Hören-Verstehen-Leben Leben zur Ehre Gottes – Biblische Ethik verstehen Leben Modul 1 4 Einheiten für Kleingruppen Erstellt von Markus Schäller Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 1 Einheit 1 Ethik – Was ist das? Gut und böse Wenn auf dem Tisch ein Teller mit vier Schnitzeln steht und auf den Stühlen rings um den Tisch sitzen sechs Personen, dann gehört es sich, die Schnitzel so zu teilen, dass jeder ein annähernd gleich großes Stück bekommt. Das gebietet der Anstand. - So jedenfalls empfinden das die meisten Menschen. Würden wir nicht sechs Menschen am Tisch, sondern sechs Hunde um einen Futternapf vor uns haben, könnten wir von ihnen nicht erwarten, dass sie die Schnitzel gerecht unter sich aufteilen. Der Nahrungstrieb des einzelnen Hundes würde ihm gebieten, so schnell und so viel wie möglich zu erbeuten. Er folgt seinem Instinkt. Wir machen also einen Unterschied zwischen Mensch und Hund. Von Menschen erwarten wir sozial verantwortliches Handeln, vom Hund allenfalls, dass er das ausführt, was sein sozial verantwortlich denkendes Herrchen ihm beigebracht hat. Menschen haben ein Ethos, Hunde dagegen nicht. Natürlich können sich auch Tiere so verhalten1, dass wir es als „gut“ empfinden wenn beispielsweise ein Schäferhund einem Lawinenopfer das Leben rettet. Aber das Verhalten des Hundes ist auch in diesem Fall kein ethisch verantwortliches Handeln. Der Hund „macht seinen Job“ aus Gehorsam und wegen einer zu erwartenden Belohnung. Man kann ihm deshalb auch ein Verhalten beibringen, das wir als „böse“ einstufen: Der gleiche Schäferhund kann auch so trainiert werden, dass er wehrlose Gefangene zerfetzt. Wenn Hunde nicht wirklich in der Lage sind, zwischen gut und böse zu unterscheiden, so stellt sich die Frage: C Wieso können wir Menschen zwischen gut und böse unterscheiden? ........................................ ................................................................................................................................................................ C Warum unterscheidet sich das Bewusstsein für gut und böse von Mensch zu Mensch teilweise so massiv? ............................................................................................................................................. ................................................................................................................................................................ Rund um die Ethik Ethik ist die „Theorie der menschlichen Lebensführung“2. Wir finden den Begriff Ethik zwar nirgendwo in der Bibel, aber die Bibel beschäftigt sich vom ersten bis zum letzten Buch mit vielen Fragen und Themen, die wir heute unter diesem Begriff zusammenfassen. Da sich nicht nur Christen mit Ethik befassen, stellt sich die Frage, was biblisch-christliche Ethik von anderen Ethikentwürfen unterscheidet. In der folgenden Tabelle finden sich auf der linken Seite drei Beispiele ethischen Denkens, die anhand der gestellten Fragen in der rechten Spalte bewertet oder erklärt werden sollen: C Die „Goldene Regel der Ethik“: Wo liegt der Unterschied zwischen der Goldenen „Was du nicht willst, das man dir tu, Regel und dem wegweisenden Wort Jesu in der Bergpredigt das füg` auch keinem andern zu!“ (Matthäus 7,12)? ................................................................................................ ................................................................................................ 1 2 L Interessanterweise sprechen wir bei Tieren nicht vom „Handeln“, sondern vom „Verhalten“. Wir würden nicht formulieren: „Der Hund handelt verkehrt“, aber sehr wohl: „Der Mensch handelt verkehrt.“ L Definition nach Rendtorff, Trutz. 