt
Z
1 −3N
λ
ZK =
d3 r1 · · · d3 rN e−V (~r1 ...~rN )/kT .
N! T
Die hier betrachtete klassische Näherung gilt für viele Gase und Flüssigkeiten (auch
Festkörper bei nicht zu tiefen Temperaturen). Ausnahmen sind:
• flüssiges Helium
• spin-polarisierter Wasserstoff (flüssig)
• festes H2 , Helium, etc.
• Teilsysteme wie Elektronen und Phononen in Metallen, Phononen, etc.
4.7
Gleichverteilungssatz und Virialsatz
Gleichverteilungssatz
Aus der klassischen Zustandsfunktion in der kanonischen Gesamtheit folgt z.B. für ein
Teilchen in einer Dimension:
Z
D ∂H(p, x) E
1
dpdx ∂H −H/kT
=
p
e
p
∂p
Z
2πh̄
∂p
Z
1
∂ h −H/kT i
dpdx
=
e
(−kT ) p
Z
2πh̄
∂p
Z
dpdx −H/kT
1
e
= kT
Z
2πh̄
69
4.7. GLEICHVERTEILUNGSSATZ UND VIRIALSATZ
Wobei im letzten Schritt eine partielle Integration
p durchgeführt wurde. Wenn
R dpdx bezüglich
−H/kT
ist, dann gilt:
man nun noch in Betracht zieht, daß Z = 2πh̄ e
D ∂H E
p
= kT
∂p
Für die übliche Impulsabhängigkeit der Hamiltonfunktion
H=
folgt daraus
p2
+ V (x)
2m
1
1 D ∂H E D p2 E p
=
= Hkin = kT .
2
∂p
2m
2
Ebenso gilt
und damit speziell
D ∂H E
x
= kT
∂x
(sog. Virialsatz )
D ∂V E
= kT .
x
∂x
Für harmonisches Potential Vh (x) ∼ x2 folgt
1
hVh i = kT
2
Es gilt der Gleichverteilungssatz:
Jeder Freiheitsgrad, der in der Hamiltonfunktion quadratisch vorkommt, liefert
einen Beitrag 21 kT zur inneren Energie.
Für ein einatomiges ideales Gas in D = 3 mit
H=
N
X
~i2
p
2m
i=1
sind damit die Innere Energie und die Spezifische Wärme gegeben durch
3
hEi = N kT
2
,
3
CV = N k .
2
Für ein harmonisches Kristallgitter mit
H=
N 2
X
p~
1
+ mω02 ~x2
2m 2
i
i=1
ergeben sich die innere Energie und die Spezifische Wärme zu
hEi = N 3kT
,
CV = 3N k
(Dulong-Petit-Gesetz ) .
Quanteneffekte verkleinern i.a. diese Beiträge ( Einfrieren von Freiheitsgraden“).
”
70
4.7. GLEICHVERTEILUNGSSATZ UND VIRIALSATZ
Virialsatz
Eine allgemeinere Form des Virialsatzes für wechselwirkende Systeme mit
H({~
pi , ~ri }) = Hkin + Hint + HWand
und
Hint =
1X
v(~ri − ~rj )
2
i6=j
läßt sich ebenfalls ableiten. Hierbei ist i.a. aber der Beitrag des Wandpotentials zu
berücksichtigen, das die Teilchen im gegebenen Volumen einschließt,
X
HWand =
w(~ri )
i
~ i w(~ri ) addieren sich zum
Die von den Teilchen auf die Wand ausgeübten Kräfte −∇
Druck P , den die Wand ausübt. Es ergibt sich also für die Summe der Kräfte in einem
Volumenelement ∆V mit dem Flächenelement df auf der Wand am Ort ~r folgende
Beziehung:
n̂
X
i∈∆V
df
~ i w(~ri ) = n̂P df
∇
Damit erhält man
X
i
~ i w(~ri ) = P
~ri · ∇
b
O
I
~r · n̂ df = P
Z
~
r
div ~r d3 r = 3P V
Insgesamt ist also zunächst
N
DX
i=1
E D X
E
~r H = 1
~ i v(|~ri − ~rj |) + 3P V = 3N kT
~ri · ∇
(~
r
−
~
r
)
·
∇
i
j
i
2
i6=j
Benutzt man nun hHkin i = 23 N kT ergibt sich aufgelöst nach P V der Virialsatz:
PV =
E
1 XD
2
~ i v(~rij )
Hkin −
~rij · ∇
3
6
i6=j
wobei ~ri − ~rj = ~rij . Dieser allgemeine Virialsatz ist auch für Quantensysteme gültig.
Zum Beweis betrachtet man eine isotrope Volumenänderung des Systems, und führt
dimensionslose Observable ~x ein durch
~r = L~x
mit V = L3
Der Hamiltonoperator ist dann
H=
X
i
−
h̄2 1 ~ 2
∇ + Hint (L~x1 , . . . , L~xN ) + HWand
2m L2 ~xi
71
4.8. QUANTENKORREKTUREN ZUR KLASSISCHEN STATISTIK
wobei benutzt wurde, daß HWand unabhängig vom Volumen ist. Differentiation nach V
ergibt
∂H
L ∂H
2
1X
~ i Hint .
V
~ri · ∇
=
= − Hkin +
∂V
3 ∂L
3
3
i
Bildet man davon den thermischen Mittelwert, so erhält man den Virialsatz, denn
< ∂H
∂V >= −P .
4.8
Quantenkorrekturen zur klassischen Statistik
Die Berechnung der Quantenkorrekturen kann in Analogie zur WKB-Näherung der
Quantenmechanik erfolgen. Dazu nützen wir die formale Ähnlichkeit des Zeitentwicklungsoperators und des Boltzmannoperators e−H/kT aus ( imaginäre Zeit“ β = 1/kT ).
”
Im Beispiel eines Teilchens in D = 1 ist zur Berechnung von ZK das Matrixelement
hp| e−H/kT |xi
2
p
+ V (x) ist. Wir betrachten die
zu entwickeln nach Potenzen von h̄, wobei H = 2m
Differentialgleichung
h h̄2 d2
i
∂
hp| e−βH |xi = hp| e−βH H |xi = −
+
V
(x)
hp| e−βH |xi
−
∂β
2m dx2
die eine Art Schrödinger-Gleichung für imaginäre Zeiten β darstellt. Wir erinnern uns
an den Ansatz für die quasiklassische Näherung der Wellenfunktion
i
φ(~r, t) = e− h̄ S(~r,t)
und setzen an
i
hp| e−βH |xi = e− h̄ S(~r,β)
Daraus folgt die Differentialgleichung:
i h̄ 2 1 ∂ 2 S
h̄ h 1 ∂S 2
∂S
+ V (x) −
=
∂β
i 2m ∂x
i 2m ∂x2
Der Potenzreihenansatz
S = S0 +
ergibt die Gleichungen
∂S0
∂β
∂S1
∂β
∂S2
∂β
∂S3
∂β
h̄ 3
h̄ 2
h̄
S2 +
S3 + · · ·
S1 +
i
i
i
=0
p2
1 ∂S0 2
+V =
+V =H
2m ∂x
2m
1 ∂S0 ∂S1
p ∂V
=
=
β
m ∂x ∂x
m ∂x
1 ∂S0 ∂S2
1 ∂S1 2
1 ∂ 2 S1
+
=
−
2m ∂x
m ∂x ∂x
2m ∂x2
β 2 h ∂V 2 p2 ∂ 2 V i
β ∂2V
=
+
−
2m ∂x
m ∂x2
2m ∂x2
=
72
4.8. QUANTENKORREKTUREN ZUR KLASSISCHEN STATISTIK
Diese kann man nun nach den jeweiligen Si auflösen. Wenn man beachtet, daß S0 unabhängig von β ist, folgt für dieses:
S0 = px
da gilt
lim hp| e−βH |xi = e−ipx/h̄
β→0
Für die anderen folgt daraus:
S1 = Hβ
mit S1 (0) = 0
1 p ∂V 2
S2 =
β
2 m ∂x
β 3 h ∂V 2 p2 ∂ 2 V i β 2 ∂ 2 V
+
−
S3 =
6m ∂x
m ∂x2
4m ∂x2
Für die Zustandssumme erhält man damit (β = 1/kT ):
Z
dpdx
ZK =
hp| e−βH |xi hx|pi
2πh̄
Z
dpdx − i S0 + h S1 + h̄ 2 S2 +··· ipx/h̄
i
i
e h̄
e
=
2πh̄
i
mit S0 = px folgt e− h̄ S0 = e−ipx/h̄ und somit kürzt sich die Exponentialfunktion heraus
und übrig bleibt:
h
i
Z
dpdx − S1 + h̄i S2 +( h̄i )2 S3 +···
e
ZK =
2πh̄
Nun setzt man S1 = Hβ ein und erhält mit β = 1/kT
Z
dpdx −H/kT ih̄[S2 + h̄ S3 +···]
i
ZK =
e
e
2πh̄
Entwickeln der Exponentialfunktion ergibt:
h̄
eih̄[S2 + i S3 +···] ≈ 1 −
1
h̄
S2 + h̄2 (S3 − S22 ) + · · ·
i
2
wobei zu beachten ist, daß hS2 i0 = 0 da S2 ungerade in p.
Freie Energie
Mit obigen Überlegungen zu ZK läßt sich die freie Energie schreiben als:
1 F = F0 − kT ln 1 + h̄2 S3 − S22 0 + · · ·
2
wobei F0 die klassische freie Energie darstellt und h i0 den klassischen Mittelwert be
∂V 2 2 1
ist
zeichnet. Mit p2 = mkT und ∂∂xV2 = kT
∂x
1 3 1 h 1 1 1 i ∂V 2 hS3 i =
+ −
kT m 6 6 4
∂x
und
S22
1 1 3 ∂V 2
.
=
4m kT
∂x
73
4.9. KLASSISCHE ZUSTANDSFUNKTION
Die erste Quantenkorrektur zur freien Energie ist damit gegeben durch
h̄2
∂V 2
1 λT 2 V 2
F = F0 +
= F0 +
24m(kT )2
∂x
48π r0
kT
wobei in der letzten Gleichung folgende Definition für die Reichweite des Potentials
v u
u V2
r0 = t ∂V 2
∂x
eingeführt wurde.
Für ein Vielteilchensystem ergibt sich analog:
N
F = F0 +
DX
E
h̄2
~ iV 2
∇
24m(kT )2
i=1
Beiträge mit ungeraden Potenzen ab h̄3 ergeben sich aber noch zusätzlich durch die
Identität der Teilchen: Austauschbeiträge“. Wir werden später den führenden Beitrag
”
berechnen.
4.9
Klassische Zustandsfunktion
Die im vorletzten Abschnitt durchgeführte Grenzwertbildung läßt sich formal auch auffassen als Limes h̄ → 0 bei festem T , etc. . Damit läßt sich nun der Erwartungswert einer
Observablen X in einem beliebigen Zustand, charakterisiert durch den Zustandsoperator
Ŵ , darstellen.
• Für ein Teilchen ist
X̂ = X(p̂, x̂)
,
Ŵ = W (p̂, x̂) .
Wir ordnen nun in X̂ alle Impulsoperatoren p̂ nach links, alle x̂-Operatoren nach
rechts
X̂ → X̂px = X̂ 1 + O h̄ ,
da die Korrekturen von der Kommutatorrelation [p̂, x̂] = −ih̄ verursacht werden.
Für Ŵ wählen wir die umgekehrte Ordnung:
Ŵ = Ŵxp 1 + O h̄ .
Für den Mittelwert von X gilt also im Limes h̄ → 0
Z
Z
dpdx
dpdx
hXi = Tr X̂ Ŵ =
hp| X̂ |xi hx| Ŵ |pi =
X(p, x)W (p, x) ,
2πh̄
2πh̄
wobei X(p, x) dadurch entsteht, daß in X̂(p̂, x̂) die Operatoren p̂, x̂ durch ihre
Eigenwerte ersetzt werden, usw., denn hp| Xpx |xi = X(p, x), etc. .
74
4.9. KLASSISCHE ZUSTANDSFUNKTION
• Die Zustandsfunktion
W (p, x)
≡ w(p, x)
2πh̄
läßt sich deuten als die Dichte der Punkte im Phasenraum für den gegebenen
Zustand. Dies ist gleich der relativen Häufigkeit, mit der der Zustand (p, x) des
Systems in der betrachteten Gesamtheit auftritt. Mittelwerte sind damit definiert
als:
Z
hXi = dpdx w(p, x)X(p, x) .
• Für Systeme von N identischen Teilchen definiert man analog die Zustandsfunktion
w(~
p1 , . . . , p~N ; ~r1 , . . . , ~rN ) =
W ({~
pi }, {~xi })
(2πh̄)3N N !
als relative Häufigkeit pro Volumenelement d3Np d3Nx.
Es ist auch hier nützlich, verkürzte Zustandsfunktionen einzuführen. Die Boltzmann’sche
Verteilungsfunktion f (~
p, ~x) gibt die Wahrscheinlichkeit an, ein Teilchen mit Impuls
p~ am Ort ~r zu finden
f (~
p, ~x) =
Z
3N
3N
d p d x w(~
p1 , . . . , p~N ; ~r1 , . . . , ~rN )
N
X
i=1
δ(~
p − p~i )δ(~x − ~xi )
Im Gleichgewichtszustand der kanonischen Gesamtheit ist
w({~
pi }, {~xi }) =
und damit mit H =
f (~
p, ~r) =
P
p2i
i 2m
1
1 −H({~pi },{~xi })/kT
e
3N
(2πh̄) N ! ZK
+V
−p2 /(2mkT )
N λ−3
T e
R
d3 r2 · · · d3 rN exp −V (~r1 , ~r2 , . . . , ~rN )/kT
R 3 3
d r1 d r2 . . . d3 rN exp −V /kT
Und für ein Gas unabhängiger Teilchen mit H =
f (~
p, ~x) =
p2i
i 2m
P
+ u(ri ) folgt
u(~r) /kT
d r exp −u(~r)/kT
p2
−3 exp − 2m +
N λT R 3
Die Teilchendichte bzw. Teilchenstromdichte ergibt sich aus
Z
n(~r) = d3 pf (~
p, ~x)
Z
~p
p, ~x) .
~(~r) = d3 p f (~
m
75
4.10. ZEITLICHE ENTWICKLUNG DER KLASSISCHEN ZUSTANDSFUNKTION
4.10
Zeitliche Entwicklung der klassischen Zustandsfunktion
Die zeitliche Entwicklung eines klassischen Systems wird durch die Newton’schen Bewegungsgleichungen gegeben. Für die Beschreibung der Bewegung im Phasenraum ist die
Hamilton’sche Formulierung geeignet:
Für ein Teilchen in einer Dimension gilt
∂
∂H
p(t) = −
∂t
∂x
;
∂
∂H
x(t) =
∂t
∂p
mit der Hamiltonfunktion H(p, x). Die zeitliche Entwicklung eines reinen Zustands, mit
Zustandsfunktion
w(p, x; t0 ) = δ p − p0 δ x − x0
(Teilchen am Ort x0 mit Impuls p0 zur Zeit t0 ) ist damit gegeben durch
w(p, x; t) = δ p − p(t) δ x − x(t)
und erfüllt die Bewegungsgleichung
h ∂p(t) ∂
∂x(t) ∂ i
∂
w(p, x; t)
w(p, x; t) = −
−
∂t
∂t ∂p
∂t ∂x
h ∂H ∂
∂H ∂ i
=
w(p, x; t)
−
∂x ∂p
∂p ∂x
= − H, w ,
wobei die Poissonklammer eingeführt wurde als
∂A ∂B ∂A ∂B .
