Aus der Lungenklinik des Städtischen Krankenhauses Köln-Merheim Chefarzt Privat Dozent Dr. med. E. Stoelben Therapiemöglichkeiten zur Behandlung des inoperablen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms mit kombinierter simultaner Strahlen- und Chemotherapie (Carboplatin und Vinorelbin) Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. Vorgelegt 2007 von Anna Stei geboren in Bagara 1 Dekan: Prof. Dr. med. C. Peters 1. Gutachter PD Dr. med. E. Stoelben 2. Gutachter PD Dr. med. C. Stremmel Jahr der Promotion 2008 2 Mein Dank gilt Herrn PD Dr. Stoelben für die Überlassung des Themas. Seine stets mögliche Ansprechbarkeit waren mir eine große Hilfe. Herrn PD Dr. Stremmel danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. 3 In Dankbarkeit meiner Mutter gewidmet. 4 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Zielsetzung der Dissertation zum Thema kombinierte simultane Strahlen- und Chemotherapie 2 7-16 Allgemeine Einführung 2.1 Ätiologie und Epidemiologie des Bronchialkarzinoms 17-21 2.2 Histologie 22 2.3 Stadieneinteilung 23-24 2.4 Leistungsindex 3 25 2.5 Prognose 26-27 2.6 Diagnostik 28-32 2.7 Therapiestrategie 33-37 Material und Methodik der kombinierten simultanen Strahlen- und Chemotherapie 3.1 Patientengut 38 3.2 Methode der Chemotherapie 38 3.3 Methode der Strahlentherapie 39-40 3.4 Statistik 41 5 4 Ergebnisse der kombinierten simultanen Strahlen- und Chemotherapie 4.1 Geschlecht-, Alter-, Leistungsindexverteilung 42-43 4.2 Stadienverteilung und Histologie 44-47 4.3 Strahlentherapiedosis und Applizierte Zyklen der Chemotherapie 48 4.4 Remissionsrate 49-50 4.5 Todesursachen 51 4.6 Nachbeobachtungszeit und Überlebenszeit 52-53 4.7 Analyse der Überlebenszeit 54-56 4.8 Nebenwirkungsprofil 5 Diskussion 6 Zusammenfassung 7 Literaturverzeichnis 8 Anhang 57 58-62 63 64-79 8.1-8.5 Tabellen 80-83 8.6-8.9 Abbildungen 84-87 6 1 Einleitung und Zielsetzung Das Bronchialkarzinom gehört zu den häufigsten Malignomen der westlichen Welt und hat von allen Bronchialleiden die ungünstigste Prognose. Männer sind von diesem sehr häufigen und sehr bösartigen Tumor etwa dreimal häufiger betroffen als Frauen. Während die Zahl der erkrankten Männer nach jahrzehntelangem Anstieg jetzt auf einem hohen Niveau verbleibt, steigt sie bei Frauen stetig an und hat bereits in Amerika das bislang an erster Stelle stehende Mammakarzinom überrundet. Folgende Grafik zeigt diese Entwicklung anhand der Mortalität in Europa anschaulich: Die jährliche Zuwachsrate des Bronchialkarzinoms beträgt etwa 0,5 %. 7 Im Gebiet der Europäischen Union hat das Bronchialkarzinom einen Anteil von 21 % an allen Krebsfällen mit einer Inzidenz von 60/100.000 Personen/Jahr. Es ist bei Männern in Deutschland für 29 % aller Krebstodesfälle verantwortlich, bei Frauen in der EU für 8 %, in den USA bei Männern für 34 % und bei Frauen für 22 % [56,65] In Deutschland erkranken jährlich ca. 40.000 Menschen an einem Bronchialkarzinom. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt für alle Stadien zusammen bei nur etwa 13%, zum Beispiel verstarben im Jahr 2002 in Deutschland 39105 Menschen an einem Lungenkarzinom(73,5% Männer, 26,5% Frauen) [56, 65]. Unter den verschiedenen histologischen Typen haben die nichtkleinzelligen Karzinome (NSCLC) ein Anteil von ungefähr 75 %, 25 % sind kleinzellige Karzinome (SCLC). Das kleinzellige Bronchialkarzinom ist gekennzeichnet durch eine sehr rasche Tumorverdopplungszeit, frühzeitige Metastasierungs-stendenz, kürzere mittlere kleinzelligen Überlebenszeit. Die Bronchialkarzinoms ist Behandlungs-grundlage daher die des systemische Chemotherapie. Damit werden eine hohe Ansprechrate, eine signifikante Lebensverlängerung und eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht. Bei dem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom handelt es sich zumeist um Plattenepithekarzinome, die zusammen mit den Adenokarzinomen sowie großzelligen Karzinomen die größte Gruppe der nichtkleinzelligen Bronchialkarzinome bilden. Auf-grund des mäßigen Ansprechens auf alleinige Chemotherapie besteht die Primärtherapie des nichtkleinzelligen Bronchial-karzinoms, im Gegensatz zum kleinzelligen Bronchialkarzinom, 8 aus lokalen Maßnahmen wie Operation und Strahlentherapie, zunehmend kombiniert mit multimodalen Konzepten [79]. Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose haben etwa 30 % der Patienten ein Tumorstadium, das einen kurativen Ansatz durch Operation erlaubt, 40 % zeigen einen mediastinalen Lymphknotenbefall und bei 30 % der Patienten liegen extrathorakale Metastasen vor [96]. Wegen eines hohen Anteils von Patienten mit primärem mediastinalem Lymphknotenbefall (40 %) zum Zeitpunkt der Erstdiagnose wird in den letzten Jahren in zahlreichen Studien das Zwei-Kompartment Modell der kombinierten Strahlen- und Chemotherapie untersucht. Die Zielsetzung dieses Therapieeinsatzes beruht auf zwei Vorstellungen. Einmal hofft man bei lokoregionären Erkrankungen mit der Strahlentherapie die lokale Ausdehnung zu verhindern; Zum Anderen, durch die simultane Chemotherapie, außer einem erhofften „Radiosensitizers“ Effektes auch die Metastasierung zu beeinflussen. Die Tumorstadien I und II, bedingt auch III A, werden primär chirurgisch versorgt. Hierbei ergeben sich folgende 5-Jahres-Überlebensraten [56]: 5 J - Überlebensrate nach Tumorstadium Stadium I Stadium II Stadium III A Stadium III B Stadium IV 60-75% 30-50% 20% < 5% Überleben nur in Einzelfällen 9 Im Falle der Fernmetastasierung (Stadium IV) wird die Behandlung im Sinne einer Palliation mittels Chemotherapie durchgeführt. Die Therapie führt zu Symptomreduktion und einer geringen Verlängerung des Überlebens. Lokal fortgeschrittene Tumoren (IIIA und IIIB) weisen noch keine systemische Ausbreitung auf und sind gleichzeitig nur in einem begrenzten Teil resektabel. Für diese Patienten kommt eine nicht operative Therapie unter kurativem Ansatz in Frage. Patienten mit einem inoperablen lokal fortgeschrittenen NSCLC wurden im Regelfall früher ausschließlich einer alleinigen Strahlentherapie zugeführt. Die Phase III Dosiseskalationsstudie 73-01 der RTOG für Patienten im Stadium III A zeigte ein signifikant besseres 3-Jahresüberleben zugunsten den höheren Gesamtstrahlendosen: Überleben bei Gesamtdosis 60 Gy 15% den Patienten; bei der Gesamtdosis 40 Gy 6% den Patienten [101]. Phase III Dosiseskalationsstudie 73-01 der RTOG für Patienten im Stadium III A Gesamtdosis (1x2 Gy/die) Patientenzahl loko-reg Kontrolle Überleben 3 J (%) Überleben 5 J (%) 40 Gy 206 18 6 6 50 Gy 92 22 10 6 60 Gy 85 32 15 6 In der 5-Jahre-Überlebenszeit lässt sich schon kein signifikanter Überlebensunterschied mehr nachweisen: 6 % Überleben bei Gesamtdosis von 60 Gy und 6 % bei Gesamtdosis von 40 Gy. Wegen der unbefriedigenden Langzeitergebnisse versuchte man mit langer Zeit durch die Kombination mehrerer Therapieansätze, z.B. Eskalation der Bestrahlungsdosen sowie durch die Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie die Ergebnisse zu verbessern. 