Medien + Internet Arzt-Patienten-Kommunikation Medizin goes Online: Interaktion zwischen Arzt und Patient 2.0 Die Redewendung ‚Ich habe schon mal gegoogelt‘ hören Ärzte von Patienten beinahe täglich. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, zeigt eine Analyse. Demnach bietet die digitale Kommunikation im Healthcare-Bereich noch viel Potenzial. Autoren: Swantje Heikenwälder, Manfred Eberlein, beide Ipsos Quelle: Quantitative Online-Studie mit n=259 Ärzten in Deutschland, Daten erhoben von Medefield, April 2013, Ipsos GmbH Das Angebot zu Gesundheitsthemen im Internet wird immer größer – in Foren und auf Plattformen können sich Patienten über Krankheiten, Therapieoptionen und Ärzte informieren und austauschen. Die Interaktion zwischen Arzt und Patient bleibt davon nicht unberührt. Aber: wie beurteilen Ärzte den Einfluss des Internets auf die Kommunikation und den Umgang mit ihren Patienten? Welche Online-Angebote erachten Ärzte als für ihren Berufsalltag relevant? Diese und weitere Fragen stellte Ipsos Healthcare in Zusammenarbeit mit der Online-Community von Medefield 259 deutschen Ärzten verschiedener Fachrichtungen. Befragt wurden neben Allgemeinmedizi- 66 nern auch Onkologen, Neurologen, Pädiater und Dermatologen. Fast jeder der befragten Ärzte (97 Prozent) nutzt das Internet mindestens einmal pro Woche für berufliche Zwecke. 69 Prozent aller Allgemeinmediziner und 83 Prozent aller Spezialisten geben an, das Internet sogar täglich zu nutzen. Ärzte surfen fast täglich beruflich im Internet Google (17 Prozent), Pubmed (16 Prozent) und Wikipedia (12 Prozent) bilden die Top 3 der hilfreichsten Rechercheund Informationsseiten – wobei sich Wie Ärzte Gesundheitsinformationen aus dem Internet bewerten 5% Posi ve/ Neutrale Beurteilung 14% Ambivalente Beurteilung (Posi ve, aber auch nega ve Beurteilung) 48% Nega ve Beurteilung 18% kein Ein uss 15% keine Antwort Knapp die Hälfte der befragten Ärzte geben dem Gesundheitsnetz gute bis neutrale Noten Healthcare Marketing 6/2013 Unterschiede zwischen den einzelnen Fachrichtungen zeigen: Während für Allgemeinmediziner und Pädiater Google am hilfreichsten ist, bewerten Onkologen, Neurologen und Dermatologen Pubmed als relevantestes Medium. Neben Ärzten nutzen auch Patienten das Internet immer häufiger zur Recherche von Gesundheitsthemen. Ein Großteil der Patienten informiert sich heute über seine Symptome, die – möglicherweise – dahinterstehenden Erkrankungen, Medikamente und Diagnosen im WorldWideWeb. Wie beurteilen Ärzte diesen Trend und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? • Fast jeder zweite Arzt (48 Prozent) beurteilt diese Entwicklung positiv oder beschreibt in neutraler Form Auswirkungen auf den Berufsalltag. Die Patienten sind besser informiert und Gespräche verlaufen konstruktiver. Zusätzliche Vorteile: ein schnellerer Austausch (mit Patienten und Kollegen) per E-Mail und auch der einfachere Zugriff auf relevante Informationen. • 15 Prozent der Befragten stehen der Entwicklung ambivalent gegenüber – auch sie wissen es zu schätzen, dass Patienten informierter zu ihnen kommen. Allerdings führen Fehlinformationen aus dem Web zur Verunsicherung der Patienten – was wiederum den Aufklärungs- und Beratungsbedarf im Patientengespräch erhöht. „Die Wendung ‚Ich habe schon mal gegoogelt‘ höre ich beinahe täglich. Die Eigeninforma- Medien + Internet Der Beratungsaufwand nimmt deutlich zu Hauptsorge der Ärzte ist, dass durch das Internet vorinformierte Patienten intensiver beraten werden müssen. Aber lassen sich die vielfältigen Möglichkeiten im Netz nicht auch dazu nutzen, diesem Zusatzaufwand entgegen zu steuern? Lediglich sechs Prozent der Befragten geben an, dass sie Patienten von sich aus bestimmte Seiten im Internet empfehlen oder das Internet nutzen, um den Patienten während des Gesprächs Informationen leichter zugänglich zu machen. Eine aktive Nutzung von Internet-Angeboten während der Arzt-Patienten-Interaktion findet entsprechend nur in Ausnahmefällen statt. Welche Hilfsmittel könnten Ärzten helfen, die Interaktion mit ihren Patienten zu optimieren? Wie beurteilen die Ärzte die Relevanz verschiedener im Rahmen des Interviews vorgestellter Optionen? Internetangebote, die einen einfachen Informationsaustausch ermöglichen bzw. den Arzt bei der direkten Weitergabe von Informationen unterstützen, werden als wichtige Unterstützung für künftige ArztPatienten-Interaktion bewertet: Swantje Heikenwälder Ärzte meinen, in Zukunft wird besonders wichtig ... 