−
A, B =
∂p ∂x
∂x ∂p
Für ein System von N Teilchen in D = 3 Dimensionen gilt entsprechend
wobei
∂
w(~
p1 . . . ~pN ; ~r1 . . . ~rN ) = − H, w
∂t
N h
i
X
~ p~ H · ∇
~ ~r w − ∇
~ ~r H · ∇
~ p~ w .
∇
H, w =
i
i
i
i
i=1
Zeitliche Bewegung im Phasenraum
Jedes klassische System kann durch einen Punkt im 6N -dimensionalen Phasenraum dargestellt werden.
Eine statistische Gesamtheit von Systemen wird durch die Punktdichte w({~
pi }, {~ri })
im Phasenraum repräsentiert. Da die Zahl der Punkte (= Zahl der Kopien des Systems)
fest gegeben ist, gilt ein Erhaltungssatz :
Z Y
N
d3 pi d3 xi w(~
p1 . . . ~pN ; ~r1 . . . ~rN ) = 1
i=1
76
4.10. ZEITLICHE ENTWICKLUNG DER KLASSISCHEN ZUSTANDSFUNKTION
Die lokale Form dieses Erhaltungssatzes ergibt sich aus der Bewegungsgleichung für w:
∂w
~w =0
+ div V
∂t
Liouville
Hierfür wurde die lokale Strömungsgeschwindigkeit im Phasenraum
p
∂~
pN ∂~r1
∂~rN 1
~ = ∂~
V
...
;
...
∂t
∂t ∂t
∂t
~
~
~
~ p~ H
= −∇~r1 H . . . − ∇~rN H; ∇p~1 H . . . ∇
N
~ w ist die Punktstromdichte im Phasenraum. Die Liouville-Gleichung läßt
definiert. ~ = V
sich leicht beweisen:
N h
i
X
~ p~ −∇
~ ~r Hw + ∇
~ ~r ∇
~ p~ Hw
~w =
∇
div V
i
i
i
i
=
i=1
N h
X
i=1
~ ~r H · ∇
~ p~ w + ∇
~ p~ H · ∇
~ ~r w
−∇
i
i
i
i
= H, w
i
~ = 0 ist das Phasenraumgas“ inkompressibel und es gilt
Wegen div V
”
d
∂w
~ · grad w = 0 ,
w=
+ V
dt
∂t
d.h. die totale Zeitableitung von w verschwindet, die Phasenraumdichte bleibt entlang
einer Phasenraumtrajektorie konstant.
Die Bewegungsgleichung für die Boltzmann’sche Verteilungsfunktion
f (~
p, ~r) =
Z Y
N
d3 pi d2 xi ρ(~
p, ~r) w(~
p, ~r)
i=1
ergibt sich durch Multiplikation der Gleichung
̺(~
p, ~r) =
N
X
i=1
∂
∂t w
= − H, w mit
δ(~
p − p~i ) δ(~r − ~ri )
und Spurbildung:
∂
f (~
p, ~r, t) =
∂t
Z Y
d3 pj d3 rj
j
Xh
i
i
~ p~ H · ∇
~ ~r w + ∇
~ ~r H · ∇
~ p~ w ̺(~
−∇
p, ~r)
i
i
i
i
Mit der Hamiltonfunktion
H({~
pi , ~ri }) =
Xh p~ 2
i
i
2m
77
i
+ u(~ri ) + V ({~ri })
4.10. ZEITLICHE ENTWICKLUNG DER KLASSISCHEN ZUSTANDSFUNKTION
und deren Ableitungen
~i
~ p~ H = p
∇
i
m
~ ~r H = ∇
~ ~r u(~ri ) + ∇
~ ~r V ≡ −F~i
∇
i
i
i
;
erhält man die Boltzmanngleichung
p~ ~
∂
~ p~ f = I
f+
· ∇~r f + F~ · ∇
∂t
m
~ = ∇u
~ im Grenzfall Dichte → 0, siehe unten) Dabei wurde benutzt, daß Oberflächen(F
”
terme“ der Form
Z∞
p1x ∂
p1x dx1
w=
w(x1 = ∞) − w(x1 = −∞) = 0
m ∂x1
m
−∞
verschwinden und außerdem
Z Z
Z ~i ~ p
p~i ~
p~ ~
p~i ~
· ∇~ri w ̺ = −
· ∇~ri ̺ w =
· (∇~r ̺)w →
· ∇~r f
m
m
m
m
sowie
Z X
i
Z X
~
~
~i · ∇
~p ̺
Fi · ∇pi w ̺ = −
F
i
̺~p
Z X
i
i
~i δ(~
F
p − ~pi )δ(~r − ~rI )w
= F~ · ̺~p f + ̺
~
|
Z X
~
~
Fi − F δ(~
p − ~pi )δ(~r − ~ri )w
i
{z
~ ·~
−I+∆F
̺p f
}
gilt. Der Beitrag I der rechten Seite verschwindet, wenn die Wechselwirkung V gegen
null geht. In einfachen Fällen läßt sich I als Stoßintegral“ darstellen, das die Änderung
”
der Verteilungsfunktion durch Stöße der Teilchen beschreibt. Für Zweierstöße gilt z.B.
p~1′
p~1
Z
h
I = − d3 p2 d3 p′1 d3 p′2 Q(~
p, p~2 , p~1′ , p~2′ ) f (~
p, ~r, t)f (~
p2 , ~r, t)
i
− f (~
p1′ , ~r, t)f (~
p2′ , ~r, t)
p~2
p~2′
Im elementaren Stoßprozeß ist i.a. die Energie und auch der Impuls erhalten, so daß
Q(p, p2 ; p′1 , p′2 ) = Q δ(ǫp + ǫp2 − ǫp′1 − ǫp′2 ) δ3 (~
p + ~p2 − p~1′ − p~2′ )
weiter gilt Q ≥ 0 und Q(pp2 ; p′1 p′ 2 ) = Q(p2 p; p′ 1 p′ 2 ) = Q(p′ 1 p′ 2 , pp2 )
Im Gleichgewichtszustand ohne äußere Felder ist
f (~
p, ~r, t) = f (ǫp )
78
4.10. ZEITLICHE ENTWICKLUNG DER KLASSISCHEN ZUSTANDSFUNKTION
und damit muß I = 0 sein. Daraus folgt
h
i
f (ǫp )f (ǫp2 ) − f (ǫp′1 )f (ǫp′2 ) δ(ǫp + ǫp2 − ǫp′1 − ǫp′2 )δ3 (~
p + p~2 − p~′1 − ~p′ 2 )
n
o
= f (ǫp′1 )f (ǫp′2 ) exp ln f (ǫp ) + ln f (ǫp2 ) − ln f (ǫp′1 ) − ln f (ǫp′2 ) − 1
× δ(ǫp + ǫp2 − ǫp′1 − ǫp′2 )δ(~
p + p~2 − p~′ 1 − p~′ 2 )
!
=0
ist erfüllt für
ln f (ǫp ) = a + bǫp + ~c · p~
d.h.
f (ǫp ) = c e
−(~
p−m~
u )2
2mkT
wobei b = −1/kT gesetzt wurde. Die Überlegung zeigt, daß I = 0 für eine größere Klasse
von f ’s gilt, nämlich
nh
i
o
f l (ǫp ) = exp
− (~
p − m~u(~r, t))2 + µ(~r, t) /kT (~r, t)
die ein sog. lokales Gleichgewicht charakterisieren.Hier ist ~u die lokale Strömungsgeschwindigkeit.
Der Übergang vom lokalen zum globalen Gleichgewicht erfolgt dann über Strömungsprozesse und nicht durch mikroskopische Stoßprozesse.
Eng verknüpft mit der Existenz von lokalen Gleichgewichtszuständen sind die Erhaltungssätze für
Z
Teilchendichte
n(~r) = d3 p f (~
p, ~r)
Z
Impulsdichte
~g (~r) = d3 p p~ f (~
p, ~r) = m~j(~r, t)
Z
Energiedichte
ǫ(~r) = d3 p ǫp f (~
p, ~r)
Sie ergeben sich durch Multiplikation der Boltzmanngleichung mit (1, ~p, ǫp ) und Integration über p~:
Z
Z
Z
∂
3
3 ~ ~
~
n(~r) + ∇~r · d p ~vp f (~
p, ~r) + d p F · ∇p~ f (~
p, ~r) = d3 p I .
∂t
Wegen
~·
F
und
Z
ergibt sich dann
~ p~ f (~
d3 p ∇
p, ~r) = 0
(aufgrund von f → 0 für |~
p| → ∞)
Z
xp = 1 oder p~,
d3 pxp I = 0 mit
oder
ǫp
∂
~ ~r · ~(~r) = 0
n(~r) + ∇
Kontinuitätsgleichung
∂t
↔
∂
~ ~r · Π (~r) = F
~ n(~r, t)
~g (~r) + ∇
Impulserhaltung
∂t
∂
~ · ~ǫ = F
~ · ~g /m
ǫ(~r) + ∇
Energieerhaltung
∂t
79
4.10. ZEITLICHE ENTWICKLUNG DER KLASSISCHEN ZUSTANDSFUNKTION
Hierbei wurden definiert:
Z
pi pj
Πij (~r) = d3 p
f (~
p, ~r)
m
Z
p~
Energiestromdichte:
~ǫ = d3 p ǫp f (~
p, ~r) ;
m
Spannungstensor:
Da das Stoßintegral ein komplizierter Integraloperator ist, der nicht exakt verarbeitet
werden kann, verwendet man oft die sog. Relaxationszeitnäherung für das Stoßintegral
I:
i
1h
p, ~r, t) − f ℓ (~
p, ~r, t)
I = − f (~
τ
Boltzmann verwendete seine berühmte Gleichung auch um zu zeigen, daß die Entro”
pie“, definiert als
Z
1
H(t) = d3 p d3 r f (~
p, ~r, t) ln
f (~
p, ~r, t)
niemals abnimmt, das sog. H-Theorem.
d
H =
dt
=
=
=
=
≥
Z
i
1
dh
f (~
p, ~r, t) ln
dt
f (~
p, ~r, t)
Z
h
i
1
df
ln − f
d3 p d3 r
dt
f
Z
h 1
i
∂f ln − f
d3 p d3 r
∂t Stoß
f
Z
Z
1
f f2
+ d3 r
d3 p d3 p2 d3 p′1 d3 p′2 Q(~
p, p~2 , p~1′ , p~2′ ) ln ′ ′ (f f2 − f1′ f2′
4 f 1f 2
Z
Z
ff
f
f
1
2
2
−
1
d3 r
d3 p · · · d3 p′2 Q ln ′ ′
f1′ f2′
4
f1 f2 f1′ f2′
| {z }
Z
d3 p d3 r
d3 r
Z
≥ln(f f2 /f1′ f2′ )
f f 2
2
d3 p · · · d3 p′2 Q ln ′ ′ f1′ f2′ ≥ 0 ,
f1 f2
wobei die Positivität
und Symmetrie von Q benutzt wurden.
R
p
·̺
~[f ln f1 ] = 0, etc. benützt.
Auch wurde d3 pd3 r m
Bemerkung:
Bereich gilt.
Man kann zeigen, daß H = S im stoßdominierten (hydrodynamischen)
80
Kapitel 5
Reale Systeme im thermodynamischen Gleichgewicht und
Phasenübergänge
Im folgenden werden wir eine Reihe von thermodynamischen Systemen betrachten, für
die die Zustandssumme näherungsweise berechnet werden kann. In all diesen Beispielen
gibt es einen vereinfachenden Gesichtspunkt, der entweder eine Entwicklung nach einem
kleinen Parameter, oder in Ausnahmefällen sogar eine exakte Lösung erlaubt.
Als erstes Beispiel werden Spinmodelle betrachtet, die z.T. exakt lösbar sind, z.T.
aber auch mit Hilfe der Molekularfeldnäherung behandelt werden. Hier gibt es Phasenübergänge zwischen der magnetisch ungeordneten Hochtemperaturphase und geordneten Tieftemperaturphasen.
Als zweites Beispiel betrachten wir ein verdünntes Gas, bei dem eine Dichteentwicklung möglich ist. Eine Extrapolation zu größeren Dichten führt zur sogenannten
van-der-Waals-Theorie, die den Phasenübergang von Gas zur Flüssigkeit beschreibt.
Die allgemeine Theorie der Phasenübergänge wird dann kurz skizziert.
5.1
Spin-Modelle mit Wechselwirkung
Spinmodelle beschreiben magnetische Momente, die an den Gitterplätzen eines Festkörpers
lokalisiert sind, und miteinander wechselwirken. Meist handelt es sich um Isolatoren.
Lokale magnetische Momente
In Atomen mit teilweise gefüllten inneren Elektronenschalen (d-oder f-Schale) addieren
sich die Spins und Bahndrehimpulse der Elektronen dieser inneren Schalen oft zu einem
von Null verschiedenen Gesamtdrehimpuls, den wir Spin nennen. Dieser Spin ist relativ
stabil, da die inneren Schalen gut abgeschirmt sind.
Jedem Gitterplatz i läßt sich ein Spinoperator
~i = (Six , Siy , Siz )
S
81
5.1. SPIN-MODELLE MIT WECHSELWIRKUNG
zuordnen, der den Vertauschungsrelationen für Drehimpulsoperatoren genügt:
[Siµ , Siν ] = iǫµνλ Siλ
Spinoperatoren verschiedener Gitterplätze i 6= j vertauschen:
[Siµ , Sjν ] = 0
Die Siµ wirken auf Zustände |ψi, die durch (2S + 1)-komponentige Spinoren


hS|ψi


..


.
h−S|ψi
~ 2 sind:
darstellbar sind, wobei |mi mit −S ≤ m ≤ S die Eigenzustände von Sz und S
Sz |mi = h̄m |mi
~ 2 |mi = h̄2 S(S + 1) |mi
S
Im folgenden werden wir ausschließlich S = 12 Systeme betrachten.
Für Spin 21 lassen sich die Siµ durch die Paulimatrizen darstellen:
mit den Paulimatrizen:
0 1
σx =
1 0
~ = 1 h̄ σx , σy , σz
S
2
,
σy =
0 −i
i 0
,
σz =
1 0
0 −1
.
Die Spins besitzen ein magnetisches Moment
~
µ = γS
~
,
| ~µ | ≡ µ0 = γ
h̄
,
2
wobei γ = ge/mc das gyromagnetische Verhältnis ist und der g-Faktor“ von der Zu”~
sammensetzung der Spins abhängt. Ein angelegtes Magnetfeld B
führt zu einem Energiebeitrag
~ ·S
~,
H = −γ B
der sogenannten Zeeman-Energie.
Wechselwirkung von Spins
Dipolwechselwirkung: In der klassischen Elektrodynamik wechselwirken zwei magnetische Dipole d~1 , d~2 an Orten ~r1 , ~r2 über das Potential
UDip =
=
1
~2
~ 1 d~2 · ∇
d~1 · ∇
| ~r1 − ~r2 |
~
~
3 d1 · r̂12 d2 · r̂12 − d~1 · d~2
| ~r1 − ~r2 |3
82
5.1. SPIN-MODELLE MIT WECHSELWIRKUNG
~i , die
In der quantenmechanischen Beschreibung ergibt sich für ein System von Spins S
mittels UDip wechselwirken
1 X
1
~j
~ i Sj · ∇
HDip = γ 2
Si · ∇
2
| ~ri − ~rj |
i6=j
Diese Wechselwirkung ist sehr schwach, wie folgende Abschätzung zeigt (aB =Bohrradius)
EDip ≃
e2 h̄2 1
e 2 1
h̄2 3 =
≈ 10−6 eV
mc
aB
aB
maB2 mc2
Austauschwechselwirkung: Die dominierende Wechselwirkung der Spins ist quantenmechanischen Ursprungs und ergibt sich aus der Coulombwechselwirkung durch Austauscheffekte (Heisenberg):
~1 , S
~2 im S = 1 -System mit Gesamtspin
Wir betrachten zwei benachbarte Spins S
2
~=S
~1 + S
~2
S
Falls S = 0 (Singlet) ist der Spinzustand gegenüber Vertauschung von S1 , S2 ungerade.