10 Mitte der 80iger Jahre durchgeführte Untersuchungen mit Vergleich einer alleinigen Strahlentherapie versus Chemotherapie mit anschließender Strahlentherapie erbrachten keinen signifikanten Vorteil für die chemotherapierten Patienten [48, 62]. Hauptproblem in diesen Studien ist die Gabe von Chemotherapiekombinationen mit nicht ausreichender Wirkung bei nichtkleinzelligen Bronchialkarzinomen. Neuere Untersuchungen der Cancer und Leukämie Group B (Dillmann et al. 1990), der französischen Arbeitsgruppe (LeChevalier et al. 1991) und einer multizentrischen deutschen Studie (Wolf et al. 1994)) zeigen bei Verwendung von neueren Chemotherapie-Kombinationen einen signifikanten Vorteil für die chemotherapeutisch behandelten Patienten [26, 84, 96]. In der Studie von Dillmann et al. (1990) wurden 155 Patienten im Stadium III A mit T3- und/oder N2-Tumoren entweder nur bestrahlt (Tumordosis 60 Gy) oder simultan mit einer Chemotherapie Cisplatin/Vinblastin behandelt. Die Kombination aus simultaner Strahlen- und Chemotherapie führte im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie zu einem signifikanten Anstieg der medialen Überlebenszeit um ca. vier Monate auf 13,8 Monate. Die Überlebensrate nach einem, zwei oder drei Jahren stieg von 40, 13 und 11 % auf 55, 26 bzw. 23 % zugunsten der kombinierten, simultanen Strahlen- und Chemotherapie an. [26, 84]. Blanke und Johnson haben die Ergebnisse von 8 randomisierten Studien zusammengefasst, die die alleinige Strahlentherapie mit der Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie beim lokal fortgeschrittenen inoperablen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom verglichen haben. Bei insgesamt ca. 1.500 Patienten lag die mediane Überlebenszeit mit der alleinigen Strahlentherapie zwischen 9,6 und 12,3 Monaten und bei der 11 Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie bei 9,9 bis 16 Monaten [12]. In einem Teil der Studien konnten in der 1-Jahres-Überlebensrate keine Unterschiede zugunsten der Chemo-Radiotherapie nachgewiesen werden, wie z.B. bei Mattson und Blanke[12, 62], während in anderen Studien die Überlebensrate um ca. 10 - 15 % anstieg [12]. In einer weiteren Metaanalyse wurden 14 Studien ausgewertet, in denen zehnmal eine platinhaltige und viermal eine platinfreie Chemotherapie gegeben wurde. In neun Studien wurden zuerst die Chemo-, dann die Strahlentherapie sequentiell appliziert und in fünf Studien wurden beide Therapieformen simultan durchgeführt [36]. Die Gabe von platinhaltiger Chemotherapie führte nach 1 und 2 Jahren zu einer signifikanten Reduktion der Todesrate um 24 bzw. 30 %, während nicht platinhaltige Kombinationen mit 5 bzw. 18 % Reduktion der Todesrate weniger effektiv waren [36]. Nach 3 Jahren ließ sich kein Unterschied mehr zugunsten der Kombination aus Strahlen- und platinhaltiger Chemotherapie nachweisen [12, 76, 78]. Folgende Studien mit Vergleich einer alleinigen Strahlentherapie (RT) mit einer Radiochemotherapie (RCT) von Dillmann et al. (1996), Sause et al. (2000), Jeremic et al. (1996) sowie Schaake-K. et al. (1992) zeigten ebenfalls signifikant bessere mediane Überlebenszeiten zugunsten der Radiochemotherapie [26, 47, 71, 72]: 12 Zusammenfassung der Ergebnisse Mediane ÜLZ (Mo) Sause et al 2000 Dillmann et al 1996 Jeremit et al 1996 Schaake-K. et al 1992 2 J-ÜLR (%) p RT RCT RT RCT 12,2 13,7 21 33 0,05 9,6 13,7 13 26 0,01 14 22 9 22 0,02 12 12 9 26 0,04 Studien von Furuse et al.(1999), Curran et al.(2003), Pierre et al.(2001),Zemanova et al.(2002) verglichen die simultane und die sequentielle kombinierte Chemo-Strahlentherapie. Dabei ergaben sich signifikant bessere mediane Überlebenszeit von ca. 17 Monaten und 2-Jahres-Überlebensraten von 30% zugunsten der simultanen kombinierten Strahlen – Chemotherapie [23, 98]: Zusammenfassung der Ergebnisse Mediane ÜLZ (Mo) Curran et al 2003 Zemanova 2002 Furuso et al 1999 Pierre et al 1996 2 J-ÜLR (%) p sim. RCT seq. RCT sim. RCT seq. RCT 17,5 14,6 21 12 0,04 20,6 13,2 42 15 0,02 16,5 13,3 22,3 14,7 < 0,05 15 13,8 35 22 0,41 13 Eine kleinere randomisierte Studie zur Frage der simultanen gegenüber der sequentiellen Chemo-Strahlentherapie wurde von Zatloukal et al. [31] aus Prag auf dem ASCO(American Society of Clinical Oncology) 2002 vorgestellt. 102 Patienten erhielten eine Chemotherapie mit Vinorelbin und Cisplatin und wurden randomisiert in 2 Armen: Arm A Strahlentherapie simultan zum zweiten Chemotherapiezyklus; Arm B Strahlentherapie nach Ende der Chemotherapie. Hier war die Remissionsrate mit 80 % im simultanen Arm A deutlich günstiger gegenüber den 47% im sequentiellen Arm B. Auch die mediane Überlebenszeit lag mit 20,5 Monaten im Arm A deutlich über der des sequentiellen Armes mit 13 Monaten. Diese Studie hat somit die Überlegenheit einer simultanen Chemo-Strahlentherapie gegenüber einem sequentiellen Vorgehen noch einmal bestätigt ]98]. Neben randomisierten Therapiestudien wurden einige kleinere Phase-IIStudien zu simultanen Chemo-Strahlentherapieansätzen mit verschiedenen Chemotherapeutika publiziert [9,19, 91,94]. Aus diesen Studien geht hervor, dass bei der Verwendung von Gemzitabin simultan zur Strahlentherapie mit einer hohen Komplikationsrate und Entwicklung von Pneumonitiden und Strahlenfibrose zu rechnen ist. Bei der Verwendung von Taxanen parallel zur Strahlentherapie ist mit einer höheren Rate von Strahlenoesophagitiden Grad III bis IV zu rechnen. Die Kombination Vinorelbin und Platinderivat bei simultaner ChemoRadiotherapie zeigte die niedrigste Neutropenie- und Thrombozytopenierate von 13 bzw. 2 % im Vergleich zu 16 bzw. 6 % bei Taxanenkombination und 36 bzw. 56 % in der Gemzitabine-Kombination. Auch die Häufigkeit der Strahlenoesophagitis lag bei der Kombination Vinorelbin und Platinderevaten simultan mit Strahlentherapie mit 25 % deutlich niedriger als bei Taxanen mit 39 % und Gemzitabin mit 52 %. 14 Die genannten Nebenwirkungen werden in folgender Tabelle zusammengefasst: Therapie-Nebenwirkungen Neutropenie Grad 3/4 Trombozytopenie Grad 3/4 Ösophagitis Grad 3/4 Vinorelbin Taxane Gemzitabin 27% 53% 51% 2% 6% 56% 25% 39% 52% Die vorgestellten Studien untermauern noch einmal die bestehende Auffassung, dass eine simultane Chemo- und Strahlentherapie das effektivste Behandlungsprotokoll für diese Patientenpopulation darstellt. Zu bedenken bleibt, dass Chemo-Strahlentherapieprotokolle nur für Patienten mit gutem Allgemeinzustand und in jüngerem Alter in Betracht kommen, da die erhöhte Toxizität sorgfältig gegenüber dem zu erwartenden Lebensgewinn abgewogen werden muss. Zusammenfassend hat sich für das nicht resektable Stadium III A/B in den vergangenen Jahren die Durchführung einer simultanen kombinierten RadioChemotherapie als das wirkungsvollste Therapiekonzept etabliert. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Behandlungsergebnisse von Patienten, die in der Lungenklinik und Abteilung für Strahlentherapie des Krankenhauses Köln-Merheim im Zeitraum vom 21.05.2001 bis 04.08.2003 wegen eines lokal fortgeschritenen inoperablen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom mit einer kombinierten simultanen Radio-Chemotherapie behandelt worden sind darzustellen. Bei Vergleich der verschiedenen Kombinationsregimen legten wir großen Wert auf die akuten und chronischen Nebenwirkungen, so dass für unsere Patienten mit lokal fortgeschrittenem 15 inoperablem nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom die kombinierte Radio-Chemotherapie mit Carboplatin und Vinorelbin gewählt wurde. 