Probestudium - Schwingungen und Wellen Ralf Seemann 18. Dezember 2010 1 Contents 1 Schwingungen 1.1 Kreisbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Lineare harmonische Schwingung . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Freie ungedämpfe Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Einschub: Energieerhaltung während einer Schwingung 1.4 Freie gedämpfte Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Reibungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Abklingzeit für Amplitude und Energie . . . . . . . 1.4.3 Der Gütefaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Erzwungene Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . i 1 1 2 3 7 8 10 10 11 12 1 Schwingungen In der Physik ist die immer wiederkehrende Bewegung die vielleicht wichtigste Bewegungsform überhaupt. Schwingungen treten beispielsweise in der Natur immer dann auf, wenn Massen aneinander gebunden sind, angefangen von den Schwingungen der Nukleonen im Atomkern bis zur pulsierenden Schwingung ganzer Sterne. 1.1 Kreisbewegung Im folgenden wollen wir zuerst die Bewegung eines Massepunktes auf einem Kreis mit dem Radius R (siehe Abb. 1) betrachten. Einfachheitshalber legen wir den Ursprung des kartesischen Koordinatensystems in den Kreismittelpunkt, so daß x = R cos φ; y = R sin φ (1) ⃗ x und y sind zugleich die kartesischen Komponenten des Radiusvektors R mit dem Betrag R. y R j x Figure 1: Zur Definition der Winkelgeschwindigkeit. Gleichförmige Kreisbewegung (entgegen dem Uhrzeigersinn; mathematisch positive): Die zeitliche Zunahme des Drehwinkels, die sogenannte Winkelgeschwindigkeit sei zeitlich konstant: dφ = ω Winkelgeschwindigkeit dt (2) Der Winkel wird im Bogenmaß gemessen; der Einheit 1 Radian (rad) entsprechen (360/2π) Grad. Die Einheit der Winkelgeschwindigkeit ist daher (1 rad/s), meist auch 1/s genannt. Der Drehwinkel ist also φ(t) = ωt, (3) wenn man die Zeit t = 0 so wählt, daß φ(t = 0) = 0 ist. Während ⃗ mit der Winkelgeschwindigkeit ω umläuft, ändern die der Radiusvektor R 1 beiden Komponenten dieses Vektors zeitlich periodisch ihren Wert: x = R · cos(ωt) Gleichförmige Kreisbewegung y = R · sin(ωt) (4) Die Periodendauer T, d.h. die Zeit eines Umlaufes ist: T = 2π Periodendauer ω (5) Für die Frequenz, d.h. die Zahl der Umläufe pro Sekunde, ergibt sich der Kehrwert von T : 1 ω =f = Frequenz T 2π (6) (Die Winkelgeschwindigkeit wird oft auch als Kreisfrequenz bezeichnet.) 1.2 Lineare harmonische Schwingung Die Kreisbewegung kann man sich als Überlagerung zweier geradliniger Bewegungen entlang der x- und der y-Achse zusammengesetzt denken: x(t) = R · cos(ωt) oder y(t) = R · sin(ωt) (7) Jede dieser Bewegungen einzeln betrachtet, nennt man eine lineare harmonische Schwingung mit der Kreisfrequenz ω und der Amplitude R. Durch Differentiation erhält man für die Geschwindigkeit: dx = −ωR · sin(ωt) dt und für die Beschleunigung: d2 x = −ω 2 R · cos(ωt) = −ω 2 x 2 dt (8) Damit haben wir ein allgemein wichtiges Resultat abgeleitet: Für harmonische Schwingungen ist zu jeder Zeit die Beschleunigung proportional zur Auslenkung, aber entgegengesetzt zu ihr gerichtet. Das charakteristische Merkmal aller harmonischen Schwingungen ist die Winkelgeschwindigkeit ω, bzw. die Schwingungsdauer T . 