1990. Grundelemente, Methodologie und Konkretion einer ethischen Theologie. Bd. I. 2.Aufl. Stuttgart: W. Kohlhammer, S. 9. Der Begriff Ethik leitet sich von griech. ethos (Sitte, Gewohnheit) ab und geht auf den großen Philosophen Aristoteles (384 – 322 v.Chr.) zurück, der eine ethike theoria (Theorie der Lebensführung) verfasste. Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 2 C Was bedeutet dieser Unterschied für die Lebenspraxis? ................................................................................................ ................................................................................................ Der große deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724-1804; Königsberg) wurde unter anderem bekannt durch seinen „Kategorischen Imperativ“: „Handle so, dass die Maxime3 deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ C Die präskriptive Offenbarungsethik der Bibel: „Man hat dir mitgeteilt, o Mensch, was gut ist.“ ... Dieser wichtige Satz steht in Micha 6,8: „Man hat dir mitgeteilt, o Mensch, was gut ist. Und was fordert der HERR von dir, als Recht zu üben und Güte zu lieben und demütig zu gehen mit deinem Gott.“ Der Bibelvers bringt zum Ausdruck, dass wir Menschen auf Gott angewiesen sind, der uns seinen ethischen Willen offenbart. Christliche Ethik beruht also auf einer göttlichen Offenbarungsquelle: der Bibel. Wie könnte man den Satz etwas einfacher formulieren? ................................................................................................ ................................................................................................ ............................................................................................... Kant war einer der großen Aufklärer, dessen Einfluss auf das ethische Denken bis in die westliche Gesellschaft der Gegenwart reicht. Er maß der menschlichen Vernunft hohe Bedeutung bei und ging davon aus, dass moralische Normen im Mensch vorhanden sind und der Mensch somit stets in der Lage sei, angemessen zu handeln.- In einer Gesellschaft, die stark vom Christentum und dem Ethos der Zehn Gebote geprägt war, konnte man das auch annehmen. Aber wie handeln „vernünftige Menschen“ ohne den biblisch-ethischen Hintergrund, wenn es zum Beispiel um das Thema Abtreibung geht? ................................................. ................................................................................................ Im Vergleich der ethischen Ansätze, die es weltweit gibt, unterscheidet man zwischen präskriptiver (vorschreibender) und deskriptiver (beschreibender) Ethik. C Sind die folgenden Texte deskriptiv oder präskriptiv? Richter 21,25: ........................................................................ 2. Mose 20,14: ....................................................................... Römer 12,8-10: ...................................................................... Die Offenbarungsethik der Bibel hat vorwiegend präskriptiven Charakter: Gott, unser Schöpfer, schreibt seinen Geschöpfen ein Handeln vor und hat nicht die Absicht, mit uns darüber zu diskutieren oder zu verhandeln. 3 L Grundsatz, Lebensregel. Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 3 Einheit 2 Gott gehorchen heißt Leben Gottes Gebote als „Spaßbremsen“? Für manche Zeitgenossen gilt die Bibel als ein „Katalog von Verbotsschildern“: Du darfst nicht!, Du sollst nicht!, Du musst!... - Solche Vorstellungen entstehen meist durch negative Vorbilder (gesetzliche, freudlose Christen; Moralapostel usw.) oder durch ein falsches Verständnis der Ordnungen Gottes: Man glaubt, dass die Gebote der Bibel die Lebensfreude unterdrücken. - Und das will man (oder frau) sich nicht antun. Viele haben leider nicht verstanden, dass Gottes Maßstäbe lebensbejahend und letztlich auch befreiend sind. Sie sollen das Leben nicht unterdrücken, sondern ermöglichen. Zwei biblische Textbeispiele aus dem Alten (Einheit 2) und dem Neuen Testament (Einheit 3) sollen das illustrieren: Altes Testament: 5. Mose 4,1-9 Es geht um das Volk Israel, das sich auf dem Weg von Ägypten nach Kanaan befindet. Unterwegs gibt es einige Probleme, die mit dem Ungehorsam des Volkes verbunden sind und meist auf Unglauben beruhen. Der aktuellste Akt des Ungehorsams gegenüber Gottes Geboten ist die Szene von 4. Mose 25,1-18, wo aufgrund der Verführung durch die Moabiter zum Götzendienst und zum außerehelichen Sexualverkehr letztlich tausende Israeliten ums Leben kommen. In unserem Textbeispiel (V.3) wird von Mose daran erinnert: C Vers Bitte lest den Bibeltext 5. Mose 4,1-9 und versucht, folgende Fragen zu beantworten: Was soll das Volk Israel tun? Was hat das zur Folge? Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 4 Nicht jeder Text des Alten Testaments ist direkt auf die Situation neutestamentlicher Christen anwendbar. Hier ist vor allem zu bedenken, dass Israel mit dem Gesetz in einer anderen Weise verbunden ist als Christen, die aus Gnade gerechtfertigt wurden und nicht als eine politische und gesellschaftliche Einheit eines erwählten Gottesvolks das Miteinander gestalten müssen4: Das Gesetz dient uns erstens zur Erkenntnis der Sünde5 und „erzieht“ zweitens den sündigen Menschen zum Glauben an Jesus Christus6. Drittens sind und bleiben die Gebote des Alten Testaments Ausdruck des ethischen Willens Gottes7. Sofern sie nicht Zusammenhänge betreffen, die durch das Neuen Testament „überholt“ wurden (Reinheitsvorschriften, Opferkult, politisches Leben im Land Israel), bleiben auch für Christen Maßstab des Handelns8. In diesem Sinne kann uns Paulus (in dem für die christliche Ethik sehr wichtigen) Abschnitt Römer 12-13 erklären, dass Christen durch die Orientierung am Liebesgebot das Gesetz erfüllen (Röm 13,8-10). C Bitte werft mit den eben dargestellten Gedanken im Hinterkopf einen Blick auf die oben ausgefüllte Tabelle und überlegt, wie die mittlere und die rechte Tabellenspalte im Leben von Christen zusammengehören: Was sollen wir tun und was könnten die Folgen davon sein? C Bitte versucht mit Hilfe des betrachteten Textes eine Erwiderung auf die eingangs dargestellte Sicht (Gebote als „Spaßbremsen“, „Katalog von Verbotsschildern“ usw...) zu finden. 4 5 6 7 8 Dies wird von Paulus in Römer 1-3, aber auch in Röm 6-7 ausführlich erklärt. Röm 3,20; 7,7-12. Vergleicht man die Sünde mit einer Krankheit, dann lässt sich anhand des Gesetzes die Diagnose stellen: krank, todkrank (Röm 6,23). Siehe Gal 3,24. Siehe 1Tim 1,8-11 und Röm 7,12. Vgl. 1Joh 5,2-3. Im Blick auf das alttestamentliche Gesetz ist der Unterschied zwischen „Moralgesetz“ und „Zeremonialgesetz“ zu bedenken. Diese beiden Begriffe sind in der Theologie zwar umstritten, aber meines Erachtens doch hilfreich, um zwischen ethischen Normen (vor allem Zehn Gebote – in 5Mo 4,13 wie ein „ethisches Grundgesetz“ hervorgehoben!) und Opfergesetzen oder Reinheitsvorschriften zu unterscheiden. Die Tatsache, dass Jesus Christus selbst zum Opfer wurde, überholt die Opfergesetze des Alten Bundes, wie uns der Hebräerbrief erklärt. Auch die Reinheitsvorschriften bekommen nach Apg 10,15 einen anderen Stellenwert. Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 5 Einheit 3 Zielorientiert leben Wir hatten in der letzten Einheit einen Text aus dem Alten Testament unter die Lupe genommen, der das Befolgen der Gebote Gottes als ein Privileg beschrieb: Gott gehorchen heißt leben. Heute werfen wir einen Blick auf einen neutestamentlichen Text, der zwar in eine völlig andere Situation gehört, aber ebenfalls den Charakter eines biblischen Lebensstils verdeutlicht: Neues Testament: 1. Korinther 9,24-27 Paulus schreibt etwa im Jahr 55 n.Chr. an die Gemeinde in Korinth, die er wenige Jahre zuvor gegründet hatte, einen langen Brief, der auf ethische Kompromisse und Konflikte eingeht. In der Großstadtgemeinde Korinth gab es offensichtlich einige Christen aus der römisch-bürgerlichen Elite9. Für sie gehörte es zum „guten Ton“, Einladungen in Restaurants anzunehmen. Allerdings waren die Restaurants der Antike Götzentempel. Damit stand die ethische Frage im Raum: Dürfen Christen im Götzentempel speisen? Eine andere Frage war, ob man das Fleisch vom makellon, dem Fleischmarkt, essen darf, wenn man doch genau weiß, dass auch dieses Fleisch grundsätzlich Götzenopferfleisch ist... Weil diese Fragen unterschiedlich beantwortet wurden, kam es zum Konflikt unter den Christen in Korinth. In 1. Korinther 8 – 10 argumentiert Paulus zu dieser Problematik10. Von den so genannten „Starken“ in Korinth erwartet er, dass sie um der „Schwachen“ willen auf das verzichten, was sie als „ihr gutes Recht“ verstehen11. In Kapitel 9 erklärt Paulus durch sein eigenes Vorbild, inwiefern und warum man als „Starker“ auf sein „Recht“ verzichten kann. Er bezieht sich auf sein Recht als Apostel (z.B. hinsichtlich der „Dienstvergütung“) und seine Freiheit: Von beidem hatte er in Korinth keinen Gebrauch gemacht. Bei seinem missionarischen Wirken in der Stadt12 war er eher wie einer, der in der römischen Gesellschaft weder Recht noch Freiheit hatte: ein Sklave (V.19). In den Versen 24-27 lässt Paulus erkennen, was ihn motiviert, freiwillig auf manches zu verzichten. Er illustriert seine Gedanken anhand von Bildern aus dem Sport, die den Korinthern gut vertraut waren13. C Bitte lest den Bibeltext 1. Korinther 9,24-27 5 und versucht, folgende Fragen zu beantworten: Welche Sportarten werden erwähnt und was ist typisch für diese Sportarten? 9 10 11 12 13 L Auch wenn die Gemeinde in Korinth mehrheitlich aus einfachen Leuten bestand (1Kor 1,26), weisen verschiedene Zusammenhänge auf die Existenz einer reichen, römisch-bürgerlichen Elite hin: Sie halten sich selbst für weise (Kap. 1-4), prozessieren vor weltlichen Gerichten (6,1-11) und verhalten sich beim Herrenmahl gegenüber den sozial Schwachen sehr unfair (11,17-34). L Wer wissen will, was Paulus zu dem Thema zu sagen hat, sollte sich nicht nur einzelne Verse herauspicken (weil solche Argumentationsketten sonst schnell missverstanden werden), sondern den gesamten Abschnitt im Zusammenhang lesen. L Es geht also um gegenseitige Rücksichtnahme unter Christen, die durch das „Hohelied der Liebe“ in Kap. 13 unterstrichen wird. Vgl. Apg 18,1-17. L Korinth war im ersten Jahrhundert nicht nur eine bedeutende Handelsmetropole (mit zwei Überseehäfen), sondern auch eine Stadt des Sports. In Isthmia – sozusagen vor den Toren Korinths – fanden regelmäßig die Isthmischen Spiele statt, die ähnlich bedeutend wie die Olympischen Spiele waren. Die in der Antike gängigen Sportarten waren also in Korinth gut bekannt. Und die große Zahl der Sporttouristen, die zu den Spielen nach Korinth strömten und in Zelten kampierten, gaben Paulus als Zeltmacher eine gute Verdienstmöglichkeit. (Weitere Informationen: Riesner, R. 1988. „Korinth“ in: Das Große Bibellexikon. Bd. 2. Wuppertal: R. Brockhaus, S. 815-819. Schnabel, E.J. 2006. Der Erste Brief des Paulus an die Korinther. HTA. Wuppertal: R. Brockhaus, S. 510-520) Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 6 Was motiviert die betreffenden Sportler im Wettkampf? Welcher