Die Bahnwellenfunktion der Elektronen, die die magnetischen Momente verursachen,
muß deshalb gerade sein (ψ(~r1 , ~r2 ) = ψ(~r2 , ~r1 )). Das Umgekehrte gilt für den Zustand
mit S = 1 (Triplet).
• Für S = 0 ist ψ gerade mit Coulomb-Wechselwirkung ∆E0
• Für S = 1 ist ψ ungerade mit Coulomb-Wechselwirkung ∆E1
Das Matrixelement der Coulombwechselwirkung zwischen den Elektronen hängt also von
S ab:
1
∆E = ∆E0 + (∆E1 − ∆E0 )S(S + 1)
2
Ersetzen des Eigenwerts S(S + 1) durch
~ 2 = (S
~1 + S
~2 )2 = 2S
~1 · S
~2 + S
~12 + S
~22 = 2S
~1 · S
~2 + const.
S
gibt den effektiven Austausch-Hamiltonoperator
~1 · S
~2
H12 = −J12 S
mit J12 = ∆E0 − ∆E1 .
Für ein System von Spins im Magnetfeld folgt
X
X
~i · S
~j − γ B
~·
~i ,
H=−
Jij S
S
i,j
i
das sog. Heisenberg-Modell.
• Positive bzw. negative Austausch-Wechselwirkung begünstigt ferromagnetische bzw.
antiferromagnetische Ordnung.
• Die Größenordnung von J ist durch die Aufspaltung ∆E1 − ∆E0 gegeben, d.h. sie
ist proportional zur Coulombenergie, also im eV-Bereich.
83
5.2. EINDIMENSIONALES ISINGMODELL
Es gibt weitere Wechselwirkungen wie Kristallfeldaufspaltung und Spin-Bahn-Kopplung,
~ bevorzugt entlang einer
die zu Anisotropie im Spinraum führen können, so daß z.B. S
Achse orientiert ist. Dies wird im Ising-Modell beschrieben
X
X
HIsing = −
Jij Siz Sjz − γB
Siz
i,j
i
Auch der Fall planarer Spins ist realisiert im X − Y -Modell
X
X
HX−Y = −
Jij (Six Sjx + Siy Sjy ) − γB
Six
i,j
i
Diese Spinmodelle lassen sich für Spins beliebiger Länge S definieren. Im Grenzfall
S → ∞ gelangt man zum klassischen Heisenbergmodell: Mit der Definition des Einheits~i
vektors ŝi in Richtung von S
~i
S
ŝi = p
S(S + 1)
folgt die Hamiltonfunktion
H = −J
X
hiji
~·
ŝi · ŝj − µ0 B
X
ŝi
i
wobei die Reichweite der Wechselwirkung auf die nächsten Nachbarn beschränkt wurde
(hiji bedeutet Summation über nächste Nachbarn).
5.2
Eindimensionales Isingmodell
Das Isingmodell in D = 1 läßt sich exakt behandeln. Die Energieeigenwerte sind gegeben
durch
X
X
E({σi })
= −g
σi σi+1 − h
σi
kT
i
wobei σi = ±1 und
i
J
µ0 B
, h=
.
kT
kT
Mit Einführung periodischer Randbedingungen σN +1 = σ1 (geschlossene Spinkette) gilt
X
X
X
ZK =
e−E({σi })/kT =
···
T (σ1 σ2 ) T (σ2 σ3 ) · · · T (σN σ1 ) ,
{σi }
g=
σ1 =±1
σN =±1
wobei die Transfermatrix T̂ elementweise definiert wurde mit
′
′
T (σσ ′ ) = egσσ +h(σ+σ )/2
oder in Matrixform
T̂ =
eg+h e−g
e−g eg−h
84
.
5.2. EINDIMENSIONALES ISINGMODELL
Dabei ist in der Kompaktschreibweise
N
ZK = Tr T̂ N = λN
1 + λ2 ,
wobei λ1 und λ2 die Eigenwerte der 2 × 2-Matrix T̂ sind, die aus
det T̂ − λ1̂ = 0
bestimmt werden können:
det T̂ − λ1̂ = (eg+h − λ)(eg−h − λ) − e−2g
= λ2 − 2λeg cosh h + e2g − e−2g = 0
Die Lösung dieser quadratischen Gleichung ist:
p
λ1,2 = eg cosh h ± eg sinh2 h + e−4g
Im thermodynamischen Limes N → ∞ trägt nur der größere Eigenwert, also λ1 , bei:
−N
ZK = λN
.
1 1+O e
Damit ist die freie Energie
F (T, B) = −kT N ln λ1
"
γB γB r
+ sinh2
+ e−4J/kT
= −N J − kT N ln cosh
2kT
2kT
#
Im feldfreien Fall B = 0 ist
J F (T ) = −kT N ln 2 cosh
,
kT
ähnlich dem F (T ) für freie Spins im Magnetfeld.
Für T → 0 und B 6= 0 findet man falls J > 0
F → −N J − N
γB
,
2
also ferromagnetisch ausgerichtete Spins. Falls J < 0 und |J| > γB/4 findet man
F → N |J| − N · 2|J| = −N |J| ,
den antiferromagnetischen Neél-Zustand (↑↓↑↓). Bei hohen Temperaturen (J ≪ kT ) gilt
γB γB − JN tanh2
F = −kT N ln 2 cosh
2kT
2kT
= Ffrei + O J .
85
5.2. EINDIMENSIONALES ISINGMODELL
Korrelationsfunktionen
hσi σj i =
=
i−1
1 X
σi σj e−E({σi })/kT
ZK
1
N
{σi }
1
Tr T̂ i−1 σ̂z T̂ j−i σ̂z T̂ N −j−1
ZK
(σ̂z : Pauli-Matrix)
N −j+1
Mit den Eigenvektoren von T̂ :
T̂ |li = λl |li , l = 1, 2
gilt allgemein
T̂ =
X
l
und damit
hσi σj i =
|li λl hl|
X
N +i−j λlj−i
′
hl| σ̂z l′ 2 λl
.
N
N
λ1 + λ2
l,l′
Im Limes N → ∞ kann λN
2 → 0 genommen werden und man erhält
2
X
j−i
h1| σ̂z l′ 2 λl′
hσi σj i =
.
λ1
′
l =1
Wir beschränken uns im weiteren auf den Fall B = 0.
Eigenvektoren von
g
e
e−g
T̂ = −g
e
eg
sind
mit den Eigenwerten
1 1
|1i = √
2 2
λ1 = 2 cosh g
1
1
|2i = √
2 −2
,
,
λ2 = 2 sinh g
Damit ist
1
1
1 0
(1, 1)
=0
h1| σ̂z |1i =
0 −1
2
1
h1| σ̂z |2i = 1
und die Spinkorrelationsfunktion ist mit λ2 /λ1 = tanh g
λ j−i
2
= e−| j−i |/ξ (−1)(j−i)J/kT
hσi σj i =
λ1
wobei die Korrelationslänge“ ξ definiert wurde als
”
1
λ1
J
= ln
>0,
= ln coth
ξ
λ2
kT
86
i
T >0
j−i
j
5.3. NÄHERUNG DES SELBSTKONSISTENTEN FELDES FÜR DAS
HEISENBERGMODELL
Im Grenzfall T → 0 ist ξ = 41 eJ/kT → ∞ . Es gibt also für alle T > 0 keine langreichweitige Ordnung (LRO) des Spinsystems und damit keinen Phasenübergang (antiferromagnetischer Zustand).
hσi σj i
J > 0 (ferromagnetisch)
|i−j |
J < 0 (antiferromagnetisch)
Abbildung 5.1: Spinkorrelationen
Bemerkung:
Modell):
5.3
Das Ising-Modell ist auch anwendbar auf Flüssig-Gas-Systeme (Gittergas-
↑
↓
↓
↑
↑
↓
↑ = besetzt
↓ = leer
Näherung des selbstkonsistenten Feldes für das Heisenbergmodell
Eine besonders wichtige Rolle spielt die Beschreibung des Phasenübergangs im ferromagnetischen Heisenbergmodell:
X
X
~i · S
~j − γ B
~·
~i , J > 0
S
H = −J
S
i
hiji
Bei hohen Temperaturen (J ≪ kT ) verhält sich das System wie ein fast freies paramagnetisches Spinsystem.
Bei T = 0 ist der Grundzustand sogar für B = 0 durch den vollständig ausgerichteten
Zustand
|ψi0 = |↑↑↑ . . . ↑i
gegeben mit Energie (B = 0)
E0 = −J
X
S2
(≡ untere Schranke für H)
hiji
Dieser Zustand |ψi0 besitzt LRO, unterscheidet sich also qualitativ vom Hochtemperaturzustand. Dazwischen sollte also ein Phasenübergang stattfinden.
87
5.3. NÄHERUNG DES SELBSTKONSISTENTEN FELDES FÜR DAS
HEISENBERGMODELL
In Molekularfeldnäherung wählen wir den kanonischen Zustandsoperator als
ŴSF =
1 −ĤSF /kT
e
ZSF
mit dem Hamiltonoperator
X
~ +B
~ SF ·
~i ,
HSF = −γ B
S
i
~ eff = B
~ +B
~ SF beschreibt. Der Ausdruck für
der ein System freier Spins im Magnetfeld B
die freie Energie
F {WSF } = Ĥ SF − T S{WSF }
= Tr Ĥ ŴSF + kT ŴSF ln ŴSF
= −kT ln ZSF + Ĥ − ĤSF SF
~ SF minimiert werden. Mit den Abkürzungen
muß bezüglich des Variationsparameters B
x=
γBeff
2kT
,
h=
γB
2kT
ist die Zustandssumme gegeben durch
N
ZSF = Tr e−ĤSF /kT = 2 cosh x
~i
S
~i S
~j
S
SF
SF
Damit erhält man
1
ê tanh x
2
1
~i
~j
= tanh2 x = S
· S
SF
SF
4
=
F {WSF } = −kT ln ZSF − J
DX
hiji
~i · S
~j
S
1
-System)
2
~
(ê : Einheitsvektor k B)
(freies Spin
E
SF
~ SF ·
+ γB
X
~i
S
SF
i
o
1
1
= N −kT ln 2 cosh x − Jz tanh2 x + kT (x − h) tanh x
2
4
n
z ist die Anzahl nächster Nachbarn. Der stationäre Punkt ist gegeben durch
und damit
h 1
i 1
∂
!
F {WSF } = 0 = − Jz tanh x + kT (x − h)
∂x
4
cosh2 x
γBeff
1
Jz tanh
2
2kT
Diese Beziehung ist anschaulich leicht zu verstehen:
γBSF =
88
5.3. NÄHERUNG DES SELBSTKONSISTENTEN FELDES FÜR DAS
HEISENBERGMODELL
γBSF ist das magnetische Moment, das durch Wirkung der umgebenden
Spins am Ort i erzeugt wird. Der Wechselwirkungsanteil von H läßt sich
dementsprechend wie folgt in Molekularfeldnäherung behandeln:
XX
X
~i · S
~j ≃ −J
~i · S
~i+τ
S
H
= −J
S
WW
τ
i
hiji
X
~i
~ ·
S
= −zJ S
!
~ SF ·
= −γ B
i
Daraus folgt
X
~i
S
i
1
γBeff
γBSF = zJ S = zJ tanh
2
2kT
in Übereinstimmung mit der allgemeinen Extremalbedingung.
Die Lösung der Selbstkonsistenzgleichung
4
kT
(x − h) = tanh x
Jz
kann graphisch erfolgen (Fall B = 0):
T > Tc
T < Tc
b
tanh x
b
x
1. T > Tc : Es existiert nur die Lösung x = 0 und somit BSF = 0.
2. T < Tc : Es existiert ein Schnittpunkt x 6= 0.
Man hat also einen Phasenübergang bei T = Tc =
M =−
∂F
= M0 tanh x
∂B
1 Jz
k 4 .
Die Magnetisierung
M
,
M0 = γSN
M0
Tc
ist damit für T < Tc ohne äußeres Feld B von null verschieden. Dieses Phänomen nennt
man spontane Magnetisierung (Ferromagnetismus). Der Zustand besitzt langreichweitige
Ordnung (LRO), denn es ist hSi Sj iSF = hSi2SF 6= 0 , | i − j | → ∞ . Die Richtung von
~ ist beliebig. Für gegebenes M
~ ist aber eine Richtung ausgezeichnet, d.h.:
M
Der Zustand mit spontaner Magnetisierung besitzt geringere Symmetrie bezüglich
Drehungen im Spinraum als der Hamiltonoperator: spontane Symmetriebrechung
89
T
5.3. NÄHERUNG DES SELBSTKONSISTENTEN FELDES FÜR DAS
HEISENBERGMODELL
~ den Ordnungsparameter (OP).
Man nennt M
Aus dieser spontanen Symmetriebrechung ergeben sich wichtige allgemeine Konsequenzen:
1. Existenz von Anregungen mit lückenlosem Spektrum
Spinwellen.
ω(q) → 0 , q → 0 , sog.
2. Existenz von Defekten im Ordnungsparameterfeld (Blochwände).
Phasenübergang in MF-Näherung
Wir definieren den Ordnungsparameter als
γ(B + BSF )
m = tanh
2kT
(
=0
6= 0
Paramagnet
Ferromagnet
Die Freie Energiedichte läßt sich dann schreiben als
n
p
o
1
f (T, m, h) = n kT ln 2 1 − m2 − kTc m2 + kT m Artanh (m) − h .
2
Für T → Tc geht m → 0. Damit läßt sich f nach Potenzen von m entwickeln:
o
n1
1
f = −nkT ln 2 + f¯ τ m2 + bm4 − mh + O m6
2
4
(Ginzburg-Landau-Entwicklung)
mit
τ=
T − Tc
Tc
(reduzierte Temperatur)
90
und
f¯ = nkTc ,
b=
1
3
5.3. NÄHERUNG DES SELBSTKONSISTENTEN FELDES FÜR DAS
HEISENBERGMODELL
Jeder Phasenübergang, bei dem
1. sich die Symmetrie des Zustands ändert
2. der Ordnungsparameter für T → Tc gegen Null geht
besitzt eine Ginzburg-Landau-Entwicklung der freien Energie wie oben. Die Form des
relevanten Anteils
n1
o
1
∆f = f¯ τ m2 + bm4 − mh
2
4
wird allein durch Symmetrieüberlegungen bestimmt.
Ordnungsparameter ist hier ein Vektor im Spinraum m.
~ Da ∆f ein Skalar ist, dürfen
2
~
nur Potenzen von m
~ bzw. m
~ · h auftreten.