2 x(t) 3/2p p/2 2p p wt x = R cos wt Figure 2: Lineare harmonische Schwingung x(t) = R · cos(t) mit der Amplitude R und der Periode T = (2π/ω). 1.3 Freie ungedämpfe Schwingungen Betrachten wir eine Masse m, die - wie in Abb. 3 dargestellt - an einer leichten (nahezu masselosen) Feder aufgehängt ist. Wenn man die Masse aus der Gleichgewichtslage z0 = 0 in eine neue Lage z1 bringen will, so leistet die Feder dagegen Widerstand mit einer Kraft, die der Auslenkung proportional ist, mit der Federkonstanten C. Fz = −C · z1 Hookesches Gesetz (9) Nachdem die Masse auf diese Weise durch eine äußere Kraft nach z1 gezogen worden ist, wollen wir die Masse zur Zeit t = 0 plötzlich loslassen. Unmittelbar danach wirkt nur noch die Rückstellkraft Fz der Feder auf die Masse und beschleunigt diese. a) z b) +z2 +z1 z=0 z mT t z=0 -z1 -z2 z = z1 Figure 3: a) Versuch: Beobachtung der Bewegung einer Feder mit Masse m, die aus ihrer Ruhelage ausgelenkt und dann losgelassen wird. b) Ergebnis: Die beobachtete Bahnfunktion ist eine harmonische Schwing-ung. Die Kreisfrequenz ist unabhängig von der Amplitude. Die Bewegung von m, die man beobachtet, ist eine harmonische Schwingung 3 mit der Bahnfunktion z(t) = z1 cos ω0 t Für t = 0 ist z(0) = z1 . Die Kreisfrequenz ω0 dieser Schwingung hängt nicht von der Amplitude z1 ab. Bei einer Anfangsauslenkung z2 erhält man nämlich den gleichen zeitlichen Abstand zwischen zwei Nulldurchgängen und daher diesselbe Kreisfrequenz (Abb. 3 b). Wovon hängt die Kreisfrequenz ab? Das Ergebnis einer Versuchsserie ist in Abb. 4 zusammen-gefaßt: w w/ 2 w/2 2w Figure 4: Experimente zur Abhängigkeit der Kreisfrequenz einer Feder von Masse und Federkonstante. √ Diese Beobachtung deutet bereits an, daß ω0 proportional zu C/m ist. Um zu sehen, welche Relation zwischen ω0 , C und m nach der Newtonschen Mechanik bestehen soll, erinnern wir uns daran, daß für eine harmonische Schwingung nach Gl. 10 die Beschleunigung proportional zur Auslenkung, aber ihr entgegengesetzt gerichtet ist, also: az = d2 z = −ω02 z 2 dt (10) Der Proportionalitätsfaktor ist ω02 . Nach dem Aktionsprinzip der Newtonschen Mechanik können wir die Federkraft F⃗z aus der von ihr erregten Beschleunigung ermitteln: Fz = maz = −mω02 z Aus dem Vergleich dieser Beziehungen mit Gl. 9 liest man sogleich ab, wie die Kreisfrequenz ω0 beim harmonischen Oszillator von der Masse und der Federkonstante abhängt: C ω02 = (11) m 4 Wir können also aus der Messung der Kreisfrequenz, mit der eine Masse m schwingt, die Federkonstante C und damit das Kraftgesetz der Feder bestimmen. Die Bewegungsgleichung