Elektronentransfer- und Solvatisierungsdynamik in Eis

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Elektronentransfer- und Solvatisierungsdynamik
in Eis adsorbiert auf Metalloberflächen
Im Fachbereich Physik
der Freien Universität Berlin
eingereichte Dissertation
Cornelius Gahl
Mai 2004
Eine elektronische Version dieser Arbeit (PDF) ist ab November 2004 auf dem
Dissertationsserver der Freien Universität Berlin (http://www.diss.fu-berlin.de) verfügbar.
email: [email protected]
Diese Arbeit entstand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Wolf in der Zeit von
Mai 2000 bis August 2001 am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Abteilung Physikalische Chemie, unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Ertl und bis Mai
2004 am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin.
Berlin, im Mai 2004
Erstgutachter: Prof. Dr. Martin Wolf
Zweitgutachter: Prof. Dr. Karl-Heinz Rieder
Datum der Disputation: 25. Juni 2004
Kurzfassung
Mittels zeit- und winkelaufgelöster Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie (2PPE)
ist die Dynamik von Überschusselektronen in molekular dünnen Eisschichten auf Metalloberflächen untersucht worden. Ziel dieser Arbeit ist es, zum Verständnis fundamentaler
Wechselwirkungsmechanismen zwischen einem Elektron und einer molekularen Umgebung
beizutragen. Insbesondere wird der Einfluss der Struktur auf die Elektronendynamik aufgezeigt. Es wurden unterschiedliche Lokalisierungsphänomene in amorphen und in kristallinen Eisschichten gefunden. In amorphen Schichten findet eine Solvatisierung lokalisierter
Zustände am Leitungsbandboden der Eisschicht statt. Der Solvatisierungsprozess äußert
sich einerseits in einer kontinuierlichen energetischen Verschiebung des elektronischen Zustands, die auf der Cu(111)-Oberfläche über 1.5 ps verfolgt werden konnte. Darüber hinaus
ist die Stabilisierung mit einer zunehmenden räumlichen Einschnürung der Wellenfunktion
verknüpft, die sich in einer Verbreiterung der Impulsverteilung parallel zur Oberfläche
und in einer Verringerung der Rücktransferrate solvatisierter Elektronen ins Metallsubstrat äußert. Die Solvatisierungsdynamik zeigt eine ausgeprägte Bedeckungsabhängigkeit,
die darauf zurückgeführt wird, dass bei Bedeckungen <2 BL vermehrt Wassermoleküle
an der Solvathülle beteiligt sind, die nicht mit 4 Wasserstoffbrückenbindungen koordiniert
sind und dementsprechend schneller auf die Ladung reagieren können. Ferner wird die
Solvatisierungsdynamik durch die Relaxationsdynamik angeregter Elektronen im Substrat
beeinflusst. So findet man auf der Ru(001)-Oberfläche nicht nur einen deutlich schnelleren
Zerfall der Population, sondern auch eine schnellere Stabilisierung lokalisierter Elektronen.
Das Solvatisierungsverhalten unterscheidet sich in amorphen und kristallinen Eisschichten
ähnlich wie das Lösungsverhalten von Ionen in flüssigem Wasser und kristallinem Eis. In
letzterem wird auf der Femtosekundenzeitskala keine Solvatisierung beobachtet. Stattdessen werden an speziellen Defekten in der Grenzschicht zum Vakuum eingefangene Elektronen nachgewiesen, die Lebensdauern bis in den Minutenbereich aufweisen. Lebensdauern
in dieser Größenordnung sind für elektronische Zustände wenige Ångström vor einer Metalloberfläche bei einer Energie von 2 eV über dem Fermi-Niveau nicht mehr in einem
Einteilchenbild zu verstehen. Als Erklärung wird vorgeschlagen, dass das Elektron an Solvatmoden ankoppelt und sich so ein Komplex mit hoher effektiver Masse bildet. Auf derselben Zeitskala wie der Populationszerfall erfolgt eine Stabilisierung um mehrere 100 meV,
die entsprechend einem dielektrischen Relaxationsprozess stark temperaturabhängig ist.
Es werden erste Experimente vorgestellt, die auch die Umkehrung des Stabilisierungsprozesses nach Photoemission des Elektrons zugänglich machen. Außerdem wird gezeigt, dass
eingefangene Elektronen als Auslöser chemischer Reaktionen eingesetzt werden können.
i
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
i
Abbildungsverzeichnis
vii
1 Einleitung
1
2 Grundlagen
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Das Wassermolekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.2 Die Wasserstoffbrückenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3 Kristallines Eis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.4 Die relevanten Phasen des Wassers . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.5 Elektronische Struktur von kristallinem und amorphem Eis . . . .
2.1.6 Solvatisierung und Einfang von Elektronen . . . . . . . . . . . . .
2.1.7 Adsorption auf Metalloberflächen, Struktur der Eisgrenzflächen . .
2.2 Elektronische Struktur der Metallsubstrate . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Elektronische Struktur der Cu(111)-Oberfläche . . . . . . . . . . .
2.2.2 Elektronische Struktur der Ru(001)-Oberfläche . . . . . . . . . . .
2.2.3 Bildladungszustände an sauberen Metalloberflächen . . . . . . . .
2.3 Modifizierte Bildladungszustände an adsorbatbedeckten Metalloberflächen
2.4 Lichtinduzierte Ladungs- und Energietransferprozesse . . . . . . . . . . .
2.5 Zwei-Photonen-Photoemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.1 Beschreibung der 2PPE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.2 Polarisationsabhängigkeit, Symmetrie der Wellenfunktion . . . . .
2.5.3 Winkelabhängigkeit, Dispersion parallel zur Oberfläche . . . . . .
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3 Experiment
3.1 Probenpräparation und -charakterisierung . . . . . .
3.1.1 UHV-System . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2 Präparation der Metalloberflächen . . . . . .
3.1.3 Präparation der Adsorbatschichten,
Thermische Desorptionsspektroskopie (TDS)
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie . . . . .
3.2.1 Lasersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
fs-Verstärkersystem . . . . . . . . . . . . . . .
Frequenzkonversion und Pulspräparation . .
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7
8
9
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iii
Inhaltsverzeichnis
3.2.2
3.2.3
Elektronenflugzeitspektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Signalverarbeitung, Flugzeitmessung . . . . . . . . . . . . . . .
Energiemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Parallelimpulsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grundlegende Analyse der 2PPE-Spektren und Messprinzipien
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
4.1 Elektronendynamik in amorphem Eis auf Cu(111) im Überblick
4.2 Elektronische Struktur der statischen amorphen Eisschicht . . .
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Lokalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.2 Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.3 Konkurrenzprozess Rücktransfer ins Substrat . . . . . .
4.3.4 Entwicklung der Linienform . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.5 Räumliche Ausdehnung der lokalisierten Zustände . . .
4.3.6 Respons der Solvathülle . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.7 Diskussion der Bildung solvatisierter Elektronen . . . .
4.4 Bedeckungsabhängigkeit der Solvatisierung . . . . . . . . . . .
4.5 Elektronensolvatisierung in amorphem Eis auf Ru(001) . . . . .
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen Eisschichten
5.1 Elektronendynamik in kristallinen Eismultilagen auf Ru(001)
5.2 Bedeckungs- und Temperaturabhängigkeit . . . . . . . . . . .
5.3 Bildladungszustände auf der Bilage D2 O/Ru(001) . . . . . . .
5.3.1 Energetik und Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.2 Dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 119
. 119
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6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
6.1 Populations- und Depopulationsmechanismus . . . . . . . . . . . .
6.2 Populationsdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Pump-Probe-Spektroskopie auf der Sekundenzeitskala . . .
6.2.2 Diskussion des Lokalisierungs- und Stabilisierungsprozesses
6.3 Bedeckungsabhängigkeit und photoinduzierte Strukturänderung . .
6.4 Einfluss der Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.1 Temperaturabhängigkeit der Bindungsenergie . . . . . . . .
6.4.2 Temperaturabhängigkeit der 2PPE-Intensität . . . . . . . .
6.5 Relaxationsdynamik der Solvathülle . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.6 Einfluss von Edelgas-Deckschichten auf eingefangene Elektronen .
6.7 Photochemie mit eingefangenen Elektronen . . . . . . . . . . . . .
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153
154
7 Zusammenfassung und Ausblick
157
A Bildladungszustände vor der Ru(001)-Oberfläche
161
Literaturverzeichnis
167
iv
Inhaltsverzeichnis
Apparative Komponenten
183
Abkürzungen
185
Publikationen
187
Danksagung
189
Akademischer Lebenslauf
191
v
Inhaltsverzeichnis
vi
Abbildungsverzeichnis
1.1
Schematische Darstellung der 2PPE-Experimente . . . . . . . . . . . . . . .
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
2.9
2.10
2.11
2.12
2.13
2.14
2.15
2.16
2.17
2.18
2.19
2.20
2.21
2.22
2.23
2.24
2.25
2.26
2.27
2.28
Aufbau des Wassermoleküls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wasserstoffbrückenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kristallstruktur von Eis Ih . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Struktur von Eis Ih und Eis XI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Protonische Punktdefekte und DV-Defekt . . . . . . . . . . . . . .
Vereinfachtes Phasendiagramm für den Niederdruckbereich . . . .
Skizze zur Struktur von amorphem Eis . . . . . . . . . . . . . . . .
Diffusivität von Wasser und Eis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
UV-Absorptionsspektren von Eis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bandstruktur eines amorphen Festkörpers . . . . . . . . . . . . . .
Absorptionsspektrum solvatisierter Elektronen in D2 O . . . . . . .
Cavity-Modell des solvatisierten Elektrons . . . . . . . . . . . . . .
Absorptions- und Photoelektronenspektrum von Clustern . . . . .
Absorptionsspektren lokalisierter Elektronen in D2 O-Glass . . . . .
Struktur der idealen adsorbierten Wasserbilage . . . . . . . . . . .
Struktureller Isotopeneffekt der Wasserbilage auf Ru(001) . . . . .
Molekulardynamikrechnungen zur Grenzflächenstruktur von Eis . .
Projizierte Cu-Bandstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bandstruktur von Ruthenium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wellenfunktionen der Bildladungszustände n=1 und 2 auf Cu(111)
Wellenfunktionen der Bildladungszustände n=3–7 . . . . . . . . .
Modifiziertes Bildladungspotential nach dem DCM . . . . . . . . .
Anregungs- und Zerfallsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . .
MGR-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Polaronenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Intrabandstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schema der zeitaufgelösten 2PPE . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2PPE-Anregungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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35
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38
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40
41
42
43
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Experimenteller Aufbau (schematisch)
Aufbau des UHV-Systems (FUB) . . .
Probenhalterung . . . . . . . . . . . .
Gasdosiersystem . . . . . . . . . . . .
TDS zur Temperatureichung . . . . .
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3
vii
Abbildungsverzeichnis
viii
3.6
3.7
3.8
3.9
3.10
3.11
3.12
3.13
3.14
3.15
3.16
3.17
3.18
3.19
3.20
3.21
3.22
3.23
3.24
3.25
3.26
Cu(111): LEED und 2PPE-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
LEED-Bild und Auger-Elektronenspektrum der Ru(001)-Oberfläche . . .
TDS von CO/Ru(001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
TDS von D2 O/Cu(111) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
TDS-Serie von D2 O/Ru(001) präpariert bei T =100 K . . . . . . . . . . .
TDS-Serie von D2 O/Ru(001) für verschiedene Präparationstemperaturen
TDS von D2 O/Ru(001) bei 164 K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aufbau des Lasersystems an der FUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Spektren von Mira und RegA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Laserspektren der OPAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Laserspotprofile am Ort der Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elektronen-Flugzeitspektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Datenaufnahme und Experimentsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Geometrie der Dispersionsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Skizze zur Winkelauflösung des TOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Winkel- und Impulsauflösung des TOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Korrektur der Absaugspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Energieskalen eines 2PPE-Spektrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
exemplarische 2PPE-Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Geometrie der Polarisationsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
exemplarische zeitaufgelöste 2PPE-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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56
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59
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68
69
74
75
75
76
77
79
79
81
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
4.8
4.9
4.10
4.11
4.12
4.13
4.14
4.15
4.16
4.17
4.18
4.19
4.20
Schema zur Elektronendynamik in adsorbierten Eisschichten . . . . . . . . .
Elektronendynamik in 4 BL D2 O/Cu(111) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Winkelabhängige 2PPE-Spektren von 3 BL D2 O/Cu(111) . . . . . . . . . .
Zerlegung winkelabhängiger 2PPE-Spektren in 2 Peaks . . . . . . . . . . . .
DCM für Eis/Cu(111) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stabilisierungs- und Populationsdynamik solvatisierter Elektronen . . . . .
Linienform solvatisierter Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Winkelaufgelöste Photoemission aus einem lokalisierten Zustand in k-Raum
Polarisationsabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vergleich Dispersionsmodell mit Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Intensitätsverteilung im kk -Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Isotopeneffekt in der Solvatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Temperaturabhängigkeit der Solvatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schematische Darstellung der Solvatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
zeitabhängige 2PPE-Spektren für verschiedene Bedeckungen . . . . . . . . .
STM-Untersuchungen an amorphem D2 O/Cu(111) . . . . . . . . . . . . . .
Bedeckungsabhängigkeit der Solvatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Veranschaulichung der Solvatisierung im Volumen und an der Eisoberfläche
Elektronendynamik in amorphem Eis auf Ru(001) . . . . . . . . . . . . . .
Vergleich der Solvatisierungsdynamik auf Cu(111) und Ru(001) . . . . . . .
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95
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99
100
101
105
106
107
108
109
110
5.1
5.2
2PPE+TDS von 5 BL D2 O/Ru(001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Elektronendynamik in amorphem und kristallinem Eis auf Ru(001) . . . . . 116
Abbildungsverzeichnis
5.3
5.4
5.5
5.6
Θ-Abhängigkeit der elektronischen Struktur von kristallinem D2 O/Ru(001)
Dynamik der Bildladungszustände auf 1 BL D2 O/Ru(001) . . . . . . . . . .
XCs der Bildladungszustände auf 1 BL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dispersionsmessung von 1 BL D2 O/Ru(001) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
120
121
122
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.9
6.10
6.11
6.12
6.13
6.14
6.15
6.16
6.17
6.18
6.19
6.20
6.21
6.22
6.23
6.24
2PPE-Spektrum langlebiger Elektronen in kristallinem Eis . . . . . . .
Abhängigkeit der 2PPE-Intensität von der Länge der UV-Pulse . . . . .
Dispersion von eT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Photonenenergieabhängigkeit von eT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schema des Anregungs- und Depopulationsprozesses von eT . . . . . . .
Depopulation von eT mit 0.83 eV (1500 nm) . . . . . . . . . . . . . . . .
Populations- und Depopulationsdynamik von eT . . . . . . . . . . . . .
Fluenzabhängigkeit langlebiger Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pump-Probe-Messungen von eT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stabilisierung lokalisierter Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Skizze zur Abschätzung der Energiebarriere . . . . . . . . . . . . . . . .
XC-Vergleich zwischen amorpher und halbkristalliner Schicht . . . . . .
Einfluss von UV-Licht auf eT und Φ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Temperaturabhängigkeit von eT : konstante Position . . . . . . . . . . .
Temperaturabhängigkeit von eT : variable Position . . . . . . . . . . . .
Temperaturabhängigkeit der Bindungsenergie von eT . . . . . . . . . . .
Simulation der Peakverschiebung von eT mit der Temperatur . . . . . .
Temperaturabhängigkeit der Intensität von eT . . . . . . . . . . . . . . .
Schema zur Relaxationsdynamik der Solvathülle . . . . . . . . . . . . .
Relaxation der Umgebung von eT nach der Depopulation . . . . . . . .
Vergleich zwischen Stabilisierung und Destabilisierung von eT . . . . . .
Einfluss von Xe-Deckschichten auf eingefangene Elektronen . . . . . . .
Einfluss von O2 in der Gasphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Skizze des Reaktionsmechanismus von O2 mit eingefangenen Elektronen
125
126
127
128
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129
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152
153
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A.1 Bildladungszustände auf Ru(001) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
A.2 Bildladungszustände auf Ru(001): Spektren und Kreuzkorrelationen . . . . 163
A.3 Quantenschwebungen zwischen Bildladungszuständen . . . . . . . . . . . . 164
ix
1 Einleitung
Der Elektronentransfer über eine Grenzfläche hinweg spielt eine entscheidende Rolle bei
einer Reihe technologisch relevanter Prozesse, etwa in der Photovoltaik, der Elektrochemie und Katalyse oder dem sich neu entwickelnden Feld der molekularen Elektronik. In
der Photochemie an Metalloberflächen kommt es in vielen Fällen durch den Ladungstransfer angeregter Elektronen in einen normalerweise unbesetzten Adsorbatzustand zu
einem Energietransfer in Kernbewegungen des Adsorbats, der zu einer Reaktion führen
kann [Zho91, Zhu94, Bon99, Den03a]. Wie groß dabei der Energietransfer ist, hängt u. a.
von der Lebensdauer des angeregten Zustands und dessen Lokalisierungsgrad ab.
Die Dynamik derartiger Elementarprozesse spielt sich typischerweise auf der Zeitskala
von Femtosekunden (1 fs=10−15 s) ab. Sie ist deshalb erst mit der Entwicklung der Femtosekundenlaser einer experimentellen Untersuchung zugänglich geworden. In der Gasphase
ist es so möglich geworden, die zeitliche Entwicklung der an einer photoinduzierten Reaktion beteiligten elektronischen Zustände zu untersuchen [Zew94,Ass98]. An Metalloberflächen führt die Ankopplung an die Vielzahl möglicher Anregungen im Substrat jedoch
dazu, dass die Lebensdauer angeregter Zustände in chemisorbierten Molekülen in den
meisten Fällen sehr kurz ist (1–10 fs). Es ist deshalb erst in wenigen Systemen ansatzweise gelungen, den Energietransferprozess während einer Reaktion an Metalloberflächen
zeitlich aufzulösen. Hier ist vor allem die Schwingungsanregung ( frustrierte“ Desorpti”
on) von Cs-Atomen auf der Cu(111)-Oberfläche anzuführen, für die mittels zeitaufgelöster
Zwei-Photonen-Photoemission (2PPE) die energetische Verschiebung eines antibindenden
Cs–Cu-Zustands nachgewiesen werden konnte [Bau99, Pet00].
Viele Untersuchungen zur Elektronendynamik an Metalloberflächen haben sich deshalb auf die Anregung einer Nichtgleichgewichtselektronenverteilung mit anschließender
Thermalisierung durch Elektron–Elektron- [Wol97,Pet98,Ech00a] bzw. Elektron–PhononStreuung [DF00, Moo02, Lis04] konzentriert. In Konkurrenz zu diesen elementaren Streuprozessen steht hierbei der Energietransport ins Volumen [Kno97b, Bon00]. Außerdem
wurde intensiv der Ladungstransfer in Zustände untersucht, die sich von den Bildladungszuständen der sauberen Metalloberfläche ableiten [Fau95, Wei02, Ech04]. Es handelt sich
dabei um gebundene Zustände, die sich rein durch den elektronischen Respons von Metall und Adsorbat vor der Oberfläche ausbilden und parallel zur Oberfläche delokalisiert
sind. Ein Energietransfer in Kernkoordinaten kann aus Bildladungszuständen in geringem
Ausmaß durch Elektron–Phonon-Streuung stattfinden [Hot00].
Ein System, an dem sowohl Elektronen- und Energietransferprozesse als auch Lokalisierungsphänomene untersucht werden können, ist die Bildung solvatisierter Elektronen
in dünnen Adsorbatschichten. Unter Solvatisierung versteht man allgemein die Stabilisierung einer Ladung durch lokale Rekonfiguration der molekularen Umgebung, wie sie bei
Lösungsprozessen eine entscheidende Rolle spielt. Die Bildung solvatisierter Elektronen
erfolgt durch Einfang von mehr oder weniger delokalisierten Überschusselektronen. Diese
1
1 Einleitung
entstehen, wenn man Elektronen in ein Lösungsmittel injiziert oder aber im Lösungsmittel
selbst anregt. Der Elektronensolvatisierung kommt in drei Bereichen Bedeutung zu. Sie ist
Modellsystem einerseits für die Wechselwirkung einer Ladung mit einer Lösungsmittelumgebung, andererseits aber auch für den Energietransfer aus einer elektronischen Anregung
in Kernbewegungen, wie er bei chemischen Reaktionen häufig auftritt. Außerdem ist der
Prozess als solcher relevant bei elektronenvermittelten Reaktionen in Lösungsmitteln und
an ihren Grenzflächen. Durch die mit der Solvatisierung verbundene Lokalisierung wird die
Wahrscheinlichkeit verringert, dass das Elektron wieder in den Grundzustand relaxieren
kann, so dass die Anregungsenergie länger für chemische Reaktionen zur Verfügung steht.
Für alle drei Bereiche ist es nahe liegend, die Untersuchungen zur Elektronensolvatisierung gerade an Wasser bzw. Eis durchzuführen. Wasser ist die wohl bedeutendste chemische Verbindung auf der Erde. Insbesondere ist es das wichtigste Lösungsmittel in der belebten Natur, ebenso wie in technischen Anwendungen und in der Elektrochemie. Andererseits stellt die photokatalytische Spaltung von Wasser zur Produktion von Wasserstoff mit
Hilfe von Sonnenlicht im Zusammenhang mit der Erschließung alternativer Energiequellen
und -speicher ein aktuelles Ziel der Forschung dar. Große Umweltrelevanz haben die solvatisierten Elektronen in Eis aber auch als reaktive Spezies in der Atmosphärenchemie. So ist
gezeigt worden, dass die Bildung solvatisierter Elektronen in Eis den Wirkungsquerschnitt
für die photoinduzierte Spaltung von Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen um ein Vielfaches
steigern kann [Lu99,Lu01]. Dieser Prozess kann in polaren Stratosphärenwolken durch den
UV-Anteil des Sonnenlichts ausgelöst werden und zur Ausbildung des Ozonlochs über den
Polargebieten beitragen.
Die Dynamik solvatisierter Elektronen ist sowohl bei der Bildung als auch bei der Anregung aus dem bereits äquilibrierten Zustand schwerpunktmäßig in flüssigem Wasser untersucht worden. Dabei wurden vorwiegend optische, zeitaufgelöste Spektroskopiemethoden angewendet [Mig87, Lon90, Bal99, Kam02, Her02, Lae00]. Die Stabilisierung des Elektrons erfolgt innerhalb weniger Pikosekunden und äußert sich in einer Verschiebung des
charakteristischen Absorptionsspektrums zu kürzeren Wellenlängen. Trotz umfangreicher
Modellrechnungen ist es allerdings bis heute nicht gelungen, den Ursprung des Absorptionsspektrums zweifelsfrei zu erklären. Ebenso ist die mikroskopische Struktur nach wie
vor Gegenstand kontroverser Diskussionen [Kev81, Pre96, Mug96, Sob02a]. Sehr wenig bekannt ist, wie die Dynamik der Solvatisierung in anderen Phasen von Wasser, speziell in
amorphem und kristallinem Eis aussieht [Gil01].
Im Rahmen dieser Arbeit wurde nun die Solvatisierung von Elektronen nicht im Volumen
von Wasser oder Eis, sondern in Eisschichten mit einer Dicke von wenigen Moleküllagen an
der Grenzfläche zu einem Metall untersucht. Auf diese Weise werden elementare Lösungsprozesse mit elektronischen Prozessen an Metalloberflächen kombiniert, so dass man z.B.
das Wechselspiel aus Lokalisierung, Stabilisierung und Ladungstransfer studieren kann.
Der Ansatz eröffnet ferner die Möglichkeit, Präparations- und Charakterisierungsmethoden der Oberflächenphysik und -chemie auf die Solvatisierung in Lösungsmitteln anzuwenden. So lassen sich unter Ultrahochvakuum(UHV)-Bedingungen hochreine Adsorbatschichten präparieren, deren Struktur gezielt verändert werden kann, um z.B den Einfluss
der Struktur auf die Elektronendynamik zu studieren.
2
Die Elektronendynamik wurde mittels zeit- und winkelaufgelöster Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie (2PPE) untersucht, einer Pump–Probe-Technik, die es ermöglicht,
angeregte elektronische Zustände zu spektroskopieren. So lassen sich gerade die Zustände
untersuchen, die in Reaktionen oder Solvatisierungsprozesse unmittelbar involviert sind.
Dabei besitzt die 2PPE gegenüber rein optischen Spektroskopiemethoden den Vorteil, dass
nicht nur energetische Abstände zwischen Zuständen, sondern sowohl ihre Bindungsenergie als auch die energetische Lage bzgl. der Fermi-Energie des Metallsubstrats ermittelt
werden können. Aus winkelabhängigen Messungen ergibt sich zudem der Impuls der Elektronen parallel zur Oberfläche. Derartige Dispersionsmessungen erlauben Rückschlüsse auf
die Ausdehnung der Wellenfunktion in der Ebene der Oberfläche.
Der prinzipielle Verlauf des Prozesses ist in Abbildung 1.1 schematisch im Realraum
und als Energiediagramm skizziert.
hn1
hn2
e-
+ +-
e-
hn2 e
E
EVak
CB
hn1
EF
Metall
Eis
}
Abbildung 1.1: Schematische Darstellung der
2PPE-Experimente zur Elektronendynamik in adsorbierten Eisschichten: (oben) Durch optische Anregung im Metall werden Elektronen in die Eisschicht
injiziert, wo sie durch lokale Umordnung der Wassermoleküle lokalisiert und stabilisiert werden. Durch
Photoemission kann die Entwicklung des elektronischen Zustands untersucht werden. (unten) Diagramm der beteiligten Ladungs- und Energietransferprozesse. Die Elementarschritte sind durch Pfeile
illustriert: optische Anregung im Metall durch den
ersten Laserpuls, Elektronentransfer ins Leitungsband (CB) der Eisschicht, Lokalisierung und Solvatisierung, abschließend Rücktransfer ins Metall oder
Photoemission durch einen zweiten Laserpuls.
Egap
VB
z
Ein UV-Laserpuls mit Photonenenergie hν1 regt im Metallsubstrat Elektronen aus besetzten Zuständen unterhalb des Fermi-Niveaus (EF ) in gebundene Zwischenzustände an,
wo es aufgrund des Wellenfunktionsüberlapps zu einem Elektronentransfer in das Leitungsband der Eisschicht kommen kann. Hier werden Elektronen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an lokalen Potentialminima lokalisiert und anschließend durch eine lokale Umordnung der umgebenden Wassermoleküle stabilisiert. Die große Zahl unbesetzter Zustände in
der Nähe der Fermi-Energie führt dazu, dass die Elektronen schließlich durch inelastische
Elektron–Elektron-Streuung im Metall wieder relaxieren.
Die Bindungsenergie und Besetzung der angeregten Zustände kann bestimmt werden,
indem mit einem zweiten, zeitlich verzögerten Laserpuls (hν2 ) Elektronen photoemittiert
und energieaufgelöst nachgewiesen werden. Durch Variation der Pump–Probe-Verzögerung
3
1 Einleitung
lässt sich die Elektronendynamik direkt in der Zeitdomäne verfolgen.
Der Elektronentransfer zwischen Metall und Eisschicht spielt in dem Gesamtprozess eine wichtige Rolle. Zum Einen werden die angeregten Elektronen in der Eisschicht durch
Injektion aus dem Metall erzeugt. Auf diese Weise ist keine optische Anregung innerhalb der Eisschicht erforderlich, die i. Allg. zur Dissoziation von Wassermolekülen führen
würde [Cro96]. Zum Anderen ist die Rücktransferrate der Elektronen ein Maß für den
Wellenfunktionsüberlapp der angeregten Zustände im Eis mit dem Metall und spiegelt
insofern den Lokalisierungsgrad der Elektronen senkrecht zur Oberfläche wider.
Vergleichbare Untersuchungen zu Lokalisierungsphänomenen in Adsorbatschichten sind
bislang nur in der Arbeitsgruppe von C. B. Harris in Berkeley (USA) durchgeführt worden.
In Alkanschichten auf Ag(111) konnte beispielsweise der Bildungsprozess kleiner Polaronen aufgeklärt werden. Dabei kommt es zwar zu einer Lokalisierung des Elektrons, der
Energiegewinn ist jedoch sehr klein [Ge98]. Zeitlich parallel zu den hier vorgestellten Experimenten ist die Solvatisierung von Elektronen aus Bildladungszuständen vor geordneten
Alkohol- und Nitrilschichten studiert worden [Mil02,Liu02,Bez04]. Der Übergang von delokalisierten zu lokalisierten Zuständen läuft in diesen Systemen auf der Zeitskala von 100 fs
ab.
Ein zentraler Aspekt, in dem die hier vorgestellte Arbeit über die Untersuchungen
der Harris-Gruppe hinausgeht, ist der Zusammenhang zwischen Elektronendynamik und
Struktur der Adsorbatschicht. Da an dem Respons auf die Überschussladung ein ganzes
Ensemble von Molekülen beteiligt ist, sind Lokalisierungs- und Solvatisierungsphänomene
stark abhängig von der lokalen Eisstruktur. Diese lässt sich in adsorbierten Eisschichten
gezielt beeinflussen, indem man beispielsweise die Präparationsbedingungen, das Substrat,
oder aber Parameter wie die Probentemperatur variiert.
Als extrem hat sich der Unterschied zwischen der Elektronendynamik in amorphen und
kristallinen Eisschichten herausgestellt. Während man in amorphen Schichten das Frühstadium der Bildung solvatisierter Elektronen bis zu wenigen Pikosekunden nach der Anregung untersuchen kann, beobachtet man in kristallinen Eisschichten angeregte elektronische Zustände mit Lebensdauern im Bereich von Sekunden bis Minuten, wobei selbst
auf diesen Zeitskalen der Stabilisierungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Das bedeutet
eine Änderung der charakteristischen Zeitskalen um 15 Größenordnungen, ausgelöst durch
den strukturellen Übergang amorph–kristallin. Damit angeregte elektronische Zustände
in unmittelbarer Nähe einer Metalloberfläche derart lange Lebensdauern aufweisen können, muss es zu einer extremen Entkopplung des Elektrons vom Metall kommen, die in
herkömmlichen Bildern kaum zu erklären ist.
Aufbau der Arbeit Im folgenden Kapitel (2) werden zunächst die wichtigsten Eigenschaften von Wasser und Eis mit besonderem Gewicht auf der elektronischen Struktur
und dem Stand der Forschung zur Solvatisierung von Elektronen vorgestellt. Anschließend
wird eine Einführung in die Elektronendynamik an Metalloberflächen und die Grundlagen
der Zwei-Photonen-Photoemission gegeben. Der experimentelle Aufbau zur Präparation
und Charakterisierung der Proben und zur Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
wurde während dieser Arbeit an der Freien Universität komplett neu realisiert. Hierbei
fanden u.a. umfangreiche Verbesserungen bzgl. der Zeitauflösung und Stabilität des La-
4
sersystems statt. Außerdem wurden neue Verfahren zur Aufnahme von 2PPE-Spektren in
Echtzeit und bei variabler Probentemperatur implementiert (Kap. 3). Die übrigen Kapitel
der Arbeit beschäftigen sich mit den Ergebnissen zur Elektronendynamik in adsorbierten Eisschichten. Dabei steht zunächst, quasi als Modellsystem für den Prozess in der
flüssigen Phase, die Solvatisierung von Elektronen in amorphen Eisschichten im Mittelpunkt. Hier kann die Frühphase des Bildungsprozesses von der Elektroneninjektion über
die Lokalisierung und die energetische Stabilisierung bis zum Rücktransfer der Elektronen ins Metall mitverfolgt werden. Diese Untersuchungen sind schwerpunktsmäßig auf der
Cu(111)-Oberfläche durchgeführt worden (Kap. 4). Die Elektronendynamik in kristallinen
Eisschichten wurde vornehmlich auf einem Ru(001)-Substrat untersucht. Auf der Femtosekundenzeitskala ist sie von kurzlebigen, parallel zur Oberfläche delokalisierten Zuständen
geprägt, die in Kapitel 5 diskutiert werden. Kapitel 6 schließlich ist dem besonderen Phänomen des Elektroneneinfangs in kristallinen Eisschichten gewidmet. Der Prozess wird
zunächst umfassend charakterisiert. Zum Abschluss werden erste Experimente vorgestellt,
wie eingefangene Elektronen als Auslöser für chemische Reaktionen eingesetzt werden können.
5
1 Einleitung
6
2 Grundlagen
In diesem Kapitel werden die Grundlagen zum Verständnis der Untersuchungen zur Elektronendynamik an wasserbedeckten Metalloberflächen eingeführt. Dazu werden zunächst
die relevanten Eigenschaften von Wasser und Eis im Volumen und als Adsorbat vorgestellt, bevor auf die elektronische Struktur der verwendeten Metallsubstrate Cu(111) und
Ru(001) eingegangen wird. Von Bedeutung ist dabei u.a. das Bildladungspotential, das zu
einer Serie gebundener Zustände mit hoher Aufenthaltswahrscheinlichkeit vor der Metalloberfläche führt. Es folgt eine kurze Einführung in typische Besetzungs- und Zerfallskanäle
angeregter elektronischer Zustände an Oberflächen und Energietransferprozesse von elektronischen Anregungen in Kernbewegungen. Am Schluss steht eine Einführung in die zur
Untersuchung der elektronischen Struktur und Dynamik an Oberflächen verwendete Methode der Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie.
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
Wasser prägt entscheidend unsere Umwelt und unser Leben. Es kommt bei den auf der
Erde herrschenden Temperaturen in seinen drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig als Eis, Wasser und Dampf vor und bestimmt letztlich den gesamten Energiehaushalt
der Erde. Einerseits wird durch die hohe Reflektivität von Eis und Wolken die Bilanz
zwischen Sonneneinstrahlung und Reflexion bzw. Abstrahlung von der Erde beeinflusst,
andererseits erfolgt aufgrund der hohen Wärmekapazität und der mit den Phasenübergängen verbundenen latenten Wärme ein Großteil des atmosphärischen Energietransports
durch Wasser in Form von Luftfeuchte oder Wolken. Die Ozeane und Eiskappen der Pole,
die zusammen mehr als 70 % der Erdoberfläche bedecken, stellen riesige Reservoire dar,
um Energie zu speichern oder klimawirksame Gase wie Kohlendioxid zu binden.
Neben seiner klimaregulierenden Wirkung ist Wasser wegen seiner Eigenschaften als
Lösungsmittel von zentraler Bedeutung. So bauen die meisten auf der Erde bekannten
Lebensformen auf Wasser als Lösungsmittel auf. Entscheidend sind in vielen Fällen die
Wechselwirkung mit lokalisierten Ladungen sowie Prozesse an Grenzflächen. Genannt seien hier insbesondere Ladungstransferprozesse, wie sie beispielsweise in biologischen Systemen an Membranen oder bei der Korrosion ablaufen und in kontrollierter Form in der
Elektrochemie und heterogenen Katalyse genutzt werden.
Mikroskopisch betrachtet ist das einzelne Wassermolekül1 sehr einfach gebaut, im Ensemble dagegen weist Wasser sehr komplexe Eigenschaften auf. Die Ursache hierfür ist die
Wasserstoffbrückenbindung, die die Moleküle miteinander vernetzt [Mar04].
1
Die meisten Eigenschaften sind sehr ähnlich für H2 O und D2 O. Deshalb werden im Folgenden die Begriffe
Wasser“ und Eis“ sowie H2 O“ stellvertretend für beide Isotope verwendet, wenn es nicht speziell um
”
”
”
Isotopeneffekte geht.
7
2 Grundlagen
Entsprechend seiner Relevanz war und ist Wasser Gegenstand intensiver Forschung, sowohl experimentell als auch theoretisch. Trotzdem konnte für viele mikroskopische Prozesse
bislang nur ein sehr lückenhaftes Verständnis erlangt werden. Ein Beispiel ist gerade die
Solvatisierung von Elektronen, die in dieser Arbeit eine zentrale Rolle spielt (vgl. 2.1.6).
In den folgenden Abschnitten wird vom Aufbau des einzelnen Wassermoleküls und der
Wasserstoffbrückenbindung ausgehend ein Überblick über die wichtigsten Volumeneigenschaften von Eis Ih gegeben, das die unter Umgebungsbedingungen stabile kristalline Phase
darstellt und am besten verstanden ist. Dabei wird insbesondere auf die typischen Defektstrukturen in Eis eingegangen.
An Oberflächen sind vor allem zwei metastabile Phasen von Bedeutung: kubisches Eis
Ic , das sich in seinen Eigenschaften kaum von Eis Ih unterscheidet, und amorphes Eis,
das in seinen Eigenschaften flüssigem Wasser verwandt ist. Besonderes Augenmerk gilt
der elektronischen Struktur von Wasser und Eis. Dabei wird schwerpunktmäßig auf das
Phänomen der Elektronensolvatisierung eingegangen. Zum Abschluss werden typische Adsorptionseigenschaften vorgestellt.
2.1.1 Das Wassermolekül
Das Wassermolekül H2 O ist, wie in Abbildung 2.1(a) dargestellt, gewinkelt aufgebaut. Es
besitzt 10 Elektronen mit der nominellen Elektronenkonfiguration von O: (1s)2 (2s)2 (2p)4
und 2 H: (1s)1 . In erster Näherung kann man die Bindungsverhältnisse des Wassermoleküls
mit Hilfe der Linearkombination von Atomorbitalen (engl. linear combination of atomic
”
orbitals “, LCAO) verstehen. Durch eine sp3 -Hybridisierung der (2s)- und (2p)-Orbitale
bilden sich Wellenfunktionen mit tetraedrischer Symmetrie. Zwei der Orbitale gehen in
die Bindung der Protonen ein, die beiden übrigen sind jeweils mit 2 Elektronen besetzt
und werden als lone pairs“ bezeichnet. Die hohe Elektronenaffinität von Sauerstoff führt
”
dazu, dass letztlich hauptsächlich die Orbitale des Sauerstoffs gefüllt sind und die Pro-
0.9572 Å
-
+
LUMO
[4A1 ]
104.5o
+
-
lone pair
(HOMO)
[1B1 ]
µ=1.85 D
(a)
(b)
(c)
Abbildung 2.1: Aufbau des Wassermoleküls:(a) Geometrie (nach [Lud01];(b) elektrostatisches
Potential, das im Fernfeld in das Dipolfeld übergeht (aus [Thi87]);(c) Molekülorbitale des LUMO
und HOMO (nach [Jor73]): Der erste angeregte Zustand des neutralen Moleküls hat eine lineare
Gleichgewichtskonfiguration [Pet99]
8
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
tonen nur eine leichte Verzerrung der Ladungsdichteverteilung bewirken [Pet99, Fra82].
Abbildung 2.1(b) zeigt eine Rechnung für das aus der Ladungsverschiebung resultierende
elektrostatische Potential, dass auf eine zusätzliche Ladung wirken würde (aus [Thi87]).
Durchgezogene Linien kennzeichnen Bereiche mit positivem Potential, gestrichelte solche
mit negativem Potential. Ein Elektron würde demnach zu den Protonen hingezogen. Im
Bereich der lone pairs“ dagegen ergeben sich abstoßende Bereiche. Im Fernfeld geht das
”
Potential in das eines Dipols über. Das Dipolmoment des freien Wassermoleküls hat eine
Stärke von 1.85 D 2 . Der rechte Teil der Abbildung zeigt die Molekülorbitale der energetisch höchsten besetzten Orbitale (engl. highest occupied molecular orbital“, HOMO), die
”
die lone pairs“ am Sauerstoff darstellen und das erste unbesetzte Orbital (engl. lowest un”
”
occupied molecular orbital“, LUMO) nach einer Rechnung von [Jor73]. Das LUMO hat eine
hohe Aufenthaltswahrscheinlichkeit an den Protonen und hat antibindenden Charakter.
Die Gleichgewichtskonfiguration des ersten angeregten Zustands des neutralen Moleküls
ist nicht mehr gewinkelt, sondern linear.
2.1.2 Die Wasserstoffbrückenbindung
potentielle Energie
Der Zusammenhalt der Wassermoleküle untereinander in der Flüssigkeit und in Eis beruht
auf der Wasserstoffbrückenbindung, die immer dann auftritt, wenn ein Wasserstoffatom
zwischen zwei elektronegativen Atomen wie Fluor, Sauerstoff oder Stickstoff liegt. Das
Wasserstoffatom bleibt im Wasser kovalent an einen Sauerstoff gebunden und die Wassermoleküle bleiben intakt. Man schreibt die Wasserstoffbrückenbindung daher häufig als
O–H· · ·O. Der Abstand H· · ·O ist dabei deutlich größer als die kovalente Bindung O–H. In
Abbildung 2.2 ist qualitativ die potentielle Energie in Abhängigkeit von der Position des HAtoms auf der Verbindungsachse der Sauerstoffatome für eine Wasserstoffbrückenbindung
im Vergleich zu einer freien OH-Gruppe gezeigt. Durch die Bindung wird der Potentialtopf
rOH=0.985 Å
~106.6o
rOO(Ice Ih)=2.76 Å
Position der Protonen (auf A-B)
Abbildung 2.2: (links) Potentialkurve für ein Proton in einer Wasserstoffbrückenbindung zwischen Atom A und B im Vergleich zu der einer freien O-H-Gruppe (nach [Nov74]). Die Aufweitung
des Potentialtopfs führt zu einer Verschiebung der Schwingungsniveaus. (rechts) Tetraedische Anordnung der Wasserstoffbrückenbindungen zu den 4 nächsten Nachbarn (nach [Lud01]).
2
Debye, 1D = 1 · 1018 esu cm=3.336 · 10−30 C m
9
2 Grundlagen
geweitet und der Gleichgewichtsabstand zum kovalent gebundenen Sauerstoff nimmt zu.
Es bildet sich ein Doppelmuldenpotential aus, das allerdings nicht symmetrisch ist, weil
das zweite Sauerstoffatom bereits zwei kovalente Bindungen zu anderen H-Atomen besitzt.
Durch die Aufweitung des Potentialtopfs verschieben sich die Schwingungsniveau (hier mit
1 und 2 eingezeichnet) und die Frequenz der O–H-Streckschwingung verringert sich. Die
Verschiebung der Frequenz ist deshalb ein Maß für die Stärke der Wasserstoffbrückenbindung. Sie liegt in der Größenordnung von 200 meV (∼20kJ/mol) und damit zwischen der
der kovalenten und der Van-der-Waals-Bindung.
Das Molekül, das sein kovalent gebundenes H-Atom für die Wasserstoffbrückenbindung zur Verfügung stellt, wird als Proton-Donor“ bezeichnet, das andere als Proton”
”
Akzeptor“. Jedes Wassermolekül kann Protonen für 2 Wasserstoffbrückenbindungen zur
Verfügung stellen. Zusätzlich fungieren die lone pairs“ als Proton-Akzeptoren“, so dass
”
”
jedes Molekül zu vier Nachbarmolekülen Wasserstoffbrückenbindungen eingehen kann, wie
in Abbildung 2.2(a) dargestellt.
2.1.3 Kristallines Eis
Die Struktur der bei Umgebungsdrücken stabilen Eisphase Ih ist aus vielen Experimenten
bekannt. Sie baut sich nach dem in Abbildung 2.2 gezeigten Prinzip auf. Jedes Wassermolekül ist über Wasserstoffbrückenbindungen tetraedrisch mit 4 weiteren Wassermolekülen
verknüpft. Für die Positionen der O-Atome ergibt sich, wie in Abbildung 2.3 dargestellt,
ein hexagonales Gitter mit 4 O-Atomen pro Einheitszelle. Die Gitterkonstanten sind bei
100 K a=4.4966 Å (4.4977 Å) und c=7.3204 Å (7.3228 Å) für H2 O (D2 O) [Röt94].
Eine essentielle Eigenschaft von Eis Ih ist, dass es für die Orientierung der Wassermoleküle keine langreichweitige Ordnung gibt. Die Anordnung der Wasserstoffatome in dem
Wasserstoffbrückennetzwerk erfüllt lediglich die sog. Eisregeln, auch als Bernal-FowlerPauling-Regeln bekannt [Pau35, Ber33]:
• An jedes Sauerstoffatom sind zwei Wasserstoffatome kovalent gebunden.
• Zwischen benachbarten Sauerstoffatomen befindet sich jeweils ein Wasserstoffatom.
Die Unordnung im protonischen System ist in der dreidimensionalen Darstellung von Abbildung 2.3 nur schwer zu erkennen. Sie wird aber deutlich in der zweidimensionalen Darstellung im Vergleich zur protonengeordneten Phase (Abb. 2.4).
Eine Anordnung der O-Atome mit einem O–O–O-Winkel nahe dem Tetraederwinkel von
109.47◦ entspricht allerdings nicht der realen Struktur von Eis Ih , sondern lediglich den
gemittelten Positionen, wie sie sich aus kristallographischen Verfahren ergeben, die auf
Bragg-Beugung basieren. Die Abweichung von ihrer mittleren Position beträgt sowohl für
die O-Atome als auch für die H-Atome im Mittel etwa 0.15–0.25 Å im Temperaturbereich
von etwa 100–250 K (vereinfacht nach [Pet99]). Die Ursache dafür sind sowohl thermische Fluktuationen als auch die Protonen-Unordnung bzw. die Konfiguration der einzelnen Wassermoleküle. Aus Kernspinresonanzmessungen und Neutronenstreuung ergibt sich,
dass der mittlere Bindungswinkel in den einzelnen Wassermolekülen ΘHOH =106.6±1.5◦
und die Bindungslänge rOH =0.985(7) Å deutlich vom Mittelwert der tetraedrische Struktur abweichen.
10
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
Tabelle 2.1: Mittelwerte für die Konfiguration des H2 O-Moleküls in Eis Ih (bei ∼250 K) bzw. in
freiem H2 O.
Experiment
Spektroskopie an freiem H2 O
Bragg–Beugung
Kernspinresonanz, Neutronenstreuung
rOH [Å]
0.957
1.002(2)
0.985(7)
ΘHOH
104.52◦
109.47◦
106.6±1.5◦
Referenzen
[Ben56, Eis69, Fra82]
[Kuh86, Pet99]
[Wha76, Flo87, Pet99]
Tabelle 2.1 stellt die Werte für den Bindungswinkel und die Bindungslänge für das freie
Molekül und verschiedene Messverfahren an Eis Ih bei T ∼ 250 K gegenüber. Je nachdem,
wie die benachbarten Moleküle im Eiskristall orientiert sind, ergeben sich unterschiedliche
Verzerrungen der lokalen Kristallstruktur. Diese lokalen Abweichungen von der mittleren
Kristallstruktur stellen eine der besonderen Schwierigkeiten in der Modellierung von Eis
dar [Pet99].
Protonenordnung in Eis XI Bei tiefen Temperaturen unter 72 K (76 K) für H2 O (D2 O)
überwiegt der Energiegewinn durch eine Ordnung des Protonensystems den Beitrag der
Entropie zur freien Energie, so dass Eis Ih nicht mehr die stabilste Eismodifikation darstellt.
In reinem Eis findet jedoch der Übergang in die geordnete Phase Eis XI nicht statt.
Der Grund dafür ist, dass man eine Eiskonfiguration, die die Eisregeln erfüllt, nur durch
die Erzeugung von Defekten in eine andere überführen kann. Die geringe Anzahl von
[001]
[001]
H
O
Abbildung 2.3: (links) Kristallstruktur von Eis Ih : Die primitive Einheitszelle der O-Struktur ist
gestrichelt eingezeichnet, wobei die O-Atome der 4-atomaren Basis grau hinterlegt sind.
(rechts) Seitenansicht und Aufsicht der primitiven O-Einheitszelle: Die nach den Eisregeln zulässigen Protonen-Positionen sind durch halbgefüllte Kreise markiert (nach [Pet99]).
11
2 Grundlagen
Eis Ih
Eis XI
(001)
1 Bilage
{
Abbildung 2.4: Struktur von Eis Ih (links) und Eis XI (rechts): (unten) Seitenansicht: Für Eis XI
ergibt sich ein Dipolmoment parallel zur c-Achse. (oben) Aufsicht auf eine Bilage; tiefer liegende
Moleküle sind blasser dargestellt. In Eis XI ist die nächste Bilage so orientiert, dass sich das
Dipolmoment in der Schicht aufhebt. In Eis Ih existiert keine ferroelektrische Ordnung.
.
Defekten in Eis Ih bei niedrigen Temperaturen reicht nicht aus, um in endlicher Zeit eine
Protonenordnung zu etablieren [Joh98]. Eis XI konnte bisher nur durch Anreicherung mit
OH− -Ionen erzeugt werden. Abbildung 2.4 zeigt im Vergleich zweidimensionale Schnitte
durch die Schichtstruktur der ungeordneten und der geordneten Phase (nach [Jac97]). Es
ist jedoch umstritten, ob es sich dabei tatsächlich um die vollständig protonengeordnete
Phase handelt [Pet99].
Punktdefekte in kristallinem Eis Punktdefekte spielen in Eis bei allen Prozessen eine
zentrale Rolle, bei denen die Probe in eine andere Eiskonfiguration übergeht. Dazu gehören neben dem Übergang von Eis Ih in die protonengeordnete Phase Eis XI auch die
dielektrische Relaxation und die protonische Leitfähigkeit als Respons auf ein elektrisches
Feld oder die Selbstdiffusion.
Bei den protonischen Punktdefekten sind lokal die Eisregeln verletzt, das Gitter der
Sauerstoffatome bleibt aber im Mittel erhalten. In Abbildung 2.5 ist schematisch ihre
paarweise Entstehung und ihre Bewegung gezeigt: Die ionischen Defekte H3 O+ und OH−
entstehen dadurch, dass die erste Eisregel verletzt wird und ein Proton zu einem benachbarten Wassermolekül überwechselt. Diese Situation ist zunächst energetisch sehr ungünstig,
wie man aus dem Potentialverlauf der Wasserstoffbrückenbindung (Abb. 2.2) ersehen kann.
Sie kann jedoch stabilisiert werden, indem das Nachbarmolekül seinerseits ein Proton an
einen anderen Nachbarn weiter gibt, so dass die Ladungen weiter voneinander separiert
werden. Anders als in flüssigem Wasser bewegen sich also nicht die Ionen als ganzes durch
den Kristall, sondern die Ladungen werden dadurch jeweils an ein Nachbarmolekül weitergegeben, dass in bestehenden Wasserstoffbrückenbindungen ein Proton in den anderen
12
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
Potentialtopf des Doppelmuldenpotentials überwechselt. Die Aktivierungsenergie für die
Bildung ionischer Defekte ist zunächst relativ hoch (∼1.4 eV), dafür erfolgt die Bewegung
der Defekte im Eis praktisch ohne Barriere [Pet99].
Ähnlich wie ionische Defekte entstehen sogenannte Bjerrum-Defekte [Bje52] paarweise,
wenn lokal die zweite Eisregel verletzt wird und sich ein Molekül so umorientiert, dass sich
entlang einer O–O-Achse kein Proton befindet, entlang einer anderen aber zwei Protonen.
Man bezeichnet sie als L-Defekte (von leer“) bzw. D-Defekte (von doppeltbesetzt“). Sie
”
”
werden im Eiskristall weitergereicht, indem sich Nachbarmoleküle umorientieren.
H3O+
D
DV
OH -
L
Abbildung 2.5: (links) Protonische Punktdefekte: ionische Defekte bzw. Bjerrum-Defekte entstehen durch Verletzung der ersten bzw. zweiten Eisregel und können leicht im Kristall weitergereicht
werden. Entlang ihres Weges (farblich hervorgehoben) werden die Wassermoleküle umorientiert.
(rechts) Kombination eines D-Defekts mit einer Fehlstelle (DV-Defekt).
Die Bedeutung der protonischen Punktdefekte für die Änderung der Eiskonfiguration
resultiert daraus, dass entlang des Pfades, auf dem sich ein solcher Defekt bewegt, alle Wassermoleküle umorientiert werden. Die Umorientierung bewirkt, dass entlang eines
Pfades nicht zweimal hintereinander derselbe Defekt weitergereicht werden kann. Um eine
protonische Leitfähigkeit zu etablieren, müssen deshalb im Mittel ein ionischer und ein
Bjerrum-Defekt entlang eines Pfades wandern. Effektiv wird eine Elementarladung auf die
zwei Defekte aufgeteilt, so dass
e± + eDL = e
.
(2.1)
Die ionischen Defekte tragen eine Ladung e± =±0.62 e, die Bjerrum-Defekte eDL =± 0.38 e.
Die Konzentration der ionischen Defekte ist in reinem Eis sehr klein. Sie liegt bei
-20◦ C mit weniger als 10−13 bereits etwa 4 Größenordnungen unter der in flüssigem Wasser
(pH=7) und kann bei Temperaturen unter 200 K vernachlässigt werden. Da die Leitfähigkeit von Wasser und Eis gerade auf der Mobilität protonischer Punktdefekte beruht,
bedeutet das, dass Eis praktisch keine intrinsische Gleichstromleitfähigkeit besitzt. Man
geht davon aus, dass die gemessene Leitfähigkeit von kristallinem Eis durch Verunreinigungen vermittelt wird [Pet83].
Bringt man Eis in ein elektrisches Feld, laufen im wesentlichen zwei Prozesse ab. Zum
Einen wird die Elektronenverteilung polarisiert, wie in jedem Material, zum Anderen baut
sich eine Polarisation P durch eine Umorientierung der Wassermoleküle auf. Dieser Prozess
13
2 Grundlagen
lässt sich sehr gut als eine Debye-Relaxation beschreiben, die der Gleichung
dP
1
=
(Ps − P )
dt
τD
(2.2)
genügt. τD ist die Zeitkonstante, mit der sich die Gleichgewichtspolarisation Ps aufbaut.
Während der elektronische Respons quasi instantan in ≤1 fs erfolgt, läuft die dielektrische
Relaxation auf einer viel längeren Zeitskala ab, weil die Reorientierung der Wassermoleküle wiederum über protonische Punktdefekte vermittelt wird3 . In der Literatur finden
sich für τD bei 150 K Werte zwischen ∼1 ms [Ber00a] und ∼2 s [Kaw78]. Die Temperaturabhängigkeit entspricht einem aktivierten Prozess mit einer Aktivierungsenergie von
0.55 eV [Pet99]. Extrapoliert zu Temperaturen <
∼100 K ist die dielektrische Relaxation auf
der Zeitskala der Experimente praktisch eingefroren. In reinem Eis Ih wird der Relaxationsprozess durch L-Defekte dominiert, weil D-Defekte eine sehr kleine Mobilität besitzen. Der
Grund dafür ist wahrscheinlich, dass D-Defekte an Fehlstellen gefangen werden. Dadurch
entstehen von positiven Partialladungen umgebene Fehlstellen, die große Ähnlichkeit mit
der ersten Solvathülle eines solvatisierten Elektrons in wässrigen Gläsern haben und insofern von Bedeutung für den Einfang von angeregten Elektronen in kristallinem Eis sind.
Ein solcher DV-Defekt ( V“ von engl. vacancy“) ist in Abbildung 2.5(rechts) dargestellt.
”
”
Im Prinzip können an einer Fehlstelle ein oder zwei D-Defekte gefangen werden.
Es gibt sehr wenige Experimente, mit denen direkt Eigenschaften von Fehlstellen, sog.
Schottky-Defekten, in Eis gemessen werden. Für die Diffusion von Wassermolekülen in Eis,
auch als Selbstdiffusion bezeichnet, von der man annimmt, dass sie bei T <200 K durch
Fehlstellen vermittelt wird, findet man eine Aktivierungsenergie von 0.74 eV [Liv02]. Die
Aktivierungsenergie für die Selbstdiffusion setzt sich zusammen aus denjenigen für die Bildung der beitragenden Defekte und für deren Wandern [Hen72]. Nach nicht sehr eindeutigen Positronen-Vernichtungsexperimenten werden 0.34 eV für das Wandern der Fehlstellen
benötigt [Eld76, Mog78], womit sich für deren Bildung eine Aktivierungsenergie von etwa
0.40 eV ergibt. Letztere sollte in jedem Fall kleiner sein als die Energie zum Entfernen eines
Moleküls aus dem Eisvolumen (0.611 eV) [Pet99]. Das Gegenstück zu einer Fehlstelle ist
ein Molekül auf einem Zwischengitterplatz, auch Frenkel-Defekt genannt. Frenkel-Defekte
dominieren die Selbstdiffusion bei T >223 K. Ihre Konzentration und Aktivierungsenergien
sind aus mehreren Experimenten wohl bekannt (siehe Tab. 2.2).
Wegen der geringen Konzentration der Defekte sind die meisten Experimente zu defektvermittelten Prozessen im allgemeinen nur bei Temperaturen >150 K durchgeführt
worden. Das Tieftemperaturverhalten kann mit Hilfe der Aktivierungsenergien extrapoliert werden.
2.1.4 Die relevanten Phasen des Wassers
Da das unter Umgebungsbedingungen stabile Eis Ih am besten verstanden ist, wurden
im letzten Abschnitt grundlegende Eigenschaften von Eis an dieser Phase erläutert. Das
Phasendiagramm von Wasser ist jedoch äußerst komplex. Neben zahlreichen metastabilen Phasen sind derzeit allein 13 stabile kristalline Phasen bekannt [Pet99]. Viele davon
3
Der Einfluss des Trägheitsmoments der einzelnen Moleküle kann dagegen vernachlässigt werden.
14
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
Defekt
Gleichgewichtskonzentration ni /N
H3 O+
OH−
D
L
Frenkel
Schottky
Aktivierungsenergie
der Bildung der Bewegung
E± , EDL [eV]
Eim [eV]
≤ 10−13
≥ 1.4
10−7
0.66–0.79
7 × 10−7
(< 6 × 10−7 )
0.40
<0.611 (0.40)
≈0
≈0
?
0.2 – 0.3
0.16
(0.34)
Beweglichkeit
µi [m2 V−1 s−1 ]
10−7
3 × 10−8
¿ µL
2 × 10−8
Tabelle 2.2: Eigenschaften von Punktdefekten in kristallinem Eis bei -20◦ C [Pet99]. Insbesondere
die Werte für die Beweglichkeit sind nur als Richtwerte zu verstehen, da es widersprüchliche Experimente gibt. Die Aktivierungsenergie zur Bildung von Fehlstellen wurde entsprechend neueren
Experimenten zur Selbstdiffusion korrigiert (siehe Text).
existieren nur unter extrem hohen Drücken. Im Bereich von Atmosphärendruck bis zum
Ultrahochvakuum (UHV) reduziert sich das Phasendiagramm im Wesentlichen auf 4 stabile und 3 metastabile Phasen, die in Abbildung 2.6 in einem vereinfachten Diagramm
zusammengefasst sind. Bei den hier vorgestellten Untersuchungen an Eisschichten mit eistabile Phasen
Eis XI
Flüssigkeit
Dampf
Eis Ih
Abbildung 2.6: Vereinfachtes Phasendiagramm für den Niederdruckbereich
(modifiziert nach [Pet99])
~145-160 K
~200 K
Eis Ic
~150-160 K
<130 K
“water A”
Tg~110-130 K
ASW
ner Dicke von einigen Bilagen, die durch Adsorption auf eine kalte Metalloberfläche unter
UHV-Bedingungen präpariert wurden, spielen letztlich nur 3 metastabile Eisphasen eine
Rolle. Bei Präparationstemperaturen zwischen 40 und 130 K ergibt sich sog. amorphes
festes Wasser (engl. amorphous solid water“, ASW). Wärmt man die Probe auf, erfolgt
”
bei ca. 130 K der Übergang von einem Glas zu einer unterkühlten Flüssigkeit ( water A“),
”
bevor die Schicht bei 150-165 K kristallisiert. Der Übergang erfolgt allerdings nicht direkt
zu Eis Ih , sondern zu Eis Ic . Bevor die stabile Phase bei ca. 200 K erreicht werden kann, ist
die Eisschicht im UHV im allgemeinen desorbiert. Präpariert man die Eisschicht bei mehr
als 150 K, erhält man direkt kristallines Eis, wobei der Übergang zwischen kubischem und
hexagonalem Eis schleichend ist.
