Skript zur Vorlesung Theoretische Physik A

Werbung
Skript zur Vorlesung
Theoretische Physik A
Sommersemester 2010
Department Physik
Universität Paderborn
Prof. Dr. Torsten Meier
N3.338
[email protected]
Das Skript wird im Laufe der Vorlesung ergänzt und auf
http://homepages.uni-paderborn.de/tmeier/index.html
als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
1
Newton-Mechanik eines Massenpunktes
In diesem Kapitel werden zunächst einige mathematische Sachverhalte und Rechenoperationen, die im Laufe der Vorlesung noch oft gebraucht werden, kurz dargestellt. Danach
wird untersucht, unter welchen Bedingungen für ein Kraftfeld ein Potential existiert. Nach
einem kurzen Einschub zu krummlinigen Koordinatensystemen, werden dann die Planetenbewegung (Kepler-Problem) und beschleunigte Bezugssysteme behandelt.
1.1
Mathematischer Einschub I: Ableitungen und Kurvenintegral
Partielle Ableitung
Sei f (x, y, z, t), also eine skalare Größe, deren Wert vom Ort x, y, z und (möglicherweise)
von der Zeit t abhängt (Skalarfeld, Bsp. Temperaturfeld), gegeben. Dann ist die partielle
Ableitung nach x gegeben durch
(x,y,z,t)
∂f (x,y,z,t)
= lim→0 f (x+,y,z,t)−f
,
∂x
d.h. beim Bilden einer partiellen Ableitung werden die anderen Variablen konstant gehalten. Partielle Ableitungen nach anderen Variablen werden analog gebildet.
Bsp.: Sei f (x, y, z, t) = x5 y 2 z 3 sin(αt)
= x5 y 2 z 3 cos(αt)α.
⇒ ∂f
∂t
dg
∂g
= dx
, d.h. die partielle und die “normale”
Für eine Funktion einer Variablen g(x) ist ∂x
Ableitung sind identisch.
Wenn man g(x(t)) betrachtet, ist nach der Kettenregel
dg dx
∂g dx
dg
dg
= dx
= ∂x
= dx
ẋ.
dt
dt
dt
d
(Zeitableitungen dt werden durch einen Punkt gekennzeichnet; mehrfache Zeitableitunn
gen dtd n durch n Punkte)
Totale Ableitung
Sei ~r(t) = (x(t), y(t), z(t)) eine Bahnkurve und f (~r(t), t) = f (x(t), y(t), z(t), t) werde als
Funktion dieser aufgefasst. Dann ändert sich f als Funktion der Zeit sowohl über die explizite Abhängigkeit von t ( ∂f
), als auch dadurch, dass x(t), y(t) und z(t) von der Zeit
∂t
abhängen. Die totale Ableitung von f nach t ist (Kettenregel!)
df
dt
=
=
∂f (x,y,z,t) dx
dy
dz
+ ∂f (x,y,z,t)
+ ∂f (x,y,z,t)
+ ∂f (x,y,z,t)
∂x
dt
∂y
dt
∂z
dt
∂t
∂f (x,y,z,t)
∂f (x,y,z,t)
∂f (x,y,z,t)
∂f (x,y,z,t)
ẋ +
ẏ +
ż +
.
∂x
∂y
∂z
∂t
Bsp.: Sei f = x(t) + y 2 (t) + z 3 (t) + cos(t)
⇒ ∂f
= − sin(t) und
∂t
df
= 1ẋ(t) + 2y(t)ẏ(t) + 3z 2 (t)ż(t) − sin(t).
dt
1
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
“Multiplikation” von df
mit dt ergibt das totale Differential von f
dt
∂f (x,y,z,t)
∂f (x,y,z,t)
dx +
dy + ∂f (x,y,z,t)
dz + ∂f (x,y,z,t)
dt.
df =
∂x
∂y
∂z
∂t
Nabla-Operator


∂
∂x

~ =

Def. ∇

∂
∂xi
∂
∂y
∂
∂z




=
∂
~e
∂x x
+
∂
~e
∂y y
+
∂
~e
∂z z
=
P3
∂
ei .
i=1 ∂xi ~
~ auch
sind hierbei partielle Ableitungen. Oft wird statt ∇
∂
∂~
r
geschrieben.
Gradient
Sei f (x, y, z) ein skalares Feld. Der Gradient (auch Richtungsableitung) von f ist definiert
als




∂f
∂
∂x
~ =
grad f = ∇f
∂
f
∂~
r


 ∂ 
f
 ∂y 
=
=
∂
∂z
 ∂x 
 ∂f 


 ∂y 


=
∂f
~e
∂x x
+
∂f
~e
∂y y
+
∂f
~e .
∂z z
∂f
∂z
Der Gradient zeigt immer in Richtung des stärksten Anstiegs von f .
Bsp.: Sei f (x, y, z) = x2 + y 2 + z 2 =
r2 

x

~ = 2x~ex + 2y~ey + 2z~ez = 2 
r = 2r ~rr = 2r~er .
⇒ ∇f
 y  = 2~
z
BILD


Fx (x, y, z)


~
~
Man kann den Nabla-Operator ∇ auch mit Vektorfeldern F (x, y, z) =  Fy (x, y, z) 
Fz (x, y, z)
skalar und vektoriell multiplizieren:
Divergenz
~ · F~ =
Def. div F~ = ∇
 ∂
∂x

 ∂
 ∂y

∂
∂z


 ~
·F

=
 ∂
∂x

 ∂
 ∂y

∂
∂z



 
·

Die Divergenz gibt die Quellstärke eines Feldes an.
2

Fx (x, y, z)
Fy (x, y, z) 
=
Fz (x, y, z)
∂Fx
∂x
y
z
+ ∂F
+ ∂F
=
∂y
∂z
P3
∂Fi
i=1 ∂xi .
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010


a1


Bsp.: Sei ~a =  a2  ein konstanter Vektor, dann ist div ~a = 0.
a3


x

∂y
∂z
∂x
~ ·
Weiter ist div ~r = ∇
 y  = ∂x + ∂y + ∂z = 3.
z
Rotation
~ × F~ =
Def. rot F~ = ∇
 ∂
∂x

 ∂
 ∂y




~
×F

∂
∂z
∂Fz
∂Fx
−
~ey
∂z
∂x
=
 ∂
∂x

 ∂
 ∂y

∂
∂z



 
×



Fx (x, y, z)