16 2 Allgemeine Einführung 2.1 Ätiologie und Epidemiologie des Bronchialkarzinoms Das Bronchialkarzinom ist die häufigste Tumorerkrankung in den westlichen Industrienationen: Von 1940 bis 1980 findet sich bei Männern eine rasch steigende Inzidenz von 10 auf 70 pro 100.000 Einwohner. Beim weiblichen Geschlecht besteht seit 1965 eine permanent steigende Inzidenz von 5 auf 30 pro 100.000 Einwohner. Circa 90 % der Patienten versterben an ihrer Erkrankung. Das Bronchialkarzinom ist die häufigste tumorbedingte Todesursache beim Mann und die zweithäufigste (nach dem Mammakarzinom) bei der Frau. [56,65,100] 17 Altersverteilung: Altersgipfel liegt bei 60 Jahren mit langsam steigender Tendenz ab dem 25. Lebensjahr. Ätiologie: Die größte Bedeutung für die Entstehung des Bronchialkarzinoms hat der Zigarettenkonsum. Ihm werden ca. 80-85 % der Todesfälle angelastet. Auf das Rauchen sind ca. 80 % der Lungentumoren beim Mann und 70 % bei den Frauen zurückzuführen. Das Risiko eines Lungentumors steigt mit der Anzahl der Zigaretten, der Dauer des Rauchens, der Teer- und Nikotinkonzentration der Zigaretten und fällt mit dem Alter bei Beginn des Rauchens. Bei über 40 „Packungsjahren“ (1 Packungsjahr ist das Produkt aus der Zahl der täglich gerauchten Packungen und der Raucherjahre.) geht der Raucher gegenüber dem Nichtraucher ein 11fach höheres Risiko 18 ein. Nach Einstellen des Nikotinkonsums sinkt das Risiko, ohne die Risikowerte für Nichtraucher zu erreichen. Auch Passivrauchen kann ein Bronchialkarzinom auslösen. Das Risiko, durch Passivrauchen an Lungenkrebs zu erkranken ist gegenüber nicht exponierten Probanden um 20 bis 24% erhöht. Für Deutschland werden jährlich 400 Nichtraucher geschätzt, in den USA etwa 3000, die durch Passivrauchen allein an Lungenkrebs sterben [28, 50, 99, 100]. Im Zigarettenrauch befinden sich schädliche Stoffe wie Nikotin und Teer, ferner Partikel und Gase mit ebenfalls kanzerogenen Substanzen sowie kanzerogene Verbindungen (Hydrogencyamid und Formaldehyd), die zilliotoxisch sind und eine Schrittmacherfunktion für das Entstehen eines Bronchialkarzinom haben. [53,56,65] Weitere Karzinogene stellen Asbest (nachgewiesener Synergismus zum Rauchen), Radon, Uran, Zink, Nickel, Arsen, Beryllium sowie Chemikalien wie Senfgas, Chlorid und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe dar. Da man sich den entsprechenden schädlichen Einwirkungen in den jeweiligen Berufen nicht entziehen konnte, wurde das Bronchialkarzinom als Berufskrankheit anerkannt bei nachgewiesenem langjährigen Kontakt mit Asbest (BK Nr. 4104,4105), Arsen (BK Nr. 1108), Nickel (BK Nr. 4109), Zinkchromaten, Dichlordimethyläther (BK Nr. 1310), Dichloridiäthylsulfid (BK Nr. 1311); silikotisches Narbenkarzinom (BK Nr. 4101); ionisierende Strahlung (BK Nr. 2402); Kokereirohgase (BK Nr. 4110)[13]. Bronchialkarzinome kommen des Weiteren in örtlichem Zusammenhang mit spezifischen oder unspezifischen Narben oder silikotischen Schwielen in der Lunge vor. Auch bei chronischen interstitiellen Lungenerkrankungen ist die Karzinominzidenz 14fach erhöht. Dabei spielen sicherlich neben chronisch entzündlichen Veränderungen 19 und einem gesteigertem Zellumsatz Störungen in der mucoziliären Clearance inhalierter Karzinogene eine Rolle [56, 96, 99]. In Tierstudien korreliert eine hohe enzymatische Aktivität des Cytochorm-P 450-System mit einem erhöhten Karzinomrisiko [56]. Äthiologie Grafik Genetische Prädisposition: Abgesehen von exogenen Faktoren dürfte auch eine endogene, genetisch schwierig nachweisbare Disposition eine Rolle spielen. Beispielsweise haben Kinder von einem an Bronchialkarzinom verstorbenen Elternteil ein 2-3x höheres Risiko, selbst an einem Bronchialkarzinom zu erkranken. Mehrere genetische Faktoren Bronchialkarzinoms bei: 20 tragen zur Entwicklung eines Eine erhöhte Cytochrom-P450-Aktivität führt zur vermehrten Bildung von chemischen Kanzerogenen aus Zigarettenrauch und chemischen Verbindungen. Die Cytochrom-P450-Aktivität wird autosomal rezessiv vererbt und spielt für das Adenokarzinom eine untergeordnete Rolle. Eine verminderte Gluthationtransferaseaktivität führt zu einer verminderten Detoxifikation von aromatischen Kohlenwasser-stoffverbindungen [75]. Die Enzymaktivität wird autosomal-dominant vererbt und erscheint insbesondere bei der Entwicklung von Adenokarzinomen von Bedeutung zu sein. Eine verminderte Aktivität von DNS-Reparaturenzymen wie O6- Methylguanin-DNS-Methyltransferase ist bei Bronchialkarzinom-patienten unter 50 Jahren und positiver Familienanamnese nachgewiesen worden [70,75]. Primäre Prävention: Verzicht auf Rauchgewohnheiten. Die Wirksamkeit einer zusätzlichen Einnahme von Antioxidantien wie Vitamin C und E ist umstritten, eine Senkung der Karzinominzidenz ist bei Risikopatienten nicht belegt. 21 2.2 Histologie Nach histologischem Befund werden die Bronchialkarzinome allgemein in kleinzellige und nichtkleinzellige Karzinome unterteilt. Die nichtkleinzelligen Bronchialkarzinome haben ein Anteil von ungefähr 75 %, zumeist handelt es sich um Plattenepithel-karzinome, die zusammen mit den Adenokarzinomen sowie großzelligen Karzinomen die Gruppe der nichtkleinzelligen Bronchialkarzinome bilden. [37] Neben der morphologischen Klassifikation kann der Grad der Differenzierung (Grading) angegeben werden. G1: Hochdifferenzierter Tumor, imitiert das Herkunftsgewebe stark und lichtmikroskopisch eindeutig G2: Mäßig differenziert G3: Schlecht differenziert, Ausgangsgewebe kaum erkennbar, ultrastrukturelle Untersuchungen notwendig G4: Entdifferenzierter Tumor, Herkunft nicht nachweisbar Gx: Grading nicht beurteilbar Je weniger differenziert der Tumor ist, um so höher ist der Malignitätsgrad. 22 2.3 Stadieneinteilung Zur Therapieplanung und damit Prognosestellung ist eine möglichst genaue Beurteilung der Ausdehnung des Tumorleidens notwendig. Hilfreich ist bei den nichtkleinzelligen Bronchialkarzinomen (NSCLC) die international gebräuchliche Anwendung der TNM-Klassifikation. Bei der TNM-Klassifikation wird die Ausbreitung des Primärtumors = T mit X bis 4 klassifiziert, der Befall der regionären Lymphknoten = N mit X bis 3 und das Vorhandensein von Fernmetastasen = M mit X, 0 und 1. (Anhang, Tabelle Nr. 8.1) Erst die Kenntnis der Ausdehnung des Bronchialkarzinoms (TNM) erlaubt die für ein Therapiekonzept notwendige, seit 1987 gültige, 1997 modifizierte Einteilung in Tumorstadien. (Anhang, Tabelle Nr. 8.2) 23 Stadium IA Stadium IB Stadium IIA Stadium IIB Stadium IIIA Stadium IIIB copyright 24 2.4 Leistungsindex: Wie sich aus der Lokalisation und Ausdehnung der Erkrankung ergibt, kann ein Bronchialkarzinom anfangs beschwerdefrei oder beschwerdearm sein. Es kann aber auch im weiteren Verlauf hochgradig die Lebensqualität und damit die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Dies definierte Karnofsky, in der nach ihm benannten Skala, mit einer Einleitung von 100 % - 10 %, entsprechend gibt es eine WHO (ECOG) Skala von 0-4 (Anhang, Tabelle Nr. 8.3, 8.4) 25 2.5 Prognose: Unbehandelten Bronchialkarzinome haben eine 5-Jahres-Überlebensrate von 0,01 bis 1,5 % mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von 