In dieser Arbeit nicht untersucht wurden Schichten, die bei Temperaturen von weniger
als 30 K präpariert wurden. Unter diesen Bedingungen würde sich zunächst eine amorphe
15
2 Grundlagen
Modifikation hoher Dichte (engl. high-density amorphous ice“, HDA) bilden, die beim Er”
wärmen über ∼38 K in LDA (engl. low-density amorphous ice“) übergeht [Jen94, Sce82].
”
LDA ist in seinen Eigenschaften sehr ähnlich wie ASW, so dass in vielen Fällen nicht explizit zwischen den beiden unterschieden wird. Der Begriff amorphes Eis“ wird im folgenden
”
als Sammelbegriff für alle amorphen Phasen verwendet.
Kubisches Eis Ic
Eis Ic ist in seiner Struktur und seinen Eigenschaften sehr ähnlich wie Eis Ih . Stellt man
sich den Kristall als aus Bilagen zusammengesetzt vor, so besteht der Unterschied darin,
wie die Lagen gegeneinander versetzt sind. In hexagonal dichtgepacktem Eis Ih lautet die
Stapelreihenfolge ABABAB, in kubischem Eis Ic ABCABC, vergleichbar mit dem Unterschied zwischen einem hcp- und einem fcc-Gitter. In der Seitenansicht der Bilagenstruktur
von Abbildung 2.4 liegen in Eis Ic die Moleküle der obersten Reihe nicht in der vorderen
Ebene, sondern noch eine Ebene weiter hinten als die Reihe darunter. Die energetischen
Unterschiede zwischen Eis Ic und Ih sind sehr klein [Pet99]. Für Schichtdicken von wenigen Bilagen sind die beiden Eismodifikationen praktisch ununterscheidbar, so dass die
dargestellten Eigenschaften von Eis Ih auf Eis Ic übertragen werden können.
Amorphes Eis, ASW
Amorphes Eis ist wahrscheinlich die meist vertretene Form von Wasser im Universum. Es
wird im interstellaren Dunst beobachtet und stellt den Hauptbestandteil von Kometen
dar [Jen94]. In amorphem Eis weist nicht nur die Anordnung der Wasserstoffbrückenbindung, sondern auch das Gitter der Sauerstoffatome keine langreichweitige Ordnung auf.
Die lokale Struktur ähnelt stark der von Eis Ih . Aus Röntgen- und Neutronenstreuung ist
bekannt, dass jedes Wassermolekül im Mittel von 3.9±0.1 wasserstoffverbrückten nächste
Nachbarmolekülen umgeben ist [Sce82, Fin02]. Die Ursache für den Verlust der Fernordnung liegt vor allem in den Abweichungen von der tetraedrischen Geometrie. Die Breite
von 8◦ der Verteilung in den O–O–O-Bindungswinkeln reicht aus, dass die Orientierung
von Molekülen in einem Abstand von mehr als 7 Å bereits keine Korrelation mehr aufweist.
In Abbildung 2.7 ist der Unterschied zwischen kristallinem und einem amorphen Eis vereinfacht dargestellt. Die Morphologie von ASW hängt von den Präparationsbedingungen
ab. So variiert die Porösität von ASW stark mit der Einfallsrichtung der Wassermoleküle,
(a) kristallin
(b) amorph
Abbildung 2.7: Schematische Darstellung der Struktur von kristallinem
und amorphem Eis
16
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
wenn man die Schichten bei weniger als 90 K präpariert [Ste99, Azr99]. Bei Temperaturen
≥90 K bilden sich relativ homogene Schichten. Dies gilt auch bei alle Temperaturen für
die Adsorption mit einem gerichteten Molekularstrahl in senkrechter Einfallsrichtung. Im
Rahmen dieser Arbeit wurden ausschließlich amorphe Eisschichten untersucht, bei deren
Präparation beide Bedingungen für nicht poröse, homogene Schichten erfüllt waren (vgl.
Abschnitt 3.1.3).
Glasübergang, Wasser A
Bei Temperaturen unter 120 K ist in amorphem Eis jegliche Diffusion eingefroren [Jen94,
Fis95, Joh02]. Der Übergang von diesem Glaszustand in eine ultraviskose Flüssigkeit erfolgt bei einer Temperatur Tg , für die aus unterschiedlichen Experimenten Werte zwischen 124 und 136 K angegeben werden ( [Fis95] und Referenzen darin). In der Nähe des
Glasübergangs ist zunächst die Protonendiffusion durch die Mobilität der protonischen
Punktdefekte dominant [Fis95]. Die Diffusion steigt bis zum Kristallisierungsübergang jedoch stark an und ist bei 150 K etwa 6 Größenordnungen größer als in der kristallinen
Phase [Smi97, Smi99, Smi00, Liv02]. Die stark unterkühlte Flüssigkeit in diesem Temperaturbereich bezeichnet man als Wasser A (engl. Water A“).
”
Difusivität (cm2/s)
VFT
flüssiges Wasser
Eis
ASW
Abbildung 2.8: Diffusivität von ASW
ermittelt aus Isotopendurchmischung im
TDS [Smi99, Smi00] im Vergleich zu flüssigem Wasser und kristallinem Eis. Außerdem gezeigt ist das Ergebnis einer
SFG-Studie an dünnen ASW-Filmen auf
Ru(001) (nach [Den03d]).
~5BL auf Ru(001)
Temperatur [K]
Wie Abbildung 2.8 außerdem zeigt, kann man das Diffusionsverhalten von ASW und
flüssigem Wasser mit der empirischen Vogel-Fulcher-Tamann (VFT)-Gleichung
D(T ) = D0 · e−E/(T −T0 )
(2.3)
beschreiben [Smi00]. T0 ist die ideale Glasübergangstemperatur. Ob es sich bei ASW
allerdings wirklich um die Fortsetzung der stabilen flüssigen Phase handelt oder ob es
im experimentell wegen der Kristallisierung nicht zugänglichen Temperaturbereich zwischen ca. 170 und 230 K einen weiteren kritischen Punkt gibt, ist nach wie vor nicht
geklärt [Mis98, Deb03]. Ungeachtet dessen wird ASW häufig als Modellsystem für Prozesse in flüssigem Wasser verwendet. Dabei wird die Annahme gemacht, dass die Struktur von
ASW einer eingefrorenen Konfiguration von flüssigem Wasser entspricht4 und die zeitliche
4
,auch wenn es durch Abscheidung aus der Gasphase präpariert wurde.
17
2 Grundlagen
Mittelung über Fluktuationen in flüssigem Wasser der räumlichen Mittelung in amorphem
Eis gleichgesetzt werden kann [Wal80, Pet99].
In der Vergangenheit wurden viele Experimente zur Dynamik freier Ladungsträger an
amorphem Eis durchgeführt, um die schnellen Fluktuationen in Wasser einzufrieren. Dabei
wurde kein reines Eis verwendet, sondern es wurden Salze zugegeben in einer Konzentration, die eine Kristallisierung während des Einfrierens verhindert. Zur Unterscheidung
werden derartige Proben im Folgenden als wässrige Gläser“ bezeichnet.
”
Die Struktur dünner Eisschichten mit einer Dicke von wenigen Bilagen kann deutlich
durch das Substrat beeinflusst sein. In Abbildung 2.8 ist links unten die Diffusivität
bestimmt aus dem SHG-Signal der freien O–H- bzw. O–D-Streckschwingung an einem
H2 O/D2 O-Schichtsystem auf Ru(001) gezeigt. Sie steht eher in der Fortsetzung der Diffusion in kristallinem Eis und weist keinen erkennbaren Glasübergang auf [Den03d].
2.1.5 Elektronische Struktur von kristallinem und amorphem Eis
Die elektronische Struktur von kristallinem und amorphem Eis ist sehr ähnlich und entspricht der eines Halbleiters mit großer Bandlücke [Kob83,Cro96]. Im Bereich der besetzten
Absorptionskoeffizient [cm-1]
Absorptionskoeffizient [cm-1]
5
x10
8
6
4
Eis Ih
ASW
2
0
5
10
15
20
25
Photonenenergie [eV]
30
10
(1) 60°C
(2) 40°C
(3) 20°C
(4) 0°C
1 234
1.0
0.1
5 6 789
6.5
(5) -20°C
(6) -50°C
(7) -90°C
(8)-130°C
(9)-170°C
7.0
Photonenenergie [eV]
Abbildung 2.9: (links) UV-Absorptionsspektren von amorphem und kristallinem Eis bei 80 K
(nach [Kob83]); (rechts) Temperaturabhängigkeit für die exponentiell in die Bandlücke reichende
Flanke lokalisierter Zustände (nach [Shi77])
Zustände findet man 3 Valenzbänder, die sich von den Molekülzuständen 1b2 , 3a1 und 1b1
ableiten [Shi77]. Die Absorption im ultravioletten Wellenlängenbereich zeigt einen ersten
Peak bei 8.6 eV, der allerdings nicht einer Anregung ins Leitungsband, sondern der Bildung eines Excitons aus dem (1b1 → 4a1 )-Übergang zugeschrieben wird. Delokalisierte
Leitungsbandzustände werden erst mit Photonenenergien von ∼11 eV erreicht. Ihre räumliche Ausdehnung ist aufgrund der Protonenunordnung und von Defekten deutlich kleiner
als die von Leitungsbandelektronen in Metallen. In flüssigem Wasser liegt der Radius aber
immer noch bei mehr als 30 Å [Kee01]. Die Bandlücke von amorphem und kristallinem Eis
bei 80 K ist ca. 0.4 eV größer als in flüssigem Wasser. Für die Untersuchungen zur Elektronendynamik an der Metall–Eis-Grenzfläche ist insbesondere die elektronische Struktur im
Bereich des Leitungsbands von Bedeutung. Bandstrukturrechnungen, die über eine TightBinding-Näherung hinausgehen, existieren nur für protonengeordnetes kubisches Eis. Aus
18
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
diesen Rechnungen ergibt sich für das Leitungsband eine energetische Breite von mehreren
eV, was den delokalisierten Charakter der Leitungsbandzustände bestätigt [Res77].
Welchen Einfluss haben nun die fehlende langreichweitige Ordnung und Defekte in flüssigem Wasser und amorphem Eis auf die elektronische Struktur? Die Abweichung von
der translationssymmetrischen Struktur hat zur Folge, dass die Bandstruktur und die
Brillouin-Zone nicht mehr scharf definiert sind. Der Unterschied ist in Abbildung 2.10 sche-
Bandkante
keine
Zustände
ausgedehnte
Zustände
n(E)
ausgedehnte
Zustände
Bandkante
kristallin
Valenzband
lokalisierte
Zustände
Mobilitätskante
ausgedehnte
Zustände
Mobilitätskante
amorph
Leitungsband
Abbildung 2.10: Bandstruktur eines kristallinen und eines amorphen Festkörpers im Vergleich: Merkmale der ungestörten kristallinen
Bandstruktur werden durch die Variation der
Gitterparameter in der amorphen Phase verwaschen. Dies gilt auch für die Bandkanten.
Die exponentiell in die Bandlücke abfallenden
Flanken in der Zustandsdichte rühren von lokalisierten Zuständen her (nach [Zal83]).
ausgedehnte
Zustände
Elektronenenergie E
matisch dargestellt. Die Merkmale der kristallinen Bandstruktur insbesondere am Rand
der Brillouin-Zone werden in der amorphen Phase verwaschen. Durch die lokalen Schwankungen im Potential können sich lokalisierte Zustände ausbilden, die energetisch in der
Bandlücke liegen. Diese exponentiell in die Bandlücke hineinreichende Zustandsdichte, als
Urbach-Flanke bezeichnet [Gou90,Ber97], ist selbst in flüssigem Wasser relativ klein (siehe
rechter Teil von Abb. 2.9). Damit lokalisierte Zustände stabiler sind als delokalisierte, muss
der Gewinn an potentieller Energie größer sein als die kinetische Energie, die entsprechend
der Unschärferelation für die Lokalisierung des Elektrons aufgebracht werden muss.
Nach wie vor Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion ist der energetische Abstand V0 des Leitungsbandbodens vom Vakuumniveau, der der Elektronenaffinität EA in
der kondensierten Phase entspricht. Eine Schwierigkeit bei der Bestimmung besteht in
dem fließenden Übergang zwischen delokalisierten und lokalisierten Zuständen. Darüberhinaus wird durch eine optische Anregung die Ladungsverteilung verändert, was zu einer
Relaxation der Umgebung führt, die in der Größenordnung von 1 eV liegen kann. Für
die Elektronenaffinität findet man in der Literatur je nach Messverfahren und Berücksichtigung der Relaxationsenergie Werte zwischen 0.1 und 1.5 eV ( [Coe97, Coe01] und
Referenzen darin).
19
2 Grundlagen
2.1.6 Solvatisierung und Einfang von Elektronen
Injiziert man in Wasser ein Elektron, so kann dieses durch eine lokale Umordnung der polaren Moleküle stabilisiert werden. Dieser Prozess wird als Solvatisierung (etwa als Lösung“
”
zu übersetzen), in Wasser auch als Hydratisierung bezeichnet. Solvatisierte Elektronen
wurden in Wasser erst in den 60er Jahren entdeckt aufgrund ihres charakteristischen Absorptionsspektrums [Har62,Boa63]. Sie sind eine wichtige Übergangsspezies in zahlreichen
Ladungstransferprozessen in der Biologie, Elektrochemie und Strahlungschemie. Elektronen im Frühstadium der Solvatisierung können beispielsweise die lichtinduzierte Spaltung
von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) in stratosphärischen Wolken verstärken und
spielen damit eine wichtige Rolle in der Ausbildung des Ozonlochs über den Polargebieten
( [Lu99, Lu01] und Referenzen darin). Aus theoretischer Sicht stellt das in 3 Dimensionen
lokalisierte solvatisierte Elektron ein Modellsystem für die Wechselwirkung eines einfachen
quantenmechanischen Systems mit einem Ensemble von Molekülen dar. Trotz intensiver
Forschung während der letzten Jahrzehnte sowohl auf experimentellem als auch theoretischem Gebiet sind allerdings selbst grundlegende Eigenschaften wie das Absorptionsspektrum und die mikroskopische Struktur bislang nicht vollständig verstanden.
1.6
Abbildung 2.11: Absorptionsspektrum
solvatisierter Elektronen in D2 O bei verschiedenen Temperaturen: Das Spektrum
verschiebt sich mit -2.5 meV/K bei annähernd konstanter spektraler Form (nach
[Jou79]).
1.4
1.2
A/ Amax
1.0
0.8
380 K
0.6
340 K
0.4
298 K
0.2
.
0.0
274 K
1
3
2
Photonenenergie [eV]
4
5
Solvatisierte Elektronen in flüssigem Wasser Zunächst möchte ich einen Überblick über
Struktur und Dynamik solvatisierter Elektronen in der flüssigen Phase geben, da hierzu in
den letzten Jahren die meisten Untersuchungen durchgeführt wurden. Das Absorptionsspektrum äquilibrierter solvatisierter Elektronen hat bei Raumtemperatur ein Maximum
bei 1.72 eV und eine Breite von 0.84 eV (Abb. 2.11). Es wird verursacht durch optische
Übergänge vom Grundzustand des solvatisierten Elektrons in angeregte Zustände nahe der
Leitungsbandkante. Charakteristisch ist, dass sich das Spektrum deutlich mit der Temperatur verschiebt (für Wasser um -2.5 meV/K), die Linienform jedoch über einen weiten
Temperaturbereich nahezu unverändert bleibt [Tut91]. Diese lässt sich für Wasser sehr gut
durch die empirisch gefundene Form einer Gauss-Kurve auf der niederenergetischen und
einer Lorentz-Kurve auf der hochenergetischen Seite des Absorptionsmaximums beschreiben [Jou79].
20
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
Spektrale Form: Elektron-Phonon-Kopplung Wichtige Einblicke in den Ursprung der
Linienform des Absorptionsspektrums ergeben sich aus zeitaufgelösten, optischen Messungen am bereits äquilibrierten solvatisierten Elektron. Mit Photonenenergien bis zu 2 eV
werden die Elektronen in Zustände angeregt, die großteils in demselben Solvatisierungspotential lokalisiert sind. Mit 3.1 eV hingegen werden Leitungsbandzustände bevölkert,
deren Wellenfunktion einen Radius von mehr als 30 Å hat [Ass99,Son01a,Son01b,Kam02].
Die Linienform des Absorptionsspektrums ist zum überwiegenden Teil auf eine homogene Verbreiterung zurückzuführen. Sowohl zeitaufgelöste optische Messungen als auch eine Analyse des stationären Absorptionsspektrums liefern eine Dephasierungszeit von nur
1.6 fs. Ursache hierfür ist wahrscheinlich, dass die optische Anregung durch die unterschiedliche Krümmung der Potentialflächen von Grundzustand und angeregten Zuständen entlang einer Solvatisierungskoordinate direkt an Schwingungsmoden koppelt [Bal99, Fri92].
So wird in Photonenecho- und Transient-Grating-Experimenten eine stark gedämpfte Wellenpaketdynamik beobachtet, die mit der Librationsbande im Bereich ∼300–900 cm−1
(∼35–115 meV) korreliert werden kann. Auch gemischt quantenmechanisch-klassische Molekulardynamikrechnungen zeigen, dass in den ersten ∼20 fs eine starke Kopplung an
Librationsfreiheitsgrade erfolgt, während die Langzeitdynamik nach einer optischen Anregung durch gekoppelte Solvatmoden dominiert wird, die Translationsbewegungen beinhalten [Pre96, Yan01].
Bildungsprozess Solvatisierte Elektronen können sich bilden, wenn lokal Überschusselektronen in Wasser auftreten, sei es durch Elektroneninjektion von außen, durch Ladungstransfer von Fremdionen über sogenannte CTTS-Zustände ( charge-transfer-to-solvent
”
states“) oder Photoionisation von reinem Wasser. Ihre Lebensdauer ist in reinem Wasser durch Rekombination mit OH oder H3 O+ bestimmt und liegt in der Größenordnung
von Mikrosekunden [Boa63, Gau89, Tho99].
In den letzten 20 Jahren ist der Bildungsprozess solvatisierter Elektronen nach Mehrphotonen-Ionisation von Wasser intensiv mit zeitaufgelöster Absorptionsspektroskopie untersucht worden [Mig87, Pep97, Mad00, Vil01, Her02]. Bereits wenige 100 fs nach dem
Ionisationspuls hat sich die typische Linienform des Absorptionsspektrums ausgebildet.
Das Absorptionsmaximum ist jedoch anfangs zu Energien <1.2 eV verschoben und entwickelt sich annähernd exponentiell mit einer Zeitkonstante von ca. 300 fs zu dem der
äquilibrierten Spezies. Die Dynamik wird als Relaxation im Grundzustand interpretiert
und kann als Abkühlen der Solvathülle betrachtet werden. Die Ausdehnung der Grundzustandswellenfunktion lässt sich nach den optischen Summenregeln aus den Momenten des
Absorptionsspektrums abschätzen [Tut91]. Auf die zeitaufgelösten Messungen angewandt,
ergibt sich eine zunehmende Einschnürung der Ladungsverteilung von 8 Å nach 200 fs auf
einen asymptotischen Durchmesser von 4.8 Å [Her02].
Über die ersten 100–200 fs der Solvatisierungsdynamik lassen sich derzeit nach den
zeitaufgelösten Absorptionsmessungen an flüssigem Wasser kaum Aussagen machen. Die
Hauptursache liegt darin, dass das Spektrum zu diesen Zeiten soweit zu niedrigen Energien verschoben ist, dass das Absorptionsmaximum außerhalb des Messbereichs der meisten Experimente mit hinreichender Zeitauflösung liegt. Hinzu kommt, dass mit Photonenenergien <10 eV die Ionisation von Wasser indirekt über die Dissoziation eines
21
2 Grundlagen
Wassermoleküls erfolgt, ein Prozess, der zeitlich mit der Frühphase der Solvatisierung
überlappt [Pep97, Tho99, Lae00, Lae01].
Mikroskopische Struktur Wie hat man sich die mikroskopische Struktur eines solvatisierten Elektrons vorzustellen? Experiment und Theorie sind sich einig, dass die Ladungsverteilung einen Durchmesser von 4.5–6 Å hat. Elektronen-Spinecho-Messungen an
wässrigen Gläsern zufolge ist das Elektron von 6 Protonen im Abstand von 2.1 Å und 6
im Abstand von 3.6 Å vom Ladungsschwerpunkt umgeben, die alle zu 6 Wassermolekülen
in der ersten Solvathülle gehören mit jeweils einer auf das Elektron ausgerichteten O–HBindung. Der mittlere Abstand der nächsten Sauerstoffatome vom Ladungsschwerpunkt
ist mit gut 3 Å etwas größer als der mittlere O–O-Abstand in kristallinem Eis (2.76 Å).
Das Elektron ist demnach in einem Hohlraum (engl. Cavity“) der Größenordnung ei”
ner Fehlstelle im Wassernetzwerk lokalisiert. Diese Struktur der Solvathülle wird durch
Quanten-Pfadintegral-Molekulardynamik-Rechnungen bestätigt [Bar89].
(a)
(b)
Abbildung 2.12: Vereinfachte Darstellung des Cavity-Modells für ein solvatisiertes Elektron: Elektronenwellenfunktion
und 1. Solvathülle (a) des s-artigen Grundzustands, (b) eines p-artigen angeregten
Zustands. Die Anregung führt zu einer
Umordnung der Solvathülle (nach [Bal99]).
Im Rahmen des Cavity-Modells ergeben sich in dem Solvatisierungspotential neben dem
s-artigen Grundzustand drei angeregte, p-artige Zustände, deren Entartung aufgehoben ist
durch die Abweichungen der Solvathülle von der Kugelsymmetrie [Sch94]. Das Absorptionsspektrum wird danach durch den Übergang s→p dominiert. In Abbildung 2.12 sind die
Wellenfunktionen zusammen mit der Konfiguration der ersten Solvathülle vereinfacht dargestellt. Der Übersichtlichkeit halber sind die Wassermoleküle vor und hinter dem Elektron
weggelassen.
Es gibt jedoch Experimente, die nur schwer mit dem Cavity-Modell erklärt werden können. So deuten beispielsweise Messungen an gemischten Lösungsmitteln darauf hin, dass
die Lage und Form des Absorptionsspektrums nicht durch 6, sondern eher durch ein oder
zwei Wassermoleküle bestimmt werden [Mar99]. Dies passt zum sog. SAC-Modell (engl.
Solvent Anion Complex“), nach dem nicht das blanke Elektron solvatisiert wird, sondern
”
ein negativ geladener kleiner Wassercluster [Tut91]. In einem weiteren Modell wird das
Absorptionsspektrum solvatisiertem Hydronium (H3 O) zugeschrieben [Mug96]. Ab initioRechnungen von kleinen H3 O(H2 O)n -Clustern zeigen jedoch, dass sich ein Elektron vom
Hydronium abspaltet und an der Oberfläche des Clusters stabilisiert wird [Sob02b,Sob02a].
Extrapoliert auf die ausgedehnte Flüssigkeit bedeutet dies aber, dass das Elektron ebenfalls einzeln solvatisiert und damit gegen das Hydronium-Ion abgeschirmt würde.
Solvatisierung in geladenen Wasserclustern Kleine Wassercluster sind insofern ein wichtiges Vergleichssystem zu dünnen adsorbierten Eisschichten, als in beiden Fällen die Sol-
22
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
vatisierung stark durch die Grenzflächen beeinflusst werden kann. Auch wenn die Wellenfunktion des Elektrons einen Durchmesser von wenigen Ångström hat, kann sich die
Solvathülle über ein deutlich größeres Umfeld erstrecken. Untersuchungen an geladenen
Wasserclustern (H2 O)n mit n<70 zeigen, dass das Absorptionsspektrum für kleine Cluster
deutlich zu niedrigeren Energien verschoben ist und eine geringere Breite aufweist. Die
Energie des Absorptionsmaximums sowie die Breite der niederenergetischen Flanke nehmen ab n=11 linear mit n−1/3 , also etwa mit dem Durchmesser der Cluster zu und lassen
sich zum Volumenwert extrapolieren, während gleichzeitig die Elektronenwellenfunktion
stärker lokalisiert wird [Ayo97, Coe01, Coe04].
Es gibt eine lange Kontroverse, in welchen Fällen die Ladung an der Oberfläche der
Cluster stabilisiert wird und ab welcher Größe die Solvatisierung im Innern des Clusters
erfolgt [Bar88,Ayo97,Bar01,Coe01,Lee97]. Während die Theorie einen Übergang bei einer
Größe von ca. 64 Molekülen voraussagt, deuten die kontinuierlichen Trends zum Absorptionsspektrum im Volumen darauf hin, dass bereits ab n=11 eine Solvatisierung im Innern
des Clusters möglich ist.
Im Gegensatz zur Flüssigkeit existieren von Clustern auch Photoelektronenspektren. Sie
weisen dieselben kontinuierlichen Trends für die Peakform und -position auf wie Absorptionsspektren. Neuere Arbeiten zeigen für Cluster mit n=6–16 neben den volumenartigen
Zuständen auch schwächer gebundene Zustände, die als an der Oberfläche solvatisierte
Elektronen interpretiert werden [Coe04].
Abbildung 2.13: Absorptions- und
Photoelektronenspektrum in Abhängigkeit von der Clustergröße: (a) energetische Lage des Maximums, (b) Breite
der Gauss-artigen niederenergetischen
Flanke, (c) Breite der Lorentz-artigen
hochenergetischen Flanke. Offene Symbole entsprechen Absorptionsspektren
(ABS), gefüllte Symbole Photoelektronenspektren (PES). Die Parameter der
Volumenspektren wurden unter der Annahme einer linearen Verschiebung mit
der Temperatur auf 210 K entsprechend
der Temperatur der Cluster extrapoliert (nach [Coe04]).
23
2 Grundlagen
Elektroneneinfang in amorphem und kristallinem Eis Wie Molekulardynamik-Rechnungen zeigen, beinhaltet der Respons der Wasserumgebung auf eine Überschussladung
in der Flüssigkeit sowohl Umorientierung als auch Translation von Molekülen und ist als
solcher stark abhängig von Fluktuationen der Wasserkonfiguration. Diese sind bei tiefen
Temperaturen deutlich kleiner, so dass in Eis viele Relaxationspfade der Solvathülle eingefroren sind und ein Gleichgewichtszustand erst auf einer sehr viel längeren Zeitskala
erreicht wird [Gil01, Wal80]. Aus diesem Grunde spricht man insbesondere für kristallines
Eis, in dem die Relaxation bei T <100 K mehrere Jahre dauern würde, oft von Elektroneneinfang statt -solvatisierung. Man beachte, dass auch Ionen in kristallinem Eis nicht
gelöst werden, sondern, wenn überhaupt, in geringen Konzentrationen in das Kristallgitter
eingebaut werden [Pet99].
Absorptionsspektren von wässrigen Gläsern wie von kristallinem Eis, die mit hochenergetischen Elektronen (∼3 MeV) oder γ-Strahlung angeregt wurden, zeigen außer einem
Peak bei ca. 2 eV , der dem solvatisierter Elektronen in flüssigem Wasser ähnelt, eine breite
Absorptionsbande im Infrarotbereich, deren Maximum bei <0.5 eV liegt. Es handelt sich
dabei nicht um verschieden stark gebundenen Zustände in demselben lokalen Potentialtopf.
Die Struktur der schwach gebundenen Elektronen ist nicht geklärt. Es werden einerseits
gebundene Zustände an vorhandenen oder durch die Bestrahlung erzeugten Defekten diskutiert. Zumindest in kristallinem Eis könnte es sich auch um kleine Polaronen handeln,
wobei die Orientierung der Wassermoleküle allerdings eingefroren ist ( [Wal80, Gil01] und
Referenzen darin). Für die stärker gebundene Spezies nimmt man an, dass in amorphem
Eis und stark verdünnten wässrigen Gläsern die lokale Struktur der Solvathülle vergleichbar ist mit der in flüssigem Wasser. So werden beispielsweise die oben angeführten Strukturuntersuchungen an wässrigen Gläsern mittels Elektronen-Spinecho-Messungen auch für
flüssiges Wasser als repräsentativ angesehen [Kev81].
In kristallinem Eis hingegen geht man davon aus, dass zunächst quasi-freie Elektronen
an Fehlstellen kombiniert mit ein oder zwei D-Defekten, den sog. DV-Defekten, eingefangen
Absorption
Dt=100 ns
5 µs
1000 s
300
24
900
1200
Wellenlänge l [nm]
Abbildung 2.14: Absorptionsspektren lokalisierter Elektronen in D2 O-Glass mit 7.5 M
BeF2 bei 77 K zu verschiedenen Zeiten nach
einem 40 ns Strahlungspuls. Die Intensität des
Peaks im sichtbaren Bereich nimmt mit der
Dotierung zu (nach [Ngu78]).
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
werden (Abb. 2.5). Da D-Defekte effektiv eine Ladung von 0.38 e tragen, sind die kombinierten Defekte positiv geladen und dadurch attraktiv für Elektronen. Sie stellen eine Art
Cavity dar, die jedoch nur von 3 oder 4 Protonen umgeben ist [deH83,Kun83,Pet94,Gil01]
im Gegensatz zu 6 Protonen in amorphem Eis.
Um spektroskopische Untersuchungen bei verschiedenen Temperaturen vergleichen zu
können, wird häufig ausgenutzt, dass sich das Absorptionsspektrum solvatisierter Elektronen sowohl in flüssigem Wasser als auch in kristallinem Eis linear mit der Temperatur
verschiebt. Während die Änderung in der Flüssigkeit -2.9 meV/K, fällt die Verschiebung in
kristallinem Eis mit -1.2 meV/K deutlich kleiner aus [Shu66]. Die beiden linearen Verläufe
schneiden sich in der Nähe des Gefrierpunktes, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass es
sich bei solvatisierten Elektronen in Wasser und eingefangenen Elektronen in kristallinem
Eis um verwandte Spezies handelt.
2.1.7 Adsorption auf Metalloberflächen, Struktur der Eisgrenzflächen
Als Modellsysteme für Adsorptionseigenschaften von Eis auf Metalloberflächen sind vor
allem die hexagonalen Oberflächen von Metalleinkristallen untersucht worden , da diese
in Symmetrie und Gitterkonstanten der Struktur von Eis ähnlich sind (Übersichtsartikel [Thi87, Hen02]). Das Standardmodell für molekulare Adsorption baut auf dem Konzept der Eisbilage auf. Dabei ist jedes zweite Wassermolekül über ein lone pair“ des
”
Sauerstoffs an das Substrat gebunden. Die übrigen Moleküle verbinden erstere mit Wasserstoffbrückenbindungen (vgl. Abb. 2.4). Die Bilage hat eine Moleküldichte von 1.1 × 1015
Molekülen pro cm2 . Durch die Bindung ans Substrat wird eine Protonenordnung entlang
der Oberflächennormalen bedingt, die dazu führt, dass in jedem zweiten Molekül eine freie
O–H-Bindung in Richtung Vakuum zeigt. Die partielle Ausrichtung der Dipolmomente und
Ladungstransfer von den lone pairs“ ins Substrat haben zur Folge, dass die Adsorption
”
von Wasser die Austrittsarbeit um ca. 1 eV senkt.
Die Struktur von adsorbiertem Wasser auf den beiden Oberflächen Cu(111) und Ru(001)
weicht auf unterschiedliche Weise von der idealen Bilage ab. Auf dem Edelmetall Kupfer
Abbildung 2.15: Struktur der idealen adsorbierten Wasserbilage auf hexagonalen Metalloberfächen: (oben) Seitenansicht, (unten)
Aufsicht. Die Bindung ans Substrat prägt der
Schicht eine Protonenordnung mit einem Dipolmoment entlang der Oberflächennormalen
auf. Zur Verdeutlichung der räumlichen Anordnung sind weiter hinten liegende Moleküle
abschattiert.
25
2 Grundlagen
ist die Wasser–Metall-Bindung so schwach, dass sie mit den Wasserstoffbrückenbindungen
vergleichbar ist und sich keine benetzende Bilage ausbildet. Obwohl die Gitterkonstante
der Cu(111)-Oberfläche nur um ca. 2 % von dem auf die (001)-Fläche projizierten O–
O-Abstand von Eis abweicht, wurde mit LEED-Untersuchungen keine Überstruktur mit
langreichweitiger Ordnung gefunden [Hin92].
Tabelle 2.3: Nächstnachbarabstände der verwendeten Substratoberflächen [Kit96] im Vergleich
zum projizierten O–O-Abstand in Eis Ih [Röt94]
Metall
Cu
Ru
Gittertyp
fcc
hcp
d [Å]
2.5561
2.7059
T [K]
25
145
160
265
rOO|001 (H2 O)
2.5963
2.5982
2.5993
2.6104
rOO|001 (D2 O)
2.5970
2.5989
2.6001
2.6134
Die Bilage D2O/Ru(001) galt lange als Paradebeispiel für die Adsorption einer intakten Wasserbilage auf hexagonalen Metalloberflächen. In den letzten Jahren wird die tatsächliche Struktur jedoch zunehmend kontrovers diskutiert [Fei02, Pui03, Den03b, Fei04].
Auf Ru(001)-Oberfläche sind die Wassermoleküle deutlich stärker gebunden (∼0.4 eV
für√ein H
√2 O-Monomer [Mic03]) als auf Cu(111). Die Bilage bildet eine wohldefinierte
p( 3 × 3)R30◦ -Überstruktur. Auf LEED-Messungen basierende Analysen haben ergeben, dass anders als in der perfekten Eisbilage alle Moleküle praktisch in einer Ebene
liegen. Der vertikale Versatz der Sauerstoffatome beträgt lediglich 0.10 Å, ein Wert, der
sich durch die Dehnung des Gitterabstands parallel zur Oberfläche nicht erklären lässt.
Hinzu kommt eine leichte Oberflächenrekonstruktion der Ru-Atome in der obersten Lage [Hel94,Pui03]. Die Wasser–Ruthenium-Bindung führt zu einem starken Ladungstransfer
ins Metall, weshalb die Austrittsarbeit durch die Adsorption von 1 Bilage (BL) um 1.2 eV
abnimmt [Hel95a, Hof97].
Eine weitere Besonderheit der Adsorption von Wasser auf Ru(001) ist, dass es einen starken strukturellen Isotopie-Effekt gibt. Während thermische Desorptionsspektren (TDS)
der Wasser-Bilage von Ru(001) im Fall von D2 O im wesentlichen nur ein Desorptionsmaximum aufweisen, findet man für H2 O zwei Maxima, von denen eines im Vergleich zu
D2 O zu deutlich höheren Temperaturen verschoben ist [Hel95a,Den03c]. Die LEED-Daten
zeigen einen strukturellen Unterschied für die beiden Isotope. D2 O bildet flächendeckend
die oben beschriebene Bilagenstruktur. Bei abnehmender Bedeckung wird ein Abdampfen
von den Rändern größerer Inseln mit intakter Bilagenstruktur erwartet. Für das leichtere
Isotop hingegen findet man eine Streifenbildung, wobei die Struktur innerhalb der Streifen
der von D2 O entspricht (siehe Abb. 2.16 oben). Die Aufspaltung des Desorptionspeaks
zeigt, dass für einen bestimmten Streifenabstand eine besonders stabile Konfiguration erreicht wird [Hel95b, Hel95a]. Als Ursache für den Isotopie-Effekt wird die Änderung der
Wasserstoffbrückenbindungslänge bei der Deuterierung durch die stark unterschiedlichen
Nullpunktsenergien der Isotope (sog. Ubelohde-Effekt) angenommen [Hel95a].
Aufgrund seiner komplexen Adsorptionsstruktur erscheint H2 O/Ru(001) nicht als geeignetes Modellsystem zur Untersuchung der Wasser–Oberflächen-Wechselwirkung. Wie
viele andere Arbeiten konzentrieren sich aus diesem Grunde die in den folgenden Kapi-
26
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
teln dargestellten Untersuchungen zur Elektronendynamik in Wasser auf Ru(001) auf das
schwerere Isotop, das typischere Adsorptionseigenschaften besitzt.
Die LEED-Untersuchungen an adsorbierten Wasserschichten geben zwar detailliert Auskunft über die Anordnung der Sauerstoffatome, nicht jedoch über die der Wasserstoffatome. Berechnungen nach der Dichte-Funktional-Theorie (DFT) zufolge sind in der energetisch stabilsten Konfiguration der Bilage D2 O/Ru(001) die Hälfte aller Wassermoleküle dissoziiert, so dass in der Mitte jedes Rings aus 6 Wassermolekülen ein Wasserstoff
liegt und ein Wassermolekül durch OD ersetzt ist [Fei02]. Die Positionen der Sauerstoffatome wird durch die Theorie sehr gut reproduziert, die Austrittsarbeitsänderung fällt
allerdings mit nur -0.3 eV deutlich zu klein aus. Schwingungsspektroskopische Untersuchungen mittels Summenfrequenzerzeugung (engl. sum-frequency generation“, SFG)
”
bestätigen zwar, dass gerade bei der Bedeckung von 1 BL die Absorptionsbande der
freien O–D-Streckschwingung verschwindet, im Bereich der wasserstoffverbrückten O–DSchwingungen ergeben sich allerdings nicht die von der Theorie vorausgesagten Änderungen gegenüber Eis im Volumen [Den03b, Fei03, Fei04]. Weiter gehende DFT-Studien
zeigen, dass für die partielle Dissoziation der Bilage eine Aktivierungsbarriere von ca.
0.5 eV überwunden werden muss und deshalb diese eigentlich energetisch stabilste Konfiguration nicht erreicht wird [Mic03]. Alternativ wird eine Struktur vorgeschlagen, bei
der die Wasserstoffatome der äußeren Wassermoleküle zum Metall statt zum Vakuum
zeigen [Den03b, Den03d]. Sie wird dementsprechend als H-down“ bezeichnet. Röntgen”
strukturanalysen der Wasserbilage auf Pt(111) deuten darauf hin, dass sich auch dort eine
H-down“-Struktur ausbildet [Oga02, Men02].
”
140
160
180
200
Temperatur [K]
220
140
Heizrate 0.5K/s
Multilage
Bilage
D2O mass signal [a.u.]
D2O
Heizrate
0.5K/s
Multilage
H2O mass signal [a.u.]
H2O
160
Bilage
180
200
Temperatur [K]
220
Abbildung 2.16: Struktureller Isotopeneffekt der Wasserbilage auf Ru(001):(oben) schematische Darstellung der Adsorptionsgeometrie, (unten) typische TDS von 3–4 BL H2 O/Ru(001) und
D2 O/Ru(001), die den Stabilisierungseffekt der Streifen für H2 O zeigen (nach [Hel95a, Den03d]).
27
2 Grundlagen
Struktur von Multilagen Die Bindung der Wassermoleküle an das Substrat beeinflusst
nicht nur die Struktur der ersten Bilage, sondern auch die Morphologie im Bereich von
Multilagenbedeckungen. Mittels isothermer Desorptionsspektroskopie ist gezeigt worden,
dass selbst bei einer nominellen Bedeckung von über 50 BL kristallines Eis auf Ru(001)
relativ homogene Schichten bildet, während das Desorptionsverhalten von Au(111) dem
annähernd sphärischer Cluster entspricht [Smi96]. Die Struktur von Multilagen Eis auf
Cu(111) sollte wegen der schwachen Bindung an das Substrat ähnlich sein wie auf Gold.
EELS-Messungen bestätigen jedenfalls, dass kristalline Multilagen auch auf Cu(111) Cluster bilden [Hin92].
Thermische Desorptionsspektroskopie ermöglicht es auch, den Übergang von amorphem
zu kristallinem Eis zu untersuchen, weil der Übergang in einem Temperaturbereich erfolgt, in dem signifikante Wassermengen desorbieren. Amorphes Eis besitzt einen höheren Dampfdruck als kristallines Eis, so dass man die Desorption von den beiden Phasen
unterscheiden kann. Der Kristallisierungsübergang erfolgt bei dicken Schichten überwiegend durch Bildung von Kristallisationskeimen im Innern der Schicht [Smi96, Löf96]. Für
dünnere Schichten nimmt der Einfluss des Substrats zu. So kann amorphes Eis auf kristallinem Eis bei deutlich kleineren Temperaturen kristallisieren, weil die Grenzfläche als
Kristallisationskeim dienen kann [Doh99]. An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass man
durch tempern einer amorphen Eisschicht nicht dieselbe Struktur erhält, als wenn man die
Schicht bei Temperaturen präpariert, bei denen sie direkt kristallin wächst. Für den verbleibenden amorphen Anteil findet man Werte von <20% [Koh00] über ca. 35% [Doh00]
bis zu >50% [Jen97].
Abbildung 2.17: Molekulardynamikrechnungen zur Grenzflächenstruktur von Eis: (links) Dünne
Eisschicht (3BL) auf einer Metalloberfläche. Die Atompositionen der unteren Bilage wurden auf
diejenigen der H–up“-Bilage auf Ru(001) nach [Hel95a] fixiert (nach [Wit99]). (rechts) (001)–Ober”
fläche eines Eis–Volumenkristalls bei 265 K (nach [Fur97]).
Würde kristallines Eis defektfrei auf einer Oberfläche aufwachsen, so ergäbe sich durch
die Bindung an das Substrat über die lone pairs“ der Sauerstoffatome eine Protonen”
ordnung entlang der Oberflächennormalen. Diese Konfiguration ist energetisch allerdings
insofern ungünstig, als sich ein starkes Dipolfeld aufbaut, das mit wachsender Schicht-
28
2.1 Wasser und Eis bei Normaldrücken
dicke zunimmt. Molekulardynamikrechnungen zeigen, dass der Übergang zu einer protonenungeordneten Struktur innerhalb weniger Bilagen durch Abweichungen von der perfekten Eisstruktur erfolgt [Wit99]. Dies wird in den meisten Fällen, so auch für Eis auf
Ru(001) durch Experimente bestätigt [Den03b]. Eine Ausnahme stellt hier kristallines Eis
auf Pt(111) dar, wo die Protonenordnung zumindest teilweise über etliche Lagen erhalten
bleibt [Ied98]. Neben der Unordnung, die durch die vom Substrat vorgegebene Protonenordnung nahe der Metalloberfläche induziert wird, ergeben sich in der Grenzschicht
zum Vakuum Abweichungen von der Volumeneisstruktur, um die Zahl nicht verbrückter O–H-Bindungen zu verringern [Fur97,Dev00]. Abbildung 2.17 zeigt die Ergebnisse von
Molekulardynamikrechnungen für 3 BL kristallines Eis auf Ru(001) und für die Oberfläche
einer dicken Eisschicht, hier allerdings nahe dem Schmelzpunkt. Für die im Rahmen dieser
Arbeit untersuchten Schichtdicken von wenigen Bilagen kann man also annehmen, dass die
Struktur der Eisschichten stark durch die Grenzflächen beeinflusst ist. Während amorphes
Eis die Randbedingungen wahrscheinlich durch leichte Verzerrungen der Struktur erfüllen
kann, ist in kristallinem Eis mit einer erhöhten Defektdichte zu rechnen.
29
2 Grundlagen
2.2 Elektronische Struktur der Metallsubstrate
Die elektronische Struktur des Substrats hat großen Einfluss auf die Elektronendynamik
im Bereich der Metall–Adsorbat-Grenzschicht, weil die Besetzung in angeregten Adsorbatzuständen im Allgemeinen durch Elektronentransfer zwischen Substrat und Adsorbat
auf- und wieder abgebaut wird.
Mit Cu(111) und Ru(001) wurden für die Untersuchungen an adsorbierten Eisschichten
zwei sehr unterschiedliche Substrate verwendet, sowohl hinsichtlich der für die Be- und
Entvölkerung zur Verfügung stehenden Zustandsdichte, als auch bzgl. der Adsorptionseigenschaften von Wasser. Letztere wurden bereits in Abschnitt 2.1.7 angesprochen.
2.2.1 Elektronische Struktur der Cu(111)-Oberfläche
Die Cu(111)-Oberfläche ist im Bezug auf die Elektronendynamik eine der meist untersuchten Metalloberflächen [Pet98, Kno98, Bür99, Kli00, Rei01]. In dem Edelmetall Kupfer
mit der Elektronenkonfiguration (Ar)(3d)10 (4s)1 liegen die voll besetzten 3d-Elektronenzustände 5–2 eV unter dem Fermi-Niveau EF . Hieraus resultiert u.a. die geringe Reaktivität
von Kupfer. Für die Relaxation angeregter Elektronen bedeutet dies, dass der Phasenraum für einen Streuprozess mit d-Elektronen klein ist, weil aufgrund des Pauli-Prinzips
mindestens eine Energie von 2 eV übertragen werden muss, um unbesetzte Zustände oberhalb von EF zu erreichen. Die Elektronendynamik wird deshalb hauptsächlich durch das
sp-Band der 4s- und 4p-Zustände bestimmt, das von 8.6 eV unter EF bis über das Vakuumniveau reicht. In Abbildung 2.18 ist die Bandstruktur projiziert auf die (111)-Oberfläche
dargestellt. Die Bereiche der Bänder im Volumen sind grau unterlegt. Entlang der (111)Abbildung 2.18: Cu-Bandstruktur in
(111)-Richtung projiziert mit berechneter
Dispersion für den am Γ̄-Punkt besetzten
Oberflächenzustand n=0 und den Bildladungszustand n=1 (nach [Smi85]).
EVak
E - EF [eV]
4
n=1
2
n=0
0
-0.4
0.0
-1
k|| [Å ]
0.4
Richtung (am Γ̄-Punkt) weist das sp-Band eine Bandlücke auf, die sich von 0.9 eV unter
bis 4.15 eV über dem Fermi-Niveau erstreckt. Die Austrittsarbeit5 der sauberen Cu(111)Oberfläche liegt bei 4.94±0.05 eV. Die partielle Bandlücke ist insofern für elektronische
Prozesse an der Oberfläche von Bedeutung, als sich im Bereich der Bandlücke nur Zustän5
Als Austrittsarbeit bezeichnet man die Energie, die mindestens nötig ist, um ein Elektron aus der Probe
bis ins unendliche zu bringen. Sie entspricht also der Energiedifferenz zwischen Vakuumniveau und
Fermi-Niveau: Φ = EVak − EF
30
2.2 Elektronische Struktur der Metallsubstrate
de ausbilden können, deren Wellenfunktion von der Oberfläche ins Volumen exponentiell
abfällt. Sie sind also vor der Oberfläche gebunden. Die Eindringtiefe der Wellenfunktion
in das Metall ist minimal in der Mitte der Bandlücke und wächst zu den Rändern hin
gegen unendlich [Smi85]. Auf der sauberen Oberfläche gibt es einen teilweise besetzten
Oberflächenzustand und einen Bildladungszustand. Sie bilden zweidimensionale Bänder
delokalisierter Zustände, die hier als schwarze Kurven eingezeichnet und mit n=0 und
n=1 bezeichnet sind. Der Bandboden des Oberflächenzustands liegt bei Raumtemperatur
0.39 eV unter EF , der des Bildladungszustands 4.1 eV über EF und damit am oberen
Rand der Bandlücke [Kno97a]. Des Weiteren existieren mit Volumenzuständen entartete
Bildladungsresonanzen. Auf die Klasse der Bildladungszustände wird in Abschnitt 2.2.3
noch ausführlicher eingegangen.
Wegen der erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeit an der Kupfer-Oberfläche können
aus dem besetzten Teil des n=0-Oberflächenzustands effizient Elektronen in energetisch
höher liegende Zustände im Bereich der Oberfläche angeregt werden. Für den n=1 Bildladungszustand beispielsweise stellt dies den dominanten Anregungspfad dar [Hot99b]. Wie
die projizierte Bandstruktur zeigt, ist nur ein Teil des Bandes um den Γ̄-Punkt besetzt.
Der unbesetzte Teil bei größeren kk -Werten kann wiederum als Zerfallskanal für die Population in höher liegenden angeregten Zuständen dienen. Dieser Zerfall trägt beispielsweise
bis zu 40 % zur Linienbreite des n=1-Bildladungszustands bei [Osm99].
Die Konzentration an der Oberfläche führt allerdings auch dazu, dass der Oberflächenzustand stark durch Adsorbate beeinflusst wird. In einigen Fällen, z.B für physisorbierte
N2 -Lagen auf Cu(111), wird Zustand gar nicht mehr beobachtet, was darauf schließen lässt,
dass er über das Fermi-Niveau verschoben und dementsprechend nicht besetzt ist [Hot99b].
2.2.2 Elektronische Struktur der Ru(001)-Oberfläche
In dem Übergangsmetall Ruthenium (Elektronenkonfiguration (Kr)(4d)7 (5s)1 ) sind die
4d-Zustände nur teilweise besetzt. Das bedeutet für die Bandstruktur, dass d-Bänder das
Fermi-Niveau kreuzen. In Abbildung 2.19(a) ist die berechnete Bandstruktur zusammen
mit der integrierten Zustandsdichte dargestellt [Sei02]. Die d-Bänder reichen bis ca. 1.5 eV
über das Fermi-Niveau, wobei die Zustandsdichte ein deutliches Maximum 1 eV über EF
annimmt. Diese hohe Zustandsdichte über einen weiten Energiebereich um das FermiNiveau herum bedeutet, dass der Phasenraum für Elektron–Elektron-Streuprozesse sehr
groß ist und dementsprechend die Relaxationszeiten angeregter Zustände annähernd um
einen Faktor 4 kürzer sind als in Kupfer [Kno98,Lis04]. Derselbe Trend ist zu erwarten für
die Lebensdauern angeregter Adsorbatzustände auf den beiden Substraten. Modellrechnungen mit einem erweiterten Zwei-Temperaturmodell haben außerdem ergeben, dass in
Ruthenium die Anregungsenergie sehr effizient von der Oberfläche ins Volumen abgeführt
wird [Lis04].
Auf der Ru(001)-Oberfläche weist ebenso wie auf Cu(111) das sp-Band in Richtung der
Oberflächennormalen (Γ–A) eine Bandlücke auf. Sie beginnt jedoch erst ∼1.6 eV über
EF und reicht bis 11 eV über EF . Sie beinhaltet damit auch den Energiebereich um das
Vakuumniveau (Die Austrittsarbeit von Ru(001) beträgt 5.4 eV [Ber00b]), so dass sich auf
der sauberen Oberfläche die komplette Serie der Bildladungszustände ausbilden.
31
Energie [eV]
E - EF [eV]
2 Grundlagen
M
G
K
M
Abbildung 2.19: (a) Volumenbandstruktur von Ruthenium: Die Zustandsdichte der d-Bänder
weist 1 eV über EF ein Maximum auf (siehe integrale Zustandsdichte am rechten Rand (nach
[Sei02]); (b) Oberflächenbandstruktur von Ru(001): Die Bandlücke am Γ̄-Punkt reicht von 1.6 eV
bis ca. 11 eV über EF (nach [Pel00]).
2.2.3 Bildladungszustände an sauberen Metalloberflächen
Bildladungszustände haben ihren Ursprung darin, dass ein Elektron, das vor eine Metalloberfläche gebracht wird, im Metall eine Oberflächenladungsdichte induziert, die das
Elektron zum Metall hin abschirmt. Für das Elektron ergibt sich daraus ein attraktives
Potential, das sich für Abstände von mehr als 2 Å durch das klassische Potential einer Ladung entgegengesetzten Vorzeichens ( der Bildladung“) am spiegelbildlichen Punkt hinter
”
der leitenden Oberfläche beschreiben lässt. In atomaren Einheiten (~ = me = c = 1) hat
das Bildladungspotential die Form
VBL =
1
e2
·
2 2(z − z0 )
.
(2.4)
z0 bezeichnet die Spiegelebene, deren Position Rechnungen zufolge etwa einen halben Lagenabstand außerhalb der letzten Atomlage liegt [Smi89]. Besitzt das Metall unterhalb
der Vakuumenergie eine Bandlücke in der projizierten Bandstruktur, so dass das Elektron
nicht in das Metall eindringen kann, bildet sich vor der Oberfläche eine dem Wasserstoffatom ähnliche Serie von gebundenen Zuständen.
En = EVak −
1Ry
0.8504 eV
= EVak −
2
4(n + a)
(n + a)2
,
n = 1, 2, 3, ...
(2.5)
n ist dabei die Hauptquantenzahl und entspricht der Anzahl der Knoten in der Wellenfunktion vor der Metalloberfläche. Der Parameter a wird als Quantendefekt bezeichnet
und hat seinen Ursprung darin, dass die Oberfläche keine unendlich hohe Potentialbarriere darstellt und folglich die Wellenfunktion etwas in das Metall eindringt. Liegen die
Zustände nicht zu nahe am Rande der Bandlücke, so ist a annähernd unabhängig von n.
Die Bildladungszustände sind nur senkrecht zur Oberfläche gebunden, parallel dazu können sich die Elektronen frei bewegen. Zu jedem n gibt es deshalb ein zweidimensionales
32
2.2 Elektronische Struktur der Metallsubstrate
E - EF [eV]
EVak
4.8
Abbildung 2.20: Wellenfunktionen der
Bildladungszustände auf Cu(111): Der
n=1-Zustand liegt nahe dem oberen Rand
der Bandlücke, so dass die Wellenfunktion
nur langsam ins Metall abfällt. Der n=2Zustand ist bereits mit Volumenzuständen (grauer Bereich) entartet und wird als
Bildladungsresonanz bezeichnet.
n=2
4.6
4.4
VBL
|y|²
n=1
4.2
4.0
Cu
-20
Vakuum
0
z [Å]
20
Band delokalisierter Zustände mit einer effektiven Masse nahe der freien Elektronenmasse.
Gleichung 2.5 gibt die energetische Lage des jeweiligen Bandbodens an.
Da die Population in den Bildladungszuständen im allgemeinen durch Erzeugung von
Elektron-Loch-Paaren im Metall zerfällt, kann die Lebensdauer der Zustände näherungsweise als umgekehrt proportional zur Aufenthaltswahrscheinlichkeit p des Elektrons im
Metall angenommen werden:
τb
τ'
p
Z0
dz |Ψ(z)|2
mit p =
(2.6)
−∞
Die Proportionalitätskonstante τb ist die Lebensdauer angeregter Volumenzustände bei der
Energie des jeweiligen Bildladungszustands [Fau95]. Neuere theoretische Beschreibungen
im Rahmen der GW-Näherung zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Streuprozess
besonders groß ist, wenn sich das Elektron nahe der Grenzfläche aufhält, weil in diesem
Fall die Abschirmung der Ladung durch Elektronen im Metall geringer ist als im Volumen
[Ech00b].
Im Fall von Kupfer lässt sich die Bandstruktur in (111)-Richtung im Energiebereich
zwischen Fermi-Niveau und Vakuumniveau in guter Näherung mit dem Zwei-Bandmodell
eines quasi-freien Elektronengases beschreiben [Smi85]. In der Bandlücke an der BrillouinZonengrenze sind keine Volumenzustände erlaubt, wohl aber Zustände, deren Wellenfunktion eine exponentiell von der Oberfläche ins Volumen abfallende Einhüllende besitzen.
Die Phasenlage der Wellenfunktion ist durch die Position der Oberfläche relativ zur letzten
Atomreihe festgelegt und führt durch die Anschlussbedingungen zur Wasserstoff-artigen
Wellenfunktion vor der Oberfläche für den Quantendefekt a zu Werten zwischen 0 am
oberen Rand und 0.5 am unteren Rand der Bandlücke.
Abbildung 2.20 zeigt exemplarisch die aus dem Modell resultierenden Wellenfunktionen der Zustände n=1 und n=2 auf der sauberen Cu(111)-Oberfläche6 . Der n=1-Zustand
6
Die unphysikalische Divergenz des Bildladungspotentials an der Oberfläche wurde behoben, indem das
Potential eine halbe Thomas-Fermi-Abschirmlänge [Ash76] vor der Oberfläche abgeschnitten wurde.
Der Wert entspricht für Cu(111) etwa der Energie des Bodens des sp-Bandes.
33
2 Grundlagen
liegt nur knapp unterhalb des oberen Rands der Bandlücke. Dies hat zur Folge, dass die
Wellenfunktion nur langsam ins Metall abfällt und die Lebensdauer mit knapp 20 fs sehr
kurz ist ( [Wei02] und Ref. darin). Der Zustand mit n=2 ist auf der Cu(111)-Oberfläche
bereits mit Volumenzuständen entartet und wird deshalb als Bildladungsresonanz bezeichnet. Seine Lebensdauer ist mit 14±3 fs noch kürzer als die des n=1. Die energetische Lage
der Resonanzen wird in dem Modell darüber bestimmt, bei welcher Energie die Aufenthaltswahrscheinlichkeit vor der Oberfläche ein lokales Maximum annimmt. Für die hier
vorgestellten Arbeiten haben Bildladungsresonanzen jedoch keine Relevanz, da die Adsorption von Wasser eine Absenkung der Austrittsarbeit um bis zu ∼ 1 eV für Multilagenbedeckungen mit sich bringt und damit die untersuchten Zustände in der Bandlücke liegen.
Der besetzte Oberflächenzustand der sauberen Cu(111)-Oberfläche bei 0.4 eV unter dem
Fermi-Niveau wird in der Nomenklatur der Bildladungszustände auch als n=0 bezeichnet. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons in diesem Zustand ist allerdings
direkt an der Metalloberfläche konzentriert, wo das Potential noch nicht durch das klassische Bildladungspotential beschrieben werden kann [Jen88]. Besetzter Oberflächenzustand
und Bildladungszustände der Cu(111)-Oberfläche sind in den letzten Jahrzehnten intensiv
untersucht worden [Kno97a, Bür00, Rei01, Kli00]. Ihre Eigenschaften werden mittlerweile
excellent durch die Theorie beschrieben [Ech00b, Ech04].
Auf der sauberen Ru(001)-Oberfläche wurden die Bildladungszustände mit n>1 bislang
nicht untersucht. Der Grund hierfür ist, dass Ru(001) mit 5.4 eV eine sehr hohe Austrittsarbeit besitzt und bei bisherigen 2PPE-Messungen an Ru(001) keine ausreichend hohen
Photonenenergien zur Verfügung standen, um die höheren Bildladungszustände zu bevölkern [Ber00b]. Mit dem im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Laseraufbau mit einem
optisch-parametrischen Verstärker ließ sich jedoch gerade noch eine Photonenenergie von
5.4 eV erreichen, so dass auch Bildladungszustände mit n>1 untersucht werden konnten.