für die Masse lautet also: d2 z m 2 +C ·z =0 dt (12) Bewegungsgleichung des harmonischen Oszillators Der zeitliche Verlauf z(t) wird dabei nicht nur durch die Bewegungsgleichung 12 festgelegt, sondern auch durch die sogenannten Anfangsbedingungen. Federkonstante C z=0 m z = z1 z Figure 5: Der ungedämpfte harmonische Oszillator. Man kann sich nämlich überzeugen, daß der allgemeine Ausdruck z(t) = A cos(ω0 t + φ) (13) Allgemeine Lösung der Bewegungsgleichung mit ganz beliebiger Amplitude A und beliebigem Phasenwinkel φ die Oszillatorgleichung erfüllt. Die Anfangsbedingung zur Zeit des Loslassens, t = 0, schreibt zusätzlich noch vor: z(t = 0) = +z1 und dz(t = 0) =0 dt (14) Dies ergibt nach Gl. 13: A · cos φ = +z1 und ω0 · A · sin φ = 0 (15) Erst aus diesen beiden Anfangsbedingungen ergeben sich die speziellen Werte (A = +z1 , φ = 0). Wir halten fest: Jede Masse, deren Bewegungsgleichung wie die des √harmonischen Oszillators 12 aussieht, kann mit der Kreisfrequenz ω0 = c/m 5 um die Ruhelage schwingen. (Amplitude und Phasenwinkel hängen von den Anfangsbedingungen ab.) Weitere Beispiele für harmonische Oszillatoren: 1. Fadenpendel: Da die Fadenlänge r konstant ist, gilt für den Weg s des Pendelkörpers (siehe Abb. 6): s = r · φ(t) Die Tangentialbeschleunigung at ist durch die Änderung von φ allein bestimmt: d2 (rφ) d2 φ at = = r 2 ; da r konstant ist. dt2 dt Aus dem Aktionsprinzip folgt für kleine Winkel φ d2 φ m · at = m · r · 2 = Gt = −mg · sin (φ) = −mgφ , dt da bei kleinen Winkeln sin(φ) durch φ ersetzt werden kann. Damit bekom- Faden j r Pendelkörper Gt = -Gsin j = -mgsin j j G = mg Figure 6: Das Fadenpendel men wir eine Differentialgleichung, die der einer Kreisbewegung (siehe Gl. 8) (oder einer elastischen Feder) ähnlich ist: d2 φ g = φ dt2 r (16) Diese Bewegungsgleichung läßt sich wieder lösen durch den Ansatz einer periodischen Bewegung φ(t) = A cos (ω0 t + ϕ) 6 (17) ( dφ wobei noch die Anfangsbedingungen φ(0) = φ0 und φ̇(0) = dt zusätzlich erfüllt sein sollen. Dies ergibt den speziellen Ansatz: φ(t) = φ0 cos (ω0 t) ) =0 t=0 (18) Um zu prüfen, ob dieser Ansatz die Differentialgleichung 16 löst, setzen wir ihn in diese ein: g −φ0 ω02 cos(ω0 t) = − φ0 cos(ω0 t) r Unser Ansatz ist also für alle Zeiten t nur dann erfüllbar, wenn die Winkelgeschwindigkeit den Wert hat: √ 2π g ω0 = = (19) T r Daraus sieht man, daß die Schwingungsperiode T unabhängig ist von der Art des Pendelkörpers und nur abhängig ist von der Fadenlänge. 2. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch das Torsionspendel erwähnt. Seine Bewegungsgleichung d2 φ I · 2 +D·φ=0 (20) dt (I = Trägheitsmoment, D = Torsionskonstante) beschreibt Drehschwingung√ en mit der Kreisfrequenz ω0 = D/I. Bei jeder Schwingung oszilliert die Energie von einer Energieform in eine andere, z.B. von der potentiellen V in die kinetische T und zurück. 