Fy (x, y, z) 
=

Fz (x, y, z)
∂Fz
∂y
∂Fx
∂z
∂Fy
∂x
−
−
−
∂Fy
∂z
∂Fz
∂x
∂Fx
∂y





y
y
z
x
= ∂F
− ∂F
− ∂F
~ex +
+ ∂F
~ez .
∂y
∂z
∂x
∂y
Die Rotation gibt die Wirbelstärke eines Feldes an und wird im Laufe dieser Vorlesung
noch benötigt.
Bsp.:
~ × ~a = 0.
Sei ~a konstant, dann ist rot ~a = ∇

Es ist rot ~r = rot






x
x




~
y =∇×  y 
=

z
z
∂z
∂y
∂x
∂z
∂y
∂x
−
−
−
∂y
∂z
∂z
∂x
∂x
∂y





= 0.
~ × (−y~ex + x~ey ) = 2~ez .
Ausserdem rot(−y~ex + x~ey ) = ∇
BILD
3
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Kurvenintegral
Ein Kurvenintegral beschreibt z.B. die Arbeit, die bei Verschiebung eines Körpers in einem Kraftfeld entlang eines Weges geleistet wird.
Wir betrachten hier das Kurvenintegral über das Vektorfeld F~ (~r) = F~ (x, y, z) von ~r1 nach
~rR 2 entlang der Kurve
C
R ~r2
~
r2 ~
(F
r)dx + Fy (~r)dy + Fz (~r)dz).
F
(~
r
)
·
d~
r
=
x (~
~
r1 ,C
~
r1 ,C
BILD
Berechnung von Kurvenintegralen:


x


1. Möglichkeit: Sei die Kurve C z.B. ausdrückbar als  y(x) , mit x1 ≤ x ≤ x2 . Dann
z(x)
dz(x)
dy(x)
kann man dy = dx dx und dz = dx dx berechnen und erhält
R ~r2
~ r) · d~r = R x2 (Fx (x, y(x), z(x)) + Fy (x, y(x), z(x)) dy + Fz (x, y(x), z(x)) dz )dx,
x1
~
r1 ,C F (~
dx
dx
d.h. man hat das Kurvenintegral durch eine Summe von eindimensionalen Integralen ausgedrückt.
(Analoge Formeln ergeben sich, wenn man x(y) und z(y) durch y bzw. wenn man x(z)
und y(z) durch z ausdrücken kann).




1
0




Bsp.: Sei ~r1 =  0  und ~r2 =  1  und die Kurve die Parabel y = x2 .
0
0
BILD
dy
dz
Dann ist dx
= 2x und wegen z = 0 ist dx
= 0, d.h. in diesem Fall ist
R1
2
2
F~ (~r) · d~r = (Fx (x, x , 0) + Fy (x, x , 0)2x)dx.
R ~r2
~
r1 ,C
0


−y


~
Für F (~r) = −y~ex + x~ey =  x  ergibt sich
0
R ~r2
~
r1 ,C
R
R
F~ (~r) · d~r = 01 (−x2 + x 2x)dx = 01 x2 dx = 13 .
4
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010


x(α)


2. Möglichkeit: Berechnung durch Parametrisierung der Kurve gemäß ~r(α) =  y(α) ,
z(α)
so dass die Kurve C von ~r1 nach ~r2 für α1 ≤ α ≤ α2 durchlaufen wird. Dann ist
R ~r2
R
F~ (~r) · d~r = α2 F~ (~r(α)) · d~r dα.
~
r1 ,C
α1
dα






α
0
1






Bsp.: Die Parabel y = x2 kann von ~r1 =  0  nach ~r2 =  1  durch ~r(α) =  α2  mit
0
0
0


1


d~
r
0 ≤ α ≤ 1 parametrisiert werden. Für dieses Beispiel ist dann dα
=  2α .
0
Berechnet man das Kurvenintegral für F~ (~r) = −y~ex + x~ey , so ergibt sich
R ~r2
~ r) · d~r = R 1 (−α2 1 + α 2α)dα = R 1 α2 dα = 1 ; also natürlich dasselbe Ergebnis wie
0
0
~
r1 ,C F (~
3
oben.
Im allgemeinen hängen Kurvenintegrale nicht
r1 und~r2 , 
sondern auch von dem
 nur
 von ~
1
0




gewählten Weg ab. Wir verbinden z.B. ~r1 =  0  und ~r2 =  1  mit einer Gerade, die
0
0