Im Gegensatz zu Cu(111) reicht auf der Ru(001)-Oberfläche die Bandlücke der projizierten Bandstruktur bis weit über das Vakuumniveau, so dass im Prinzip die gesamte
Rydberg-Serie in Form von gebundenen Zuständen existiert. Abbildung 2.21 zeigt das Absolutquadrat der Wellenfunktionen der Zustände n=3–7 vor der Oberfläche berechnet mit
dem experimentell bestimmten Quantendefekt a=0.134. Die vertikale Verschiebung der
Wellenfunktionen entspricht jeweils der Bindungsenergie des Zustands in dem gestrichelt
dargestellten Bildladungspotential.
Mit steigender Quantenzahl n verlagert sich die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons immer weiter weg von der Oberfläche, so dass die Lebensdauern schnell zunehmen.
Im Grenzfall großer n sollte die Lebensdauer proportional zu (n + a)3 ansteigen. Dies folgt
aus der klassischen Umlaufperiode eines Elektrons im Bildladungspotential [Ber01].
Wegen ihres geringen energetischen Abstands voneinander ist es mit einem kurzen,
spektral breitbandigen Laserpuls möglich, mehrere Bildladungszustände kohärent anzuregen [Höf97]. Überlagern sich 2 Zustände, ergibt sich im 2PPE-Signal eine Quantenschwebung, deren Periode durch den energetischen Abstand der Zustände bestimmt ist:
∆E = hν
⇔
T =
1
h
=
ν
∆E
(2.7)
Bei kohärenter Anregung von mehr als 3 Zuständen kann man von der Bildung eines Wellenpakets sprechen, das sich ähnlich der klassischen Bewegung eines springenden Balls auf
34
2.3 Modifizierte Bildladungszustände an adsorbatbedeckten Metalloberflächen
|Ψ|
2
n=7
-0.02
n=6
E - EVak [eV]
n=5
-0.04
n=4
-0.06
VBL
-0.08
n=3
0
50
100
Abbildung
2.21:
Bildladungspotential
VBL
zusammen mit den Wellenfunktionen
der Zustände n=3–7: Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
verlagert
sich weg von der Oberfläche und
hat ihr Maximum in der Gegend
des Umkehrpunkts der Bewegung
eines klassischen Teilchens im
Bildladungspotential.
a=0.134
150
z [Å]
200
250
einer festen Unterlage von der Oberfläche entfernt und wieder zurückkehrt. Diese Wellenpaketdynamik wurde von U. Höfer und Mitarbeitern für die höheren Bildladungszustände
auf der Cu(100)-Oberfläche demonstriert [Höf97, Reu99, Ber04].
2.3 Modifizierte Bildladungszustände an adsorbatbedeckten
Metalloberflächen, Modell des dielektrischen Kontinuums
Auch auf adsorbatbedeckten Metalloberflächen werden insbesondere bei schwach gebundenen Adsorbaten häufig Zustände beobachtet, die parallel zur Oberfläche delokalisiert
sind und deren Eigenschaften maßgeblich durch das Bildladungspotential bestimmt werden [Fau95,Hot00,Ber04]. Der Einfluss des Adsorbats kann in diesen Fällen gut mit einem
dielektrischen Kontinuumsmodell beschrieben werden. Dieses Modell wurde erfolgreich für
Edelgasschichten auf Edelmetallen [McN96, McN97, Hot99a] und für Mehrschichtsysteme
wie N2 /Xe/Cu(111) [Hot00] angewendet. Selbst für komplexere Adsorbatmoleküle wie
Benzol [Gaf00] und Hexafluorobenzol [Gah00a] lassen sich die Bindungsenergien der angeregten elektronischen Zustände mit dem Modell reproduzieren. Das eindimensionale Modell beschreibt die elektronische Struktur des Adsorbats über drei Parameter: Die elektronische Polarisierbarkeit des Adsorbats geht über die Dielektrizitätskonstante ε in das
Potential ein. Die energetische Lage des Leitungsbandes wird dadurch berücksichtigt, dass
innerhalb der Adsorbatschicht das Potential um die Elektronenaffinität EA verschoben ist.
Die Dispersion des Bandes wird bei der Berechnung der Wellenfunktion über eine effektiven
Masse meff innerhalb der Schicht beschrieben. Nach der klassischen Elektrodynamik wirkt
auf ein Elektron vor einer mit einem Dielektrikum der Dicke d bedeckten Metalloberfläche
35
2 Grundlagen
ein modifiziertes Bildladungspotential der Form
à ∞
!

∞
X

e2 X (−β)k
(−β)k
2 ln(1 + β)


EVak −
+
+
− EA


4ε
kd − z
kd + z
d


k=1
k=0


für 0 < z < d
V (z) =


Ã
!

∞

k
2
X

(−β)
β
e
4ε


für z > d

 EVak − 4 z − d + (ε + 1)2
kd + z
k=0
(2.8)
ε−1
mit β :=
.
ε+1
Die unendlichen Reihen entsprechen der Serie ungeradzahliger Bildladungen, die geradzahligen ergeben den konstanten Term und liefern damit keinen Beitrag zur Bildkraft.
Die Form des resultierenden Potentials ist in Abbildung 2.22 dargestellt. An den beiden
Grenzflächen ergeben sich durch die gegen unendlich strebende Polarisationsenergie einer
klassischen Punktladung unphysikalische Divergenzen, die behoben werden müssen. Vor
dem Metall kann das Potential wie für die saubere Oberfläche bei der Energie abgeschnitten werden, die der Thomas-Fermi-Abschirmung entspricht (hier mit Epol bezeichnet). An
der Grenzfläche zum Vakuum wird dem Ansatz von A. Hotzel [Hot99a] folgend das Potential linear über einen Bereich z=d ± b/2 interpoliert, wobei b kleiner als die Dicke einer
Adsorbatlage sein sollte.
Energie
EVak
( EVak - EA )
VDCM
V0
b
Abbildung
2.22: Modifiziertes
Bildladungspotential nach dem
dielektrischen
Kontinuumsmodell: Vor der Metall- und der
Adsorbatoberfläche ergeben sich
Potentialtöpfe. Die Divergenzen
an den Grenzflächen müssen
interpoliert werden (siehe Text).
( EVak- EPol )
Metall
Vakuum
Adsorbat
0
z
d
Aus dem Verlauf des Potentials ist ersichtlich, weshalb auch für komplexere Adsorbate modifizierte Bildladungszustände mit effektiven Massen nahe der des freien Elektrons
beobachtet werden können. Insbesondere für dünne Schichten und für Adsorbate mit negativer Elektronenaffinität ist nämlich ein Großteil der Aufenthaltswahrscheinlichkeit in
dem Potentialtopf außerhalb der Adsorbatschicht konzentriert, so dass der Einfluss der
Korrugation des Potentials durch das Adsorbat klein ist.
Hat das Adsorbat wie in Abbildung 2.22 skizziert eine positive Elektronenaffinität ,
stellt die Adsorbatschicht einen Quantentrog dar und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
des Elektrons ist bei höheren Bedeckungen zumindest für niedrige Quantenzahlen n in der
36
2.4 Lichtinduzierte Ladungs- und Energietransferprozesse
Schicht konzentriert. Der Zustand leitet sich deshalb vom Affinitätsniveau des Adsorbats
ab, weshalb es eigentlich sinnvoller ist, von einem durch das Bildladungspotential modifizierten Adsorbatzustand zu sprechen. Das Elektron spürt also die Potentialmodulationen
innerhalb der Adsorbatschicht. Je höher jedoch die kinetische Energie des Elektrons ist,
desto geringer ist der Einfluss des Störpotentials. Dies ist im Bereich nahe der Metalloberfläche der Fall, wo das Potential durch das Bildladungspotential abgesenkt ist. Hier
ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für den n=1-Zustand konzentriert. Für komplexere
Adsorbate wie Benzol und Hexafluorobenzol, in denen man nicht davon ausgehen kann,
dass Leitungsbandelektronen quasi frei sind, wird bei Multilagenbedeckungen auch nur der
n=1-Zustand deutlich beobachtet [Gaf00, Gah00a].
Ein Schwachpunkt des dielektrischen Kontinuumsmodell ist, dass die atomare oder molekulare Struktur der Adsorbatschicht nicht berücksichtigt wird. Im Zusammenhang mit
2PPE-Messungen an Bildladungszuständen auf wohlgeordnete Edelgasschichten ist kürzlich ein verfeinertes Modell eingeführt worden, das 1-dimensional atomare Potentiale in
der Edelgasschicht berücksichtigt und dadurch der Periodizität der Lagenstruktur gerecht
werden kann [Ber04]. Dieser Ansatz lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf ein molekulares Adsorbat wie Eis übertragen, zumal über die eingehenden Parameter wie die effektiven
Massen von Valenz- und Leitungsband wenig bekannt ist [Pet99, Coe01].
2.4 Lichtinduzierte Ladungs- und Energietransferprozesse
an adsorbatbedeckten Oberflächen
Dieser Abschnitt gibt eine qualitative Übersicht über Elektronentransferprozesse an Metall–
Adsorbat-Grenzflächen, wie sie speziell bei optischen Anregungen im nahen infraroten bis
ultravioletten Wellenlängenbereich vorkommen. Zunächst werden die wichtigsten Pfade
für den Transfer vom Metall ins Adsorbat und wieder zurück beschrieben. Anschließend
werden Mechanismen aufgezeigt, wie die Anregungsenergie des Elektrons direkt in Kernfreiheitsgrade des Adsorbats übertragen werden kann. Dieser Prozess stellt den entscheidenden Schritt in elektronisch induzierten Oberflächenreaktionen dar.
Ladungstransfer Regt man eine adsorbatbedeckte Metalloberfläche mit Photonen zwischen ca. 1 und 6 eV an, so erfolgt die Absorption des Lichts im Allgemeinen im Metallsubstrat. Die Absorption innerhalb der Adsorbatschicht spielt in den meisten Fällen keine
Rolle, da die Zahl der möglichen optischen Übergänge in den wenige Atom- bzw. Moleküllagen dicke Schichten im Vergleich zum Substrat sehr klein ist7 . Bei vielen molekularen
Adsorbaten, so auch bei Wasser, ist außerdem der energetische Abstand zwischen höchstem besetzten und niedrigstem unbesetzten Zustand größer als 5-6 eV, so dass eine direkte
Anregung im Adsorbat nur über Mehrphotonenprozesse möglich ist. Angeregte elektronische Zustände in der Adsorbatschicht werden also typischerweise durch Elektronentransfer
aus dem Metallsubstrat besetzt.
7
Eine Ausnahme bilden hier Systeme, in denen die Photonenenergie resonant zu einem direkten Übergang
ist und die Effizienz der Anregung z.B. durch Feldverstärkung mittels Anregung von Oberflächenplasmonen erhöht ist, wie es z.B. für Carbonyle an verschiedenen Oberflächen beobachtet wurde [Zho91].
37
2 Grundlagen
hn1
(NIR)
EF
Energie
Energie
Wie hat man sich den Transferprozess vorzustellen? Hier muss man unterscheiden, ob
es sich um einen Zustand handelt, der mit Volumenzuständen des Substrats entartet ist,
oder um einen vor der Metalloberfläche gebundenen Zustand, der energetisch in einer
Bandlücke des Substrats liegt. Im ersten Fall spricht man von einer Resonanz, häufig
als negative Ionenresonanz (engl. negative ion resonance“ , NIR) bezeichnet, da eine
”
zusätzliche Ladung angelagert wird. Durch die optische Anregung im Substrat wird ein
Elektronenwellenpaket im angeregten Zustand präpariert, das auf die Oberfläche zulaufen
kann. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit geht das Elektron in die Resonanz vor der
Oberfläche über und verweilt dort eine bestimmte Zeit. Die Ladung wird hier also durch
die Bewegung des Wellenpakets im angeregten Zustand transferiert. Derselbe Elektronentransferkanal steht auch wieder für den Zerfall der Resonanz zur Verfügung. Der artige
Prozesse wurden intensiv für die Anregung in Chromophoren auf TiO2 im Rahmen der
Solarzellenforschung untersucht [Zim01].
(NIR)
(SS)
EF
(SS)
(a)
Metall
z
(b)
Metall
z
Abbildung 2.23: (a) Besetzung von
Adsorbatzuständen durch optische Anregung im Substrat: direkt aus Volumenzuständen oder Oberflächenzuständen (engl. surface state“, SS) oder in”
direkt durch Streuung angeregter Elektronen (gestrichelter Pfeil). (b) Zerfall der Population durch inelastische
Streuung mit Elektronen im Substrat
und Erzeugung von Elektron–LochPaaren.
Vor der Oberfläche gebundene, elektronische Zustände sind hingegen durch die Lokalisierung senkrecht zur Oberfläche diskretisiert, so dass in der Regel kein Wellenpaket
gebildet werden kann. Die Besetzung muss in dem Bereich erfolgen, wo die Wellenfunktion
des Adsorbatzustands noch mit Substratzuständen räumlich überlappt. Der eigentliche
Ladungstransfer kommt dadurch zustande, dass der Adsorbatzustand einen anderen Ladungsschwerpunkt besitzt als der Substratzustand, aus dem die Anregung erfolgt. Diese
Situation liegt auch vor für die angeregten Zustände von Wasser bzw. Eis auf Cu(111)
und Ru(001) und ist in Abbildung 2.23(a) schematisch dargestellt. Der Adsorbatzustand
kann durch einen direkten optischen Übergang besetzt werden, wenn im Substrat besetzte
Zustände existieren, aus denen mit den verwendeten Photonenenergien eine annähernd
resonante Anregung möglich ist. Einen sehr wichtigen Anregungspfad können besetzte
Oberflächenzustände darstellen, da ihre Wellenfunktion ebenfalls nahe der Metalloberfläche konzentriert und damit der Wellenfunktionsüberlapp mit Adsorbatzuständen groß
ist [Ech00a]. So stellt auf der sauberen Cu(111)-Oberfläche der Übergang vom besetzten Oberflächenzustand den dominanten Anregungskanal des ersten Bildladungszustands
dar [Hot99b]. Die Besetzung des Adsorbatzustands kann jedoch auch indirekt durch Streuung angeregter Elektronen erfolgen (angedeutet durch den gestrichelten Pfeil). Dies ist der
dominante Anregungsprozess, wenn kein resonanter Übergang möglich ist, oder wenn die
Fluenz des anregenden Lichts so hoch ist, dass eine signifikante Besetzung aus der durch
Elektron-Elektron-Streuung thermalisierten Elektronenverteilung resultiert.
38
2.4 Lichtinduzierte Ladungs- und Energietransferprozesse
Die Population im angeregten Zustand zerfällt im allgemeinen durch inelastische Streuung mit Elektronen im Substrat, gleichbedeutend mit der Erzeugung zusätzlicher Elektron–
Loch-Paare, wie in Abbildung 2.23(b) skizziert. Die Wechselwirkung, die zur Elektron–
Elektron-Streuung führt, ist eine dynamisch abgeschirmte Coulomb-Wechselwirkung W , in
die neben den Orten auch die Energiedifferenz der streuenden Elektronen eingeht [Ech00a].
Ihr Imaginärteil bestimmt letztlich in dem Formalismus der Selbstenergie die Zerfallsrate
Z
0 Z
X
−1
τ = −2
(2.9)
dr dr 0 φ∗i (r)φ∗f (r 0 )Im W (r − r 0 ; Ei − Ef ) φi (r 0 )φ∗f (r)
f
Wegen der kleinen Ladungsdichte ist die Abschirmung an der Oberfläche schlecht, so
dass gerade hier eine erhöhte Streuwahrscheinlichkeit besteht.
Energie
Energietransfer Mit dem Transfer eines angeregten Elektrons in die Adsorbatschicht
wird nicht nur die Ladung, sondern auch Energie übertragen. Handelt es sich bei dem angeregten Zustand um einen stationären Zustand, der nicht an Kernkoordinaten ankoppelt
wie z.B. Bildladungszustände vor sauberen oder mit Edelgasschichten belegten Metalloberflächen, so wird die Energie mit dem Ladungsrücktransfer auch komplett wieder ins
Metall übertragen und durch die Anregung von Elektron–Loch-Paaren dissipiert.
Für Photochemie an Oberflächen relevant sind allerdings gerade die Fälle, in denen
das angeregte Elektron einen Teil seiner Überschussenergie in der Adsorbatschicht abgibt und Energie von der elektronischen Anregung des Substrats in Kernkoordinaten des
Adsorbats transferiert wird. Ein Beispiel hierfür ist die durch elektronische Übergänge stimulierte Desorption (engl. desorption induced by electronic transitions“,DIET [Bur93]).
”
Der Prozess ist in Abbildung 2.24 anhand des MGR-Modells (nach Menzel, Gomer und
Redhead [Men64, Red64]) veranschaulicht. Der Elektronentransfer entspricht der Anheangeregter Zustand
t~1-10 fs
hn
Grundzustand
Ea
Reaktionskoordinate q
Abbildung 2.24: (a) MGR-Modell zur
Beschreibung des DIET-Prozesses: Das System wird auf eine Potentialfläche mit verschobener Gleichgewichtskoordinate angeregt, wodurch es kinetische Energie aufnimmt, die zur Brechung der Bindung ausreichen kann. Reicht sie nicht aus, bleibt
das Adsorbat in einem schwingungsangeregten Zustand zurück. Der gestrichelte
Pfeil symbolisiert die energetische Lage des
angeregten elektronischen Zustands.
bung des Systems auf eine angeregte Potentialfläche, hier dargestellt entlang einer Reaktionskoordinate, die z.B. den Abstand eines Adsorbatmoleküls von der Metalloberfläche
repräsentieren kann. Da der elektronisch angeregte Zustand eine andere Gleichgewichtslage
hat als der Grundzustand, nimmt das System kinetische Energie entlang der Reaktionskoordinate auf. Diese Energie kann ausreichen, damit das System nach der Rückkehr auf
die Grundzustandspotentialfläche (d.h dem Rücktransfer des Elektrons) die Potentialbarriere Ea zur Reaktion überwinden kann. Die zeitliche Entwicklung des Systems ist in der
39
2 Grundlagen
Energie
schematischen Darstellung durch Pfeile angedeutet. Der vertikale Abstand zu der jeweiligen Potentialkurve entspricht der kinetischen Energie der Kerne. Der gestrichelte Pfeil soll
die energetische Entwicklung des angeregten elektronischen Zustands symbolisieren. Wenn
dieser der Besetzung eines antibindenden Orbitals zwischen Adsorbat und Substrat entspricht, liegt die Lebensdauer des Zustands typischerweise bei 1-10 fs. Es ist deshalb meist
nicht möglich, die Änderung der Bindungsenergie während der Reaktion zeitlich aufzulösen. Eine Ausnahme bildet hier Cs/Cu(111), wo die Lebensdauer des angeregten Zustands
ca. 50 fs beträgt [Bau99, Pet00]. Die Zeit, die ein System im angeregten Zustand bleibt,
reicht in vielen Fällen nicht aus, um mit einer Anregung genügend kinetische Energie für
die Desorption aufzunehmen. Nach Rücktransfer des Elektrons verbleibt das Adsorbat in
einem schwingungsangeregten Zustand. Um die Aktivierungsbarriere Ea für die Reaktion
zu überwinden, sind daher oft multiple Anregungen erforderlich, wie man sie über die
heiße Elektronenverteilung bei einer Fluenz in der Größenordnung von 10 mJ/cm2 erreichen kann. Beispiele für derartige DIMET-Prozesse (engl. Desorption Induced by Multiple
”
Electronic Transitions“) sind die rekombinative Desorption von H2 und die CO-Oxidation
auf der Ru(001)-Oberfläche [Bon99, Den03a].
Eine weitere Klasse von elektronisch vermittelten Energietransferprozessen beruht darauf, dass die Überschussladung durch eine lokale Verzerrung oder Umordnung der Adsorbatschicht stabilisiert wird. Es ergibt sich dabei ein dynamisches Wechselspiel zwischen
räumlicher Einschnürung der Elektronenwellenfunktion und der Verzerrung der Umgebung, im englischen als self trapping“ bezeichnet. Derartige Prozesse sind aus dielektri”
schen Festkörpern als Polaronbildung [Shl93], aus polaren Flüssigkeiten als Elektronensolvatisierung (vgl. Abschnitt 2.1.6) bekannt. Für die Polaronenbildung in adsorbierten Al-
VCB(k||,q)
VS(q)
hn
Abbildung 2.25: Schematische Darstellung der Bildung kleiner Polaronen bzw.
der Elektronensolvatisierung: Aus einer
Schar delokalisierter Zustände startend
kann das Elektron auf die Potentialfläche
eines lokalisierten Zustands überwechseln,
deren Gleichgewichtskonfiguration gegenüber der der delokalisierten Zustände verzerrt ist.
q
kanschichten wurde von Harris und Mitarbeitern ein Modell verwendet, das sich mit einem
Potentialdiagramm wie in Abbildung 2.25 darstellen lässt [Ge98]. Durch die optische Anregung werden die Elektronen nicht direkt in den lokalisierten Zustand, sondern zunächst
in ein Band delokalisierter Zustände transferiert. Im Potentialbild ergibt sich für die Zustände mit unterschiedlichen Wellenvektoren kk eine Schar von Potentialflächen V (kk , q),
die entlang der Reaktionskoordinate q, die einer lokalen Gitterverzerrung entspricht, bei
einer perfekt geordneten Schicht ein Minimum aufweisen. Daneben gibt es einen lokalisierten Zustand, dessen Gleichgewichtslage entlang q verschoben ist. In der geordneten
40
2.4 Lichtinduzierte Ladungs- und Energietransferprozesse
Energie
Schicht ist der lokalisierte Zustand energetisch ungünstiger, weil für die Lokalisierung der
Wellenfunktion Energie aufgebracht werden muss. Für die Einschnürung auf einem Gitterplatz entspricht die Lokalisierungsenergie der halben Breite des Bandes [Shl93]. Für
den Übergang in den lokalisierten Zustand ergibt sich eine kleine Potentialbarriere, die
durch (thermische) Fluktuationen überwunden (hier durch den kleinen Pfeil angedeutet)
oder durchtunnelt werden kann. Im Fall der kleinen Polaronen in Alkanschichten wird der
Energiegewinn durch die Gitterverzerrung fast vollständig durch die Lokalisierungsenergie
aufgebraucht, so dass im Experiment keine Stabilisierung mehr beobachtet wurde, sondern
lediglich der Übergang von delokalisierten zu lokalisierten Zuständen [Ge98]. In polaren
Adsorbatschichten dagegen ist die Wechselwirkung der Ladung mit der Umgebung deutlich
größer, so dass die Stabilisierung in der Größenordnung von 0.1–1 eV liegt [Mil02, Liu02].
Wie beim MGR-Modell beruht der Energietransfer bei der Polaronenbildung und Solvatisierung also letztlich auch darauf, dass das System auf eine Potentialfläche gehoben
wird, die eine andere Gleichgewichtslage besitzt. Wie groß der Energietransfer ist, hängt
u.a. stark von der Lebensdauer des angeregten Zustands ab.
Bei einem anderen Typ von Energieübertrag in die Kernkoordinaten des Adsorbats entwickelt sich das System nicht auf einer angeregten Potentialfläche, sondern wird inelastisch
von einem angeregten Zustand in einen anderen gestreut. In dünnen Adsorbatschichten ist
es meist schwierig festzustellen, über welche Streuprozesse die freiwerdende Energie abgeführt wird, weil die Vielzahl möglicher Anregungen im Substrat zur Verfügung steht. In
einem solchen Fall, nämlich der Intrabandstreuung im ersten modifizierten Bildladungszustand des Schichtsystems N2 /Xe/Cu(111), konnte der dominante Streukanal identifiziert
werden. Die Intrabandstreuung ist für ein parabolisches Band, wie man es z.B. für Bild-
Parallelimpuls
Abbildung 2.26: Schematische Darstellung der Intrabandstreuung: Elektronen,
die in delokalisierte Zustände mit größerem Impuls parallel zur Oberfläche angeregt wurden, relaxieren innerhalb desselben Bands in andere Zustände mit kleinerem Impuls. Die Energie kann dabei von
Adsorbatmoden aufgenommen werden.
ladungszustände findet, in Abbildung 2.26 dargestellt. Die Elektronen werden durch die
Streuprozesse nach und nach abgebremst und sammeln sich am Boden des Bandes. In
N2 /Xe/Cu(111) wird bei den Streuprozessen eine Librationsmode des N2 -Moleküls angeregt. Da die Energie pro Phonon mit ∼4 meV sehr klein ist, kommt es zu einem signifikanten Energietransfer lediglich durch die lange Lebensdauer des Bildladungszustands in
der Größenordnung von einer Picosekunde [Hot00].
Größere Energiebeträge werden bei Interbandübergängen frei, doch ist kein Beispiel
bekannt, in dem gezeigt werden konnte, dass die Energie innerhalb der Adsorbatschicht
dissipiert wird und nicht durch Anregung von Elektron–Loch-Paaren im Metallsubstrat.
Der Grund dafür ist, dass abgesehen von Bildladungszuständen nur in wenigen Systemen
mehrere gebundene, angeregte Zustände in der Adsorbatschicht existieren.
41
2 Grundlagen
2.5 Zwei-Photonen-Photoemission
Die Photoemissionsspektroskopie, auch Photoelektronenspektroskopie genannt, ist eine
häufig verwendete Methode zur Untersuchung der elektronischen Struktur von Festkörpern und Oberflächen. Durch Absorption von Photonen werden Elektronen über das Vakuumniveau angeregt, wo sie mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in einen Vakuumzustand übergehen und die Probe verlassen. Durch Messung der kinetischen Energie der
Elektronen in Abhängigkeit von Energie und Polarisation des anregenden Lichts und vom
Emissionswinkel der Elektronen erhält man Informationen über die Bindungsenergie und
-Symmetrie von Zuständen sowie über deren Dispersion parallel zur Oberfläche [Hüf95].
Mit der direkten oder Ein-Photonen-Photoemission, bei der die Elektronen durch Absorption nur eines Photons über das Vakuumniveau gehoben werden, kann man so die elektronische Struktur über den kompletten Bereich der besetzten Zustände von den Rumpfniveaus bis zum Valenzband bestimmen. Zustände oberhalb des Vakuumniveaus werden
dann beobachtet, wenn diese resonant von besetzten Zuständen aus angeregt werden können.
Die zeitaufgelöste Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie (2PPE) ist eine klassische Anrege-und-Abfrage-Technik (engl. Pump and Probe“) [Fau95, Pet98]. Das Grund”
prinzip ist in Abbildung 2.27 schematisch dargestellt. Durch Absorption eines ersten Photons wird ein Elektron in einen zuvor unbesetzten Zwischenzustand angeregt und durch
Absorption eines weiteren Photons auf eine Energie oberhalb des Vakuumniveau angehoben, so dass es die Probe verlassen und energie- und richtungsaufgelöst nachgewiesen
werden kann.
Verwendet man kurze Lichtpulse und variiert die Verzögerung zwischen Pump- und
Probe-Puls, erhält man ein Abbild der Elektronendynamik zwischen Fermi-Niveau (EF )
und Vakuumniveau (EVak ), dem Energiebereich, der der direkten Photoemission nicht
zugänglich ist.8
Ekin
Abbildung 2.27: Zeitaufgelöste 2PPE: Durch
einen ersten kurzen Laserpuls wird eine angeregte Elektronenverteilung erzeugt. Mit einem
zweiten Puls werden Elektronen photoemittiert.
Durch Variation der Verzögerung zwischen den
beiden Pulsen kann so die zeitliche Entwicklung
der angeregten Elektronenverteilung vom Vakuumniveau bis einige 100 meV unter das FermiNiveau untersucht werden.
hn2
EVak
hn1
EF
0
t
Die Photonenenergien der Lichtpulse hν1 und hν2 werden so gewählt, dass sie einerseits ausreichen, um Elektronen von unterhalb des Fermi-Niveaus mit hν1 in die zu untersuchenden Zustände anzuregen und mit hν2 von hier aus zu emittieren. Andererseits
8
In manchen Fällen werden auch bei der 2PPE Resonanzen oberhalb des Vakuumniveaus beobachtet
[Zho02, Vel98, Vel99].
42
2.5 Zwei-Photonen-Photoemission
sollten die Photonenenergien so klein sein, dass sie nicht ausreichen, um Elektronen mit
einem Photon vom Fermi-Niveau bis über das Vakuumniveau anzuregen. Eine Ausnahme
bildet die Untersuchung heißer Elektronen in der Nähe des Fermi-Niveaus. Hierfür wird
die Photonenenergie des Abfragepulses bewusst größer als die Austrittsarbeit gewählt, so
dass die gesamte Dynamik der heißen Elektronen inklusive der Löcher vermessen werden
kann [Fan92, Moo01, Lis04].
Die in dieser Arbeit vorgestellten Experimente wurden in den meisten Fällen mit zwei
Pulsen unterschiedlicher Photonenenergie durchgeführt, wobei oft ein Puls durch Frequenzverdopplung aus einem Teil des andere generiert wurde. Die Zuordnung zu Pump- und
Probe-Puls ergibt sich wiederum aus der energetischen Lage der untersuchten Zustände.
Die Zeitauflösung der 2PPE liegt um etwa eine Größenordnung unter der Dauer der verwendeten Lichtpulse, hier also im Bereich weniger Femtosekunden (fs). Damit verbindet die
2PPE die hohe Zeitauflösung anderer optischer Spektroskopiemethoden wie z.B. zeitaufgelöster Absorptionsspektroskopie mit den Vorteilen der Photoemissionsspektroskopie, dass
man nicht nur Energiedifferenzen zwischen den beteiligten Zuständen misst, sondern ihre
energetische Lage relativ zum Fermi-Niveau und zum Vakuumniveau bestimmen kann.
Überblick über die 2PPE-Anregungsmechanismen
In Abbildung 2.28 sind die verschiedenen Mechanismen dargestellt, wie ein Elektron durch
Absorption zweier Photonen von einem besetzten Anfangszustand |ii über einen Zwischenzustand |ni in einem Endzustand |f i angeregt werden kann. Im einfachsten Fall wird das
Elektron resonant aus einem Anfangs- in einen Zwischenzustand und von diesem in einen
Endzustand angeregt (Abb. 2.28(Mitte)). Im oberflächennahen Bereich ist im Photoemissionsschritt immer eine resonante Anregung möglich, da die Zustände im Vakuum ein
Kontinuum bilden.
Steht hingegen kein Zwischenzustand zur Verfügung, der resonant angeregt werden
könnte, kann es zu einer nicht-resonanten Anregung kommen. In diesem Fall wird der Zwischenzustand nicht für eine endliche Zeit besetzt, sondern das Elektron geht quasi in einem
2-Photonenprozess direkt in den Endzustand über (Abb. 2.28(links)). Eine Kreuzkorreladirekt
indirekt
|f >
EVak
|n >
Abbildung 2.28: Anregungsmechanismen
der 2PPE: Direkte nicht-resonante (links)
und resonante Anregungen (Mitte) verlaufen von einem Anfangszustand |ii über einen
(virtuellen oder realen) Zwischenzustand |ni
zum Endzustand |f i. Bei indirekten Anregungen kommt es zu Streuprozessen im Bereich der Zwischen- oder Endzustände
EF
|i >
nicht- resonant
resonant
43
2 Grundlagen
tion in dem entsprechenden Energiebereich der Endzustände, wie man sie durch Variation
der Pump–Probe-Verzögerung erhält, folgt dann gerade der Kreuzkorrelationsfunktion der
beiden Laserpulse gefaltet mit der experimentellen Zeitauflösung. Diese Situation ergibt
sich z.B. für den besetzten Oberflächenzustand der Cu(111)-Oberfläche, wenn die Photonenenergie nicht zu einer resonanten Anregung des n=1-Bildladungszustands oder höherer
Bildladungsresonanzen passt. Sie kann ausgenutzt werden, um die Laserpulse am Ort der
Probe zu charakterisieren.
Von indirekten Anregungen spricht man, wenn zu den optischen Anregungsschritten
noch sekundäre Streuprozesse hinzukommen. Es kann sich dabei um Elektron-ElektronStreuung oder Streuung an Defekten oder Phononen handeln, die bei oder nach einem
Anregungsschritt stattfinden. In beiden Fällen geht die Phasenbeziehung (Kohärenz) zwischen den beteiligten Zuständen verloren und der Impuls der Elektronen parallel zur Oberfläche wird verändert. Bei der Solvatisierung von Elektronen beispielsweise verändert sich
sowohl die energetische Lage als auch der Lokalisierungsgrad der elektronischen Zustände
durch Energietransfer in Kernbewegungen des Adsorbats.
2.5.1 Beschreibung der Zwei-Photonen-Photoemission
Der Prozess der Zwei-Photonen-Photoemission lässt sich quantenmechanisch als lineare
Überlagerung von 3-Niveau-Systemen beschreiben, wenn man die Kopplung der beteiligten
Anfangszustände untereinander, sowie die zwischen den Zwischenzuständen und zwischen
den Endzuständen vernachlässigen kann. Die Population der Zustände wird im Rahmen der
Dipolnäherung durch die optischen Blochgleichungen beschrieben [Lou83, Her96, Wol99,
Bog02]. Diese quantenmechanische Beschreibung des 2PPE-Prozesses ist erfolgreich auf
die Dynamik von Bildladungszuständen angewandt worden [Her96, Höf97, Ber01, Wei02].
Wenn jedoch die Anregung nicht-resonant erfolgt oder die Dephasierungszeiten zwischen
den Zuständen kurz sind gegen die Laserpulsbreite, können Kohärenzeffekte vernachlässigt
und die optischen Blochgleichungen in ein System von Ratengleichungen überführt werden
[Lou83].
ṅi = − |µin E1 /~|2 ni + Γ0 nk
ṅn =
|µin E1 /~|2 ni − |µnf E1 /~|2 nk − Γ0 nk
ṅf
|µnf E2 /~|2 nk
=
(2.10)
Hier bezeichnet µab die Dipolmomente, Ej ist das elektrische Feld des Pump- bzw. ProbePulses, Γ0 die Zerfallskonstante der Population.
Diese Näherung ist für die Elektronendynamik der eisbedeckten Oberflächen gerechtfertigt, weil der schnelle Respons der Eisschicht auf die Ladung die Kohärenz der Zustände
schnell zerstört.
Unter der Annahme von geringen Anregungsdichten lassen sich die Gleichungen integrieren und man erhält für den Intensitätsverlauf einer Zwei-Farben-Kreuzkorrelation
+∞ Z
+∞
Z
0
I2PPE (τ ) ∝
|E1 (t)|2 |E2 (t0 − τ )|2 Θ(t0 − t) e−Γ0 (t −t) dt dt0 .
−∞ −∞
44
(2.11)
2.5 Zwei-Photonen-Photoemission
Die Absolutquadrate der elektrischen Feldstärken ergeben die Intensitätseinhüllende der
Laserpulse, Θ(t0 −t) ist die Heavyside-Stufenfunktion. Eine Variablentransformation bringt
die Gleichung in die Form
+∞
Z
0
I2PPE (τ ) ∝
IXC (t − t0 ) Θ(t0 ) e−Γ0 (t ) dt0 .
(2.12)
−∞
Mit IXC wird hier die Intensitätskreuzkorrelation der beiden Laserpulse bezeichnet. Dies
ist gerade die Kreuzkorrelation, die man bei einem direkten nicht-resonanten Übergang
misst.
Die Vernachlässigung der Kohärenzen hat zur Folge, dass die zeitliche Verschiebung des
Intensitätsmaximums bei gleicher Lebensdauer des Zwischenzustands eher kleiner ausfällt
als nach den optischen Blochgleichungen.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein System untersucht, in dem zweifelsfrei Kohärenzeffekte eine Rolle spielen. Dies sind die Bildladungszustände auf der Ru(001)-Oberfläche, bei
denen kohärente Überlagerungen zu Quantenschwebungen über einen Zeitraum von mehr
als 1 ps führen (siehe Anhang A). Diese Phänomene sind für andere Oberflächen bereits
ausführlich im Rahmen der optischen Blochgleichungen diskutiert worden [Höf97, Ber01,
Ber04]. Für die Modellierung der Quantenschwebungen auf Ru(001) ist ein Programm zur
approximativen Berechnung der optischen Blochgleichungen aus der Arbeitsgruppe von U.
Höfer verwendet worden.
2.5.2 Polarisationsabhängigkeit, Symmetrie der Wellenfunktion
Aus der Abhängigkeit der 2PPE-Intensität von der Polarisation des anregenden Lichts
können direkt Schlüsse auf die Symmetrie der Wellenfunktion der beteiligten Zustände
gezogen werden. Wenn Pump- und Probe-Puls verschieden sind, lässt sich die Polarisationsabhängigkeit der 2PPE-Intensität für einen direkten Anregungsprozess schreiben
als [Wol99]
¯
¯2
¯ in
¯
nf
I2PPE ∝ ¯( µ · e1 )(µ · e2 )¯ ,
(2.13)
wobei µin =hn| µ|ii und µnf =hf | µ|ni die Dipolmomente der Übergänge zwischen den
Zuständen |ii, |ni und |f i bezeichnen. e1 und e2 stehen für die Polarisationsvektoren von
Pump und Probe.
Für Emission senkrecht zur Oberfläche vereinfacht sich die Beziehung 2.13 besonders,
wenn Anfangs- und Zwischenzustand total symmetrisch bzgl. der Oberflächennormalen
sind. Da der Endzustand dieselbe Symmetrie aufweist, ist lediglich die z-Komponente der
Dipolmomente von Null verschieden und man erhält
¯
¯2
¯
2
nf ¯
µ
I2PPE ∝ ¯(µin
z z ¯ |e1z e2z | .
(2.14)
Die Komponenten des elektrischen Feldes an der Oberfläche können mit Hilfe der FresnelGleichungen berechnet werden.
Erfolgt die Besetzung eines Zustands nicht direkt durch einen optischen Übergang, sondern indirekt durch Streuung aus anderen Zuständen, ist die Anregungswahrscheinlichkeit
45
2 Grundlagen
in erster Näherung proportional zum absorbierten Teil des Lichts. Die Polarisationsabhängigkeit für einen indirekt bevölkerten Zwischenzustand nimmt dann folgende Form
an [Wol99]:
¡
¢
I2PPE ∝ Ap cos2 φ1 + As sin2 φ1 |µkf · e2 |2 .
(2.15)
mit der Absorption des Substrats für p-bzw. s-polarisiertes Licht Ap und As , wie sie sich
ebenfalls aus den Fresnel-Gleichungen ergeben. Auf diese Weise ist es durch Polarisationsmessungen also möglich, nicht nur die Symmetrie des Zwischenzustands, sondern auch die
Art des Anregungsmechanismus zu bestimmen.
2.5.3 Winkelabhängigkeit, Dispersion parallel zur Oberfläche
Da der Impuls der Photonen gegen den der Elektronen vernachlässigbar ist, kann bei der
Photoemission der Wellenvektor parallel zur Oberfläche kk als Erhaltungsgröße angesehen
werden, wenn die Oberfläche eine Translationssymmetrie aufweist. Deshalb ist es möglich, aus winkelabhängigen 2PPE-Messungen die Dispersion parallel zur Oberfläche für
ein Band unbesetzter Zustände zu bestimmen.
Die Dispersion eines Bandes lässt sich in Analogie zu der eines freien Elektrons schreiben
als
~2 k 2
,
E(k) =:
(2.16)
2meff (k)
wobei die effektive Masse meff (k) allgemein eine tensorielle Größe ist. Aus Symmetriegründen ist meff jedoch an den in dieser Arbeit untersuchten Oberflächen für kleine Werte von
kk ein skalar.
Aufgrund ihrer effektiven Masse lassen sich delokalisierte und lokalisierte Zustände voneinander unterscheiden. Delokalisierte (Bloch-)Zustände bilden Bänder mit einer endlichen
effektiven Masse aus. Dabei kann meff sowohl positive als auch negative Werte annehmen.
Letzteres tritt durch das Umklappen der Bänder an den Rändern der Brillouin-Zone auf.
Für einen lokalisierten Zustand hingegen ist kk keine gute Quantenzahl mehr. Aufgrund
seiner begrenzten Ausdehnung in der Ebene der Oberfläche zeichnet sich ein lokalisiertes
Elektron entsprechend der Heisenbergschen Unschärferelation durch eine breite Verteilung
von kk -Werten aus. Das Resultat ist eine flach Dispersion mit unendlich großer effektiver
Masse. Streng genommen ist durch die Verletzung der Translationsinvarianz parallel zur
Oberfläche kk keine Erhaltungsgröße mehr im Photoemissionsprozess. Wenn die kinetische
Energie der Endzustände jedoch groß ist gegen das Störpotential, in dem das Elektron
lokalisiert ist, so dass man die Endzustände näherungsweise als ungestört annehmen kann,
dann wird die Impulsverteilung des lokalisierten Elektrons im Photoemissionsprozess auf
die Endzustände übertragen. In diesem Fall kann man aus der gemessenen kk -Verteilung
über eine Fouriertransformation die räumliche Ausdehnung der lokalisierten Wellenfunktion abschätzen. Dabei muss man beachten, dass im Experiment die Absolutquadrate
der Wellenfunktion im Orts- bzw. Impulsraum gemessen werden, die Fouriertransformation jedoch die Wellenfunktionen miteinander verbindet. Die für die Rekonstruktion der
Wellenfunktion nötige Phaseninformation geht also im Messprozess verloren, weshalb der
Wert für die räumliche Ausdehnung entsprechend der Heisenbergschen Unschärferelation
nur eine untere Schranke sein kann.
46
2.5 Zwei-Photonen-Photoemission
Neueste Rechnungen aus der Arbeitsgruppe von C. B. Harris haben ergeben, dass die
Näherung ungestörter Endzustände für einen um wenige 100 meV stabilisierten Zustand
und Photonenenergien im Bereich von 2 eV relativ gut erfüllt ist [Bez04]. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von P. Saalfrank an der Universität Potsdam wird außerdem
gerade der Einfluss des Störpotentials auf die Winkelverteilung der Photoemission unter
Einbeziehung der optischen Anregung durch einen Femtosekundenlaserpuls untersucht.
Als Modellpotential wird dabei eine Überlagerung aus dem Potential des dielektrischen
Kontinuums mit einem Gauss-förmigen Lokalisierungspotential verwendet, dessen Breite
und Tiefe systematisch variiert werden.
47
2 Grundlagen
48
3 Experiment
Bedingt durch den Umzug der Arbeitsgruppe wurden die Experimente an zwei Versuchsapparaturen durchgeführt, die Messungen an Eis auf Cu(111) am Fritz-Haber-Institut der
Max-Planck-Gesellschaft (FHI) und die Messungen an Eis auf Ru(001) am Fachbereich
Physik der Freien Universität Berlin (FUB). Im Rahmen des Neuaufbaus des Experimentes an der FUB wurden viele Details überarbeitet, der prinzipielle Aufbau ist jedoch
gleich und besteht aus zwei Hauptteilen, einer Ultrahochvakuumapparatur, die die Präparation und Charakterisierung definierter Oberflächen und Adsorbatsysteme ermöglicht,
und einem Lasersystem, mit dem die ultrakurzen Anregungs- und Abfragelichtpulse für
die zeitaufgelösten Zwei-Photonen-Photoemissions-Experimente erzeugt werden. Die folgenden Kapiteln beschreiben insbesondere den experimentellen Aufbau an der FUB, da
das Experiment am FHI bereits in zahlreichen Veröffentlichungen detailliert dargestellt
ist [Kno97b, Hot99b, Moo99, Gah00b].
TOF
UHV-Kammer
Dx
Dt= c
l -Platten
2
e-
Klappspiegel
Hintergrunddosierer
Probe
Linse
Lochblendendosierer
CCD-Kamera
QMS
Abbildung 3.1: Experimenteller Aufbau (schematisch)
Die Probe ist im UHV mit einem Basisdruck von 1 × 10−10 mbar derart gehaltert, dass
sie zwischen 25–40 K und mehr als 1600 K temperiert werden kann (3.1.1). Die Einkristalloberflächen wurden mit Standardmethoden präpariert (sputtern und tempern bzw. rösten)
und charakterisiert (LEED, Auger, 3.1.2). Abbildung 3.1 zeigt schematisch den Aufbau
für die Untersuchungen zur elektronischen Struktur der Adsorbatsysteme Eis/Cu(111) und
Eis/Ru(001). Das Wasser wird über einen Lochblendendosierer auf die Metalloberfläche
bei 100–160 K aufgedampft. Je nachdem, bei welcher Probentemperatur das Wasser adsorbiert wird, erhält man amorphe oder kristalline Eisschichten. Zur Charakterisierung
der Adsorbatschichten dienen thermische Desorptionsspektren (TDS, 3.1.3), bei denen
die Desorptionsrate der Adsorbatmoleküle mit einem Quadrupolmassenfilter (QMS) als
49
3 Experiment
Funktion der Temperatur aufgenommen wird.
Zur Erzeugung der Laserpulse für die zeitaufgelösten Zwei-Photonen Photoemissionsmessungen wurden kommerzielle Lasersysteme der Firma Coherent bestehend aus einem
regenerativen Verstärkersystem und nachgeschalteten optisch-parametrischen Verstärkern
verwendet (3.2.1). Durch weitere Frequenzverdopplung in BBO-Kristallen liefert das System an der FUB durchstimmbare Pulse über einen Wellenlängenbereich von 1600 bis 230
nm (0.78 – 5.4 eV)1 mit Pulsdauern zwischen 25 und 65 fs. Die meisten 2PPE-Experimente
wurden mit einem sichtbaren (VIS) und einem ultravioletten (UV) Puls durchgeführt, die
über eine Verzögerungsstrecke zeitlich gegeneinander versetzt und deren Polarisation unabhängig voneinander gedreht werden kann.
Mit einem Flugzeitspektrometer (TOF, 3.2.2) werden die photoemittierten Elektronen
energie- und winkelaufgelöst nachgewiesen. Das elektronische Signal wird analog verarbeitet und an den Messrechner übergeben (3.2.2).
Als Weiterentwicklung der 2PPE wurde ein Verfahren zur variablen Temperierung der
Probe während der Messung implementiert, so dass Temperatur- und Bedeckungsabhängigkeiten in einer Messung simultan mit thermischen Desorptionsspektren aufgenommen
werden können.
3.1 Probenpräparation und -charakterisierung
3.1.1 UHV-System
Der Aufbau des UHV-Systems an der FUB ist in Abbildung 3.2 skizziert und unterscheidet
sich in zwei grundlegenden Punkten von dem am FHI:
• Während die Kammer am FHI aus einer zylindrischen Hauptkammer bestand, an
der sowohl die Komponenten zur Probenpräparation als auch das Elektronenflugzeitspektrometer angebaut waren, besteht die neue Kammer an der FUB aus zwei
übereinanderliegenden und durch ein Ventil voneinander separierbaren Teilkammern
für die Probenpräparation und die Elektronenspektroskopie. Dadurch ist es möglich,
Verunreinigungen durch die Probenpräparation von den Spektrometern fernzuhalten und sogar für Umbauarbeiten die Präparationskammer separat zu belüften und
auszuheizen.
• Um eine parallele Bearbeitung verschiedener Projekte zu ermöglichen und für Experimente an Halbleiteroberflächen häufig die Probe wechseln zu können, wurde das
neue UHV-System mit einem Probentransfersystem ausgestattet. Eine separierbare
Schleusenkammer und ein Probenmagazin erlauben es, Proben ein- und auszuschleusen, ohne das Vakuum der Hauptkammer und des Magazins zu brechen, und bis zu
6 gehalterte Proben unter UHV-Bedingungen zu lagern.
Das für die Untersuchungen erforderliche Ultra-Hochvakuum (UHV)) im Bereich von
≤ 1×10−10 mbar in der Präparationskammer wird über eine Turbomolekularpumpe kombiniert mit einer Dragstufe erreicht. Das erforderliche Vorvakuum von < 1 × 10−3 mbar
1
Hierbei wurde der idler der OPAs nicht berücksichtigt.
50
3.1 Probenpräparation und -charakterisierung
LEED
QMS
Präparationskammer
LochblendenDosierer
Gassystem
Probe
Leakvalve
Gassystem
Sputter-Kanone
SEA
TOF
Abbildung 3.2: Aufbau des UHVSystems an der FUB: Präparationskammer und Spektrometerkammer können
durch ein Ventil voneinander getrennt
werden. Dargestellt sind jeweils nur die
Komponenten, die in den Experimenten
verwendet wurden. Pumpen und Manometer sind der Übersichtlichkeit wegen
weggelassen.
Filament für
Elektronenstoßheizung
Spektrometerkammer
Elektronen-Kanone
liefert eine Kombination aus einer weiteren Turbo-Drag-Pumpe und einer 4-stufigen Membranpumpe. Die Spektrometerkammer an der FUB wird bei geschlossenem Zwischenventil
nur über eine Ionengetter- und eine Titansublimationspumpe evakuiert. Hier beträgt der
Druck standardmäßig 4 × 10−11 mbar. Der Pumpenbereich ist somit komplett schmiermittelfrei, so dass das UHV nicht durch Kohlenwasserstoffe belastet wird. Das Restgasspektrum setzt sich überwiegend aus Wasserstoff, Wasser, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid
zusammen.
Die Experimente an Adsorbatschichten auf Metalloberflächen stellen spezielle Anforderungen an die Halterung der Probe. Für die Präparation der Oberflächen muss die Probe
zu hohen Temperaturen geheizt werden, im Falle von Ru(001) auf mehr als 1600 K. Andererseits ist für die Präparation der Adsorbatschichten eine effektive Kühlung und eine
kontrollierte Temperierung über einen weiten Temperaturbereich erforderlich. Bei thermischen Desorptionsmessungen ist es außerdem erwünscht, dass möglichst wenig Oberfläche
des Probenhalters in der Nähe der Probe ist, um eine Verfälschung der Spektren durch
Desorption vom Probenhalter zu minimieren. Die verwendeten Probenhalter sind in Abbildung 3.3 skizziert. Das Prinzip der Probenhalterung ist für beide Versuchsapparaturen
gleich:
Die runde Einkristallscheibe (1) mit einem Durchmesser von 10 mm (Cu(111)) bzw. 8
mm (Ru(001)) und einer Dicke von 2 mm ist mit zwei Tantaldrähten (2), die in Kerben
auf der Außenseite der Probe eingeklemmt sind, zwischen Metallstiften (3) eingespannt.
Diese wiederum gehen in Kupferblöcke (4) über. Zwischen den Kupferblöcken und dem mit
dem Kryostaten verbundenen Halter (6) befinden sich 0.5 mm dicke Saphirscheiben (5),
so dass die Blöcke und damit auch die Probe elektrisch vom Halter isoliert sind, wegen
der guten Wärmeleitfähigkeit von Saphir aber trotzdem ein guter thermischer Kontakt
der Probe zum Kryostaten besteht. Der Halter am FHI ist zusätzlich durch ein Kühlschild
aus Kupfer an der Rückseite gegen Strahlungswärme geschützt. Die Probe kann so mit
flüssigem Stickstoff auf unter 90 K, mit flüssigem Helium auf etwa 20 K abgekühlt werden.
Zur Messung der Probentemperatur steckt ein Thermoelement vom Typ K (NiCr/Ni) in
51
3 Experiment
Saphirscheiben (5)
(7) Stromzuführung
Widerstandsheizung
Saphirscheiben (5)
Kupferblöcke (4)
(6) Halter (Cu)
Öffnung für
Transferstab
Übergabekontakte
des Thermoelements
(10) Thermoelement
Kupferblöcke
mit Stiften zur
Probenhalterung
(3+4)
Wolframsteher (3)
Probenkristall (1)
Tantaldrähte (2)
(9)
Filament
(10) Thermoelement
(9) Tantalbleche
Probenkristall (1)
Tantaldrähte (2)
Abbildung 3.3: (a)Probenhalterung am FHI (Cu(111)), (b)Probentransferhalter an der FU
(Ru(001))
einer kleine Bohrung seitlich im Kristall.
Während am FHI die Tantaldrähte an Wolframstiften angepunktet waren, sind bei dem
Transfersystem die Kupferblöcke so gebaut, dass die Drähte mittels Tantalblechen direkt
auf die Kupferblöcke gepresst werden. Zur elektrischen und thermischen Kontaktierung
der Transferhalterung werden die Kupferblöcke mit einem Hebel an entsprechende Kupferblöcke am festinstallierten Teil der Halterung angepresst. Da die Übergabe der Thermoelementkontakte mit einem Thermoelement vom Typ C (W/Re) keine hinreichend reproduzierbare Temperaturmessung erlaubte, wurde für die temperaturkritischen Messungen
an kristallinem Eis die Transfermöglichkeit vorübergehend stillgelegt und ein Thermoelement vom Typ-K bis zur Probe durchgezogen.
Die Probe kann kontrolliert geheizt werden, indem man einem Strom bis zu 30 A durch
die Tantaldrähte fließen lässt. Durch die Joulesche Wärme können Temperaturen bis zu
1000 K erreicht werden (Widerstandsheizung). Die Präparation der Ru(001)-Oberfläche
verlangt jedoch Temperaturen von mehr als 1600 K. Hierfür wurde eine sog. Elektronenstoßheizung eingesetzt: Über Glühemission werden mit einem Filament hinter der Probe
freie Elektronen erzeugt und durch Anlegen einer Hochspannung von typisch 500-1500 V
auf die Probenrückseite beschleunigt. Bei der Probenhalterung am FHI war das Filament
direkt am Probenhalter befestigt, bei dem neuen System sitzt das Filament an einem
extra Flansch und kann an die Probenrückseite herangefahren werden. Da diese beiden
Heizmethoden elektrische Felder an der Probe implizieren, können sie nicht während einer Photoemissionsmessung zur Temperierung der Probe benutzt werden. In diesem Fall
kann man eine Heizspirale am Kaltkopf des Kryostaten verwenden. Die Probentemperatur
reagiert allerdings sehr träge und lässt sich daher schwer regeln. Um 2PPE-Messungen
auch während geregelter Heizrampen durchführen zu können, wurden an die Stromdurchführungen für die Widerstandsheizung Relais eingebaut, so dass die Probe abwechselnd
geheizt und auf ein definiertes elektrisches Potenzial gelegt werden kann (siehe Kap. 3.2.3).
Die UHV-Systeme sind zur Probenpräparation und -charakterisierung mit einer Sputterkanone und einem LEED- ( Low-Energy-Elektron-Diffraction )-Spektrometer ausgerüstet.
Das LEED der FHI-Kammer kann man wegen der 4-Gitter-Anordnung auch zur AugerElektronenspektroskopie (AES) verwenden. In der Spektrometerkammer an der FU stehen
zu diesem Zweck eine separate Elektronenkanone und ein hemisphärischer Elektronenener-
52
3.1 Probenpräparation und -charakterisierung
Lochblende
UHV
1-2 mm
Dosierreservoir
Faltenbalgventile
Probe
Hauptreservoir
Schleuse
Kapazitätsmanometer
zum Vorpumpenstand
Abbildung 3.4: Gasdosiersystem
für Wasser: Durch Öffnen des Ventils zu dem Hauptreservoir wird im
Dosierreservoir ein definierter Vordruck eingestellt. Durch die Lochblende strömt das Gas langsam in
die Kammer und wird in einem Rohr
bis 1-2 mm vor der Probe geführt.
Über ein zweites Ventil wird das Dosierreservoir am Ende der Dosierzeit
wieder evakuiert.
Wasser
gieanalysator zur Verfügung. 2
Gase können auf zwei verschiedene Arten ins UHV eingelassen werden. Über ein sog.
Leak Valve kann man einen bestimmten Hintergrunddruck in der Kammer einstellen. Dieses Verfahren wird für Gase angewandt, die sich gut wieder abpumpen lassen, z.B bei der
Oberflächenpräparation durch Sputtern mit Argon und Rösten mit Sauerstoff). Um das
UHV nicht nachhaltig zu verschlechtern, wird das Wasser über einen Lochblendendosierer
(engl. pinhole doser ) adsorbiert. Das Experiment verfügt über ein Gassystem, mit dem
mehrere Gase wahlweise über ein Leak Valve oder einen Lochblendendosierer mit jeweils
unabhängigen Reservoiren dosiert werden können. In Abbildung 3.4 ist der Aufbau des
Lochblendendosierers und des zugehörigen Teils des Gassystems skizziert. Für eine bestimmte Dosierzeit wird nicht in der UHV-Kammer, sondern in einem Dosierreservoir, das
über eine Lochblende mit 5 µm Durchmesser mit der Kammer verbunden ist, ein definierter Gasdruck eingestellt. Durch die Lochblende tretende Moleküle werden durch ein Rohr
bis ∼ 1 mm vor die Probenoberfläche geführt. Der Druckanstieg in der Kammer während
des Dosierens kann so bei 2 − 3 × 10−10 mbar gehalten werden und fällt in weniger als
einer Minute wieder ab. Um möglichst homogene Schichten über die ganze Probenoberfläche zu erhalten, ist ein kleines Tantalblech in das Dosierrohr geklemmt, das den direkten
Molekülstrahl abblockt.
Zunächst wird über eine Schleuse Wasserdampf in das Hauptreservoir eingelassen und
ein Druck von 0.5 mbar eingestellt. Bei Öffnen des Ventils zum Dosierreservoir ergibt
sich hier ein Druck von 0.2 bis 0.3 mbar entsprechend einer Dosiergeschwindigkeit von
∼ 2 Langmuir/min. Das Dosierreservoir kann über ein zweites Ventil direkt zum Vorpumpstand wieder evakuiert werden. Bei Adsorptionstemperaturen unter 145 K lassen sich so
Eisschichten mit 10% Abweichung reproduzierbar präparieren. Die aktuellen Bedeckungen werden jeweils nach den 2PPE-Messungen über das thermische Desorptionsspektrum
(TDS) bestimmt. Das in der neuen Kammer hierfür benutzte Quadrupolmassenspektro2
Die neue Kammer an der FUB ist darüber hinaus mit diversen Komponenten zur Präparation und Charakterisierung dünner metallischer und magnetischer Schichten auf Halbleitersubstraten ausgestattet,
die bei den hier vorgestellten Untersuchungen aber nicht zum Einsatz kamen.
53
3 Experiment
QMS signal
D2O
160
180
200
220
Temperatur [K]
300
Standardeichung
Eichpunkte
Eichkurve
250
200
150
100
50
0
Xe
80
90
100
-6
-5 -4 -3 -2 -1
Thermospannung [mV]
0
110
O2
65
70
75
Temperatur [K]
Abbildung 3.5: (a) TDS zur Temperatureichung: Temperaturen nach Standardeichung [NIS03]
ergeben große Abweichungen von Literaturwerten für Desorption der ML O2 (50 K), der ML
(87 K) und BL Xe/Ru(001) [Sch90]. Der Wert für die BL D2 O/Ru(001) entspricht mit 178 K
dem Literaturwert [Hel95a]. (b)Aus den Eichpunkten (runde Symbole) ergibt sich eine Eichkurve
(durchgezogen), die deutlich unter der Standardeichung (gestrichelt) liegt.
meter lässt sich auf ∼ 1 cm an die Probe heranfahren.
Da sich bei den Messungen an kristallinen Eisschichten eine starke Temperaturabhängigkeit herausgestellt hat, wurde eine Eichung der Temperaturmessung für tiefe Temperaturen
mittels TDS von physisorbiertem molekularen Sauerstoff und Xenon durchgeführt. Dabei
wurden neben dem Desorptionspeak der D2 O-Bilage von Ru(001) der der O2 -Monolage
sowie der Xenon-Mono-und Bilage verwendet [Sch90, Sch93].