Lebensbereich ist bei einem Marathonläufer nicht vom Sport beeinflusst? Warum isst ein Marathonläufer vor dem Wettkampf keinen Schweinebraten, obwohl es „sein gutes Recht“ wäre? Was meint Paulus mit dem „unvergänglichen Siegeskranz“? Paulus spricht ja über sich selbst und über die Sportler, aber an einem Punkt spricht er die Leser seines Briefes an: Was sollen sie tun? Was bedeutet das Bild vom Sportler für die konkrete Frage nach dem Götzenopferfleisch? Was ist eurer Meinung nach der wichtigste Punkt, den wir von 1. Korinther 9,24-27 behalten sollten? Zwischen Rettung und Ziel Das Bild vom Marathonläufer ist gut geeignet, um die Situation von Christen zu verinnerlichen. Es gibt einen Startpunkt des Glaubens: die Bekehrung, die Rettung. Und es gibt einen Zielpunkt des Glaubens: die Begegnung mit Jesus bei seiner Wiederkunft (und alles, was dem folgt... schließlich Gottes neue Welt, wie sie in Offenbarung 21-22 beschrieben wird). Christsein ist ein Langstreckenlauf, der von der Hoffnung auf das Ziel bestimmt wird. Wer DAS ZIEL nicht kennt, wird entweder zu schlecht oder in die falsche Richtung laufen, weil er ein anderes Ziel hat. Menschen, die sich nicht selbst aufgegeben haben, haben stets auch Ziele – es fragt sich nur, welche. Welches Ziel hast du? Was treibt dich an? Wer zielorientiert im Sinne Gottes denkt, wird die Ge- und Verbote Gottes anders aufnehmen als jemand, der Gottes Ziel nicht kennt. Für einen zielorientierten Sportler sind die Markierungen an der Wettkampfstrecke (= Gebote und Weisungen im AT und NT) nicht nur sinnvoll, sondern absolut notwendig. Man könnte das Ganze also so zusammenfassen: „Sage mir, ob du das Ziel angepeilt hast. Und ich sage dir, wie dein Lebensstil aussieht.“ Gebote des Alten Testaments Ziel Rettung Weisungen des Neuen Testaments Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 7 Christen leben mit Hoffnung und werden vom zukünftigen Ziel angetrieben14. Doch leider ist das nicht immer der Fall: C Was es bedeutet es eurer Meinung nach für die Ethik, wenn Christen nur auf die Diesseitsexistenz fixiert sind, weil ihnen der irdische Wohlstand den Blick für die Zukunft unwichtig erscheinen lässt? ................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................ ................................................................................................................................................................ Christliche Ethik ist also grundsätzlich Zielethik15: Christen leben zwar bereits in der Gegenwart mit dem auferstandenen Christus, sie folgen ihrem Herrn nach, beten ihn an, werden ihm ähnlicher (Als „Langstreckenläufer“ haben sie sozusagen ihr großes Vorbild stets an der Seite und orientieren sich an seinem „Laufstil“.) Aber ihr Leben strebt auf DAS ZIEL zu, auf die leibliche Begegnung mit Jesus Christus von Angesicht zu Angesicht. Zugleich ist der christliche Lebensstil auch eine Antwort auf die Rettung durch Jesus Christus. - An dieser Stelle schließt sich der Kreis zum Alten Testament wieder: • Wie das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten gerettet wurde, so wurden Christen aus der Sklaverei der Sünde und der Macht Satans gerettet. • Wie das Volk Israel auf das Rettungshandeln Gottes mit Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes antworten sollte16, so antworten Christen mit Gehorsam auf das Rettungshandeln am Kreuz von Golgatha. • Wie das Volk Israel auf dem Weg ins verheißene Land war, so sind Christen auf dem Weg zum Ziel bei Gott. • Wie Gott sein Volk Israel auf dem Weg begleitete, so ist Jesus Christus mit seinen Nachfolgern „bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Mt 28,20). ... Und nicht zufällig erinnert Paulus in 1.Korinther 10,1-13 an die Szene von 4.Mose 25, die wir in der letzten Einheit schon im Blick hatten: „Diese Dinge sind als Vorbilder für uns geschehen, damit uns nicht nach bösen Dingen gelüstet.