M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT Peter K. Kohl Detlef Petzoldt Sexuell übertragbare Krankheiten im Kindesalter und sexueller Mißbrauch Wird ein sexuell übertragbarer Erreger bei einem Kind isoliert, besteht Unsicherheit bei der Bewertung des Befundes mit der Tendenz, die Ursachen auf nicht sexuellem Wege zu suchen. Bei Erwachsenen dagegen wird die Frage noch einer nicht seie Häufigkeit von sexuellem Mißbrauch von Kindern ist schwierig abzuschätzen, weil der Mißbrauch von Kindern häufig unbemerkt bleibt. Schätzungen aus den Vereinigten Staaten besagen, daß wenigstens jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge vor dem 16. Lebensjahr sexuell belästigt werden. Schätzungen aus der Bundesrepublik Deutschland besagen, daß in etwa 15 000 bis 300 000 Kinder jährlich sexuell mißbraucht werden. Die Dunkelziffer von sexuellem Mißbrauch und sexueller Mißhandlung wird auf etwa 1 : 20 geschätzt (68). In Baden-Württemberg hat zwischen 1984 und 1990 die Zahl der polizeilich registrierten sexuellen Kindesmißhandlungen um 26 Prozent zugenommen. Im Jahre 1992 wurden in den alten Bundesländern insgesamt 9,4 Prozent mehr Fälle von sexuellem Kindesmißbrauch angezeigt als ein Jahr zuvor (68). Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, daß die vier meldepflichtigen Geschlechtskrankheiten in den letzten 20 Jahren in der Allgemeinbevölkerung von rund 90 000 Fällen pro Jahr zu Beginn der 70er Jahre auf 10 000 Fälle pro Jahr zu Ende der 80er Jahre gesunken sind. Der Prozentsatz der gemeldeten Geschlechtskrankheiten bei Patienten unter zehn Jahren ist im Verlauf der letzten 20 Jahre mit 0,1 bis 0,3 Prozent gleich geblieben (Grafik). In größeren Untersuchungen wurde festgestellt, daß die Prävalenz von sexuell übertragbaren Erkrankungen bei sexuell mißbrauchten Kindern für die Syphilis zwischen 0 und 9 Prozent (17, 28, 36, 47, 82), für D xuellen Übertragung von sexuell übertragbaren Erkrankungen nur selten gestellt. Die nachfolgenden Ausführungen sollen bei Auftreten einer sexuell übertragbaren Erkrankung im Kindesalter eine differenzierende Abklärung erleichtern. die Gonorrhö zwischen 0 und 20 Prozent (17, 28, 29, 32, 45, 47, 81, 82), für eine Chlamydieninfektion zwischen 0,2 und 17 Prozent (17, 28, 29, 36, 45, 46) und für eine Trichomoniasis zwischen 0,5 und 22 Prozent (29, 37, 82) liegt. Die große Spannbreite der Prävalenzangaben erklärt sich aus unterschiedlichen Vorgehensweisen in der Diagnostik und aus der unterschiedlichen altersmäßigen Zusammensetzung der Gruppen, die in die einzelnen Untersuchungen eingebracht wurden. Bei der Bewertung ist zu berücksichtigen, daß Erreger von sexuell übertragbaren Erkrankungen auch bei nicht mißbrauchten Kindern vorkommen können. Das wird eindrucksvoll in mehreren Untersuchungen nachgewiesen, die vergleichend eine Gruppe von mißbrauchten Kindern und eine Kontrollgruppe, die aus nicht mißbrauchten gleichaltrigen Kindern bestand, untersuchten. Hierbei zeigte sich, daß Chlamydien (46), Ureaplasmen (38), Mykoplasmen (38) und eine bakterielle Vaginose (37) auch bei nicht mißbrauchten Kindern diagnostiziert werden können (Tabelle 1). Ursachen im Kindesalter Die Bestimmung der Infektionsquelle bei Kindern ist schwierig. Grundsätzlich bestehen folgende Übertragungswege: Intrauterin, perinatal, durch sexuellen Mißbrauch, durch freiwilligen sexuellen Kontakt, Hautklinik (Direktor: Prof. Dr. D. Petzoldt) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg durch akzidentelle Auto- oder Heteroinokulation oder durch indirekte Übertragung. Akzidentelle und indirekte Übertragung Insbesondere in der älteren Literatur werden sexuell übertragbare Erkrankungen bei einem Kind durch mehr zufällige Übertragung, wie zum Beispiel einen engen körperlichen Kontakt mit einem erkrankten Erwachsenen oder einem anderen Kind, erklärt (1, 8, 27, 34, 43, 56, 65, 75). Auch die mittelbare Übertragung durch Objekte wurde früher