Minimierung von ∆f ergibt:
(
∆f
τ >0
0
, τ >0
τ <0
m=
1/2
±b−1/2 | τ |
, τ <0
m
Damit ist
∆f
=
f¯
(
0
2
− τ4b
τ >0
τ <0
Die Spezifische Wärme besitzt einen Sprung bei T = Tc :
∆C =
3 n
f¯
=
k
2
2bTc
2 Tc
∆C
Tc
∆f
T
∆S
Es handelt sich um einen Phasenübergang 2. Ordnung (zweite Ableitung
tig). Für die Suszeptibilität erhält man
(
, τ > 0 Curie-Weiß-Gesetz
τ −1
∂m =
χ=
−1
∂h h=0
| 2τ |
, τ <0
∂2F
∂T 2
ist unste-
Verallgemeinerung: Die Ginzburg-Landau-Beschreibung läßt sich auf räumlich veränderliche Situationen durch Einführung des räumlich variierenden Ordnungsparameters
m(~
~ r)
verallgemeinern. Jede Abweichung von m
~ vom homogenen Zustand kostet Energie, umso
mehr, je stärker die Abweichung räumlich variiert (Steifigkeit des OP ). Im Grenzfall
langwelliger und damit niederenergetischer Deformationen des OP-Feldes läßt sich diese
2 ausdrücken (wobei die skalare Natur von F zwei ∇~
~
Energie allgemein als ∝ (∇m)
Operatoren verlangt).
Damit ist eine allgemeinere Ginzburg-Landau-Entwicklung für die gesamte Freie
Energie
Z
∆F̃ = dd r ∆f˜
91
5.4. VERDÜNNTE GASE UND LÖSUNGEN
mit
d
n1
2 o
1
1 2 X ∂
2
2 2
˜
¯
~
∆f = f
τm
~ + b(m
~ ) −m
~ · h + ξ0
m
~
2
4
2 α=1 ∂xα
wobei eine charakteristische Länge ξ0 des OP-Feldes eingeführt wurde.
5.4
Verdünnte Gase und Lösungen
Die Berechnung der thermodynamischen Eigenschaften solcher Systeme ist am einfachsten in der großkanonischen Gesamtheit, d.h. für ein System, das an ein Wärmebad und
ein Teilchenreservoir angekoppelt ist.
Die großkanonische Zustandssumme ist
X
ZG (T, V, µ) = Tr e−(Ĥ−µN̂ )/kT =
ZK (T, V, N ) eµN/kT
N
wobei ZK = Tr e−Ĥ/kT die kanonische Zustandssumme für gegebene Teilchenzahl N
ist. Wie bereits früher angesprochen, ist für verdünnte Systeme mit
mittlerem Teilchenabstand a0 ≫ λT , r0
(r0 = Reichweite des Potentials) das chemische Potential µ negativ und −µ ≫ kT .
Damit ist die Größe
Fugazität eµ/kT ≪ 1
und die Entwicklung von ZG nach eµ/kT konvergiert schnell. Dies muß natürlich am
Ende der Rechnung verifiziert werden, damit die Selbstkonsistenz der Annahme gezeigt
ist. Wir approximieren deshalb
ZG = 1 + ZK (1) eµ/kT + ZK (2) e2µ/kT + · · ·
mit ZK (N ) = ZK (T, V, N ). Die Auswertung von ZK (1), d.h. von ZK für das EinteilchenSystem ist durch das Ergebnis für das ideale Boltzmanngas gegeben, denn Wechselwirkung kann in diesem Fall nicht stattfinden:
a 3
X
2
V
0
ZK (1) =
e−p /(2mkT ) = 3 = N
λT
λT
p
~
Dabei haben wir den mittleren Teilchenabstand a0 definiert durch
V 1/3
a0 =
N
wobei N die mittlere Teilchenzahl ist. Das große Potential ergibt sich in niedrigster
Näherung als
Ω = −kT ln ZG = −kT ZK (1) eµ/kT + O e2µ/kT
und die mittlere Teilchenzahl als
N =−
a 3
∂Ω
0
= ZK (1) eµ/kT = N
eµ/kT
∂µ
λT
92
5.4. VERDÜNNTE GASE UND LÖSUNGEN
woraus für µ folgt
µ = kT ln
λ 3
T
a0
≪ −kT
falls λT /a0 ≪ 1. Die gemachte Voraussetzung ist also erfüllt:
eµ/kT ≪ 1 und sogar
ZK (1) eµ/kT ≪ 1 .
Dafür muß aber N ≪ 1 sein! Dies bedeutet, daß in den meisten Kopien der Gesamtheit
kein Teilchen vorhanden ist. Die relativen Schwankungen der Teilchenzahl ∆N/N werden
dann ≫ 1. Dies ist aber unerheblich für die Berechnung des großen Potentials, das die
Skaleneigenschaft
Ω = −V P (µ, T, V /N ) = N ω(µ, T, N/V )
besitzt, aus der folgt, daß Ω für festes µ, T, N/V aus einem System mit beliebig kleinem
V und damit N berechnet werden kann.
Die Fugazitätsentwicklung läßt sich auch auf verdünnte Lösungen anwenden: Diese stellen ein zweikomponentiges System aus Lösungsmittel
b b
b
und Lösungsstoff dar. Mit den chemischen Potentialen µm und µ1 für das
b
b
b
Lösungsmittel bzw. den Lösungsstoff ist
b
b
b
ZG (T, V, µm , µ1 ) = ZG (T, V, µm ) + Z1 (T, V, µm )eµ1 /kT + · · ·
Für das große Potential gilt
h
i
Z1 µ1 /kT
Ω = −kT ln Z0 1 +
e
+ ···
Z0
Z1 µ1 /kT
e
+ ···
= Ω0 − kT
Z0
wobei Ω0 = −kT ln Z0 das große Potential des reinen Lösungsmittels ist. Im zweiten
Term wurde weiter der Logaritmus durch das erste Glied der Reihenentwicklung abgeschätzt. Hieraus folgt auch, daß
Z1
= U f (µm , T ).
Z0
Die mittlere Zahl der Teilchen des Lösungsmittels ergibt sich als
N1 = −
∂Ω
Z1 µ1 /kT
=
e
∂µ1
Z0
Durch Auflösen nach µ1 erhält man
Z
0
Nm + kT ln c
µ1 = kT ln
Z1
Wie oben bemerkt ist (Z1 /Z0 )/Nm ) eine intensive Funktion und nach Elimination von
µm = µm (P, T ) (Duhem-Gibbs) zugunsten des Drucks P folgt
µ1 = g(P, T ) + kT ln c
93
,
mit
c=
N1
Nm
5.5. VIRIALENTWICKLUNG
Die Abhängigkeit von µm von c ergibt sich nach Ausnutzen der Maxwellrelation mit
Hilfe von dΩ = −SdT − P dV − Nm dµm − N1 dµ1
∂µ1
∂µm
kT
=
=−
∂Nm
∂N1
Nm
und daraus
µm (P, T, c) = µ(P, T ) − kT c
5.5
Virialentwicklung
Die erste Korrektur durch Wechselwirkungseffekte wird im Rahmen der Fugazitätsentwicklung durch den Term ZK (2) erzeugt. Sie kann direkt als Korrektur zum idealen
Gasgesetz aufgefasst werden, denn wegen
Ω = −kT ln ZG = −P V
gilt auch
h
i
PV
= ln ZG = ln 1 + Z(1) eµ/kT + Z(2) e2µ/kT + · · ·
kT
= Z1 eµ/kT + Z2 e2µ/kT + · · ·
mit
Z1 = Z(1)
und Z2 = Z(2) −
2
1
Z(1) .
2
Die Fugazität eµ/kT läßt sich über die Teilchenzahl-Bestimmungsgleichung eliminieren
N =−
mit der Lösung
∂Ω
= Z1 eµ/kT + 2Z2 e2µ/kT + O e3µ/kT
∂µ
Z1 eµ/kT = N − 2Z2
Damit ist der Druck
N 2
Z1
N 2
PV
= N − Z2
+ O e3µ/kT
kT
Z1
Der Korrekturterm ist der erste Term einer Reihenentwicklung des Drucks P nach Potenzen der Dichte n = N/V , der sogenannten Virialentwicklung:
h
i
P = nkT 1 + b2 (T ) n + b3 (T ) n2 + · · ·
(ursprünglich aus dem Virialsatz abgeleitet). Die Koeffizienten dieser Entwicklung heißen
erster, zweiter, etc. Virialkoeffizient. Der 2. Virialkoeffizient ist also
n
2 o
1
V
b2 (T ) = − 2 Z(2) − Z(1)
2
Z(1)
b2 (T ) hat die Dimension eines Volumens.
94
5.5. VIRIALENTWICKLUNG
Auswertung von Z(2)
1) Klassischer Grenzfall:
H=
2
X
~i2
p
+ u(~r1 − ~r2 )
2m
i=1
Somit folgt also
1 1
Zkl (2) =
2! λ6T
Z
3
3
−u(r12 )/kT
d r1 d r2 e
1 V
=
2 λ6T
Mit Z(1) = V /λ3T ergibt sich dann
1
b2,kl (T ) = −
2
wobei
Z
Z
d3 r e−u(~r)/kT .
d3 rf (~r)
f (~r) = e−u(~r)/kT − 1 .
Das Integral über f läßt sich mit folgender Näherung abschätzen (kugelsymmetrisches
Potential angenommen), die die typische Form von u(r) berücksichtigt (s. Abbildung 5.2):
(
∞
, r < 2r0
u(r) =
≪ kT
, r > 2r0
Damit erhält man
so daß
(
−1
f (r) =
u
− kT
u(r)
, r < 2r0
, r > 2r0 ,
f (r)
r
r
2r0
−1
Abbildung 5.2:
bkl (T ) = b −
a
kT
mit
3
1 4π
b=
2r0 = 4v0
2 3
und
1
a=−
2
Z∞
d3 r u(r)
2r0
4
3
3 π(r0 )
ist. Aus dem gemessenen
wobei v0 das Eigenvolumen der Teilchen mit v0 =
Temperaturverlauf von b(T ) lassen sich also Aussagen über das Wechselwirkungspotential u(r) gewinnen.
95
5.5. VIRIALENTWICKLUNG
2) Quantenkorrekturen
Es gibt zwei Arten von Quantenkorrekturen:
a) Austauschkorrekturen
b) Einteilchenkorrekturen
2a) Austauschkorrekturen: Diese Korrekturen ergeben sich aus den statistischen
Korrelationen in der Vielteilchenwellenfunktion sogar für freie Teilchen. Wie bereits betrachtet sind die Zustände für zwei identische Quantenteilchen in der Basis der Einteilchenzustände mit Impulseigenwert p~ und Spinprojektion s gegeben durch
|~
p1 , s1 ; p~2 , s2 iF/B = AN |~
p1 s1 i ⊗ |~
p2 s2 i ∓ |~
p2 s2 i ⊗ |~p1 s1 i
für Fermionen
bzw. Bosonen. Für den Fall (~
p1 s1 ) 6= (~
p2 s2 ) ist der Normierungsfaktor
√
AN = 1/ 2. Wenn jedoch (~
p1 , s1 ) = (~
p2 s2 ), so ist
|~
p, s; p~, siF = 0
|~
p, s; p~, siB = |~
psi ⊗ |~
psi .
Für die Zustandssumme Z(2) freier Fermionen/Bosonen ergibt sich damit
X
2
2
ZF/B (2) =
h~
p1 , s1 ; p~2 , s2 | e−(p̂1 +p̂2 )/(2mkT ) |~
p1 , s1 ; p~2 , s2 i
p
~1 ,~
p2 ;s1 ,s2
=
X
X
1
1
2
2
2
(2s + 1)2
e−(~p1 +~p2 )/(2mkT ) ∓ (2s + 1)
e−~p /(mkT )
2
2
p
~1 ,~
p2
p
~
wobei 2s + 1 die Zahl der Spinzustände ist. Ausführen der Impulsintegration liefert
ZF/B (2) =
1
V2 1
V
(2s + 1)2 6 ∓ (2s + 1) 3/2 3
2
2
λT
2 λT
und damit ergibt sich ein Korrekturbeitrag ba (T ) zum 2.Virialkoeffizienten von der Form
bF/B
(T ) = ±
a
λ3T
.
25/2 (2s + 1)
Diese Korrektur ist von der Ordnung h̄3 .
2b) Einteilchenkorrekturen: Die Einteilchenquantenkorrekturen bq zu b(T ) ergeben
sich aus den Quantenkorrekturen zur Dynamik der Teilchen und hängen damit von der
Form des Wechselwirkungspotentials ab. Für die Freie Energie fanden wir die Quantenkorrektur
X D
E
h̄2
~ i u(~ri − ~rj ) 2
F = Fkl +
.
∇
24m(kT )2
kl
i6=j
96
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
Da die Zweiteilchenwechselwirkung in einem System identischer Teilchen
für alle Paare
1 2
1
gleich ist, läßt sich die Summe über die 2 N (N −1) = 2 N 1+O 1/N Paare ausführen
R 3
3
~ 1 u(~r1 − ~r2 ) 2 e−V /kT
X D
2 E
d
r
·
·
·
d
r
∇
1
N
2
~ i u(~ri − ~rj )
R 3
∇
=N
kl
d r1 · · · d3 rN e−V /kT
i6=j
Im Sinne der Virialentwicklung ist die Auswertung der Integrale im Limes Dichte n → 0
vorzunehmen, so daß die potentielle Energie mit Ausnahme des Beitrags der beiden
Teilchen 1 und 2 vernachlässigt werden kann. Damit ist
X D
E
~ i u(~ri − ~rj ) 2
∇
kl
i6=j
= N2
=
N2
V
"R
Z
#
~ 1 u(~r1 − ~r2 ) 2 e−u(~r1 −~r2 )/kT
d3 r1d3 r2 ∇
+ höhere Ordnungen
V2
~ r u(~r) 2 e−u(~r)/kT
d3 r ∇
Das gleiche Ergebnis erhält man über
δFq (2) Z(2) = e−F (2)/kT = e−Fkl /kT 1 −
kT
Für den üblichen Fall eines Wechselwirkungspotentials, das nur vom Abstand r abhängt,
also u = u(r), ergibt sich aus P = −∂F/∂V die Einteilchenquantenkorrektur
πh̄2
bq (T ) =
6m(kT )3
Z∞
du e−u(r)/kT .
dr r 2
dr
0
Diese Korrektur ist von 2. Ordnung in h̄ und damit wichtiger als die Austauschkorrektur.
Beispiel:
3 He-Gas
bei tiefen Temperaturen.
Mit dem Lennard-Jones-Modellpotential (Abbildung 5.3)
σ 12 σ 6
−
u(r) = 4ǫ
r
r
erhält man den in Abbildung 5.3 gezeichneten Verlauf für bkl (T ) mit den Korrekturen
ba und bq .
5.6
van-der-Waals-Zustandsgleichung
Eine nützliche Interpolationsformel, die den Druck bei kleinen Dichten wiedergibt, aber
auch bei größeren Dichten, wenn das Gas zur Flüssigkeit kondensiert ist qualitativ richtig
ist, wurde von van-der-Waals angegeben. Sie beruht auf einer Zerlegung der Wechselwirkung der Gasteilchen in einen
1. stark abstoßenden kurzreichweitigen Anteil
97
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
u(r)
b(T )
1
r 12
rmin = 21/6 σ
r
kT
ǫ
q
1
r6
a
−ǫ
kl
(b)
(a)
Abbildung 5.3: Lennard-Jones-Potential (a) und 2. Virialkoeffizient (b)
2. schwach anziehenden langreichweitigen Anteil:
u(r) = u(k) (r) + u(w) (r)
mit
u(k) (r) =
(
∞
0
,
,
r < 2r0
r > 2r0
( Potential harter Kugeln“)
”
und u(w) (r) ≪ kT , so daß u(w) in Störungstheorie berücksichtigt werden kann.
Die klassische Zustandssumme eines Gases harter Kugeln ist
Z
1 1
(k)
ZK =
d3 r1 · · · d3 rN .