“ (V.6). 14 15 16 L Wie stark Ethik und Eschatologie (Endzeitlehre, Lehre von den zukünftigen Dingen) verknüpft sind, zeigt sich bspw. in dem „ethischen Grundlagentext“ von Römer 12-13. Nachdem in den vorigen Kapiteln bereits verschiedene Antworten gegeben wurden, warum die Rechtfertigung aus Glauben keine ethische Willkür bedeutet, folgt der Blick in die Zukunft: „Und dies tut als solche, die die Zeit erkennen, dass die Stunde schon da ist...“ „...der Tag ist nahe.“ (Röm 13,11-14) „Der Tag“ (des Herrn) ist bereits im AT ein bekannter Ausdruck für Gottes Zukunft (vgl. Mal 3,23). L Mehr dazu: Schäller, M. 2008. Sex Beziehungsweise Ehe. Hammerbrücke: Jota, S. 32-42; Schäller, M. & A. 2009. Bibel, Sex und Body-Bildung. 2. Aufl. Dillenburg: CV, S.57-69 L Siehe www.hoeren-verstehen-leben.de: Materialpool: B3_Kleingruppen_ZehnGebote.pdf, S.3: Aktion und Reaktion. Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 8 Einheit 4 Ethik und Lebenspraxis In den Einheiten 1-3 hatten wir versucht, die Konturen biblischer Ethik nachzuzeichnen. In der letzten Einheit soll es nun darum gehen, die Inhalte der bisherigen Einheiten zu verarbeiten und einen Schritt in Richtung Lebenspraxis zu gehen. Rückblick und Ausblick In Einheit 3 ging es ja um die wichtigen Motive christlicher Ethik, um das Leben zwischen Rettung und Ziel. Und weil Christen wie Langstreckenläufer von ihrer Rettung herkommen und auf das Ziel zulaufen, entsteht dieses Bild: Gebote des Alten Testaments Ziel Rettung Weisungen des Neuen Testaments Die Ge- und Verbote des Alten Testaments und die ethischen Weisungen bei Jesus und den Aposteln (also im Neuen Testament) geben dem Langstreckenläufer Orientierung, Sicherheit und überhaupt erst die Möglichkeit, das Ziel zu erreichen. Wenn Christen die ethischen Weisungen der Bibel ignorieren, dann fehlt oft die Zielorientierung (Blick nach vorn). Vielleicht ist aber auch der Blick für die Rettung trübe geworden (Blick nach hinten), weshalb sie in ihrem Leben nicht mehr mit Gehorsam antworten. In Korinth scheint beides der Fall gewesen zu sein, denn Paulus schärft den Korinthern den Blick für das Ziel (z.B. 1Kor 1517) und erinnert sie bei schweren ethischen Verfehlungen an ihre Rettung: Konkret spricht Paulus die Taufe an (1Kor 6,9-11), aber auch das Abendmahl (1Kor 11,17-34), wo sich Christen ja bewusst und gezielt an das Rettungshandeln am Kreuz erinnern. C Für die Praxis bedeutet das: Wenn Christen aus irgendwelchen Gründen ein Leben nach Gottes Maßstäben ablehnen oder unbegründet daran vorbeileben (in der Grafik sozusagen „neben der Spur sind“), dann gilt es, zwei Fragen zu stellen: Richtung der Frage C Bitte versucht hier eine passende Frage zu formulieren. Relevanter Bibeltext Blick nach vorn 1Kor 9,24-25 Hebr 12,1-318 Blick nach hinten Röm 6,1-14 C 17 18 Was würdet ihr einem Langstreckenläufer (= Christ) empfehlen, der unterwegs gestolpert Inmitten des langen Kapitels über die leibliche Auferstehung sind die ethischen Sätze in V.32-34 bemerkenswert. Es gibt natürlich noch viele weitere Bibeltexte, die diesen Gedanken unterstreichen: Röm 13,11-14; 1Thess 4,1-12 in Verbindung mit 1Thess 5,1-11 usw. Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 9 und hingefallen ist19? Ethischer Rahmen und Freiheit Die biblische Ethik lässt sich auch als Handlungsrahmen beschreiben. Die folgende Grafik hat zwar den Nachteil, dass sich die Motive Rettung und Ziel nicht darstellen lassen, zeigt dafür aber besser, dass wir innerhalb eines ethischen Rahmens viel Freiheit genießen: Christen fragen ja nach dem Willen Gottes für ihr Leben. Sie finden in der Bibel seinen ethischen Willen, der mitunter auch so genannt wird: „Dies ist Gottes Wille: eure Heiligung...