α

wir C 0 nennen. Eine Parameterdarstellung ist ~r(α) = 
 α  mit 0 ≤ α ≤ 1.
0


1


d~
r
Hieraus ergibt sich dα
=  1 .
0
BILD
Für das Kurvenintegral über F~ (~r) = −y~ex + x~ey erhalten wir dann
R ~r2
~ r) · d~r = R 1 (−α 1 + α 1)dα = 0 (da F~ und d~r senkrecht aufeinander stehen); also
0
~
r1 ,C 0 F (~
ein anderes Ergebnis als das Integral über C!
5
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Damit hängt das Kurvenintegral über das hier betrachtete Vektorfeld F~ (~r) = −y~ex + x~ey
vom gewählten Integrationsweg ab!
(Später wird untersucht, dass dies daher kommt, dass rot F~ (~r) 6= 0 ist, also F (~r) ein Wirbelfeld ist.)
Wenn wir zunächst über C und dann in entgegengesetzter Richtung über C 0 integrieren,
erhalten wir ein geschlossenes Kurvenintegral über C 00 = C − C 0 .
BILD
Für das betrachtete Vektorfeld
ist somit
das Kurvenintegral
über die geschlossene Kurve
R
R
H
C 00 ungleich Null, d.h. C 00 F~ (~r) · d~r = C F~ (~r) · d~r − C 0 F~ (~r) · d~r 6= 0.
6
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
1.2
Potential und Energieerhaltung
Der Ort eines Massenpunktes (dessen Masse wir im folgenden als zeitlich konstant ansetzen) werde in einem nichtbeschleunigten Bezugssystem (Inertialsystem) durch den
Ortsvektor zunächst in kartesischen Koordinaten ~r(t) = (x(t), y(t), z(t)) beschrieben. Die
auf den Massenpunkt wirkende äußere Kraft F~ (~r, t) darf von Ort und der Zeit und auch
von der Geschwindigkeit ~r˙ ≡ ~v abhängen. Die Bahnkurve des Massenpunktes wird durch
2
die Newtonschen Bewegungsgleichungen beschrieben (~a = dtd 2 ~r = ~¨r)
m~¨r = F~ ,
bzw. mẍ(t) = Fx (~r, t) ,
mÿ(t) = Fy (~r, t) ,
mz̈(t) = Fz (~r, t) .
(1)
Um die Schreibarbeit zu reduzieren, werden zukünftig die Argumente oft weggelassen.
Wir multiplizieren die Bewegungsgleichung (1) skalar mit ~r˙
m~r˙ · ~¨r = ~r˙ · F~ ,
d ~r
d 1 ˙2
m~r
= F~ ·
⇒
dt 2
dt
Nun integrieren wir von t1 bis t2
Zt2
t1
Zt2
d ~r(t)
d 1 ˙2
m~r dt = F~ ·
dt .
dt 2
dt
t1
Mit d ~rdt(t) dt = d~r ergibt sich (T ≡ Ekin )
~rZ(t2 )
1 ˙ 2 t=t2
1 ˙2
1 ˙2
F~ · d~r = W .
m~r(t) = m~r (t2 ) − m~r (t1 ) = T (t2 ) − T (t1 ) = ∆T =
2
2
2
t=t1
~r(t1 )
W ist die von der Kraft F~ auf dem Weg von ~r1 = ~r(t1 ) nach ~r2 = ~r(t2 ) geleistete Arbeit.
In Komponenten gilt
W =
r2
Z~
Fx (~r, t) dx + Fy (~r, t) dy + Fz (~r, t) dz .
~r1
Falls die Kraft ein zeitunabhängiges Potential V (~r) ≡ Epot (~r) hat, also
~ (~r)
F~ = −∇V
d.h. Fx = −
∂V (~r)
,
∂x
Fy = −
∂V (~r)
,
∂y
Fz = −
∂V (~r)
,
∂z
so ist
dW
= F~ (~r) · d~r = Fx (~r) dx + Fy (~r) dy + Fz (~r) dz
!
=
∂V (~r)
∂V (~r)
∂V (~r)
−
dx −
dy −
dz = −dV = −(V (~r + d~r) − V (~r))
∂x
∂y
∂z
7
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
und somit
W = −(V (~r(t2 )) − V (~r(t1 ))) = T (~r(t2 )) − T (~r(t1 )) .
(2)
Es ist also
(3)
T (t) + V (t) = const. = E ,
d.h. die Summe aus kinetischer und potentieller Energie ist zeitlich konstant und gleich
der mechanischen Gesamtenergie E.
Woher weiss man nun, ob ein gegebenes Kraftfeld F~ (~r) als negativer Gradient eines Potentials geschrieben werden kann?
Nehmen wir an, wir hätten ein Potential, und berechnen die Ableitungen der Kraftkomponenten, also
∂
∂Fx
= −
∂y
∂y
∂V
∂x
!
∂2
∂2
∂
= −
V = −
V = −
∂y∂x
∂x∂y
∂x
∂V
∂y
!
=
∂Fy
.
∂x
Da sich für die gemischten Ableitungen der anderen Komponenten ähnliche Beziehungen
ergeben, ist eine notwendige Bedingung für die Existenz eines Potentials
∂Fz ∂Fy
−
= 0,
∂y
∂z
∂Fx ∂Fz
−
= 0,
∂z
∂x
∂Fy ∂Fx
−
= 0,
∂x
∂y
~ × F~ (~r) = rot F~ (~r) = 0 gelten, d.h. nur rotationsfreie Kraftfelder können ein
also muss ∇
Potential haben.
Die Bedingung rot F~ (~r) = 0 ist (in einem einfach zusammenhängenden Raum) allerdings
auch hinreichend für die Existenz eines Potentials.
Beweisskizze: Wir setzen an
V (~r) = V (~
r0 ) −
Z~r
F~ (~r 0 ) · d~r 0 .
(4)
~
r0
und berechnen dieses Kurvenintegral für eine spezielle Wegführung über
x0 ≤ x0 ≤ x,
y 0 = y0 ,
z 0 = z0 ,
0
0
x = x,
y0 ≤ y ≤ y,
z 0 = z0 ,
=
x0 = x,
y 0 = y,
z0 ≤ z 0 ≤ z,
d.h. drei achsenparallele Geraden.
BILD
8
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Also ist
V (~r) = V (~r0 ) −
Zx
0
Zy
0
Fx (x , y0 , z0 )dx −
0
0
Fy (x, y , z0 )dy −
Fz (x, y, z 0 )dz 0 . (∗)
z0
y0
x0
Zz
Wir benutzen nun (∗) für die Berechnung des negativen Gradienten von V
~ (~r) = −~ex
−∇V
∂V
∂V
∂V
− ~ey
− ~ez
∂x
∂y
∂z
(5)
und erhalten unter Benutzung von rot F~ = 0
∂V
∂x
= −Fx (x, y0 , z0 ) −
Zy
y0
z
Z
∂Fy
∂Fz
(x, y 0 , z0 ) dy 0 −
(x, y, z 0 ) dz 0
∂x {z
|∂x {z
}
}
z |
0
∂Fx
∂y 0
= −Fx (x, y0 , z0 ) −
Zy
y0
∂Fx
∂z 0
z
Z
∂Fx
∂Fx
0
0
−
(x,
y
,
z
)dy
(x, y, z 0 )dz 0
0
0
∂y 0
∂z
z
0
{z
|
}
Fx (x,y,z0 )−Fx (x,y0 ,z0 )
|
{z
Fx (x,y,z)−Fx (x,y,z0 )
}
= −Fx (x, y, z) .
Analog kann gezeigt werden, dass
(6)
∂V
∂y
= −Fy und
∂V
∂z
~ (~r), gilt.
= −Fz ist, also F~ = −∇V
Für einen strengen Beweis muss man zeigen, dass die Reihenfolge der x-, y- und zIntegrationen das Resultat nicht ändert und jeden beliebigen Weg durch infinitesimale
Geradenstücke annähern.
~ (~r) spricht man von einem konservativen Kraftfeld.
Ist rot F~ (~r) = 0 bzw. F~ = −∇V
Äquivalente Formulierungen von Konservativität sind:
~rR(t2 )
a) der Wert des Kurvenintegrals
F~ · d~r ist vom Weg C unabhängig, hängt also nur
~r(t1 ),C
von den Anfangs- und Endpunkten ~r1 und ~r2 ab.
b) die Arbeit entlang jeder geschlossenen Kurve C verschwindet, d.h.
H
C
9
F~ · d~r = 0.