3.1.2 Präparation der Metalloberflächen
Cu(111)
Handelsübliche Metalleinkristalle enthalten immer noch Restverunreinigungen wie Kohlenstoff und Schwefel. Zur Präparation der Cu(111)-Oberfläche wurde daher der Probenkristall im UHV wiederholten Zyklen aus 10 min Sputtern mit Ar+ -Ionen mit ca. 500 V und
einem Ionenstrom von 2 µA und anschließendem Tempern bei 900–1000 K über 20 min
unterzogen. Durch das Sputtern werden Verunreinigungen von der Oberfläche abgetragen, das Tempern lässt Verunreinigungen und Defekte aus oberflächennahen Schichten
zur Oberfläche diffundieren und Krater vom Sputtern ausheilen. Nach und nach wurden
die Temperatur beim Tempern auf ≤ 800 K reduziert, um die Mobilität der Verunreinigungen zu reduzieren und damit den ständigen Nachschub aus tieferen Schichten zu
verhindern. Zur Aufrechterhaltung der Oberflächengüte wurden am Anfang jedes Messtages mindestens zwei Präparationszyklen durchgeführt.
54
3.1 Probenpräparation und -charakterisierung
Die Qualität der Oberfläche wurde einerseits über das LEED-Bild, andererseits über
die Austrittsarbeit und die Peakposition und -breite von Oberflächenzustand und n=1Bildladungszustand im 2PPE-Spektrum überprüft. Abbildung 3.6 zeigt ein LEED-Bild
aufgenommen bei Raumtemperatur mit einer Elektronenenergie von 100 eV und ein typisches 2PPE-Spektrum aufgenommen bei 100 K.
Cu(111)
T=100 K
2PPE-Intensität
hν1= 1.95 eV
hν2= 3.90 eV
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
1.4
Ekin [eV]
Abbildung 3.6: Cu(111): a.) LEED bei 300 K, E=100 eV, b.) 2PPE-Spektrum des besetzten
Oberflächenzustands bei 100 K mit einer Linienbreite von 35 ± 5 meV.
Die Austrittsarbeit der sauberen Oberfläche liegt bei 4.9 eV. Für die Linienbreite des
besetzten Oberflächenzustands ergibt sich durch die Anpassung eines Voigt-Profils eine
Linienbreite von 35 ± 10 meV bei einer spektralen Breite der Laserpulse von 35 meV und
einer Spektrometerauflösung von 13 meV. Die besten Photoemissionsmessungen [Rei01]
und Untersuchungen mit Rastertunnelspektroskopie [Kli00] ergeben bei 30 K Linienbreiten
von 23 ± 1 meV.
Ru(001)
Die Präparation der Ru(001)-Oberfläche unterscheidet sich deshalb von der der Kupferoberfläche, weil Ruthenium einen wesentlich höheren Schmelzpunkt besitzt und deshalb zu
Temperaturen geheizt werden kann, bei denen viele Verunreinigungen, insbesondere Sauerstoff und Oxide, desorbieren. Kohlenstoff- und Schwefelverunreinigungen können deshalb
mit Sauerstoff abgeröstet“ werden. Um Adsorptionsplätze für den Sauerstoff zu schaf”
fen, wird bei den ersten Präparationszyklen die Oberfläche mit Ionenergien von 2.5-3 keV
gesputtert im Wechsel mit Rösten bei >1500 K und einem Sauerstoffpartialdruck von
2 × 10−7 mbar. Um die Oberfläche wieder vom Sauerstoff zu befreien, muss die Probe auf
mehr als 1530 K geheizt werden. Während der Erstpräparation wurde der Kristall jeweils
kurzzeitig auf 1650 K geheizt. Zur Temperaturmessung wurde dabei ein Pyrometer bzw.
ein Thermoelement vom Typ C benutzt. Die Qualität der Oberfläche wurde mittels LEED,
AES, TDS und 2PPE überwacht. Das LEED-Bild (Abb. 3.7(a)) zeigt scharfe Beugungsmaxima mit der 6-zähligen Symmetrie der (001)-Oberfläche eines hexagonal-dichtgepackten
Kristalls. Das Auger-Elektronenspektrum zeigt keinen Peak bei gut 500 eV und damit
55
3 Experiment
dN/dE
N
im Rahmen der Meßgenauigkeit keine Verunreinigung durch Sauerstoff. Die Peaks von
Kohlenstoff und Schwefel sind überlagert durch die starken Ruthenium-Peaks. Der relativ
schwache Peak bei 140 eV und die Symmetrie des Peaks bei 270 eV deuten aber darauf hin,
dass die Verunreinigungen durch Schwefel und Kohlenstoff klein sind (siehe Abb. 3.7(b)).
200
300
400
Energie [eV]
500
Abbildung 3.7: (links) LEED-Bild der Ru(001)-Oberfläche. (rechts) Integrales und differentielles
Auger-Elektronenspektrum: Die Verunreinigungen durch O, C und S sind sehr gering (siehe Text).
Sehr empfindlich auf die Oberflächenreinheit sind auch die TD-Spektren von CO/Ru(001).
Schon bei geringen Sauerstoffmengen auf der Oberfläche verschiebt sich der schwächer gebundenen Peak zu niedrigeren Temperaturen und verändert deutlich seine Form. Die Form
der Peaks entspricht denen des Referenzspektrums [Den03d], der Einbruch in der Mitte
ist jedoch nicht so ausgeprägt.
QMS-Signal (m/e=28)
Abbildung 3.8: TDS der Sättigungsbedeckung
CO/Ru(001)
300
400
500
Temperatur [K]
Auch das TDS von D2 O/Ru(001) zeigt sich als besonders sensible auf Verunreinigungen, insbesondere Sauerstoff und H2 O. Während ein Teil der H2 O-Moleküle (während der
Heizrampe) dissoziiert, ist dies bei D2 O nur im Bereich von wenigen Prozent einer Bilage
der Fall. Dieser Anteil, der mit dem Hochtemperaturpeak im TDS zusammenhängt, wird
durch koadsorbierten Sauerstoff oder andere Verunreinigungen erhöht. Durch Spülen des
56
3.1 Probenpräparation und -charakterisierung
Dosierers mit D2 O vor dem ersten Dosieren und durch Aufnahme eines Test-TDS wurde
dafür gesorgt, dass die Amplitude des Hochtemperaturpeaks <
∼ 5 % der des Bilagenpeaks
betrug (vergleiche Abb. 3.5).
3.1.3 Präparation der Adsorbatschichten,
Thermische Desorptionsspektroskopie (TDS)
D2O/Cu(111)
Bedeckung [BL]
4.3
3.7
2.9
2.3
1.8
1.2
0.90
0.64
0.30
0.16
140
150
Austrittsarbeit [eV]
QMS - Signal (m/e=20)
Für die Präparation der Eisschichten wurde D2 O der Firma Sigma Aldrich mit einer Isotopenreinheit von 99.9 % verwendet. Die 1-ml-Ampullen wurden in einem evakuierten
Reagenzglas geheizt und unter Vakuum geöffnet, um Isotopenverunreinigung zu verhindern. Für H2 O wurde hochreines Wasser aus einer Milli-Q-Anlage der Firma Millipore mit
einem spezifischen Widerstand von 18.2 Ohm cm und einem Restgehalt an organischen
Kohlenstoffverbindungen von etwa 3–4 ppb verwendet und in einem Reagenzglas umgehend an das Gassystem angeschlossen. Zur weiteren Reinigung von leichter flüchtigen
Stoffen wie z. B. Sauerstoff wurde das Wasser abwechselnd mit flüssigem Stickstoff eingefroren und wieder aufgetaut, während abdampfende Gase abgepumpt wurden. Außerdem
wurden während der ganzen Messperiode keine unterschiedlichen Isotope über denselben
Teil des Gassystems dosiert. Für die Isotopenmessungen an Cu(111) standen zwei komplett
unabhängige Gassysteme mit Lochblendendosierern zur Verfügung. Bei einem Druck von
etwa 0.3 mbar an der Gassystemsseite der Lochblende ergeben sich für eine Bilage Dosierzeiten von 40 s (18 s) am FHI (an der FUB). Bedeckung und Kristallinität der Eisschichten
wurden mit thermischer Desorptionsspektroskopie bestimmt. Die schwache Bindung von
Wasser an die Cu(111)-Oberfläche führt dazu, dass die thermischen Desorptionsspektren
(Abb. 3.9) im Wesentlichen nur einen Desorptionspeak 0. Ordnung zeigen, wie man es für
Multilagendesorption erwartet (vgl. Kap. 2.1.7). Lediglich der Übergang von amorphem
zu kristallinem Eis erscheint bei ∼160 K im TDS als Schulter, da amorphes Eis einen höhe-
4.8
4.4
4.0
0
160
170
180
Temperatur [K]
1
2
3
4
Bedeckung [BL]
190
5
200
Abbildung 3.9: TDS von D2 O/Cu(111) präpariert bei T =100 K: Es ist keine Lagenstruktur
erkennbar. Die mit Pfeilen markierte Schulter bei ca. 160 K entsteht durch den Kristallisierungsübergang. Inset: Mit 2PPE gemessene Austrittsarbeit in Abhängigkeit der Bedeckung.
57
3 Experiment
QMS - Signal (m/e=20)
ren Dampfdruck besitzt [Smi96] . Es ist also kein definiertes Lagenwachstum zu erwarten.
In den 2PPE-Messungen wird ein Abfall der Austrittsarbeit (vgl. Kap. 3.2.3) von 4.9 eV
für die saubere Oberfläche auf 3.94±0.02 eV für Multilagenbedeckungen beobachtet. Die
Sättigung der Austrittsarbeitsänderung und das Verschwinden der Oberflächenzustände
der sauberen Metalloberfläche bei Adsorption von 3 BL und mehr deuten darauf hin, dass
> 3 BL amorphes Eis auf Cu(111) geschlossene Schichten bildet (vgl. Kap. 4.4). Die meisten Messungen an Eis auf Cu(111) wurden an solchen amorphen Schichten, präpariert
bei T =100 K, durchgeführt. Das TDS von H2 O/Cu(111) unterscheidet sich von dem von
D2 O/Cu(111) lediglich darin, dass die Desorption bei um etwa 7 K niedrigeren Temperaturen einsetzt.
Absolute Bedeckungen sind aus dem TDS von D2 O/Cu(111) allein nur schwer zu bestimmen. Hierfür wurde als Referenz das TDS von D2 O/Ru(001) unter identischen Präparationsbedingungen3 verwendet. Wie Abbildung 3.10 zeigt, sind hier Desorption der
Multilage und der Bilage klar voneinander getrennt, so dass die absolute Bedeckung leicht
zu eichen ist. Die angegebenen Bedeckungen für die Cu(111)-Oberfläche sind durch die
indirekte Eichung mit einem systematischen Fehler von 10-20 % behaftet.
D2O/Ru(001)
dosiert bei 95 K:
10 BL
Multilage
5 BL
2.2 BL
1.3 BL
1.1 BL
0.5 BL
Bilage
140
160
180
200
Bilage
140
150
160
170
180
Temperatur [K]
190
200
Abbildung 3.10: TDS-Serie von D2 O/Ru(001) präpariert bei T =100 K. Multilagen- und Bilagendesorption sind klar separiert. Der Kristallisierungsübergang erscheint als Schulter bei etwa 160 K
(Pfeile). Die Amplitude des Hochtemperaturpeaks bei ∼200 K liegt bei <5 % des Bilagenpeaks
(siehe Inset)
Bei den Untersuchungen auf der Ru(001)-Oberfläche standen vor allem der Kristallisierungsübergang und die elektronischen Eigenschaften kristalliner Eisschichten im Vordergrund. Deshalb kam der Präparation möglichst kristalliner Schichten besondere Bedeutung zu. Abbildung 3.11 zeigt eine Reihe TD-Spektren von Oberflächen, denen jeweils die
gleiche Dosis D2 O bei unterschiedlichen Probentemperaturen angeboten wurde. Die vom
Kristallisierungsübergang herrührende Schulter zeigt deutlich, dass selbst bei Adsorpti3
D.h. gleicher Druck im Dosiervolumen und gleiche Dosierzeit. Der Haftkoeffizient von Wasser ist bei
Temperaturen von 100 K unabhängig vom Substrat gleich 1 [Smi97].
58
3.1 Probenpräparation und -charakterisierung
QMS - Signal (m/e=20)
onstemperaturen von 145 K ein signifikanter Teil der Schicht amorph ist.4 Kristalline
30 mbars D2O/Ru(001)
dosiert bei
95 K (10 BL)
135 K ( 9 BL)
145 K ( 9 BL)
156 K ( 5 BL)
162 K ( 0.9 BL)
0
140
150
160
50
170
180
Temperatur [K]
100
150
Dosierzeit [s]
190
200
200
Abbildung 3.11: TDS-Serie von D2 O/Ru(001) für verschiedene Präparationstemperaturen. Rein
kristalline Schichten ergeben sich erst ab Präparationstemperaturen von 160 K. Inset: Das QMSSignal während des Dosierens zeigt deutlich die Sättigung der Bilage nach etwa 20 s und die partielle
Desorption der Eisschicht während des Dosierens bei T >150 K. 10 s nach Ende der Dosierzeit wurde
die Probe vom Dosierrohr weggefahren, weshalb der Hintergrunddruck zunächst wieder ansteigt.
Schichten müssen demnach entweder bei Temperaturen präpariert werden, bei denen bereits ein Teil der Schicht wieder desorbiert, oder sie müssen längere Zeit bei Temperaturen
knapp unterhalb der Desorptionsgrenze getempert werden. Hier wurde der Weg gewählt,
dass kristalline Schichten zunächst bei 157 K dosiert und anschließend für mindestens 20 s
auf 164 K geheizt wurden. Abbildung 3.12 zeigt das Desorptionssignal bei 164 K einer bei
157 K dosierten Multilage D2 O/Ru(001). Der anfängliche Peak stammt von einem Rest
QMS - Signal (m/e=20)
7s
0
0
4
D2O/Ru(001)
T = 164 K
200
20
400
Zeit [s]
40
Abbildung 3.12: TDS bei konstant 164 K einer
bei 157 K präparierten Multilage D2 O/Ru(001).
Der anfängliche Peak stammt von der vollständigen Kristallisierung der Schicht. Tempern bei
164 K für 20 s stellt sicher, dass die präparierte
Schicht komplett kristallin ist.
60
600
Der Kristallisierungsübergang erscheint im TDS abhängig vom Kristallinitätsgrad und der Schichtdicke
bei unterschiedlichen Temperaturen. Kristallisierung und Desorption sind zwar beides aktivierte Prozesse, die Kristallisierung erfolgt aber vornehmlich im Volumen, die Desorption von der Oberfläche.
59
3 Experiment
amorpher Strukturen, der aber innerhalb weniger Sekunden auskristallisiert. Man kann
also davon ausgehen, dass eine Temperzeit von 20 s sicher ausreicht, um den amorphen
Anteil zu minimieren.
Kristallines Eis bildet auf Ru(001) relativ homogene Schichten. Wie das leicht abfallende Desorptionssignal der kristallinen Schicht während der ersten 200 s zeigt, ändert sich
die Schichtdickenverteilung nur leicht mit der Bedeckung. Intensive Studien ergeben eine
Desorptionsordnung von 0.2 [Smi96]. Mit Aufreißen der Multilage in einzelne Inseln ändert
sich die Oberfläche der Eisschicht schneller, was zu dem stärkeren Abfall des Desorptionssignals zu späten Zeiten führt. Bei der Temperatur von 164 K bleibt die Bilage intakt.
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
3.2.1 Lasersystem
Bei den hier vorgestellten Experimenten wurden kommerzielle Lasersysteme der Firma
Coherent, bestehend aus einem Femtosekundenverstärkersystem und nachgeschaltetemn
optisch-parametrischen Verstärkern ( optical parametric amplifier“, OPA) verwendet. Das
”
für die Messungen an Eis/Cu(111) verwendete System am FHI ist bereits ausführlich an
anderer Stelle [Kno97b,Hot99b,Gah00b,Moo99] beschrieben worden, so dass im Folgenden
schwerpunktmäßig das System an der FUB behandelt wird. Das kontinuierlich gepumpte
Verstärkersystem mit Ti:Saphir als Lasermedium liefert bei einer Zentralwellenlänge von
800 nm Pulse mit einer Dauer (fwhm) von 150 fs am FHI bzw. 50–60 fs an der FUB.
Bei einer Repititionsrate von 200 kHz liegt die Energie pro Puls bei 5 µJ und ist damit ausreichend, um einen OPA zu betreiben. Dessen sichtbarer Ausgang und die zweite
Harmonische davon wurden bei den meisten Messungen als Anrege- und Abfragepulse
verwendet. Die Unterschiede zwischen den Systemen am FHI und an der FUB bestehen
einerseits darin, dass der Argon-Ionenlaser als Pumplaser für Oszillator und Verstärker
durch zwei diodengepumpte Festkörperlaser ersetzt wurde und dass das System an der
FUB mehr spektrale Bandbreite unterstützt und damit kürzere Pulse liefert. Außerdem
steht an der FUB ein weiterer OPA für den infraroten Wellenlängenbereich zur Verfügung.
Dadurch erhält man zwei unabhängig voneinander durchstimmbare Lichtquellen, die den
Wellenlängenbereich von 1600 bis 230 nm ( 0.775-5.4 eV) fast lückenlos abdecken, so dass
man die Photonenenergien optimal an Austrittsarbeit und energetische Lage der zu untersuchenden elektronischen Zustände anpassen kann (siehe Abb. 3.13). Die Pulsenergien
liegen mit ∼ 100 nJ im sichtbaren und ∼ 10 nJ im ultravioletten Wellenlängenbereich in einer Größenordnung, in der sich Raumladungseffekte bei der Elektronenspektroskopie leicht
vermeiden lassen. Für Experimente, bei denen eine höhere Anregungsdichte erforderlich
ist, kann ein Teil der Verstärkerleistung direkt zum Pumpen“ verwendet werden.
”
Die folgenden Kapitel befassen sich mit den Prinzipien, auf denen die einzelnen Komponenten des Lasersystems beruhen.5
5
Für detaillierte Darstellungen wird auf die Literatur [Coh99, Coh96, Coh97, Coh98, Dem03, Boy92] verwiesen.
60
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
Prismenkompressor
Verdi
532 nm,
5 W, cw
Mira SEED
800 nm, 76 MHz,
8 nJ/Puls, <40 fs
Stretcher Kompressor
50 fs
Verdi
532 nm,
10 W, cw
RegA 9050
800 nm, 200 kHz,
5 µJ/Puls
Polarisationsflipper
BBO
OPA 9850
500 nJ/Puls,
<30 fs
263-400 nm
525-800 nm
1050-1600 nm
800 nm
400 nm
VB
OPA 9450
150 nJ/Puls
<50 fs
Photodiode
460-760 nm
230-380 nm
Verzögerungsstrecke
Abbildung 3.13: Aufbau des Lasersystems an der FUB: Der Strahl aus dem Verstärkersystem
kann in der Verteilerbox (VB) in zwei Teilstrahlen aufgeteilt werden, um entweder beide OPAs
parallel zu betreiben oder einen Teil des 800 nm-Strahls direkt zum Anregen zu benutzen. Pulse mit Wellenlängen im IR und VIS können jeweils in BBO-Kristallen frequenzverdoppelt werden
(Fokussieroptiken um die BBO-Kristalle sind der Übersichtlichkeit halber weggelassen). Außer dem
IR-Pfad sind alle Strahlengänge mit Prismenkompressoren versehen, um die Pulslängen kontrollieren zu können. Die Verzögerungsstrecken werden nur in den UV-Pfaden benötigt, da bei den
zeitaufgelösten Experimenten immer ein UV-Puls verwendet wurde. 5 % des Weißlichts aus einem
OPA werden auf eine Photodiode gerichtet, um einen Startpuls für die Elektronenflugzeitmessung
zu erzeugen. Die angegebenen Wellenlängenbereiche der OPAs betreffen jeweils nur die Signal -Pulse
(vgl. S. 64 f).
fs-Verstärkersystem
Das Verstärkersystem an der FUB besteht aus einem fs-Laseroszillator (Coherent Mira
Seed) und einem regenerativen Verstärker (Coherent RegA 9050). Beide arbeiten mit einem
mit Titan dotierten Saphirkristall (Ti:Sa) als aktivem Lasermedium. Ti:Sa besitzt ein
breites vibronisches Fluoreszenzband, das einen Laserbetrieb im Wellenlängenbereich von
670 bis 1070 nm ermöglicht. Dies ermöglicht zum Einen die Variation der Wellenlänge,
zum Anderen die Erzeugung von Laserpulsen mit Pulslängen von wenigen Femtosekunden
[Bal97].
Das Medium wird gepumpt über eine breite Absorptionsbande mit Maximum bei 490 nm.
Aufgrund der langen Lebensdauer des angeregten Niveaus von 3.2 µs kann man für ein
System mit Repititionsraten >
∼100 kHz Dauerstrichlaser als Pumpquelle benutzen.
Pumplaser (Verdi): Bei den im Lasersystem an der FUB eingesetzten diodengepumpten
Festkörperlasern (Coherent Verdi V-5 für den Oszillator und Verdi V-10 für den Verstärker)
handelt es sich um unidirektionale Ringlaser mit Intracavityverdopplung, die kontinuierliches Licht ( continuous wave“, cw) auf einer einzelnen Mode bei 532 nm liefern. Die Laser
”
haben als Lasermedium einen Nd:YVO4-Kristall, kurz Vanadat“ genannt, der mit Laser”
61
3 Experiment
dioden bei 808 nm gepumpt wird. Das blendenfreie Design führt zu einer TEM00 -Mode
mit sehr gutem Strahlprofil. Um eine hohe Stabilität der Laserleistung zu gewährleisten,
ist der zur Frequenzverdopplung benutzte KDP-Kristall auf besser als 0.1 K temperaturstabilisiert.
Laseroszillator (Mira Seed): Ein kurzer Puls ergibt sich in einem Laserresonator, wenn
sich viele longitudinale Moden an einem Ort konstruktiv überlagern, wobei die Dauer
des Pulses umgekehrt proportional zur Breite des modengekoppelten Spektrums ist. Diese
Kopplung der Moden wird im Mira durch Ausnutzung des optischen Kerr-Effekts erreicht
(Kerr-Lens-Modelocking). Als Kerr-Effekt bezeichnet man die Intensitätsabhängigkeit des
Brechungsindex, wie sie bei sehr hohen Intensitäten in vielen Materialien, u.a. in Ti:Saphir,
beobachtet wird.
n(ω, I) = n0 (ω) + n2 I(ω, t)
(3.1)
Durch die über das räumliche Strahlprofile variierende Intensität wird in dem Medium
eine räumliche Brechungsindexverteilung erzeugt, die ähnlich wie eine Linse wirkt ( Kerr”
Linse“) und zu einer intensitätsabhängigen Verengung des Strahlprofils führt. Das bedeutet
zum Einen, dass sich ein cw-Anteil durch einen Spalt an der richtigen Stelle im Resonator
diskriminieren lässt. Zum Anderen wird ein einmal erzeugter Puls durch den Kerr-Effekt
weiter geformt, weil die Variation des Brechungsindex über den Puls einer zeitlichen Modulation der Phase δ und damit der Generation oder Vernichtung von Frequenzen ω entspricht
(sog. Selbstphasenmodulation, SPM).
δ = ωt − kz = ω(t −
ω =
nz
n0 z
n2 z
) = ω(t −
)−ω
I(t)
c
c
c
ω0 z dI
dδ
= ω0 − n2
dt
c dt
(3.2)
(3.3)
Der letzte Term in Gleichung 3.3 bedeutet, dass die ansteigende Flanke des Pulses rotund die fallende Flanke blauverschoben wird. Das zeitliche Auseinanderlaufen durch den
dynamischen Prozess der Selbstphasenmodulation und durch Materialdispersion wird für
die letztendlich stabile Pulsform durch einen Prismenkompressor gerade kompensiert. Im
Resonator läuft dann genau ein Puls um, dessen Form und Intensität über eine negative
Rückkopplung durch die SPM stabilisiert werden, und der deshalb als Soliton bezeichnet
wird. Entsprechend der Resonatorlänge von 197 cm ergibt sich für die ausgekoppelten
fs-Pulse eine Repititionsrate von 76 MHz. Die Cavity des Mira Seed kann von den verwendeten Optiken her bis zu 100 nm Bandbreite verstärken entsprechend Pulslängen <20 fs.
Da der Verstärker aber nur eine Bandbreite von weniger als 30 nm verstärkt, ist ein doppelbrechender Filter eingebaut, der zwar die Bandbreite auf 30-40 nm begrenzt, dafür aber
ermöglicht, die Wellenlänge zwischen 750 und 850 nm zu variieren. Der Mira wird typisch
mit 30-35 nm Bandbreite bei Wellenlängen von knapp 800 nm betrieben (siehe Abb. 3.14),
um die optimale Leistung und Stabilität des Verstärkers zu erzielen.
Regenerativer Verstärker (RegA): Um einen optisch-parametrischen Verstärker mit Weißlichterzeugung zu betreiben, braucht man Pulsenergien von einigen Mikrojoule (µJ), so
62
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
Intensität
Mira
RegA
Abbildung 3.14: Spektren von Oszillator und
Verstärker: Im Verstärkungsprozess geht durch
gain narrowing Bandbreite verloren.
35 nm
24 nm
760
780
800
820
Wellenlänge [nm]
840
dass das Ausgangssignal des Oszillators um mehr als zwei Größenordnungen verstärkt werden muss. Damit die bei der Verstärkung auftretenden Spitzenintensitäten nicht die Zerstörschwelle des Laserkristalls überschreiten oder durch nicht-lineare Prozesse das Strahlprofil modifiziert wird, wird der Puls im Allgemeinen zeitlich gestreckt, dann verstärkt und
anschließend rekomprimiert. Die zeitliche Streckung und Rekomprimierung wird erreicht,
indem die Frequenzkomponenten des Pulses zeitlich auseinandergezogen werden. Die Variation der Frequenz im Verlauf eines Pulses wird als Chirp“ bezeichnet. Das Verfahren
”
der Chirped Pulse Amplification“ (CPA) kommt auch im regenerativen Verstärker zur An”
wendung. Die grundsätzliche Funktionsweise eines regenerativen Verstärkers ist folgende:
Wie im Oszillator wird ein Ti:Saphir-Kristall durch einen Verdi (V-10) gepumpt. Damit
sich eine hohe Besetzungsinversion aufbauen kann, muss man verhindern, dass durch spontane Emission Lasertätigkeit einsetzt. Dies wird erreicht, indem die Güte des Resonators
herabgesetzt wird. Als Güteschalter (Q-Switch) kommt ein opto-akustischer Modulator
zum Einsatz. Nach etwa 5 µs wird die Güte des Resonators erhöht und gleichzeitig über
einen zweiten opto-akustischen Modulator (Cavity Dumper ) ein Puls (Seed ) aus dem Oszillator eingekoppelt, der in 20-30 Umläufen verstärkt wird.
Wenn die Besetzungsinversion weitgehend abgeräumt und somit das Verstärkungsmaximum erreicht ist, wird der Puls aus dem Resonator herausgebeugt und die Güte des Resonators wieder verringert. Bis der nächste Seed -Puls nach 5 µs eingekoppelt wird, kann sich
die Besetzungsinversion wieder regenerieren, daher der Name regenerativer Verstärker“.
”
Die zeitliche Streckung der Oszillatorpulse und Rekomprimierung der verstärkten Pulse
erfolgt in einem externen Expander und Kompressor, bei denen jeweils der Puls viermal
ein Gitter passiert. Dispersion 2. und 3. Grades lassen sich so eliminieren. Bei spektralen Bandbreiten von 24-27 nm werden Pulsdauern um 50 fs erreicht. Abbildung 3.14 zeigt
Spektren von Mira und RegA. Die Pulse aus dem Verstärker wurden bei den Untersuchungen zu Bildladungszuständen auf der sauberen und der eisbedeckten Ru(001)-Oberfläche
teilweise direkt zum Abfragen der Elektronen verwendet.
Frequenzkonversion und Pulspräparation
Die bei den meisten 2PPE-Messungen verwendeten Pulse im sichtbaren und ultravioletten Wellenlängenbereich wurden aus den verstärkten 800 nm-Pulsen mittels kollinearer
optisch-parametrischer Verstärkung und anschließender Frequenzverdopplung erzeugt. Bei
63
3 Experiment
beiden Prozessen wird der nichtlineare Anteil der dielektrischen Suszeptibilität χ ausgenutzt, der relevant wird, wenn in einem Medium die elektrischen Feldstärken des Lichtfeldes vergleichbar werden mit denen lokaler Felder (z.B. Kristallfelder). Die optischen Eigenschaften des Mediums werden dann durch das elektrische Feld verändert, d.h. χ = χ(E). In
einer Reihenentwicklung der makroskopischen Polarisation P̃ (Ẽ) werden demnach Terme
höherer Ordnung relevant.
P̃ (t) = ε0 χ(1) Ẽ(t) + ε0 χ(2) Ẽ 2 (t) + ε0 χ(3) Ẽ 3 (t) + ...
(3.4)
Die schnell variierende Felder P̃ und Ẽ sind hier vereinfachend als Skalare dargestellt.6
χ(n) steht für die nichtlineare Suszeptibilität n-ter Ordnung und ist bei Berücksichtigung
vektorieller Felder ein Tensor der Stufe (n+1). Strahlt man Licht mit zwei verschiedenen
Frequenzen ω1 und ω2 ein,
Ẽ(t) = E1 e−iω1 t + E2 e−iω2 t + c.c. ,
(3.5)
so ergeben sich aus den Beiträgen zweiter Ordnung Polarisationsanteile mit den doppelten
Frequenzen von ω1 und ω2 , deren Summenfrequenz, deren Differenzfrequenz und ein Anteil
sehr niedriger Frequenz, der durch Differenzfrequenzerzeugung innerhalb der Bandbreite
eines Pulses entsteht und zur Erzeugung von Terahertzstrahlung ausgenutzt werden kann.
Es werden nur die Frequenzen abgestrahlt, für die eine feste Phasenbeziehung zwischen
der erzeugten Welle und der nichtlinearen Polarisation in dem Medium erhalten bleibt
(sog. Phasenanpassung). Diese Forderung entspricht der nach Impulserhaltung ∆k=0.7
Phasenanpassung kann in doppelbrechenden Kristallen erreicht werden, indem man den
Einfallswinkel des Lichts bzgl. der Kristallachsen je nach Wellenlängen und Prozess anpasst. Sowohl für die Frequenzverdopplung (second harmonic generation, SHG) als auch
für den OPA-Prozess (siehe unten) werden Kristalle aus β-Bariumborat (BBO) verwendet.
Die Dicke der Kristalle ist auf die jeweilige Bandbreite und Wellenlänge der beteiligten
Lichtpulse abgestimmt.
Optisch-parametrischer Verstärker (OPA): Das Prinzip des optisch-parametrischen Verstärkers basiert auf dem χ(2) -Prozess der Differenzfrequenzerzeugung ( difference frequency
”
generation“, DFG). Photonen aus dem sog. Pump“-Puls werden über eine virtuelle elek”
tronische Anregung in einem optisch aktiven Material zerlegt in je zwei Photonen, deren
Energien sich einstellen lassen, indem man bereits ein Photon der gewünschten Photonenenergie ( Seed“) einstrahlt. Der höher frequente der beiden erzeugten Pulse wird Signal“
”
”
genannt, der andere Idler“. Beide erzeugten Photonen können innerhalb des gleichen Pul”
ses denselben Prozess erneut treiben, so dass Signal und Idler beim Durchgang durch den
Kristall annähern exponentiell zunehmen.
Das Lasersystem an der FUB verfügt über zwei OPAs: Der OPA 9850 (im Folgenden
als IR-OPA bezeichnet) verwendet direkt die Pulse bei 800 nm als Pump, so dass Signal
6
Die Darstellung setzt außerdem voraus, dass es sich um ein instantan reagierendes und damit verlustund dispersionsfreies Medium handelt (Die Bedingungen sind durch Kramers-Kronig-Relationen miteinander verknüpft.) [Boy92].
7
Aus mikroskopischer Sicht wird dann eine Welle abgestrahlt,wenn sich die von den einzelnen atomaren
Dipole abgestrahlten Wellen konstruktiv überlagern.
64
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
und Idler beide im infraroten Spektralbereich liegen (1100–1600 nm bzw. 1600–2900) nm.
Im OPA 9450 (VIS-OPA) werden durch Frequenzverdopplung in einem BBO Pump-Pulse
bei 400 nm erzeugt. Man erhält dadurch Signal -Wellenlängen im sichtbaren Bereich (460–
760 nm). In beiden OPAs wird das Ausgangssignal des Verstärkersystems im Verhältnis
4:1 aufgeteilt. 80 % der Leistung dienen als Pump-Puls für den OPA-Prozess, 20 % werden
benutzt, um den Seed -Puls zu erzeugen. Dazu wird das 800 nm-Licht in eine Saphirscheibe
fokussiert, so dass, wiederum basierend auf dem optischen Kerr-Effekt, der Strahl durch
Selbstfokussierung kollabiert und aufgrund der extrem hohen Intensität durch Selbstphasenmodulation (vgl. 62) ein breites Weißlichtkontinuum vom IR bis ins UV erzeugt wird.
Die spektralen Komponenten sind durch die Selbstphasenmodulation zeitlich stark auseinandergezogen. Bei zwei Durchgängen durch den OPA-Kristall wird der Teil des Spektrums
verstärkt, der zeitlich mit dem Pump-Puls überlappt. Zusätzlich wird die Differenzfrequenz
erzeugt. Die Wellenlänge kann durch Veränderung des optischen Weges für das Weißlicht
und eine Anpassung des BBO-Winkels variiert werden. Die spektrale Breite und damit die
Länge der erzeugten Pulse ist nicht durch die Ausgangspulse limitiert, sondern dadurch,
wie breit der zeitlich mit dem Pump-Puls überlappende Spektralbereich des Weißlichts
ist. Außerdem muss die Phasenanpassungsbedingung noch erfüllt sein. In dem kollinearen
Aufbau laufen Pump und Signal wegen der doppelbrechenden Eigenschaften des BBOKristalls räumlich auseinander, was die Verstärkung in einem Durchgang begrenzt.8
Bei dem VIS-OPA liegt die spektrale Breite der Signal -Pulse bei 35–50 nm.9 Aufgrund
der geringeren Materialdispersion und des breiteren Phasenanpassungsbereichs im IR können mit dem IR-OPA Bandbreiten bis zu 100 meV und damit kürzere Pulse erreicht werden.
Optischer Aufbau: Die Pulsenergien des Verstärkersystems sind ausreichend, um einen
OPA mit 50 % der Energie zu betreiben. Der 800 nm-Strahl kann deshalb in einer Verteilerbox so aufgeteilt werden, dass man über eine Anordnung von Klappspiegeln wahlweise
beide OPAs oder einen OPA und direkt einen Teil der Verstärkerleistung für das Experiment verwenden kann. Die Strahlführung nach den OPAs ist in Abbildung 3.13 skizziert
und folgt folgendem Schema: Die parallel zum Lasertisch polarisierten Pulse werden zunächst komprimiert bevor ein Teil frequenzverdoppelt wird. Die Polarisation der zweiten
Harmonischen wird von s nach p gedreht bevor auch diese Pulse nochmal einen Kompressor durchlaufen. Eine Ausnahme bildet die Fundamentale des IR-OPAs. Da die Materialdispersion im infraroten Spektralbereich klein ist, kann hier auf die Komprimierung
verzichtet werden, zumal die Pulse nicht in zeitaufgelösten Messungen verwendet wurden.
Die Kompression erfolgt durch einen Prismenkompressor. Dabei werden zwei Brewsterprismen je zweimal symmetrisch durchlaufen. Durch Variation des Abstands der beiden
Prismen voneinander und der Länge des Glaswegs in den Prismen können der Chirp 2. und
3. Ordnung kompensiert werden.10 Zur Frequenzverdopplung werden die sichtbaren Pulse
8
Phasenanpassung über einen weiten spektralen Bereich ohne räumliches Auseinanderlaufen kann in einem
nicht-kollinearen Aufbau (NOPA) für den sichtbaren Bereich erreicht werden [Wil97].
9
Am blauen Ende des Durchstimmbereichs nimmt die Bandbreite ab.
10
Als Prismenmaterial wird fused silica verwendet, da es das günstigste Verhältnis zwischen 2. und höheren
Ordnungen der Dispersion aufweist. Nur der Kompressor des VIS-OPA besteht aus stark dispergierenden SF10-Prismen, um die Länge des Strahlwegs zu reduzieren.
65
3 Experiment
hν [eV]
4.1
4.0
4.2
Intensität (norm.)
VIS-OPA
IR-OPA
1.9
2.0
hν [eV]
2.1
Abbildung 3.15: Typische Laserspektren des VIS-OPAs mit Bandbreiten
von 45 meV und 27 meV (fwhm) für
Fundamentale und 2. Harmonische sowie des IR-OPAs mit Bandbreiten von
98 meV und 62 meV aufgenommen am
Eingang zur UHV-Kammer.
2.2
mit Linsen in einen BBO-Kristall (d=0.1 mm) fokussiert. Fundamentale und zweite Harmonische werden mit dichroischen Strahlteilern separiert und mit Linsen rekollimiert, so
dass die Strahldurchmesser nahe der UHV-Kammer unabhängig voneinander eingestellt
werden können. Für die Verdopplung des IR-Strahls werden sphärische Spiegel anstelle
der Linsen verwendet. Die Polarisation der zweiten Harmonische wird mittels zweifacher
senkrechter Ablenkung an Spiegeln von s auf p gedreht, bevor die Pulse erneut einen
Prismenkompressor durchlaufen.
Wegen der Austrittsarbeit der Proben im Bereich von 3.8 bis 5.4 eV wird für die zeitaufgelösten Messungen immer ein UV-Puls benötigt. Deshalb laufen die UV-Pulse jeweils über
Retroreflektoren auf computergesteuerten Verschiebetischen, mit denen die Verzögerung
zwischen Pump- und Probe-Puls auf ∼0.5 fs genau eingestellt werden kann. Die Polarisation der beiden Strahlen kann über λ/2-Platten im getrennten Teil des Strahlenganges
unabhängig voneinander rotiert werden. Schließlich werden die Strahlen nicht-kollinear mit
einer Linse auf die Probe fokussiert. Um sicherzustellen, dass beide Strahlen bei winkelaufgelösten Messungen denselben Einfallswinkel auf der Probe haben, werden die Strahlen
vertikal übereinander geführt. Zu Justagezwecken können die Strahlen mit einem Klappspiegel auf eine CCD-Kamera oder eine Lochblende abgelenkt werden, die denselben Abstand von dem Klappspiegel hat wie die Probe.
Zur Charakterisierung der Laserpulse wurden die Spektren der im Experiment verwendeten Laserpulse nahe der Einkopplung in die UHV-Kammer aufgenommen. Als Spektrometer wurde ein Gittermonochromator verwendet, der jeweils einen kleinen spektralen Bereich mit einer Auflösung <0.5 nm auf eine CCD-Zeile abbildet. Abbildung 3.15
zeigt typische Spektren der Signals beider OPAs und der jeweiligen 2. Harmonischen. Die
Bandbreiten des VIS-OPAs liegen im Bereich von 40–50 meV für die Fundamentale und
25–30 meV für die 2. Harmonische, die des IR-OPAs bei 90–100 meV und 55–65 meV
(fwhm). Zur Charakterisierung der Pulslängen wurden mittels 2PPE Kreuzkorrelationen
(XC) in Bereichen mit nicht-resonanten Anregungen (vgl. Kap. 2.5) bzw. sehr kurzlebigen
66
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
UV
200
100
VIS
100
y [µm]
y [µm]
200
0
0
-100
-100
-200
-200
-200 -100 0 100 200
x [µm]
-200 -100 0 100 200
x [µm]
Abbildung 3.16: Typische Laserspotprofile von UV und VIS aufgenommen an einem Ort, der
äquivalent ist zum Probenposition
Zwischenzuständen gemessen. Unter Verwendung des VIS-OPAs liegen die Kreuzkorrelationsbreiten um 70 fs (fwhm), mit dem IR-OPA konnten XC-Breiten von 40 fs erreicht
werden, was 15 % über dem Zeit-Bandbreitenprodukt liegt.
Die Strahlprofile auf der Probe wurden mit Hilfe einer CCD-Kamera an einem zur
Probenposition äquivalenten Ort hinter einem Klappspiegel aufgenommen, um die relative
Größe der Spots zu kontrollieren und die Fluenz zu bestimmen. In den meisten Fällen
war der UV-Spot mit einem Durchmesser von 80±30 µm kleiner als der VIS-Spot mit
130±40 µm. Abbildung 3.16 zeigt typische Spotprofile. Die Schnitte durch das Zentrum
des Spots zeigen ein annähernd gaussförmiges Profil.
67
3 Experiment
Laserstrahlen
Auskoppelkondensator
µ-Metallabschirmung
Spitze
HV
e-
Probe
Signal
Flugzeitröhre
300 mm
Gitter
MCP-Paar
Abbildung 3.17: Elektronen-Flugzeitspektrometer (nach [Kno97b])
3.2.2 Elektronenflugzeitspektrometer
Das Elektronenflugzeitspektrometer (engl. time-of-flight spectrometer, TOF), das in beiden
experimentellen Aufbauten zum Einsatz kam, wurde am Fritz-Haber-Institut entwickelt
und gebaut. Es besteht im Wesentlichen aus einer feldfreien Flugröhre mit einer Eintrittsöffnung für die Elektronen an dem einen und einer Nachweiseinheit an dem anderen Ende.
In Abbildung 3.17 ist der Aufbau des Spektrometers skizziert. Die Montierung auf einer Linearverschiebemimik erlaubt es, das Spektrometer für die 2PPE-Messungen in die
Kammer zu fahren, so dass sich die Probe ca. 3 mm vor der Eintrittsöffnung der Flugröhre
befindet. Die Laserstrahlen treffen in einem Winkel von 45◦ zur Spektrometerachse auf die
Probe. Photoemittierte Elektronen können durch die Eintrittsöffnung (∅1.5 mm) in der
konischen Spitze in die Flugröhre eintreten. Die Flugröhre besteht aus Aluminium und
ist wie die Spitze mit Graphit besprüht, um elektrische Störfelder durch Inhomogenitäten
der Austrittsarbeit zu minimieren. Zur Abschirmung äußerer magnetischer Felder ist das
Spektrometer insgesamt durch einen µ-Metallmantel umgeben, der nur kleine Öffnungen
für den Probenhalter und die ein- und ausfallenden Laserstrahlen besitzt. Elektronen, die
durch das graphitierte Gitter am Ende der feldfreien Driftstrecke von 297 mm treten,
werden mit einem weiteren Gitter mit einer Spannung von 15 V leicht abgesaugt und
dann mit 570 V auf ein Paar Mikrokanalplatten (engl. micro channel plates, MCP, ∅40
mm) beschleunigt, wo sie Elektronenkaskaden auslösen. Die sich am Anodenteller ergebenden Spannungsimpulse werden über einen Kondensator aus dem UHV ausgekoppelt.
Die Winkelauflösung des Spektrometers von ±3.8◦ ergibt sich aus dem Durchmesser des
MCP-Detektors und der Länge der Driftstrecke.
Signalverarbeitung, Flugzeitmessung
Die Flugzeitmessung erfolgt durch Messung der Zeit zwischen einem Start“- und einem
”
Stop“-Puls. Den Start“-Puls liefert eine schnelle Photodiode, auf die ein kleiner Teil des
”
”
Weißlichts aus einem OPA gerichtet wird. Als Stop“-Puls dient der vorverstärkte Span”
nungspuls aus dem Elektronendetektor des TOF-Spektrometers. Beide Pulse werden durch
68
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
hn
TOF
e-
PhotoDiode
Verstärker
Diskriminator
ConstantFraction
Diskriminator
Shutter
PC
Programmierung
Benutzerinterface
NI-LabView 6
P7887
Start
Start
Gate
Netzgerät
Probenheizung
digital I/O
TemperaturSteuerung
Stop
Stop
Gate
NI MIO E-1
Opt. Verzögerungsstrecke
Steuerung der
Verzögerungsstrecke
Netzgerät
Relaysteuerung
timer
A/D
D/A
GPIB
RS232
Probenpotential
TC
Probe
QMS
Abbildung 3.18: Das 2PPE-Experiment wird von einem PC gesteuert. Der linke Teil zeigt die
Datenverarbeitung der Flugzeitmessung, der rechte Teil die Kontrolle von Probentemperatur und
-Potential für 2PPE-Messungen bei variabler Temperatur
Diskriminatoren von Störsignalen separiert und in negative Spannungspulse umgewandelt.
Da das Photodiodensignal in Amplitude und Form stabil ist, kann hier ein Diskriminator
mit konstanter Schwelle eingesetzt werden. Die Pulse des Elektronendetektors hingegen
besitzen eine breite Pulshöhenverteilung. Deshalb werden sie in einen schnellen ConstantFraction-Diskriminator weitergeleitet und in negative Spannungspulse mit einer Breite von
2.5 ns gewandelt.
Die beiden experimentellen Aufbauten unterscheiden sich nun darin, wie die Zeit zwischen den so präparierten Spannungspulsen gemessen wird. Am FHI wurden Start“- und
”
Stop“-Puls an einen analogen Zeit-Spannungs-Wandler ( time-to-amplitude converter“,
”
”
TAC) übergeben, der einen 3.3 µs langen Spannungspuls mit einer Amplitude proportional zur Zeit zwischen Start“ und Stop“ ausgibt. Zeiten im Bereich 0-1000 ns werden mit
”
”
einer Auflösung von 0.1 ns auf Spannungen im Bereich 0-10 V abgebildet. Das Spannungssignal wird an den A/D-Wandler einer Multifunktionskarte im Meßrechner (siehe unten)
weitergeleitet und in einen 12-bit-Wert übersetzt.
An der FU erfolgt die Zeitmessung mit gleicher Auflösung direkt über eine multiple event
time digitizer -Einsteckkarte im Messrechner. Mit Diskretisierungsschritten von 250 ps
bleibt die Auflösung der gesamten Zeitmessung für beide Aufbauten besser als 0.5 ns. Der
entscheidende Unterschied liegt darin, dass die analoge Elektronik jeweils nur den ersten
Stoppuls nach einem Startpuls analysiert. Um eine Verfälschung der Spektren zu vermeiden, wurden die Zählraten kleiner als 1/10 der Repititionsrate des Lasers, also <20000
s−1 gehalten. Die Wahrscheinlichkeit für nicht detektierte Doppelereignisse liegt damit bei
<1 %. Die digitale Elektronik hingegen kann pro Startschuss mehrere Ereignisse registrieren, ohne eine Totzeit aufzuweisen. Da auch der Constant-Fraction-Diskriminator mit ca.
7 ns eine extrem kurze Totzeit hat, können mindestens um eine Größenordnung höhere
Zählraten verarbeitet werden. Limitierend sind in diesem Fall Raumladungseffekte und
das Zusammenbrechen der Hochspannung am MCP-Detektor. Außerdem ermöglicht die
Digitalelektronik die Messung über ein Zeitfenster von 2 µs, so dass die kinetische Energie
69
3 Experiment
der langsamsten nachgewiesenen Elektronen von ∼ 275 meV auf ∼ 65 meV verbessert
werden kann. Der Aufbau der Messelektronik an der FU ist in Abbildung 3.18 skizziert.
Der für die Flugzeitmessung und die Steuerung des gesamten Experiments eingesetzte
Messrechner ist in beiden Aufbauten mit einer Multifunktions-Messkarte ausgerüstet, die
über 8 differenzielle A/D- und 2 D/A-Wandler (12 bit, maximale Abtastrate 106 s−1 ),
2 counter (24 bit), 8 logische und 10 programmierbare Kanäle verfügt. Die verwendete Messsoftware ist in einer LabVIEW-Umgebung programmiert und wurde im Rahmen
dieser Arbeit teils neu geschrieben, teils weiterentwickelt.
Zur Aufnahme eines Flugzeitspektrums werden die registrierten Ereignisse entsprechend
der jeweiligen Flugzeit in 4096 bzw. 8192 Bins einsortiert. Für zeitaufgelöste Pump-ProbeMessungen wird der optische Weg des UV-Pulses mittels der Verzögerungsstrecke variiert.
Der Messrechner kommuniziert mit dem Steuergerät des Verschiebetisches über eine GPIBSchnittstelle. Der Einfluss von Laserschwankungen auf die Pump-Probe-Messungen wird
minimiert, indem bei jedem Verzögerungsschritt ein 2PPE-Spektrum über typisch 0.5 bis
1 s aufgenommen und über 20 bis 50 Durchgänge gemittelt wird.
Im Rahmen der Arbeit wurde außerdem ein Verfahren entwickelt, 2PPE-Spektren bei
variabler Probentemperatur aufzunehmen. Dazu wurden die Stromzuleitungen für die Probenheizung mit Relays ausgerüstet, die den Heizstrom für die Messdauer unterbricht und
die Probe auf ein stabiles Potential legt. Mit Heiz- und Messzyklen von 0.2 bis 1 s kann bei
Temperaturen bis ∼ 1000 K gemessen werden, wobei die Temperaturschwankungen kleiner
als 2 K bleiben, so dass die Probentemperatur sinnvoll über einen PID-Regler eingestellt
werden kann. Parallele Aufzeichnung von 2PPE-Signal, Probentemperatur und Signal des
Massenspektrometers machen die simultane 2PPE- und TD-Spektroskopie möglich. Die
Verwendung elektronisch gesteuerter Shutter erlaubt es außerdem, zyklisch Spektren mit
unterschiedlichen Kombinationen von Laserpulsen bei beliebigen Verzögerungszeiten zwischen den Pulsen aufzunehmen.
70
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
Energiemessung
Photoemittierte Elektronen werden auf der kurzen Strecke bis zur Eintrittsöffnung des
Spektrometers entsprechend der Potentialdifferenz zwischen Probe und Flugröhre beschleunigt und fliegen dann mit konstanter Geschwindigkeit durch die Flugröhre. Unter
Vernachlässigung der kurzen Beschleunigungsstrecke lässt sich die kinetische Energie, die
die Elektronen beim Verlassen der Probe haben, schreiben als
Ekin
1
= me
2
µ ¶2
L
− eU
t
.
(3.6)
L bezeichnet die gesamte 300 mm lange Flugstrecke von der Probe bis zur Nachweiseinheit
am Ende der Flugröhre. Die Potentialdifferenz U setzt sich zusammen aus dem Kontaktpotential von Probe und Spektrometer11 und einer extern angelegten Biasspannung.
eU = ∆Φ + eUB
(3.7)
Die gemessene Zeit tm zwischen Start“ und Stop“ unterscheidet sich von der tatsächlichen
”
”
Flugzeit t um einen konstanten Betrag t0 , der sich aus den unterschiedlichen Laufzeiten
der Laserpulse zur Photodiode und zur Probe und der Spannungspulse bis zur eigentlichen
Zeitmesselektronik ergibt.
Ekin =
1
me
2
µ
L
(tm − t0 )
¶2
− ∆Φ − eUB
(3.8)
Gemäß dieser Gleichung werden Flugzeiten in kinetische Energien umgerechnet. t0 lässt
sich aus einer Serie von Spektren mit unterschiedlichen Biasspannungen ermitteln, da
Flugzeit und Bias mit unterschiedlichen Potenzen in die Gleichung eingehen.
Bei der Variablentransformation t→E werden auch die Intensitäten umgerechnet.
¯
¯
¯ dE ¯−1
t3
¯ P (t) =
¯
P (E) = ¯
P (t)
(3.9)
dt ¯
me L2
Als Energie geht hier die kinetische Energie der Elektronen in der Flugröhre ein
E=
11
1
me
2
µ ¶2
L
.
t
(3.10)
Das Kontaktpotential ist gleich der Differenz der Austrittsarbeit der Probe und des Spektrometers
∆Φ = ΦProbe − ΦSpektrometer
71
3 Experiment
Energieauflösung des TOF
Die Energiemessung mit dem TOF ist, wie ausführlich in [Hot99b] diskutiert, mit folgenden
systematischen Fehlern behaftet, die alle Energien verfälschen:
• Fehler in der Länge der Flugstrecke L
– durch Einstellung des Abstands zwischen Probe und Spektrometer nach Augenmaß auf ±0.5 mm
– durch die Vernachlässigung der unterschiedlichen Flugzeit vom ersten Gitter
am Ende der Driftstrecke bis zum MCP-Detektor.
– durch Variation in der Länge der Flugstrecke aufgrund der endlichen Winkelauflösung des Detektors: Daraus resultierender systematischer und statistischer
Fehler sind beide von der Dispersion des jeweiligen Zustands abhängig.
Serien mit Spektren unterschiedlicher Biasspannung ergeben, dass die effektive mittlere Flugstrecke statt bei nominell 300 mm bei 304 ± 2 mm liegt.
• Unsicherheit in der Bestimmung von t0 auf ±1 ns
• Vernachlässigung der Beschleunigungsstrecke zwischen Probe und Spektrometer:
Annahme einer konstanten Beschleunigung ergeben einen systematischen Fehler von
-0.5 % der Potentialdifferenz U , nahe der sekundären Kante ansteigend auf ∼-6 meV
(-20 meV) für U =0.3 eV (1 eV). Um die Auswirkungen auf die Spektren möglichst
klein zu halten, wurde für die meisten Messungen die Biasspannung so gewählt, dass
die langsamsten emittierten Elektronen gerade noch im Zeitfenster der Flugzeitmessung nachgewiesen werden.
• Inhomogene Felder in der Flugröhre wegen restlicher Schwankungen in der Austrittsarbeit der Flugröhre:
Dieser Anteil ist schwer zu quantifizieren. Die gut aufeinanderliegenden Spektren der
Biasserien deuten jedoch darauf hin, dass die Inhomogenitäten klein sind oder durch
die effektive Flugstrecke bereits berücksichtigt sind.
Nach dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz ergibt sich für den systematischen Fehler
sµ
¶
3
2∆L 2 8Ekin
syst
∆E
=
Ekin
+
∆t2 + (0.005 eU )2
(3.11)
L
mL2
Danach liegt der systematische Fehler für Energien bis ∼4 eV mit einer Potentialdifferenz
U =0.3 V bei 1 %. Weitere systematische Fehler ergeben sich für die Umrechnung der Energieskala auf Bindungsenergien oder Energien bzgl. Fermi-Energie EF . Hier schlagen der
Fehler in den Photonenenergien und in der Bestimmung von Fermi-Kante bzw. sekundärer
Kante jeweils mit ∼10 meV zu Buche (vergleiche 3.2.3).
Die Energieauflösung des Spektrometers, bestimmt durch den statistischen Fehler, setzt
sich zusammen aus
72
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
• der Variation in der Länge der Flugstrecke aufgrund der endlichen Winkelauflösung
des Detektors
• der Ungenauigkeit der Flugzeitmessung aufgrund der Pulshöhenverteilung des MCPSignals
• Schwankungen des Probenpotentials
• Feldinhomogenitäten in der Flugröhre
• eingestreuten Störfeldern.
Da die einzelnen Größen schwer abzuschätzen sind, wird hier als Maß für die Energieauflösung die Breite der sekundären Kante in den 2PPE-Spektren genommen. Diese Größe ist
unabhängig von der spektralen Breite der Laserpulse, gibt also direkt eine obere Schranke für die Spektrometerauflösung an.12 Für kinetische Energien im Bereich bis ∼0.25 eV
werden Breiten zwischen 5 und 10 meV gemessen, ansteigend auf 13 meV für 1 eV und
∼25 meV für 3 eV.
Parallelimpulsmessung
Der Aufbau des Spektrometers und der Probenhalterung erlauben es, die Probe vor dem
Spektrometer um die vertikale Achse zu drehen, um Spektren für Emissionswinkel bis zu
etwa ±20◦ zur Oberflächennormalen aufzunehmen. Die Geometrie des Experiments ist
in Abbildung 3.19(links) skizziert. Damit der Parallelimpuls der emittierten Elektronen
nicht auf dem Weg bis zur Eintrittsöffnung des Spektrometers durch ein elektrisches Feld
verfälscht wird, ist es wichtig, dass die Vakuumniveaus der Probe und des Spektrometers
durch die externe Spannung UB abgeglichen werden. Die Parallelkomponente des Wellenvektors steht dann mit dem Emissionswinkel ϕ bzgl. der Oberflächennormalen und der
kinetischen Energie des emittierten Elektrons in folgender Beziehung.
r
2me
kk (ϕ, Ekin ) = sin ϕ
(3.12)
Ekin
~2
Der Zusammenhang ist in Abbildung 3.19(rechts) für eine Reihe von Emissionswinkeln
dargestellt. Bei niedrigen kinetischen Energien, wie sie typischerweise bei der 2PPE auftreten, macht sich besonders stark bemerkbar, dass die Messungen nicht bei konstantem
kk durchgeführt werden.
Da das Licht unter einem festen Winkel von 45◦ zum Spektrometer auf die Probe trifft,
variiert man beim Drehen der Probe nicht nur den Winkel, unter dem emittierte Elektronen nachgewiesen werden, sondern es ändern sich auch die Komponenten des Feldes
parallel und senkrecht zur Probenoberfläche. Je nach Symmetrie des untersuchten Zustands variiert deshalb auch stark die 2PPE-Intensität. Für eine sinnvolle Auswertung der
Winkelabhängigkeit der 2PPE-Intensitäten, wie sie z.B. zur Abschätzung der räumlichen
Ausdehnung lokalisierter Zustände erforderlich ist, muss deshalb die Polarisationsabhängigkeit bekannt sein.
12
Bei Messungen mit größeren Absaugspannungen fällt entsprechend der Fehler durch Feldinhomogenitäten
im Bereich der Eintrittsöffnung stärker ins Gewicht.
73
3 Experiment
2.0
y=Drehachse
φ=2°
6°
10°
14°
20°
f
z
=45°
La
se
rp
uls
Ekin [eV]
Probe
1.5
1.0
TOF
0.5
0.00
0.05
0.10 -1 0.15
k|| [Å ]
0.20
Abbildung 3.19: (links) Geometrie der Dispersionsmessungen: Bei festem Winkel zwischen einfallendem Licht und TOF wird die Probe um die Achse senkrecht zur Einfallsebene (y-Achse) gedreht.
(rechts) Zusammenhang zwischen kinetischer Energie und dem Wellenvektor kk für verschiedene
Emissionswinkel φ.
Winkel- und Parallelimpulsauflösung des TOF
Bei winkelaufgelösten Messungen erhalten von den für die Energiemessung aufgeführten
Fehler besondere Relevanz:
• die Position des Laserspots auf der Probe relativ zur Spektrometeröffnung
• der Öffnungswinkel des Spektrometers von 7.6◦ , gegeben durch den Durchmesser der
Detektorfläche und die Länge der Flugstrecke.
Liegt der Laserspot auf der Probe nicht auf der Drehachse des Kristalls, so ändert sich
die Position aufgrund des Einfallswinkels des Lichts von 45◦ bzgl. der Spektrometerachse
sowohl auf der Probe als auch relativ zum Spektrometer. Als Konsequenz ergibt sich ein
systematischer Fehler in der Flugstrecke, der zu einer asymmetrischen Verzerrung der
Dispersionskurven führt. Außerdem werden die Intensitäten der Spektren verfälscht, da
sich der Laserspot von der Spektrometerachse entfernt.