“ (1Thess 4,3). In der folgenden Skizze ist der ethische Rahmen durch die äußere Linie dargestellt. Altes und Neues Testament bilden gemeinsam diesen Rahmen: Altes Testament FREIHEIT konkrete Führung durch den Heiligen Geist Leben eines Christen FREIHEIT Neues Testament Es ist allerdings keineswegs so, dass die Bibel auf alle unsere Lebensfragen eine Antwort hätte 20. Deshalb ist die äußere Linie unterbrochen. Auf neuzeitliche Fragen wie beim Thema der Stammzellforschung finden sich in der Bibel natürlich keine Anweisungen, wir können aber vom Wert des menschlichen Lebens in der Bibel her dennoch zu biblisch-ethischen Antworten finden. Innerhalb des ethischen Rahmens besteht viel Freiheit zur Gestaltung, wobei der Heilige Geist einen Menschen konkret führen kann21. Die Leitung durch den Geist wird sich aber niemals gegen den in der Schrift geoffenbarten Willen Gottes richten22, sondern sich stets nur innerhalb dieses Rahmens bewegen. Die Behauptung, Gott habe einen detaillierten Plan für jeden Menschen ausgearbeitet und es komme nun darauf an, die jeweils richtigen Stellen im „Planquadrat“ zu finden, lässt sich biblisch kaum begründen23. 19 20 21 22 23 Vgl. Spr 24,16. L Wenn es für jede Lebenssituation eine Anweisung gäbe, wäre das eine so genannte Kasuistik. Doch die Ethik der Bibel hat einen anderen Charakter: Gott stellt den Menschen als denkendes Wesen in Verantwortung. Nach Röm 8,14 ist Geistesleitung ein Kennzeichen jedes Christen. Joh 14,26. L Ob die in diesem Zusammenhang gern zitierte Stelle, Eph 2,10 („... geschaffen zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat...“), in diesem Sinne zu verstehen ist, erscheint mir höchst zweifelhaft. Die Verse 8-10 drücken (wie Röm 1-5) aus, dass Rechtfertigung nicht aus Werken geschieht, sondern nur durch Gnade und aus Glauben. Gute Werke, die dieser Rechtfertigung folgen, sind nur auf dieser Grundlage denkbar. Aber dass Gott für jeden Menschen ein individuelles „Werkeprofil“ vorher festgelegt hat (Christ XY lebt quasi an seiner Berufung vorbei, wenn er nicht in Südamerika Missionar wird...), lässt sich m.E. aus diesem Text nicht lesen. Damit soll aber nicht angezweifelt werden, dass Gott Menschen konkret in einen Dienst beruft. Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 10 C Zwei Beispiele24: • Oliver entscheidet sich, Zivildienst zu leisten. Weil in den Zehn Geboten steht: „Du sollst nicht töten!“, greift er nicht zur Waffe. Er kommt in einen Konflikt mit seinem Freund Thommy, der zur Bundeswehr geht und seine Sicht mit Römer 13 begründet, wonach die Obrigkeit im Auftrag Gottes handelt und das Schwert nicht umsonst trägt. - An welcher Stelle des Rahmens würdet ihr Olivers und Thommys Position einzeichnen? Wessen Sicht würdet ihr euch eher anschließen? • Hans (21 Jahre, unverheiratet, gläubig) lernt die 29jährige, verheiratete Ines (ungläubig, 2 Kinder) kennen. Die Ehe von Ines ist ziemlich zerrüttet, ihr Ehemann behandelt sie teilweise brutal. Und Hans ist der Meinung, dass der Heilige Geist ihm gezeigt habe, dass Ines seine Frau werden soll. - An welcher Stelle des ethischen Rahmens würdet ihr die Beziehung zwischen Hans und Ines einzeichnen? 24 L Namen und Umstände sind zwar lebensnah, aber frei erfunden. Alle Übereinstimmungen mit realen Personen sind daher zufällig und nicht beabsichtigt. Hören-Verstehen-Leben Leben. Modul 1: Leben zur Ehre Gottes - Biblische Ethik verstehen. Erstellt von Markus Schäller AGB 2010 Seite 11