N ! λ3N
T |~
ri −~
rj |>2r0
2r0
Offenbar wird durch die Nebenbedingung aus jedem Integrationsbereich
für d3 ri ein Volumen V0 herausgeschnitten, das etwa dem N -fachen Eigenvolumen der Teilchen entspricht. Für Dichte n → 0 (keine Überlappungen)
gilt
1 4π
(2r0 )3 ≡ N b ,
V0 = N
2
3
wobei der Faktor 12 berücksichtigt, daß das ausgeschlossene Volumen nicht doppelt
gezählt wird und N − 1 ≈ N gesetzt wurde. Für höhere Dichten ist ein etwas kleineres
ausgeschlossenes Volumen V0 zu erwarten.
van-der-Waals setzte V0 = N b und damit
(k)
ZK =
Die Freie Energie folgt mit N ! ≃
N
1 1
V − Nb .
3N
N ! λT
N
N
e
als
i
h v−b
F (k) = −kT N ln 3 + 1
λT
98
mit v ≡
V
N
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
v ist das Volumen pro Teilchen. Für v → b wird F (k) → ∞ und damit ist der Bereich
v < b physikalisch nicht sinnvoll, wie erwartet.
Für den langreichweitigen, i.a. anziehenden Teil des Wechselwirkungspotentials ergibt
sich in erster Ordnung Störungstheorie
D X
E
F (w) = 21
u(w) (~ri − ~rj )
i6=j
Der Mittelwert ist zu bilden für ein Gas harter Kugeln. In einer Entwicklung nach dem
Parameter r0 /rw ≪ 1, wobei rw die mittlere Reichweite des Potentials u(w) ist (typisch
rw = (2 − 5) · r0 ), kann man in erster Näherung r0 → 0 setzen, d.h. den Mittelwert für
das ideale Gas berechnen:
Z
1 X (w)
1
(w)
d3 r1 · · · d3 rN
u (~ri − ~rj )
Fid = N
V
2
i6=j
Z
N2
d3 r u(w) (r)
=
2V
Z
1
N2
a ;
a=−
d3 r u(w) (r)
≡−
V
2
mit dem Parameter a (∼ molekulare Energie × Volumen), der schon für den 2. Virialkoeffizienten definiert wurde.
Insgesamt ist die freie Energie des van-der-Waals-Gases also
(w)
F = F (k) + Fid = −kT N ln
e(V − N b) N 2 a
−
V
N λ3T
Der Druck folgt daraus als
P =−
N kT
N 2a
∂F
=
− 2
∂V
V − Nb
V
und damit die bekannte van-der-Waals-Zustandsgleichung
N2 P +a 2
V − N b = N kT .
V
Interpretation:
1. N b berücksichtigt die begrenzte Kompressibilität (Eigenvolumen).
2
2. a N
V 2 beschreibt den ”Binnendruck“ als Folge der Anziehung (a > 0) der Teilchen.
Flüssigkeits-Gas-Phasenübergang in der van-der-Waals-Theorie
Die Kurven konstanter Temperatur ( Isothermen“) in der (P/kT, n)-Ebene sind in der
”
van-der-Waals-Theorie durch die Summe eines positiven (hard core) und eines negativen
Beitrags (anziehende Wechselwirkung) gegeben:
P
n
a 2
=
−
n
kT
1 − bn kT
99
,
n≡
N
.
V
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
P
kT
T > Tc
b
P
kTc
T = Tc
T < Tc
nc
1
b
n
Abbildung 5.4: Isothermen im P -n-Diagramm
Für große Temperaturen T > Tc überwiegt das Ansteigen des ersten Terms mit n die
Abnahme des zweiten Terms und P (n) ist eine monoton steigende Funktion von n.
Für T < Tc bewirkt der zweite Term eine Abnahme des Drucks in einem mittleren
Dichtebereich, bis dann bei höherer Dichte die Druckerhöhung durch das ausgeschlossene
Volumen der harten Kugeln sogar zu einem Unendlichwerden führt (siehe Abbildung 5.4).
Der Dichtebereich für T < Tc mit negativer Steigung des Drucks
∂P
<0
∂n
wäre thermodynamisch instabil, was sich auch an der Existenz mehrerer Werte für die
Dichte bei festem P äußert, und signalisiert eine qualitative Änderung des Zustands des
Systems.
Kritische Temperatur Tc :
Die Isotherme von Tc ist dadurch charakterisiert, daß Wendepunkt und Sattelpunkt am
kritischen Punkt (Pc , nc ) zusammenfallen:
• Sattelpunkt:
−→
1 − bnc + bnc
a
∂P
=0=
−
2nc
2
∂n
(1 − bnc )
kTc
kTc = 2anc (1 − bnc )2
(I)
• Wendepunkt:
∂2P
2b
2a
=0=
−
2
3
∂n
(1 − bnc )
kTc
a
−→ kTc = (1 − bnc )3
b
Aus (I) und (II) ergibt sich
2anc =
a
(1 − bnc )
b
(lineare Gleichung für nc )
100
(II)
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
und damit
nc =
1
3b
,
kTc =
8 a
27 b
,
Pc =
1 a
27 b2
Die drei kritischen Werte nc , Tc , Pc hängen in der van-der-Waals-Theorie nur von zwei
Parametern a, b ab, und damit muß es eine Relation geben:
8
nc kTc
= ≃ 2.7
Pc
3
Experimentelle Werte für diese Größe sind in guter Näherung unabhängig vom System
(jedenfalls für sphärische Moleküle) und man bekommt einen Wert von ≃ 3.4.
Thermodynamische Ähnlichkeit
Eine Skalierung von P, T, n mit Pc , Tc , nc erlaubt eine vollständige Elimination der Materialparameter a und b aus der van-der-Waals-Gleichung. Wir definieren dimensionslose
Parameter
T
n
P
,
T∗ =
,
n∗ =
P∗ =
Pc
Tc
nc
und können damit schreiben
P∗
n∗
n∗2
=
8
−
3
kT ∗
3 − n∗
kT ∗
oder
1 8 ∗
3 = T
P∗ + ∗ V ∗ −
V
3
3
wobei V ∗ = V /Vc und Vc = N/nc . Man stellt fest:
Nach van-der-Waals sollten die Isothermen aller Gas-Flüssigkeits-Systeme
universelle Kurven in den skalierten Variablen P ∗ , T ∗ , n∗ sein. Dies ist experimentell überraschend gut erfüllt.
Für die Freie Energie gilt entsprechend
F = kTc N F̃ (T ∗ , P ∗ , V ∗ )
Die Skalenhypothese kann auf Quantensysteme erweitert werden, wobei ein weiterer Parameter λ∗ nötig ist, der das Verhältnis thermische deBroglie-Wellenlänge λT zu
−1/3
mittlerem Teilchenabstand rc = nc , oder
λ∗ =
h̄2 /mrc2
kTc
ausdrückt.
101
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
Phasenseparation für T < Tc
Die negativen Werte für die Kompressibilität κ = n ∂P
∂n für T < Tc in der Nähe von
nc , die sich aus der van-der-Waals-Theorie ergeben, signalisieren, daß der physikalisch
stabile Gleichgewichtszustand kein homogener Zustand sein kann. Negatives κ bedeutet,
daß das System spontan einen Zustand mit höherer Dichte einnehmen möchte. Wegen
der Erhaltung der Teilchenzahl und bei festem Volumen kann das nur durch Bildung
von Gebieten mit höherer und niedrigerer Dichte geschehen.
Wir zerlegen deshalb das System in zwei Teilsysteme mit Teilchenzahlen und Volumina
Nd , Vd
und
Nf , Vf ,
wobei d für Dampf und f für Flüssigkeit stehen soll und für die Dichten
nd =
Nd
Vd
und
nf =
Nf
Vf
die Beziehung
nd ≤ n0 ≤ nf
gilt, wobei n0 = N/V die Gesamtdichte ist. Für die Teilsysteme muß gelten
Nd + Nf = N
;
Vd + Vf = V
und für die Freie Energie gilt (Oberflächenbeiträge vernachlässigt)
FG = Fd + Ff = Vd f (nd) + Vf f (nf ) .
Falls FG ≤ F0 = V f (n0 ), ist der homogene Zustand instabil gegen Phasenseparation. Es
bildet sich dann ein Zustand, in dem Dampf und Flüssigkeit koexistieren. Für die Freie
Energie FG des Gemisches als Funktion der Gesamtdichte n0 gilt:
V i
V Vf h
FG (n0 )
f
d
f (nd) +
f (nf ) = f (nd ) +
f (nf ) − f (nd ) ,
= fG (n0 ) =
V
V
V
V
wobei Vd + Vf = V benutzt wurde. Mit Nd + Nf = N und n0 = N/V, nd = Nd /Vd , nf =
Nf /Vf folgt
Vf
n0 − nd
=
V
nf − nd
und damit
fG (n0 ) = f (nd ) +
i
n0 − nd h
f (nf ) − f (nd ) ,
nf − nd
also eine lineare Abhängigkeit von der Dichte n0 .
Die freie Energiedichte f der van-der-Waals-Theorie ist wie weiter oben abgeleitet
gegeben durch
e(v − b)
− n2 a
fvdW (n) = −kT n ln
3
λT
Für negative Steigung von P (n) wird die Krümmung von f (n) negativ:
102
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
F
V
fvdW
b
b
fG
b
b−1
n
b
II
I
II
nd n′
d
n′f nf
Abbildung 5.5: Freie Energiedichte des van-der-Waals-Gases
1 ∂P
∂2f
=
2
∂n
n ∂n
Die Kurve der freien Energie für das Gemisch fG ist eine Gerade, die auf der Kurve fvdW
beginnt und endet, und für die gilt
fG ≤ fvdW
Sie ist die Tangente an die beiden Kurvenstücke von fvdW mit positiver Krümmung. Die
Berührungspunkte der Tangente definieren die Dichten nd , nf von Dampf und Flüssigkeit
im Koexistenzgebiet. Der Koexistenzbereich ist größer als der Bereich der Instabilität,
für den die Kompressibilität negativ ist und der gegeben ist durch
n′d ≤ n0 ≤ n′f
(Bereich I)
wobei n′d und n′f durch die Wendepunkte von fvdW gegeben sind. Während der homogene
Zustand im Bereich I lokal instabil ist, d.h. eine kleine Fluktuation des Drucks wächst
katastrophal an (positive Rückkopplung!), ist er im Bereich II zwar lokal stabil, aber
global instabil. Das bedeutet, daß der phasenseparierte Zustand zwar niedrigere Freie
Energie besitzt, zu dessen Bildung aber eine Energiebarriere zu überwinden ist:
F
Energiebarriere
b
b
Phasenseparationsvariable
Diesen Vorgang nennt man Keimbildung oder Nukleation (z.B. Kondensation von Flüssigkeitströpfchen in der Dampfphase). Der Bereich II ist deshalb metastabil.
Bedingungen für die Koexistenz der Phasen:
103
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
(i) Teilchenaustausch:
µd = µf
∂F
∂Nd
= 0 (Teilchenaustausch zwischen den beiden Phasen kostet
Dies folgt aus
keine Energie) und
N N i
∂F
∂f
∂ h
∂f
f
d
Vd f
+ Vf f
=
=
−
=0
∂Nd
∂Nd
Vd
Vf
∂nd ∂nf
sowie den Definitionen
µd/f =
∂F
∂f
=
.
∂Nd/f
∂nd/f
Im Koexistenzbereich ist f eine lineare Funktion von n und damit ist
µ(n) = µd/f
,
nd ≤ n ≤ nf
(ii) Kräftegleichgewicht:
Pd = Pf
(mechanische Stabilität der Phasengrenzflächen)
Dies folgt aus
P = nµ − f = const.
,
nd ≤ n ≤ nf
(iii) Energieaustausch:
Td = Tf
Für den Druck im Koexistenzgebiet läßt sich folgende einfache geometrische Beziehung
im P -V -Diagramm angeben:
P
Koexistenzgebiet
T
=
Tc
T <
Flüssigkeit
Tc
T
>
b
b
b
Tc
b
Gas
a
V
Vd
Vf
Der Druck P schneidet die P -V -Isotherme als horizontale Gerade so, daß die schraffierten
Flächen a und b gleich sind (Maxwell-Konstruktion).
Beweis:
Aus der thermodynamischen Fundamentalbeziehung folgt
µN = P V + F = const.
→
P Vf + Ff = P Vd + Fd
Fd − Ff = −P (Vd − Vf )
Andererseits ist
∂F
P =−
∂V
→
ZVd
ZVd
Fd − Ff = − P dV = − PvdW dV
Vf
Daraus folgt direkt die Maxwellkonstruktion.
104
Vf
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
Phasenübergang Gas → Flüssigkeit
Bei Abkühlung bzw. bei Kompression eines Gases findet bei einer Temperatur TK (P )
bzw. einem Druck PK (T ) eine Kondensation der Gasmoleküle in den flüssigen Zustand
statt. Dieser sog. Phasenübergang ist mit einer unstetigen Änderung des Volumens verbunden, wie bereits gezeigt wurde:
∆V = Vd − Vf .
Die Entropie ändert sich dabei ebenfalls unstetig: Aus S = − ∂F
∂T folgt für die Entropiewerte an den Rändern des Koexistenzbereichs
S(TK ± 0) = −Vd/f
∂
f (nd/f )
∂T
Für das van-der-Waals-Gas ergibt sich daraus
h
e(vd/f − b)
N 3 1i
−
kT
S(TK ± 0) = −Vd/f −knd ln
Vd/f 2 T
λ3T
h e(v
3i
d/f − b)
+
= kN ln
2
λ3T
Es folgt ein Sprung der Entropie:
∆S = S(TK + 0) − S(TK − 0) = kN ln
vd − b
vf − b
Wegen vd ≫ vf ist die Entropie des Gases höher als die Entropie der Flüssigkeit. Beim
Abkühlen ist also am Übergang (T = TK ) die latente Wärme QL = TK ∆S abzuführen.
Am kritischen Punkt (TK → Tc ) ist ∆S = 0.
Verhalten am kritischen Punkt
Die verschiedenen Phasen des Systems Gas – Flüssigkeit lassen sich am besten im P -T Diagramm darstellen (siehe Abbildung 5.6).
∆n = nf − nd
P
Pc
kritischer Punkt
Flüssigkeit
PK
b
(T )
Gas
Tc
T
Tc
(a)
(b)
Abbildung 5.6:
105
T
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
• Für P < Pc findet bei Abkühlung durch TK (P ) bzw. bei Kompression durch PK (T )
der Phasenübergang Gas → Flüssigkeit statt, wobei sich die Dichte des Systems
unstetig ändert.
• Die Dichteänderung entlang der Phasengrenzkurve als Funktion von T zeigt eine
monotone Abnahme von ∆n, bis zu ∆n = 0 am kritischen Punkt.
• Ein Phasenübergang, bei dem sich die ersten Ableitungen der freien Energie, also die Entropie (wie gezeigt) oder der freien Enthalpie, also die Dichte, unstetig
ändern, heißt Phasenübergang erster Ordnung. Andernfalls heißt er kontinuierlicher Phasenübergang oder Phasenübergang zweiter oder höherer Ordnung.