1.3.1 Einschub: Energieerhaltung während einer Schwingung Die Summe aus kinetischer und potentieller Energie ändert sich nicht, sondern die Gesamtenergie bleibt konstant. Das Prinzip der Energieerhaltung in dieser Form sei an unserem Beispiel der Feder erläutert: Läßt man die Masse m in Abb. 3 nach einer endlichen Deformation los, so schwingt die Masse bekanntlich periodisch um die Ruhelage. Die Summe von kinetischer und potentieller Energie bleibt dabei konstant: C 1 T + V = mv 2 + x2 = E = konstant 2 2 Diese Konstanz der Gesamtenergie E ist in Abb. 7 dargestellt. Während die Masse zwischen den Umkehrpunkten x1 und −x1 schwingt, ändert sich 7 T und V in solcher Weise, daß T + V konstant und gleich E bleibt. An den Umkehrpunkten verschwinden v und damit die kinetische Energie, während bei x = 0 die potentielle Energie Null wird. Während der Schwingung findet also eine periodische Umwandlung von kinetischer in potentielle Energie und umgekehrt statt, wobei die Gesamtenergie konstant bleibt. Diese Gesamtenergie wächst - wie man sieht - mit dem Quadrat der Amplitude x1 . Vmax = E T = E -V Tmax = E 2 V = c/2 x E = c/2 x12 T=0 -x1 V = E - T V=0 x1 x Figure 7: Kinetische (gestrichelte Kurve) und potentielle (volle Kurve) Energie einer Feder in Abhängigkeit von der Auslenkung: die Summe der beiden ist konstant. 1.4 Freie gedämpfte Schwingung Bei genauer Beobachtung der Schwingung des Körpers sieht man, daß die Maximalamplituden mit der Zeit abnehmen. Die Schwingung ist gedämpft durch eine Reibungskraft, und man beobachtet, daß die Amplitude exponentiell mit der Zeit abklingt: z(t) = z1 · e−βt · cos ω0 t (21) Wenn die Reibungskraft klein ist (und nur diesen Fall wollen wir hier betrachten), erfolgt ein merklicher Abfall der Amplitude erst nach mehreren Schwingungen, d.h. in Gl. 21 ist ω0 ≪ β oder β ≪1 (22) ω0 Wir wollen nun einer weiteren Frage nachgehen: Können wir die Gesetze der Reibungskraft aus diesem beobachteten Abfall der Schwingung finden? Zur Beantwortung dieser Frage benötigen wir die Kenntnis von Geschwindigkeit und Beschleunigung der schwingenden Masse. Einmaliges Differenzieren von Gl. 21 liefert zunächst die Geschwindigkeit: dz = −βz1 e−βt cos ω0 t − z1 e−βt ω0 sin ω0 t (23) dt 8 +z1 z(t) 1/b z1e-bt +z1/e t 0 -z1/e -z1 Figure 8: Gedämpfte Federschwingung: die Schwingungsamplitude klingt exponentiell mit der Zeit ab. [ ] dz = −z1 e−βt 2β 2 cos ω0 t + 2βω0 sin ω0 t (24) dt Nochmaliges Differenzieren von Gl. 23 ergibt für die Beschleunigung: d2 z = dt2 +β 2 z1 e−βt cos ω0 t + βz1 e−βt ω0 sin ω0 t + βz1 e−βt ω0 sin ω0 t − z1 e−βt ω02 cos ω0 t 2β oder nach ”Sortieren” der cos- und sin-Funktionen: [( 2 ) ] d2 z −βt 2 = −z e ω − β cos ω t − 2βω sin ω t 1 0 0 0 0 dt2 Addiert man Gl. 25 und Gl. 24, so erhält man: ( 2 ) d2 z dz −βt 2 + 2β = −z e ω + β cos ω0 t = −(ω02 + β 2 )z 1 0 2 dt dt und daraus für die Beschleunigung: (25) (26) d2 z dz 2 2 = −(ω + β )z − 2β (27) 0 dt2 dt β oder noch einfacher wegen ≪ 1, d.h. im Fall kleiner Reibungskräfte ω0 (siehe Gl. 22): d2 z dz = −ω02 z − 2β (28) 2 dt dt Mit Hilfe des Newtonschen Gesetzes finden wir aus dieser Beschleunigung wieder die Gesamtkraft, die beim gedämpften Oszillator auf die Masse wirkt: dz FGesamt = ma = −mω02 z − 2mβ (29) dt 9 Kräfte beim gedämpften harmonischen Oszillator Der erste Term rechts ist die uns schon bekannte elastische Kraft. Neu ist der zweite Ausdruck ganz rechts, der von der Geschwindigkeit abhängt. 