Der Öffnungswinkel des Spektrometers führt sowohl zu einem systematischen als auch zu
einem statistischen Fehler, da die unterschiedlichen Emissionswinkel mit unterschiedlicher
Gewichtung in die Messung eingehen. Sei α der Öffnungswinkel des Spektrometers und φ
der Winkel zwischen Spektrometerachse und Oberflächennormale, so ergibt sich für den
Emissionswinkel ϕ auf der Einheitskugel eine Bogenlänge s, die auf den Detektor fällt:
µ
¶
cos(α) − cos(β) cos(ϕ)
s = 2 arccos
sin(ϕ)
(3.13)
sin(β) sin(ϕ)
Die Gewichtung der einzelnen Emissionswinkel ϕ ist für verschiedene Spektrometerwinkel in Abbildung 3.21(a) dargestellt. Der systematische Fehler des Winkels liegt für
74
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
z
Spektrometerachse
g
j
Abbildung 3.20: Skizze zur Berechnung der
Winkelauflösung des TOF: Für einen festen Winkel φ zwischen Spektrometerachse und Oberflächennormale wird eine Verteilung von Emissionswinkeln ϕ detektiert.
f
a
y
Probe
3.0
0.5
2.5
0.4
k||(φ)
k||(ϕm)
2.0
Ekin [eV]
diff. Nachweiswahrscheinlichkeit
x
0.3
0.2
1.5
1.0
0.1
0.5
0.0
0.0
0.00
0
5
10
ϕ [°]
15
20
0.05
0.10
k|| [Å]
0.15
0.20
Abbildung 3.21: (a) Detektionswahrscheinlichkeiten für verschiedene Emissionswinkel ϕ: Die
senkrechten Striche bezeichnen den Spektrometerwinkel φ. (b) Detektierter Bereich im k-Raum
für φ=10◦ unter Annahme rotationssymmetrischer Emission.
Normalemission bei 2.5◦ und fällt für φ>5◦ auf unter 0.4◦ , der statistische Fehler steigt
von 0.9◦ auf 1.9◦ .
Gerade wenn es um die Interpretation von Intensitäten geht, muss man die Energieabhängigkeit der Nachweiswahrscheinlichkeit berücksichtigen [Wol99]. Für das Spektrometer
sollte in guter Näherung erfüllt sein, dass die Zustandsdichte im k-Raum konstant ist. In
diesem Fall steigt√die Zahl der Zustände, die in einem Energieintervall dE liegen, proportional zu k bzw. Ekin an. Der Effekt ist demnach insbesondere für Peaks relevant, die
bei niedrigen kinetischen Energien gemessen werden. Abbildung 3.21(b) zeigt den in das
2PPE-Spektrum eingehenden Bereich des kk -Raums exemplarisch für einen Spektrometerwinkel φ=10◦ . Da der Einfluss der Winkelauflösung auf die Spektren damit stark von
der Bandstruktur der untersuchten elektronischen Zustände abhängt, muss in eine quantitative Auswertung von Dispersionsmessungen die Winkelauflösung konkret eingerechnet
werden.
Einfluss der Absaugspannung auf 2PPE-Intensitäten
Im Zusammenhang mit der Winkelauflösung des Spektrometers steht auch der Einfluss
der Potentialdifferenz U zwischen Probe und Spektrometer, kurz als Absaugspannung
75
3 Experiment
bezeichnet, auf den Intensitätsverlauf der 2PPE-Spektren in Normalemission. Durch die
Beschleunigung in Richtung Spektrometer können Elektronen mit größeren Emissionswinkeln als dem Öffnungswinkel noch den Detektor erreichen, so dass sich ein effektiv
größerer Öffnungswinkel ergibt, abhängig von der kinetischen Energie der Elektronen und
der Absaugspannung. Für diesen gilt näherungsweise
r
Ekin − eU
sin(α̂) = sin(α)
.
(3.14)
Ekin
Die Anwendung dieser Gleichung auf Serien von Spektren mit verschiedenen Absaugspannungen führt zu einer Überkorrektur der Spektren. Der Grund liegt darin, dass wegen des
Felddurchgriffs in die Spektrometeröffnung Elektronen in den Randbereichen der Öffnung
auch eine Beschleunigung zur Seite erfahren. Recht gute Ergebnisse für die Korrektur
werden erzielt, wenn man einen Mittelwert aus α und α̂ verwendet. Abbildung 3.22 zeigt
die resultierenden Gewichtungen unter der Annahme isotroper Emission. Diese Annahme ist am ehesten im Bereich langsamer Elektronen gerechtfertigt, da 2PPE-Spektren in
diesem Energiebereich meist aus (gestreuten) Sekundärelektronen bestehen13 . Nahe der
sekundären Kante ist die Veränderung des Intensitätsverlaufs wiederum besonders stark.
Die Korrektur wird im Folgenden nur in der Interpretation weniger 2PPETDS-Messungen
benutzt, bei denen Absaugspannungen von ∼1.5 eV auftreten können.
2PPE Intensität
Abbildung 3.22: Korrekturfunktionen für
die 2PPE-Intensität bei verschiedenen Absaugspannungen unter der Annahme isotroper
Emissionswahrscheinlichkeit. Die steile Kante entspricht jeweils der Kontaktpotentialdifferenz zwischen Probe und Spektrometer.
0.0
13
0.5
1.0
Ekin [eV]
1.5
2.0
Daher stammt auch die Bezeichnung sekundäre Kante“ für die niederenergetische Kante des Spektrums.
”
76
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
3.2.3 Grundlegende Analyse der 2PPE-Spektren und Messprinzipien
In diesem Abschnitt wird dargelegt, wie man aus der energieaufgelösten Messung photoemittierter Elektronen auf Eigenschaften der Zustände, aus denen die Elektronen emittiert
wurden, zurückschließen kann. Außerdem werden die verschiedenen Messprinzipien zur
Untersuchung der Dynamik elektronischer Anregungen vorgestellt.
Definition der Energieskala
Mit einem Flugzeitspektrometer wird die kinetische Energie Ẽ der Elektronen in der Flugröhre gemessen. Die Referenzenergie ist also das Vakuumniveau des Spektrometers ẼVak ,
eine Größe, die keine feste Beziehung zu Eigenschaften der untersuchten Probe besitzt. Es
ist deshalb erforderlich, die Energieskala auf eine physikalisch relevante Referenzenergie
umzurechnen.
~
~
EVak
EF
~
~
Spektrometer
Ekin = Efin - EVak
Probe
Ekin = Efin - EVak
hn2
hn1
(EFK - EF) = hn1+ hn2
F = (EVak - EF)
F = hn1+ hn2 - (EFK - EVak )
Endzustände
(Efin - EF) = hn1+ hn2 - (EFK - Efin)
Efin
Zwischenzustände
hn1
Anfangszustände
E
hn2
E
(E
(2)
- EF) = (Efin - EF) - hn2
(2)
(1)
(E - EF) = (Efin - EF) - hn1
(1)
hn1
hn2
(E
ini
- EF) = (Efin - EFK )
Eini
EF
EVak
EFK
Energie
Abbildung 3.23: Berechnung der Energieskalen aus hoch- (EFK ) und niederenergetischer Kante (EVak ) des 2PPE-Spektrums. Die Energiebereiche der Anfangs- (Eini ), Zwischen- (E (1) und
E (2) ) und Endzustände (Efin ), die im Spektrum (ganz oben) abgebildet werden, sind jeweils grau
hinterlegt.
In Abbildung 3.23 ist dargestellt, wie sich aus 2PPE-Spektren bei bekannten Photonenenergien hν1 und hν2 die Lage des Vakuumniveaus EVak und des Fermi-Niveaus EF der
Probe ergeben und wie man daraus die energetische Lage von Anfangs-, Zwischen- und
Endzuständen im 2PPE-Prozess ableiten kann. Dabei ist die Energie der beiden Photonen verschieden gewählt (bichromatische 2PPE14 ). Im oberen Teil ist die Energieskala des
77
3 Experiment
Spektrometers aufgetragen, im unteren die der Probe.
Das Vakuumniveau der Probe entspricht der niederenergetischen Kante des Spektrums,
da die Energie eines Elektrons größer sein muss als EVak , damit es die Probe verlassen kann.
Wie das Vakuumniveau der Probe EVak relativ zu dem des Spektrometers ẼVak liegt, hängt
vom Kontaktpotential und der angelegten Biasspannung zwischen Probe und Spektrometer
ab (vgl. S. 71). Die Biasspannung wurde bei den meisten Messungen so gewählt, dass die
Vakuumkante der Probe im Spektrum sichtbar ist. Die hochenergetische Kante des 2PPESpektrums wird auch als Fermi-Kante, EFK , bezeichnet, da die schnellsten Elektronen
diejenigen sind, die direkt vom Fermi-Niveau durch Absorption zweier Photonen angeregt
werden. Die Energiedifferenz zwischen Fermi-Niveau und Vakuumniveau entspricht der
Austrittsarbeit Φ der Probe.
Von der Endzustandsenergie des photoemittierten Elektrons kann man auf die Energie
des Zwischenzustands zurückschließen, indem man die Energie des Probe-Photons abzieht. Entsprechend kann man auf die Energie der Anfangszustände zurückrechnen. Die
energetischen Bereiche, die mit den jeweiligen Photonenenergien abgefragt werden, sind in
Abbildung 3.23 mit dunkelgrauen Feldern markiert. Anders als bei vielen anderen zeitaufgelösten Spektroskopiemethoden ist bei der 2PPE nicht von vorn herein festgelegt, welcher
Laserpuls als Pump und welcher als Probe fungiert. Die Unterscheidung ist möglich durch
die Messung der Photonenenergieabhängigkeit und aus zeitaufgelösten Spektren (siehe
unten). Für die Zuordnung von Energieachsen wird in unklaren Fällen mit hochgestellten
Indizes angegeben, mit welchem Puls die Elektronen abgefragt wurden.
So wie ein Elektron durch ein Photon des Pump- und ein Photon des Probe-Pulses angeregt und emittiert werden kann, ist der entsprechende Prozess auch mit zwei Photonen
aus einem Laserpuls möglich, solange die gesamte Anregungsenergie die Austrittsarbeit
übersteigt. Das bedeutet, dass 2PPE-Spektren neben dem korrelierten Spektrum immer
einen Signalanteil beinhalten, der unabhängig von der Pump-Probe-Verzögerung ist. Dieser
Anteil wird bei zeitaufgelösten Messungen meist als Untergrund abgezogen. Als Beispiel
sind in Abbildung 3.24 zwei 2PPE-Spektren der Ru(001)-Oberfläche gezeigt, von denen
eins mit UV (hν1 ) und VIS (hν2 ) bei zeitlichem Überlapp der Pulse und eins nur mit
UV-Licht aufgenommen wurde. Mit sichtbaren Pulsen allein wären 3 Photonen zur Anregung eines Elektrons bis über das Vakuumniveau erforderlich, weshalb dieser Beitrag
zum Spektrum vernachlässigbar klein ist. Neben der Achse für die kinetische Energie im
TOF-Spektrometer (oben) sind die Achsen für die Zwischenzustandsenergien eingezeich(1+2)
net. In der halblogarithmischen Darstellung sind deutlich die zwei Fermi-Kanten EFK
(1+1)
und EFK erkennbar. Der Peak A bei 4.8 eV über EF wird mit hν1 bevölkert und kann mit
beiden Photonenenergien abgefragt werden, so dass auch dieser Peak zweimal im Spektrum
auftaucht. Es handelt sich dabei um den n=1-Bildladungszustand der sauberen Ru(001)Oberfläche. Peak B rührt von einem Maximum in der Zustandsdichte der d-Bänder 1 eV
über EF her. Diese Zustände können nur mit hν1 abgefragt werden. Für die Population
kommen jedoch beide Photonenenergien in Frage, so dass dieser Peak auch im korrelierten
Spektrum auftaucht.
14
Obwohl experimentell bei den meisten Messungen das UV-Licht durch Frequenzverdopplung des sichtbaren erzeugt wurde, wird hier UV als hν1 bezeichnet, weil bei den hier vorgestellten Experimenten die
relevanten Zustände an der Eis/Metall-Grenzschicht durch Absorption von UV-Licht bevölkert werden.
78
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
2PPE-Intensität [willk. Einh.]
1
10
10
10
10
10
10
10
4
2
~
Ekin [eV]
EVak
A
B
3
3
(2)
4
5
hν1=5.0 eV
hν2=2.5 eV
(1)
(1)
A
(1+2)
EFK
2
(1+1)
1
EFK
0
-1
3
E
-2
(2)
4
- EF [eV]
1
5
2
E
(1)
3
- EF [eV]
4
5
Abbildung 3.24: exemplarische 2PPE-Spektren der Ru(001)-Oberfläche in halblogarithmischer
Darstellung. Die Differenz aus UV+VIS-Spektrum (rot durchgezogen) und UV-Spektrum (gestrichelt) ergibt das korrelierte Pump-Probe-Spektrum. An den spektroskopischen Merkmalen ist jeweils durch hochgestellte Indizes angegeben, mit welchen Photonen die Zustände abgefragt werden.
Polarisationsabhängige Messungen
Sofern nicht anders angegeben, wurden alle 2PPE-Messungen in dieser Arbeit mit linearer
Polarisation der Laserpulse parallel zur Einfallsebene auf den Probenkristall durchgeführt.
Durch Variation der Polarisationsrichtung kann man zusätzlich Einblick in die Symmetrie
der untersuchten elektronischen Zustände gewinnen. Die Geometrie des Aufbaus ist in
Abbildung 3.25 exemplarisch für einen Strahl dargestellt.
y
x
z
Abbildung 3.25: Geometrie der
Polarisationsmessungen: Die Polarisation der Laserpulse kann unabhängig voneinander um beliebige
Winkel gegenüber der Einfallsebene
gedreht werden. Die Elektronen werden in senkrechter Emission detektiert.
s-pol.
Probe
a
=45°
ol.
p-p
e
TOF
La
s
er
p
/2-Platte
uls
Die polarisationsabhängigen Messungen in dieser Arbeit wurden alle für die Emissionsrichtung senkrecht zur Oberfläche durchgeführt. Der optische Aufbau mit getrennten
Strahlengängen für Pump- und Probe-Pulse auf dem letzten Stück zur Probe ermöglicht
es, die Polarisationsrichtung der beiden Pulse unabhängig voneinander mit λ/2-Platten
um beliebige Winkel α zu drehen. α = 0◦ entspricht jeweils p-polarisiertem Licht.
79
3 Experiment
Zeitaufgelöste 2PPE-Spektroskopie
Die Elektronendynamik nach einer optischen Anregung lässt sich studieren, indem man
für verschiedene Verzögerungen ∆t zwischen Pump- und Probe-Pulsen 2PPE-Spektren
aufnimmt und so quasi eine Filmsequenz der Dynamik erstellt. Die Zeitauflösung liegt im
Bereich von 1/10 der Laserpulsdauern, hier also bei weniger als 10 fs. Um den Einfluss
von Schwankungen in der Laserleistung zu minimieren, werden in mehreren Durchgängen
jeweils für 0.2 bis 1 s Spektren bei jedem ∆t akkumuliert. Das Ergebnis einer solchen
Messung an einer nicht vollständig bedeckenden amorphen Eisschicht auf Cu(111) ist in
Abbildung 3.26 gezeigt. In dem Falschfarbenplot (a) ist die 2PPE-Intensität in Abhängigkeit der Energie und der Pump–Probe-Verzögerung dargestellt. Die verwendete Farbskala
(rechts oben) ist an die geographischer Karten angelehnt.
Ein Schnitt entlang der Energieachse entspricht dem 2PPE-Spektrum bei einem bestimmten ∆t (rechts exemplarisch gezeigt bei ∆t=0). Aus der Folge der Spektren ergibt
sich u.a. die zeitliche Entwicklung der Bindungsenergie eines Zustands. Integriert man die
Intensität über einen bestimmten Energiebereich, so ergibt sich als Funktion von ∆t eine sog. Kreuzkorrelation (XC), die ein Abbild der Populationsdynamik in dem jeweiligen
Energiebereich ist. Gezeigt sind hier im oberen Teil der Abbildung Kreuzkorrelationen,
die verschiedene Anregungsmechanismen widerspiegeln. Die zugehörigen Energiebereiche
sind im Spektrum bei ∆t=0 farbig markiert.
Bei dem mit SS bezeichneten Peak handelt es sich um den besetzten Oberflächenzustand 0.4 eV unterhalb des Fermi-Niveaus, also einen Anfangszustand im 2PPE-Prozess
(Energieskala am rechten Rand des Spektrums bei ∆t=0. Da die Zwischenzustände des
2PPE-Prozesses in die Bandlücke der Cu(111)-Oberflächenbandstruktur fallen, werden die
Elektronen durch eine direkte Zwei-Photonenanregung emittiert, wenn kein Bildladungszustand oder Adsorbatzustand resonant angeregt wird. Die gemessene Kreuzkorrelation
entspricht dann der Kreuzkorrelationsfunktion der beiden Laserpulse gefaltet mit der experimentellen Auflösung, also gerade der Größe, die auch in die Auswertung von Lebensdauern nach den Ratengleichungen (Kap. 2.5.1) eingeht. Außerdem erhält man sehr präzise
den Zeitnullpunkt der Messung. Auf der Ru(001)-Oberfläche existiert kein vergleichbarer
Zustand. Der Zeitnullpunkt und die Pulsdauern wurden in diesem Fall aus einer Kreuzkorrelation in einem Energiebereich nahe der hochenergetischen Kante des korrelierten
Spektrums bestimmt, der durch angeregte Elektronen im Substrat dominiert ist. Die Lebensdauer dieser Zustände und damit auch der Fehler der Zeitnullpunktsbestimmung liegt
im Bereich weniger Femtosekunden.
Die im Zusammenhang mit der Elektronendynamik in adsorbierten Eisschichten relevanten Zustände werden durch eine Anregung mit UV-Licht bevölkert. Die Zeitachse ist deshalb so gewählt, dass bei allen Messungen zur Ultrakurzzeitdynamik ∆t die Verzögerung
des sichtbaren Pulses (VIS) mit hν2 relativ zum UV-Puls mit hν1 bezeichnet. Entsprechend ihrer Lebensdauer ist z.B. die Kreuzkorrelation im Energiebereich der solvatisierten
Elektronen 2.5–3.0 eV über EF (rechte Energieachse) zu positiven Verzögerungszeiten verbreitert.
Das Signal bei negativen Verzögerungszeiten (VIS-Pump und UV-Probe) und Energien
nahe dem Fermi-Niveau (linke Energieskala) ist ein Abbild des Thermalisierungs- und Abkühlprozesses angeregter Elektronen im Substrat. Die Dynamik dieser heißen Elektronen“
”
80
3.2 Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie
100
SS
80
60
"heiße"
Elektronen
solvatisierte
Elektronen
40
20
rel. Intensität [%]
2PPE-Intensität
(c)
0
-200
0
200
(a)
400
hn1=4.10 eV
hn2=2.05 eV
2.0
Dt=0 fs
IS
4.0
(1)
3.0
0.5
2.5
-1.0
solvatisierte
Elektronen
-1.5
"heiße"
Elektronen
0.0
-200
0
200
400
Pump-Probe-Verzögerung Dt [fs]
Eini- EF [eV]
1.0
-0.5
(2)
3.5
E - EF [eV]
E - EF [eV]
SS
1.5
0.0
(b) -2.0
2PPE-Intensität
hn2
hn1
EVak
EVak
hn1
hn2
EF
EF
t
t
Abbildung 3.26: Zeitaufgelöste 2PPE: (a) Intensität als Funktion der Energie und der PumpProbe-Verzögerung in Falschfarbendarstellung (Farbskala rechts oben). (b) 2PPE-Spektrum bei
∆t=0 fs (entnommen aus (a)). (c) Kreuzkorrelationen in den im Spektrum markierten Energiebereichen: XC des besetzten Oberflächenzustands (SS) dient der Pulscharakterisierung und der
Bestimmung des Zeitnullpunkts, da kein Zwischenzustand mit endlicher Lebensdauer involviert
ist. Die XCs im Bereich der solvatisierten Elektronen und der heißen“ Elektronen zeigen Verbrei”
terungen in unterschiedliche Richtungen, da erstere mit hν2 , letztere mit hν1 abgefragt werden
(vgl. Schema).
81
3 Experiment
ist für Ruthenium im Zusammenhang mit den Messungen an den Eisschichten untersucht
worden [Lis04]. Sie ist aber nicht Gegenstand dieser Arbeit.
Echtzeitentwicklung von 2PPE-Spektren
Ein 2PPE-Spektrum entsteht, indem man viele Einzelexperimente bestehend aus einem
Pump- und einem Probe-Puls durchführt und die Ergebnisse aufsummiert. Im konkreten
Fall der hier vorgestellten Untersuchungen wurden entsprechend der Repititionsrate des
Lasersystems von 200 kHz also 200.000 Einzelexperimente pro Sekunde durchgeführt. Es
hat sich herausgestellt, dass für die untersuchten Adsorbatsysteme diese Einzelexperimente
nicht mehr unabhängig voneinander sind, teils, weil sich durch die Beleuchtung mit UVLicht die Struktur der Eisschichten geringfügig ändert, mehr aber, weil insbesondere in
kristallinen Eisschichten elektronische Zustände auftreten, deren Lebensdauer lang ist im
Vergleich zu der Zeit von 5 µs zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pulspaaren.
Um die Lichtempfindlichkeit der adsorbierten Eisschichten und die Populationsdynamik
ultralanglebiger Zustände untersuchen zu können, wurde ein Verfahren entwickelt, um die
Echtzeitentwicklung des 2PPE-Spektrums bestehend aus einer Vielzahl von Pulspaaren
bei konstanter Pump–Probe-Verzögerung mitzuverfolgen. Dazu wurde das akkumulierte
2PPE-Spektrum in regelmäßigen Zeitabständen ausgelesen ohne die Messung zwischendurch zu stoppen. So konnte die Entwicklung der 2PPE-Spektren mit einer Zeitauflösung von 25 ms aufgenommen werden. Zur Differenzierung zwischen den unterschiedlichen
Zeitachsen wird in dieser Arbeit für die Verzögerung zwischen Pump und Probe durchgängig die Bezeichnung ∆t verwandt, während mit t die Echtzeitskala der Entwicklung von
2PPE-Spektren bei fester Pump-Probe-Verzögerung bezeichnet wird.
Temperatur- und bedeckungsabhängige Messungen
Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem es möglich ist, 2PPESpektren bei variablen Temperaturen zwischen 30 und 1000 K zu messen. Die Probe wird
geheizt, indem ein Strom durch die Tantaldrähte geschickt wird, mit denen die Probe gehaltert ist. Während einer 2PPE-Messung muss die Probe auf einem definierten Potential
liegen, es darf also kein Strom durch die Probe fließen. Deshalb wird in Zyklen von ein bis
zwei Sekunden abwechselnd gemessen und geheizt. Um sicherzustellen, dass keine Störungen durch die elektrischen Zuleitungen vom Netzteil eingefangen werden, sind direkt an
den elektrischen Durchführungen zum UHV elektronisch steuerbare Schalter angebracht,
mittels derer die Probe während der Messzeit von den Stromzuleitungen getrennt und auf
ein konstantes Potential gelegt werden kann. Unabhängig von der 2PPE-Messung kann
fortwährend die Probentemperatur und das Signal vom Massenspektrometer eingelesen
werden. Heizt man die Probe mit konstanter Heizrate, können parallel 2PPE-Spektren und
TDS gemessen werden. Dadurch, dass sich das Massenspektrometer im Präparationsteil
der UHV-Kammer, die Probe aber in der Magnetfeldabschirmung des TOF-Spektrometers
befindet, erreicht das Signal/Rausch-Verhältnis eines so aufgenommenen TDS nicht die
Qualität eines TDS mit der Probe direkt vor dem Massenspektrometer. Die Auflösung
reicht dennoch aus, um die 2PPE-Intensität nicht nur über der Temperatur, sondern auch
als Funktion der Bedeckung auszuwerten.
82
4 Elektronensolvatisierung in amorphen
Eisschichten
Adsorbiert man Wasser auf Metalloberflächen, so hängt die Elektronendynamik im Bereich
der Oberfläche stark von der Struktur der adsorbierten Schicht ab. Grundsätzlich kann man
hier unterscheiden zwischen Multilagenbedeckungen und Schichten, deren Bedeckung in
der Größenordnung einer Bilage liegt. Für niedrige Bedeckungen ist die Struktur entscheidend von der Wasser-Metall-Wechselwirkung bestimmt. Mit zunehmender Schichtdicke
treten immer mehr die Eigenschaften von Eis im Volumen in den Vordergrund. Es zeigen sich große Unterschiede zwischen amorphen und kristallinen Schichten, wobei dem
Lokalisierungsgrad elektronischer Zustände eine besondere Bedeutung zukommt.
Das Prinzip der Experimente zur Untersuchung der Elektronendynamik ist in Abbildung
4.1 schematisch dargestellt. Ein UV-Laserpuls (mit Photonenenergie hν1 ) regt im Metallhn2 e
E
EVak
CB
hn1
EF
Metall
Eis
}
Egap
Abbildung 4.1: Schematische Darstellung der
2PPE-Experimente zur Elektronendynamik in
adsorbierten Eisschichten. Die Elementarschritte elektronischer Prozesse an der Metall/EisGrenzfläche sind durch Pfeile illustriert: optische
Anregung im Metall, Elektronentransfer ins Leitungsband (CB) der Eisschicht, Lokalisierung und
Solvatisierung, abschließend Rücktransfer ins Metall oder Photoemission durch 2. Laserpuls.
VB
z
substrat Elektronen von unterhalb des Fermi-Niveaus (EF ) in gebundene Zwischenzustände an, aus denen ein Transfer in Leitungsbandzustände der Eisschicht stattfinden kann
(vgl. Kap. 2.4). Ein Teil der Elektronen wird in der Eisschicht lokalisiert und anschließend
energetisch stabilisiert. Die Zunahme der Bindungsenergie wird der Solvatisierung von
Elektronen zugeschrieben. Entsprechend der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen in der Nähe des Metallsubstrats zerfällt die Population der angeregten Zustände durch
Streuung mit Elektronen im Substrat. Durch einen zweiten Laserpuls (hν2 ) kann die Elektronenverteilung in den verschiedenen Entwicklungsstadien durch Photoemission abgefragt
werden. Auf diese Weise ist es möglich, die elementaren Prozesse des Ladungstransfers, der
Lokalisierung und der Stabilisierung zu untersuchen. Die Elektronendynamik in amorphen
Eisschichten zeichnet sich dadurch aus, dass das Frühstadium der Bildung solvatisierter
Elektronen auf ultraschnellen Zeitskalen aufgelöst werden kann. Besonders deutlich treten
die elementaren Prozesse auf der Cu(111)-Oberfläche hervor, weil die Wechselwirkung mit
83
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
dem Substrat schwach und die Lebensdauer der lokalisierten Zustände relativ lang ist.
4.1 Elektronendynamik in amorphem Eis auf Cu(111) im
Überblick
3.5
0.5
eCB
eS
1.0
2.5
1.5
-200
eS
0
200 400 600 800 1000
Pump-Probe-Verzögerung ∆ t [fs]
eCB
0
∆ t [fs]
3.0
0.0
2PPE-Intensität
D2O/Cu(111)
hν1=3.92 eV
hν2=1.96 eV
EVak - E [eV]
Zwischenzustandsenergie
4.0
Bindungsenergie
E - EF [eV]
Zunächst steht die Elektronendynamik in amorphen Eismultilagen im Mittelpunkt. Anhand einer zeitaufgelösten 2PPE-Messung einer nominell 4 BL dicken amorphen D2 OSchicht auf der Cu(111)-Oberfläche1 soll ein Überblick gegeben werden, wie sich die in Abbildung 4.1 dargestellten Elementarschritte im Experiment äußern. Abbildung 4.2 zeigt die
2PPE-Intensität in Abhängigkeit der Verzögerung zwischen den Pump- und Probe-Pulsen.
Die Energieachsen der Falschfarbendarstellung geben die Lage der mit hν2 abgefragten
Zwischenzustände relativ zum Fermi-Niveau (EF ) und zum Vakuumniveau an. Im rechten
Teil der Abbildung sind außerdem einzelne Spektren aus derselben Messung dargestellt.
Die vertikale Verschiebung der einzelnen Spektren entspricht gerade der Verzögerung ∆t,
bei der sie aufgenommen wurden. 2 Die Spektren setzen sich aus zwei verschiedenen Signalen wasserinduzierter Zustände zusammen, einem sehr kurzlebigen, breiten Signal, das sich
von ∼3 eV über dem Fermi-Niveau (EF ) bis zur hochenergetischen Kante des Spektrums
erstreckt und dem Leitungsband der Eisschicht zugeschrieben wird (eCB ), und einem Peak
2.9 eV über EF , dessen Maximum sich mit 0.27 eV/ps in Richtung Fermi-Niveau verschiebt
(eS ). Dieser Prozess wird als Bildung solvatisierter Elektronen interpretiert.
200
400
600
2.5
3.0
3.5
E - EF [eV]
4.0
Abbildung 4.2: Elektronendynamik in 4 BL D2 O/Cu(111):(links) Falschfarbendarstellung der
2PPE-Intensität in Abhängigkeit der Pump–Probe-Verzögerung ∆t für verschiedene Zwischenzustandsenergien. Die zeitliche Entwicklung des Peakmaximums von eS ist mit runden Symbolen
markiert. (b) Einzelne Spektren aus derselben Messung. Die vertikale Verschiebung der Spektren
entspricht gerade ∆t.
1
Sowohl die Präparation der amorphen Eisschicht als auch die Messung erfolgten bei einer Temperatur
von 100 K
2
Dargestellt ist das korrelierte Signal nach Abzug des zeitlich konstanten Untergrundspektrums.
84
4.2 Elektronische Struktur der statischen amorphen Eisschicht
Direkte Anregungen innerhalb der Eisschicht sind bei den verwendeten Photonenenergien
um 3.9 eV wegen der Bandlücke von Eis (vgl. Kap. 2.1.5) nur über Mehrphotonenprozesse
möglich und somit unwahrscheinlich. Die Besetzung angeregter Zustände im Eis erfolgt
deshalb durch optisch induzierte Elektroneninjektion aus dem Metallsubstrat. Direkt nach
der Anregung findet man mittels winkelaufgelöster 2PPE die typische elektronische Struktur eines amorphen Halbleiters mit einem Band parallel zur Oberfläche delokalisierter
Zustände und lokalisierten Zuständen im Energiebereich des Bandbodens (Kap. 4.2). Die
Bildung solvatisierter Elektronen umfasst zwei Prozesse, die Lokalisierung der Überschussladung und deren Stabilisierung durch Energietransfer in Kernbewegungen. Während die
Lokalisierung in weniger als 20 fs erfolgt (Kap. 4.3.1), kann die Stabilisierung über mehr
als eine Pikosekunde verfolgt werden, bevor die Population durch Rücktransfer ins Metall
weitgehend abgebaut ist (Kap. 4.3.2 und 4.3.3). Die zeitliche Entwicklung der Linienform
und die Winkelabhängigkeit der 2PPE-Intensitäten geben Einblick in den Aufbau der Solvathülle und die zunehmende Einschnürung der elektronischen Wellenfunktion. Man findet
dabei eine Korrelation zwischen der Ausdehnung der Wellenfunktion und der Stabilisierung
des Elektrons (Kap. 4.3.4 und 4.3.5). Um herauszufinden, welche Elementaranregungen für
den Aufbau der Solvathülle maßgeblich verantwortlich sind, wurden Messungen mit verschiedenen Isotopen und bei unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt (Kap. 4.3.6).
Auf der Basis all dieser Ergebnisse kann der Gesamtprozess mit den verschiedenen Energieflüssen zwischen Substrat und Adsorbat und zwischen Elektron und Wasserumgebung
anhand einer schematischen Potentialdarstellung entlang einer Solvatisierungskoordinate
diskutiert werden (Kap. 4.3.7).
In adsorbierten Eisschichten hat man die Möglichkeit, in die Struktur der Solvathülle
und damit in den Solvatisierungsprozess einzugreifen. So wird der Stabilisierungsprozess
bei niedrigen Bedeckungen deutlich beschleunigt, was auf den Einfluss der Eisoberfläche
zurückgeführt wird (Kap. 4.4). Wechselt man von Cu(111) auf die Ru(001)-Oberfläche,
mit der die Wassermoleküle stärker wechselwirken, wird der Rücktransfer ins Substrat
etwa um einen Faktor 4 beschleunigt (Kap. 4.5). Die Ordnung innerhalb der Eisschicht
schließlich hat so starken Einfluss auf die Möglichkeit der Wassermoleküle, auf eine Überschussladung zu reagieren, dass der Elektronendynamik in kristallinen Eisschichten eigene
Kapitel gewidmet sind.
4.2 Elektronische Struktur der statischen amorphen Eisschicht
Durch das Fehlen einer langreichweitigen Ordnung ist die elektronische Struktur im Energiebereich des Leitungsbands von amorphem Eis geprägt durch das Nebeneinander von
Zuständen unterschiedlicher räumlicher Ausdehnung (vgl. Kap. 2.1.5). Mit winkelabhängiger 2PPE hat man die Möglichkeit, zwischen delokalisierten und lokalisierten Zuständen
aufgrund ihrer Dispersion parallel zur Oberfläche zu unterscheiden (vgl. Kap. 2.5.3). Da
sie sich jedoch in amorphen Eisschichten energetisch überlagern, ist die Separation der
verschiedenen Anteile nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Dynamik möglich.
Um Einblick in den Lokalisierungsgrad der beobachteten Zustände zu erhalten, wurden
zeitabhängige Messungen für verschiedene Emissionswinkel durchgeführt. Abbildung 4.3
zeigt exemplarisch Spektren (a) bei zeitlicher Überlappung von Pump und Probe und (b)
85
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
2PPE Intensität
bei einer Verzögerung von 200 fs. Zwei zeitliche Entwicklungen werden beobachtet. Zum
Einen verschiebt sich der gesamte Peak eS zu kleineren Energien. Zum Anderen verändert sich die Winkelabhängigkeit der Spektren. Zu Zeiten, zu denen das breite Kontinuum
(eCB ) beobachtet wird, verbreitert sich der Peak zu höheren Energien bei größeren Detektionswinkeln. Die Peakform legt nahe, dass es sich dabei um die Überlagerung aus
einem Band delokalisierter Zustände, quasi dem Leitungsband der Eisschicht (es ), mit einem lokalisierten Zustand handelt. Ansatzweise ist ein weiteres Band zu erkennen, dessen
Boden bei 3.3 eV über dem Fermi-Niveau liegt. Zu späteren Zeiten, wenn die Population
im Leitungsband zerfallen ist, verschiebt sich das Peakmaximum von es für große Detektionswinkel zu niedrigeren Energien. Dass diese scheinbar negative Dispersion konsistent ist
mit lokalisierten Zuständen, wird in Kapitel 4.3 anhand von Modellrechnungen gezeigt.
(a)
∆t=0 fs
(b)
∆t=200 fs
φ =0°
8°
14°
18°
2.5
3.0
E - EF[eV)]
Abbildung 4.3: 2PPE-Spektren für 4
verschiedene Emissionswinkel von 3 BL
D2 O/Cu(111): Bei ∆t=0 fs (oben) spaltet sich von eS mit zunehmendem Winkel
zu höheren Energien ein zweiter Peak ab,
einem Band delokalisierter Zustände entsprechend. Bei ∆t=200 fs (unten) bleibt
nur der Peak eS , wobei die Positionen
der Peakmaxima scheinbar eine negative
Dispersion ergeben.
3.5
Zur Separation der sich zu frühen Zeiten überlappenden delokalisierten und lokalisierten
Zustände wurde an die Spektren ein 2-Peakmodell angepasst. Der Peak des lokalisierten
Zustands eS wird wie zu späteren Zeiten durch eine Gauss- und eine Lorentz-Verteilung
für die hoch- bzw. niederenergetische Flanke beschrieben, das Leitungsband durch eine
Gauss-Funktion. Da letzteres eine Eigenschaft der ungestörten Eisschicht ist, ist seine
Dispersion mit kk als zeitunabhängig angenommen. Das Untergrundsignal setzt sich aus
verschiedenen Beiträgen zusammen: Im zeitlichen Überlapp der Laserpulse existiert ein
Untergrund von angeregten Elektronen aus dem Substrat, überwiegend durch den sichtbaren Laserpuls erzeugt und mit dem UV-Puls emittiert (vgl. Kap. 3.2.3). Im Bereich
des Leitungsbands werden wegen der nicht scharf definierten Bandstruktur der amorphen
Eisschicht Elektronen bei allen Emissionswinkeln nachgewiesen. Das schwache Band bei
3.3 eV wird für den Fit dem Untergrund zugerechnet, der empirisch durch eine breite
Gauss-Verteilung genähert ist3 . Um die Zahl der Parameter zu reduzieren, wird die Form
des Untergrunds konstant gehalten und nur die Amplitude variiert. Bei großen Emissions3
Die Anpassung an die Spektren liefert qualitativ dasselbe Ergebnis bei Annahme eines linearen Untergrundverlaufs.
86
4.2 Elektronische Struktur der statischen amorphen Eisschicht
winkeln sind die beiden Peaks gut separierbar. Um die Energie des Leitungsbandbodens zu
bestimmen, ist die Position des Peaks für Winkel (φ ≤6◦ ) von den Ergebnissen der Anpassung bei großen Winkeln unter der Annahme einer parabolischen Dispersion extrapoliert
worden. In Abbildung 4.4(a) ist das Ergebnis der Anpassung, die die Spektren für alle
Zeiten und Winkel gut wiedergibt, exemplarisch für zwei verschiedene Zeiten und Winkel
gezeigt, Abbildung 4.4(b) fasst die resultierenden Peakpositionen zusammen. Die zeitliche
α=18°, ∆t=10 fs
(a)
1.00
20
0.95
(b)
α=18°, ∆t=100 fs
20
0
α=0°, ∆t=10 fs
(c)
100
Ekin [eV]
2PPE Intensität (norm.)
0
E(eS)
10 fs
50 fs
100 fs
0.90
∆t
0.85
0.80
0.75
-0.05
0
α=0°, ∆t=100 fs
(d)
100
E(eCB)
200fs
300fs
400fs
0.00
0.05
0.10
-1
k|| [Å ]
0.15
Anpassung
eS
eCB
Untergrund
0
0.5
1.0
1.5
Ekin [eV]
2.0
Abbildung 4.4: Zerlegung winkelabhängiger 2PPE-Spektren in Beiträge des Leitungsbands und
solvatisierter Elektronen zu frühen Zeiten nach der Anregung: (a) Anpassung an die Spektren, (b)
resultierende Peakpositionen: Zur Verdeutlichung der scheinbar negativen
Entwicklung der winkelabhängigen Spektren ist demnach nicht durch die kontinuierliche
Änderung der Dispersion eines Zustands, sondern durch die unterschiedlichen Lebensdauern von Leitungsband und lokalisierten Elektronen bedingt. Dabei zeigt eS von Anfang
an die charakteristische scheinbar negative Dispersion. Die genaue energetische Position
der Zustände ist für kleine Emissionswinkel schwer festzumachen, da mit Peakbreiten und
-amplituden viele freie Parameter eingehen. Der Peak der lokalisierten Zustände eS liegt
jedenfalls etwa am Boden des dispergierenden Bandes und hat einen Ausläufer zu niedrigeren Energien. Für die elektronische Struktur der amorphen Eisschicht ergibt sich damit
das typische Bild für einen amorphen Festkörper, dessen Struktur nicht soweit von der kristallinen abweicht, dass alle Zustände lokalisiert wären (vgl. 2.1.4, S. 19). Die Koexistenz
von delokalisierten und lokalisieren Zuständen wird deshalb in den hier vorgestellten Experimenten so deutlich, weil die lokalisierten Zustände unterhalb der Bandkante einen
kleineren Wellenfunktionsüberlapp mit dem Substrat haben und damit eine deutlich län-
87
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
gere Lebensdauer besitzen [Chu98]. Der Peak der lokalisierten Elektronen zeigt von Anfang
an scheinbar eine negative Dispersion.
Mit der zeitaufgelösten 2PPE ergibt sich hier eine sehr elegante Möglichkeit, die Lage
des Leitungsbands in amorphem Eis (und, unter der Annahme, dass die Eigenschaften von
amorphem Eis und Wasser sehr ähnlich sind, auch von Wasser) zu bestimmen. Diese Größe
ist für andere Messmethoden durch die Fähigkeit der Wassermoleküle, durch Reorganisation auf angeregte Ladungsträger zu reagieren, schwer zugänglich. So findet man für die
energetische Lage bzgl. des Vakuumniveaus in der Literatur Werte für Wasser zwischen
-0.1 eV und -1.2 eV [Coe97, Gra79, Jor71, Han90] und -0.9 eV für amorphes Eis [Bar78].
Mittels zeitaufgelöster 2PPE kann das Problem der Relaxierung umgangen werden, da
einerseits die zusätzliche Ladung aus dem Metall in die intakte Adsorbatschicht injiziert
wird und der Pump-Probe-Prozess auf einer Zeitskala erfolgt, auf der die Reorganisation
der Umgebung noch nicht zu einer Lokalisierung und Energieaustausch geführt hat. Andererseits können lokalisierte und delokalisierte Zustände aufgrund ihrer unterschiedlichen
Dispersion separiert werden.
Die energetische Lage des delokalisierten Zustands 1.05±0.02 eV unter dem Vakuumniveau darf nicht mit der Lage des Leitungsbands im Volumen von amorphem Eis verwechselt werden. Der Zustand liegt mitten in der Bandlücke der projizierten Bandstruktur der
Cu(111)-Oberfläche. Senkrecht zur Oberfläche zwischen Metalloberfläche und Vakuumbarriere eingesperrt zerfällt damit ein im Volumen kontinuierliches Band in eine Reihe
2-dimensionaler Bänder, deren energetische Lage von der Dicke der Schicht abhängt. Außerdem wird nahe der Metalloberfläche das Potential für die Überschussladung durch das
Bildladungspotential abgesenkt (2.2.3). Dies wird zwar durch die Eisschicht abgeschirmt,
doch geht hier nur die elektronische Polarisierbarkeit ein. Eine Ausrichtung der permanenten Dipole, die für die große statische Dielektrizitätskonstante von ∼100–300 [Tak97]
verantwortlich ist, findet auf der Zeitskala von wenigen fs nicht statt. Die elektronische
Struktur der angeregten Zustände sollte sich in diesem Zeitfenster näherungsweise durch
ein dielektrisches Kontinuumsmodell beschreiben lassen, da sich die permanenten Dipolmomente aufgrund der Protonenunordnung im Mittel kompensieren. In eine derartige
Rechnung (siehe Kap.2.2.3) gehen neben der Schichtdicke (d=3.6 Å pro BL) als bekannte
Größen die Dielektrizitätskonstante ε=1.75 [Pet99] und die Lage des Vakuumniveaus EVak
(siehe Kap. 4.4) ein. Die effektive Masse des Leitungsbands ist den 2PPE-Daten zufolge
parallel zur Oberfläche nahe der des freien Elektrons. Unter der Annahme verschiedener
Werte zwischen 1.0 und 1.5 me für die effektive Masse senkrecht zur Oberfläche wurde die
Lage des Leitungsbands so angepasst, dass die Bindungsenergie des energetisch niedrigsten
Zustands mit den Messdaten verträglich ist. Auf diese Weise ergibt sich der Abstand des
Leitungsbands vom Vakuumniveau zu V0 =0.85±0.15 eV und ist damit mit dem Literaturwert aus [Bar78] in Übereinstimmung. Dass im Experiment für ≥3 BL keine Bedeckungsabhängigkeit mehr beobachtet wird, deutet darauf hin, dass die effektive Masse größer als
me und entsprechend die Energie des Leitungsbands eher im unteren Bereich des Fehlerintervals liegt. Abbildung 4.5 zeigt für einen Parametersatz mit meff =1.5 me und V0 =0.75 eV
die Bindungsenergien und Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der drei niedrigsten angeregten
Zustände aus den Rechnungen mit dem Kontinuumsmodell. Die Zustände sind jeweils entsprechend der Anzahl der Knoten in der Wellenfunktion vor der Oberfläche mit n=1,2,...
88
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
|Ψ|
V0=0.75 eV
meff=1.5 me
4.5
2
V (z)
n=3
EVak
4.0
n=3
3.5
E - EF [eV]
E - EF [eV]
3.5
n=2
3.0
n=1
n=2
3.0
n=1
2.5
0
1
2
3
4
Bedeckung [BL]
5
Cu
0 3 BL D2O 10
20
30
z [Å]
Abbildung 4.5: DCM für das Leitungsband in amorphem Eis/Cu(111): (links) Energetische Lage
der energetisch niedrigsten Bildladungszustände. (rechts) Modellpotential und Wellenfunktionen
der Zustände n=1–3 für eine Schichtdicke von 3 BL.
bezeichnet. Für Bedeckungen ≥3 BL ändert sich die Bindungsenergie des niedrigsten Zustands nur noch sehr wenig, weil sich das Elektron hauptsächlich im Bildladungspotential
nahe der Metalloberfläche aufhält. Je weiter die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Zustände über die Eisschicht ausgedehnt ist, desto weniger ist eine Übereinstimmung des
Kontinuumsmodells mit der realen amorphen Struktur zu erwarten. Bemerkenswert ist
deshalb, dass der Zustand mit n=2 in der Gegend von 3.3 eV über EF liegt, wo auch in
den 2PPE-Spektren sehr schwach ein Peak erkennbar ist.
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
4.3.1 Lokalisierung
In Experimenten der Arbeitsgruppe von C. B. Harris zur Polaronbildung in Alkanschichten und zur Elektronensolvatierung in Alkohol- und Nitrilschichten wurde gezeigt, dass
in diesen geordneten Systemen der Elektronentransfer zunächst in delokalisierte Zustände
vor bzw. in der Adsorbatschicht erfolgt. Auf der Zeitskala von 100 fs konnte der Übergang
von delokalisierten zu den lokalisierten Zuständen und sogar eine Art eindimensionale Solvatisierung delokalisierter Zustände beobachtet werden [Ge98, Mil02, Liu02]. In amorphen
Eisschichten läuft die Elektronendynamik nach dem Ladungstransfer aus dem Substrat auf
zwei klar getrennten Zeitskalen ab. Die Population in den delokalisierten Zuständen der
Eisschicht zerfällt annähernd auf der Zeitskala der Kreuzkorrelation der Laserpulse. Übrig
bleiben lokalisierte Elektronen mit Lebensdauern von mehr als 100 fs. Im unteren Teil von
Abbildung 4.6 sind Kreuzkorrelationen für die verschiedenen Energiebereiche der 2PPESpektren dargestellt. Die Referenz zur Festlegung des Zeitnullpunkts bildet die Kreuzkorrelation im Bereich des besetzten Oberflächenzustands (SS) der Cu(111)-Oberfläche. Da
dieser Zustand für Multilagenbedeckungen nicht mehr als Peak in den Spektren erkennbar
ist, dient eine Kreuzkorrelation hochangeregter Elektronen nahe der Fermi-Kante als Refe-
89
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
renz.4 Im Bereich des schwachen Leitungsbandpeaks bei 3.3 eV über EF ist das Maximum
der Kreuzkorrelation um 15±5 fs verschoben. Die Lebensdauer liegt damit bei weniger als
20 fs und ist wegen der energetischen Nähe zu dem langlebigeren Zustand eS am Rande
der Auflösbarkeit. Da der Bandboden von eCB bei 2.9 eV mit eS überlappt, lässt sich hier
weder die Lebensdauer der ausgedehnten Zustände noch die Verzögerung der Besetzung
lokalisierter Zustände bestimmen. Den Messungen bei großen Emissionswinkeln zufolge
sind aber auch diese Zeiten sehr kurz (<20 fs). Anders als bei der Solvatisierung in den organischen Adsorbatschichten kann also in amorphen Eisschichten der Bevölkerungsprozess
der lokalisierten Zustände nicht zeitlich aufgelöst werden.
4.3.2 Stabilisierung
Ist einmal ein lokalisierter Zustand in der Eisschicht erreicht, setzt die energetische Stabilisierung durch die Anpassung der umgebenden Wassermoleküle ein. Abbildung 4.6 zeigt im
oberen Teil die zeitliche Entwicklung der energetischen Lage bzgl. Fermi- und Vakuumenergie. Die Kurve gibt die Position des Peakmaximums gemittelt über mehrere Messungen
von Multilagen D2 O/Cu(111) an. Das Zeitfenster, in dem die Solvatisierung mitverfolgt
werden kann, ist durch zwei verschiedene Prozesse begrenzt. Zum Einen verschiebt sich die
Position des Peaks an die untere Kante des Spektrums und wird abgeschnitten5 , zum Anderen zerfällt die Population durch Rücktransfer ins Metallsubstrat (Abbildung 4.6 unten).
Die Stabilisierung des Elektrons erfolgt im Zeit- und Energiefenster der Messungen mit
2PPE-Intensität (norm.)
1.1
1
XC
1.2
1.3
0.1
eS
eCB
1.4
(SS)
0.01
τ = 140 fs
eS
0
500
1000
1500
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
Bindungsenergie [eV]
Peakmaximum
Abbildung 4.6: (oben) Zeitliche
Entwicklung des Peakmaximums
von eS . (unten) Kreuzkorrelationen
in den Energiebereichen von eCB
und eS im Vergleich zur Kreuzkorrelation des besetzten Oberflächenzustands (SS). Die Anpassung eines exponentiellen Populationszerfalls wurde für die ersten 300 fs
durchgeführt. (Die Kurven geben jeweils Mittelwerte über Messungen
mit 3 bis 5 BL D2 O/Cu(111) wieder.)
einer mehr oder weniger konstanten Rate von 270±20 meV/ps, ohne dass die Bindungsenergie klar gegen einen asymptotischen Wert strebt. Da sich die 2PPE-Spektren über den
Zeitraum von einer Stunde nicht signifikant ändern, kann ausgeschlossen werden, dass es
4
Messungen mit und ohne Adsorbatschicht haben gezeigt, dass die Abweichungen der Zeitnullpunktsbestimmungen kleiner als 5 fs sind.
5
Außerdem ist im niederenergetische Teil des Spektrums der Einfluss der Spektrometerfunktion am stärksten (vgl. S.75). Da bei den Messungen auf der Cu(111)-Oberfläche der Pump-Puls jeweils die 2. Harmonische des Probe-Pulses war, hätte eine Erhöhung der Probe-Photonenenergie direkte Photoemission
durch den Pump-Puls zur Folge gehabt.
90
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
sich bei dem beobachteten Prozess um eine chemische Reaktion, z.B. eine Dissoziation,
handelt. Erst bei Bedeckungen von mehr als 4 BL wurde eine durch UV-Photonen hervorgerufene Änderung der Austrittsarbeit um ∼20 meV beobachtet. Dieser Effekt ist auf
der Ru(001)-Oberfläche deutlich stärker ausgeprägt und wird in Kapitel 6.3 ausführlicher
behandelt.
Die Interpretation der Peakverschiebung von eS als Solvatisierung wird dadurch unterstützt, dass die Stabilisierungsrate in sehr guter Übereinstimmung mit zeitaufgelösten
Photoemissionsexperimenten an kleinen I(D2 O)−
n -Clustern mit n=4–6 [Leh99] ist. Diese
Experimente zeigen außerdem, dass mit steigender Clustergröße der Energiegewinn zunimmt, der voll solvatisierte Zustand aber auch erst später erreicht wird. Während die
Solvatisierung für einen Cluster mit 4 Wassermolekülen nach weniger als 500 fs im wesentlichen abgeschlossen ist, braucht der Prozess bei 6 Wassermolekülen bereits mehr als
2 ps, so dass es nicht verwunderlich ist, dass in dem Zeitfenster der hier vorgestellten
Messungen keine Sättigung der Solvatisierung beobachtet wird. Nach wie vor ungeklärt ist
die Struktur angeregter Zustände und möglicher Intermediate des solvatisierten Elektrons.
Aus der Elektronendynamik in den amorphen Eisschichten gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass sich eS nicht kontinuierlich zu einem voll solvatisierten Zustand entwickeln würde,
wenn der Relaxationskanal ins Metallsubstrat nicht die Lebensdauer begrenzen würde. Um
sicher zu stellen, dass es sich bei eS nicht um ein Intermediat handelt und der Grundzustand außerhalb des abgefragten Energiebereichs liegt, wurden Messungen mit einer Probe-Photonenenergie von 3.1 eV durchgeführt6 . Sie zeigen keinen zusätzlichen Zustand mit
einer Bindungsenergie <3.1 eV in Übereinstimmung mit zeitaufgelösten Absorptionsmessungen zur Bildung solvatisierter Elektronen in flüssigem Wasser [Her02, Vil01, Mad00].
Lediglich bei der Abspaltung von den Wassermolekülen zu frühen Zeiten nach der Anregung werden in Infrarotspektren Intermediate beobachtet mit Lebensdauern von etwa
100 fs [Lae00, Lae01], die aber im Fall injizierter Überschusselektronen bedeutungslos sein
sollten.
4.3.3 Konkurrenzprozess Rücktransfer ins Substrat
Einerseits eröffnet sich durch die Kopplung der Eisschicht an das Metallsubstrat ein effizienter Pfad zur Erzeugung von Überschussladungen in der Eisschicht, andererseits stellt
das Metall eine Vielzahl unbesetzter elektronischer Zustände nahe dem Fermi-Niveau zur
Verfügung, so dass die Population in den angeregten Zuständen der Adsorbatschicht auch
schnell wieder zerfallen kann. Der Hauptzerfallskanal ist dabei im Allgemeinen die Bildung
von Elektron–Loch-Paaren. Wie effizient dieser Rücktransfer ist, hängt vom Überlapp der
Wellenfunktionen von Adsorbat und Substrat ab. Die in Abbildung 4.6 gezeigten Kreuzkorrelationen im Bereich des Leitungsbands und der lokalisierten Zustände zeigen, dass
letztere deutlich schwächer an Substratzustände ankoppeln. Der Zerfall der Population
während der Solvatisierung verläuft außerdem nicht-exponentiell. Für die ersten 300–350 fs
lässt sich näherungsweise eine Lebensdauer τ =140±20 fs an die Kreuzkorrelation anpassen,
für die Restpopulation nach 1 ps ergeben sich Werte um 500 fs. Diesen Effekt kann man
mit einer inhomogenen Verteilung von Lebensdauern erklären. Angesichts des parallel ver6
Hierzu wurde der Rest des 400 nm-Pump-Strahls aus dem OPA verwandt.
91
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
laufenden Solvatisierungsprozesses spiegelt sich in der Populationsdynamik allerdings eher
die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion und die damit einhergehende Entkopplung
vom Substrat wieder.
4.3.4 Entwicklung der Linienform
Neben Bindungsenergie und Zerfallsrate ändert sich mit der Zeit auch die Breite des Peaks
eS in den Spektren. Abbildung 4.7(a) zeigt zu verschiedenen Zeiten nach der Anregung exemplarische 2PPE-Spektren, deren Intensitäten um die Spektrometersensitivität korrigiert
sind. Die Fitkurven entsprechen der empirisch aus Absorptions- und Photoelektronenspektren abgeleiteten Form mit einer Gauss-Verteilung auf der hochenergetischen Flanke und
einer Lorentz-Verteilung auf der niederenergetischen Flanke (vgl. Kap. 2.1.6). Die spektrale Breite der Probe-Pulse ist in die Fitkurve durch Faltung mit einer Gauss-Verteilung mit
35 meV Breite eingerechnet. Die resultierenden Breiten sind zusammen mit der Bindungsenergie für eine Messung in Abbildung 4.7(b) dargestellt. Die Breite der hochenergetischen
-1.0
hνProbe=1.96 eV
EVak - E
210 fs
410 fs
Bindungsenergie [eV]
∆t=0 fs
-1.1
0.3
0.2
-1.2
hwhm:
Lorentz
Gauss
-1.3
585 fs
0
2.2
2.4
2.6
2.8
E - EF [eV]
3.0
3.2
400
∆t [fs]
0.1
Peakbreite (hwhm) [eV]
2PPE-Intensität (norm.)
0.4
0.0
800
Abbildung 4.7: (a) Spektren zu verschiedenen Zeiten ∆t mit angepasster Linienform bestehend
aus einem Gauss-Profile auf der hochenergetischen und einem Lorentz-Profil auf der niederenergetischen Seite des Maximums gefaltet mit einem Gauss mit 35 meV Breite entsprechend der
spektralen Auflösung. (b) zeitliche Entwicklung der Breiten und der Bindungsenergie relativ zum
Leitungsbandboden.
Flanke von eS bleibt in den ersten 400 fs annähernd konstant bei 100±20 meV (hwhm) und
nimmt dann langsam zu. Der anfängliche Abfall hängt mit dem Zerfall der Population in
den überlagerten delokalisierten Zuständen zusammen. Im Gegensatz dazu verbreitert sich
der Peak zu niedrigen Energien in den ersten 800 fs von ∼100 auf ∼400 meV. Für das Frühstadium der Solvatisierung in den amorphen Eisschichten gilt also noch nicht die Stabilität
der Linienform, wie sie in flüssigem Wasser für verschiedene Temperaturen [Tut91] und für
den Solvatisierungsprozess bereits wenige 100 fs nach der Anregung berichtet wird [Her99].
Eine Studie mit schlechterer Zeitauflösung ergibt zwar eine Abnahme der Gauss-Breite auf
92
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
der Zeitskala von wenigen Picosekunden [Pep97], die deutlich größeren Werte zwischen 500
und 350 meV sind jedoch wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sich zu frühen Zeiten
der Peak innerhalb der Laserpulsbreite bereits signifikant in der Energie verschiebt.
Eine ähnliche Entwicklung der Linienform mit der Bindungsenergie wie in den hier vorgestellten 2PPE-Untersuchungen wurde in Absorptions- und Photoelektronenspektren equilibrierter solvatisierter Elektronen in negativ geladenen Wasserclustern bis zu einer Größe
von 69 Molekülen beobachtet [Coe01, Coe04]. Vergleicht man die Gauss- und LorentzBreiten, so entsprechen die 2PPE-Spektren von Zeiten kurz nach der Anregung bis ca.
800 fs den Absorptionsspektren von Clustern zunehmend von 11 auf etwa 30 Wassermoleküle. Die Photoelektronenspektren der Cluster weisen immer eine etwas breitere GaussVerteilung auf. Die Parallele zu den Clusterspektren kann so gedeutet werden, dass die
Entwicklung der Linienform den dynamischen Aufbau der Solvathülle wiederspiegelt.7
4.3.5 Räumliche Ausdehnung der lokalisierten Zustände: scheinbar negative
Dispersion
Während mit fortschreitender Solvatisierung immer mehr Wassermoleküle an der Solvathülle beteiligt sind, ergibt die Analyse der Absorptionsspektren über optische Summenregeln, dass die Ausdehnung der Wellenfunktion des Elektrons abnimmt [Coe04, Her02].