2 bis 10,6 Monate [80]. Die 5-Jahres-Überlebensrate der behandelten Bronchialkarzinome ist vom Tumorstadium abhängig und beträgt für alle Patienten ca. 10-13 % . Die Prognose hängt entscheidend von der Tumorausdehnung ab. Folgende Überlebenswahrscheinlichkeiten beim NSCLC sind zu erwarten (Schmoll, Hoeffken, Possinger, Springer-Verlag 2000): 5-J-ÜLR für alle Patienten Stadien Mediane Überlebenszeit (in Mo) 5-J-Überlebensrate (in %) Stadium I A 75-80% Stadium I B 55-60% Stadium II A 55-60% 36 35-40% 36 35-40% 16 15% Stadium III B 10-12 5% Stadium IV 6 < 1% Stadium II B Stadium III A (T3N1M0) Stadium III A (T1-3N2M0) 26 5-Jahres-Überlebensrate bei NSCLC in Abhängigkeit von TNMStadium basierend auf den operativen Ergebnisse (Naruke et al. 1988) sind: 5-J-ÜLR basierend auf die operativen Ergebnisse T1N0M0 75,50% T2N0M0 57% T1N1M0 52,50% T2N1M0 38,40% T3N0M0 33,30% T3N1M0 39% T1-3N2M0 15,10% T4N0-3M0 8,40% T1-3N3M0 0% Neben der Tumorausbreitung ist die 5-Jahres-Überlebensrate von der Histologie (nicht plattenepitheliale Karzinome haben schlechterer Prognose wegen gesteigerter Metastasierungs-tendenz), des Alters des Patienten (ein höheres Alter ist mit ungünstiger Prognose wegen Comorbiditäten vergesellschaftet), des Patientenleistungsindexes abhängig. Ein prätherapeutischer Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Körpergewichtes in den letzten 3 Monaten, männliches Geschlecht, das Vorliegen von metastasenassoziierten Tumorsymptomen, die Erhöhung der Laktatdehydrogenase (LDH), Erhöhung des Serumkalziumspiegels und die Erhöhung der Harnsäure haben signifikant ungünstige Einflüsse auf die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten. 27 2.6 Diagnostik Ziel der standartisierten Diagnostik ist eine möglichst exakte Bestimmung der Histologie sowie der Tumorausbreitung. Bei multimorbiden Patienten ist zusätzlich eine exakte Risikoabgrenzung hinsichtlich einer evtl. Operation notwendig [2,37]. 1. Stufe: Diagnoseverdacht Anamnese: führende Krankheitssymptome sind meist Husten und Hämoptysen. Symptome in Form von Dyspnoe, Thorax-schmerzen, Heiserkeit, Dysphagie, Stridor weisen auf eine lokal fortgeschrittene Erkrankung hin. Kopf-, Rücken- sowie Oberbauchschmerzen mit Übelkeit sind Zeichen einer bereits eingetretenen Metastasierung. Klinische Untersuchung, Basislaboruntersuchungen, Röntgenauf-nahme des Thorax in 2 Ebenen, Lungenfunktion und Blutgasanalyse sind die Standarduntersuchungen. 2. Stufe: Diagnosesicherung Thorax-CT Histologiegewinnung mittels Bronchoskopie oder ggf. Mediastinoskopie, transthorakale Biopsie, Lymphknoten-exstirpation, diagnostische Thorakotomie. 28 Thorakoskopie, 3. Stufe: Ausschluß einer Fernmetastasierung Oberbauchsonographie oder CT Abdomen Knochenszintigraphie Kernspintomografie Hirn alternativ Positronenemissionstomogramm als PET-CT 4. Stufe: Bestimmung der Operabilität Technische Resektabilität: Röntgendurchleuchtung des Thorax zur Prüfung einer N. phrenikus Parese und zur Abgrenzung eines peripher gelegenen Tumors zur Brustwand (T3Tumor). Ösophagusbreischluck, Ösophagoskopie bei Verdacht auf Ösophagusbeteiligung . Funktionelle Operabilität: Lungenfunktion, Blutgasanalyse, Lungenperfusionsszintigraphie, EKG, Belastungs-EKG, Spiro-Ergometrie. Leider sind nur ca. 30 % der Patienten für einen kurativ geplanten Eingriff geeignet. Steht die technische Operabilität in Frage, muß die Mediastinoskopie oder sogar die explorative Thorakotomie erwogen werden. Erst die histologische Sicherung des N3-Befalls schließt in den meisten Fällen einen operativen kurativen Eingriff aus. 29 Die präoperative Risikoabgrenzung dient der Prüfung der intraoperativen Belastbarkeit und der postoperativen Funktionsreserven. EKG, Blutgasanalyse in Lungenfunktionsuntersuchung Basisprogramm. Bei Ruhe mit und unter Spiroergometrie eingeschränkter Belastung, gehören Lungenfunktion wird zum eine Bodyplethysmographie, die Perfusionsszintigraphie mit quantifiziertem Seitenvergleich der Prüfung der funktionsfähigen Lungenabschnitte und der Bestimmung der prognostischen FEV1 nach einer Resektion dienen. Kriterien der Inoperabilität in kurativer Absicht Eine kurative Operation ist bei den folgenden Kriterien nicht mehr möglich: - Gesicherte Fernmetastasen - Gesicherte Pleurametastasen - Gesicherte supraclaviculäre, kontralaterale hiläre oder kontralaterale mediastinale Lymphknoten-metastasen. Infolge lokaler Gegebenheiten ist eine kurative und eine palliative Operation bei Tumorinfiltrationen des Ösophagus, der Wirbelsäule, des Herzens oder der Trachea nur unter besonderem Aufwand möglich. 30 Kriterien der funktionellen Inoperabilität Bei diesen Kriterien ist das Ausmaß der Operation (z.B. Lobektomie oder Pneumonektomie) zu berücksichtigen. - Biologisches Alter erheblich über 70 Jahre - Karnofsky-Index unter 50 % bzw. ECOG-Index über 2 - Gravierende andere Erkrankungen, z.B. Apoplex oder - Herzinfarkt vor weniger als 6 Monaten, manifeste - Herz-Insuffizienz - Funktionelle Grenzwerte (s.Algorithmus zur der Beurteilung Lungenfunktion der funktionellen Operabilität vor Lungenresektionen nach Schulz, Emsasslander, Riedel). 31 Schmoll, 1999 32 2.7 Therapie-Strategie Algorithmus zur Therapie des nichtkleinzelligen Bronchialkarzino (Schmoll, 1999) 33 Bei Patienten mit lokal begrenztem Tumorwachstum ohne Fernmetastasen, im Stadium T1-3, N0-2, M0, ist die primäre Operation allen anderen Therapieverfahren überlegen. Die Operation besteht in Lymphabflussgebietes im Mediastinum ipsilateral im Sinne einer systematischen Lymphadenektomie. Als Zugangsweg hat sich die postero-laterale Thorakotomie im 5. ICR bewährt. Die Indikationen für eine postoperative Strahlentherapie wurden lange Zeit kontrovers diskutiert, da keine der Studien eine signifikante Überlebensverbesserung erkennen ließ. In der Meta-Analyse der Postoperative Radiation Therapy (PORT)MetaAnalysis Trialists group, für die 9 randomisierte Studien mit individuellen Daten von rund 2100 Patienten ausgewertet wurden, führte die postoperative Strahlentherapie über alle Stadien zu einer signifikanten Überlebensverschlechterung von in Mittel 27%(p=0,0019) [68], dies betraf insbesondere die Stadien I, II, N0 und N1, während im Stadium III und N2 kein Unterschied erkennbar war. Basierend auf diese Daten, ist die postoperative Bestrahlung im Stadium I und II nicht indiziert. Im Stadium III gilt die Verbesserung der lokalen Kontrolle durch die postoperative Strahlentherapie heute als gesichert. In einer retrospektiven Analyse der Mayo-Klinik führte die postoperative Bestrahlung bei Patienten mit N2-Status zu einer signifikanten Verbesserung der 4-Jahres-Überlebensrate. Die Datenlage für die adjuvante Chemotherapie ist nach Vorstellung fünf großer Phase-III-Studien mit insgesamt mehr als 5000 Patienten in den Stadien I-III wesentlich umfangreicher als die zur postoperativen Radiatio. 