1.4.1 Reibungskräfte Der zweite Term auf der rechten Seite von Gl. 29 (bzw. Gl. 28) ist proportional zur Geschwindigkeit ⃗v und bewirkt die Dämpfung. Er stellt die Reibungskraft dar: dz F⃗Reibung = 2mβ = γR · ⃗v (30) dt γR = 2·β·m heißt Reibungskoeffizient und kann aus der zeitlichen Abnahme der Amplitude bestimmt werden. Die Reibungskraft ist grundsätzlich immer der Geschwindigkeit entgegengerichtet und versucht somit, die Bewegung zu verlangsamen. Darüber hinaus wächst die Reibungskraft in diesem Fall (und in vielen anderen) linear mit der Geschwindigkeit. Die Bewegungsgleichung einer freien Schwingung mit geringer Dämpfung ist also: d2 z dz + γ/m + ω02 z = 0 (31) 2 dt dt Bewegungsgleichung des gedämpften harmonischen Oszillators mit ω02 = 1.4.2 C g D bzw. ω02 = bzw. ω02 = m r I (32) Abklingzeit für Amplitude und Energie Jeder Oszillator wandelt während der Schwingung periodisch eine Energieform in eine andere um, zum Beispiel potentielle Energie in kinetische Energie. Dabei bleibt die Gesamtenergie 1 1 E = T + V = · C · z12 = · C · (Amplitude)2 (33) 2 2 konstant für eine ungedämpfte Schwingung, da die Amplitude sich hier nicht ändert. Bei einer gedämpften Schwingung dagegen sinkt die Amplitude und damit auch die Gesamtenergie zeitlich entsprechend Gl. 21 ab: 1 E = · C · z12 · e−2βt oder E = E(t = 0)e−t/τ (34) 2 10 Die Gesamtenergie fällt also nach der Zeit t = 1/(2β) = τ auf den e-ten Teil. Streng genommen fällt die Summe aus potentieller und kinetischer Energie nicht genau exponetiell mit der Zeit ab wie in Gl. 34 beschrieben. Da z.B. bei einem Pendel die Reibungskraft der Geschwindigkeit proportional ist,wird dem System zeitlich pulsierend Energie entzogen. Abb. 9 gibt nur den über einige Perioden gemittelten Verlauf der Gesamtenergie wieder. E E0 E0 e t 0 t = 1/2b Figure 9: Gesamtenergie des gedämpften freien Oszillators als Funktion der Zeit. Die Gesamtenergie fällt innerhalb der zeit τ = 1/2β auf den e-ten Teil ab 1.4.3 Der Gütefaktor In technischen und besonders in elektrotechnischen Anwendungen spricht man oft vom Gütefaktor oder kurz von der Güte Q eines Oszillators (engl. quality factor): Der Gütefaktor gibt das Verhältnis von gespeicherter Energie zu der während des Zeitintervalls 1/ω0 nach außen abgegebenen Energie eines Oszillators an. Da nach Gl. 34 −(dE/dt)/E = 1/τ gilt, ist der Gütefaktor eines gedämpften harmonischen Oszillators Q = ω0 τ für den Fall kleiner Dämpfung, d.h. für ω0 τ ≫ 1. 