Auch wenn die optischen Summenregeln nicht auf 2PPE-Spektren anwendbar sind, so gibt
es doch die Möglichkeit, aus den Dispersionsmessungen Informationen über die Entwicklung der elektronischen Wellenfunktion abzuleiten.
Ist ein elektronischer Zustand an einem Ort lokalisiert, so gilt für seine Gruppengeschwindigkeit
dω
1 dE
=
= 0 .
(4.1)
dk
~ dk
Man erwartet also für solvatisierte Elektronen, dass sie parallel zur Oberfläche eine
flache Dispersion aufweisen. Wie aber die Abbildungen 4.4 und 4.3 zeigen, ergibt sich aus
den winkelabhängigen 2PPE-Messungen für das Peakmaximum eindeutig eine negative
Dispersion.
Im Folgenden soll nun gezeigt werden, dass diese Beobachtung in keiner Weise im Widerspruch zu lokalisierten solvatisierten Elektronen steht. Entscheidend dabei ist, dass
ein (einzelner) lokalisierter Zustand ein Wellenpaket darstellt und damit nicht nur eine flache Dispersion besitzt, sondern auch eine Bandbreite im k-Raum, die über eine
Fourier-Transformation mit der Form der Wellenfunktion im Realraum in Beziehung steht
[Mil02,Bez04]. Berücksichtigt man, dass der Peak eS zu späten Zeiten eine Breite von mehr
als 400 meV hat und bei kinetischen Energien von weniger als 1 eV nachgewiesen wird,
so können zwei Effekte zu einer Verschiebung des Peakmaximums in Abhängigkeit des
Emissionswinkels führen. Zum Einen handelt es sich um Messungen bei bestimmten Emissionswinkeln, nicht bei festen kk -Werten. Ein Spektrum entspricht gemäß Gleichung 2.16
einem parabelförmigen Schnitt durch den E(kk )-Raum, wie in Abbildung 3.19 dargestellt.
7
Der Vergleich zwischen Clustern und adsorbierter Schicht kann nur sehr grobe Anhaltspunkte liefern,
zumal in Photoelektronenspektren eine gemittelte Verteilung über alle Emissionsrichtungen gemessen
wird, während 2PPE an adsorbierten Eisschichten nur eine spezielle Richtung herausgreift in einem
System, dessen Symmetrie durch die Oberfläche gebrochen ist.
93
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
j=0
Ekin
I
j>0
Dk||
Abbildung 4.8: Winkelaufgelöste Photoemission aus einem lokalisierten Zustand in kRaum: Intensitätsverlauf für Emissionswinkel
ϕ=0◦ und ϕ>0◦ bei Annahme einer Gaussförmigen kk -Verteilung mit energieunabhängiger Amplitude und Breite.
k||
Die Werte von kk können deshalb innerhalb eines Peaks signifikant variieren, wenn dessen
Breite in derselben Größenordnung liegt wie die kinetische Energie, bei der der Peak im
Spektrum erscheint. Nimmt man beispielsweise eine Gauss-förmige kk -Verteilung für einen
lokalisierten Zustand an mit zunächst energieunabhängiger Amplitude und Breite ∆kk ,
so ergibt sich das Bild 4.8. Während das resultierende Spektrum in Normalemission konstant ist, fällt das bei Nichtnormalemission zu höheren Energien ab. Hat das Spektrum bei
φ=0◦ die Form eines Peaks, erhält man eine Verschiebung des Maximums zu niedrigeren
Energien für φ>0◦ , folglich scheinbar eine negative Dispersion des Peaks.
Zusätzlich zu diesem rein durch die Messmethode bedingten Effekt kann die Breite der
kk -Verteilung mit der Energie variieren und dadurch den Effekt verstärken.
Möchte man diesem Erklärungsansatz folgend aus den 2PPE-Daten die Breite der Verteilung berechnen, müssen zunächst die 2PPE-Spektren für verschiedene Photoemissionsrichtungen so aufeinander normiert werden, dass die Intensitäten der relevanten Peaks sinnvoll
verglichen werden können. Die quantitative Analyse von Photoemissionsintensitäten ist
allgemein eine problematische Sache, da sie von den Matrixelementen des optischen Übergangs abhängen. Ein Verfahren, um die Intensitäten der zeitaufgelösten 2PPE-Messungen
für die einzelnen Emissionswinkel vergleichbar zu machen, ist, sie bei ∆t=0 fs in dem Energiebereich aufeinander zu normieren, der durch das Signal der heißen Elektronen dominiert
wird. Die Winkelabhängigkeit der Emissionswahrscheinlichkeit sollte hier gering sein, da
aufgrund der Bandlücke der Cu(111)-Oberfläche im Bereich um den Γ-Punkt in dem Energiebereich keine direkten optischen Übergänge möglich sind und jegliches 2PPE-Signal von
gestreuten Elektronen herrührt.
Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass sich durch die Drehung der Probe nicht
nur die Emissionsrichtung, sondern auch der Einfallswinkel des anregenden Lichts und damit die elektrischen Feldkomponenten parallel und senkrecht zur Oberfläche ändern. Die
Polarisationsabhängigkeit kann allerdings sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob ein
Übergang direkt oder indirekt erfolgt und welche Symmetrien die beteiligten Wellenfunktionen aufweisen [Wol99]. Aus diesem Grund wurde in Normalemission die Abhängigkeit
der 2PPE-Intensität von der Polarisation des UV- und des sichtbaren Pulses gemessen.
Abbildung 4.9 zeigt bei ∆t=0 fs die Polarisationsabhängigkeit der 2PPE-Intensitäten für
3 verschiedenen Bereiche der Spektren: den Peak der solvatisierten Elektronen, das breite
Quasikontinuum oberhalb davon und heiße Elektronen bei niedrigeren Energien. Als Referenz für einen Übergang, der nur mit der z-Komponente des E-Feldes angeregt werden
kann, ist das Signal des besetzten Oberflächenzustands aufgenommen auf der sauberen
94
Intensität (norm.)
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
1
|E|||
"heiße" El.
eCB
2
|A |
2
|Ez|
2
|E |
eS
SS
|E |
|Ez|
2
2
0
Intensität (norm.)
0
90
180
0
90
Polarisationswinkel αUV [°]
180
1
|E|||
2
2
|E|||
|A |
|A |
0
eS
eCB
0
2
2
|Ez|
|E |
"heiße" El.
Untergrund
90
0
Polarisationswinkel αVIS [°]
90
Abbildung 4.9: Abhängigkeit der 2PPE-Intensität von der Polarisation der UV-Pules (oben)
und der VIS-Pulse (unten). Lediglich das Signal der heißen Elektronen“ wird durch indirekte
”
Anregungen dominiert (rechts unten). Die Normierung der winkelabhängigen Spektren wurde in
einem damit überlappenden Energieintervall durchgeführt (siehe Text).
Cu(111)-Oberfläche dargestellt. Die mit Fresnel-Gleichungen berechneten Polarisationsabhängigkeiten der Feldkomponenten an der Oberfläche und der Absorption im Metall
sind als Kurven eingezeichnet8 . Die Polarisationsabhängigkeit der durch den sichtbaren
Laserpuls erzeugten heißen Elektronenverteilung folgt der Absorption im Kupfersubstrat,
wie aus Abbildung 4.9(d) klar ersichtlich. Dargestellt sind neben den Werten für Energien nahe dem Fermi-Niveau (offene Symbole) auch die für den Bereich Ekin =0.45-0.5 eV,
in dem die Normierung der Spektren erfolgt ist. Im Gegensatz zu den heißen Elektronen
werden Leitungsband und solvatisierte Elektronen durch direkte optische Übergänge populiert und abgefragt, wobei die z-Komponente des E-Feldes in beiden Anregungsschritten
den dominenten Beitrag liefert. Inwiefern auch ein endliches Übergangsdipolmoment parallel zur Oberfläche existiert, lässt sich insbesondere für den Photoemissionsschritt nicht
entscheiden, weil die Komponente des E-Feldes parallel zur Oberfläche bei einer Photonenenergie von 1.95 eV sehr klein ist. Kupfer ist hier ein guter Spiegel, weil keine Übergänge
vom d-Band bis über das Fermi-Niveau möglich sind. 9 Ausgehend von den Polarisations8
9
Brechungsindices aus [Pal98]
Die kleine Restintensität für s-polarisiertes Licht kann von einer leicht elliptischen Polarisation herrühren.
Ursache dafür kann eine leichte Spannungsdoppelbrechung im UHV-Fenster sein und die Abweichung
der Laserwellenlänge (635 nm) von der, für die die benutzte λ/2-Platte definiert ist (600 nm).
95
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
abhängigkeiten kann man nun für die einzelnen Emissionswinkel die elektrischen Felder
vor der Oberfläche berechnen und die Intensitätsvariation um die Fresnel-Faktoren bereinigen. Da das einfache Modell nicht dazu geeignet ist, detaillierte Aussagen über die Form
der Wellenfunktionen zu machen, wurde die Normierung im Bereich bis zu 15 % um den
nominellen Wert variiert10 , um einer Gauss-förmigen kk -Verteilung nahezukommen.
Auf dieser Basis kann man nun die 2PPE-Spektren für Emissionswinkel φ>0◦ aus dem
Spektrum bei φ=0◦ berechnen. Dazu wird an letzteres wie im vorigen Kapitel beschrieben
eine Gauss-Lorentz-Funktion angepasst und die Intensität bei den verschiedenen Winkeln
berechnet nach
Ã
!
4 ln(2)kk2 (φ, E)
I(φ, E) = I(0, E) exp −
(4.2)
,
∆kk2
wobei ∆kk die volle Halbwertsbreite der Intensitätsverteilung im k-Raum angibt. Die Annahme einer Gauss-Verteilung erscheint insofern sinnvoll, als das gemessene 2PPE-Signal
eine Mittelung über viele verschiedene lokale Eisstrukturen darstellt. Um die Zahl der freien Parameter zu minimieren und das Modell auf das Wesentliche zu konzentrieren, ist nur
eine lineare Variation der Verteilungsbreite ∆kk mit der kinetischen Energie zugelassen.
Ferner wird in den Berechnungen die Winkelauflösung und die energieabhängige Sensitivität des Flugzeitspektrometers gemäß Kapitel 3.2.2 explizit mitgenommen. Abbildung
4.10 zeigt gemessene und berechnete Spektren für Zeiten ∆t, zu denen die Population im
Leitungsband weitgehend zerfallen ist. Die Übereinstimmung zwischen Experiment und
Theorie ist trotz der vereinfachenden Annahmen, die dabei eingehen, sehr gut. Bemerkenswert ist, dass die verwendete ∆kk (E)-Relation für den gezeigten Zeitraum gleich ist.
Zu frühen Zeiten nach der Anregung, zu denen noch Population im Leitungsband vorhanden ist, würde die Anpassung des Modells eine zu große Zahl von Annahmen über die
Form des Untergrunds erfordern, zu späteren hätte das Signal-Rausch-Verhältnis keine
quantitative Auswertung zugelassen. Die Anpassung des Modells zeigt deutlich, dass im
Rahmen einer sinnvollen Normierung der Spektren die scheinbar negative Dispersion nicht
allein durch die Methode der winkelabhängigen Messung mit konstanter Breite ∆kk erklärt
werden kann, sondern dass die Breite der Verteilung für stärker gebundene solvatisierte
Elektronen zunimmt. In Abbildung 4.11 ist die Intensitätsverteilung als Funktion von E
und kk (E) bereinigt um die Spektrometerfunktion als Falschfarbenplot dargestellt.
Wie ist die Breite der Intensitätsverteilung als Funktion von kk physikalisch zu interpretieren? Die Winkelverteilung der Photoemission ist nach Fermi’s goldener Regel gegeben
durch
Wif ∝ |hΨf |V |Ψi i|2 ,
(4.3)
wobei Ψi und Ψf die Wellenfunktionen des lokalisierten Zustands und des freien Endzustands sind. V bezeichnet das anregende Feld. Die Photonenenergie des Probe-Pulses ist
mit knapp 2 eV hinreichend groß, dass der Endzustand während der ersten Picosekunde
des Solvatisierungsprozesses nicht mehr signifikant durch das lokale Solvatisierungspotential gestört wird. Im Gegensatz zu k⊥ kann kk damit näherungsweise als Erhaltungsgröße
betrachtet werden und die gemessene Intensitätsverteilung entspricht der des Anfangszustands, also des solvatisierten Elektrons. Da die Wellenfunktionen im Ortsraum und im
10
Die Normierung ist für alle ∆t gleich.
96
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
∆t =150 fs
∆k||
∆t =200 fs
0.2
-1
2PPE-Intensität
0.3
∆k|| [Å ]
Modell
Exp.
0.4
0.1
∆t =300 fs
0.4
0.6
0.8
Ekin [eV]
∆t =400 fs
1.0
0.4
0.6
0.8
Ekin [eV]
φ = 0°
8°
14°
18°
1.0
Abbildung 4.10: Modellierte und gemessene 2PPE-Spektren: Zu allen Zeiten wurde die gleiche
lineare Beziehung zwischen ∆kk und E angenommen (gestrichelte Kurve).
k-Raum über die Fourier-Transformation miteinander verknüpft sind, kann man mit
∆xfwhm =
4 ln 2
∆kk
(4.4)
die mittlere Ausdehnung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des solvatisierten Elektrons
angeben. Die Ausdehnung der solvatisierten Elektronen parallel zur Oberfläche beträgt
dann dem berechneten ∆kk -Verlauf zufolge mehr als 14±2 Å bei Energien nahe dem Leitungsband (Ekin =0.9 eV) und 9±2 Åbei einer Stabilisierung um 300 meV (Ekin =0.6 eV),
wie sie für das Peakmaximum ∼1.5 ps nach der Anregung beobachtet wird.11 Senkrecht
zur Oberfläche dürften die Zustände wegen der Randbedingung der beiden Grenzflächen
zum Metall und zum Vakuum stärker lokalisiert sein. Dass die Ausdehnung der Ladungswolke nur von der jeweiligen Bindungsenergie abhängt, ist konsistent mit der Annahme
einer inhomogenen Verbreiterung des Spektrums. Entsprechend der lokalen Struktur wird
ein bestimmter Solvatisierungsgrad mehr oder weniger schnell erreicht. Der Lokalisierungsgrad ist dabei von der Struktur abhängig, nicht davon, in welcher Zeit sie aufgebaut wird.
Bei einer homogenen Verbreiterung würde man allerdings wahrscheinlich ähnliches beobachten, da für Elektronen, die stärker mit Phononen wechselwirken, auch der Einfluss auf
die Parallelimpulsverteilung größer sein sollte.
11
Es handelt sich bei den Werten um untere Schranken, weil die Phasen der Fourierkomponenten nicht
berücksichtigt sind.
97
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
E - EF [eV]
3.0
300 fs
200 fs
Dt =150 fs
400 fs
2.8
2.6
2.4
2.2
2.0
0.0
0.2
0.0
0.2
0.0
-1
k|| [Å ]
0.2
0.0
0.2
Abbildung 4.11: Aus der Auswertung der winkelabhängigen Spektren resultierende Intensitätsverteilung im kk -Raum zu 4 verschiedenen Zeiten nach der Anregung. Die Winkelauflösung des
Spektrometers ist explizit rausgerechnet.
Die berechneten Halbwertsbreiten liegen in einem sinnvollen Bereich zwischen der Ausdehnung von Leitungsbandzuständen in flüssigem Wasser, für die Durchmesser von mehr
als 35 Å (fwhm) gefunden wurden [Son01a, Son01b, Kam02], und der Ausdehnung der ersten Solvathülle, die Rechnungen [Pre96] und Experiment [Kev81] zufolge bei 4–6 Å liegt.
Die Analyse von Absorptionsspektren mit Hilfe der optischen Summenregeln [Tut91] ergeben einen Durchmesser des voll solvatisierten Elektrons von 5–7 Å [Bar01, Tut91, Her02].
In der Arbeitsgruppe von C. B. Harris wurde unabhängig und zeitgleich ein vergleichbares Modell zur Interpretation der Intensitätsverhältnisse bei der Elektronensolvatisierung
in Alkohol- und Nitrilschichten entwickelt [Mil02, Liu02, Bez04]. Die ermittelte Halbwertsbreite der lokalisierten Ladungswolke liegt wie bei amorphen Eisschichten kurz nach der
optischen Anregung bei etwa 14 Å. Im Fall der Nitrilschichten lassen sich die Spektren
jedoch trotz einer vergleichbaren Stabilisierung mit einem konstantem ∆kk beschreiben.
Die Ausdehnung der Ladungswolke entspricht für die untersuchten Alkohole und Nitrile
etwa der Größe eines Moleküls. Daraus wurde geschlossen, dass die Lokalisierung aus Bildladungszuständen an adsorbatbedeckten Oberflächen der Bildung eines kleinen Polarons
entspricht. Für solvatisierte Elektronen in amorphen Eisschichten ist die Ausdehnung zwar
ähnlich, die Gitterkonstante von Eis ist jedoch viel kleiner, so dass nicht mehr von kleinen
Polaronen sprechen kann.
Die Breite der Verteilung entlang kk lässt sich wie gesagt nur dann als Abbild der räumlichen Ausdehnung parallel zur Oberfläche interpretieren, wenn der Endzustand energetisch hinreichend weit über dem lokalen Solvatisierungspotential liegt, dass die Störung
vernachlässigt werden kann. Die Rechnungen von I. Bezel haben bereits gezeigt, dass
die Näherung für die um wenige 100 meV stabilisierten Zustände gut erfüllt sein sollte [Bez04]. Um den Einfluss der Störung auf die Winkelverteilung der 2PPE genauer zu
studieren, werden derzeit Rechnungen in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von P.
Saalfrank und T. Klamroth an der Uni Potsdam durchgeführt. Das Modellpotential setzt
sich zusammen aus dem des dielektrischen Kontinuumsmodells, so dass die Position des
Leitungsbands reproduziert wird, und einem lokalen, Gauss-förmigen Potentialtopf, dessen
Tiefe und Breite parallel zur Oberfläche variiert werden, um verschiedene Bindungsener-
98
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
gien und Ausdehnungen des lokalisierten Zustands zu untersuchen. Unter Einbeziehung
der Anregung durch einen kurzen Laserpuls wird die Propagation des Wellenpakets auf
den Endzustandspotentialflächen bis weit vor die Oberfläche gerechnet und dort bezüglich
der beteiligten k-Komponenten analysiert. Um den Effekt des lokalen Potentials auf die
Endzustände und weiter auf die kk -Verteilung zu studieren, werden die Rechnungen einmal nach voller Diagonalisierung der Wellenfunktionen und einmal mit einem Ansatz aus
ebenen Wellen für die Endzustände durchgeführt. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die
oben gemachte Annahme, dass die kk -Verteilung bei der Photoemission erhalten bleibt,
bei den im Experiment verwendeten Photonenenergien in guter Näherung erfüllt ist.
4.3.6 Respons der Solvathülle: Isotopeneffekt und Temperaturabhängigkeit
Die Solvatisierung von Elektronen ist bestimmt durch die Reorganisation der lokalen Wasserumgebung und beinhaltet damit einen Energietransfer in kinetische Energie der Moleküle. Ob ein derartiger Energietransfer tatsächlich stattfindet und welche Freiheitsgrade
die entscheidende Rolle spielen, lässt sich häufig durch Experimente mit verschiedenen
Isotopen bestimmen. Aus diesem Grund wurden die meisten der hier gezeigten Experimente sowohl für H2 O als auch für D2 O durchgeführt. Es hat sich herausgestellt, dass die
Stabilisierungsrate auf der Zeitskala von mehreren 100 fs für beide Isotope im Rahmen der
Messgenauigkeit gleich ist. Der Zustand liegt jedoch für das leichtere Isotop um 50 meV
näher zum Fermi-Niveau (vgl. Abb. 4.12). Dass für die Stabilisierungsrate kein Isotopenef-
E - EF [eV]
2.9
D2O/Cu(111)
2.8
Abbildung
4.12: Peakverschiebung für
amorphe Multilagen D2 O bzw. H2 O/Cu(111):
Während die Stabilisierungsrate für beide
Isotope etwa gleich ist, startet der Prozess für
H2 O 50 meV tiefer in der Energie.
H2O/Cu(111)
2.7
0
200
400
600
Pump-Probe-Verzögerung [fs]
fekt beobachtet wird, steht in Einklang mit den Ergebnissen zeitaufgelöster Spektroskopie
in der flüssigen Phase [Kim94] und verschiedenen Modellrechnungen [Bar89,Sch96,Yan01].
Die Ursache dafür ist, dass für die Solvatisierung auf der längeren Zeitskala (frustrierte)
Translationsmoden entscheidend sind, in die die Gesamtmasse des Moleküls eingeht. Die
Moden, die einen deutlichen Isotopeneffekt zeigen sollten, sind die, in die vorrangig die
Masse des Wasserstoffs eingeht, also sich von intramolekularen Schwingungen ableitende
Moden sowie frustrierte Rotationen, die sog. Librationen. Der Effekt kann aber nur auf
der Zeitskala beobachtet werden, auf der der jeweilige Freiheitsgrad Energie aufnimmt und
diese noch nicht signifikant in andere Moden umverteilt wird. Diese Zeit ist also deutlich
kürzer als eine Schwingungsperiode und liegt damit im Bereich von weniger als 40 fs für
Librationen. Die Dynamik sollte sich demnach für H2 O und D2 O nur in einem Zeitfenster
99
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
2PPE Intensität (norm.)
∆ t = 50 fs
Abbildung 4.13: zeitaufgelöste 2PPESpektren bei 25 und 100 K von 2 BL
D2 O/Cu(111) präpariert bei 100 K: Im
Rahmen der Messgenauigkeit ist die Elektronendynamik identisch.
∆ t = 200 fs
100 K
25 K
2.5
3.0
3.5
E - EF [eV]
4.0
unterscheiden, das mit der Zeitauflösung des Experiments nicht zugänglich ist.
Die größere Bindungsenergie der Zustände in H2 O/Cu(111) kann so interpretiert werden, dass die Wasserumgebung zunächst auf einer Zeitskala unterhalb der experimentellen
Zeitauflösung mehr Energie speichern kann, die dann zu späteren Zeiten wie in D2 O auf
andere Freiheitsgrade umverteilt wird. In diesem Fall sollten die Peaks der lokalisierte und
der delokalisierte Zustände direkt nach der Anregung besser separierbar sein als für D2 O,
was aber nicht beobachtet wird.
Es kann sich auch um einen Isotopeneffekt in der Elektronenaffinität handeln aufgrund
leicht unterschiedlicher Adsorptionsgeometrie, wie es für Wasser auf Ru(001) beobachtet wird [Hel95a], oder der leicht unterschiedlichen Bandstruktur auch im Volumen. UVAbsorptionsmessungen zeigen, dass die Bandlücke in H2 O gerade um einen Wert von ca.
50 meV kleiner ist als in D2 O [Shi77].
Um zu prüfen, welche Rolle im Stabilisierungsprozess ein Wandern der Überschussladung von einem lokalisierten Zustand zum nächsten und möglicherweise stärker gebundenen spielt, wurde die Dynamik bei verschiedenen Probentemperaturen gemessen. Prozesse,
die durch Diffusion getrieben werden, weisen im Allgemeinen eine starke Temperaturabhängigkeit auf. Abbildung 4.13 zeigt 2PPE-Spektren zu zwei verschiedenen Zeiten nach der
optischen Anregung gemessen bei der Präparationstemperatur T =100 K und bei ca. 25 K.
Im Rahmen der Messgenauigkeit ist keinerlei Unterschied feststellbar. Der Grund dafür
liegt darin, dass bei Temperaturen unterhalb der Glasübergangstemperatur von ∼130 K
die Diffusion weitgehend eingefroren sein sollte und die bei der Solvatisierung lokal frei
werdende Energie deutlich größer ist als die thermische.
Interessant wären in diesem Zusammenhang Messungen oberhalb des Glasübergangs.
Dabei ergibt sich aber die Schwierigkeit, dass sich wegen der langsam einsetzenden Kristallisierung auf der Zeitskala der Messung die Struktur der Adsorbatschicht ändert.
100
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
E
EVak
hn2
hn1
EVak
(H2O)-n
(1)
(3b)
CB
CB
(1)
(2)
(3a)
(2)
(3b)
VS(q)
eS
(3a)
Egap
EF
Cu(111)
(H2O)n+e-frei
E
(H2O)n+e-Metall
H 2O
VB
z
q
Abbildung 4.14: Schematische Darstellung des Solvatisierungsprozesses (links) über der Ortskoordinate z und (rechts) über einer kollektiven Solvatisierungskoordinate q: Die delokalisierten
Leitungsbandzustände sind als Schar von Parabeln dargestellt. Der Amorphizität wird durch die
Verteilung von Parabeln im Anfangszustand Rechnung getragen.
4.3.7 Diskussion der Bildungsdynamik solvatisierter Elektronen
in amorphen Eismultilagen
Der komplette Prozess der Bildung solvatisierter Elektronen in amorphen Eisschichten von
der optischen Anregung bis zur Relaxation ins Metall bzw. zur Photoemission ist schematisch in Abbildung 4.14 dargestellt. Im Ortsraum ergibt sich das linke Bild. Durch die
Absorption eines Pump-Photons wird ein Elektron-Lochpaar im Metall erzeugt. Das angeregte Elektron kann durch Wellenfunktionsüberlapp mit Zuständen in der Eisschicht in
diese übergehen. In diesem Schritt (1) wird Anregungsenergie aus dem Substrat in die Adsorbatschicht transferiert. Der Respons (2) der Eisschicht auf die Überschussladung führt
zu einer lokalen Reorganisation von Wassermolekülen, wobei Energie durch Schwingungskopplung in der Eisschicht dissipiert wird. Das Elektron verlässt die Eisschicht wieder,
indem es entweder mit Anregung eines Elektron-Lochpaares ins Metall relaxiert (3a) oder
durch Absorption eines Probe-Photons ins Vakuum emittiert wird (3b). Der Solvatisierungsprozess führt nicht nur zu einem Energietransfer vom Substrat in die Eisschicht. Er
bewirkt auch, dass sich durch die Einschnürung der Wellenfunktion der Überlapp mit Substratzuständen verringert und trotz effizienten Injektionskanals die Wahrscheinlichkeit des
Elektronenrücktransfers abnimmt.
Detaillierteren Einblick in die Solvatisierung gewinnt man, wenn man den Prozess schematisch über Solvatisierungskoordinaten qi aufträgt, die stellvertretend für die beteiligten
(gekoppelten) Schwingungs-, Librations- und Translationskoordinaten stehen. Die gezeichneten Potentialkurven zeigen das effektive Potential für die Bewegung der Solvathülle entlang der Solvatisierungskoordinate, d.h. neben der gesamten potentiellen Energie ist auch
die kinetische Energie des Elektrons bereits enthalten, nicht aber die kinetische Energie der
Solvathülle. In erster Näherung kann man die Potentialflächen der einzelnen Zustände als
101
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
parabolisch annehmen. Ein Band von delokalisierten elektronische Zustände wird in diesem
Bild zu einer Schar übereinanderliegender parabolischer Potentialflächen, wie für das Leitungsband und die Kontinuumszustände oberhalb des Vakuumniveaus angedeutet ist. Das
Potential des solvatisierten Zustands ist in q-Richtung verschoben und quasi zweidimensional eingezeichnet, weil der Respons der Librationen und frustrierten Translationen auf
verschiedenen Zeitskalen abläuft. Betrachtet man die Lage bei der Gleichgewichtskoordinate des Leitungsbands, so entspricht die Energiedifferenz zwischen Solvatisierungspotential
und Bandboden gerade der kinetischen Energie, die man zur Bildung eines lokalisierten
Wellenpakets aufbringen muss (Lokalisierungsenergie). Die aufgetragene Energie ist insofern keine Erhaltungsgröße, als ein Energietransfer in andere Koordinaten als die der
Solvatisierung, z. B. durch Streuung mit Substratelektronen, möglich ist.
(1) Lokalisierung: Die Injektion eines angeregten Elektrons in die Eisschicht entspricht
einer Anhebung des Systems von der Grundzustandspotentialfläche (neutrale Eisschicht)
ins Leitungsband (negativ geladene Eisschicht + abgeschirmte positive Ladung im Metall).
Der Tatsache, dass amorphes Eis eine metastabile Konfiguration ist, kann man Rechnung tragen, indem man bzgl. der Solvatisierungskoordinate q eine Verteilung von lokalen
Grundzustandsflächen annimmt. Dies bedeutet, dass die Anregung ins Leitungsband auch
über einen gewissen Bereich von q-Werten erfolgt. Anders als in wohlgeordneten kristallinen Schichten kommen deshalb im Fall von amorphem Eis für die Bildung angeregter
lokalisierter Elektronen drei Prozesse in Betracht:
1.) Die Lokalisierung kann durch ein dynamisches WechE
(H2O)-n
selspiel aus Ladungsdichteschwankung und Reaktion der umCB
gebenden Eisstruktur erfolgen ähnlich der Polaronbildung in
kristallinen Schichten.
VS(q)
2.) Der Übergang kann direkt vom Substrat in lokalisierte
(1)
Zustände der amorphen Eisschicht erfolgen.
3.) Die Elektronen können zunächst ins Leitungsband der
Eisschicht
angeregt werden und von hier aus durch (inelasti(H2O)n+e-Metall
sche) Streuprozesse in lokalisierte Zustände übergehen, die
q
aufgrund der amorphen Struktur bereits vorhanden sind.
Während die Stabilisierungsraten im Solvatisierungsprozess in organischen Adsorbatschichten denen in amorphem Eis vergleichbar sind, läuft der Lokalisierungsprozess in
letzteren um eine Größenordnung schneller ab. Hierfür kann es im Prinzip zweierlei Gründe geben:
1.) Die kurze Lebensdauer der Leitungsbandelektronen ist auf eine starke Kopplung an
Substratzustände zurückzuführen. Damit muss die dynamische Bildung oder eine indirekte
Population der lokalisierten Zustände (mit entsprechend geringerer Wahrscheinlichkeit)
auf derselben Zeitskala stattfinden. In diesem Fall gewinnt die direkte Population in der
amorphen Struktur bereits vorgeformter lokalisierter Zustände an Bedeutung.
2.) Die kurze Lebensdauer der Leitungsbandelektronen ist (auch) durch einen effektiven
schnellen Lokalisierungsprozess bedingt. Dazu können sowohl inelastische Streuung von
ausgedehnten in lokalisierte Zustände beitragen als auch dynamische Lokalisierung ausgedehnter Zustände, die wegen der amorphen Struktur bereits leichte Ladungsschwerpunkte
102
4.3 Bildung solvatisierter Elektronen
aufweisen und durch Ankopplung an eine energiereiche Solvatmode schnell in lokalisierte Zustände übergehen. Die direkte Population vorgeformter Solvatisierungsplätze spielt
dann eine untergeordnete Rolle.
Es wird davon ausgegangen, dass zumindest in flüssigem Wasser die sog. preexisting
”
traps“ in hinreichender Zahl vorhanden sind, dass die dynamische Lokalisierung kaum
Gewicht hat [Pep97]. Da die Fluktuationen in amorphem Eis bei 100 K deutlich geringer sind, dürfte allerdings auch die Zahl der vorhandenen lokalisierten Zustände kleiner
sein. Dass der Lokalisierungsprozess in Wasser sehr schnell ablaufen kann, ist für die flüssige Phase von Wiersma und Mitarbeitern gezeigt worden. Photonenecho-Experimente
haben ergeben, dass die optische Anregung eines bereits solvatisierten Elektrons direkt
an Librationsmoden koppelt, was zu einem Photonenecho 40 fs nach der Anregung führt
[Emd98, Kum98, Bal99]. Angesichts der Tatsache, dass die Librationsmoden durch das
Einfrieren der Diffusion in amorphem Eis nicht stark beeinflusst werden, kann man davon
ausgehen, dass dieser schnelle Respons auch bei der Lokalisierung der Überschussladung
von Bedeutung ist. Die Lokalisierung ist demnach Teil des Solvatisierungsprozesses.
(2) Stabilisierung: Die Stabilisierung des elektronischen Zustands umfasst zwei Prozesse.
Durch die Wechselwirkung der Überschussladung mit der polaren Umgebung wird zunächst
potentielle Energie frei , die zum Teil zur Einschnürung der elektronischen Wellenfunktion verwandt wird, also in kinetische Energie des Elektrons verwandelt wird, und zum
größeren Teil in Freiheitsgrade der Solvathülle übertragen wird. Aufgrund der Kopplung
der Freiheitsgrade wird die Energie in der Solvathülle schnell umverteilt und in die weitere
Umgebung abgegeben.
So lässt sich die zeitliche Entwicklung transienter AbsorptiE
onsspektren bei der Bildung solvatisierter Elektronen in flüssigem Wasser ab ∼100 fs nach der Anregung beschreiben als
(2)
Abkühlprozess einer anfangs heißen Solvathülle [Her99]. Die loeS VS(q)
kale Freisetzung der Solvatisierungsenergie erklärt auch, wes(H2O)-n
halb die Stabilisierungsrate innerhalb der ersten 1.5 ps nur um
einen Faktor 2–5 kleiner ist als in flüssigem Wasser. Für die Req
organisation der Solvathülle würde man von der dielektrischen
Relaxationszeit von amorphem Eis ausgehend erwarten, dass der Prozess um Größenordnungen langsamer auf der Zeitskala von µs abläuft [Lu01]. In amorphem Eis existiert
statischen Absorptionsmessungen zufolge eine zweite Spezies, die im infrarot absorbiert. In
den zeitaufgelösten 2PPE-Messungen an adsorbierten Eisschichten gibt es jedoch keinerlei
Hinweise darauf, dass es sich bei dem Peak eS um ein Intermediat handeln sollte, das sich
nicht kontinuierlich zu einem voll solvatisierten Elektron entwickelt. Die Bindungsenergie
des Zustands liegt zwar im beobachteten Zeitfenster bei weniger als 300 meV, so dass
optische Übergänge ins Leitungsband bei Wellenlängen von >4 µm möglich sind. In den
ersten Pikosekunden nach der optischen Anregung wird jedoch kein weiterer elektronischer
Zustand mit einer Bindungsenergie von weniger als 3.1 eV bevölkert (vgl. Kap. 4.3.2).
Mit der Propagation des Systems auf der Potentialfläche des solvatisierten Elektrons verändert sich nicht nur die Konfiguration der umgebenden Wassermoleküle, sondern auch
die Wellenfunktion des Elektrons selbst. Schon die zu frühen Zeiten nach der optischen
103
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
Anregung sehr unterschiedliche Lebensdauer von delokalisierten und lokalisierten Zuständen zeigt, dass durch die Lokalisierung des Elektrons der Überlapp mit Substratzuständen
deutlich vermindert wird.
(3) Rücktransfer oder Photoemission: Das kurze Leben der solvatisierten Elektronen in
amorphen Eisschichten endet entweder durch den Rücktransfer ins Substrat mit anschließender Relaxation z.B. über Elektron-Loch-Paarbildung (3a) oder aber durch Photoemission (3b). In beiden Fällen erfolgt ein Übergang auf eine Potentialfläche, deren Gleichgewichtskoordinate anders ist. Das bedeutet, dass die Eisschicht in einem hoch schwingungsangeregten Zustand zurückbleibt. Selbstverständlich muss dabei die Eisschicht nicht
wieder in dieselbe Konfiguration zurückkehren, in der sie vor der Anregung war. So können
Defekte ausgeheilt werden oder lokal der Übergang in die kristalline Phase getrieben werden, wie bei UV-Anregung von amorphen Eisschichten auf Graphit beobachtet [Cha98]12 .
Im Gegensatz zu den Messungen auf dem Graphitsubstrat konnte auf Cu(111) jedoch keine
signifikante photoinduzierte Kristallisierung beobachtet werden. Selbst bei einer um zwei
Größenordnungen höheren UV-Photonendosis von mehr als 1 × 1020 Photonen/cm−2 und
Messdauern über mehrere Stunden blieb die Veränderung der 2PPE-Spektren vernachlässigbar gegenüber dem Effekt, den ein Tempern der Probe über den Kristallisierungsübergang hinaus hat (vgl. Kap. 6).
Für die Photoemission muss die Energie, die in den KernE (H O) +e2
n
frei
koordinaten des Wassers gespeichert ist, zusätzlich zur SolEVak
vatisierungsenergie aufgebracht werden. Das Vakuumniveau
(3b)
erscheint deshalb in der Darstellung der Gesamtenergie über
der Solvatisierungskoordinate gekrümmt. Aus der Sicht der
CB
(H2O)-n
Photoemissionsmessung, für die das Vakuumniveau die Referenzenergie ist, erscheint stattdessen das solvatisierte ElekeS
(3a)
tron stärker gebunden. Die Verschiebung der PotentialkurVS(q)
ven zueinander hat insbesondere Folgen für die Form der
(H2O)n+e-Metall
Absorptions- und Photoemissionsspektren. Sie bedingt nämq
lich die Kopplung von Solvatmoden an die elektronische Anregung des Elektrons, die zum Teil für die Lorentz-förmige Verbreiterung der niederenergetischen Flanke des Photoemissionspeaks verantwortlich gemacht wird [Coe04, Bal99].
4.4 Die Rolle der Oberfläche: Bedeckungsabhängigkeit der
Solvatisierung
In den letzten Kapiteln sind die elementaren Prozesse bei der Bildung solvatisierter Elektronen in amorphen Eisschichten an Metalloberflächen dargestellt worden. Dabei ist speziell die Dynamik in amorphen Eismultilagen (3–5 BL) auf der Cu(111)-Oberfläche behandelt worden. Da der Solvatisierungsprozess eine Umordnung der lokalen Wasserumgebung
beinhaltet, ist dieser Prozess stark von der Struktur der Eisschicht abhängig.
12
Die Autoren gehen aufgrund der Bandstruktur von Graphit davon aus, dass bei den verwendeten Photonenenergien die im Substrat angeregten Elektronen direkt in preexisting traps“ tunneln und ausge”
dehnte Zustände im Eis keine Rolle spielen. Dabei wurde allerdings für die Lage des Leitungsbands ein
um mindestens 1 eV zu hoher Wert angenommen.
104
4.4 Bedeckungsabhängigkeit der Solvatisierung
0
Θ [BL]
2 3 4
5
eS
4.8
4.4
4.0
eCB
400
(b) Θ=1 BL
∆t [fs]
0
200
IS
SS
eS
0
200
400
2.5
3.0
3.5
E - EF [eV]
∆t [fs]
2PPE-Intensität
Φ [eV]
2PPE-Intensität
(a) Θ=4 BL
1
4.0
Abbildung 4.15: zeitabhängige 2PPE-Spektren für verschiedene Bedeckungen: (a) 4 BL amorphes D2 O/Cu(111) aufgenommen mit Photonenenergien von 3.92 und 1.96 eV. (b) 1 BL amorphes D2 O/Cu(111) aufgenommen mit 4.20 und 2.10 eV. SS und IS bezeichnen den besetzten
Oberflächenzustand und der ersten Bildladungszustand der sauberen Cu(111)-Oberfläche. Inset:
Bedeckungsabhängigkeit der Austrittsarbeit.
Die Untersuchungen in adsorbierten Eisschichten bieten die Möglichkeit, auf verschiedene Weise die Struktur zu verändern. So kann beispielsweise die Bedeckung variiert werden.
Für Eisschichten ab einer nominellen Dicke von 3 BL zeigt sich keine wesentliche Bedeckungsabhängigkeit der Elektronendynamik. Reduziert man jedoch die Bedeckung Θ,
ändern sich das Bild deutlich. Abbildung 4.15 zeigt die Bedeckungsabhängigkeit der Austrittsarbeit Φ sowie Spektren zu verschiedenen Zeiten nach der Anregung für 4 und für 1 BL
D2 O/Cu(111)13 . Während Φ mit abnehmender Bedeckung ansteigt und sich kontinierlich
dem Wert der sauberen Oberfläche annähert, tauchen in den Spektren der besetzte Oberflächenzustand (SS) und der erste Bildladungszustand (IS) der sauberen Cu(111)-Oberfläche
wieder auf14 [Kno97a]. Das bedeutet, dass das Wasser die Oberfläche nicht mehr komplett
13
14
Eine Darstellung der Elektronendynamik als Falschfarbenplot für Θ=1 BL findet sich auf S. 81
Der Bildladungszustand kann nur mit einer Photonenenergie populiert werden, die für Multilagen bereits
zu direkter Photoemission führen würde. Deshalb wurden die gezeigten Messungen mit unterschiedlichen
Photonenenergien aufgenommen.
105
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
1.3 BL
~6 BL
Abbildung 4.16: STM-Untersuchungen an amorphem D2 O/Cu(111):(links) Θ=1.3 BL, (rechts)
Θ ∼6 BL adsorbiert bei 85 K. Unten sind entlang den eingezeichneten Linien Höhenprofile dargestellt. Dabei gibt die z-Achse keine realen Höhen (vgl. Text) [Meh04].
benetzt, sondern dass es bedeckte Bereiche neben freier Oberfläche gibt. Diese Interpretation wird bestätigt durch Untersuchungen mit Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskopie
(STM) an Eisschichten auf Cu(111), die am Fachbereich in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von K.-H. Rieder und K. Morgenstern im Rahmen der Doktorarbeit von M.
Mehlhorn derzeit durchgeführt werden.
Abbildung 4.16 zeigt STM-Messungen für Bedeckungen von 1.3 und ca. 6 BL D2 O
auf einer Cu(111)-Oberfläche. Höhenprofile entlang der eingezeichneten Linien sind im
unteren Teil der Abbildung dargestellt. Es ist zu beachten, dass die angegebenen z-Werte
nicht realen Höhen entsprechen, weil man im Energiebereich der Bandlücke durch das
Eis tunnelt. Das D2 O wurde zunächst bei ca. 85 K adsorbiert, bevor die Probe in das
Tieftemperatur-STM transferiert wurde. Die Bilder wurden bei 5 K aufgenommen. Bei
Bedeckungen unter 3 BL bildet das amorphe Eis Cluster, die 2–4 BL hoch sind. Bei 1.3 BL
beginnen die Cluster bereits zusammenzuwachsen. 6 BL amorphes D2 O/Cu(111) bilden
auf Cu(111) eine sehr glatte Schicht mit Terrassenbreiten bis zu mehr als 100 nm. Der
Übergang von Clustern zu geschlossenen Schichten sollte also auch den STM-Messungen
zufolge bei Bedeckungen um 3 BL eintreten.
Die Strukturänderung in der Eisschicht hat einen starken Einfluss auf die Solvatisierungsdynamik. Bei niedrigen Bedeckungen werden die Elektronen während der ersten
200 fs bereits um 200 meV stabilisiert. Die Stabilisierungsrate ist also etwa um einen Faktor
106
4.4 Bedeckungsabhängigkeit der Solvatisierung
4 größer als für die Multilagen. In Abbildung 4.17 sind die Peakpositionen für eine Reihe
verschiedener Bedeckungen zusammengefasst. Es fällt auf, dass sich die Stabilisierungsrate
nicht kontinuierlich mit der Bedeckung ändert, sondern dass es zwei verschiedene Regimes
gibt. Für Bedeckungen um 2 BL koexistieren auf derselben Oberfläche Bereiche, die die
eine oder die andere Dynamik zeigen. Für 1.8 BL dominiert die schnelle Stabilisierung,
für 2.5 BL die langsame.
3.0
D2O/Cu(111)
Bedeckung [BL]
5.0
1.8
3.8
1.6
3.1
1.3
2.5
1.0
E - EF [eV]
2.9
Abbildung 4.17: Zeitentwicklung des
Peakmaximums für verschiedene Bedeckungen D2 O/Cu(111): Für < 2 BL
(offene Symbole) verläuft die Stabilisierung deutlich schneller.
2.8
2.7
2.6
0
200
400
600
800
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
1000
Was ist die Ursache für die Änderung der Solvatisierungsdynamik mit der Bedeckung?
Von der dielektrischen Relaxation weiß man, dass die Zeitskala des Prozesses entscheidend davon abhängt, wie groß die Defektdichte im Wasserstoffbrückennetzwerk ist (vgl.
S. 14). Auf die Solvatisierung bezogen heißt das, dass ein Elektron schneller stabilisiert werden kann, wenn zur Solvathülle Wassermoleküle beitragen, die eine niedrigere Anzahl an
Wasserstoffbrückenbindungen aufweisen. Im Volumen von amorphem Eis sind die meisten
Moleküle vierfach koordiniert [Sce82]. Im Bereich der Eis/Vakuum-Grenzschicht dagegen
kommt es vermehrt zu Verletzungen der Eisregeln. Es ist also anzunehmen, dass die Solvatisierung an der Oberfläche der Eisschicht schneller verläuft als im Volumen. Dabei sei
betont, dass nicht entscheidend ist, dass sich das Elektron an oder gar vor der Oberfläche
befindet, sondern dass Wassermoleküle an der Oberfläche zur Solvatisierung beitragen.
An dieser Stelle sei noch einmal an die Wellenfunktion des delokalisierten Zustands erinnert, wie sie mit dem dielektrischen Kontinuumsmodell berechnet wurde (Abb. 4.5, S. 89).
Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons im niedrigsten unbesetzten Zustand ist
in den ersten 2 BL konzentriert. Diese Region ist demnach auch diejenige, wo Elektronen
vorrangig lokalisiert und solvatisiert werden. Für Multilagen wird das Elektron demnach
quasi im Volumen der amorphen Eisschicht solvatisiert, wie in Abbildung 4.18(a) skizziert
ist. Diese Interpretation wird dadurch unterstützt, dass die Dynamik ab ca. 3 BL kaum
mehr durch weitere Adsorption von Wasser beeinflusst wird.
Verringert man die Bedeckung, so gewinnen die Grenzschichten zum Metall und zum
Vakuum im Vergleich zum Volumen immer mehr an Gewicht. Die Untersuchungen mit dem
STM zeigen, dass sich bei Bedeckungen bis ca. 3 BL vorwiegend die laterale Ausdehnung
der Cluster ändert, weniger ihre Dicke. Es sind demnach also insbesondere die Ränder der
Cluster, an denen es zu einer beschleunigten Solvatisierung kommen kann (Abb. 4.18(b)).
107
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
Aufgrund der Ausdehnung der Solvathülle nehmen für Bedeckungen unter 2 BL diese
Randbereiche den größten Teil der Eiscluster in Anspruch. Die beobachtete Solvatisierung
zeigt deshalb die schnelle Dynamik. Mit zunehmendem Zusammenwachsen der Cluster
gewinnen die Innenbereiche an Gewicht. Für geschlossene Schichten gibt es schließlich gar
keine Randbereiche mehr, so dass die langsame Dynamik der Solvatisierung im Volumen
beobachtet wird.
Aus der Korrelation der Eisstruktur mit der Dynamik des Solvatisierungsprozesses ergibt sich also klar, dass die Stabilisierung eines Elektrons im Bereich der Eis/VakuumGrenzfläche anfänglich schneller verläuft als im Volumen von amorphem Eis. Es lässt sich
jedoch keine Aussage darüber machen, in welchen Fällen eine Solvatisierung an der Oberfläche oder im Volumen der Eisschicht energetisch günstiger ist, wie es für freie, geladene
Wassercluster seit langem kontrovers diskutiert wird (vgl. S. 22). Der hier betrachtete
Prozess ist das Frühstadium der Solvatisierung. Welche Dynamik beobachtet wird, hängt
davon ab, in welche Bereiche der Adsorbatschicht die Elektronen zunächst injiziert werden
und wo sie lokalisiert werden können, nicht aber davon, welchen Charakter letztlich der
equilibrierte Zustand hätte, der wegen des Rücktransfers ins Metall in diesem Experiment
nicht erreicht wird. Molekulardynamikrechnungen für Cluster aus 256 Wassermolekülen
zeigen beispielsweise, dass das Elektron durchaus zunächst an der Oberfläche lokalisiert
sein kann, bevor es sich in das Innere des Clusters eingräbt [Bar89].
4.5 Der Einfluss des Substrats: Elektronensolvatisierung in
amorphem Eis auf Ru(001)
Die Elektronendynamik in adsorbierten Schichten wird auf zweierlei Weise durch das Substrat beeinflusst. Zum Einen prägt die Adsorption der ersten Lage die Struktur selbst
dicker Adsorbatschichten, wie bereits in Kap. 2.1.7 angesprochen. Zum Anderen wird die
elektronische Ankopplung entscheidend durch die Bindung des Adsorbats an das Substrat
beeinflusst. Die beiden in dieser Arbeit verwendeten Metallsubstrate unterscheiden sich
deutlich in beiden Punkten. Während die Wasser–Kupfer-Bindung ähnlich schwach wie
die Wasserstoffbrückenbindungen ist, wird die erste Bilage auf Ru(001) deutlich stärker
gebunden, wobei die genaue Adsorptionsstruktur noch umstritten ist. Die benetzende erste Lage ist ein gutes Templat für das Wachsen dickerer homogener Schichten (vgl. Kap.
2.1.7). Andererseits besitzt das Übergangsmetall d-Bänder, die bis ca. 1.5 eV über das
(a)
(b)
e-
e-
Abbildung 4.18: Veranschaulichung der Solvatisierung (a) im Volumen und (b) am Rande eines
Eisclusters
108
4.5 Elektronensolvatisierung in amorphem Eis auf Ru(001)
E
(1)
0.5
eS
- EF [eV]
1.0
1.5
5 BL D2O/Ru(001)
d-Band
2PPE-Intensität
hν1=3.83 eV
hν2=1.91 eV
0
200
2.0
2.5
3.0
(2)
E - EF [eV]
∆t [fs]
100
3.5
Abbildung 4.19: Elektronendynamik in 5 BL amorphem D2 O/Ru(001). Neben der Elektronensolvatisierung tritt innerhalb der Pulsbreite ein starker Untergrund von heißen Elektronen auf und
ein Peak, der von einem Maximum in der Zustandsdichte der d-Bänder 1 eV über EF herrührt.
Fermi-Niveau reichen und einen effektiven Zerfallskanal für angeregte Elektronen darstellen (vgl. Kap. 2.2.2).
Abbildung 4.19 zeigt eine Messung der Elektronendynamik in 5 BL amorphem D2 O auf
der Ru(001)-Oberfläche in Form einer Reihe von 2PPE-Spektren, die entsprechend der
Verzögerung zwischen Pump und Probe vertikal verschoben sind.
Auffällig ist, dass es im Gegensatz zu entsprechenden Messungen an der Cu(111)Oberfläche im Bereich der Laserpulsbreite einen starken Untergrund von heißen“ Elektro”
nen gibt, die mit dem sichtbaren Puls (hν2 ) angeregt und mit dem UV-Puls (hν1 ) abgefragt werden. Die Ursache hierfür ist die hohe Zustandsdichte der d-Bänder rund um das
Fermi-Niveau EF . In Kupfer dagegen ist es mit denselben Photonenenergien nicht möglich,
Elektronen von den d-Bändern bis in unbesetzte Zustände oberhalb von EF anzuregen.
In den Spektren tritt zudem ein Peak auf, der hier und im Folgenden als d-Band“-Peak
”
bezeichnet wird. Er resultiert aus einem Maximum in der Zustandsdichte der d-Bänder
1 eV über EF [Sei02]. Die Dynamik angeregter Elektronen im Energiebereich um EF ist
an anderer Stelle untersucht worden [Lis04].
Das Hauptaugenmerk liegt hier jedoch auf der Bildung solvatisierter Elektronen. Auch
auf Ru(001) wird ein Peak eS beobachtet, der die charakteristische, zeitliche Verschiebung
zu niedrigeren Energien aufweist. Die Dynamik des Prozesses unterscheidet sich jedoch
deutlich von der auf Cu(111). In Abbildung 4.20 sind Populations- und Stabilisierungsdynamik in den beiden Systemen im direkten Vergleich gezeigt. Ähnlich wie auf Cu(111)
zerfällt die Population von eS nicht-exponentiell entsprechend der zunehmenden Abschirmung der Ladung durch die Solvathülle (vgl. Kap. 4.3.3). Wie aus der Bandstruktur zu
erwarten, verläuft die Relaxation anfänglich auf dem Übergangsmetall Ruthenium jedoch
109
eS
0.1
auf Ru(001)
0.01
200 400
∆t [fs]
600
2.7
2.8
2.6
2.7
2.5
τ=28 fs
0
eS
2.8
auf Cu(111)
τ=140 fs
-200
D2O/Cu(111) 3.0
< 2 BL
> 2 BL 2.9
amorphes Eis
heiße
El.
E - EF [eV]
1
800
E - EF [eV]
2PPE-Intensität (norm)
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
D2O/Ru(001)
>4 BL
0
200
2.6
400
∆t [fs]
600
800
Abbildung 4.20: Vergleich der Solvatisierungsdynamik in amorphem Eis auf Ru(001)und
Cu(111):(links) Populationsdynamik im Energiebereich von eS . XC-Breite der Laserpulse: 44 fs
für Ru(001), 97 fs für Cu(111) (jeweils fwhm). (rechts) Stabilisierungsdynamik von eS . Die Energieachse wurde entsprechend den unterschiedlichen Austrittsarbeiten der Multilagenschichten auf
Cu(111) und Ru(001) um 100 meV gegeneinander verschoben.
deutlich schneller. Nach Abzug des Untergrundes von heißen Elektronen liefert die Anpassung eines exponentiellen Zerfalls nach Gleichung 2.12 an die Kreuzkorrelation von eS
für die ersten 100 fs nach der optischen Anregung eine Lebensdauer von nur 28±5 fs. Der
Rücktransfer aus der Eisschicht ins Metall erfolgt demnach an der Ru(001)-Grenzfläche
anfangs viermal effizienter als an Cu(111). Dasselbe Verhältnis findet man für die Relaxationszeiten angeregter Elektronen bis 0.5 eV über EF im Volumen der Metalle, so
dass anzunehmen ist, dass hauptsächlich die elektronische Struktur des Substrats für den
schnelleren Populationszerfall verantwortlich ist.
Aufgrund der kurzen Lebensdauer der angeregten Zustände konnte die energetische Lage von eS auf Ru(001) nur über einen Zeitraum von 400 fs bestimmt werden. Die Position
des Peakmaximums ist im rechten Teil von Abbildung 4.20 zusammen mit den Ergebnissen
für verschiedene Eisbedeckungen auf Cu(111) dargestellt. Für eine bessere Vergleichbarkeit wurden die Daten über verschiedenen Energieachsen aufgetragen, die entsprechend
dem Unterschied in der Austrittsarbeit für amorphe Eismultilagen (Φ=3.95±0.03 eV auf
Cu(111), Φ= 3.80±0.05 eV auf Ru(001)) um 150 meV gegeneinander verschoben sind. Damit wird berücksichtigt, dass die Referenzenergie für elektronische Zustände in nichtmetallischen Adsorbatmultilagen nicht das Fermi-Niveau, sondern das lokale Vakuumniveau
ist15 .
Die zeitaufgelösten 2PPE-Messungen an amorphen Eisschichten auf Ru(001) wurden alle bei Bedeckungen im Bereich von 4–6 BL durchgeführt. Das Peakmaximum von eS liegt
direkt nach der optischen Anregung 2.77 eV über EF (entsprechend einer Bindungsenergie
von 1.03 eV) und verschiebt sich während der ersten 300 fs mit -0.85±0.15 eV in Richtung
Fermi-Niveau. Im Vergleich zu der Dynamik bei entsprechenden Bedeckungen auf Cu(111)
verläuft auf Ru(001) also nicht nur die Relaxation ins Metall, sondern auch die Stabilisie15
Da die Lage des lokalen Vakuumniveaus bzgl. EF gerade bei niedrigen Bedeckungen auf Cu(111) stark
von der globalen Austrittsarbeit abweichen kann, wurde darauf verzichtet, die Peakpositionen als Bindungsenergien anzugeben.
110
4.5 Elektronensolvatisierung in amorphem Eis auf Ru(001)
rung schneller. Durch die schnellere Stabilisierung wiederum werden die Elektronen auch
schneller vom Substrat entkoppelt. Dies äußert sich darin, dass der Populationszerfall von
eS auf Ru(001) stark nicht-exponentiell ist und sich die Rücktransferraten zu späteren
Zeiten (∆t>300 fs) für die beiden Substrate aneinander angleichen.
Die zeitliche Entwicklung der energetischen Lage von eS entspricht derjenigen, die auf
Cu(111) bei Θ<2 BL beobachtet wird. Dort konnte die schnellere Stabilisierung auf eine
geringere Koordination an der Solvatisierung beteiligter Wassermoleküle im Bereich der
Eis/Vakuum-Grenzschicht zurückgeführt werden. Es ist aber nicht anzunehmen, dass bei
Multilagenbedeckungen auf Ru(001) die Elektronen überwiegend an der Außenseite der
geschlossenen Eisschicht solvatisiert werden. Es wäre denkbar, dass in Folge der speziellen
Adsorptionsstruktur der Bilage auf Ru(001) in den nächsten Lagen vermehrt Wassermoleküle mit verringerter Koordination auftreten und zur beschleunigten Stabilisierung
beitragen.
Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die schnellere Peakverschiebung auch eine Folge
des schnelleren Populationszerfalls ist. Der Peak eS besteht aus einer inhomogenen Verteilung verschieden stark stabilisierter, aber auch verschieden stark lokalisierter Zustände.
Die zeitliche Entwicklung von eS ist nun dadurch bestimmt, dass einerseits sich die einzelnen Zustände aufgrund der Solvatisierung energetisch verschieben, andererseits sich die
inhomogene Verteilung durch den vom Lokalisierungsgrad abhängigen Populationszerfall
ändert. Wegen des bereits festgestellten Zusammenhangs zwischen Stabilisierung und Lokalisierung verschiebt sich der Schwerpunkt der Verteilung gerade zu den Elektronen, die
bereits am weitesten stabilisiert sind. Da der Rücktransfer etwa viermal effizienter ist, sollte
sich dies entsprechend auch in der beobachteten Stabilisierungsrate bemerkbar machen.
Dieses Argument ist im übrigen auf die Bedeckungsabhängigkeit auf Cu(111) nicht anwendbar, da die Zerfallsraten in den ersten 400 fs nicht signifikant bedeckungsabhängig sind. Die Übereinstimmung der Stabilisierungsraten bei niedrigen Bedeckungen auf
Cu(111) und Multilagen auf Ru(001) ist insofern eher als zufällig zu betrachten.
111
4 Elektronensolvatisierung in amorphen Eisschichten
112
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen
Eisschichten
Der Übergang von amorphem zu kristallinem Eis stellt eine so prinzipielle Änderung der
Struktur dar, dass den Eigenschaften kristalliner Eisschichten in dieser Arbeit eigene Kapitel gewidmet sind. In amorphem Eis besitzt die Anordnung der Moleküle keine weitreichende Ordnung. Wegen seiner strukturellen Verwandtschaft mit Wasser wird es auch
als unterkühlte Flüssigkeit betrachtet [Mis98, Deb03]. In kristallinem Eis hingegen weisen zumindest die Positionen der Sauerstoffatome eine Fernordnung auf. Der Unterschied
zwischen Flüssigkeit und kristallinem Festkörper zeigt sich z.B. sehr deutlich in den Lösungseigenschaften. Während flüssiges Wasser ein sehr gutes Lösungsmittel ist, werden in
kristallinem Eis keine Ionen gelöst, sondern höchstens in kleinen Mengen in die Kristallstruktur eingebaut. So besteht Meereis aus reinem Süßwassereis mit Einschlüssen konzentrierter Salzlösung [Pet99].