34 In der ersten Untersuchung ALPI (Adjuvant Lung Projekt Italy) wurden 1200 Patienten der Stadien I-IIIA randomisiert der alleinigen Chirurgie oder zusätzlich einer Chemotherapie mit Mitomycin C, Vindesin und Cisplatin zugeteilt.Trotz der Reduktion NSCLC-bedingter Todesfälle im CisplatinArm fiel der Nutzen der adjuvanter Therapie wegen der hohen Rate toxizitätsbedingter Todesfälle nicht signifikant aus. Dagegen konnte in der IALLT(International Adjuvant Lung Cancer Trial) unter Verwendung auch neuerer Zytostatika-Kombinationen bereits eine signifikante Verbesserung der 5-Jahres-Überlebesrate um 4,1% im Vergleich zum Kontrollarm erreicht werden [55]. Noch ausgeprägter war der Benefit der adjuvanter Chemotherapie im Stadium IB und II in der Studie des NCIC(National Cancer Institute of Canada) mit einem Anstieg der 5-Jahres-Überlebensrate um absolut 15% [92]. Bestätigt wurde dieses Ergebnis durch die ANITA(Adjuvant Navelbine International Trialists Association)-Studie [26]. Aufgrund der derzeitigen Datenlage sollte Patienten im Stadium IA keine adjuvante Therapie angeboten werden. Auch bei Patienten im Stadium cIIIA, vor allem mit „bulky“ Tumoren, und im Stadium IIIB ist die adujvante Chemotherapie nicht indiziert; hier sollten andere multimodale Konzepte zum Einsatz kommen. Die adjuvante Chemotherapie sollte auf Patienten im Stadium IB und II nach R0-Resektion beschränkt werden, die in gutem Allgemeinzustand sind und sich innerhalb von 4-8 Wochen von der Operation so gut erholt haben, dass sie eine platinbasierte Chemotherapie tolerieren. Patienten mit einem inoperablen NSCLC im lokal fortgeschrittenen Stadium stellen ein sehr heterogenes Therapiebeginn nur schwer zu definieren ist. 35 Kollektiv dar, das vor Es umfasst sowohl Patienten im Stadium IIIB als auch Patienten im Stadium IIIA, die aus internistischer Sicht als inoperabel klassifiziert werden oder bei denen sich intraoperativ herausstellt, dass eine komplette Resektion nicht möglich ist. Je nach Tumorausdehnung sollten diese Patienten daher sehr individuell behandelt werden. Von einem operativen Eingriff profitieren vermutlich nur Patienten, bei denen eine R0-Resektion möglich ist. Selbst nach kompletter Tumorresektion und radikaler Lymphadenektomie haben Patienten mit lokal fortgeschrittenem NSCLC eine ungünstige Langzeitprognose. Ursächlich hierfür ist wahrscheinlich die bereits bei Diagnosestellung vorhandene Mikrometastasierung [14]. Vergleicht man randomisierte Phase-III-Studien, in denen NSCLCPatienten im Stadium IIIA/B entweder ein trimodales Behandlungskonzept mit induktiver Radiochemotherapie erhielten und anschließend operiert wurden oder nur bestrahlt und chemotherapiert wurden, so sind die Unterschiede im medianen progressionsfreien Überleben und in der 2Jahres-Überlebensrate gering. Die Selektion von Patienten für eine kurative Radiochemotherapie unter Verzicht auf eine Operation sollte anhand von Ausbreitungsmuster, Karnofsky-Index und Lungenfunktion vorgenommen werden. Kleinvolumige zentrale T4-Tumoren sind einfacher zu behandeln als peripher im Unterlappen lokalisierte Tumoren mit multiplem medistinalem Lymphknoten- oder kontralateralem Strahlenvolumen benötigen. 36 Hilusfall(N3), die ein großes Grundsätzlich sollten Patienten, die einer Radiochemotherapie zugeführt werden, in gutem Allgemeinzustand sein.Gefordet wird ein KarnofskyIndex von mindestens 80%; noch wichtiger ist ein stabiles Körpergewicht vor Therapiebeginn. Unverzichtbar für die Indikationsstellung ist weiterhin eine ausreichende Lungenfunktion mit einem prätherapeutischen FEV1 von mindestens 1,4l. Als Standard wird heute eine minimale Strahlendosis von 66 Gy betrachtet. Grundsätzlich sollten für eine Chemotherapie mit simultaner Bestrahlung keine starken Radiosensitizer gewählt werden. Aufgrund aktueller Studienergebnisse erfolgt die Radiochemo-therapie bei NSCLC-Patienten im Stadium III heute zunehmend mit simultaner Applikation den beiden Therapiemodalitäten. Die Datenbasis ist allerdings unbefriedigend, da die Strahlentherapie in den publizierten Studien meist suboptimal durchgeführt wurde und die Verbesserung des Überlebens bei simultaner Radiochemotherapie im Vergleich zur sequentiellen Therapie nur moderat ausfiel und die Toxizitäten signifikant erhöht waren [7,11, 47,62] Die Polychemotherapie im Stadium IV besitzt palliativen Charakter und sollte nur bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand durchgeführt werden. Liegt der Karnofsky-Index unter 50 %, sollte auf die Gabe einer Chemotherapie verzichtet werden. Im hohen Alter (> 80 Jahre) erscheint die Chemotherapie weniger indiziert Leistungsindex entschieden werden. 37 und sollte individuell nach 3 Material und Methodik 3.1 Patientengut Vom 21.05.2001 bis 04.08.2003 sind in der Lungenklinik Köln-Merheim 102 Patienten mit lokal fortgeschrittenem inoperablen Bronchialkarzinom Stadium IIIA / IIIB mit der Chemo-Therapie aus Carboplatin und Vinorelbin simultan zur Strahlentherapie behandelt worden. Um eine Nachbeobachtungszeit von mindestens 6 Monate (180 Tage) zu ermöglichen, wurde der Auswertungszeitraum vom 21.05.2001 bis 11.02.2004 gewählt, daraus ergeben sich die 102 behandelten Patienten. 3.2 Methode der Chemotherapie Es wurde ein Behandlungsschema mit Carboplatin 60 mg pro m2 Körperoberfläche (KOF) pro Tag i.v. Tag 1-5 und Tag 29-33 und Vinorelbin 15 mg pro m2 KOF i.v. am Tag 8, 15, 36 gewählt. Carboplatin wurde in 250-500 ml 5 %-Glucose als intravenöse Infusion über 30-45 Minuten verabreicht, Vinorelbin wurde in 100 ml 0,9 %-NaClLösung als intravenöse Kurzinfusion mit Vor- und Nachlauf von 250 ml 0,9 %-NaCl-Lösung über ca. 15-20 Minuten verabreicht. 38 3.3 Methode der Strahlentherapie Die Strahlentherapie wurde simultan zur Chemotherapie bis zu einer Gesamtreferenzdosis von 60-66 Gray (Gy) in der Primärtumorregion und eindeutig befallener Lymphknoten durchgeführt. Die Fraktionierung war konventionell mit 1,8-2 Gy pro Tag und 5 Fraktionen in der Woche. Die Bestrahlung erfolgte an einem Linearbeschleuniger der Firma Siemens (Linac 20) mit 23 MeV Photonen. Der Linearbeschleuniger ist mit einem Multileaf-Kollimator ausgestattet. Die Strahlentherapie wurde üblicherweise über ventro-dorsale Gegenfelder mit individueller Kollimation Primärtumorbereich, befallener durch und einem nicht Multileaf-Kollimator befallener im mediastinaler Lymphknoten begonnen. Nach Durchführung einer Planungscomputertomografie erfolgte ab einer Dosis von 20-30 Gy die Umstellung auf eine dreidimensional geplante computer-assistierte Bestrahlungstechnik mit meist 3-4 Einstrahlrichtungen und individuell kollimierten Bestrahlungs-feldern zur Schonung des Rückenmarks und der Lunge. Das Mediastinum und die Primärtumorregion haben über diese Bestrahlungstechnik insgesamt eine Gesamtreferenzdosis von 50 Gy erhalten. Mit einer zweiten Planungscomputertomographie nach 40 Gy Gesamtreferenzdosis erfolgte die Festlegung des Zielvolumens für die Dosisaufsättigung in der Primärtumorregion und eindeutig befallener Lymphknoten. Diese Tumor-Boost-Bestrahlung wurde ebenfalls über 2-3 39 individuell kollimierte Bestrahlungsfelder durchgeführt bis zu einer Gesamtreferenzdosis von 60-66 Gy. Eine Rückenmarksdosis von 45 Gy wurde dabei nicht überschritten. Therapieplan der kombinierte simultane Radiochemotherapie Behandlungsschema 1. Woche 1 2 3 4 5 2. Woche 3. Woche 4. Woche 5. Woche 6. Woche 8 9 10 11 12 15 16 17 18 19 22 23 24 25 26 29 30 31 32 33 36 37 38 39 40 R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R R V V V C C C C C C C C C C