11 (35) 1.5 Erzwungene Schwingungen Als nächstes wollen wir uns fragen, welche Bewegung die Masse eines Oszillators ausführen wird, wenn eine zeitlich periodische äußere Kraft F = F0 · sin ωt (36) noch zusätzlich wirkt. Wir haben in Abb. 10 angedeutet, daß diese Kraft zum Beispiel elektrischer Art sein kann: Wenn nämlich der Massenpunkt m negativ geladen ist und sich zwischen zwei mit Wechselspannung gespeisten Kondensatorplatten P befindet, von denen abwechselnd die obere und später die untere positiv geladen ist, so wird der Massenpunkt abwechselnd (im Takt der Wechselspannung nach oben und unten gezogen mit gerade dieser Kraft F ). z Federkonstante C + + ++ + + + ++ ~ P - m F = F sin wt - --- -- -- -- - P - - z=0 0 Figure 10: Erzwungene Schwingung eines Massenpunktes m. Die negativ geladene Masse wird im Takt der Wechselspannung, die an die Kondensatorplatten P angelegt ist, abwechselnd nach oben und nach unten gezogen. In diesem Fall ist die Gesamtkraft, welche auf m wirkt, dz d2 z − mω02 · z + F0 · sin ωt m 2 = FGesamt = −γ · dt dt Mit F0 /m = α0 und γ/m = 1/τ folgt die Gleichung: d2 z 1 dz + · + ω02 z = α0 · sin ωt 2 dt τ dt Bewegungsgleichung einer erzwungenen Schwingung 12 (37) (38) ω ist hierbei unabhängig von ω0 . Man beobachtet nun, daß der Massenpunkt nach einer gewissen Einschwingzeit mit der gleichen Frequenz oszilliert wie die äußere Kraft. Die Amplitude z0 dieser erzwungenen Schwingung ist zeitlich konstant. Es besteht jedoch eine Phasenverschiebung φ zwischen der äußeren Kraft F (t) und der Auslenkung z(t), wie in Abb. 11 angedeutet ist. Wir wollen deshalb folgenden Lösungsansatz verwenden: z = z0 sin(ωt + φ) F(t) (39) z(t) t 0 j w Figure 11: Äußere Kraft und Auslenkung als Funktion der Zeit: Die Auslenkung ist gegenüber der äußeren Kraft verzögert. Unbekannt und noch zu bestimmen ist neben der Amplitude z0 auch der (negative) Phasenwinkel φ. Dazu bilden wir die erste und zweite Ableitung von z(t): dz d2 z = ωz0 cos(ωt + φ) und = −ω 2 z0 sin(ωt + φ) (40) 2 dt dt Setzt man dies in die Bewegungsgleichung 38 ein, so ergibt sich: ω (ω02 − ω 2 )z0 · sin(ωt + φ) + z0 cos(ωt + φ) = α0 sin ωt (41) τ Zur Vereinfachung der weiteren Rechnung verschieben wir den Zeitnullpunkt t′ = t + (φ/ω) und erhalten: ω (ω02 − ω 2 )z0 · sin(ωt′ ) + z0 cos(ωt′ ) = α0 sin(ωt′ − φ) (42) τ Wendet man nun das trigonometrische Additionsgesetz sin(α + β) = sin α · cos β + cos α · β (43) auf die rechte Seite von Gl. 42 an, so folgt: ω (ω02 −ω)z0 sin(ωt′ )+ z0 cos(ωt′ ) = α0 (sin(ωt′ )·cos φ−cos(ωt′ )·sin φ) (44) τ 13 Dies ist für alle Zeiten t′ erfüllt, wenn die Koeffizienten von cos(ωt) und sin(ωt) auf beiden Seiten gleich groß sind, d.h. wenn ω (ω02 − ω 2 )z0 = α0 · cos φ und z0 = −α0 sin φ (45) τ Die Division beider Gleichungen 45 führt zur Bestimmungsgleichung für φ tan φ = −ω/τ Phasenverschiebung ω02 − ω 2 (46) Quadrieren wir beide Gleichungen 45 und addieren sie anschließend, so erhalten wir eine neue Gleichung (ω02 − ω 2 )2 