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Falls das Kraftfeld rotationsfrei (wirbelfrei) ist und nicht explizit von der Zeit abhängt, so
nennt man das Kraftfeld konservativ. In diesem Fall folgt aus Gl. (2) der Energiesatz
(7)
T + V = E = const.
Wenn das Kraftfeld wirbelfrei aber zeitabhängig ist, so ist das Potential auch zeitabhängig, und
das totale Differential des Potentials
dV =
∂V
∂V
∂V
∂V
dx +
dy +
dz +
dt
∂x
∂y
∂x
∂t
hat einen Beitrag von der expliziten Zeitabhängigkeit
−dW =
∂V
∂t
. Dieser fehlt jedoch in
∂V
∂V
∂V
dx +
dy +
dz .
∂x
∂y
∂z
Daher ist
−dW 6= dV
und das Integral
−W = −
r2
Z~
F~ · d~r 6= V (~r2 , t2 ) − V (~r1 , t1 ) .
~r1
Für ein zeitabhängiges Potential gilt der Energiesatz also nicht!
Für abgeschlossene Systeme, die von der Umgebung isoliert sind, ist die Energie erhalten. Bei der Bewegung makroskopischer Körper, ist oft die Energie nicht erhalten.
Beispiel: Freier Fall mit Stokesscher Reibung (F~R ∝ −~r˙ )
Der einfachste Fall einer eindimensionalen Bewegung mit konstanter Gravitationsbeschleunigung und Reibungsterm wird beschrieben durch die Bewegungsgleichung
mz̈ = −mg − β ż .
Multiplizieren mit ż führt auf
1 d
mż z̈ = m ż 2 = −mg ż − β ż 2 .
2 dt
Integrieren über die Zeit ergibt
z(t
t1
Zt1
Zt1
Z 1)
Zt1
m 2
mZ d 2
2
2
ż dt =
(ż (t1 ) − ż (t0 )) = − m g ż dt − β ż dt = −
m gdz − β ż 2 dt .
2
dt
2
t0
t0
10
t0
z(t0 )
t0
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Also erhalten wir (V = mgz ist das Potential der Schwerkraft ohne die Reibungskraft, für
die es kein Potential gibt)
T (t1 ) + V (t1 ) = T (t0 ) + V (t0 ) − β
Zt1
ż 2 dt .
t0
Die mechanische Energie E nimmt durch die Reibung als Funktion der Zeit ab, da Energie
vom Massenpunkt auf das umgebende Medium übertragen wird. Nur für verschwindende
Reibung β = 0 ist E erhalten.
Generell gilt bei Vorhandensein von konservativen Kräften und dissipativen Reibungskräften
d
d
T = (F~kons + F~R ) · ~r˙ = −∇V · ~r˙ + F~R · ~r˙ = − V + F~R · ~r˙ ,
dt
dt
also
d
(T + V ) = F~R · ~r˙ ,
dt
wobei F~R · ~r˙ die Leistung ist mit der Energie vom System an die Umbegung abgegeben
wird.
Beispiel: Ungedämpfte erzwungene Schwingung mit einer harmonischen Kraft
Betrachtet werde als eindimensionales Problem ein Massenpunkt im Oszillatorpotential
mit einem zusätzlichen zeitabhängigen Potential
k
V (x, t) = −Fe x cos(ωe t) + x2 .
2
Hieraus ergibt sich die Bewegungsgleichung
∂V (x, t)
= Fe cos(ωe t) − k x
also
mẍ + k x = Fe cos(ωe t) .
∂x
Nachdem Einschwingvorgänge abgeklungen sind, wird die Lösung dieser Gleichung die
Zeitabhängigkeit des Potentials haben. Als spezielle Lösung dieser Differentialgleichung
setzen wir daher an
mẍ = −
xs (t) = x0 cos(ωe t + ϕ) ⇒ ẋs (t) = −x0 ωe sin(ωe t + ϕ) ⇒ ẍs (t) = −x0 ωe2 cos(ωe t + ϕ) .
Eingesetzt in die Differentialgleichung ergibt sich
⇒
−x0 mωe2 cos(ωe t + ϕ) + k x0 cos(ωe t + ϕ) = Fe cos(ωe t)
x0 cos(ωe t + ϕ)(−mωe2 + k) = Fe cos(ωe t)
cos(ωe t)
1
⇒ x0 = F e
.
cos(ωe t + ϕ) k − mωe2
11
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Die rechte Seite ist nur für ϕ = nπ unabhängig von t. Für ϕ = 0 ist mit ω02 = k/m
x0 =
Fe
1
.
2
m ωo − ωe2
Für ωe < ω0 ist die Auslenkung xs (t) in Phase mit der zeitabhängigen Kraft Fe cos(ωe t), für
ωe > ω0 ist die Auslenkung gegenphasig. Für diese spezielle Lösung der Bewegungsgleichung ist die Summe aus kinetischer und potentieller Energie
T +V
=
k
m 2 2 2
m 2 k 2
ẋ + x − Fe x cos(ωe t) =
x0 ωe sin (ωe t) + x20 cos2 (ωe t) − Fe x0 cos2 (ωe t) .
2
2
2
2
D.h. T + V ist nicht konstant, sondern oszilliert als Funktion der Zeit. Die äußere Kraft erzwingt die Schwingung mit der Kreisfrequenz ωe , wobei dem Oszillator periodisch Energie
zu- und wieder abgeführt wird.
Zentralkräfte
(Anmerkung: Allgemein werden Kräfte der Form
~r
F~ = f (~r, ~r˙ , t)~er = f (~r, ~r˙ , t)
r
Zentralkräfte genannt. Man kann zeigen, dass diese nur konservativ sind, wenn f nicht
von ~r˙ und
p
nicht von t abhängt und nur eine Funktion des Abstandes vom Ursprung r = |~r| = x2 + y 2 + z 2
ist.)
Wir betrachten hier
F~ = f (r)~er .
(8)
~ = ~r × F~ = 0, da
Für eine solche Zentralkraft verschwindet das Drehmoment, d.h. M
~ = ~r × p~ konstant, denn es ist d L
~ = d ~r × p~ + ~r × d p~ =
F~ k ~r. Damit ist der Drehimpuls L
dt
dt
dt
~.
m~r˙ × ~r˙ + ~r × F~ = ~r × F~ = M
~ stehen, findet die BeweDa ~r und p~ zu jedem Zeitpunkt senkrecht auf dem konstanten L
~
gung ein einer Ebene statt (z.B. in der x-y-Ebene, wenn L = L~ez ist, siehe Skizze).
Ist eine solche Zentralkraft konservativ?
Dazu berechnen wir
~ × F~ .
rotF~ = ∇
Die x-Komponente ist
rotF~
x
=
∂Fz ∂Fy
−
.
∂y
∂z
12
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Weiter ist
∂Fy
∂
y
=
f (r)
∂z
∂z
r
d f (r)
dr r
=
!
∂r
y =
∂z
d f (r)
dr r
!
z
y =
r
d f (r)
dr r
!
zy
∂Fz
=
,
r
∂y
da
∂r
∂
1
2xi
xi
=
(x21 + x22 + x23 )1/2 =
.
=
2
2
2 1/2
∂xi
∂xi
2 (x1 + x2 + x3 )
r
(9)
Analoges gilt für die anderen Komponenten. Daher ist eine Zentralkraft gemäß Gl. (8)
rotationsfrei und somit konservativ.
Das Potential einer solchen Zentralkraft hängt nur vom Abstand vom Kraftzentrum ab,
denn es ist
−
Z~r
F~ (~r 0 ) · d~r 0 = −
∞
Zr
f (r0 )dr0 = V (r) ,
∞
da F~ parallel zu ~er ist.
1.3
Mathematischer Einschub II: Krummlinige Koordinatensysteme
Bisher wurden Vektoren meistens in kartesischen Koordinaten, bei denen die Koordinatenlinien Geraden und die Basisvektoren ortsunabhängig sind, angegeben, z.B. Ortsvektor