R = Strahlentherapie = 1,8 Gy/d V = Vinorelbin = 15-20 mg/m²/d i.v. C = Carboplatin 60 mg/m²/d i. v. 40 3.4 Statistik Die Analyse der Überlebenszeit erfolgt mit Methoden der deskriptiven Statistik. Für das Gesamtkollektiv und spezielle Subgruppen erfolgte die Berechnung und grafische Darstellung des Kaplan-Meier Schätzers. Die Schätzung bestimmter Quantile (75%-Quantil und 50-Quantil) sowie der mittleren Überlebenszeit erfolgte aus der Kaplan-Meier Schätzung. Vergleiche von Überlebenszeitverteilungen (Analyse der Subgruppen) wurden mit Hilfe des log-rank Testes durchgeführt. Die Tests sind jedoch nicht konfirmatorisch sondern deskriptiv zu verstehen. Bei allen Tests erfolgte die Angabe der Überschreitungswahrscheinlichkeit (p-Wert). Für die Überlebenszeit der verstorbenen Patienten erfolgte die Berechnung folgender statistischer Maßzahlen: • Anzahl Patienten • Minimum • Maximum • Median • Mittelwert • Standardabweichung Die Statistische Auswertung erfolgte auf einem HP-PC (PentiumProcessor) unter dem Betriebssystem Statistikprogramm MEDCALC 9.2 41 Windows mit dem 4 Ergebnisse der kombinierten, simultanen Strahlen- und Chemotherapie 4.1 Geschlecht-, Alter-, Allgemeinzustandverteilung Die Geschlechtsverteilung betrug zu ungunsten der Männer 76 (74,5 %), Frauen 26 (25,5 %). Geschlechtsverteilung Geschlecht Anzahl % m 76 74,5 w 26 25,5 Total 102 100 Die Altersverteilung zeigt eine entsprechende Häufigkeit zugunsten des Alters zwischen 51 und 70 Jahren. Das Lebensalter des jüngsten Patienten betrug 39 Jahre und das des ältesten 78 Jahre. Altersverteilung Alter [Jahre] Alter [Jahre] Anzahl 39 1 < 40 Jahre 40-50 Jahre 11 51-60 Jahre 28 61-70 Jahre 34 71-81 Jahre 28 Total 102 42 Der Allgemeinzustand des Patienten wurde nach ECOG klassifiziert (Anhang, Tabelle Nr.3) und ergab bei 9 Patienten (8,8 %) ECOG Grad 0, bei 85 Patienten (80,4 %) ECOG Grad1 und bei 8 Patienten (7,8 %) ECOG Grad 2. Allgemeinzustandverteilung ECOG Anzahl % 0 9 8,8 1 85 83,3 2 8 7,8 Total 102 100 43 4.2 Stadienverteilung und Histologie Wie auch in anderen Studien konnte das behandelnde Kollektiv nicht nur die Stadien III A und III B beinhalten, wegen funktioneller Inoperabilität wurden auch 6 Patienten im Stadium I bis II kombiniert behandelt. Dementsprechend befanden sich 91 Patienten (89,2 %) im Stadium III, darunter Stadium III A 25 Patienten (24,5 %) und Stadium III B 66 Patienten (64,7 %). Stadienverteilung Stadium Anzahl % IB 3 2,9 IIB 3 2,9 IIIA 25 24,5 IIIB 66 64,7 unbekannt 5 4,9 Total 102 100 44 4.2.1 Patientenzuordnung nach TNM-Klassifikation TNM-Verteilung Anzahl – TNM TNM Anzahl cT1cN2M0 2 cT1cN3M0 2 cT2cN0M0 3 cT2cN1M0 3 cT2cN2M0 7 cT2cN3M0 22 cT3cN0M0 3 cT3cN1M0 2 cT3cN2M0 16 cT3cN3M0 17 cT4cN1M0 1 cT4cN0M0 5 cT4cN2M0 9 cT4cN3M0 6 cT4cNxM0 4 Total 102 45 4.2.2 Patientenzuordnung nach Histologie Nach dem histologischen Befund ließen sich die Patienten folgendermaßen unterteilen: Plattenepithelkarzinom bei 47 Patienten (46,1 %), Adenokarzinom bei 26 (25,5 %), nicht näher klassifizierbare NSCLC bei 20 (19,6 %) , großzelliges Karzinom 3 (2,9%), basaloides Karzinom 5 (4,9%): Histologie-Verteilung Histologie Patienten Anzahl N % PEC 47 46,1 Adenokarzinom 26 25,5 nicht näher klass. 20 19,6 großzelliges Karzinom 3 2,9 Mischtumor 1 1,0 5 4,9 102 100 NSCLC basaloides Karzinom Total 46 Wichtig ist auch die Seitenzuordnung, da bei linksseitigen Tumoren die kardiale Belastung durch die Strahlentherapie größer sein kann. Nach der Seitenzuordnung teilten sich die Patienten in 68 Patienten mit Befall der rechten Lunge (25 zentral gelegen, 43 peripher gelegen) entsprechend 66,7 %; Befall der linken Seite 34 Patienten (14 zentral gelegen, 20 peripher gelegen) entsprechend 43,3 % auf: Tumorlokalisation Tumorlokalisation Anzahl % OL re 29 28,4 ML 2 2,0 UL re 12 11,8 OL li 13 12,7 UL li 7 6,9 zentral re 25 24,5 zentral li 14 13,7 Total 102 100 47 4.3 Strahlentherapiedosis und applizierte Zyklen Chemotherapie 94 Patienten (92,1 %) von insgesamt 102 Patienten haben eine Gesamtreferenzdosis von mindestens 59 Gy erhalten. Applizierte Strahlendosis GRD Tumor[Gy] Anzahl % < 50 Gy 1 0.98 50-59 Gy 7 6,9 59,1 –60,9 Gy 27 26,5 61 - 65 Gy 31 30,4 66 – 67 Gy 36 35,3 102 100 Total Es waren 2 Blöcke Chemotherapie mit Carboplatin Tag 1-5 und Tag 29-33 sowie Vinorelbin Tag 8, 15, 36 geplant. 85 Patienten (83,3 %) bekamen die geplante Chemotherapie komplett, 14 Patienten (13,7 %) konnten wegen Leukozytopenie WHO-Grad III nur Tag 1-5 sowie Tag 8 und 15 erhalten. 3 Patienten haben eine modifizierte Therapie (1 Patient nur Vinorelbin Tag 1,8,15,36 und 2 Patienten nur Carboplatin Tag 1-5 und Tag 21-25 erhalten). Applizierte Chemotherapiezyklen Chemo-Zyklen Anzahl % 1 14 13,7 2 85 83,3 3 2,9 102 100 Modifiziert Total 48 4.4 Remissionsrate Definition der Remission nach radiologischen Kriterien [80]: CR-Vollremission: Komplette Rückbildung des Tumors PR-Teilremission:Rückbildung mehr oder gleich als 25% des Tumorvolumens NC-Nichtansprechen: Rückbildung weniger als 25% oder keine Rückbildung des Tumorvolumens PRO-Tumor: Progress bei Zunahme des Tumorvolumens oder Entstehen von Fernmetastasen. Die erste Kontrolle Röntgenuntersuchung des des Tumoransprechens Thorax 6-8 erfolgte Wochen nach mit Ende einer der Strahlentherapie. Die zweite Kontrolle umfasste zusätzlich eine Computertomografie des Thorax 3-4 Monate nach Ende der Strahlentherapie. Dies lag zum 11.02.2004 bei 71 Patienten vor. 5 Patienten hatten zu diesem Zeitpunkt eine bildmorphologisch komplette lokale Remission, 1 Patient jedoch (definitionsgemäss progressive disease) mit einer Hirnmetastasierung. 54 Patienten zeigten ein Ansprechen des Primärtumors mit einer partiellen Remission, zum Teil mit einer zeitgleichen Fernmetastasierung (8 Patienten). 10 Patienten wiesen kein Ansprechen auf die Therapie auf, davon 3 Patienten mit no change, und 7 Patienten zeigten einen lokalen Progress. 49 Entsprechend ist die Remissionsrate bei 50 Patienten 71,4%. Remissionsrate zum 11.02.2004 (N 71) CR 4 5,6% PR 46 64,8% NC 3 4,2% PRO 18 25,4% Total 71 100% Hingegen zeigt der Status zum Zeitpunkt der 2. Auswertung zum 31.12.2005: 17 Überlebende von 102 (16,7%), davon ohne Rezidiv 10 Patienten (9,8%) und 7 Patienten mit Fernmetastasierung. Tumorbedingt verstarben zum Zeitpunkt der 2.Auswertung (31.12.2005) 82 Patienten sowie 3 Todesfälle nicht tumorbedingt (2-Folgen einer Herzinsuffizienz, 1-Ruptur eines Aortaaneurismas). Im prozentualen Verhältnis ist die Remissionsrate zum Zeitpunkt der 2.Auswertung (31.12.2005) deutlich schlechter mit 9,8 %. 