häufig favorisiert (8, 22, 62, 75, 77, 79). Dazu gehörten Haushaltsobjekte wie Handbücher, Bettlaken, verschmutzte Wäsche, Schwämme, Toilettenbrille, Fieberthermometer, Spielzeuge und anderes. In einer Reihe von Studien wurde gezeigt, daß unter bestimmten Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen 10 Prozent der getesteten Gonokokkenstämme auf Toilettensitzen und Bettüchern bis zu 24 Stunden (22, 21, 31, 62), auf weißem Karton sogar 96 Stunden (79) überleben können. Herpes-simplex-Virus-Typ-II kann bis zu 72 Stunden auf trockener Gaze (19), Trichomonas vaginalis bis zu drei Stunden in feuchten Tüchern (12) und bis zu drei Tagen in warmem Mineralwasser (76) überleben. Humane Papillomvirus-(HPV-)Typen 6 und 11 wurden mit Hilfe der Filterhybridisierung in der Unterwäsche von Patientinnen mit größeren Condylombeeten an der Vulva nachgewiesen (7). Diese Studien scheinen für die theoretische Möglichkeit einer Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 (53) A-391 M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT asexuellen Übertragung zu sprechen, können sie aber nicht beweisen (18, 31). Eine Infektion erfordert mehr als lediglich die Gegenwart eines Erregers auf einer inerten Oberfläche. Weitere Faktoren wie zum Beispiel ein ausreichender körperlicher Kontakt mit einer Haut oder Schleimhaut und die Präsenz einer minimalen in- trauterin oder perinatal erworben. Eine derartige vertikale Übertragung ist für Treponema pallidum (54, 66), Neisseria gonorrhoeae (78), Chlamydia trachomatis (3, 5, 72, 73) Herpessimplex-Virus (83), Humanes Papillom-Virus (6, 14, 16, 20, 61) und auch für Trichomonas vaginalis (2, 48, 55) dokumentiert. Das Vorkommen die- Grafik Alle - 10 Jahre (%) 100.000 90.000 - 10 Jahre 80.000 70.000 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 0,3 0,28 0,26 0,24 0,22 0,2 0,18 0,16 0,14 0,12 0,1 0,08 0,06 0,04 0,02 Anzahl aller meldepflichtigen Geschlechtskrankheiten (durchgezogene Linie) und prozentualer Anteil der Patienten bis zum zehnten Lebensjahr (Säulen) in den alten Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland 1971 bis 1990. fektiösen Dosis sind für die Infektionsübertragung erforderlich (17, 62). In der Tat wurden Gonokokken nie von Toilettensitzen in öffentlichen Toiletten und in venerologischen Kliniken isoliert (31, 67). Auch auf Kinderstationen, wo Kinder mit und ohne Gonorrhö gemeinsame Toiletten benützten, ist es nie zu einer Übertragung der Infektion gekommen (15). Sowohl eine zufällige Infektionsübertragung auf Kinder, die unter beengten Haushaltsverhältnissen bei ihren infizierten Eltern leben, als auch eine mittelbare Übertragung stellen also eine absolute Ausnahme dar und bedürfen ungewöhnlicher Umstände. Intrauterine und perinatale Übertragung Erkrankungen mit sexuell übertragbaren Erregern in der Neugeborenenperiode sind in der Regel inA-392 ser Infektionen in der Neugeborenenperiode reflektiert die Prävalenz der Infektion bei Frauen im gebärfähigen Alter. Differenzierung nach Alter des Kindes Bei Auftreten einer sexuell übertragbaren Erkrankung im Kindesalter ist es zur Abklärung des Übertragungsweges wichtig, das Alter des Kindes zu berücksichtigen (9). Für Kinder bis ungefähr zum zweiten Lebensjahr kommen in erster Linie eine intrauterine und perinatale Infektionsübertragung in Frage. Erst in zweiter Linie, insbesondere außerhalb des Säuglingsalters, muß in dieser Altersgruppe an einen möglichen sexuellen Mißbrauch gedacht werden. Für Kinder zwischen zwei und zehn Jahren allerdings muß der sexu- (54) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 elle Mißbrauch eindeutig an erster Stelle der Übertragungsmöglichkeiten angenommen werden. Erst danach folgen die intrauterine und die perinatale Infektionsübertragung. Eine intrapartal übertragene Human-Papillom-Virus-Infektion kann manchmal erst nach einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren klinisch manifest