x


~r =  y  = x~ex + y~ey + z~ez .
z
(10)
Oft sind krummlinige Koordinaten besser an die Symmetrien eines Problem angepasst.
Typischerweise vereinfacht die Wahl geeigneter Koordinaten die Lösung eines Problems
stark.
Anstatt als Funktion von x, y und z können Vektoren ganz allgemein als Funktion von drei
Variablen qi , i = 1, 2, 3 beschrieben werden, d.h.
~r(x, y, z) → ~r(q1 , q2 , q3 ) .
(11)
Die Einheitsvektoren sind bestimmt durch
~eqi =
∂~
r
∂qi
∂~
r
| ∂q
|
i
(12)
.
13
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
BILD
Bsp. Kugelkoordinaten r = (x2 + y 2 + z 2 )−1/2 , θ = arc cos(z/r) und ϕ = arc tan(y/x)
~r = r sin θ cos ϕ~ex + r sin θ sin ϕ~ey + r cos θ~ez = r(sin θ cos ϕ, sin θ sin ϕ, cos θ) . (13)
Für q1 = r ist
∂~r
= (sin θ cos ϕ, sin θ sin ϕ, cos θ) ,
∂r ∂~
r
= 1,
∂r ⇒ ~er = (sin θ cos ϕ, sin θ sin ϕ, cos θ) .
(14)
Für q2 = θ ist
∂~r
= r(cos θ cos ϕ , cos θ sin ϕ, − sin θ) ,
∂θ ∂~
r
= r,
∂θ ⇒ ~eθ = (cos θ cos ϕ , cos θ sin ϕ, − sin θ) .
(15)
Für q3 = ϕ ist
∂~r
= r(− sinθ sinϕ , sinθ cos ϕ, 0) ,
∂ϕ
∂~
r
= rsinθ ,
∂ϕ ⇒ ~eϕ = (− sinϕ , cos ϕ, 0) .
(16)
Die Basisvektoren ändern sich als Funktion des Ortes!
Für den Ortsvektor gilt ~r = r~er .
~er , ~eθ und ~eϕ stehen senkrecht aufeinander, d.h., die Skalarprodukte ~er · ~eθ = ~er · ~eϕ =
~eθ · ~eϕ = 0 verschwinden. Die Kugelkoordinaten sind also krummlinig-orthogonale Koordinaten. Außerdem bilden ~er , ~eθ und ~eϕ in die Reihenfolge ein Rechtssystem.
14
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Anmerkung: Wenn man Linien-, Flächen- und Volumenintegrale in krummlinigen Koordinaten auswertet, müssen die Bogen-, Flächen- und Volumenelemente transformiert werden und auch Ableitungen, also z.B. der Nabla-Operator, müssen transformiert werden.
BILD
Z.B. Flächenelement in x-y-Ebene in kartesischen Koordinaten dF = dx dy.
Flächenelement in ebenen Polarkoodinaten (z = 0 bzw. Θ = π/2) dF = r dϕ dr.
Für das Volumenelement in Kugelkoordinaten gilt
dr dθ dϕ = r2 sin θ dr dθ dϕ, wobei
dV = dx dy dz = ∂(x,y,z)
∂(r,θ,ϕ)
∂(x,y,z)
∂(r,θ,ϕ)
=
∂x
∂r
∂x
∂θ
∂x
∂ϕ
∂y
∂r
∂y
∂θ
∂y
∂ϕ
∂z
∂r
∂z
∂θ
∂z
∂ϕ
die Funktionaldeterminante ist.
In Kugelkoordinaten gilt beispielsweise
~ A(r, θ, ϕ) = ∂A ~er + 1 ∂A ~eθ + 1 ∂A ~eϕ
grad A(~r) = ∇
∂r
r ∂θ
r sin θ ∂ϕ
siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Formelsammlung Nabla-Operator
Eine Herleitung ist beispielsweise in Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 1 (Springer)
zu finden.
15
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
1.4
Planetenbewegung als Einkörperproblem
Johannes Kepler hat die nach ihm genannten Gesetze 1609 aus astronomischen Beobachtungsdaten von Tycho Brahe abgeleitet ohne die Newtonschen Gesetze zu kennen.
1. Keplersches Gesetz:
Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.
2. Keplersches Gesetz:
Der Fahrstrahl von der Sonne zum Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.
3. Keplersches Gesetz:
Die Quadrate der Umlaufszeiten verhalten sich wie die Kuben der großen Halbachsen.
Ellipsen:
BILD
Die Ellipse ist ein Kegelschnitt mit einer großen Halbachse a und einer kleinen Halbachse
b. Für die Abstände r und r0 von den Brennpunkten F und F’ gilt 2a = r + r0 .
Definition: Exzentrizität ε = ae < 1.
Von der mittleren Skizze liest man ab
a2 = b2 + e2 .
Von der rechten Skizze liest man ab
(2e)2 + p2 = (2a − p)2
⇒
p=
a2 − e 2
b2
= .
a
a
16
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
BILD
Wir brauchen im folgenden die Ellipsengleichung in der Form
r=
p
1 − ε cos ϕ