50 4.5Todesursachen Insgesamt sind zum Zeitpunkt der Auswertung am 31.12.2005 85 Patienten (83,3%) verstorben. Tumorbedingte Todesursache lag bei 82 Patienten vor, davon verstarben 66 Patienten an lokalem Tumorprogress und 16 Patienten an Fernmetastasen. Ein Patient ist an einer Ruptur des vorbekannten Aortaaneurysmas nach einer Gesamtreferenzdosis von 48,8 Gy (Pat. 69) und 2 Patienten an Herzversagen bei vorbekannter koronarer Herzerkrankung verstorben (Pat. 3,73), bei diesen Patienten Tumor links lokalisiert. Todesursachen Todesursache Anzahl Tumorunabhängig 2 Aneurysmabltg unter Therapie 1 Fernmetastasierung(Hirn, 16 Leber, Knochen) Tumorbedingt lokaler Progress 66 Total 85 51 war der 4.6 Nachbeobachtungszeit und mediane Überlebenszeit Berechnet nach Diagnosestellung betrug die mediane Überlebenszeit 388 Tage, maximal waren 1401 Tagen Überleben. Die Wahrscheinlichkeit an Tag 400 nach Diagnosestellung noch zu leben beträgt demnach 50 % für das Gesamtkollektiv. Die mittlere 4 Jahre Überlebensrate nach Kaplan-Meier Schätzer lag bei 13 % für das Gesamtkollektiv. Überlebenszeit, Kaplan-Meier Schätzer Überleben Gesamt 100 90 Survival probability (%) 80 70 60 50 40 30 20 10 0 500 1000 1500 Tage Gesamtkollektiv ( N-102) 52 2000 4 Jahre Rezidivfreies Überleben hatten 10 (9,8%) Patienten. Medianes 4Jahre Rezidivfreies Überleben betrug 6,5 %. Rezidivfreies Überleben, Kaplan-Meier Schätzer Rezidivfreies Überleben 100 Survival probability (%) 80 60 40 20 0 0 500 1000 1500 Tage Gesamtkollektiv ( N-102) 53 2000 4.7 Analyse der Überlebenszeit 4.7.1. Überlebenszeit in Abhängigkeit vom Tumor Stadium. In unserem Patientenkollektiv hatten 66 Patienten(64,7%) ein Stadium IIIIB. Die mittlere Überlebenszeit war für Stadium IIB 644 Tage, für Stadium IIIA 388 Tage und für Stadium IIIB 388 Tage. Der Vergleich der Verteilungen für die verschiedenen Stadien mit Hilfe des log-rank Testes ergab keinen signifikanten Unterschied (p=0,7484). Überlebenszeiten bei Stadium I-II deutlich höher, wegen geringer Patientenzahl wohl statistisch nicht signifikant. Die 4 Jahre Überlebensrate lag für das Stadium IIIA bei 20% den Patienten, für das Stadium IIIB bei 14% den Patienten. (St.I Faktor 2; St.II Faktor 4; St.IIIA Faktor 5; St.IIIB Faktor 6) Überlebenszeit in Abhängigkeit von Tumor-Stadium überstat 100 Survival probability (%) 80 STD 60 2 4 5 6 40 20 0 0 500 1000 Time std < 9 54 1500 2000 4.7.2 Überlebenszeit in Abhängigkeit von der Histologie Patienten mit Plattenepithel-Karzinom hatten im Vergleich zu den Patienten mit Adeno-Karzinom eine höhere mittlere Überlebenszeit von 444 zu 324 Tage, statistisch gesehen ergab sich aber kein signifikanter Unterschied (P=0,3968) Die 4 Jahren Überlebensrate erreichten 7% den PEC-Patienten und 11,5% den Adeno-Ca-Patienten (PEC-2; Adeno-Ca-3) Überlebenszeit in Abhängigkeit von der Histologie Überleben PEC vs. Adenokarzinom 100 Survival probability (%) 80 60 Histnr 2 3 40 20 0 0 500 1000 Tage 55 1500 2000 4.7.4 Überlebenszeit in Abhängigkeit vom Leistungsindex (ECOG) In unserem Patientenkollektiv(N71) überwogen die Patienten mit ECOG 1: 62 (87,3%). Die mittlere Überlebenszeit für Patienten mit ECOG 1 lag bei 386 Tage, für ECOG 2 bei 322 Tage. Der Vergleich der Verteilungen für die 3 ECOG-Gruppen mit Hilfe des logrank Testes ergab einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen ( p = 0,1120), zu Gunsten der Gruppen 0 und 1. Überlebenszeit nach Leistungsindex überstat 100 Survival probability (%) 80 60 ECOG 0 1 2 40 20 0 0 200 400 600 800 Time 56 1000 1200 1400 4.8 Nebenwirkungsprofile Eine relevante Chemotherapieabhängige Toxizität war die Leukozytopenie WHO Grad III bei 12,7% Patienten. Anämie oder Trombozytopenie WHO Grad III-IV haben wir nicht beobachtet. Als häufigste akute nicht hämatologische Nebenwirkung war die Strahlenoesophagitis nach CTC( Anhang, Tabelle Nr.4) Grad II bei 34 Patienten (33,3 %) und Grad III bei 14 Patienten (13,7 %) zu verzeichnen. Nebenwirkung Ösophagus nach CTC Anzahl % 0 43 42,2 1 11 10,8 2 34 33,3 3 14 13,7 102 100 Grad CTC Gesamt Die akute Strahlenpneumonitis haben wir bei 20 Patienten (19,6 %) und bei 2 Patienten mit Ausbildung einer Lungenfibrose beobachtet. 57 5 Diskussion Vergleicht man randomisierte Phase-III-Studien, in denen NSCLCPatienten im Stadium IIIA/B entweder ein trimodales Behandlungskonzept mit induktiver Radiochemotherapie erhielten und anschließend operiert wurden oder nur bestrahlt und chemotherapiert wurden, so sind die Unterschiede im medianen progressionsfreien Überleben und in der 2Jahres-Überlebensrate gering. Die Phase III Studie der North American Intergroup 0139 (RTOG 9309) 2005 [3] hatte 396 Patienten mit Tumor Stadium T1-3N2M0 in zwei Arme randomisiert. Der Arm A bekam neoadjuvante sequenzielle Radiochemotherapie mit 2 Zyklen Cisplatin/Etoposid (PE) und StrahlenGD 45 Gy gefolgt von Operation und 2 Zyklen adjuvanter Chemotherapie (PE). Der Arm B bekam sequenzielle Radiochemotherapie mit 2 Zyklen Chemotherapie (PE) und Strahlen-GD 61Gy gefolgt von 2 Zyklen Chemotherapie (PE). Progressionsfreies Überleben viel signifikant aus (p=0,017) zu Gunsten des Armes A mit 12,8 Mo gegenüber dem Arm B mit 10,5 Mo Überleben. Mittleres Überleben viel zwar mit 23,6 Mo in Arm A und 22,2 Mo im Arm B auch zu Gunsten des Arm A, war aber statisch nicht signifikant (p=0,24) Die Schlussfolgerung der Studie: >Trimodalitätenkonzept und definitive Radiochemotherapie im Stadium IIIA: gleichwertig. >Weiterhin unklare Aspekte: neoadjuvante Chemotherapie vs kombinierte Radiochemotherapie, Wahl der Chemotherapie, Ausmass des chirurgischen Eingriffs. >Behandlung der IIIA Stadium Patienten möglichst im Rahmen von klinischen Studien. Die Selektion von Patienten für eine kurative Radiochemotherapie unter Verzicht auf die Operation sollte anhand von Tumor-Ausbreitungsmuster, Karnofsky-Index und Lungenfunktion vorgenommen werden. 58 Als Standard wird heute eine minimale Strahlendosis von 66 Gy betrachtet, die in Einzeldosen von 1,8-2,0 Gy zu applizieren ist. Mit Hilfe des Dosisvolumemhistogramms kann der prozentuale Anteil des im toxischen Bereich belasteten Normalgewebes der Lunge im konformalen Bestrahlungsplan sehr präzise ermittelt werden. Grundsätzlich sollten für eine Chemotherapie mit simultaner Bestrahlung der Lunge keine starken Radiosensitizer gewählt werden. Substanzen wie z.b. Gemcitabin müssen daher dosisadaptiert eingesetzt werden, um die radiogene Pneumopathie zu vermeiden [91]. Aufgrund aktueller Studienergebnisse erfolgt die Radiochemotherapie bei NSCLC-Patienten im Stadium III heute zunehmend mit simultaner Applikation der beiden Therapiemodalitäten. Die Datenbasis ist allerdings unbefriedigend, da die Strahlentherapie in den publizierten Studien nicht suboptimal durchgeführt wurde und die Verbesserung des Überlebens bei simultaner Radiochemotherapie im Vergleich zur sequenziellen Therapie nur moderat ausfiel und die Toxizitäten signifikant erhöht waren [35, 54, 97, 98]. In der Studie von Fournel et al. [35] wurde eine sequenzielle Therapie mit 3 Zyklen Cisplatin/Vinorelbin (CV) gefolgt von einer Bestrahlung mit 66 Gy (Fraktionen von 2 Gy über 6,5 Wochen) eingesetzt. Simultan behandelte Patienten , die paralell zur Bestrahlung 2 Zyklen Cisplatin/Etoposid und anschließend 2 Zyklen CV erhielten, zeigten ein 2 Monate längeres medianes Überleben, allerdings war dieser Unterschied statistisch nicht signifikant. Die Einhaltung des verschriebenen Protokolls war auch in dieser Studie im simultanen Arm ,in dem 88% eine Strahlendosis über 60 Gy erhielten, besser als im sequenziellen Arm (60%). Zudem gab es eine Unausgeglichenheit bei der Stadien Verteilung mit einer Überrepräsentation von Patienten im Stadium IIIB im sequenziellen Arm. Auch in dieser Studie war der simultane Arm mit einer signifikant erhöhten Toxizität belastet. 