werden (14). Auch intrapartal übertragene Chlamydien können bis zu drei Jahren nach der Geburt im Nasen-Rachenraum nachgewiesen werden (5, 72). Für Kinder in der Pubertät, also in der Regel über zehn Jahre, rangieren freiwilliger sexueller Kontakt und sexueller Mißbrauch für einen Übertragungsweg gemeinsam an erster Stelle, wobei das eine das andere nicht ausschließt. Eine Lues connata tarda kann allerdings erst in diesem Alter klinisch manifest werden. Differenzierung nach Art des Erregers Für die Altersgruppe zwischen zwei und zehn Jahren gilt: Der Verdacht auf sexuellen Mißbrauch ist am stärksten bei Nachweis einer Infektion mit Treponema pallidum und Neisseria gonorrhoeae (9, 23, 24, 26, 44, 58, 60, 64, 82). Erheblich ist der Verdacht bei Nachweis einer Infektion mit Chlamydia trachomatis (10, 28, 36, 45, 46, 69), Herpes-simplex-Virus Typ II (30, 53) und den häufigsten genitalen HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 (16, 41, 58, 70, 74, 80, 82), obwohl hier wegen der langen Latenzphase, dem Vorkommen von subklinischen Infektionen und von Spontanremissionen die Beurteilung sehr schwierig ist (14, 16, 25, 33, 39, 40, 41, 42, 71). Bei Nachweis von Humanen Papillom-Virus-Typen 1 bis 5 und 7 im Anogenitalbereich kann eine Autooder Heteroinokulation von extragenitalen Lokalisationen angenommen werden (14, 25, 35). Nur geringe Verdachtsmomente auf sexuellen Mißbrauch ergeben sich bei Nachweis einer Infektion mit Herpes-simplex-Virus Typ I (30, 53), Trichomonas vaginalis (37, 50, 58), Mykoplasmen (38) oder einer bakteriel- M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT len Vaginose (11, 29, 39). Insbesondere Mikroplasmen, Uveaplasmen und eine bakterielle Vaginose sind auch bei nicht mißbrauchten Kindern nachgewiesen worden (36, 38). 1. Diagnostisch müssen alle möglichen Infektionsorte, genital, anal und oral/pharyngeal, und zwar völlig unabhängig vom Vorhandensein klinischer Erscheinungen, auf sexuell übertragbare Erreger untersucht werden (17, 57). Bei negativen Befunden sind alle Untersuchungen Differenzierung nach zu einem späteren Zeitpunkt (zum Lokalisation der Infektion Beispiel sieben Tage – sechs Wochen Die Lokalisation der sexuell – drei Monate nach dem Ereignis) zu übertragbaren Infektion ist für die wiederholen. Bei fehlendem Fluor Beurteilung des Verdachtes auf sexu- kann Material mit Hilfe einer Spülung ellen Mißbrauch ebenfalls wichtig. gewonnen werden (63) (Tabelle 2). Eine genitale, anale und pharyn2. Wenn der Verdacht erst durch geale Lokalisation der sexuell über- den zufälligen Nachweis eines betragbaren Infektion bedeutet einen stimmten sexuell übertragbaren Errestarken Verdacht auf sexuellen gers entstand, muß auch nach allen anderen sexuell Tabelle 1 übertragbaren ErPrävalenz im Vergleich mit einer Kontrollgruppe krankungen klinisch, serologisch, sexuell übertragbarer mißbrauchte nicht mißbrauchte kulturell oder mitErreger oder Kinder Kinder tels DirektnachErkrankung (in Prozent) (in Prozent) weis gefahndet werden. Bei VerChlamydia trachomatis 8,9 1,1 dacht auf HPV-InUreaplasma urealyticum 30 8 fektion kann es Mycoplasma hominis 34 17 aus Gründen der Beweiskette sinnBakterielle Vaginose 29 4 voll sein, eine Biopsie zur histoMißbrauch. Bei einer laryngeal und logischen Untersuchung und Typisieeiner konjunktival lokalisierten sexu- rung durchzuführen (14, 25, 33, 40, 70) ell übertragbaren Erkrankung kann (Tabelle 2). eher an eine perinatale Übertragung 3. Das Kind ist einer allgemeigedacht werden. nen körperlichen Untersuchung auf Die Berücksichtigung des Alters mögliche Zeichen einer Kindesdes Kindes, des sexuell übertragbaren mißhandlung wie zum Beispiel VerErregers und der Lokalisation der In- letzungen, Hämatome, Schürfwunfektion kann somit zur Abschätzung den usw. zu unterziehen. Die Anfertides Verdachtes auf sexuellen gung von Photos, eventuell auch von Mißbrauch eines Kindes beitragen. kolposkopischen