r0 =
,
p
.
1 − ε cos ϕ0
(∗)
Dass diese Gleichungen eine Ellipse beschreiben, zeigen wir wie folgt:
Es gilt
x
cos ϕ =
r
x0
cos ϕ = 0 .
r
0
und
Hieraus folgt
r(1 − ε cos ϕ) = p = r − εx
und
r0 (1 − ε cos ϕ0 ) = p = r0 − εx0 .
Also
r = p + εx
r0 = p + εx0 ,
und
was auf
b2 e 2
+
r + r = 2p + ε (x + x ) = 2(p + εe) = 2
| {z }
a
a
0
0
!
=
2 2
b + e2 = 2a
a
2e
führt. Also beschreiben Gln. (∗) für 0 < ε < 1 eine Ellipse.
Für ε = 0, 1, > 1 beschreiben Gln. (∗) einen Kreis, eine Parabel bzw. eine Hyperbel.
Wir behandeln das sogenannte Kepler-Problem zunächst als Einkörperproblem, d.h. wir
betrachten die Bewegung einer Masse m im Gravitationspotential einer ruhenden Masse
M . Im nächsten Abschnitt wird das Problem als Zweikörperproblem analysiert und gezeigt, ob bzw. wann die Behandlung als Einkörperproblem eine gute Näherung darstellt.
Die Bewegungsgleichung für die Masse m (Planet mit Ortsvektor ~r) im Feld der ruhenden
Masse M (Sonne, befindet sich im Ursprung) lautet
γmM ~r
.
F~ = m~¨r = − 2
r r
(17)
17
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Ausgehend hiervon wollen wir nun untersuchen, unter welchen Voraussetzungen die Keplerschen Gesetze gelten.
Wir beginnen mit dem 2. Keplerschen Gesetz:
BILD
1
~r × ~v dt
2
~
~˙ = dA = 1 ~r × ~v
⇒A
dt
2
˙~
~.
⇒ 2mA = m ~r × ~v = ~r × p~ = L
~ =
dA
(18)
~˙ konstant ist. Dies ist gleichbedeutend damit, dass der
Der Flächensatz bedeutet, dass A
~ erhalten ist, d.h. das Drehmoment M
~ = ~r × F~ verschwindet.
Drehimpuls L
Da die Gravitation ein Zentralkraftfeld darstellt, also F~ ∝ ~r und ~r × ~r = 0 ist, verschwindet
~ und der Drehimpuls L
~ und somit auch A
~˙ sind konstant.
M
18
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
~ = ~r × p~ konstant ist, stehen ~r und p~ für alle Zeiten senkrecht auf L.
~ Daher liegt
Wenn L
~ gegeben ist.
die Bahn in einer festen Ebene, deren Normalenrichtung durch L
BILD
Beschreibung der Bahnkurve in ebenen Polarkoordinaten (Kugelkoordinaten mit θ = π/2):
~ k ~ez erhalten, dann findet die Bewegung in der x-y-Ebene statt, denn es muß ~r ·~ez = 0
Ist L
und p~ · ~ez = 0 gelten. D.h. ~r(t) = (x(t), y(t), 0) = r(t) (cos ϕ(t), sinϕ(t), 0) = r(t)~er (t),
wobei ~er (t) natürlich von ϕ(t) abhängt.
Wir betrachten nun
d
d
(r(t)~er (t)) =
~v (t) = ~r(t) =
dt
dt
!
!
d
d
r(t) ~er (t) + r(t)
~er (t) .
dt
dt
Es ist
d
d
~er =
(cos ϕ, sinϕ, 0) = ϕ̇(−sinϕ, cos ϕ, 0) = ϕ̇~eϕ .
dt
dt
Hieraus folgt
~v (t) = ṙ~er + r ϕ̇ ~eϕ
~ = ~r × p~ = m~r × (ṙ~er + r ϕ̇~eϕ ) = r2 m ϕ̇~ez ,
⇒L
da ~er × ~eϕ = −~eθ gilt und für θ = π/2 ist −~eθ = ~ez .
Weiter ist
v 2 = ~v · ~v = (ṙ~er + r ϕ̇ ~eϕ ) · (ṙ~er + r ϕ̇ ~eϕ ) = ṙ2 + r2 ϕ̇2 .
Hieraus folgt
1
T = m(ṙ2 + r2 ϕ̇2 ) .
2
Verwenden wir ϕ̇ =
~
|L|
,
mr2
so kann die Gesamtenergie geschrieben werden als
1 2
L2
E = T + V (r) = mṙ +
+ V (r) .
2
2mr2
19
(19)
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Die beiden letzten Terme werden oft zu einem effektiven Potential zusammengefasst
L2
Vef f (r) = V (r) + 2mr
2 . Für gegebene Energie E, kann man mit einer graphischen Darstellung von Vef f (r) die möglichen Bahnen qualitativ diskutieren, siehe Skizze.
BILD
~ zeigt in die positive z-Richtung. Dann ist ϕ̇(t) > 0 für alle
Sei ϕ̇(t = 0) > 0, d.h. L
~ keine Erhaltungsgröße sein könnte. Da ϕ als Funktion von t streng
t, da andernfalls L
monoton steigt, kann man anstatt t auch ϕ als unabhängige Variable zur Beschreibung
der Bewegung verwenden. Aus
ṙ =
dr dϕ
dϕ dt
und
ϕ̇ =
dϕ
L
=
dt
m r2
folgt
ṙ =
dr L
.
dϕ mr2
Damit wird die Energie zu
2