59 Bessere Resultate bei simultaner Radiochemotherapie zeigt auch die RTOG-Studie 94-10 [23]. Knapp 600 inoperable NSCLC-Patienten erhielten eine konventionell fraktionierte Strahlentherapie (63 Gy in Fraktionen von 1,8 Gy über 7 Wochen) entweder simultan zu 2 Zyklen CV oder sequenziell nach gleicher Chemotherapie. In einem dritten Arm wurde eine hyperfraktionierte dosiseskalierte Bestrahlung bis 70 Gy mit simultaner Gabe von Ciplatin und VP16 erprobt. Während sich die simultane Radiochemotherapie gegenüber dem sequenziellen Konzept bei wiederum höherer Toxizitätsrate durch einen signifikanten Überlebensvorteil auszeichnete (p=0,046), war die hyperfraktionierte Therapie der sequenziellen Radiochemotherapie nur tendenziell überlegen. Die in der Lungenklinik und Abteilung für Strahlentherapie des Krankenhauses Köln-Merheim erzielten Therapieergebnisse bei der Behandlung des inoperablen Bronchialkarzinoms werden im folgenden Teil mit denen der einschlägigen Literatur verglichen. 102 Patienten mit inoperablen NSCLC erhielten eine konventionell fraktionierte Strahlentherapie (60-66 Gy in Fraktionen von 1,8 Gy über 6 Wochen) simultan zur 2 Zyklen Carboplatin/Vinorelbine. Wie auch in anderen Studien war die Einhaltung des Therapie-Protokolls ungleich: 92,1% den Patienten haben eine Gesamtstrahlendosis von mindestens 59 Gy erhalten, 83,3% bekamen die geplannte Chemotherapie komplett. Das Maximum der Altersverteilung des Bronchialkarzinoms liegt im sechsten bis siebten Lebensjahrzehnt. Altersgipfel mit 60 Jahren. Entsprechend der Literatur [56, 60, 69] beträgt bei 63% der hier untersuchten Patienten das Lebensalter bei Erstdiagnose zwischen 51 und 70 Jahren. 60 Häufigster histologischer Typ des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms ist das Plattenepithelkarzinom, welches in unserer untersuchten Patientengruppe mit einem Anteil von 46,1 % vorkommt. Ein ähnlich hoher Anteil wird auch von der Mehrzahl der Autoren [34, 56, 83, 96] beschrieben. Der Anteil der Adenokarzinom-Patienten entspricht 25,7 %, vergleichbar mit den Zahlen anderer Autoren [41, 56, 69]. Mit unserem Patienten-Kollektiv vergleichbare Studie hat Semrau et al im Jahr 2003 veröffentlicht mit Ergebnissen einer kombinierten simultanen Strahlen-Chemotherapie in der 33 Patienten eingeschlossen wurden. Die Studie führte die Chemotherapie mit Carboplatin und Vinorelbin simultan zur Strahlentherapie mit Strahlen-GD von 60 Gy durch. Die Remissionsrate lag bei 63%: CR-7/33 (21%), PR-14/33 (42%), NC9/33 (27%), Progression 3/33 (9%). 23 Patienten im Stadium III hatten eine mediane Überlebenszeit von 17 Monaten, wobei eine Unterteilung auf Stadium IIIA und IIIB nicht erfolgte. Die Remissionsrate bei unserem Patientenkollektiv lag bei 71,4%: CR4/71 (5,6%), PR-46/71 (64,8%), NC-3/71 (4,2%) und Progress-18/71 (25,4%). Die mediane Überlebenszeit in unserem Kollektiv lag mit 11,5 Monate deutlich niedriger gegenüber 17 Monate in der Studie von Semrau. Dabei ist zu berücksichtigen dass, das Studienkollektiv von Semrau 33 Patienten, gegenüber unserem von 102 Patienten, umfasste und der Anteil an Stadium IIIB Patienten nicht nähe definiert wurde und in unserem Patientenkollektiv dieser Anteil 67% betrug. Gegenüber den publizierten Metaanalysen und randomisierten Studien war das hämathologische Nebenwirkungsprofil bei unseren Patienten deutlich günstiger: die Leukozytopenie WHO-Grad III trat bei 12,7 % auf, eine Thrombozytopenie Grad 3-4 haben wir nicht beobachtet [40, 52, 73, 74, 91]. 61 Zur häufigsten nichthämatologischen Nebenwirkung zählte in unserem Patientenkollektiv die Strahlenoesophagitis WHO Grad II mit 33,3 %, Grad III mit 13,7 %. Die Strahlenpneumonitis haben wir bei 20 Patienten (19,6 %), bei 2 Patienten mit Bildung einer Lungenfibrose vergleichbar mit publizierten Studien beobachtet. Als Folgen einer Strahlentherapie treten eine „Pneumonitis“ im frühen Stadium oder eine Fibrose im späten Narbenstadium auf. Die Angaben zur Häufigkeit von Pneumonitis und Fibrose sind sehr unterschiedlich [44, 73, 80, 100]. Nach Schätzungen kommt es in 5-15 % aller bestrahlten Patienten mit Bronchialkarzinom zur klinisch manifesten Pneumonitis, und bei <50% zu radiologischen Veränderungen in der Computertomografie des Thorax. Die häufigste Todesursache in unserem Kollektiv war der lokale TumorProgress bei 66 Fernmetastasierung Patienten, 16 Patienten (3-Hirnmetastasen, starben infolge der 7-Lebermetastasen, 6- Knochenmetastasen). Die Angabe der enzelnen Todesursachen in Literatur fehlte. Die meisten Autoren nannten den lokalen Tumor-Progress als häufigste Todesursache [83, 84, 95]. 62 6 Zusammenfassung Während des Beobachtungszeitraums 21.05.2001-04.08.2003 wurden 102 Patienten mit der Diagnose eines inoperablen lokal fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom in der Lungenklinik des städtischen Krankenhauses Köln Merheim mit simultaner kombinierter Strahlen- und Chemotherapie behandelt. Die Analyse der Überlebenszeit (Kaplan-Meier-Schätzer) für das Gesamtkollektiv ergab, dass die Wahrscheinlichkeit am Tag 340 nach der Strahlentherapie zu leben 50% beträgt. Die mittlere Überlebenszeit für Stadium IB, IIB betrug 644 Tage; Für Stadium IIIA, 388 Tage; IIIB 388 Tage. Der Vergleich der Verteilungen für die verschiedenen Stadien mit Hilfe des log-rank Testes ergab keinen signifikanten Unterschied (p=0,7484). Die mittlere Überlebenszeit in Abhängigkeit von Leistungsindex (Karnofsky, ECOG) ergab einen signifikanten Unterschied (p=0,1120) zu Gunsten des ECOG 0 und 1. Zusammenfassend scheint die simultane Radio-Chemotherapie bezüglich des Überlebens günstiger zu sein als die alleinige Strahlentherapie oder sequentielle Radio-Chemotherapie. Allerdings ist die simultane RadioChemotherapie deutlich toxischer. Die Literaturrecherchen sowie unsere eigenen Untersuchungen ergaben, dass Patienten in gutem Allgemeinzustand und jüngerem Alter bei inoperablem lokal fortgeschrittenem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom kombinierte simultane Chemo-Strahlentherapie erhalten sollten. Der simultane Chemo-Strahlentherapieblock sollte in konventioneller Fraktionierung von 1,8-2 Gy durchgeführt werden. Die Gesamtstrahlendosis sollte den Bereich 60-66Gy nicht überschreiten. Die Chemotherapie mit Carboplatin und Vinorelbin ist wegen der günstigere hämatologische und nichthämatologische Toxizität bevorzugen.Die Teilnahme an Phase-III-Studien ist weiter anzustreben. 63 zu 7 Literaturverzeichnis 1. Alam N, et al (2006) Adjuvant chemotherapy for non-small-cell lung cancer: a systematic review. Crit Rev Onkol Hematol. 58:146-155 2. Albain, K., J. 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Grad 2 - Patient ist arbeitsunfähig, selbständige Lebensführung ist möglich, der Patient ist weniger als 50 % des Tages bettlägerig (entspricht Karnofsky-Index 50-60 %) Tabelle Nr. 8.5 Strahlenösophagitis-Kriterien nach CTC CTC – Kriterien Common Toxcitiy Criteria 0 = keine 1 = gering/leicht geringes Wundsein, Erythem, schmerzlose Erosion 2 = schmerzhafte Erythem, Ödem oder Erosion, mäßige Dysphagie 3 = starke Dysphagie; Ulzera; flüssige Kost oder Analgetika notwendig 4 = Verschluß oder Perforation; PEG/ parenterale Ernährung 83 Abbildung 8.6 84 Abbildung 8.7 85 Abbildung 8.8 86 Abbildung 8.9 87