Die Elektronendynamik in kristallinen Eisschichten im Vergleich zu amorphen Schichten
wurde systematisch an D2 O/Ru(001) untersucht. Die stärkere Bindung der ersten Bilage an das Substrat führt dazu, dass sowohl amorphe als auch kristalline Eisschichten die
Ru(001)-Oberfläche benetzen und von der Bilage bis zu Multilagen geschlossene Schichten bilden. Im Gegensatz dazu reißen auf Cu(111) sowohl dünne amorphe Schichten als
auch kristalline Multilagen auf und es bilden sich Eiscluster [Hin92]. Die Folge ist, dass
die globale Austrittsarbeit nicht mehr allein durch die Struktur der bedeckten Teile der
Oberfläche bestimmt ist, sondern sich mehr oder weniger stark der Einfluss der sauberen
Oberfläche bemerkbar macht.
Die Untersuchungen konzentrieren sich auf deuteriertes Wasser, weil die Adsorptionseigenschaften von D2 O weniger Komplikationen aufweisen. Zudem wurden die Untersuchungen in Zusammenhang mit schwingungsspektroskopischen Arbeiten durchgeführt, für
die D2 O verwendet wird, um Einflüsse der Luftfeuchtigkeit auf die Messungen auszuschließen [Den03d].
In diesem Kapitel wird die Ultrakurzzeitdynamik elektronischer Zustände in kristallinen Eisschichten behandelt. Am Anfang steht der Phasenübergang von amorphen zu kristallinen Multilagen mit seinen Auswirkungen insbesondere auf die Bildung solvatisierter
Elektronen. Anschließend werden die Eigenschaften parallel zur Oberfläche delokalisierter
Zustände von kristallinen Multilagen bis zu einem Bruchteil einer Bilage behandelt. Dabei
gilt besonderes Augenmerk der Struktur der Bilage.
Das neu entwickelte Verfahren zur Messung von 2PPE-Spektren bei variabler Probentemperatur (vgl. Kap. 3.2.3) ermöglicht es, die Änderung der elektronischen Struktur nicht
nur beim Phasenübergang von amorphem zu kristallinem Eis, sondern auch während der
Desorption einer adsorbierten Eisschicht zu untersuchen. Die verschiedenen Aspekte der
Elektronendynamik können anhand einer einzigen Messung aufgezeigt werden, da eine bei
113
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen Eisschichten
tiefen Temperaturen präparierte Eisschicht während einer Heizrampe die in dieser Arbeit
untersuchten Strukturen durchläuft.
Abbildung 5.1 zeigt eine derartige Messung, bei der von einer amorphen Eisschicht ausgegend während einer Heizrampe von ca. 3 K/min synchron das thermische Desorptionsspektrum (TDS, dargestellt im unteren Teil der Abbildung) und die Echtzeitentwicklung
des 2PPE-Spektrums für senkrechte Emission bei einer Pump-Probe-Verzögerung ∆t=0 fs
aufgenommen wurden. Über der Temperatur aufgetragen ergibt sich daraus in Falschfarbendarstellung der obere Teil der Abbildung. Die linke Achse bezeichnet die Energie des
Endzustands im 2PPE-Prozess. Aus der niederenergetischen Kante der Spektren kann so
z.B. direkt die Lage des Vakuumniveaus EVak bzgl. EF abgelesen werden. Diese Größe
entspricht der Austrittsarbeit Φ. Die rechte Achse gibt die Energie der Zwischenzustände
an, die zu den prominenten Peaks in den Spektren führen.
Die Multilage D2 O/Ru(001) wurde bei 130 K präpariert und ist damit anfangs amorph.
Multilage:
kristallin
Bilage
Ru(001)
amorph
5.5
EVak
3.0
eS
4.5
2.5
eT
hν1=3.83
hν2=1.92
∆t=0 fs
QMS-Signal
4.0
5 BL D2O/Ru(001)
140
160
180
Temperatur [K]
2PPE
TDS
(2)
5.0
3.5
E - EF [eV]
Efin - EF [eV]
B
2.0
200
Abbildung 5.1: simultane Messung von TDS (unten) und Entwicklung des 2PPE-Spektrums
(Falschfarbendarstellung vgl. Kap. 80) während einer Heizrampe von 3 K/min spiegelt die Korrelation zwischen Adsorptionsstruktur und Elektronendynamik wieder. Die niederenergetische Kante
des Spektrums entspricht dem Verlauf der Austrittsarbeit Φ. Für die einzelnen Eisstrukturen findet
man als charakteristische Zustände bzw. Prozesse: (eS ) Elektronensolvatisierung in amorphem Eis,
(B) delokalisierte (Bildladungs-) Zustände in kristallinem Eis, (eT ) Elektroneneinfang in kristallinem Eis.
114
5.1 Elektronendynamik in kristallinen Eismultilagen auf Ru(001)
Betrachtet man zunächst das TDS, so fällt bei ca. 163 K der Einbruch der Desorptionsrate
auf, der vom dem Übergang von amorphem zu kristallinem Eis herrührt (vgl. Kap. 3.1.3).
Bei ca. 168 K ist die Multilage desorbiert und es bleibt die Bilage übrig, die stärker an das
Substrat gebunden ist. Bis 185 K ist auch der größte Teil der Bilage desorbiert, bei gut
200 K ist man bei der sauberen Ru(001)-Oberfläche angelangt.
Die einzelnen Bereiche tragen charakteristische Signaturen in der elektronischen Struktur. Die Austrittarbeit wird durch die Adsorption einer amorphen Eisschicht auf Ru(001)
um 1.6 eV auf Φ=3.80±0.05 eV abgesenkt. Mit dem Kristallisierungsübergang steigt
Φ auf 3.98±0.04 eV und mit der Desorption der Multilage auf 4.15±0.03 eV an und
erreicht nach Desorption der Bilage wieder den Wert der sauberen Oberfläche. Dieser
Verlauf der Austrittsarbeit während einer Heizrampe ist bereits zuvor demonstriert worden [Hel95a, Hof97].
Unbekannt waren bisher jedoch die angeregten elektronischen Zustände der eisbedeckten
Ru(001)-Oberfläche, die deutlich die Strukturänderungen in der Eisschicht widerspiegeln.
Das 2PPE-Spektrum entspricht bei Temperaturen <160 K demjenigen bei ∆t=0 fs in der
zeitaufgelösten Messung der amorphen Eismultilage (Abb. 4.19). Man erkennt schwach
den Peak der solvatisierten Elektronen eS bei E (2) − EF =2.77 eV.
Mit der Kristallisierung taucht 3.15 eV über EF ein Peak auf, dessen Intensität etwa eine
Größenordung größer ist als die von eS . Der Zustand gehört zusammen mit dem schwach
erkennbaren Zustand bei 3.75 eV zu einer zum Vakuumniveau konvergierenden Serie von
parallel zur Oberfläche delokalisierten Zuständen. In dieser Messung sind lediglich die energetisch niedrigsten Zustände zu sehen, weil die Photonenenergie hν1 nicht ausreicht, um
die höheren Zustände zu bevölkern. Ihre Eigenschaften wurden von kristallinen Eismultilagen bis zur sauberen Oberfläche untersucht. Sie sind Gegenstand der folgenden Abschnitte
dieses Kapitels und werden u.a. im Licht der Kontroverse um die Adsorptionsstruktur der
Bilage auf Ru(001) diskutiert. Die Bildladungszustände der sauberen Oberfläche (mit den
hier verwendeten Photonenenergien nicht zu sehen) werden in Anhang A diskutiert.
Im Bereich der kristallinen Multilage fällt neben dem prominenten Peak die erhöhte
2PPE-Intensität nahe der sekundären Kante auf (eT ). Die Untersuchungen haben ergeben,
dass Ursache hierfür angeregte elektronische Zustände oberhalb des Fermi-Niveaus mit
Lebensdauern bis in den Minutenbereich sind. Ihnen ist Kapitel 6 gewidmet.
5.1 Elektronendynamik in kristallinen Eismultilagen auf Ru(001)
Bereits in Kapitel 4.4 und 4.5 ist dargelegt worden, wie die Struktur adsorbierter Eisschichten die Elektronendynamik beeinflussen kann. Dabei ging es insbesondere um den Einfluss
der Eisgrenzschichten zum Vakuum und zum Metallsubstrat auf die Geschwindigkeit des
Solvatisierungsprozesses.
Hier wird nun die Elektronendynamik in amorphen und kristallinen Multilagen gegenübergestellt. Die Messung in Abbildung 5.1 zeigt bereits, dass sich neben der Austrittsarbeit die 2PPE-Intensitäten angeregter Zustände im Bereich der Eisschicht stark ändern.
In Abbildung 5.2 sind im Vergleich zeitaufgelöste Messungen mit identischen Laserparametern an 5 BL amorphem (links) und an 4 BL kristallinem D2 O/Ru(001) (rechts)
dargestellt.
115
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen Eisschichten
4.0
5 BL D2O/Ru(001)
amorph
4.0
hν1=3.83 eV
hν2=1.92 eV
3.5
3.0
eS
E - EF [eV]
E - EF [eV]
3.5
3.0
2.5
2.5
2.0
2.0
-400
4 BL D2O/Ru(001)
kristallin
-200
0
200
400
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
-400
(kein eS)
-200
0
200
400
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
Abbildung 5.2: Elektronendynamik in (links) amorphem und (rechts) kristallinem Eis auf
Ru(001): in kristallinen Schichten wird keine Solvatisierung auf der fs-Zeitskala beobachtet. Beide Messungen wurden bei T =95 K unter gleichen Laserbedingungen durchgeführt (XC-Breite der
Laserpulse: 70 fs (fwhm).
In der amorphen Eisschicht sieht man neben den heißen Elektronen (mit Lebensdauern
zu negativen ∆t-Werten) den Peak eS im Frühstadium der Solvatisierung. Durch den
Rücktransfer ins Metall limitiert, lässt sich die Stabilisierung des Zustands über wenige
100 fs verfolgen.
Das 2PPE-Spektrum der kristallinen Eisschicht wird dominiert von einem Zustand
3.15 eV über EF . Seine Lebensdauer ist mit weniger als 5 fs sehr kurz. Von einer Lokalisierung oder Solvatisierung wird auf den ultraschnellen Zeitskalen im Rahmen der
Messgenauigkeit nichts beobachtet. Die Bindungsenergie von 0.85±0.05 eV legt nahe, dass
sich der Zustand vom Affinitätsniveau oder, mit anderen Worten, vom Leitungsband der
Eisschicht ableitet. Auch die extrem kurze Lebensdauer lässt darauf schließen, dass es
sich nicht um einen Zustand an der Vakuumseite der Eisschicht handelt, sondern dass die
Wellenfunktion in der Eisschicht nahe der Metalloberfläche konzentriert ist. Neben diesem
Zustand ist an der hochenergetischen Kante der 2PPE-Spektren ansatzweise ein weiterer
Zustand zu sehen, dessen Lebensdauer ebenfalls bei weniger als 10 fs liegt.
Inwiefern es sich bei den beiden Zuständen um delokalisierte oder lokalisierte Zustände
handelt, kann aus winkelabhängigen 2PPE-Messungen geschlossen werden. Diese sind für
Eisschichten auf der Ru(001)-Oberfläche problematisch, da bei den verwendeten Photonenenergien resonante Übergänge im Substrat möglich sind, die in den Spektren gerade in demselben Energiebereich liegen wie der delokalisierte Zustand der Eisschicht. Hinzu kommt,
dass sich, anders als auf Cu(111), durch die Beleuchtung mit UV-Licht die Austrittsarbeit
ändert. Von der Änderung ist lediglich die globale Austrittsarbeit betroffen, nicht aber die
energetische Position des Zustands bzgl. der Fermi-Energie des Substrats. Die Lichtempfindlichkeit der Eisschichten auf Ru(001) wird ausführlich in Kapitel 6.3 diskutiert. Die
116
5.2 Bedeckungs- und Temperaturabhängigkeit
winkelabhängigen Messungen an Multilagen ergeben qualitativ dasselbe Bild wie für die
Bilage D2 O/Ru(001). Da für die Bilage die Separation der Peaks besser möglich ist, wird
auf die Dispersionsmessungen in Kapitel 5.3.2 verwiesen. An dieser Stelle sei lediglich festgehalten, dass beide wasserinduzierten Zustände parallel zur Oberfläche delokalisiert sind.
Sie werden im Folgenden in Analogie zu den Zuständen vor sauberen Metalloberflächen
als Bildladungszustände bezeichnet, auch wenn im Bereich der Eisschicht das Potential
stark modifiziert ist.
Es sieht also so aus, als sei in kristallinem Eis nicht nur die Lösung von Ionen, sondern
auch die Lokalisierung und Solvatisierung von Elektronen weitgehend unterbunden. Was
ist der Grund hierfür? Um ein Elektron zu lokalisieren, muss Energie aufgebracht werden, weil eine gewisse Bandbreite von Leitungsbandzuständen überlagert werden muss,
um ein Wellenpaket zu formen. Dieser Prozess kann ablaufen, wenn der Gewinn an potentieller Energie die Lokalisierungsenergie überwiegt. In amorphem Eis existiert aufgrund
der Variation in der lokalen Struktur eine Vielzahl von flachen Potentialsenken, an denen Elektronen lokalisiert werden können (siehe detailliertere Diskussion in Kap. 4.3.7).
Wegen der periodischen Struktur sollten derartiger Lokalisierungsplätze in kristallinem
Eis nur in kleiner Zahl auftreten. Damit fällt dieser Lokalisierungskanal weg. Die Untersuchungen zu Lokalisierungsphänomenen in organischen Adsorbaten zeigen jedoch, dass
sich Elektronen auch in geordneten Schichten durch einen als self-trapping“ bezeichneten
”
dynamischen Prozess lokalisieren können [Ge98]. Der Übergang in eine energetisch günstigere Konfiguration kann jedoch durch eine Aktivierungsbarriere blockiert sein. Dass Ionen
in kristallinem Eis nicht gelöst, sondern höchstens auf Gitterplätzen eingebaut werden,
zeigt, dass die kontinuierliche Verzerrung der kristallinen Struktur ein energetisch sehr
ungünstiger Prozess ist. Im Gegensatz dazu bietet eine amorphe Struktur viele Kanäle,
um eine lokale Verzerrung aufzufangen. Dadurch ist in amorphem Eis die Dichte bereits
vorhandener Potentialsenken für die Lokalisierung eines Elektrons größer und der Respons
auf die einmal lokalisierte Ladung erleichtert.
Darüber hinaus erfolgt eine dynamische Lokalisierung allgemein auf der Zeitskala der
involvierten Schwingungsmoden des Mediums, die in der Größenordnung von einigen 10
bis 100 fs liegen. Die Lebensdauer des Leitungsbandzustands ist demnach zu kurz, als dass
eine dynamische Lokalisierung mit signifikanter Wahrscheinlichkeit stattfinden kann.
5.2 Bedeckungs- und Temperaturabhängigkeit,
Struktur unter Desorptionsbedingungen
Mit Hilfe der im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Methode, 2PPE-Spektren während
eines TDS aufzunehmen, wurde untersucht, wie die elektronische Struktur kristalliner Eisschichten auf Ru(001) von der Bedeckung und der Temperatur abhängt. Abbildung 5.3(a)
zeigt eine ähnliche Messung wie Abbildung 5.1, hier jedoch von kristallinem D2 O/Ru(001).
Außerdem sind in der Falschfarbendarstellung die 2PPE-Spektren in Abhängigkeit der Bedeckung aufgetragen, die man aus dem gleichzeitig aufgenommenen TDS berechnen kann.
Es sei zunächst die Bedeckungs- und Temperaturabhängigkeit im Bereich der Multilagen
betrachtet. Der sich vom Leitungsband abgeleitende Zustand (n=1) bleibt unabhängig
von der Bedeckung bei einer Energie von 3.15 eV über EF , bis er sich mit der Desorption
117
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen Eisschichten
4.5
x100
4.0
5.5
3.5
5.0
3.0
4.5
2.5
4.0
Bedeckung Θ [BL]
1.5 1.0 0.5 0.0
n=3
n=2
5.0
-0.5
n=1
n=1
4.5
-1.0
Φ
4.0
n=2
3.5
n=1
3.0
2.0
3.0
2.0
1.0
Bedeckung Θ [BL]
0.0
E - EF [eV]
Efin - EF [eV]
n=1
E - EF [eV]
6.0
EFK
∆t=0 fs
E - EVak [eV]
6.5
hν1=3.83 eV
hν2=1.92 eV
2.0
0.0
2.0
1.5
1.0
0.5
Bedeckung Θ [BL]
0.0
Abbildung 5.3: Bedeckungsabhängigkeit der elektronischen Struktur von kristallinem
D2 O/Ru(001):(links) Entwicklung der 2PPE-Spektren in Falschfarbendarstellung. Das Signal bei Efin -EF >6 eV ist um einen Faktor 100 hochskaliert, um das 3-Photonensignal des
n=1-Bildladungszustand der sauberen Oberfläche sichtbar zu machen.(rechts) Energetische Lage
Zustände n=1 und 2 bzgl. EF und EVak . Für Bedeckungen <1 BL sind die Peakpositionen aus
mehreren Messungen eingetragen. Die Bindungsenergie der Zustände bleibt annähernd konstant.
der zweiten Lage um 0.1 eV zu höheren Energien verschiebt. In einem einfachen Kontinuumsbild würde die Eisschicht aufgrund der positiven Elektronenaffinität (vgl. Kap. 4.2)
in Verbindung mit dem Bildladungspotential einen Quantentrog darstellen, in dem die
quantisierten elektronischen Zustände mit wachsender Breite energetisch absinken sollten.
Da dies nicht der Fall ist, wird geschlossen, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der
Elektronen nahe der Metallgrenzfläche konzentriert ist, wo das Potential durch die äußeren Eisschichten nicht mehr beeinflusst wird. Diese Interpretation steht in Einklang mit
der Lebensdauer, die deutlich kürzer ist als die des ersten Bildladungszustands auf der
sauberen Oberfläche (vgl. Anhang A).
Im Zusammenhang mit der Lokalisierung des Zustands senkrecht zur Oberfläche ist
auch der kontinuierliche Intensitätsanstieg des n=1-Zustands zu verstehen. Um die Probe
verlassen zu können, müssen die angeregten Elektronen im Endzustand die Eisschicht
durchqueren. Je dünner die Schicht ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Elektron die Eisschicht durchquert, ohne gestreut zu werden. Vergleichbare Messungen
an amorphen Eisschichten haben für niederenergetische Elektronen freie Weglängen von
2–3 BL ergeben [Jo91].
In Abbildung 5.3(a) ist auch im Bereich der Multilagen eine leichte Variation der Austrittsarbeit zu erkennen. Diese ist weniger auf eine Bedeckungsabhängigkeit zurückzuführen als auf den Einfluss des UV-Lichts zusammen mit der Temperatur der Probe. Alle
Messungen bestätigen jedoch, dass die energetische Lage des n=1 bzgl. EF nicht von der
lichtinduzierten Austrittsarbeitsänderung betroffen ist. Hier kommt es also zu Abweichungen zwischen der globalen Austrittsarbeit und dem lokalen Vakuumniveau, das die Lage
des Bildladungszustands bestimmt [Fau95, Gah00a]. Da letzteres nicht direkt gemessen
werden kann, ergeben sich für Multilagen D2 O/Ru(001) etwas größere Unsicherheiten in
118
5.3 Bildladungszustände auf der Bilage D2 O/Ru(001)
der Bestimmung der Bindungsenergien der Bildladungszustände. Die im Inset von Abbildung 5.3(b) dargestellten Bindungsenergien wurden über das globale Vakuumniveau
berechnet, woraus mit abnehmender Bedeckung eine scheinbare Zunahme der Bindungsenergie resultiert.
Verfolgt man den ersten Bildladungszustand von kristallinem Eis auf Ru(001) von hohen Bedeckungen bis zur sauberen Oberfläche, so stellt man fest, dass seine energetische
Lage den bedeckungsabhängigen Austrittsarbeitsänderungen bei Desorption der Multilage
und, bei höheren Temperaturen, der Bilage sehr wohl folgt. Seine Bindungsenergie bleibt
bis zu Bedeckungen von weniger als 0.2 BL annähernd konstant bei 0.85±0.05 eV. In
dem Bedeckungsbereich, in dem der n=2 beobachtet wurde, ist auch für diesen Zustand
die Bindungsenergie konstant bei 0.23±0.050 eV. Das bedeutet, dass insbesondere für
Bedeckungen von 1 BL und weniger globale und lokale Austrittsarbeit übereinstimmen.
Für Bedeckungen zwischen 1 und 0.6 BL bleibt die Austrittsarbeit annähernd konstant.
Grund hierfür ist, dass in diesem Bedeckungsbereich noch große Bereiche mit intakter
Bilage vorhanden sind, die von den Rändern her schrumpfen. Bei weniger als 0.6 BL und
Temperaturen von mehr als 175 K sind die Moleküle so mobil, dass sie im Mittel homogen
über die Oberfläche verteilt sind. Der Übergang von intakten Bilageninseln zu einem Git”
tergas“ erfolgt gerade beim Hauptmaximum im TDS der Bilage. Mit weiter abnehmender
Bedeckung verschieben sich Austrittsarbeit und Bildladungszustand parallel zu höheren
Energien. Bei einer Bedeckung von 0.2 BL, wenn das Wasser bis auf den Hochtemperaturpeak desorbiert ist, fällt die Intensität des Bildladungszustands der bedeckten Oberfläche
steil ab. Der n=1-Bildladungszustand von sauberem Ru(001) kann mit den bei der gezeigten Messung verwendeten Photonenenergien nur über einen 2-Photonenprozess bevölkert
werden. Da ein weiteres Photon zur Photoemission benötigt wird, ist das Signal sehr klein.
Um einen Faktor 100 hochskaliert ist der Peak dennoch klar bei der Energie von 4.72 eV
zu erkennen. Er taucht gerade bei der Bedeckung auf, bei der die Intensität des wasserbeeinflussten n=1-Zustands einbricht. Demnach existieren erst dann hinreichend große
Bereiche sauberer Oberfläche, damit sich dort ein delokalisierter Zustand ausbilden kann.
Die restlichen D2 O-Moleküle sind wahrscheinlich an Defekte oder Verunreinigungen an
der Oberfläche gebunden. So konnte kürzlich eine eindeutige Korrelation zwischen der
Größe des Hochtemperaturpeaks im TDS mit dem Wasserstoff-Hintergrunddruck in der
UHV-Kammer festgestellt werden [Wag04].
5.3 Bildladungszustände auf der Bilage D2 O/Ru(001)
5.3.1 Energetik und Dynamik
Die Bilage D2 O auf Ru(001) nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als sie besonders
stark von der Wechselwirkung mit dem Substrat geprägt ist. Ihre Struktur ist nach wie
vor Gegenstand kontroverser Diskussionen (vgl. Kap. 2.1.7).
Die parallel zur Oberfläche delokalisierten Zustände sind bei dieser Bedeckung besonders deutlich ausgeprägt, weil die Schicht aufgrund der Bindung an das Ruthenium eine
geordnete Schicht bildet und die Schicht so dünn ist, dass die Elektronen besonders für
die Zustände mit n>1 auch eine große Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Vakuum vor der
Eisschicht besitzen. Es handelt sich also auch im engeren Sinne um Bildladungszustände.
119
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen Eisschichten
Abbildung 5.4 zeigt eine zeitaufgelöste Messung bei einer Temperatur von 100 K. Die
Pump-Photonenenergie ist mit 4.235 eV um 80 meV größer als die Austrittsarbeit, so dass
im Prinzip alle Zustände bis zum Vakuumniveau bevölkert werden können. Als Probe ist
hier ein kleiner Teil der Leistung direkt aus dem Verstärker bei einer Photonenenergie von
1.55 eV verwendet worden. Die Kreuzkorrelation aus Pump- und Probe-Pulsen hat eine
Halbwertsbreite von 68 fs.
1.6
n=3
1.4
n=4...
-0.2
d-Band
-0.6
0.8
0.4
-0.8
n=1
0.6
heiße El.
-200
hν1= 4.24 eV
hν2= 1.55 eV
0
200
400
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
- EVak [eV]
(1)
-0.4
(2)
1.2
E
E - EF [eV]
n=2
1.0
0.0
-1.0
-1.2
600
Abbildung 5.4: Dynamik der Bildladungszustände auf 1 BL D2 O/Ru(001)
Die Spektren zeigen nicht nur den Zustand mit n=1 und n=2, sondern eine ganze Serie
von Zuständen, deren Energien zum Vakuumniveau hin konvergieren. Zwischen n=1 und
n=2 wird ein weiterer Peak beobachtet, der im Gegensatz zu den Bildladungszuständen
mit UV-Licht abgefragt wird. Er rührt wieder von dem Maximum in der Zustandsdichte
der Ruthenium-d-Bänder 1.0 eV über dem Fermi-Niveau her. Nahe der niederenergetischen
Kante der Spektren erscheint das Signal der heißen Elektronenverteilung in der Nähe des
Fermi-Niveaus.
Die Zustände mit n=1 und 2 können energetisch klar aufgelöst werden. Die Bindungsenergien betragen auf der Bilage 890±30 bzw. 235±15 meV und sind damit um 230 bzw.
50 meV größer als auf der sauberen Oberfläche1 (vgl. Anhang A). Man erkennt darüber
hinaus weitere Zustände unmittelbar unterhalb des Vakuumniveaus. In den ersten 50-100 fs
nach der optischen Anregung lässt sich noch der Zustand mit n=3 mit einer Bindungsenergie von 86±10 meV auflösen. Die Linienbreiten der Peaks sind mit 340±30 meV für
n=1 und 115±15 meV für n=2 deutlich breiter als auf der sauberen Ru(001)-Oberfläche
(siehe Anhang A). Ein Teil davon wird durch eine inhomogene Verbreiterung verursacht,
ein Teil durch die kürzeren Lebensdauern.
Abbildung 5.5 zeigt Kreuzkorrelationen in den Energiebereichen der einzelnen Zustände.
Die Amplituden sind so skaliert, dass sich die Kurven in der halblogarithmischen Darstel1
Dass die Bindungsenergien in der hier gezeigten Messung etwas kleiner sind, liegt daran, dass die Bedeckung um wenige Prozent höher ist als 1 BL, wodurch die globale Austrittsarbeit abgesenkt ist.
120
5.3 Bildladungszustände auf der Bilage D2 O/Ru(001)
2PPE-Intensität (skaliert)
XC auf 1 BL D2O/Ru(001)
3-4
1
4-5
0.1
-10 bis -20 meV
0.01
n=1
0
n=2
n=3
-50 bis -60 meV
200
400
600
800
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
1000
1200
Abbildung 5.5: Kreuzkorrelationen im Bereich der Bildladungszustände auf 1 BL D2 O/Ru(001):
die leichten Quantenschwebungen zwischen n=3 und 4 sowie zwischen n=4 und 5 sind markiert.
lung nicht schneiden. Die Lebensdauer des n=1-Zustands liegt wie für die Multilagen
unterhalb der Auflösungsgrenze. Zeitaufgelöste Messungen an der Bilage D2 O/Ru(001)
wurden auch mit dem verdoppelten und vervierfachten Signal des IR-OPAs durchgeführt.
Hiermit wurden Kreuzkorrelationsbreiten auf dem n=1-Zustand von 38 fs (fwhm) erzielt.
Aufgrund der Unsicherheit von ±3 fs in der Bestimmung des Zeitnullpunkts der Messung
kann man für die Lebensdauer wieder eine obere Schranke von 5 fs angeben. Für den
n=2-Zustand findet man eine Lebensdauer von 25±3 fs, der n=3-Zustand lebt 65±5 fs.
Wie auf der sauberen Oberfläche, so ist es auch auf der Bilage D2 O/Ru(001) nicht mehr
möglich, weitere Bildladungszustände bzgl. der genauen Bindungsenergie und Lebensdauer
zu separieren. Kreuzkorrelationen nahe dem Vakuumniveau zeigen jedoch sehr schwache
Quantenschwebungen. So zeigt die zweitoberste Kurve (50–60 meV unter EVak ) in Abbildung 5.5 eine Schulter bei ca. 110 fs, was der Schwebung zwischen n=3 und 4 entspricht.
10–20 meV unter EVak erscheint statt dessen eine Schulter bei gut 220 fs, was zu dem
zu erwartenden energetischen Abstand zwischen n=4 und 5 passt. Nicht nur die Lebensdauern, sondern auch die Dephasierungszeiten werden durch die Adsorption der Bilage im
Vergleich zur sauberen Oberfläche stark verkürzt, so dass jeweils nur das zweite Maximum
nach einer Schwebungsperiode noch messbar ist. Dies ist aber ausreichend, um festzustellen, dass die Bildladungszustände mit n=4 und 5 noch signifikant zum 2PPE-Signal
beitragen. Bindungsenergien und Lebensdauern der Zustände sind in Tabelle 5.1 nochmal
zusammengefasst.
Was lassen sich aus den Untersuchungen der delokalisierten Zustände in kristallinen
Schichten für Schlüsse über die Struktur der Bilage ziehen?
Die extrem kurze Lebensdauer des Zustands kann als Indiz gewertet werden, dass die
Struktur nicht der idealen Eisbilage entspricht. Würde nämlich an jedem zweiten Wassermolekül eine freie O–H- bzw. O–D-Bindung in Richtung Vakuum zeigen, würden sich
121
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen Eisschichten
n
1
2
3
4
5
E − EVak [eV]
-0.890±0.030
-0.235±0.015
-0.086±0.010
(-0.050±10)
(-0.032±8)
τ [fs]
<5
25±3
65±5
Tabelle 5.1: Bindungsenergien und Lebensdauern der Bildladungszustände auf 1 BL
D2 O/Ru(001). Werte in Klammern sind nach
Gl. 2.5 abgeschätzt und passen im Rahmen der
Messgenauigkeit zu den gemessenen Quantenschwebungen zwischen n=3 und 4 bzw. n=4
und 5.
die Elektronen vorzugsweise in der Nähe der partiell positiv geladenen Wasserstoffatome an der Außenseite der Bilage aufhalten, was den Zustand vom Ruthenium-Substrat
entkoppeln und zu einer längeren Lebensdauer führen würde. In diesem Fall würde auch
die Adsorption weiterer Eisschichten den Zustand stärker beeinflussen. Die Messungen
sind insofern in Einklang mit den Ergebnissen von Breitband-SFG-Experimenten, in denen speziell bei der Bedeckung einer Bilage keine freie O-D-Streckschwingung beobachtet
wurde [Den03b]. Inwieweit die Bilage in einer H-down“- oder einer halbdissoziierten Kon”
figuration adsorbiert, lässt sich aus den 2PPE-Daten nicht bestimmen.
5.3.2 Dispersion
Um weiteren Einblick in die elektronische Bandstruktur der adsorbierten Bilage zu erhalten, wurde winkelabhängige Messungen für die Zustände n=1 und 2 durchgeführt. In
Abbildung 5.6 sind für 1 BL D2 O/Ru(001) 2PPE-Spektren unter verschiedenen Emissionswinkeln φ dargestellt. Die Intensitäten sind auf den Peak des n=1-Zustands normiert. Das
Spektrum für annähernd senkrechte Emission ist hervorgehoben. Für den n=2-Zustand erE
(2)
3.0
n=1
4.0
(a)
C
10
0
-10
1.0
E
(1)
1.5
- EF [eV]
2.0
3.4
C
1.4
(1)
E
3.6
- EF [eV]
20
1.6
3.8
1.2
n=1
(2)
n=2
meff=1.3±0.1 me
E
d-Band
- EF [eV]
1.8
hν1=4.09 eV
hν2=2.04 eV
4.0
n=2
Emissionswinkel φ [°]
2PPE-Intensität (norm.)
1 BL D2O/Ru(001)
- EF [eV]
3.5
3.2
meff=1.3±0.3 me
1.0
d-Band
-0.2
(b)
0.0
3.0
0.2
-1
k|| [Å ]
Abbildung 5.6: Dispersionsmessung von 1 BL D2 O/Ru(001):(a) winkelabhängige 2PPESpektren, normiert auf den n=1-Peak. Die vertikale Verschiebung entspricht dem Emissionswinkel.
(b) Peakpositionen in Abhängigkeit von kk . Der Peak C wird auf einen Übergang zwischen Volumenzuständen im Bereich des sp-Bands von Ru zurückgeführt.
122
5.3 Bildladungszustände auf der Bilage D2 O/Ru(001)
gibt sich ein klares Bild. Der Peak verschiebt sich mit zunehmendem Spektrometerwinkel
φ zu höheren Energien. Trägt man die Peakpositionen über dem zugehörigen Wellenvektor parallel zur Oberfläche kk gemäß Gleichung 3.12 auf, wie im rechten Teil der Abbildung dargestellt, findet man ein parabelförmiges Band mit einer effektiven Masse von
1.3±0.1 me . Im Energiebereich des n=1-Zustands ist die Situation komplexer. Statt eines
Peaks mit vergleichbarer Winkelabhängigkeit wie der des 2. Bildladungszustands werden
drei Peaks von Bändern mit unterschiedlicher effektiver Masse beobachtet. Im rechten Teil
sind die Peakpositionen angegeben, die durch Anpassung einer Überlagerung aus 2 oder
3 Gauss-Kurven ermittelt wurden. Für den n=1-Zustand ergibt sich so ebenfalls eine effektive Masse von 1.3±0.3 me . An der niederenergetischen Flanke wird in Normalemission
der Peak beobachtet, der den d-Bändern von Ruthenium zugeordnet wird. Zusätzlich tritt
ein weiteres Band bei höheren kinetischen Energien auf, das energetisch mit dem sp-Band
des Rutheniums zusammenfällt. In Abbildung 2.19 ist die Bandstruktur von Ruthenium
dargestellt. Mit den verwendeten Photonenenergien ist in der Nähe des Γ-Punktes eine resonante Anregung aus besetzten Zuständen möglich. Das Resonanzverhalten könnte dafür
verantwortlich sein, dass der Peak in Normalrichtung praktisch nicht beobachtet wird.
Man kann also festhalten, dass sich der delokalisierte Charakter der Bildladungszustände
auf 1 BL D2 O/Ru(001) durch die Dispersionsmessungen bestätigen lässt, auch wenn im
Energiebereich des n=1-Zustands zusätzliche Peaks von Interbandübergängen im Substrat
beobachtet werden.
123
5 Delokalisierte Zustände in kristallinen Eisschichten
124
6 Elektroneneinfang in kristallinen
Eisschichten
Im letzten Kapitel ist gezeigt worden, dass in kristallinen Eisschichten auf der Femtosekundenzeitskala keine Bildung solvatisierter Elektronen beobachtet wird wie in vergleichbaren amorphen Schichten und die Lebensdauer der angeregten delokalisierten Elektronenzustände in der Eisschicht kürzer als 10 fs ist. Dennoch können auch in kristallinem Eis
Elektronen lokalisiert werden. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist der Prozess allerdings
weniger mit einem Lösungsprozess in der Flüssigkeit als mit einem Elektroneneinfang in
einem Festkörperdefekt vergleichbar. Zur Unterscheidung wird deshalb von eingefangenen
Elektronen (engl. trapped electrons“, eT ) gesprochen. Da die Dichte dieser Elektronen
”
viel kleiner ist als die solvatisierter Elektronen in amorphem Eis, die Lebensdauer dagegen
um viele Größenordnungen länger, sind die Zustände nur unter anderen spektroskopischen
Bedingungen beobachtbar. Um den Unterschied deutlich zu machen, sei nochmals das Verfahren dargelegt, wie eine Messung zur Ultrakurzzeitdynamik erfolgt. Zu zeitabhängigen
2PPE-Spektren tragen einerseits die Elektronen bei, die durch einen Laserpuls angeregt
und durch den anderen photoemittiert werden. Neben diesem zeitlich korrelierten Signal
können auch Elektronen über 2- oder Mehrphotonenprozesse von einem Laserpuls emittiert
werden. Diese nicht zeitlich korrelierten Anteile werden meist als Untergrund abgezogen.
Man kann sie messen, indem man entweder getrennte Spektren mit jeweils nur einem
Laserstrahl aufnimmt, oder indem man |∆t| so groß wählt, dass die Population der angeregten Zustände in der Zeit zwischen den Pulsen wieder zerfallen ist. Letzteres Verfahren
hat den Vorteil, dass der Untergrund parallel zur Aufnahme der zeitabhängigen Spektren
aufgenommen werden kann und sich Laserschwankungen weitgehend wegmitteln.
2
3
E
(2)
- EF [eV]
4
Abbildung 6.1: 2PPE-Spektrum
langlebiger Elektronen in kristallinem Eis bei T ≈35 K. hν1 =3.90 eV,
hν2 =1.95 eV
UV+VIS:
∆t= 0 ps
∆t=-1 ps
n=1
2PPE-Intensität
5
UV allein
d-Band
n=2
eT
0
1
E
(1)
2
- EF [eV]
3
4
125
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
Kristalline Eisschichten stellen einen Sonderfall dar. Abbildung 6.1 zeigt neben einem
2PPE-Spektrum bei zeitlichem Überlapp der Pump- und Probe-Pulse eines, bei dem der
UV-Puls die Probe 10 ps nach dem VIS-Puls erreicht, und ein reines UV-Spektrum, alle
aufgenommen bei einer Temperatur von 35 K. Im reinen UV-Spektrum wird ein annähern
1 eV breiter Peak eT (engl. trapped electrons“) bei Zwischenzustandsenergien von gut 2 eV
”
über EF sichtbar. Dieser Beitrag wird ausschließlich mit UV-Licht beobachtet und ist bei
den beiden anderen Spektren abwesend. Das bedeutet, dass der Zustand mit sichtbarem
Licht entvölkert werden kann. Ist dieser Prozess unabhängig von ∆t, so ist die Lebensdauer
größer als das Inverse der Repititionsrate des Lasers, d. h. größer als 5 µs, so dass die
Elektronen mit den darauf folgenden Laserpulsen abgefragt werden können.
Pulslängenabhängigkeit der 2PPE-Intensität
Ein Test dafür, ob es sich bei eT tatsächlich um angeregte Zustände handelt, die über
eine Zeit von mehr als 5 µs bevölkert bleiben, oder ob das 2PPE-Signal aus direkten
2-Photonenprozesse innerhalb eines Laserpulses resultiert, ist die Abhängigkeit der 2PPEIntensität von der Pulslänge. Der direkte 2-Photonenprozess hängt quadratisch von der
momentanen Intensität und damit von der inversen Pulslänge ab. Für einen Prozess, bei
dem die Elektronen durch Ein-Photonenprozesse mit zeitlich nicht überlappenden Laserpulsen angeregt und emittiert werden, ist dagegen die gemittelte Intensität entscheidend,
nicht aber die Pulslänge. In Abbildung 6.2 ist eine Messung dargestellt, bei der die Länge
der UV-Pulse bei konstanter Fluenz variiert wurde1 . Rechts oben sind für die 3 dominanten Peaks die integrierten Intensitäten über dem inversen Quadrat der Pulslängen
aufgetragen. Das 2PPE-Signal der Ru-d-Bänder und des n=1 Bildladungszustands zeigt
XC-Breite tXC (fwhm) [fs]
300
2PPE-Intensität
eT
rel. Intensität
1.0
~4 BL D2O/Ru(001)
kristallin
d-Band
100
140 120
0.5
eT
d-band
n=1
0.0
0
20
40
60
2
80 100
-2
(1/tXC) [ps ]
n=1
0
1
2
3
E - EF [eV]
hν=3.89 eV
4
5
Abbildung 6.2: Abhängigkeit der 2PPE-Spektren von der Länge der UV-Pulse. (Inset) Peakintensitäten als Funktion der inversen quadratischen Pulslänge.
1
Hierzu wurde Glas in den UV-Strahlengang eingebracht.
126
die erwartete Abhängigkeit eines 2-Photonenprozesses innerhalb eines Laserpulses. Die
Intensität von eT hingegen ist unabhängig von der Pulsdauer. Es scheint sich also tatsächlich um angeregte Elektronenzustände 2 eV über dem Fermi-Niveau zu handeln, die
eine Lebensdauer von mehr als 5 µs haben. Das ist sehr überraschend, da sich die Elektronen wenige Ångström vor einer Metalloberfläche aufhalten. Die Zustände werden nicht
nur in sehr dicken Eisschichten beobachtet, sondern auch bei nominellen Bedeckungen
von ca. 2 BL2 . Unabhängig vom Substrat treten die langlebigen Elektronen jedoch nur in
kristallinen Schichten auf. Amorphe Eisschichten zeigen das Phänomen nicht.
Lokalisierungsgrad
Der Lebensdauer zufolge handelt es sich bei eT um Zustände, deren Wellenfunktion senkrecht zur Oberfläche extrem stark lokalisiert ist und entsprechend keinen Wellenfunktionsüberlapp mehr mit dem Substrat hat. Winkelabhängige 2PPE-Spektren können nun
wiederum Auskunft darüber geben, inwieweit die Zustände auch parallel zur Oberfläche
lokalisiert sind. Aus der in Abbildung 6.3 dargestellten Messung ist ersichtlich, dass der
Peak eT annähernd eine flache Dispersion besitzt, was das Kennzeichen eines lokalisierten
Zustands ist. Die ansatzweise erkennbare scheinbar negative Dispersion wird ähnlich wie
bei den solvatisierten Elektronen in amorphen Eisschichten auch der Winkelabhängigkeit
der Intensität zugeschrieben, die sich aus der Lokalisierung ergibt (vgl. Kap. 4.3.5). Die
Intensitäten und exakten Peakpositionen lassen sich jedoch für eT nicht quantitativ auswerten, da die Rotationsachse der Probe bei den Messungen nicht exakt in der Oberfläche
des Kristalls lag. Es lässt sich jedoch eindeutig schließen, dass der Zustand auch parallel
zur Oberfläche lokalisiert ist. Die im Vergleich zum n=1 Bildladungszustand um mehr als
1 eV höhere Bindungsenergie zeigt, dass die lokale Umgebung des Elektrons stark von der
perfekten Eisstruktur abweicht, die Elektronen also an speziellen Defekten eingefangen
werden.
-0.2
0.0 0.2
-1
k|| [Å ]
~9 BL D2O/Ru(001)
hν=3.88 eV
T=35 K
1.5
2.0
2.5
Ekin [eV]
3.0
20
10
0
-10
Emissionswinkel φ [°]
2PPE-Intensität (norm.)
2.0
1.0
2
2.1
Ekin [eV]
eT
Abbildung 6.3: Winkelabhängige
2PPE-Spektren normiert auf die
Peakintensität von eT . Eine quantitative Auswertung der Intensitäten und der leichten Peakverschiebung ist aus experimentellen Gründen nicht möglich (siehe Text).
Man beachte, dass die erste Bilage auf Ru(001) eine geschlossene Schicht bildet.
127
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
6.1 Populations- und Depopulationsmechanismus
Bei der überraschenden Dynamik stellt sich die Frage, wie die langlebigen Zustände bevölkert werden. Auskunft hierüber gibt die Abhängigkeit der Intensität von der Photonenenergie, die in Abbildung 6.4 dargestellt ist. Die Spektren sind jeweils nur mit UV-Licht
aufgenommen und in der Intensität hinsichtlich des Photonenflusses korrigiert. Die Lage
der Fermi-Kante entspricht der jeweiligen Photonenenergie und markiert, welche Zustände
gerade noch mit einem Photon populiert werden können. Rechts oben sind die integrierten
Peakintensitäten über der Fluenz aufgetragen. Die Population der Zustände setzt ein, wenn
1.0
2PPE-Intensität
0.5
rel. Intensität
eT
0.0
3.2 3.4 3.6 3.8
hν [eV]
n=1
EFK
hν [eV]
4
3
1.5
2.0
2.5
3.0
E - EF [eV]
3.5
4.0
Abbildung 6.4: Photonenenergieabhängigkeit von eT : Die Anregung ist erst mit Photonenenergien von 3.2 eV möglich, die auch ausreichen, um den n=1-Bildladungszustand zu bevölkern. Dieser
Zustand ist in den Spektren mit hν=3.28 und 3.63 eV kaum zu sehen, weil die Messungen mit
ca. 300 fs langen Laserpulsen aufgenommen wurden, um das Untergrundsignal zu minimieren (vgl.
Abb. 6.2).
die Photonenenergie eine Schwelle von 3.2±0.1 eV übersteigt und nimmt mit steigender
Photonenenergie zu. Die geringe Intensität von eT , die man im Spektrum mit hν=3.08 eV
sieht, ist möglicherweise auf eine 2-Photonenanregung zurückzuführen. Die Fluenz bei dieser Messung war eine Größenordnung höher als bei den anderen. Es ist also nicht möglich,
die Zustände bei 2 eV über EF direkt zu bevölkern. Die Spektren zeigen vielmehr, dass
der Schwellwert etwa mit der energetischen Lage des ersten Bildladungszustands, der für
dicke Eisschichten Teil des Leitungsbands ist, zusammenfällt. Die Elektronen werden also zunächst in ausgedehnte Zustände in der Eisschicht injiziert und von dort aus in den
mehr als 1 eV stärker gebundenen Zuständen eT eingefangen. Der Anregungsprozess ist
in Abbildung 6.5(a) schematisch dargestellt. Die indirekte Anregung über energetisch höher liegende Zustände macht es möglich, Zustände vom Metallsubstrat aus zu besetzen,
deren Wellenfunktion direkt keinen Überlapp mit Substratzuständen aufweist. Umgekehrt
können die Zustände bereits mit deutlich kleineren Photonenenergien entvölkert werden,
sobald die Photonenenergie ausreicht, um eingefangene Elektronen wieder in ausgedehnte
128
6.2 Populationsdynamik
(a) Population
(b) Depopulation
E
E
EVak
UV
Abbildung
6.5: Schematische
Darstellung des Anregungs- und
Depopulationsprozesses von eT
EVak
CB
VIS
UV
EF
EF
Metall
H2O
H2O
Metall
VB
z
z
2PPE-Intensität
Zustände anzuregen, die stärker an Substratzustände koppeln (Abb. 6.5). Um die Depopulationsschwelle zu bestimmen, wurde mit Hilfe des IR-OPAs die Photonenenergie des
Probe-Strahls bis auf 0.83 eV reduziert. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass sich eT
selbst dann noch ausbleichen lässt, und zwar homogen über den gesamten Peak (siehe
Abb. 6.6). Dabei sollte zumindest an der niederenergetischen Flanke von eT die Photonenenergie nicht mehr ausreichen, um Elektronen in Leitungsbandzustände anzuregen. Die
Ursache hierfür wird in den folgenden Kapiteln klar werden, in denen die Dynamik des
Prozesses diskutiert wird.
~8 BL kristallines D2O/Ru(001)
hν1=3.40 eV
hν2=0.83 eV
UV
eT
Abbildung 6.6: Depopulation von
eT mit 0.83 eV (1500 nm): (gestrichelt) Spektrum mit UV allein;
(durchgezogen) Spektrum mit UV +
IR bei einem ∆t im Bereich von Nanosekunden.
n=1
UV+IR
1.5
2.0
2.5
E - EF [eV]
3.0
3.5
Aus dem Energieschema 6.5(b) wird ferner deutlich, dass eT im korrelierten Spektrum
auftauchen sollte, wenn die Photonenenergie des sichtbaren Lichts ausreicht, um die Elektronen bis über das Vakuumniveau anzuheben. Dies ist der Fall, wie man z.B. in Abbildung
6.1 im Spektrum bei großem ∆t an der hohen 2PPE-Intensität nahe der niederenergetischen Kante sieht.
6.2 Populationsdynamik
Wie oben bereits erwähnt, ist man bei eT mit der Situation konfrontiert, dass die Lebensdauer der Zustände länger als die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Laserpulsen
ist. Damit brechen die im bisherigen Teil der Arbeit verwendeten Konzepte der Pump-
129
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
Probe-Spektroskopie zusammen, da sich die Population durch Akkumulation über mehrere
Laserpulse aufbaut und letztlich eine Überlagerung von Spektren bei einer äquidistanten
Reihe von Pump-Probe-Verzögerungen gemessen wird. Diese Komplikationen ließen sich
umgehen, wenn man das Lasersystem im Einzelschussmodus betreiben würde. Die mit
dem Lasersystem erreichbaren Pulsenergien sind allerdings um viele Größenordnungen zu
klein, um damit eine ausreichende Statistik für ein Photoemissionsspektrum zu erhalten.
Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich die Langzeitdynamik der Zustände charakterisieren lässt, indem man die zeitliche Entwicklung der 2PPE-Spektren nach dem Blocken
oder Öffnen eines Laserstrahls untersucht3 . Abbildung 6.7 zeigt eine Messung, bei der alle
UV
Efin - EF [eV]
6.5
UV+VIS
@Dt=0
6.0 eT
5.5
5.0
n=1
4.5
eT
4.0
2PPE-Intensität
hn1=3.81 eVhn2=1.92 eV
0
1
2
3
Zeit [s]
4
5
Abbildung 6.7: Populations- und Depopulationsdynamik von eT : (oben) Echtzeitentwicklung
des 2PPE-Spektrums, wobei der VIS-Strahl zeitweilig geblockt wurde. (Mitte) Entwicklung der
Intensität im Bereich von eT abgefragt mit UV. (unten) Entwicklung der Intensität im Bereich von
eT abgefragt mit VIS.
25 ms 2PPE-Spektren ausgelesen wurden. Bei durchgehender Beleuchtung mit UV-Licht
wurde der sichtbare Strahl mehrfach für etwa 1 s geblockt. In diesen Zeiten erkennt man
bei Endzustandsenergien von 6 eV den Peak eT . Die zeitliche Entwicklung der Intensität
in diesem Energiebereich (mittlere Kurve) zeigt, dass die Population mit einer endlichen
Anstiegszeit zunimmt und exponentiell gegen einen Grenzwert läuft. Die Anstiegszeit liegt
bei dieser Messung bei 0.2±0.1 s. Öffnet man den sichtbaren Strahl, ist der Peak bei 6 eV
sehr schnell ausgebleicht. Gleichzeitig gibt es eine kurzzeitige, sehr starke Signalüberhöhung nahe der sekundären Kante (untere Kurve). Dies sind langlebige Elektronen, die mit
sichtbarem Licht abgefragt werden. Da das sichtbare Licht nur die Zustände entvölkern,
3
Dazu wurden die optischen Pfade mit elektronisch gesteuerten Verschlussblenden ausgerüstet, mit denen
die Laserstrahlen reproduzierbar auf einer Zeitskala von 10 ms geschaltet werden können.
130
6.2 Populationsdynamik
aber nicht nachbesetzen kann, nimmt die Population stark ab und pendelt sich auf einem
viel geringeren Niveau ein. Zu dem 2PPE-Signal nahe der sekundären Kante tragen hier
auch heiße Elektronen bei, da die korrelierten Spektren bei zeitlichem Überlapp der VISund UV-Pulse aufgenommen wurden. Dieser Anteil weist jedoch keine endlichen Anstiegsoder Abfallszeiten auf.
Um zu untersuchen, was die Ursache für Zeitkonstanten im Sekundenbereich ist und mit
welcher Häufigkeit der beobachtete Prozess auftritt, kann man die Populationsdynamik
durch eine Differenzialgleichung beschreiben4 . Unter der Annahme, dass die Elektronen
sich nicht dynamisch lokalisieren, sondern dass N Lokalisierungsplätze existieren, an denen
Elektronen eingefangen werden können, sollte sich die Zahl der eingefangenen Elektronen
n ändern gemäß
ṅ = Ip+ (N − n) − (1/τ + Ip− ) n .
(6.1)
Dabei steht I für die Photonendichte, p+ und p− bezeichnen die Wirkungsquerschnitte
für Population und Depopulation der langlebigen Zustände mit der Lebensdauer τ . Die
Gleichung beinhaltet der gemessenen Pulslängenabhängigkeit folgend die Annahme, dass
sowohl Population als auch Depopulation Ein-Photonen-Prozesse sind. Der erste Term,
der die Zunahme der Population beschreibt, ist proportional zur Anzahl der noch nicht
besetzten Lokalisierungsplätze. Zur Abname der Population trägt zum einen der Zerfall
entsprechend der Lebensdauer der Zustände τ bei. Darüber hinaus werden die Zustände
effektiv durch eine weitere optische Anregung entvölkert, wie das Ausbleichen des Signals
mit sichtbarem Licht zeigt. Dieser Prozess findet auch mit UV-Licht statt, die Lichtintensität ist jedoch um ein bis zwei Größenordnungen geringer. Gleichung 6.1 hat die Lösung
³
´
Ip+ N
n(t) =
(6.2)
1 − e−(1/τ +I(p+ +p− ))t + n0 e−(1/τ +I(p+ +p− ))t .
1/τ + I (p+ + p− )
Ein Bruchteil a der depopulierten Elektronen verlässt die Probe und erreicht den Elektronendetektor, so dass sich die gemessene 2PPE-Intensität schreiben lässt als
I 2PPE (t) = aIp− · n(t) .
(6.3)
Die 2PPE-Intensität ändert sich wie die Population beim Einschalten bzw. Blocken eines
Laserstrahls mit der Zeitkonstanten
1/τ̃ = 1/τ + I (p+ + p− )
(6.4)
und läuft gegen den asymptotischen Wert
2PPE
I∞
= aI N
Ip+ p−
.
1/τ + I (p+ + p− )
(6.5)
Beide Größen sind also nicht nur von der Lebensdauer der Zustände, sondern auch von
der Fluenz abhängig. In Abbildung 6.8 ist das Ergebnis einer Messung dargestellt, bei
der der zeitliche Verlauf des 2PPE-Spektrums nach Einschalten des UV-Lichts in Abhängigkeit der Fluenz aufgenommen wurde. Die Fluenz wurde variiert durch unterschiedliche
4
Die Modellierung mit infinitesimalen Zeitschritten macht nur Sinn, weil die Zeitkonstanten lang gegen
die inverse Repititionsrate des Lasersystems sind, d.h. man regt mit quasi-cw-Licht an.
131
2PPE-Intensität von e T
100
48%
21%
10
6.4%
1
100
1/τAnstieg [1/s]
I/ =100%
I0
2PPE-Intensität
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
10
1
10
1
0.1
0.0
1.0
Zeit [s]
2.0
2
0.01
4
6 8
2
0.1
relative Fluenz
4
6 8
1
Abbildung 6.8: Fluenzabhängigkeit langlebiger Elektronen: (links) Intensitätsanstieg nach Freigabe des UV-Strahls für unterschiedene Fluenz. (rechts) Sowohl für die asymptotische Intensität
(oben) als auch für das Inverse der Anstiegszeit (unten) ergibt sich der nach Gleichung 6.2 erwartete
lineare Zusammenhang.
Graufilter, deren Transmission für den UV-Bereich extra mit einem optischen Spektrometer vermessen wurde. Die Unsicherheit in der Eichung spiegelt sich in den relativ großen
Fehlerbalken im Bereich niedriger Fluenzen wider. Links ist das unterschiedliche Anstiegsverhalten von eT zusammen mit exponentiell gegen einen Grenzwert laufenden Fitfunktionen dargestellt. Für die Bestimmung der asymptotischen Intensität wurde zunächst ein
linear von der Energie abhängender Untergrund abgezogen. Sowohl für die Intensität als
auch das Inverse der Anstiegszeit wird die Fluenzabhängigkeit gut durch einen linearen
Zusammenhang beschrieben (siehe eingezeichnete Fitkurven). Das bestätigt zum Einen,
dass sowohl Population als auch Depopulation Ein-Photonenprozesse sind. Darüber hinaus
zeigt es aber auch, dass die Lebensdauer der Zustände lang im Vergleich zur Anstiegszeit
des 2PPE-Signals sein muss, also länger als 10 s.
Mit Hilfe der Gleichungen 6.4 und 6.5 kann man abschätzen, wie viele Plätze eigentlich in einer Eisschicht existieren, an denen Elektronen derartig lange lokalisiert werden
können. Bei Bedingungen, unter denen die Verweildauer der Elektronen in der Eisschicht
nicht durch den Rücktransfer ins Metall, sondern durch die lichtinduzierte Depopulation
bestimmt ist, erhält man für die Zahl der existierenden Defekte
N≈
2PPE p + p
I∞
+
−
·
aIp−
p+
Die effektive Depopulation mit sichtbarem Licht zeigt, dass p−
folgt
2PPE
N >
/a
∼ 4τ̃ · I∞
(6.6)
>
∼
p+ gelten muss. Daraus
(6.7)
Nimmt man an, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elektron bei der Depopulation tatsächlich die Probe verlässt und auch noch auf den Elektronendetektor trifft und nachgewiesen wird, in der Größenordnung von 10−4 liegt, ergibt sich aus Messungen bei Bedeckungen
132
6.2 Populationsdynamik
Efin - EF [eV]
8
Pump
∆t
7
Probe
6
5
2PPEIntens.
4
-10
-5
0
5
Abbildung 6.9: Messung der Elektronendynamik auf der Zeitskala
von Sekunden: Nach Beleuchtung
für 10 s mit UV-Licht, um eine
Population in eT aufzubauen, wird
der Strahl geblockt. Nach einer variablen Zeit ∆t wird die Probe
mit sichtbarem Licht beleuchtet, wodurch die verliebene Population von
eT innerhalb eines Bruchteils einer
Sekunde abgefragt wird.
10
Zeit [s]
um 5 BL eine Defektdichte von mehr als 1012 cm−2 . Bezogen auf die Zahl der Wassermoleküle entspricht das einer Konzentration von mehr als 10−4 , einem Wert, der höher ist
als die Konzentration der Punktdefekte im Volumen von kristallinem Eis bei -20◦ C. Es
handelt sich also durchaus nicht um eine seltene Spezies5 .
Da die Photonenflussdichte bei den Experimenten bekannt ist, kann man nach Gleichung 6.4 auch den Wirkungsquerschnitt für die Depopulation berechnen. Wieder unter
−18 cm2 .
der Annahme, dass p− >
∼ p+ ist, liegt der Wirkungsquerschnitt bei 0.5–1·10
6.2.1 Pump-Probe-Spektroskopie auf der Sekundenzeitskala
Die Dynamik der langlebigen Zustände wurde mit einer speziellen Form der Pump-ProbeSpektroskopie untersucht, deren Prinzip in Abbildung 6.9 exemplarisch an einer Messung
dargestellt ist. Zunächst wird mit UV-Licht (hνPump >3.2 eV) eine Population in den Zuständen erzeugt, jedoch nicht mit einem kurzen Puls, sondern akkumuliert über 10 s, so
dass gemäß Gleichung 6.2 eine stationäre Population erreicht wird. Nach variabler Dunkelzeit ∆t werden die Elektronen über mehrere Sekunden abgefragt, wobei die Photonenenergie zwar ausreicht für die Photoemission aus den langlebigen angeregten Zuständen, nicht
aber, um sie mit Ein-Photonenprozessen zu bevölkern (hνProbe <3.2 eV). Da die Intensität
des Probe-Strahls um ein bis zwei Größenordnung höher ist als die des Pump-Strahls, wird
die Population von eT in einem Bruchteil einer Sekunde abgeräumt. In dieser Zeit ist das
2PPE-Signal sehr intensiv, zu späteren Zeiten tragen nur noch gewöhnliche“ 2- und 3”
Photonenprozesse zum Signal bei. Dieses Untergrundsignal wird bei der Auswertung vom
eigentlichen Probe-Signal abgezogen.