54% VIDEOPORTALE MIT INFOS VON ÄRZTEN/PHARMAUNTERNEHMEN ZU KRANKHEITEN ! INFOS AUF TABLETSF ÜR DIE PATIENTENBERATUNG BEREITSTELLUNG VON INFOS ÜBER INTERNETPORTALE VIRTUELLE SPRECHSTUNDEN MIT CHATFUNKTION 28% ... COMMUNITIES FÜR AUSTAUSCH ARZT-PATIENT 26% ... 32% E-DOCTOR: DIAGNOSE ÜBER INTERNET-ARZT @ 15% Die Akzeptanz digitaler Kommunikation unter Medizinern steigt (26 Prozent) in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. Am geringsten ist erwartungsgemäß die Akzeptanz für den ‚e-Doctor‘: Lediglich 15 Prozent halten die ausschließliche Diagnose über das Internet eine relevante Alternative. Digitale Medien sind auch aus dem Gesundheitsbereich nicht mehr wegzudenken. Noch bewegen sich Arzt und Patient allerdings dabei in Parallel-Welten: beide Gruppen nutzen das Internet intensiv aber unabhängig voneinander, eine direkte Interaktion findet in der Regel nicht statt. Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch, dass eine grundsätzliche Akzeptanz für eine virtuelle Interaktion mit dem Patienten gegeben ist. Für Zukunfts-Szenarien von leeren Wartezimmern, Patienten, die ihre Symptome via Webcam in die Praxis übertragen oder per Bildschirm in 3-D ihre Röntgenergebnisse erklärt bekommen ist es sicher noch zu früh, aber Anbieter entsprechender Technologien, Krankenkassen und Pharmahersteller sollten diese Entwicklung aufmerksam beobachten. • Jeder zweite Arzt (54 Prozent) meint, dass Portale, auf denen Informationen für Patienten und medizinisches Fachpersonal bereitgestellt werden können, zunehmend wichtig werden. • 44 Prozent geben an, dass Angebote von Pharmaunternehmen, die auf Tablet-PCs präsentiert werden können, um Patienten während der Beratung Informationen zu zeigen an Bedeutung gewinnen werden. • Jeder Dritte (32 Prozent) denkt dies in Bezug auf Videoportale, auf denen Ärzte oder Pharmaunternehmen Hintergründe zu Krankheiten und Gesundheitsstörungen erläutern. Relevanz interaktiver Ansätze noch unklar Das Potential von interaktiven internetbasierten Kommunikationsformen wird zur Zeit noch relativ niedrig eingeschätzt. Aber: bereits jeder vierte Arzt glaubt, dass Online-Communitys für die Patient-Arzt-Interaktion (28 Prozent) sowie virtuelle Sprechstunden verstärkt seit 2007 als Research Executive Healthcare das Marktforschungsinstitut Ipsos in Hamburg. Davor war sie über vier Jahre lang bei der Synovate GmbH tätig (heute Ipsos). F Kontakt: [email protected] Manfred Eberlein leitet seit 2007 den Bereich Healthcare bei der Ipsos GmbH in Hamburg (vormals Synovate). Mit seinem Team von 20 Mitarbeitern betreut er nationale und internationale Pharma- und Medizintechnik-Kunden. FKontakt: [email protected] Healthcare Marketing 6/2013 67 Quelle: Quantitative Online-Studie mit n=259 Ärzten in Deutschland, Daten erhoben von Medefield, April 2013, Ipsos tion bringt aber eher mehr Verunsicherung mit.“ • 18 Prozent geben an, dass ihr Umgang mit den Patienten durch die Fülle der vorhandenen Informationen im Internet schwieriger geworden ist. Die Patienten sind lediglich teilinformiert, überfordert mit der Informationsflut und oftmals nicht in der Lage, die Seriosität der Informationen richtig einzuschätzen. Entsprechend reagieren diese Patienten verunsichert und zum Teil sogar verängstigt – fast jeder Patient bezieht automatisch den ‚Worst Case‘ auf sich. • Lediglich 14 Prozent der Ärzte spielen zurück, dass das Internet keinen oder nur einen sehr geringen Einfluss auf die Interaktion mit Patienten hat.