In der Nähe des kritischen Punkts wird ∆n/nc klein und bildet damit einen Entwicklungsparameter. Die Entwicklung der freien Energie nach dem Parameter
φ=
n − nc
nc
ist in der van-der-Waals-Theorie analytisch (Ginzburg-Landau-Entwicklung):
mit
F
e(v − b)
− n2 a
= −kT n ln
V
λ3T
i
1
1
n − nc h e
n − nc 2
= −kT nc 1 +
ln 3 + ln
−
b
−
n
a
1
−
c
c
nc
nc n−n
nc
λT
nc + 1
T
3
− 1 φ2 + Pc φ4 + O φ6
= fc + µc nc φ + 3Pc
Tc
8
λ3
kT
a
ln T − 2 = f (T, nc )
3b
2eb 9b
λ3
1 2a
−
= µ(T, nc )
µc (T ) = kT ln T +
2b
2
3b
fc =
Für das chemische Potential µ erhält man daraus
T
∂F
∂f
1 ∂f
9
µ=
=
=
= µc + 2anc
− 1 φ + kTc φ3 + · · ·
∂N
∂n
nc ∂φ
Tc
16
Die Isothermen der φ-(µ − µc )-Ebene sind in Abbildung 5.7 gezeichnet. Für T < Tc sind
die S-förmigen Isothermen durch einen Geradenstrich µ = µc zu ersetzen. Daraus folgt
für den Dichtesprung
h
T 1/2
T i1/2 4
∝ 1−
nf − nd = 2nc 1 −
Tc
Tc
Die Kompressibilität, oder äquivalent die Ableitung
∂n
Tc
,
=
∂µ T
2a(T − Tc )
T > Tc
divergiert für T → Tc bei n = nc . Das System läßt sich also beliebig leicht komprimieren,
da sich Dampf dann mit geringem Energieaufwand in Flüssigkeit überführen läßt, die
geringeres Volumen beansprucht.
106
5.6. VAN-DER-WAALS-ZUSTANDSGLEICHUNG
µ − µc
T > Tc
T = Tc
T < Tc
φd
φ=
φf
n−nc
nc
Abbildung 5.7: Isothermen im µ-φ-Diagramm
Ergänzung: Ginzburg-Landau-Entwicklung für das van-der-Waals-Gas
Wir definieren die Entwicklungsparameter
φ=
n
−1 ,
nc
τ=
T
−1.
Tc
Mit den Gleichungen
n2c a =
und
a
= 3Pc
9b2
sowie
8
kTc nc = − Pc
3
n
v − b mb2/3 kTc 3/2 3 − nc T 3/2
=
·
·
n
2
Tc
λ3T
nc
| 2πh̄{z
}
αc
ergibt sich die Freie Energie zu
n 2 F
Pc
3
Ti
n
n
T nh
=
+ ln
ln αc + ln 3 −
− ln
−9
−8
V
3
Tc nc
nc
nc 2 Tc
nc
h
i
3
φ
3 F
− ln(1 + φ) + ln(1 + τ ) − 9(1 + φ)2
= −8(1 + τ )(1 + φ) ln 2αc + ln 1 −
Pc V
2
2
h
φ 1 φ 2 1 φ 3 1 φ 4
−
−
= −8(1 + τ )(1 + φ) ln 2αc − −
2 2 2
3 2
4 2
i
1 2 1 3 1 4 3
−φ + φ − φ + φ + τ + · · · − 9 1 + 2φ + φ2
2
3
4
2
h
i
3
3 2 3 3 15 4 3
= −8(1 + τ )(1 + φ) ln 2αc − φ + φ − φ + φ + τ + · · · − 9 1 + 2φ + φ2
2
8
8
64
2
i
9
3h
4
2
=
f (nc , T ) + φµc nc + 9τ φ + (1 + τ )φ + · · ·
Pc
8
wobei
Pc h
8 1 + τ ln 2αc +
3
Pc h
8 1 + τ ln 2αc −
= −
3
= fc + Pc (1 + 4τ ) .
f (nc , T ) = −
µc n c
107
i
3 τ +9
2
i
3 3 + τ + 18
2 2
5.7. MOLEKULARFELDNÄHERUNG VON RESPONSEFUNKTIONEN: DIE
THEORIEN VON DEBYE-HÜCKEL UND ORNSTEIN-ZERNICKE
5.7
Molekularfeldnäherung von Responsefunktionen: die
Theorien von Debye-Hückel und Ornstein-Zernicke
Wir betrachten Systeme von N wechselwirkenden Teilchen. Wie im Fall des Spinsystems
oben betrachtet, besteht die Molekularfeldnäherung für ein System wechselwirkender
Teilchen darin, daß die Wechselwirkungsenergie
Z
X
W (~ri ) =
w(~ri − ~rj ) = d3 r ′ w(~ri − ~r ′ ) n(~r ′ )
j6=i
eines Teilchens i (oder Spins si ) mit den anderen Teilchen approximiert wird durch
Z
hW (~r)i = d3 r ′ w(~r − ~r ′ ) n(~r ′ ) .
Dieser Ausdruck, hW i, ist dann weiter so zu behandeln wie ein äußeres Feld.
Wir betrachten als Beispiel den Fall des Dichteresponses eines Systems von N Teilchen unter Einwirkung eines äußeren Potentials Wa (~r), das einfach einen Zusatzterm
zum chemischen Potetial darstellt
Z
X
H → H+
Wa (~ri ) = H + d3 r Wa (~r) n(~r)
i
µ → µ − Wa (~r) = µtot
Im Gleichgewicht muß µtot = const sein. Damit wird µ = µ(~r) und es ergibt sich eine
Dichteänderung
Z
hδn(~r)i = d3 r ′ χ(~r − ~r ′ ) δµ(~r ′ )
wobei δµ(~r ′ ) = Wa (~r ′ ) und χ(~r − ~r ′ ) die Dichte-Responsefunktion (siehe später) ist.
In Molekularfeldnäherung ist der Einfluß der Wechselwirkung wie oben diskutiert durch
eine Verschiebung des chemischen Potentials zu berücksichtigen, d.h. das nichtwechselwirkende System mit µtot = µ − hW (~r)i hat näherungsweise die Eigenschaften des
wechselwirkenden Systems
H −µ
−→
H0 − (µ − hW i) .
Damit gilt in MFA
hδn(~r)i =
Z
Z
h
i
′
d r χ0 (~r − ~r ) δµ(~r ) − d3 r ′′ w(~r ′ − ~r ′′ ) δn(~r ′′ )
3 ′
′
also eine Integralgleichung, wobei χ0 (~r − ~r ′ ) die Kompressibilität“ des freien Systems
”
ist. Fouriertransformation ergibt (translationsinvariantes System vorausgesetzt)
i
h
δnq~ = χ0 (q) δµq~ − wq~ δnq~
wobei δnq~ bzw. δµq~ die Fouriertransformierten von hδn(~r)i bzw. δµ(~r) sind:
Z
δnq~ = d3 re−i~q·~r hδn(~r)i
δµq~ analog .
108
5.7. MOLEKULARFELDNÄHERUNG VON RESPONSEFUNKTIONEN: DIE
THEORIEN VON DEBYE-HÜCKEL UND ORNSTEIN-ZERNICKE
Man erhält somit
δnq
χ0 (q)
.
≡ χ(q) =
δµq
1 + wq χ0 (q)
Die Wechselwirkung schirmt ab“, was sich durch den Nenner ausdrückt. Im langwelligen
”
Limes q → 0 läßt sich χ0 (q) durch
χ0 (0) =
ersetzen.
∂n ∂µ
0
Debye-Hückel-Theorie:
Für ein klassisches System geladener Teilchen ergibt sich damit aus
∂n ∂ 1 µ/(kT ) n
=
=
e
∂µ 0 ∂µ λ3T
kT
und mit der Fouriertransformierten des Coulombpotentials
Z
2
4πe2
i~
q ·~
r
3 e
wq~ = 2
= d r e
q
r
die Dichteresponsefunktion
χ(q) =
q2
n
2
kT q 2 + kD
mit der Debye’schen Abschirmwellenzahl
kD =
r
4πne2
kT
Interpretation: Eine in das System bei ~r = 0 eingebrachte Testladung e∗ führt zu
einer Verschiebung des lokalen chemischen Potentials δµ(~r), dessen Fouriertransformierte
durch δµq = 4πee∗ /q 2 gegeben ist. Durch die Wechselwirkung mit den anderen Teilchen
wird dieses Potentials abgeschirmt:
δµq
→
δµeff
q = δµq − wq δnq = (1 − wq χq )δµq
1
4πee∗
4πee∗
=
= 2
1 + κ2D /q 2 q 2
q + κ2D
Die Fouriertransformation von δµeff
q ergibt
δµeff
q =
ee∗ −κ r
e D ,
r
d.h. das Coulombpotential wird abgeschirmt über die Länge 1/κD .
Thomas-Fermi-Theorie eines entarteten Fermigas:
p
∂n
= N (ǫF ) ⇒ κTF = 4πe2 N (ǫF )
∂µ
109
5.8. GRENZEN DER MOLEKULARFELDNÄHERUNG: KRITISCHE
PHÄNOMENE
Ornstein-Zernicke-Theorie:
Für kurzreichweitige Potentiale W (~r) ist die Fouriertransformierte wq~ im Limes q → 0
konvergent und man kann entwickeln:
χ(q) =
χ0 (q)
χ0 (0)
≈
1 + wq χ0 (q)
a + ξ02 q 2
mit
a = 1 + wq=0 χ0 (q = 0)
und
ξ02
,
q→0
∂χ ∂w = 2 χ0 (0) + w0 2 ,
∂q 0
∂q 0
wobei ξ0 eine Korrelationslänge darstellt, vergleichbar mit der Korrelationslänge ξ0 des
Ordnungsparameters m in der früher diskutierten Ginzburg-Landau-Entwicklung.
Die Dichteresponsefunktion eines Gases am kritischen Punkt, oder die Spinsuszeptibilität eines Systems, das bei Tc einen Übergang in den ferromagnetischen Zustand
erfährt, wäre dann in MFA gegeben durch
χ(q) =
und damit
χ(q) =
C
1
Tc τ + ξ02 q 2
=⇒
1
C
,
2
T − Tc 1 + ξ (T ) q 2
C
T − Tc
,
q→0
(Ornstein-Zernicke)
p
wobei die temperaturabhängige Korrelationslänge ξ(T ) = ξ0 / T /Tc − 1 definiert wurde. Im Limes T → Tc geht ξ(T ) → ∞.
Interpretation :
Für T ≥ Tc macht sich der Übergang zum geordneten Zustand
bemerkbar durch das Auftreten endlicher geordneter Bereiche, die zeitlich fluktuieren
und deren charakteristische Ausdehnung durch ξ gegeben ist. Das Auftreten dieser sogenannten kritischen Fluktuationen“ läßt sich in Streuexperimenten z.B. mit Licht oder
”
Neutronen nachweisen.
5.8
Grenzen der Molekularfeldnäherung: kritische Phänomene
Die im letzten Abschnitt betrachtete Molekularfeldnäherung für das Heisenbergmodell,
bzw. die Verallgemeinerung auf beliebige Systeme mit Ordnungsparameter, also spontan
gebrochener Symmetrie, liefert einen Phasenübergang unabhängig von Dimension d, Art
des Ordnungsparameters (Ising, X-Y , Heisenberg), etc. . Das Temperaturverhalten ist
in der MF-Theorie universell gegeben durch, z.B.
r
T
, T < Tc
M (T ) ∝ 1 −
Tc
für den Ordnungsparameter.
Die Erfahrung zeigt jedoch, daß die Existenz und die Eigenschaften von Phasenübergängen
sehr wohl von einigen qualitativen Merkmalen des Systems abhängt, aber auch, daß ein
110
5.8. GRENZEN DER MOLEKULARFELDNÄHERUNG: KRITISCHE
PHÄNOMENE
großes Maß an universellen Verhalten gegeben ist. Erste theoretische Hinweise ergaben
sich z.B. aus der exakten Lösung des 2-D Isingmodells (Onsager), die einen Phasenübergang bei T = Tc ergab, mit nichtanalytischen Verhalten:
Die Freie Energie ist gegeben durch
1
F = A + Bτ 2 ln |τ |
2
wobei
τ=
T
−1
Tc
und
kTc = J Artanh
√
2−1 .
F und die Entropie S = − ∂F
∂T sind stetige Funktionen von T , aber die spezifische Wärme
wird bei Tc singulär
∂2F
B
CV = −T
= − ln |τ | .
2
∂T
Tc
Für den Ordnungsparameter m und die Suszeptibilität ergaben sich gebrochene Exponenten
m ∝ | τ |1/8
1
χ ∝
| τ |7/4
(vgl. | τ |1/2 in MFA)
(vgl. | τ |−1 in MFA) .
Davon ausgehend kann man annehmen, daß die Responsefunktion in der Nähe eines
Phasenübergangs 2.Ordnung, d.h. mit stetigem F und S, nichtanalytisches Verhalten
besitzen, das durch die sogenannten kritischen Exponenten charakterisiert ist. Man definiert
CV
∝ | τ |−α
m ∝ | τ |β
χ ∝ | τ |−γ
Charakteristisch für einen Phasenübergang 2. Ordnung (im Gegensatz zu 1. Ordnung)
ist die Existenz einer charakteristischen Länge ξ, die für T → Tc gegen ∞ geht. Diese
Länge wurde in der MFA im letzten Abschnitt untersucht und ergab sich als
ξ ∝ | τ |−ν
(ν =
1
2
in MFA) .
Im Grenzfall ξ → ∞ gibt es keinen charakteristischen Längenmaßstab mehr und das
System wird skaleninvariant, d.h. die Abhängigkeit von ξ läßt sich herausskalieren. Dies
bedeutet, daß die Systeme mit verschiedenem Wert von ξ(T ) (also verschiedener Temperatur) durch eine Skalentransformation verknüpft sind, die durch die sogenannte Skalenhypotese zum Ausdruck gebracht wird. Im Beispiel des magnetischen Systems fordern
wir für die Freie Energie F folgendes Skalierungsverhalten:
F (λa τ, λb h) = λF (τ, h)
wobei
τ=
T
−1
Tc
und
111
h=
B
.
B0
5.8. GRENZEN DER MOLEKULARFELDNÄHERUNG: KRITISCHE
PHÄNOMENE
Der Skalenparameter λ hängt mit ξ zusammen:
λ ∝ ξ −d ∝ | τ |−dν .
Ableiten von F ergibt eine Relation für die Magnetisierung M :
∂
∂
F (λa τ, λb h) = λ F (τ, h)
∂h
∂h
λb M (λa τ, λb h) = λM (τ, h)
−→
M (τ, 0) = λb−1 M (λa τ, 0) .
Wir wählen nun ein spezielles λ, λ = −1/τ
1/a
, so daß λa τ = −1. Dann ergibt sich
M (τ, 0) = (−τ )(1−b)/a M (−1, 0)
d.h. der kritische Exponent ist
β=
1−b
.
a
Nach Differenzieren von M nach h folgt mit χ =
∂M
∂B
λ2b χ(λa τ, λb h) = λ χ(τ, h)
und wieder mit λa τ = −1 ergibt sich
χ(τ, 0) = (−τ )−(2b−1)/a χ(−1, 0) ,
somit lautet der kritische Exponent
γ=
2b − 1
.
a
2
Schließlich folgt durch zweifaches Differenzieren nach T (d.h. τ ) mit CV = −T ∂∂TF2
λ2a CV (λa τ, 0) = λ CV (τ, 0)
und
CV (τ, 0) = (−τ )(1−2a)/a CV (−1, 0)
der kritische Exponent
2a − 1
.
a
Daraus folgt die Skalenrelation für die Exponenten
α=
α + 2β + γ = 2
Das Skalenverhalten der Korrelationsfunktion in der MFA wird somit zu
χMFA (κ) = χ(0)
1
1 + κ2 ξ 2
112
,
ξ = ξ(T ) ,
5.8. GRENZEN DER MOLEKULARFELDNÄHERUNG: KRITISCHE
PHÄNOMENE
wobei χ(0) das kritische Verhalten bestimmt. Umschreibung so, daß das unkritische
Verhalten für κξ ≫ 1 abgespalten wird ergibt
χMFA (κ) =
1 χ(0)
1
.