Aufnahmen, empBei jedem Nachweisfall eines sexuell fiehlt sich (13, 49). übertragbaren Erregers bei einem 4. Die Behandlung des Kindes Kind ist der Ausschluß einer sexuel- sollte unter stationären Bedingungen len Übertragung erforderlich. erfolgen. Unter stationären Bedingungen können die Anamnese in Ruhe komplettiert, die Durchführung und der Erfolg der Therapie besser Vorgehen bei Verdacht beurteilt und schließlich das Kind Bei der Aufarbeitung einer kind- vor einem eventuell fortgesetzten lichen sexuell übertragbaren Erkran- Mißbrauch geschützt werden (23, 49). kung trifft den Arzt eine besondere 5. Der Arzt, der eine sexuell Verantwortung, wobei rechtliche und übertragbare Krankheit bei einem berufsrechtliche Bestimmungen sorg- Kind feststellt, sollte sich mit den ihm fältig zu beachten sind. Welche Maß- zur Verfügung stehenden und zumutnahmen müssen bei Verdacht auf se- baren Mitteln bemühen, die Infektixuellen Mißbrauch des Kindes getrof- onsquelle zu ermitteln. Diese Maßfen werden? nahme sollte völlig unabhängig von den klinischen Erscheinungen der Kontaktpersonen durchgeführt werden (4, 23, 26, 40, 44, 59, 64, 65). 6. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Kinderärzten, Kinder- und Jugendpsychiatern, Dermatovenerologen, Kindergynäkologen, -psychologen und Sozialarbeitern ist anzustreben (23, 40). Ansprechstellen sind hier KinTabelle 2 Venerologische Abklärung bei Verdacht auf sexuellen Mißbrauch eines Kindes Präparate Färbepräparat (nach Gram), (gramnegative Diplokokken, Schlüsselzellen) Nativpräparat (Trichomonas vaginalis, Schlüsselzellen) Amintest (10% KOH) bei bakterieller Vaginose Essigsäuretouchierung (3 bis 5 Prozent für fünf Minuten) bei subklinischen Läsionen durch humane Papillomviren Dunkelfeldpräparat (aus Reizsekret) bei Verdacht auf syphilitischen Primäraffekt Kulturen oder Direktnachweise Neisseria gonorrhoeae (eventuell zusätzlich DNA-Nachweis) Chlamydia trachomatis (oder DNANachweis) Trichomonas vaginalis Herpes-simplex-Virus-Typen I und II bei verdächtigen Läsionen Serologie Treponema pallidum [VDRL, (IgM)FTA-ABS oder TPHA] Herpes-simplex-Virus Biopsie Genitale Warzen und nach Essigsäuretouchierung positive Läsionen derkliniken, Kinder- und Jugendpsychiatrische Kliniken, Psychologische Beratungsstellen, Soziale Dienste der Jugendämter, die von Trägern der freien Wohlfahrtspflege eingerichteten Beratungsstellen und der Deutsche Kinderschutzbund. In einigen Zentren sind Kinderschutzambulanzen eingerichtet worden (51). Natürlich ist bei der Abklärung ein vorsichtiges, das Prinzip der Ver- Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 (57) A-393 M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT hältnismäßigkeit beachtendes Vorgehen erforderlich, ohne aber das Risiko einer fortdauernden Gefahr für das Kind zu vernachlässigen (68). Ein Hauptproblem ist, daß das Opfer häufig nicht fähig oder willens ist, Angaben zur Vorgeschichte zu machen; sei es aus Mangel an Sprachfähigkeit, wie bei kleinen Kindern, oder sei es aus Verängstigung, wie bei größeren Kindern (81, 82). Zu berücksichtigen ist, daß bei der Anamneseerhebung häufig die Familienmitglieder anwesend sind, in deren Kreis sich möglicherweise die Schädiger befinden (49). Das Auftreten einer sexuell übertragbaren Erkrankung ist oft der einzige Hinweis auf einen sexuellen Mißbrauch (52, 63, 64). Besonders wichtig ist daher die Bereitschaft des Arztes, bei Vorliegen einer kindlichen sexuell übertragbaren Erkrankung die Möglichkeit einer sexuellen Übertragung in Betracht zu ziehen und dementsprechend zu handeln. Der sexuelle Mißbrauch stellt also eine wichtige Ausschlußdiagnose für den Arzt dar. Die Möglichkeit einer nicht sexuellen Übertragung sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn durch die oben genannten Maßnahmen ein sexueller Mißbrauch ausgeschlossen wurde. Der Arzt, der eine sexuell übertragbare Krankheit bei einem Kind entdeckt, trägt deshalb