1
L 
E = T + V (r) = m(ṙ2 + r2 ϕ̇2 ) + V (r) =

2
2m
2
dr
dϕ
r4

+
1
 + V (r)
r2
zu einer Funktion der Variablen r und ϕ.
Im folgenden wird gezeigt, dass eine Ellipsenbahn nur für das Potential
V (r) = −
c1
+ c2
r
durchlaufen wird (und zeigen somit das 1. Keplersche Gesetz).
Hierfür gehen wir von der Bahnkurve einer Ellipse
r=
p
1 − ε cos ϕ
aus. Hieraus folgt
dr
p
=−
(−ε (− sin ϕ)) .
dϕ
(1 − ε cos ϕ)2
20
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Da
p = r(1 − ε cos ϕ)
1
r4
dr
dϕ
!2
=
folgt
dr
r2
= − ε sin ϕ
dϕ
p
und
2
ε2 sin 2 ϕ
2 1 − cos ϕ
=
ε
.
p2
p2
Wir lösen die Ellipsengleichung nach cos ϕ auf
p
1
1−
ε
r
cos ϕ =
.
Hiermit folgt
1 dr
r4 dϕ
!2
=
ε2 − (1 − p/r)2
ε2 − 1 + 2p/r − p2 /r2
ε2 − 1
2
1
=
=
+
− 2.
2
2
2
p
p
p
pr r
Einsetzen in die Formel für die Gesamtenergie ergibt
L2
E = T + V (| ~r |) =
2m
ε2 − 1
2
+
2
p
pr
!
+ V (r) .
Da E zeitlich konstant ist, muß für jede Ellipsenbahn gelten
L2
V (r) = const. −
.
mpr
Üblicherweise setzt man V (r) = 0 für r → ∞ (Normierung), d.h.
V (r) = −
L2
.
mpr
Hieraus ergibt sich
E = T + V (r) =
L2 ε2 − 1
.
2m p2
Für eine Ellipse ε < 1 und einen Kreis ε = 0 ist die Energie kleiner als Null. Die Energie
verschwindet für eine Parabelbahn ( = 1) und wird positiv für Hyperbelbahnen ( > 1).
Die Parabelbahn beschreibt den Grenzfall, dass der Massenpunkt im Unendlichen eine
verschwindende kinetische Energie hat, während ein Massenpunkt, der im Unendlichen
eine endliche kinetische Energie hat, eine Hyperbelbahn durchläuft. Ellipsen- und Kreisbahnen gehören zu Massenpunkten, die im Potential gebunden sind. Der Unterschied
zwischen gebundenen und ungebundenen Bahnen läßt sich am effektiven Potential diskutieren (siehe oben).
21
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Für die Ellipse gilt
ε2 − 1 =
e2
e 2 − a2
b2
−
1
=
=
−
a2
a2
a2
und
p =
b2
a
⇒
1
a2
=
.
p2
b4
Hieraus ergibt sich
E = −
L2 1
< 0.
2m b2
Benutzen wir das Gravitationsgesetz
V (r) = −
γmM
L2 1
= −
,
mp r
r
so ergibt sich
L2
γmM b2
−
= −
.
2m
2
a
(∗∗)
Hieraus folgt
E= −
γM m
,
2a
d.h. die Energie hängt nur von der großen Halbachse a ab.
Im Prinzip können wir aus der Bahngleichung auch die Zeitabhängigkeit der Koordinaten
berechnen. In dem Ausdruck
~ = L = m r2 (ϕ) ϕ̇ = m r2 (ϕ)
|L|
dϕ
.
dt
können wir die Variablen trennen und erhalten
t(ϕ) =
Z t
0
ϕ
mZ 2
dt =
r (ϕ)dϕ
Lϕ
mit
r(ϕ) =
p
.
1 − ε cos ϕ
0
Die Umkehrfunktion von t(ϕ) ist ϕ(t) und daraus erhalten wir dann r(ϕ(t)). Damit ist rein
mathematisch das Keplerproblem bereits vollständig gelöst. Allerdings gibt es für das
Integral keinen geschlossenen expliziten Ausdruck.
22
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Die Umlaufzeit T kann aber bereits elementar berechnet werden. Aus (∗∗) folgt
b
L
=
2m
2
s
γM
.
a
Eingesetzt in den Flächensatz ergibt sich
s
~
~˙ = 1 ~r × ~r˙ = L = 1 b γM ~ez .
A
2
2m
2
a
Also gilt nach einem Umlauf
A~ez =
ZT
~˙ dt =
A
0
ZT
0
s
1
1
γM
1
~r × ~r˙ dt = ~r × ~r˙ T = b
T~ez .
2
2
2
a
Andererseits ist die Fläche einer Ellipse
πab = A,
also
2π a b
T =
b
s
a
2π a3/2
= √
.
γM
γM
Dies ist das 3. Keplersche Gesetz T 2 ∝ a3 .
Aus der Umlaufzeit T , der großen Halbachse a und der Gravitationskonstanten γ kann
die Masse der Sonne M bestimmt werden; die Masse des Planeten geht nicht ein.
1.5
Planetenbewegung als Zweikörperproblem
Bisher sind wir davon ausgegangen, dass der Planet sich in dem Gravitationsfeld der ruhenden Sonne bewegt. Nach dem Prinzip von actio = −reactio verursacht aber die Sonne
nicht nur eine beschleunigte Bewegung des Planeten, sondern umgekehrt verursacht der
Planet auch eine beschleunigte Bewegung der Sonne. Im folgenden vernachlässigen wir
den Einfluß aller anderen Planeten und betrachten die Bewegung zweier Massen m1 und
m2 an den Orten ~r1 und ~r2 .
BILD
23
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Die Bewegungsgleichungen lauten
~r1 − ~r2
~r
m1~¨r1 = −γm1 m2
= −γm1 m2 3 ,
3
|~r1 − ~r2 |
r
~r2 − ~r1
~r
m2~¨r2 = −γm1 m2
= γm1 m2 3 ,
3
|~r2 − ~r1 |
r
(20)
(21)
mit der Relativkoordinate ~r = ~r1 − ~r2 und r = | ~r1 − ~r2 |.
~ = m1~r1 + m2~r2 = m1~r1 + m2~r2
R
m1 + m2
M
ist der Schwerpunkt und M = m1 + m2 die Gesamtmasse.
Da die folgenden Umformungen für viele Zweiteilchenprobleme verwendet werden können,
wollen wir Gln. (20) und (21) etwas verallgemeinern und gehen aus von
m1~¨r1 = −f (r)~r ,
m2~¨r2 = f (r)~r .
(22)
(23)
Addieren dieser Gleichungen ergibt
¨~
m1~¨r1 + m2~¨r2 = M R
= 0.
Da sich wegen actio = −reactio die beiden Kräfte kompensieren, wirkt auf den Schwerpunkt keine Kraft, d.h. er wird nicht beschleunigt und bewegt sich geradlinig gleichförmig.
Dividieren von Gl. (23) durch m2 und subtrahieren Gl. (22) geteilt durch m1 führt auf
~¨r = ~¨r1 − ~¨r2 = −