2
2
κ ξ 1 + (κξ)−2
Im Limes κξ ≫ 1 sollte also keine kritische T -Abhängigkeit vorhanden sein. In MFA ist
tatsächlich
T − Tc
C
χ(0)
C
=
=
.
2
2
ξ
T − Tc Tc ξ0
Tc ξ02
Aber der Exponent von κ ist nicht notwendig −2. Deshalb macht man einen allgemeineren Ansatz:
Allgemeiner Skalenansatz:
1
Φ(κξ)
κ2−η
χ(κ) =
wobei ξ(T ) ∝ | τ |−ν . Damit limκ→0 χ(κ) endlich ist, muß gelten
Φ(κξ)
κ→0
−→
κξ
und damit folgt
1−η
ξ(0) ∝ ξ 2−η ∝ τ −(2−η)ν
Für den kritischen Exponenten γ folgt
γ = (2 − η)ν
Es gibt eine Reihe weiterer Skalenrelationen, bzw. Ungleichungen für die kritischen
Exponenten.
Jeder Phasenübergang 2.Ordnung läßt sich in eine Universalitätsklasse einordnen,
deren Systeme alle die gleichen kritischen Exponenten besitzen.
Wesentliche Merkmale sind
• Dimensionalität d
• Symmetrie des Ordnungsparameters (OP): z.B. Zahl der Spinkomponenten
• Reichweite der Wechselwirkung (W.W.)
Unwesentlich sind
• Physikalische Realisierung des Systems: Spin, Teilchensystem, Festkörper
• Form und Stärke der W.W.
In Tabelle 5.1 sind die kritischen Exponenten für einige Systeme zusammengestellt.
Renormierungsgruppenmethode (RG)
(K.G. Wilson 1971 , F. Wegner 1971)
113
5.8. GRENZEN DER MOLEKULARFELDNÄHERUNG: KRITISCHE
PHÄNOMENE
Systeme
MFA
Ising d = 2
Ising d = 3
X-Y d = 3
Heisenberg d = 3
α
Systeme mit LR W.W.
Spinsysteme mit S → ∞
Flüssig/Gas-Filme
Flüssigkeiten/Gas
Supraflüssigkeit
Magnete
0
β
γ
ν
η
[Sprung]
1/2
1
1/2
0
0 [log]
0,12
1/8
0,31
7/4
1,25
1
0,64
1/4
0,05
≈0
0,34
≈ 1,4
Tabelle 5.1: Tabelle kritischer Exponenten
Idee der RG:
Energie
Ausgehend von der Ginzburg-Landau-Entwicklung (G-L) der Freien
F =
Z
i
h
dd r a(T ) φ2 + b φ4 + ξ02 (∇φ)2
führt man eine Renormierungsgruppentransformation durch, d.h. man eliminiert die
Wechselwirkungsprozesse auf kurzen räumlichen Skalen.
Beispiel:
Bloch-Spin-Skalierung:
↑
↑
↑
↓
↓
↑
↑
↑
↓
↓
↑
↓
↑
↓
↓
↓
=⇒
↑
↓
↑
↓
L
Effektive Parameter der G-L Freien Energie F sind
a(L) ,
b(L) ,
ξ0 (L)
in Abhängigkeit von der Längenskala L. Der Fixpunkt der RG Transformation ist zu
finden bei
∂a∗ (L)
=0
∂L
Eine Entwicklung um den Fixpunkt ermöglicht nun die Berechnung der kritischen Exponenten.
114
Kapitel 6
Thermodynamische Systeme
außerhalb des Gleichgewichts
Die Behandlung thermodynamischer Systeme, die nicht im Gleichgewichtszustand sind,
umfaßt eine Reihe von Erscheinungen, die im Gleichgewicht nicht auftreten:
• Die Zeitentwicklung thermodynamischer Systeme wird durch die Zunahme der
Entropie (neben den mikroskopischen Gesetzen) charakterisiert. Diese führt zum
Auftreten von Dissipation, in den Formen Reibung, Dämpfung, Relaxation, Diffusion =⇒ Relaxationsraten.
• Transportvorgänge können entweder konvektiv oder diffusiv ablaufen =⇒ Transportkoeffizienten.
Eine systematische Beschreibung läßt sich für kleine Abweichungen vom Gleichgewicht
definieren:
Theorie der Linearen Response.
Für langsame Änderungen in Zeit und Raum lassen sich phänomenologische Beschreibungen als Verallgemeinerung der Thermodynamik formulieren:
Irreversible Thermodynamik, Hydrodynamik, Kontinuumstheorie der elastischen Medien und elektromagnetischen Medien.
6.1
6.1.1
Lineare Responsetheorie
Zeitabhängige Störungstheorie
Wir betrachten ein System mit Hamiltonoperator Ĥ0 im Gleichgewichtszustand, z.B.
der kanonischen Gesamtheit. Eine kleine zeitabhängige Störung durch äußeres Feld b(t)
werde auf das System angewandt. Der Störhamiltonoperator sei
Ĥ ex (t) = −B̂ b(t) ,
115
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
wobei B̂ der Operator der Observablen sei, an die b(t) ankoppelt. Wir nehmen an, daß
lim| t |→+∞ b(t) = 0. Für den Mittelwert einer Observablen  im gestörten System gilt
dann
Â(t) = Tr ÂH (t) ŴK ,
wobei ÂH (t) im Heisenbergbild zu nehmen ist und ŴK = ŴK (t → ∞) zeitunabhängig
ist und durch die kanonische Verteilung des ungestörten Systems gegeben ist. Mit dem
Zeitentwicklungsoperator Û (t) gilt
ÂH (t) = U † (t)Â U (t) ,
wobei Û durch die Bewegungsgleichung
ih̄
∂
Û (t) = Ĥ0 + Ĥ ex (t) Û (t)
∂t
gegeben ist, mit limt→∞ Û (t) = 1. Um Û (t) nach H ex störungstheoretisch entwickeln zu
können, definieren wir den Zeitentwicklungsoperator Û0 in Abwesenheit der Störung, der
die Gleichung
∂
ih̄ Û0 (t) = Ĥ0 Û0 (t)
∂t
erfüllt, also
Û0 = e−iĤ0 t/h̄ .
Den Einfluß der Störung auf Û drücken wir durch die S-Matrix“ aus, die durch
”
Û (t) = Û0 (t) Ŝ(t)
definiert ist. Es gilt limt→−∞ Ŝ(t) = 1̂ . Für Ŝ(t) gilt die Bewegungsgleichung
ih̄
∂
ex
Ŝ(t) = ĤH
(t) Ŝ(t) = −b(t)B̂H0 (t) Ŝ(t) ,
0
∂t
wobei
B̂H0 (t) = eiĤ0 t/h̄ B̂ e−iĤ0 t/h̄
ex
und ĤH
0
entsprechend.
Integration führt auf die Gleichung
i
Ŝ(t) = 1̂ +
h̄
Zt
dt′ b(t′ )B̂H0 (t′ ) Ŝ(t′ ) ,
−∞
wobei vorausgesetzt wurde, daß limt→−∞ b(t) = 0, d.h. daß die Störung adiabatisch
eingeschaltet wird. Es genügt anzunehmen, daß
b(t) ∝ eηt
,
η → +0 .
Entwicklung von Ŝ in 1. Ordnung in b ergibt
i
Ŝ(t) = 1̂ +
h̄
Zt
dt′ b(t′ )B̂H0 (t′ )
−∞
116
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
Eingesetzt in ÂH :
ÂH (t) = Ŝ † (t)Û0† (t)ÂÛ0 (t)Ŝ(t) = Ŝ † (t)ÂH0 (t)Ŝ(t)
Zt
h
i
i
= ÂH0 (t) +
dt′ b(t′ ) ÂH0 (t) , B̂H0 (t′ ) + O b2
h̄
−
−∞
6.1.2
Responsefunktion
Für die Abweichung von hA(t)i vom Gleichgewichtswert gilt also
Z∞
δhA(t)i = dt′ χAB (t, t′ ) b(t′ ) ,
−∞
wobei die dynamische Responsefunktion χAB definiert wurde als
h
i
i
χAB (t, t′ ) = Θ(t − t′ ) Tr ÂH0 (t) , B̂H0 (t′ ) ŴK
h̄
i
h
i
= Θ(t − t′ ) ÂH0 (t) , B̂H0 (t′ ) H0 ,
h̄
wobei
Θ(t) =
(
1 , t>0
0 , t<0.
χAB ist als Mittelwert des sogenannten retardierten Kommutators“ gegeben.
”
Die Retardierung“, d.h. die Stufenfunktion Θ(t − t′ ), ist eine Folge des Prinzips der
”
Kausalität, d.h. die Wirkung auf die Observable A(t) kann nur nach der Ursache, dem
Wirken des Feldes b(t′ ) bei t = t′ auftreten.
Im thermodynamischen Gleichgewicht ist jeder Zeitpunkt äquivalent, d.h.
Die Beziehung
vereinfachen:
R
δhA(t)i =
χ(t, t′ ) = χ(t − t′ )
dt′ χ(t − t′ ) b(t′ )
χ(ω) =
′
χ(t − t ) =
Z
Z
läßt sich durch Fouriertransformation
′
dt eiω(t−t ) χ(t − t′ )
dω −iω(t−t′ )
e
χ(ω)
2π
,
etc.
Es gilt dann
δhA(ω)i = χAB (ω) b(ω) .
Es ist nützlich, χ(ω) im System der Eigenzustände von Ĥ0 ,
Ĥ0 |ni = En |ni
darzustellen. Mit
X −En /kT X
Tr e−Ĥ0 /kT ÂB̂ =
e
hn| A n′ n′ B |ni
n
n′
117
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
ist
χ(t − t′ ) = Θ(t − t′ )
i 1 X −En /kT
e
×
h̄ ZK
′
n,n
′
′
× hn| eiĤ0 t/h̄ Â(0)e−iĤ0 t/h̄ n′ n′ eiĤ0 t /h̄ B̂(0)e−iĤ0 t /h̄ |ni
′
′ ′
− hn| B̂(t ) n n Â(t) |ni
X
′
′ i 1
−En /kT
= Θ(t − t )
e
ei(En −En′ )(t−t )/h̄ hn| A n′ n′ B |ni
h̄ ZK
′
n,n
i(En −En′ )(t′ −t)/h̄
−e
′ ′
hn| B n n A |ni .
und die Fouriertransformation ergibt unter Verwendung der Beziehung
Z∞
Z∞
(iω−η)t
dt e
Θ(t) = dt e(iω−η)t = −
−∞
0
1
iω − η
wobei ein Konvergenzfaktor e−ηt eingeführt wurde (η = +0) (Folge der adiabatischen
Einschaltbedingung) und mit der Identität (im Raum der Distributionen)
1
1
= P ∓ iπδ(ω)
ω ± iη
ω
den Ausdruck
1 X −En /kT hn| A |n′ i hn′ | B |ni
hn| B |n′ i hn′ | A |ni
χAB (ω + iη) = −
e
−
ZK
h̄ω + En − En′ + iη h̄ω − En + En′ + iη
′
n,n
und daraus
i
1h
χAB (ω + iη) − χAB (ω − iη)
2i
i 1 X
h
= π 1 − e−h̄ω/kT
e−En /kT hn| A n′ n′ B |ni δ(h̄ω + En − En′ ) .
ZK
′
χ′′AB (ω) =
n,n
Die Responsefunktion χ(ω) besitzt also eine im thermodynamischen Limes dichte Folge
von Polen auf der reellen Achse, d.h. einen Verzweigungsschnitt. Die Diskontinuität am
Schnitt ist durch χ′′ gegeben:
χ′′ (t) =
1
[A(t), B(0)]
2h̄
Von besonderer Bedeutung ist der Spezialfall A = B . Es gilt dann (mit χAA ≡ χ)
χ(ω + iη) = χ(−ω − iη)
und mit der Zerlegung
χ(ω + iη) = χ′ (ω + iχ′′ (ω)
118
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
in Real- und Imaginärteil:
χ′ (ω) = χ′ (−ω)
gerade
Funktion von ω
χ (ω) = −χ (−ω)
ungerade
i 1 X
h
2
χ′′ (ω) = π 1 − e−h̄ω/kT
e−En /kT hn| A n′ δ(h̄ω + En − En′ )
ZK
′
′′
′′
n,n
und damit ist
ωχ′′ (ω) ≥ 0 ;
ähnlich für χ′ :
χ′ (ω) = −
i
| hn| A |n′ i |2 h −En /kT
1 X
P
e
− e−En′ /kT
ZK
h̄ω + En − En′
′
n,n
Die interessierenden Operatoren A, B sind i.a. extensive Größen, d.h. lassen sich als
Integrale über den Raum von den entsprechenden Dichten darstellen:
Z
 = d3 r ρA (~r)
Damit sind auch räumlich variierende Felder b(~r, t) von Interesse, d.h.
Z
Ĥ ex = − d3 r ρB (~r) b(~r, t)
Der raum-zeitliche Response ist in Verallgemeinerung der obigen Ableitung gegeben
durch
Z
A
δ ρ (~r, t) = d3 r ′ dt′ χAB (~r − ~r ′ , t − t′ ) b(~r ′ , t′ )
wobei
i
h
i
B
′ ′
(~
r
,
t),
ρ
(~
r
,
t
)
Θ(t − t′ ) ρA
H0
H0
H0
h̄
Wegen der räumlichen Translationsinvarianz des Gleichgewichtszustands ergibt eine Fouriertransformation in Raum und Zeit
Z
χAB (~
q , ω) = d3 rdt e−i~q·~r+iωt χAB (~r, t)
χAB (~r − ~r ′ , t − t′ ) =
den Zusammenhang
δ ρA (~
q , ω) = χAB (~q, ω) b(~q, ω)
Die Darstellung von χ durch die Eigenzustände von H0 läßt sich ebenfalls verallgemeinern bei Berücksichtigung der Tatsache, daß die Zustände |ni Eigenzustände des
ˆ
Gesamtimpulsoperators P~ sind:
~ˆ
ˆ P~ ν, ~k = h̄~kν, ~k = P~ ν, ~k
n = {ν, ~k}
;
und daß eiP ·~r/h̄ der Translationsoperator ist, so daß gilt
~ˆ
~ˆ
ρA (~r, t) = eiĤ0 t/h̄ eiP ·~r/h̄ ρA (0, 0) e−iP ·~r/h̄ e−iĤ0 t/h̄
119
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
Für die Responsefunktion folgt dann
χAB (~
q , ω) = −
1
ZK
X
e−En /kT
n=(ν,~k)
n′ =(ν ′ ,~k ′ )
~k=~k ′ +~
q
hn| ρA (0, 0) |n′ i hn′ | ρB (0, 0) |ni
h̄ω + En − En′ + iη
hn| ρB (0, 0) |n′ i hn′ | ρA (0, 0) |ni
−
h̄ω + En′ − En + iη
Im Fourierraum lassen sich die Matrixelemente durch die Fourierkomponenten ~q der
Operatoren ρA , ρB ausdrücken:
Z
A ′
A ′
A
hn| ρ n
→ hn| ρq~ n
,
ρq~ = d3 r e−i~q·~r ρ(~r, 0)
denn
ρ(~r = 0, 0) =
und
D
Z
d3 q ′
ρq~ (0)
(2π)3
E
~
ν, k ρq~ ′ ν ′ , ~k − ~q = (2π)3 δ(~q ′ − ~q) hn| ρq~ n′
Von besonderem Interesse sind die Summenregeln, d.h. Integralbeziehungen der Form
Z∞
dω ω n χ′′ (ω) = Sn
;
Sn aus Kurzzeitverhalten
−∞
Falls A = B, dann ist Sn = 0 für n gerade. Für n = 1 ergibt sich die sog. f -Summen”
Regel“:
Z
Z
Z
Z
Z
∂
′′
iωt ′′
eiωt χ′′ (t)
dω ω χ (ω) = dω ω dt e χ (t) = dω dt −i
∂t
Z
Z
∂
Z
∂
h∂
i
iωt
′′
i χ (t) = dt 2πδ(t) i χ′′ (t) = 2πi
= dω dt e
χ′′ (t)
∂t
∂t
∂t
0
i i
h
π
π h ∂
i A(t) , B(0) = 2
A, H0 , B
=
h̄ ∂t
t=0
h̄
6.1.3
Kausalität und analytische Struktur der Responsefunktion
Aus der Darstellung von χ in den Eigenzuständen von H0 folgt, daß χ(ω) eine analytische Funktion von ω ist mit einem Verzweigungsschnitt entlang der reellen Achse. Da
ω→∞
außerdem χ(ω) −→ 1/ω 2 , kann χ(z) für Im z > 0 durch ein Cauchyintegral dargestellt
werden
Z∞ ′
dω χ(ω ′ + iη)
,
Im z > 0
χ(z) =
2πi ω ′ − z
−∞
Zerlegung in Real- und Imaginärteil für χ(ω + iη) ergibt die Kramers-Kronig-Relationen
Z
1
χ′′ (ω ′ )
χ′ (ω) = − P dω ′
π
ω − ω′
Z
χ′ (ω ′ )
1
P dω ′
χ′′ (ω) =
π
ω − ω′
120
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
Bei der Ableitung ist der Beitrag der δ-Funktion auf der rechten Seite zu berücksichtigen.