z02 + (ω/τ )2 z02 = α02 , (47) die nur noch die Amplitude z0 enthält. Daraus folgt: z0 = √ α0 (ω02 − ω 2 )2 + ω 2 /τ 2 Amplitude (48) Wir fassen diese Rechnung zusammen: Wenn φ und z0 die Werte von Gl. 46 und Gl. 48 annehmen, erfüllt der Lösungsansatz 39 tatsächlich die Bewegungsgleichung 38. Die erzwungene Schwingung hat also die gleiche Frequenz wie die äußere Kraft und eine konstante Amplitude; äußere Kraft und Auslenkung sind jedoch gegeneinander phasenverschoben. Als nächstes wollen wir anhand einiger Kurven die Bedeutung dieser Lösung veranschaulichen. Zur Phasenverschiebung Aus der Gleichung 46 ergibt sich nebenstehender Verlauf des Phasenwinkels φ in Abhängigkeit von ω: Er ist immer negativ, d.h. die Auslenkung z hinkt hinter der Kraft F her, wie in Abb. 12 angedeutet. Diese Phasenverschiebung ist bei niedriger Frequenz (ω ≪ ω0 ) gering, beträgt −90◦ für ω = ω0 und bei sehr hohen Frequenzen sogar fast −180◦ , d.h. die Bewegung erfolgt entgegen der wirkenden Kraft. Zur Amplitude Der Frequenzgang der Amplitude z0 , so wie er sich aus Gl. 48 ergibt ist in Abb. 13 dargestellt. Im Grenzfall sehr kleiner Frequenzen (ω ≪ ω0 ) ergibt sich eine frequenzunabhängige Auslenkung: z0 (ω = 0) = α0 F0 F0 = = ω02 mω02 Federkonstante 14 (49) w0 0 w w0t = 10 -90 w0t = 1 -180 Figure 12: Phasenverschiebung einer erzwungenen Schwingung als Funktion der Kreisfrequenz ω. Dies ist das bekannte Hookesche Gesetz. Die Amplitude √wächst dann mit größer werdender Frequenz an und erreicht für ωr = ω02 − 1/(2τ 2 ) ein Maximum. Hat die erzwungene Schwingung einen großen Gütefaktor Q = ω0 τ ≫ 1, was häufig der Fall ist, so gilt näherungsweise ωr ≈ ω0 , und die Resonanzüberhöhung ergibt sich nach Gl. 48 zu z0 (ωr ) z0 (ω0 ) α0 τ /ω0 ≈ = = ω0 τ = Q z0 (ω = 0) z0 (ω = 0) α0 /ω02 (50) Der in Gl. 35 eingeführte Gütefaktor Q bestimmt also die maximal erzielbare Resonanzüberhöhung. Bei sehr hohen Frequenzen (ω ≫ ω0 ) fällt die Amplitude wieder auf Null. z0(w) w0t >> 1 at zmax ~ w0 0 a0/w0 2 w w0 Figure 13: Amplitude einer erzwungenen Schwingung als Funktion der Kreisfrequenz ω. Zur absorbierten Leistung: Sehr häufig sind die schwingenden Teilchen so klein (z.B. Atome, Kerne, Elektronen), daß wir ihre Auslenkung nicht ohne weiteres beobachten können. In diesem Fall ist vielmehr die von der periodischen Kraft pro Zeiteinheit am Oszillator geleistete Arbeit beobachtbar. 15 Diese von der äußeren Kraft F vollbrachte und vom Oszillator absorbierte Leistung wollen wir daher ermitteln: Die Momentanleistung ist gleich der pro Zeiteinheit geleistete Arbeit: dz P (t, ω) = F (t) · = F0 · sin(ωt) · z0 · ω · cos(ωt + φ) (51) dt oder wegen cos(ωt + φ) = cos(ωt) · cos φ − sin(ωt) · sin φ: [ ] P (t, ω) = F0 z0 ω cos φ (sin ωt cos ωt) − sin φ sin2 ωt (52) oder nach weiteren trigonometrischen Umformungen (mit sin ωt cos ωt = 2 1 1 1 2 sin 2ωt und sin ωt = 2 − 2 cos 2ωt): [ ] sin φ sin φ cos φ P (t, ω) = F0 z0 ω sin 2ωt + cos 