1
1
+
f (r)~r .
m1 m2
Einführen der reduzierten Masse µ durch
1
µ
=
1
m1
+
1
m2
führt auf
µ~¨r = −f (r)~r .
Auf den Relativabstand wirkt dasselbe Kraftfeld, aber die Bewegung erfolgt mit der verringerten reduzierten Masse µ = m1Mm2 .
Für die Gravitationskraft ist f (r) = γm1 m2 r13 = γµM r13 . Daher fällt in diesem Fall µ aus
der Bewegungsgleichung heraus
~r
~¨r = −γM 3 .
r
Dies ist fast dieselbe Bewegungsgleichung wie für das Keplersche Einkörperproblem; nur
die Masse der Sonne ist durch die Gesamtmasse ersetzt. Da in unserem Sonnensystem
die Planetenmassen kleiner als 10−3 Sonnenmassen sind, werden die Keplerschen Gesetze nur im Detail modifiziert (denn µ weicht nur wenig von der Planetenmasse ab).
24
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
Die Bewegung der Planeten ist allerdings nicht vollständig beschrieben, da
1. die Planeten sich durch die Gravitationswechselwirkung gegenseitig anziehen
2. alle um den mit der Sonne gemeinsamen Schwerpunkt kreisen
3. weder die Sonne noch die Planeten und Monde wirklich starre Körper sind, sodass es
wegen der Gezeitenkräfte zu nichtzentralen Wechselwirkungen untereinander kommt
etc. ...
Für dieses (oder generell solche) Vielkörperproblem gibt es keine exakten Lösungen
(schon das Dreikörperproblem ist ungelöst). Es existieren aber Näherungsverfahren, die
die Berechnung der Planetenbahnen mit praktisch beliebiger Genauigkeit erlauben.
1.6
Beschleunigte Bezugssysteme
Wir betrachten zwei Bezugssysteme S und S 0 . Bei S handele es sich um ein Inertialsystem. S und S 0 seinen relativ zueinander beliebig beschleunigt.
BILD
Vektoren in S und S 0 werden beschrieben durch (xi entspricht x, y, z)
~r =
3
X
xi~ei
und ~r 0 =
3
X
x0i~ei 0 .
(24)
i=1
i=1
Für den Ortsvektor zur Masse m gilt
~r = ~r0 + ~r 0 = ~r0 +
3
X
x0i~ei 0 .
(25)
i=1
Nun berechnen wir die Geschwindigkeiten. In S 0 ist
~r˙ 0 =
3
X
ẋ0i~ei 0 ,
(26)
i=1
da die BeobachterIn sich mit S 0 mitbewegt.
25
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
In S ist
~r˙ = ~r˙0 +
3 X
ẋ0i~ei 0 + x0i~ei˙ 0 .
(27)
i=1
Diese drei Terme beschreiben die Relativgeschwindigkeit zwischen S und S 0 , die Geschwindigkeit in S 0 und die Geschwindigkeit, die sich aufgrund der Relativdrehung zwischen S und S 0 ergibt.
Der letzte Term, kann durch die momentane Winkelgeschwindigkeit ω
~ (t) geschrieben werden als
3
X
x0i~ei˙ 0 = ω
~ × ~r 0 .
(28)
i=1
Ineinander eingesetzt ergibt sich
~r˙ = ~r˙0 + ~r˙ 0 + ω
~ × ~r 0 .
(29)
Dies kann umgeschrieben werden als
d
d0
d
(~r − ~r0 ) = ~r 0 = ~r 0 + ω
~ × ~r 0 = ~r˙ 0 + ω
~ × ~r 0 ,
dt
dt
dt
(30)
0
d
wobei dt
bedeutet, dass die Zeitableitung in S 0 gemäß Gl. (26) ausgeführt wird.
Symbolisch hat man also (die Operatorgleichung)
d
d0
=
+ω
~×.
dt
dt
(31)
Die Zeitableitung in S setzt sich zusammen aus der in S 0 und einem Zusatzterm, der die
Relativdrehung zwischen S und S 0 beschreibt.
Nun wenden wir diese Regel nochmal an und leiten die Geschwindigkeit nach der Zeit ab
d ˙0
d
d
d ˙
~r − ~r˙0 =
~r + ω
~ × ~r 0 = ~r˙ 0 + (~ω × ~r 0 )
dt
dt
dt
dt
0
0
0
0
¨
˙
˙
˙
= ~r + (~ω × ~r ) + (ω
~ × ~r ) + (~ω × ~r ) + (~ω × (~ω × ~r 0 ))
= ~r¨0 + (~ω × (~ω × ~r 0 )) + 2(~ω × ~r˙ 0 ) + (ω
~˙ × ~r 0 ) .
(32)
Da m~¨r = F~ ist, ergibt sich die Bewegungsgleichung im Nichtinertialsystem S 0 als
m~r¨0 = F~ − m~r¨0 + F~C + F~Z − m(ω
~˙ × ~r 0 ) ,
(33)
mit der Zentrifugalkraft
F~Z = −m(~ω × (~ω × ~r 0 ))
(34)
und der Corioliskraft
F~C = −2m(~ω × ~r˙ 0 ) .
(35)
26
Torsten Meier, Theoretische Physik A, SS 2010
F~Z und F~C werden Trägheitskräfte (manchmal auch Scheinkräfte) genannt, die in S 0 aufgrund dessen beschleunigter Bewegung auftauchen. Außerdem tauchen in Gl. (33) noch
zwei weitere Beiträge m~r¨0 und −m(ω
~˙ × ~r 0 ), die die Beschleunigung der Ursprünge von S
und S 0 relativ zueinander und Kräfte durch zeitliche Änderungen der Winkelgeschwindigkeit beschreiben.
Mit der bac − cab−Regel
~a × ~b × ~c = ~b (~a · ~c) − ~c (~a · ~b)
kann F~Z noch umgeformt werden zu
F~Z = −m(~ω × (~ω × ~r 0 )) = −m (~ω (~ω · ~r 0 ) − ~r 0 (~ω · ω
~ )) .
Wenn ω
~ · ~r 0 = 0 ist, so gilt F~Z = mω 2~r 0 , d.h. F~Z wirkt radial nach außen.
Die Corioliskraft wirkt nur wenn ~r˙ 0 6= 0 ist. Diese Kraft rührt daher, dass sich während der
Bewegung das Bezugssystem mit ω
~ dreht. Bsp.:
− Eine horizontale Nord-(Süd-)Strömung von Wasser oder Luft erfährt eine horizontale
Ost-(West-)Ablenkung.
− Auf der Nordhalbkugel existiert eine Rechtsabweichung der Geschwindigkeit (z.B. von
Geschossen).
− Die Pendelebene eines frei schwingenden Pendels dreht sich (Foucaultsches Pendel).
...
BILD
Beispiele und Visualisierungen finden Sie z.B. unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Corioliskraft
27
Herunterladen