Die Verwendung der retardierten Funktion χ(ω + iη) und nicht der analog definierten
avancierten Funktion χ(ω − iη) ist eine Folge der bereits angesprochenen Kausalität.
6.1.4
Positivität der Absorption und Stabilität
Die Diskontinuität von χ, ∆χ = χ(ω + iη) − χ(ω − iη) ist mit der im System stattfindenden Dissipation, d.h. der Absorption von Energie, verknüpft. Wir betrachten die
Änderung der Energie des Systems unter dem Einfluß der Störung
denn
d
dt
db(t)
D ∂ Ĥ E
d
= − B(t)
= − B(t) ḃ(t)
E(t) =
dt
∂t
dt
H0 = 0 wegen Energieerhaltung, d.h. χH0 B = 0. Da
und mit der Annahme
B̂(t) = B H0 + δ B̂(t) ,
b(t) → 0
für
|t| → ∞
folgt in erster Ordnung in b für die gesamte Energieänderung
Z∞
−∞
d
E(t)
dt
dt
(1)
= − B H0
Z∞
−∞
dt
db
=0
dt
Erst die zweite Ordnung in b(t) ist endlich:
∆E =
Z∞
dt
−∞
d
E(t) = −
dt
Z
dt
Z
dt′ χBB (t − t′ ) b(t′ ) ḃ(t)
Nach Fouriertransformation
∆E = −
Z
dω
iω χBB (ω + i0) b(ω) b(−ω)
2π
Da χ′BB (ω) gerade in ω ist, bleibt nur der Imaginärteil
Z
dω
∆E =
ω χ′′BB (ω) | b(ω) |2
2π
≥0
wobei b(ω) = b∗ (ω) benützt wurde. Die Verallgemeinerung auf ortsabhängige Felder ist
∆E =
Z
dω
2π
Z
d3 q
ω χ′′BB (~q, ω) | b(~q, ω) |2 ≥ 0
(2π)3
Statische Suszeptibilität: Im Limes ω → 0 ist χ′ (0) die statische thermodynamische
Suszeptibilität, die dich als zweite Ableitung der freien Energie ausdrücken läßt.
121
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
Beispiel:
Dichte-Responsefunktion
H
ex
=−
Z
d3 r n(~r, t) µ(~r, t)
wobei ρA = ρB = n(~r, t) die Teilchendichte ist und µ(~r, t) das chemische Potential. Im
Limes q → 0 und ω → 0 gilt
lim lim χ′ (q, ω) =
q→0 ω→0
Aus
χ′ (0) =
1
P
π
Z
∂n
∂µ
dω
(Limites vertauchen nicht!)
χ′′ (ω)
ω
folgt
χ′ (0) ≥ 0 ,
d.h. die thermodynamische Stabilitätsbedingung
∂n
≥0
∂µ
ist eine Folge von Kausalität und Positivität der Absorption (2.Hauptsatz).
Die Analytizität von χ(z) für Im z > 0, die ebenfalls eine Folge der Kausalität ist,
stellt auch sicher, daß das System gegenüber spontanen kollektiven Anregung stabil
ist. Ein Pol von χ(z) für Im z > 0 würde zu einem zeitlich exponentiell anwachsenden
Response des Systems auf eine beliebig kleine Störung führen.
Beispiel für Responsefunktionen: Dielektrizitätsfunktion ǫ
Z
~
~ r ′ , t′ )
D(~r, t) = d3 r ′ dt′ ǫ(~r − ~r′ , t − t′ ) E(~
(isotrope Medien) .
Die Berechnung der elektrischen Polarisation P~ erfolgt über
~ =E
~ + 4π P~
D
wobei P~ definiert ist als Dipolmoment pro Volumen. Der Operator der elektrischen
Dipolmoment-Dichte ist
X
~ˆ r ) = 1
qi ~r δ(~r − ~ri )
Π(~
V
i
Die Ankopplung an das elektrische Feld erfolgt durch
Z
ex
~ˆ r ) E(~
~ r)
H = − d3 r Π(~
und
ǫij (~r, t) = δij + 4πχij (~r, t)
i
h
i
χij (~r, t) = Θ(t) Π̂i (~r, t) , Π̂j (0, 0)
h̄
122
6.1. LINEARE RESPONSETHEORIE
~ˆ bezeichnet. Für die Fouriertransformierte gelten die
wobei Π̂i die i-Komponente von Π
Kramers-Kronig-Relationen
Z
1
Im ǫ(ω ′ )
Re ǫ(ω) − 1 = − P dω ′
π
ω − ω′
Z
Re ǫ(ω ′ ) − 1
1
P dω ′
Im ǫ(ω) =
π
ω − ω′
Diese Relationen erlauben z.B. aus der Frequenzabhängigkeit des Brechungsindex n den
Absorptionskoeffizienten κ zu berechnen. Es gilt nämlich für den komplexen Brechungsindex
√
N = n + iκ = ǫ
mit
κ=N
ω
c
Für die Absorption gilt hier (ρA = Π̂i ; ρB = Π̂j )
Z
Z
dω
d3 q
∆E =
ω χ′′ij (~q, ω) | Ei (~q, ω) |2
2π (2π)3
;
~ k êi
E
Im homogenen Fall, ~
q = 0, und für ein Metall, d.h.
ǫ(ω) = 1 +
4πi
σ(ω)
ω
mit der komplexen Leitfähigkeit σ, gilt also
Z
Z
dω ∗
dω
Re σ(ω) | E(0, ω) |2 =
E (ω) j(ω)
∆E =
2π
2π
mit der Stromdichte j(ω) = Re σ(ω)E(ω).
f -Summen-Regel:
Z
Z
i
π h
′′
Π̂i , H0 , Π̂i
dω ω χii (ω) = dω σ ′ (ω) = Vol · 2
h̄
Es sind dabei
N
X
p2j
H0 =
+V
2m
N
;
j=1
Π̂i =
1 X
e(xji )
Vol
j=1
h
i h̄2
1
xji , H0 =
2ih̄ pj
;
xji , H0 , xji =
2m
m
wobei N die Teilchenzahl im Volumen Vol ist, also n = N/Vol. Somit folgt
Z∞
dω σ ′ (ω) =
−∞
mit der Plasmafrequenz ωp .
123
ωp2
πe2 n
=
m
4
6.2. FLUKTUATIONS-DISSIPATIONS-THEOREM
6.2
Fluktuations-Dissipations-Theorem
Bereits Einstein hatte in seiner berühmten Arbeit über die Brown’sche Bewegung darauf
hingewiesen, daß die Fluktuationen von Beobachtungsgrößen
um
den Mittelwert, z.B.
die örtliche Schwankung des Brown’schen Teilchens (x − x )2 und der Response des
Systems, nämlich die Beweglichkeit des Teilchens unter dem Einfluß einer äußeren Kraft,
eng zusammenhängen.
Wir definieren die Korrelationsfunktion von fluktuierenden Größen als
E
1D ′
′
Â(t) − Â , B̂(t ) − B̂
ΦAB (t, t ) =
2
+
oE 1 Dn
Â(t) , B̂(t′ )
− Â B̂ .
=
2
Die symmetrisierte Kombination stellt sicher, daß ΦAB reell ist, wobei A = A† und
B = B † vorausgesetzt ist. Im stationären Zustand gilt wieder
ΦAB = ΦAB (t − t′ )
und die Fouriertransformierte von Φ ist definiert als
Z
ΦAB (ω) = dt eiωt ΦAB (t) .
Einführung der Darstellung in Eigenzuständen von H0 erlaubt einen direkten Vergleich
von ΦAB und χ′′AB :
i 1 X
h
e−En /kT hn| A n′ n′ B |ni δ(h̄ω + En − En′ ) .
ΦAB (ω) = h̄π 1 + e−h̄ω/kT
Zk
′
n,n
Vergleich mit χAB (ω) ergibt den direkten Zusammenhang
ΦAB (ω) = h̄χ′′AB (ω) coth
h̄ω ,
2kT
das sogenannte Fluktuations-Dissipations-Theorem (Callen und Welton 1952). Für das
Schwankungsquadrat einer Größe X zu gleichen Zeiten läßt sich damit schreiben
Z
Z
h̄ω 2 dω
dω ′′
δX
=
.
ΦXX (ω) = h̄
χ (ω) coth
2π
2π
2kT
Diese Beziehung läßt sich im klassischen Grenzfall vereinfachen, d.h. im Fall, daß für
′′
die Anregungsfrequenzen ω des Systems
gilt h̄ω ≪ kT oder anders, daß χ (ω) ≈ 0 mit
ω ≥ kT . Dann läßt sich coth h̄ω/2kT → 2kT /h̄ω ersetzen und damit
Z
2 kT
χ′′ (ω)
= kT χ(0) .
δX kl =
dω
π
ω
Für die statische Suszeptibilität gilt also im klassischen Limes allgemein
χXX (0) =
2 1 δX
kT
124
(Curie-Verhalten)
6.3. DYNAMISCHE SUSZEPTIBILITÄT UND ZEITUMKEHR
6.3
Dynamische Suszeptibilität und Zeitumkehr
Im Falle mehrerer physikalischer Größen X1 , X2 . . . Xn , die an äußere Felder fi (t) koppeln
entsprechend
n
X
H ex = −
X̂i fi (t) ,
i=1
ergibt sich den linearen Response einer Größe Xi
Z
n
X
χij (t − t′ )fj (t′ )
δ Xi (t) = dt′
j=1
mit
i
h
i
Θ(t − t′ ) XiH0 (t) , XjH0 (t′ ) H0
h̄
Wir erinnern uns, daß die Darstellung von χij in den Eigenzuständen von H gegeben ist
durch
1 X −En /kT hn| Xi |n′ i hn′ | Xj |ni hn| Xj |n′ i hn′ | Xi |ni
e
−
χij (ω + iη) = −
.
Zk
h̄ω + En − En′ + iη
h̄ω + En′ − En + iη
′
χij (t − t′ ) =
n,n
Unter der Zeitumkehroperation T̂ hat jeder Operator Xi eine Parität ǫi = ±1
T̂ Xi T̂ † = ǫi Xi .
Falls der Hamiltonoperator zeitumkehrinvariant ist, gilt, daß
χij (t − t′ ) = χij (t′ − t) T̂
oder
χij (ω + iη) = χij (−ω − iη) T̂
wobei das Symbol T̂ bedeutet, daß alle Operatoren Xi durch ihre zeitgespiegelten zu
ersetzen sind. Für die Matrixelemente hn| Xi |n′ i gilt damit (T̂ ist antiunitärer Operator)
hn| T̂ Xi T̂ † n′ = ǫi hn| Xi n′ .
Damit wird
1 X −En /kT
e
ǫi ǫj ×
χij (−ω − iη) T̂ = −
Zk
′
n,n
hn| Xi |n′ i hn′ | Xj |ni
hn| Xj |n′ i hn′ | Xi |ni
×
−
−h̄ω + En − En′ − iη −h̄ω + En′ − En − iη
= ǫi ǫj χji (ω + iη) .
Unter Benutzung von
χij (−ω − iη) = χij (ω + iη) T̂
gilt also die Symmetriebeziehung
χij (ω + iη) = ǫi ǫj χji (ω + iη)
(Onsager )
Falls H nicht zeitumkehrinvariant ist, läßt sich im allgemeinen eine zusätzliche (simultane) Symmetrietransformation Ô definieren, so daß H invariant ist unter T̂ und Ô.
125
6.3. DYNAMISCHE SUSZEPTIBILITÄT UND ZEITUMKEHR
~ das an Ladungen und Spins koppelt
Magnetfeld B,
2
~ = 1 ~p + e A
~ − γS
~ ·B
~ + H′
Ĥ(B)
2m
c
1 e ~ 2
~ ·B
~ + H′
T̂ H T̂ † =
−~
p+ A
+ γS
2m
c
Wichtigster Spezialfall:
denn unter Zeitumkehr gilt
p~ → −~
p
und
~ → −S
~ .
S
~ → −B
~ transformiert wird, gilt
Falls aber gleichzeitig mit T̂ auch B
~ = T̂ H(−B)
~ T̂ † .
H(B)
Damit läßt sich die obige Argumentation für χij anwenden, woraus folgt
~ = ǫi ǫj χji (ω + iη; −B)
~ .
χij (ω + iη; B)
Ein weiteres Beispiel ist die Anwendung einer Drehung mit Winkelgeschwindigkeit ω
~.
~
Die Wirkung von ~
ω ist vergleichbar mit der von B.
Die Positivität der Absorption läßt sich auch um Fall mehrerer Felder Φi (t) zeigen.
Es gilt für die Energieänderung in Erweiterung der früher gezeigten Beziehung
Z
X
dω
∆E = −
iω
χij (ω + i0) bi (ω) bj (−ω)
2π
i,j
Z
i
dω i Xh
χij (ω + i0) − χji (−ω + i0) bi (ω) bj (−ω) .
ω −
=
2π
2
i,j
Vergleich mit der früher definierten Unstetigkeit am Verzweigungsschnitt von χ(z) zeigt
i
i
1h
1h
χij (ω + i0) − χji (−ω + i0) =
χij (ω + i0) − χij (ω − i0)
2i
2i
= χ′′ij (ω)
wobei χji (−z) = χij (z) benutzt wurde. Die Matrix ωχij (ω) ist positiv definit, so daß
X
ω χ′′ij (ω) bi (ω) b∗j (ω) ≥ 0
i,j
für jedes bi (ω). Zum Beweis verwenden wir
X
2π χ′′ij (ω) =
e−En /kT hn| Xi n′ n′ Xj |ni δ(h̄ω + En − En′ )
1 − e−h̄ω/2kT
ZK
′
n,n
und
sowie
ω 1 − e−h̄ω/2kT ≥ 0
X
i,j
X
2
hn| Xi n′ n′ Xj |ni bi b∗j = hn| Xi n′ bi i
126
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