2ωt − F0 z0 ω (53) 2 2 2 Nun wollen wir über eine Periode oder ein Vielfaches davon die zeitlich gemittelte Leistung angeben: ∫ 1 t P (ω) = lim P (t′ , ω)dt′ (54) t→∞ t 0 Da der erste Term in der eckigen Klammern von Gl. 53 (wegen sin 2ωt und cos 2ωt) gleich häufig positiv und negativ wird, verschwindet er bei der Mittelwertbildung. Nur das letzte Glied gibt einen Beitrag: sin φ P (ω) = −F0 z0 ω (55) 2 oder wegen der rechten Gl. 45, F0 = α0 · m und Gl. 48: 1 ω 2 /τ 2 P (ω) = mα0 · Absorbierte mittlere Leistung 2 2 (ω02 − ω 2 ) + ω 2 /τ 2 (56) Wir stellen fest: Die absorbierte Leistung zeigt ebenfalls ein ausgeprägtes Maximum bei der Resonanzfrequenz ω0 und fällt beiderseitig (bei hohen und tiefen Frequenzen) auf Null (Abb. 14). Ein weiteres wichtiges Kennzeichen der Resonanzkurve für die absorbierte Leistung in Abb. 14 ist die Schärfe des Resonanzmaximums. Beschränken wir uns auf den Fall großer Gütefaktoren Q = ω0 τ ≫ 1, so sinkt nach Gl. 56 die absorbierte Leistung vom Maximmalwert Pmax auf die Hälfte, sobald ω um ∆ω = 1/2τ von der Resonanzfrequenz ω0 abweicht. Die in Abb. 14 dargestellte Linienbreite 2∆ω = 1 Linienbreite τ 16 (57) P(w) 2 Pmax = ma0 t/2 1/t = 2Dw Pmax/2 w0 w Figure 14: Die absorbierte mittlere Leistung für eine erzwungene Schwingung als Funktion der Kreisfrequenz ω. definiert die Schärfe des Resonanzmaximums: 2∆ω 1 1 = = ω0 ω0 τ Q (58) Beispiel: Infrarotabsorption in NaCl-Kristallen Ein Kochsalz-Kristall ist aus positiven Na+ -Ionen und negativen Cl− Ionen aufgebaut, die elastisch um ihre Ruhelage gegeneinander schwingen können. Da diese Ionen geladen sind, kann man ihre Schwingung durch eine oszillierende Kraft anregen, wie sie z.B. in jeder elektromagnetischen Welle existiert. Figure 15: Kubische Struktur eines Kochsalz-Kristalls: bei Einstrahlung einer elektromagnetischen Welle werden die positiven Na+ -Ionen und negativen Cl− -Ionen durch das elektrische Feld gegeneinander ausgelenkt und schwingen damit im Takt des elektrischen Feldes. Durchstrahlt man daher ein nur etwa 0,1 µm dünnes NaCl-Plättchen mit einer (infraroten) elektromagnetischen Welle variabler Frequenz, so zeigt die durchgelassene Intensität (gestrichelte obere Kurve in Abb. 16) ein deutliches Minimum infolge einer Resonanzabsorption in der Probe. 17 Die entsprechende absorbierte Intensität ist ebenfalls - als volle Kurve miteingezeichnet. Die Resonanzfrequenz beträgt - wie man sieht - ω0 = 3 · 1013 Hz, die Linienbreite 2∆ω = 1/τ = 0, 3 · 1013 Hz und daher der Gütefaktor dieses Resonators Q = ω0 τ = 10. Das heißt, diese Schwingung ist relativ stark gedämpft: Bei einer freien Schwingung würde die Amplitude schon nach etwa 3 Perioden auf den e-ten Teil abklingen. Figure 16: Absorption und Transmission von infrarotem Licht variabler Frequenz in einem dünnen NaClPlättchen: Die geringe Schärfe des Resonanzmaximums ist auf die starke Kopplung von Schwingungen im Kristall zurückzuführen. 18