eine besonde- Vergleich von Früherkennungsmammographien Mit mammographischen Aufnahmen in zwei Ebenen werden bei einem routinemäßigen radiologischen Screening 24 Prozent mehr Mammakarzinome entdeckt als bei Aufnahmen, die in nur einer Ebene gemacht werden. Damit sind kraniokaudale und seitliche Aufnahmen medizinisch effektiver als eine einzelne seitliche Aufnahme, da mehr verdächtige Bezirke sicher entdeckt werden konnten und weniger Frauen zu Zweitaufnahmen wieder einbestellt werden mußten. Dies ist das Ergebnis einer multizentrischen englischen Studie mit 40 163 Teilnehmerinnen im Alter von 50 bis 64 Jahren ohne bekannte Vorerkrankungen der Brüste, bei denen die erste mammographische Vorsorgeuntersuchung vorgenommen wurde. Die Frauen wurden in neun englischen Früherkennungszentren per Zufallsverfahren in drei Gruppen eingeteilt. Bei einer Gruppe wurde eine seitliche Aufnahme angefertigt, bei der zweiten seitliche und kraniokaudale Mammographiebilder. Bei der dritten Gruppe wurden auch zwei Aufnahmen gemacht, diese wurden jedoch unterschiedlich ausgewertet: Ein Untersucher erhielt lediglich die seitliche Aufnahme, während der zweite beide Bilder zur Diagnosefindung benutzen konnte. Anschließend wurde die Diagnose durch eine Probenentnahme aus der betroffenen Brust gesichert. Die Prävalenz der entdeckten Karzinome pro 1 000 untersuchten Frauen lag bei zwei beurteilten Ebenen in der Mammographie re Verantwortung, die über die Erkennung und Behandlung der vorliegenden Erkrankung hinausgeht. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1996; 93: A-391–394 [Heft 7] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift der Verfasser: Prof. Dr. med. Detlef Petzoldt PD Dr. med. Peter K. Kohl Hautklinik der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg Voßstraße 2 69115 Heidelberg bei 6,84, bei einer Ebene bei 5,52. In den Gruppen mit dem aufwendigeren Verfahren mußten 15 Prozent weniger Frauen zu nachfolgenden Kontrollmammographien einbestellt werden. Obwohl Aufnahmen in zwei Ebenen zunächst etwas teurer waren, waren die Kosten pro damit entdecktem Mammakarzinom schließlich nur noch grenzwertig höher – ungeachtet des zusätzlichen Vorteils der höheren Früherkennungsrate. silk Wald NJ, Murphy P et al: UKCCCR multicentre randomised controlled trial of one and two view mammography in breast cancer screening. BMJ 1995, 311: 1189–1193. Prof. Nicholas J Wald, Cancer Research Campaign, Cancer Screening Research Group, Wolfson Institute of Preventive Medicine, St. Bartholomew’s Hospital Medical College, London EC1M6BQ, Großbritannien Postoperative Mesalamin-Prophylaxe bei Morbus Crohn Über 80 Prozent aller Patienten mit einer Enterocolitis granulomatosa Crohn müssen im Laufe ihres Lebens operiert werden. Die postoperative Rezidivrate beträgt 3,4 bis 16 Prozent pro Jahr. Der Einsatz der 5-Aminosalizylsäure zur Verhinderung eines Rezidivs ist bislang nicht einheitlich beurteilt worden. Die Autoren gaben insgesamt 163 Patienten im Rahmen einer plazebokontrollierten Studie zweimal A-394 1,5 g Mesalamin oder Plazebo innerhalb von acht Wochen nach einem resezierenden Eingriff und beobachteten die Patienten 72 Monate lang. Unter der Erhaltungstherapie mit 5Aminosalizylsäure traten signifikant weniger Rezidive auf als in der Kontrollgruppe. Nur in einem Fall kam es zu einer 5-ASA-induzierten Pankreatitis. Die Autoren kommen zu der Empfehlung, daß drei Gramm Me- (58) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 salamin bei Patienten, die wegen eines Morbus Crohn reseziert werden mußten, postoperativ zur Rezidivprophylaxe eingesetzt werden sollten. W McLeod R S, Wolff B C, Steinhart A H W et al: Prophylactic Mesalamine Treatment Decreases Postoperative Recurrence of Crohn’s Disease. Gastroenterology 1995; 109: 404–413. Departments of Surgery, Medicine, Pathology, Radiology, Preventive Medicine, and Biostatistics, University of Toronto, Ontario, Kanada