Es sei angemerkt, dass die Zeitauflösung nicht durch die Dauer der Beleuchtung mit
Pump- und Probe-Licht bestimmt ist, sondern durch die jeweiligen Depopulationszeiten.
Sie ist damit abhängig von der Fluenz und liegt unter den experimentellen Bedingungen
in der Größenordnung von 0.1 s.
Abbildung 6.10 zeigt derartige Pump-Probe-Spektren aufgenommen mit hνProbe =3.1 eV
bei einer Probentemperatur von ca. 35 K. Das Spektrum für ∆t=0.1 s wurde aus einer
5
Die Zahl der besetzten Zustände n∞ ist interessanter Weise in der benutzten Näherung unabhängig von
der Laserfluenz.
133
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
1
∆t =0.1 s
1s
10 s
60 s
3
2
Peak-Maximum
2.0
300 s
1.8
630 s
1.0
1.5
2.0
E - EF [eV]
2.5
3.0
E - EF [eV]
PE-Intensität
6
5
4
(τ~10 min)
integr. PE-Intensität
T~35 K
Θ~2 BL
hνPump= 3.9 eV
hνProbe= 3.1 eV
1.6
0
300
∆t [s]
600
Abbildung 6.10: Elektronendynamik ultralanglebiger Elektronen in kristallinem Eis:(links) Photoelektronenspektren mit hνProbe =3.1 eV. Das Spektrum bei ∆t=0.1 s ist bei gleichzeitiger Beleuchtung mit UV und 400 nm-Licht aufgenommen. Der Wert für die Zeitverzögerung ergibt sich
aus dem mittleren Alter der Elektronen entsprechend dem fortwährenden Depopulationsprozess.
Messung wie in Abbildung 6.7 durch Abzug des entsprechenden Untergrundsignals extrahiert und so skaliert, dass die integrierte Intensität in den Trend der Spektren bei 1 s und
10 s passt. Um die zeitliche Entwicklung zu verdeutlichen, sind die Spektren entsprechend
dem jeweiligen ∆t vertikal verschoben.
Selbst 10 min nach der Anregung ist eine messbare Population der Zustände vorhanden.
Aus den integrierten 2PPE-Intensitäten wird deutlich, dass der Zerfall nicht exponentiell
ist und eine langsame Komponente mit einer Lebensdauer von mehr als 10 min besitzt
(Abb. 6.10(b)). Die Spektren zeigen darüber hinaus, dass sich der Peak auch auf der Minutenzeitskala noch um mehrere 100 meV zu niedrigeren Energien verschiebt (Abb. 6.10(c)).
Wie die Zerfallsrate, so verringert sich auch die Stabilisierungsrate mit fortschreitender
Zeit nach der Anregung. Die asymptotische Bindungsenergie wird allerdings auch in dem
Zeitfenster von gut 10 min nicht erreicht.
6.2.2 Diskussion des Lokalisierungs- und Stabilisierungsprozesses in
kristallinem Eis
Die in den letzten Abschnitten vorgestellten Experimente weisen nach, dass in kristallinen Eisschichten lokalisierte elektronische Zustände existieren, die bei einer Energie von
2 eV über EF eine Lebensdauer von mehreren Minuten haben und auf dieser Zeitskala
noch stabilisiert werden. Im Folgenden soll nun diskutiert werden, was man aus den Experimenten über die mikroskopische Struktur der elektronischen Wellenfunktion und der
lokalen Eisumgebung lernen kann.
134
6.2 Populationsdynamik
Lebensdauer und Energiebarriere Im Volumen von amorphem wie kristallinem Eis können lokalisierte Elektronen bereits bei 77 K für viele Minuten stabilisiert werden [Gil01].
Die Ursache ist, dass stärker gebundene unbesetzte Zustände, in die die Elektronen relaxieren könnten, nur an Defekten wie OH und H3 O+ existieren, deren Konzentration
und Mobilität jedoch sehr gering ist. Die Metalloberfläche hingegen stellt viele unbesetzte
Zustände zur Verfügung. Zwischen Elektron und Metall muss demnach eine Potentialbarriere existieren, die so groß ist, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Elektronentransfer
zurück ins Metall der beobachteten Lebensdauer von mehreren Minuten entspricht. Der
Potentialverlauf in der Umgebung eines lokalisierten Elektrons ist nicht bekannt. Um die
Größenordnung der Barriere abzuschätzen, kann man stark vereinfachend den Tunnelprozess durch eine rechteckige Potentialschwelle betrachtet, wie in Abbildung 6.11 skizziert.
Energie
Metall
Eis
V0
Abbildung 6.11: Skizze zur Abschätzung
der Energiebarriere V0 −E zwischen Elektron
und Metall aus der Tunnelwahrscheinlichkeit
durch einen Potentialwall der Dicke d
E
z
a
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein von rechts einfallendes Teilchen mit der Energie E die
Potentialschwelle durchquert, ergibt sich zu [Sch92]
|S(E)|2 =
1
(6.8)
1 + (1 +
p
√
mit ²=κ/k - k/κ, k= 2mE/} und κ= 2m(V0 − E)/} . Für große Barrieren (κd À 1)
lässt sich Gleichung 6.8 vereinfachen zu
µ
¶
p
d
2
|S(E)| ≈ exp −4 2m(V0 − E)
(6.9)
}
(²2 /4)) sinh2 (κd)
Um von der Transmissionswahrscheinlichkeit zu einer Zerfallszeit zu kommen, muss man
abschätzen, wie oft das Elektron gegen die Potentialschwelle anläuft.
τ −1 ≈ ν0 |S(E)|2
(6.10)
Man kann ν0 in erster Näherung aus der Umlaufzeit eines klassischen Teilchens in dem
Potentialtopf annehmen. Sie liegt für kinetische Energien von ∼1 eV und Topfbreiten von
2–3 Å bei ∼1 fs. Der genaue Wert ist unkritisch, da ν0 nur linear in die Zerfallsrate eingeht
(Gl. 6.10).
Die Tunnelwahrscheinlichkeit hängt hingegen kritisch von der Breite d der Potentialbarriere ab. Von der ersten Bilage ist bekannt, dass sie aufgrund der stärkeren Bindung
zum Metall die Oberfläche benetzt [Hel95a]. Da die Bilage im Vergleich zum Volumen
von Eis wegen der um ca. 4 % größeren Gitterkonstante der Ru(001)-Oberfläche gedehnt
ist, kann es sein, dass die zweite Lage nicht geschlossen aufwächst. Bei einer Bedeckung
135
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
von nominell 2 BL können sich also aus dem Material einer Bilage Eiscluster bilden. Die
Clusterhöhe sollte allerdings wenige Bilagen nicht überschreiten.
Nimmt man für diese eine maximale Höhe von 4–5 BL an, halten sich die Elektronen bestenfalls 15–20 Å von der Metalloberfläche entfernt auf. Um hier Lebensdauern in
der Größenordnung von einigen Minuten zu erhalten, ist eine Barriere (V 0 -E)∼4–7 eV
erforderlich. Die lokale Umgebung des Elektrons muss dementsprechend nicht nur einen
bindenden Potentialtopf bilden, sondern zusätzlich lokal eine hohe Barriere, durch die das
Tunneln des Elektrons unterbunden wird. Das Peakmaximum liegt 10 s nach der Anregung
1.95 eV über EF und damit 1.2 eV unterhalb des n=1 und der Energiebarriere für die Bildung bzw. Besetzung des Zustands. Bei den angenommenen Werten von d wäre also über
die volle Breite eine zusätzliche Barriere von mehreren eV erforderlich, was unrealistisch
erscheint, zumal es in diesem Fall schwierig sein sollte, die Zustände mit VIS Licht zu
entvölkern. Durch die Reduzierung auf eine Dimension überschätzt das einfache Modell
sicherlich die Tunnelwahrscheinlichkeit, der Fehler sollte allerdings nicht viele Größenordnungen betragen. Es ist möglich, dass die Breite der Barriere effektiv größer als 20 Å
ist. Dazu kann beispielsweise die Bandstruktur des Substrats beitragen, die entlang der
Oberflächennormalen oberhalb von 1.5 eV über EF eine Bandlücke aufweist. Das Elektron
müsste folglich unter einem Winkel in das Metall eindringen und dadurch einen längeren
Weg durch die Eisschicht tunneln. Wahrscheinlicher erscheint allerdings, dass das Elektron
an schnelle Solvatmoden ankoppelt, so dass die Born-Oppenheimer-Näherung nicht mehr
erfüllt ist. Elektron und Umgebung sind dann als ein Komplex zu betrachten, der eine
entsprechend hohe effektive Masse aufweist und dadurch extrem lokalisiert werden kann.
In jedem Fall wird klar, dass sich die Elektronen relativ weit von der Oberfläche entfernt
aufhalten müssen. Der maximale Abstand vom Metall ergibt sich, wenn die Elektronen
nicht im Volumen der Eisschicht, sondern an der Grenzfläche zum Vakuum lokalisiert sind,
ähnlich wie es für die Solvatisierung von Elektronen in amorphen Eisschichten bei niedrigen
Bedeckungen vorgeschlagen wird.
Die außergewöhnlich lange Lebensdauer lässt die Frage aufkommen, ob man wirklich
langlebige elektronische Zustände spektroskopiert, oder ob man nicht beispielsweise mit
einem Elektron einen Defekt erzeugt, der sich nach der Relaxation des Elektrons entwickelt. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte man den Zustand wieder besetzen und so
seine Entwicklung abfragen. Gegen ein solches Szenario spricht, dass für das erneute Besetzen und Abfragen ein 2-Photonenprozess nötig ist, was nicht mit der Unabhängigkeit
des Photoelektronensignals von der Pulslänge und der linearen Abhängigkeit von der Photonendichte vereinbar ist. Außerdem würde man erwarten, dass sich der zwischenzeitlich
unbesetzte elektronische Zustand eher zu höheren als zu niedrigeren Energien verschieben
sollte. Dass genau dies für die hier spektroskopierten Zustände eintrifft, nachdem man sie
depopuliert, konnte, wie in Kap. 6.5 beschrieben, durch eine Abwandlung des Experiments
gezeigt werden. Darüber hinaus lässt sich in diesem Bild der effektive Depopulations- und
Photoemissionsprozess mit sichtbarem Licht nicht verstehen, so dass der Erklärungsansatz
verworfen wird.
Stabilisierungsprozess: kristallines vs amorphes Eis Während die Absorptionsspektren
von amorphem und kristallinem Eis im Volumen im Prinzip sehr ähnlich sind, werden in
136
6.2 Populationsdynamik
der Elektronendynamik an adsorbierten Schichten große Unterschiede offenbar. In amorphen Schichten wird eine Elektronensolvatisierung auf der fs- bis ps-Zeitskala beobachtet,
die im kristallinen Fall nicht erscheint. Dafür tritt ein ähnlicher Prozess auf einer um
15 Größenordnungen langsameren Zeitskala in Erscheinung. In beiden Fällen handelt es
sich um das Phänomen, dass eine Überschussladung durch den Respons der umgebenden
Wassermoleküle stabilisiert wird.
Im Frühstadium der Solvatisierung befinden sich die Elektronen energetisch sehr nahe
an den delokalisierten Zuständen des Leitungsbands. Hier ist der Prozess von dem dynamischen Wechselspiel von zunehmender Einschnürung der elektronischen Wellenfunktion
und von der Umordnung insbesondere der ersten Solvathülle, sprich der nächsten Nachbarmoleküle geprägt. Da das System weit vom Gleichgewicht entfernt ist, wird bei der
Relaxation lokal Energie freigesetzt, die groß ist verglichen mit der thermischen Energie
kT . Die Solvatisierung ist deshalb in diesem Stadium unabhängig von der Temperatur.
In der Spätphase des Prozesses ist die Struktur der ersten Solvathülle weitgehend relaxiert und die dabei frei gewordenen Energie dissipiert. Gleichzeitig ist die Ladung des Elektrons zunehmend abgeschirmt, so dass die Wechselwirkungsenergie mit weiter entfernten
Wassermolekülen klein wird. Man kommt damit in das Regime der thermisch aktivierten
dielektrischen Relaxation (Debye-Relaxation)6 . Sie ist im Volumen von Eis viel untersucht
worden, allerdings nur bei T >100 K, weil die Relaxationszeiten bei tieferen Temperaturen
extrem lang werden. Extrapoliert auf 40 K würde sie 1016 Jahre betragen. Das liegt daran,
dass Konzentration und Mobilität der Defekte, die für die Änderung der Eiskonfiguration
erforderlich sind, gegen Null geht.
Die Relaxation ist in adsorbierten Schichten beschleunigt, weil die Konzentration von
Defekten durch den Einfluss der Grenzschichten zum Metall und zum Vakuum stark erhöht ist (vgl. S. 28). Wie in Abschnitt 6.2 gezeigt, ist z.B. die Konzentration der möglichen
Lokalisierungsplätze in den adsorbierten kristallinen Eisschichten um viele Größenordnungen höher als die jeglicher Defekte im Volumen bei entsprechenden Temperaturen. Hinzu
kommt, dass bei der Präparation der Schichten die Probe nach dem Tempern bei 160 K
innerhalb von eineinhalb Minuten auf unter 50 K abgekühlt wird. Dadurch wird ein Teil
der bei 160 K existierenden Lokalisierungsplätze und der Defekte eingefroren, die zur Relaxation beitragen können.
Es stellt sich nun die Frage, weshalb in amorphem Eis nur die Frühphase, in kristallinem
Eis hingegen nur die Spätphase des Stabilisierungsprozesses beobachtet wird. Wie bereits
in Kap. 5.1 erläutert, ist die Ursache für das Fehlen einer Solvatisierung in kristallinem
Eis die Aktivierungsenergie, die bei der Verzerrung des Kristallgitters überwunden werden
muss. Die bessere Ordnung der kristallinen Schicht zeigt sich z.B auch darin, dass der
Peak des delokalisierten n=1-Zustands deutlich intensiver und weniger diffus ist als in der
amorphen Schicht (vgl. Abb. 5.1). Eine Lokalisierung ist hauptsächlich an wohl definierten
Defektstrukturen möglich. Im Volumen der Schicht könnten das die von anderen Gruppen
vorgeschlagenen DV-Defekten sein. Wie die in Kap. 6.6 und 6.7 vorgestellten Experimente
6
Im Gegensatz zum Respons auf ein homogenes elektrisches Feld erhält man für den Respons auf eine
Punktladung innerhalb der Schicht keine konstante Relaxationsrate. Der Grund dafür ist, dass das
elektrische Feld der Zusatzladung ohne Abschirmung bereits mit 1/r2 zu den äußeren Solvathüllen hin
abfällt, so dass deren Umorientierung zunehmend verlangsamt ist. Man kann deshalb eine Stabilisierung
auf verschiedenen Zeitskalen beobachten.
137
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
2PPE Intensität (norm.)
jedoch zeigen, werden die Elektronen im Bereich der Eis/Vakuum-Grenzschicht eingefangen. Als Pendant zum DV-Defekt kann man sich eine Anhäufung von freien O–D-Gruppen
an Stufenkanten oder anderen Defekten an der Oberfläche vorstellen.
Während es sich in amorphen Eis um Solvatisierung im Volumen der Schicht handelt,
hat man es in kristallinem Eis mit einem Elektroneneinfang an der Vakuumgrenzschicht
zu tun.
Die Populationsakkumulation über viele Laserpulse führt der Ratengleichung 6.1 zufolge etwa zu einer Verstärkung des 2PPE-Signals um einen Faktor 20000. Bei Zählraten
von typischerweise 20 kHz weist man folglich ∼1 Elektron pro Anregungspuls nach. Bedenkt man, dass man eT auch bei 1/50 der mittleren Zählrate noch sehen kann und dass
man mit den um 1–2 Größenordnungen intensiveren sichtbaren Pulsen abfragen kann, so
ist erstaunlich, dass man eT auf der Femtosekundenzeitskala nicht beobachtet. Die Anfangspopulation des lokalisierten Zustands in kristallinem Eis kann demnach nur weniger
als 2 Größenordnungen über der nach 0.1 s liegen, vorausgesetzt, die Abfragewahrscheinlichkeiten unterscheiden sich nicht dramatisch. Die Population von eS hingegen zerfällt
auf 1/100 ihres Maximalwerts bereits in weniger als 2 ps. Diese Abschätzung zeigt, dass
die Elektronen in kristallinem Eis direkt in stärker gebundenen Zuständen eingefangen
werden.
Auf der anderen Seite sollten auch in amorphem Eis Plätze existieren, an denen Elektronen stark gebunden werden können. Dass man trotzdem eT nicht beobachtet, ist wahrscheinlich eine Folge davon, dass die Lebensdauer der Zustände kürzer ist. Die Fluktuationen in der lokalen Umgebungsstruktur haben unter Anderem zur Folge, dass mit hoher
Wahrscheinlichkeit zwischen Elektron und Metall ein Pfad existiert, entlang dessen die
Potentialbarriere abgesenkt und damit die Tunnelwahrscheinlichkeit erhöht ist.
Auf dem Cu(111)-Substrat konnte in amorphen Schichten, die für wenige Sekunden auf
153 K geheizt wurden, ein Übergangsstadium zwischen beiden Regimes beobachtet werden.
Die Intensität von eS ist um etwa einen Faktor 2 reduziert, eT wird aber bereits beobachtet. Kreuzkorrelationen an derartigen teilkristallinen Eisschichten sind in Abbildung 6.12
dargestellt. Sie zeigen in der Ultrakurzzeitdynamik eine Komponente, deren Lebensdauer
1
4
2
0.1
XC bei (E - EF)=2.4 - 3.2 eV
amorph
kristallin
SS
4
Abbildung 6.12: Kreuzkorrelationen im Energiebereich solvatisierter Elektronen für eine
amorphe und eine halb kristalline Eisschicht auf
Cu(111): Der Populationszerfall der für wenige
Sekunden auf 153 K geheizten Schicht weist eine
langlebige Komponente mit τ À4 auf.
2
0.01
~4 BL D2O/Cu(111)
4
0
1000 2000 3000 4000
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
viel größer ist als 4 ps. Ihre Amplitude liegt bei wenigen Prozent der Maximalamplitude von eS . Die Messungen werden so interpretiert, dass Zustände in amorphen Bereichen
durch eine kristalline Zwischenschicht vom Substrat entkoppelt werden. Ihre Lebensdauer
138
6.3 Bedeckungsabhängigkeit und photoinduzierte Strukturänderung
ist dadurch wesentlich verlängert. Es ist aber nicht zwingend, dass sich diese Zustände zu
solchen mit einer Lebensdauer von mehreren Minuten entwickeln.
6.3 Bedeckungsabhängigkeit und photoinduzierte
Strukturänderung
Sowohl die lange Lebensdauer als auch die Tatsache, dass die Elektronen an Defekten eingefangen werden, lassen eine starke Bedeckungsabhängigkeit erwarten. Schon in amorphen
Eisschichten auf Cu(111) hat sich gezeigt, dass dabei besonders die bedeckungsbedingten
Strukturänderungen von Bedeutung sind.
In Eis auf der Ru(001) kommt hinzu, dass sich die Struktur der Eisschicht durch die
Beleuchtung mit UV-Licht ändert. Abbildung 6.13 zeigt Messungen, bei denen 2PPESpektren als Funktion der Beleuchtungsdauer bzw. der Photonendosis für verschiedenen
Bedeckungen aufgenommen worden sind.
-12
eT
nach 15 min
15 BL
5 BL
PE-Intensität pro Photon/s
frischer Spot
kristallines D2O/Ru(001)
25
eT
20
15
10
5
hν=3.89 eV; ~5x10
1.0
2.0
E - EF [eV]
3.0
18
2
Photonen/(cm s)
0
4.0
3.9
3.8
Φ
2 BL
0.0
15 BL
5 BL
2 BL
0
5
10
Φ [eV]
2PPE-Intensität (norm.)
30x10
15
Zeit [min]
Abbildung 6.13: Einfluss von UV-Licht auf eT und Φ: (rechts) zeitliche Entwicklung der 2PPEIntensität bei E-EF = 1.2–2.8 eV für verschiedene Bedeckungen. (unten) Änderung der Austrittsarbeit für 15 BL und 2 BL. (links) Zugehörige 2PPE-Spektren jeweils zu Anfang der Zeitserie
und nach 15 min. Die 2PPE-Intensitäten sind normiert auf den einfallenden Photonenstrom. Alle
Messungen wurden bei T ∼35 K durchgeführt.
Links sind Spektren jeweils zu Anfang und nach 15 min entsprechend einer Photonendosis von etwa 5·1021 Photonen/cm2 zu sehen, rechts die zeitliche Entwicklung der
Peakintensität und der Austrittsarbeit Φ. Die 2PPE-Intensitäten sind normiert auf den
einfallenden Photonenstrom. Der Vergleich von Messungen von verschiedenen Tagen hat
ergeben, dass das Signal unabhängig von der Größe des Laserspots auf der Probe ist7 .
Dies steht in Einklang mit der Lösung der Differenzialgleichung 6.1. Die Photonendichte
I nimmt zwar umgekehrt proportional zur Spotgröße ab, die Gesamtzahl der beleuchteten Defekte N aber nimmt entsprechend zu, so dass das Produkt beider Größen konstant
bleiben sollte.
7
Schwankungen von <20 % können leicht durch geringfügig unterschiedliche Präparationsbedingungen
entstehen.
139
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
Die Intensität von eT ist auf den frisch präparierten Proben zwar zunächst deutlich
abhängig der Bedeckung Θ, die Unterschiede sind jedoch nicht so groß, wie man aus
den Abschätzungen der erforderlichen Potentialbarriere vielleicht erwarten könnte. Die
niedrigste Bedeckung, bei der eT wenn auch mit sehr geringer Intensität beobachtet wurde,
beträgt 1.1 BL, auf der Bilage tritt eT nicht auf.
Die anfänglichen Unterschiede in der Intensität werden für Θ>1.5 BL durch photoinduzierte Prozesse weitgehend ausgeglichen. Für Θ>6 BL nimmt die Intensität mit fortschreitender Beleuchtung ab. Zwischen 3 und 5 BL bleibt die Intensität nahezu konstant.
Bei Θ ∼ 2 BL steigt sie sogar an bei fast konstantem Φ.
Wie die exemplarischen Spektren (linker Teil der Abbildung) vom Anfang der jeweiligen Messung und nach 15 min zeigen, schlagen sich die photoinduzierten Prozesse nicht
nur in der Intensität, sondern auch in der Form der Spektren nieder. Es werden zwei verschiedene Entwicklungen beobachtet, die sich entgegengesetzt auf die integrale Intensität
auswirken. Die Intensitätsabnahme erfolgt insbesondere von der niederenergetischen Kante des Peaks her, so dass sich der Schwerpunkt zu höheren Energien verschiebt und der
Peak schmaler wird. Bei hohen Bedeckungen folgt die Peakverschiebung etwa der Änderung der Austrittsarbeit im Gegensatz zum n=1 Bildladungszustand, der unabhängig von
der (globalen) Austrittsarbeit in der Energie relativ zu EF konstant bleibt.
Ein Signalanstieg findet dagegen im Bereich des schmalen Peaks statt bei konstanter
Austrittsarbeit. Bei hohen Bedeckungen überwiegt der erste Prozess, bei den niedrigen
Bedeckungen ist die Peakform bereits nach wenigen Minuten stabil und es nimmt nur noch
die Amplitude zu. Für mittlere Bedeckungen kompensieren sich beide Effekte insofern, als
die Peakintensität konstant bleibt. Bemerkenswert ist, dass die anfänglichen Unterschiede
in der Signalintensität bei hohen und bei niedrigen Bedeckungen annähernd ausgeglichen
werden.
Dass die Peakintensität von eT nicht überproportional mit der Bedeckung anwächst,
ist wahrscheinlich eine Folge davon, dass nicht nur die Anzahl der Lokalisierungsplätze
entscheidend ist, an denen Elektronen lang genug festgehalten werden können, sondern
auch, ob diese Zustände überhaupt besetzt werden können. Je weiter ein Lokalisierungsplatz vom Substrat entfernt ist, desto länger ist zwar im Prinzip seine Lebensdauer, desto
kleiner wird aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elektron aus dem Substrat überhaupt dorthin gelangt. Diese beiden Trends können sich gegenseitig aufheben und so zu
der geringen Bedeckungsabhängigkeit der asymptotischen Intensität führen.
Die photoinduzierten Prozesse, die hinter der zeitlichen Entwicklung von eT und der
Austrittsarbeit stehen, können die Folge einer optischen Anregung in der Eisschicht selbst
sein oder durch die injizierten Elektronen aus dem Metallsubstrat ausgelöst werden. Für
flüssiges Wasser ist bekannt, dass eine 2-Photonenabsorption ab 3.2 eV [Han90, Cro96,
Tho99] mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Dissoziation eines Wassermoleküls führt.
In kristallinem Eis kann mit Photonenenergien >6.5 eV eine Photoleitfähigkeit erzeugt
werden, wobei als zugrunde liegender Prozess eine mehrstufige Reaktion vorgeschlagen
wird, die sich zusammenfassen lässt als [Pet94]
2H2 O + hν → H3 O+ + OH·int + (e− + DV ) .
(6.11)
Der in Klammern stehende Komplex entspricht gerade der vielfach vorgeschlagenen Struktur für das Pendant des solvatisierten Elektrons in kristallinem Eis. Über eine 2-Photonen-
140
6.3 Bedeckungsabhängigkeit und photoinduzierte Strukturänderung
absorption könnte dieser Prozess zum photoinduzierten Signalanstieg beitragen, wie er bei
niedrigen Bedeckungen beobachtet wird. Dass ein derartiger photochemischer Prozess in
intakten Eisregionen für die Signalabnahme verantwortlich sein könnte, erscheint jedoch
äußerst unwahrscheinlich. Um die Zahl der langlebigen Elektronen um mehr als 30 % zu
reduzieren, müsste ein signifikanter Anteil der Eisschicht zerlegt werden. Dies ist aber nicht
damit in Einklang zu bringen, dass die delokalisierten Zustände in der Eisschicht von den
Änderungen der globalen Austrittsarbeit und der Intensität von eT unberührt bleiben.
Es ist daher viel wahrscheinlicher, dass es sich um lokale Strukturänderungen handelt,
die gerade durch den Einfang aus dem Substrat injizierter Elektronen getrieben werden.
Ein sehr wichtiger Aspekt ist dabei, dass beim Einfang Energie in die direkte Umgebung
des Elektrons dissipiert wird, die nicht nur die Energie einer Wasserstoffbrückenbindung
übersteigt, sondern auch die Aktivierungsenergie für das Wandern z. B. von Fehlstellen.
Ähnliches gilt auch für den Depopulationsprozess, da die Umgebung des Elektrons hochgradig im Nichtgleichgewicht zurückgelassen wird. Nimmt man an, dass die Elektronen in
einer lokalen Umgebung ähnlich einem DV-Defekt eingefangen werden, so kann z.B. die
Energie, die in der Solvathülle gespeichert ist, dafür genutzt werden, dass eines der Nachbarmoleküle in die Fehlstelle springt und diese damit verschiebt oder ausheilt. Durch den
Elektroneneinfang kommt es also zu einer kurzzeitigen, erhöhten Mobilität der Defekte,
was einem lokalen Tempern gleichkommt. Auf diese Weise kann die Schicht homogener
werden, weshalb das Spektrum schmaler wird und lokal die Austrittsarbeit steigt. Da
im Mittel jeder Lokalisierungsplatz ein oder mehrmals pro Sekunde bevölkert wird, kann
das elektroneninduzierte Tempern durchaus einen signifikanten Effekt auf die Defektdichte und deren räumliche Verteilung haben. Man bedenke, dass nicht nur Elektronen mit
Lebensdauern im Sekundenbereich zu diesem Effekt beitragen können, sondern auch kurzlebigere Einfangplätze, sofern bei Population oder Emission ausreichend viel Energie in
die Eisumgebung dissipiert wird. Die delokalisierten Bildladungszustände bleiben davon
unberührt, da sie sich in den ohnehin defektarmen Bereichen ausbilden.
141
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
6.4 Einfluss der Temperatur
Alle bis hierher gezeigten Messungen an kristallinen Eisschichten auf Ru(001) wurden
bei Temperaturen unter 40 K durchgeführt. Die noch auf einer Zeitskala von Minuten
fortschreitende Stabilisierung der langlebigen Elektronenzustände zeigt, dass das System
weit vom Gleichgewicht entfernt ist. Um zu untersuchen, welchen Einfluss die Temperatur
auf den Prozess hat, wurde wiederum die Entwicklung des 2PPE-Spektrums während
einer langsamen Heizrampe (∼0.1 K/s) aufgenommen. Abbildung 6.14 zeigt eine solche
Messung, bei der die Probe nur mit UV-Pulsen einer Länge von ca. 300 fs angeregt wurde,
um den Untergrund an 2-Photonenprozessen innerhalb eines Pulses zu reduzieren. Die
2PPE-Intensität ist als Funktion der Zwischenzustandsenergie und der Probentemperatur
in Falschfarben dargestellt.
E - EF [eV]
3
hν = 3.90eV
2
eT
1
d-Band
Multilage
QMSSignal
0
1.2 ~4 BL D2O/Ru(001)
0.8 (kristallin)
0.4
0.0
50
Bilage
100
150
Temperatur [K]
200
Abbildung 6.14: Temperaturabhängigkeit von eT : komplette Messung auf derselben Stelle der
Probe.
Bei tiefen Temperaturen ist eT bei gut 2 eV über EF zu sehen. Mit steigender Temperatur
verschiebt sich der Peak in Richtung Fermi-Niveau. Die Bedeckung liegt mit 4 BL in dem
Bereich, wo die Intensität des Peaks bei tiefen Temperaturen zeitlich annähernd konstant
bleibt. Im Bereich von 50–70 K bricht die Intensität jedoch stark ein, so dass der Peak
um 80 K praktisch ausgelöscht ist. Zu höheren Temperaturen taucht der Peak wieder auf.
Seine Intensität erreicht bei ca. 140 K ihr Maximum, das etwa eine Größenordnung über
dem Anfangswert bei 35 K liegt. Mit der Desorption der Multilage verschwindet auch
eT aus den Spektren. Neben der Temperaturabhängigkeit von eT fällt auf, dass mit der
Auslöschung von eT vorübergehend die Austrittsarbeit um mehr als 0.1 eV ansteigt.
Wie in Kapitel 6.3 ausgeführt, kann es bei konstanter Temperatur allein durch photoinduzierte Prozesse zu einer Änderung sowohl der Intensität von eT als auch der Austrittsarbeit kommen. Um thermische Effekte von diesen photoinduzierten zu unterscheiden,
142
6.4 Einfluss der Temperatur
E - EF [eV]
3
hν=3.89 eV
2
1
QMSSignal
0
~5 BL D2O/Ru(001)
(kristallin)
50
100
150
Temperatur [K]
200
Abbildung 6.15: Temperaturabhängigkeit von eT : Im Abstand von ca. 5 K wurde eine frische
Stelle der Probe beleuchtet. Auf diese Weise können Einflüsse von Temperatur und UV-Licht unterschieden werden. Außerdem lässt sich die Peakverschiebung über den ganzen T -Bereich bestimmen.
wurden Messungen durchgeführt, bei denen im Abstand von ca. 5 K die Probe parallel
zur Oberfläche verfahren und damit ein frischer Spot auf der Probe beleuchtet wurde.
Abbildung 6.15 zeigt eine derartige Messung.
Für T >60 K wird immer eine lichtinduzierte Reduzierung der Intensität beobachtet.
Dem überlagert ist ein thermisch bedingter Einbruch der Intensität zwischen 60 und 80 K,
wobei die Intensität von eT auf den frischen Stellen der Probe zwar gering, für kurze Zeit
aber ausreichend ist, um die Peakposition zu bestimmen. So wie zwischen 60 und 80 K
auf den frischen Spots für kurze Zeit eT beobachtet werden kann, findet man auch für
kurze Zeit eine Austrittsarbeit, die annähernd temperaturunabhängig ist. Im Folgenden
werden nun die Peakverschiebung und die Intensitätsverhältnisse getrennt unter die Lupe
genommen.
6.4.1 Temperaturabhängigkeit der Bindungsenergie
Aus Messungen wie der in Abbildung 6.15 gezeigten konnte verifiziert werden, dass sich
eT zwischen 35 und 160 K kontinuierlich von 2.15 eV über EF bis zum Fermi-Niveau verschiebt. Im Gegensatz zu den delokalisierten Zuständen im Leitungsbandbereich verschiebt
sich das Peakmaximum von eT etwa mit der globalen Austrittsarbeit (vgl. auch Kap.6.3).
In Abbildung 6.16 ist deshalb die energetische Lage von eT relativ zum Vakuumniveau
aufgetragen. Die Punkte stellen Mittelwerte aus 4 Messungen dar. Die rechte Achse gibt
die Position relativ zum Fermi-Niveau an frischen Stellen der Probe für die in Abbildung
6.15 gezeigte Messung an.
Bei Temperaturen >130 K ist kein klares Peakmaximum mehr oberhalb der Fermi-
143
-2.0
2.0
-2.5
1.5
-3.0
1.0
-3.5
0.5
-4.0
0.0
50
100
Temperatur [K]
E - EF [eV]
E - EVak [eV]
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
Abbildung 6.16: Temperaturabhängigkeit der
energetischen Lage von eT . Die Punkte stellen
Mittelwerte der Bindungsenergien aus 4 Messungen dar. An der rechten Achse ist E − EF
für die Messung aus Abb. 6.15 angegeben.
150
Energie vorhanden, sondern lediglich eine Schulter in einem zu niedrigeren Energien hin
ansteigenden Signal. Das bedeutet, dass entweder das Peakmaximum energetisch unterhalb
des Messbereichs liegt, oder aber, dass die Elektronen beim Photoemissionsprozess stark
inelastisch gestreut werden. In Abbildung 6.16 ist die Position der Schulter angegeben. Der
große angegebene Fehler zu niedrigeren Energien soll der Möglichkeit Rechnung tragen,
dass der Hauptpeak bei niedrigeren Energien liegt.
Auf den ersten Blick erscheint die starke Zunahme der Bindungsenergie von eT mit
20 meV/K überraschend, zumal sich das Absorptionsspektrum solvatisierter Elektronen
in flüssigem Wasser mit -2.4 meV/K genau in die andere Richtung verschiebt. Man muss
sich jedoch bewusst sein, dass man bei tiefen Temperaturen mit einer Messung, bei der
parallel die Population und Photoemission stattfinden, nicht den voll relaxierten Zustand
spektroskopiert. In der Flüssigkeit ist der Solvatisierungsprozess innerhalb weniger Pikosekunden abgeschlossen [Her99,Vil01]. Bei einer Lebensdauer im Bereich von Mikrosekunden
ist das mit cw-Licht gemessene Absorptionsspektrum folglich bestimmt von voll solvatisierten Elektronen. Bei den hier gezeigten 2PPE-Messungen erreichen die Elektronen aufgrund
der hohen Depopulationsrate ein mittleres Alter“ von ∼0.1 s, eine Zeit, die bei den tiefen
”
Temperaturen kurz ist verglichen mit der langsamen Komponente des Stabilisierungsprozesses. Dessen Zeitkonstante ist nun aber stark temperaturabhängig. Im Volumen verkürzt
sich die dielektrische Relaxationszeit zwischen 40 und 160 K rechnerisch um mehr als 20
Größenordnungen auf 1 s. Bei 110 K beträgt sie ca. 1/2 Stunde [Pet99]. Wie bereits im
letzten Kapitel angemerkt, sind in den adsorbierten Eisschichten die Zeitkonstanten durch
die erhöhte Konzentration von Defekten im Vergleich zum Volumen verkürzt. Dadurch
liegt gerade im untersuchten Temperaturintervall der Übergang von dem Regime, in dem
thermisch aktivierte Relaxation auf einer längeren Zeitskala stattfindet als der Depopulationsprozess, zu dem, in dem die Stabilisierung vergleichsweise schnell verläuft und sich
das Spektrum dem Gleichgewichtsspektrum annähert.
Um zu zeigen, dass sich auch mit quasi-cw-Anregung in dem Übergangsbereich ein sich
kontinuierlich verschiebender Peak in den Spektren ergeben kann, wurde folgende kleine
Modellrechnung durchgeführt, die in Abbildung 6.17 skizziert ist.
Die mit einem Laserpuls erzeugte Population von eT wird mit den nachfolgenden Pulsen
nach und nach abgebaut, so dass sich insgesamt im stationären Fall eine exponentielle Altersverteilung mit einer Abfallszeit 1/τ̃ = p− + 1/τ ergibt8 (Abb. 6.17(a)). Angenommen,
144
n(∆t )
6.4 Einfluss der Temperatur
1
(a)
τn=0.1 s
0
3.0
(b)
(c)
E - EF [eV]
2.5
2.0
1.5
1.0
0.5
τE=2 s
τE=0.1 s
τE=0.005 s
Abbildung
6.17: Simulation der
Peakverschiebung von eT mit der
Temperatur. Aus der zeitlichen Entwicklung der energetischen Lage des
Zustands als Funktion der Zeit nach
der Anregung, gezeigt für 3 verschiedene Temperaturen (b), ergibt sich mit
der aus der fortwährenden Entvölkerung resultierenden Altersverteilung“
”
der Elektronen (a) das beobachtete
Spektrum (c).
0.0
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
∆t [s]
n(E )
alle Elektronen starten auf demselben Energieniveau und durchlaufen denselben Relaxationsprozess, so sind sie entsprechend ihres Alters unterschiedlich weit stabilisiert (Abb.
6.17(b)). Als Elektronen pro Energieintervall aufgetragen ergibt sich ein Spektrum, dessen Form von dem zeitlichen Verlauf des Stabilisierungsprozesses abhängt (Abb. 6.17(c)).
Interessant ist, dass sich für eine exponentielle Altersverteilung und eine exponentiell verlaufende Stabilisierung in keinem Fall ein definierter Peak in der Mitte des Energieintervals
ergibt. Wie das Experiment bestätigt, nähert sich das System langsamer als exponentiell
dem asymptotischen Wert an. In der gezeigten Rechnung wurde der Stabilisierungsprozess
beschrieben durch
q
E(t) = E0 · e−(t/τE )
(6.12)
mit E0 =3.1 eV und q=1/4. Die zeitliche Entwicklung der Bindungsenergie wird durch diese
Beziehung zumindest qualitativ wiedergegeben. Auch die Breite des Peaks von annähernd
1 eV passt gut zum Experiment. Durch Variation der Zeitkonstanten τE verschiebt sich
der Peak im Spektrum, wie beispielhaft für 3 Zeitkonstanten gezeigt ist. Die Zeitskala der
Stabilisierung ist dabei jeweils um einen Faktor 20 verändert worden.
Die temperaturabhängige Messung von eT stellt in gewisser Weise eine spezielle Methode dar, ein System in verschiedenen Entwicklungsstadien zu untersuchen. Während
in herkömmlichen Experimenten bei konstanter Temperatur die Zeit zwischen Pumpund Probe variiert wird, wird hier die mittlere Zeit, zu der das System abgefragt wird,
konstant gelassen. Stattdessen wird über die Temperatur die Zeitskala des untersuchten
Prozesses verändert. Geht man davon aus, dass der Elektroneneinfang entsprechend der
Grenzphotonenenergie für die Anregung aus Zuständen etwa 3.2 eV über EF erfolgt und
dass sich die Bindungsenergie von eT bei Temperaturen über 140 K einem asymptotischen Wert von 3.5–4.0 eV annähert, so können mit diesem Verfahren 2/3 des gesamten
Stabilisierungsprozesses mitverfolgt werden.
Angesichts der starken Temperaturabhängigkeit des Stabilisierungsprozesses wäre es
äußerst interessant, Pump-Probe-Messungen wie in Kapitel 6.2.1 bei verschiedenen Tem8
Die exakt exponentielle Verteilung ergibt sich nur für cw-Anregung. Bei der Simulation wurde allerdings
berücksichtigt, dass die Anregung gepulst mit einer Repititionsrate von 200 kHz erfolgt.
145
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
peraturen durchzuführen. Dem sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Zum Einen ist eine
Grundvoraussetzung für das vorgestellte Messverfahren der Langzeitdynamik, dass mit
dem Probe-Puls die langlebigen Elektronenzustände zwar abgefragt, aber nicht bevölkert
werden können. Die zweite Anforderung beschränkt die Photonenenergie auf 3.1 eV, so
dass nur Zwischenzustände bei Energien >0.9 eV über EF spektroskopiert werden können. Darüberhinaus lässt sich aufgrund der thermisch bedingten und der lichtinduzierten
Strukturänderungen, die im nächsten Abschnitt behandelt werden, lediglich bei T <50 K
eine hinreichende zeitliche Stabilität der Intensität etablieren.
6.4.2 Temperaturabhängigkeit der 2PPE-Intensität
Während die temperaturabhängige Verschiebung von eT das energetische Bild des Stabilisierungsprozesses vervollständigt, gibt die Änderung der Intensität Einblick in die Struktur der Eisschicht. Wie bereits erwähnt, tragen sowohl photoinduzierte als auch thermisch
bedingte Strukturänderungen dazu bei. In Abbildung 6.18 ist die 2PPE-Intensität der
Messung von Abbildung 6.15 integriert über den Energiebereich E − EF =0.15–3.0 eV als
Funktion der Zeit aufgetragen. Die obere Achse gibt die zugehörigen Temperaturen wieder,
die Bedeckung ist aus dem unteren Teil der Abbildung abzulesen.
60
80
Temperatur [K]
100
120
140
160
180
Θ [BL]
2PPE-Intensität
40
5
Bilage
kristallines D2O/Ru(001)
0
200
400
600
800
1000
Zeit [s]
Abbildung 6.18: Entwicklung der Intensität von eT : (oben) 2PPE-Intensität integriert von 0.15
bis 3.0 eV über EF (vgl. Abb. 6.15). (unten) Bedeckung (Integral des TDS).
An den Änderungen der Intensität von eT beim Wechsel auf eine frische Stelle der Probe erkennt man den Einfluss lichtinduzierter Prozesse. Bei tiefen Temperaturen bleibt die
Intensität zunächst annähernd konstant. Für T >60 K führt die UV-Bestrahlung immer
zu einer Verringerung der 2PPE-Intensität. Dem überlagert ist ein thermisch bedingter
Signaleinbruch, der bis fast zur völligen Auslöschung von eT bei ca. 80 K führt. Die Intensitäten auf den frischen Spots ( mit ¨ markiert) sind jeweils kaum beeinflusst durch
lichtinduzierte Prozesse. Bei welcher Temperatur der Einbruch anfängt, hängt von der
Präparation der Eisschicht sowie Laserfluenz und Heizrate ab. Die Temperaturen liegen
zwischen knapp 50 und 65 K. Im Gegensatz dazu setzt der Wiederanstieg des 2PPE-Signals
146
6.4 Einfluss der Temperatur
von eT sehr reproduzierbar bei 81±3 K ein. Die Intensität wächst an bis die Eisschicht
bei ca. 145 K beginnt zu desorbieren. Mit abnehmender Bedeckung fällt auch die 2PPEIntensität ab, bis das Signal bei 1.0 BL komplett verschwindet.
Zur Erklärung des temperaturabhängigen Intensitätsverlaufs werden nun 3 verschiedene
Ansätze diskutiert:
1. die Variation der Lebensdauer mit der Bindungsenergie
2. die thermisch bedingte Konzentrationsänderung spezieller Defekte ohne prinzielle
Strukturänderung
3. ein Struktur- bzw. Phasenübergang in der Eisschicht
Zu 1.) Da sich die energetische Lage von eT monoton mit der Temperatur ändert, kann
die beobachtete Intensitätsänderung im Prinzip durch die unterschiedliche Rücktransferwahrscheinlichkeit der Elektronen ins Metallsubstrat aufgrund der energetischen Lage bzgl.
der Bandstruktur des Substrats und der zunehmenden Bindungsenergie bzgl. des Leitungsbands der Eisschicht bestimmt sein.
Bei tiefen Temperaturen liegt der Zustand zunächst in der Bandlücke entlang der Oberflächennormalen der projizierten Oberflächenbandstruktur von Ru(001), wodurch der Wellenfunktionsüberlapp mit dem Metall klein ist und Zustände die erforderliche Lebensdauer
aufweisen können. Mit steigender Temperatur werden die Elektronen soweit stabilisiert,
dass sich der Peak dem unteren Rand der Bandlücke nähert, wodurch die Wellenfunktion
weiter ins Metall eindringen kann. Ab 80 K werden die eingefangenen Elektronen soweit
stabilisiert, dass die Zustände mit solchen des sp-Bands und der d-Bänder von Ru(001)
entartet sind und die Elektronen ohne Streuprozesse im Metallsubstrat verschwinden können (vgl. Abb. 2.19).
Für den Wiederanstieg wäre in diesem Szenario ein anderer Effekt verantwortlich, nämlich, dass wegen der größeren Bindungsenergie die Potentialbarriere zum Substrat größer
wird und sich an immer mehr Lokalisierungsplätzen Zustände mit hinreichend langer Lebensdauer bilden können. Bezogen auf die Lage des Peakmaximums passen die Energiebereiche zwar relativ gut, die Entwicklung der Peakform gibt allerdings keinen Hinweis
darauf, dass die Intensität abhängig von der Bindungsenergie ist. Letztlich als alleinige
Ursache des Intensitätsverlaufs ausgeschlossen werden kann das Szenario aufgrund von
Messungen wie den im nächsten Kapitel dargestellten, bei denen eT im Energiebereich um
die Bandkante ohne signifikante Intensitätsminderung beobachtet wird. Es ist jedoch anzunehmen, dass zumindest der Rückgang der Tunnelwahrscheinlichkeit mit zunehmender
Bindungsenergie sich auf die Intensität auswirkt.
Die Hauptursache für den Intensitätseinbruch ist eher in einer temperaturabhängigen
Konzentrationsänderung der Lokalisierungsplätze zu suchen, wie sie den Ansätzen 2.) und
3.) zugrunde liegt, und gibt damit Einblick in die Kinetik und Energetik der Bildung und
Mobilität der speziellen Strukturen.
Zu 2.) Diese Erklärung des temperaturabhängigen Intensitätsverlaufs geht davon aus,
dass die Intensitätsänderung nicht durch eine Änderung der gesamten Eisstruktur verursacht wird, sondern dass sich thermisch die Konzentration der speziellen Defekte ändert,
an denen die Elektronen eingefangen werden. Damit eT beobachtet werden kann, muss die
147
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
Eisschicht bei T >150 K präpariert oder getempert worden sein. Bei diesen Temperaturen,
bei denen bereits die Desorption einsetzt, ist auch die Defektdichte deutlich höher als bei
tiefen Temperaturen. Wie bereits angemerkt, werden nach dem Tempern durch relativ
schnelles Abkühlen der Probe Defekte im Überschuss eingefroren (Kap. 3.1.3). Erwärmt
man die Probe langsam wieder, so sollten irgendwann Temperaturen erreicht werden, bei
denen die eT zugrunde liegenden Eisdefekte mobil werden und der Überschuss an Defekten ausheilen kann. Je höher die Temperatur, desto schneller kann das System dem
thermodynamischen Gleichgewicht nahe kommen. Ist der Überschuss abgebaut, so sollte
mit wachsendem T die Defektkonzentration entsprechend der Gleichgewichtskonzentration
wieder ansteigen.
Die Temperaturabhängigkeit der Defektkonzentration lässt sich für einfache Punktdefekte im Volumen wie z.B. Fehlstellen durch einen Ausdruck der Form [Hen72, Pet99]
cN
=
γ e−Ei /kT
(6.13)
beschreiben, wobei Ei die zur Bildung eines bestimmten Defekts erforderliche Energie bezeichnet. Der Vorfaktor γ hängt u.a. davon ab, wie sich die Energien von Schwingungsmoden in der Umgebung des Defektes ändern, und liegt meist in der Größenordnung zwischen
10−3 und 103 .
Der temperaturabhängige Intensitätsverlauf von eT weicht allerdings stark von einem
Arrhenius-artigen Verhalten ab. Die Intensität steigt zwischen 83 und 90 K zunächst steil
an, wächst zu höheren Temperaturen allerdings nur noch langsam weiter.
Die Abweichungen von einem einfachen Arrhenius-Verhalten können in diesen Messungen mehrere Ursachen haben. So gehen für kombinierte Defekte (z.B. DV-Defekte, S. 13)
die Aktivierungsenergien der beteiligten Elementardefekte sowie deren Beweglichkeiten
ein, wodurch sich eine komplexere Temperaturabhängigkeit der Konzentration ergeben
kann. Hinzu kommt die endliche Anstiegszeit der Population von eT auf einem frischen
Probenspot (Kap. 6.2) und der Einfluss des UV-Lichts während der Messzeit eines einzelnen Spektrums (Kap. 6.3).
Außerdem reicht die verwendete Photonenenergie mit steigender Temperatur in zunehmender Weise nicht mehr aus, um den gesamten Peak abzufragen. Bereits bei 110 K
liegt die maximale Intensität unmittelbar an der niederenergetischen Kante des 2PPESpektrums. Das bedeutet, dass ein Teil der angeregten Elektronen nicht mehr emittiert
werden kann. Der gezeigte Intensitätsverlauf für Energien >0.15 eV über EF ist damit nicht
mehr repräsentativ für die Gesamtintensität, so dass man keine direkten Rückschlüsse auf
Aktivierungsenergien ziehen kann.
zu 3.) Der zunächst steile Intensitätsanstieg zwischen 80 und 90 K kann ein Indiz dafür
sein, dass nicht nur die Konzentration der Lokalisierungsplätze bei ansonsten gleicher
Eisstruktur zunimmt, sondern sich die Struktur der Eisschicht ändert. Auch in diesem Fall
lässt sich der Intensitätseinbruch dadurch erklären, dass bei der Präparation der Eisschicht
eingefrorene Bereiche der Hochtemperaturstruktur im Verlauf der Heizrampe zwischen 60
und 80 K relaxieren, bevor der erneute Übergang erfolgt. Der weitere Intensitätsanstieg zu
höheren Temperaturen könnte in diesem Fall das Resultat der höheren Bindungsenergie
und damit schwächeren Ankopplung ans Metall sein, wie oben diskutiert.
Aus Volumenproben von dotiertem Eis Ih ist eine Strukturänderung bekannt, die etwa in den gleichen Temperaturbereich fällt: der Phasenübergang zum protonengeordneten
148
6.4 Einfluss der Temperatur
Eis XI bei Tc =72 K (vgl. S. 11). Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass sich in adsorbierten Schichten von wenigen Bilagen größere Bereiche der geordneten Phase ausbilden
können. Der Grund hierfür ist, dass die Bindung ans Substrat eine feste Orientierung der
ferroelektrischen Ordnung vorgibt, so dass sich ein starkes Dipolfeld aufbauen müsste. Dies
würde sich in einer starken Änderung der Austrittsarbeit bemerkbar machen, die für eine
perfekt geordnete Struktur 2.1 eV pro Bilage betragen sollte [Ied98]. Im Volumen hingegen
bilden sich nicht Einkristalle aus Eis XI, sondern vielmehr kleine Kristallite unterschiedlicher Dipolausrichtung, so dass die Feldenergie minimiert werden kann. In einer derartigen
Konfiguration ergibt sich aus Tc und dem Entropieunterschied, dass die Energiedifferenz
zwischen geordneter und ungeordneter Phase gerade mal 2.5 meV pro Molekül beträgt.
Wenn der Intensitätseinbruch durch eine Strukturänderung hervorgerufen wird, so betrifft diese wahrscheinlich die Struktur der Eisoberfläche. Wie Experiment und Theorie
zeigen, kommt es hier zu erheblichen Abweichungen von der Volumeneisstruktur (vgl.
Kap.2.1.7). Im Wechselspiel zwischen Energieaufwand für die Verzerrung der Eisstruktur
und Energiegewinn durch eine im Mittel höhere Koordination der Moleküle an der Oberfläche sind Strukturänderungen viel eher möglich als im Volumen. In den nächsten Kapiteln
dargestellte erste Experimente mit Deckschichten aus anderen Adsorbaten bestätigen, dass
die langlebigen Elektronenzustände tatsächlich im Bereich der Eis/Vakuum-Grenzschicht
lokalisiert sind.
Aus den Photoemissionsexperimenten allein lässt sich zwar nicht ableiten, wie genau
die Lokalisierungsplätze beschaffen sind. Die Temperaturabhängigkeit der Intensität gibt
aber Einblick in die mögliche Rolle von Verunreinigungen der Eisschicht. Auch wenn eine Konzentration der Lokalisierungsplätze in der Größenordnung von 10−4 groß ist gegen
die einfacher Punktdefekte im Volumen von Eis, kann nicht völlig ausgeschlossen werden,
dass trotz sorgfältiger Präparation in ähnlicher Konzentration Verunreinigungen in der
Eisschicht vorhanden sind. Die große Variation der Intensität bis hin zu praktisch vollständigen Auslöschung belegt jedoch, dass für den Elektroneneinfang die lokale Struktur
des Eises entscheiden ist und nicht lediglich die Eigenschaften von Verunreinigungen mit
hoher Elektronenaffinität.
Zum Abschluss dieses Abschnitts komme ich nochmal auf die photo- bzw. elektroneninduzierten Prozesse in der Eisschicht zurück. Es wurde bereits angemerkt, dass bei allen
T >65 K die Beleuchtung mit UV-Licht zu einer sukzessiven Verringerung der Intensität
führt9 . Wie ist dieser Effekt mit der Idee eines elektroneninduzierten, lokalen Temperns,
wie in Kap. 6.3 beschrieben, in Einklang zu bringen? Bei T <80 K bewirkt der Prozess quasi, dass das System schneller in die Nähe des thermodynamischen Gleichgewichts kommt.
Wird durch eingefangene Elektronen lokal für kurze Zeit die Mobilität der Lokalisierungsplätze erhöht, so muss dies bei allen Temperaturen zu einer Intensitätsabnahme führen. Es
können zwar existierende Lokalisierungsplätze ausgeheilt oder in nicht populierbare Gebiete verschoben werden, diese Prozesse sind aber wohl kaum ebenfalls durch Elektronen
umkehrbar.
9
Zwischen 80 und 90 K ist der thermisch bedingte Intensitätsanstieg so stark, dass die Strahlungseffekte
überkompensiert werden.
149
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
In den folgenden drei Abschnitten werden nun noch erste Ergebnisse von Experimenten
vorgestellt, die einerseits das Verständnis des Elektroneneinfangprozesses vertiefen, andererseits aber auch Perspektiven für weitere Untersuchungen im Zusammenhang mit den
hier untersuchten Phänomenen aufzeigen.
6.5 Relaxationsdynamik der Solvathülle
Bringt man eine Überschussladung in ein polares Lösungsmittel, so wird sie durch eine
Umorientierung umgebender Lösungsmittelmoleküle stabilisiert. Dieser Prozess ist viel untersucht worden und kann, wie u.a. in dieser Arbeit gezeigt, mit Ultrakurzzeitspektroskopie
zeitlich aufgelöst werden. Aber was passiert, wenn man die Ladung aus der Umgebung wieder herausnimmt? Da die spektroskopischen Methoden i. Allg. auf die Überschussladung
bzw. die Wechselwirkung der Umgebung mit der Ladung sensitiv sind, ist die Relaxation
der Umgebung experimentell nur schwer zugänglich.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die zeitliche
Entwicklung der langlebigen elektronischen Zustände nach Emission der Elektronen zumindest teilweise mitverfolgen lässt. Erste Ergebnisse dazu werden hier vorgestellt.
Das Prinzip der Messung ist in Abbildung 6.19 schematisch skizziert. In Teil (a) der Ab-
Energie
(a)
(b)
unbesetzter
Zustand
Spektrum
nach t =0.1 s
wiederbesetzter
Zustand
T=40 K
T=135 K
Zeit
0
Zeit
Abbildung 6.19: Schema zur Relaxationsdynamik der Solvathülle: (a) verschiedene Stabilisierungsdynamik des besetzten elektronischen Zustands bei T =40 K und 135 K (b)Relaxation der
Solvathülle eines bei 135 K eingefangenen Elektrons, das nach Abkühlung auf 40 K bei t=0 s photoemittiert wird. Durch erneute Besetzung desselben Zustands und nachfolgende Photoemission
kann das Stadium der Relaxation des zwischenzeitlich unbesetzten Zustands abgefragt werden.
bildung ist dargestellt, wie sich der elektronische Zustand bei 40 K und bei 135 K durch die
Solvatisierung als Funktion der Zeit energetisch verschiebt. Die dick gezeichneten Kurven
sollen symbolisieren, wie weit der Prozess im Mittel fortschreiten kann, bevor die Elektronen nach dem in Kapitel 6 eingeführten Messverfahren photoemittiert werden. Dabei wird
die Probe mit einer Repititionsrate von 200 kHz mit UV-Laserpulsen beleuchtet. Die durch
einen Laserpuls erzeugten eingefangenen Elektronen werden durch die Reihe der folgenden
150
6.5 Relaxationsdynamik der Solvathülle
Pulse abgefragt. Nach den in Kap. 6.2 eingeführten Ratengleichungen ergibt sich bei den
typischen experimentellen Bedingungen im Mittel eine Pump–Probe-Verzögerung von etwa
0.1 s. Hier ist nun entscheidend, dass Elektronen bei einer Temperatur von 135 K in dieser
Zeit annähernd voll solvatisiert werden, während bei tiefen Temperaturen der thermisch
aktivierte Teil der Umorientierung von Wassermolekülen eingefroren ist.
Injiziert man bei einer Temperatur von 135 K durch Anregung mit UV-Licht Elektronen
in die Eisschicht und kühlt die Probe anschließend im Dunkeln auf 40 K ab, so bleiben
aufgrund ihrer langen Lebensdauer voll solvatisierte Elektronen erhalten. Beleuchtet man
jetzt erneut die Probe mit UV-Licht, so werden die langlebigen Elektronenzustände entvölkert und die Relaxation der Eisumgebung setzt ein. Damit verschiebt sich der nunmehr
unbesetzte elektronische Zustand zu höheren Energien (also zu kleineren Bindungsenergien). Anfangs reagiert die sich stark im Nichtgleichgewicht befindliche Solvathülle mit einem
schnellen (nichtthermischen) Respons, der langsam in einen thermisch unterstützten Prozess übergeht. Der thermische Anteil der Relaxation lässt sich dadurch spektroskopieren,
dass man den Zustand wieder besetzt und durch Photoemission abfragt. In der Zeit, die
ein Elektron dabei im Mittel eingefangen bleibt, kann bei den tiefen Temperaturen nur
der nicht-thermische Anteil des Stabilisierungsprozesses ablaufen.
1.6 BL D 2O/Ru(001)
hn=3.85 eV
t= 1s
10 s
90 s
400 s
3
2
2
1
1
E - EF [eV]
E - EF [eV]
3
x3
140
100
60
T [K]
2PPE-Intensität
-100
0
100
200
300
400
t [s]
Abbildung 6.20: Relaxation der Umgebung von eT : Die Probe wurde zunächst bei 135 K mit UVLicht beleuchtet und dann im Dunkeln auf 40 K abgekühlt. Die Abnahme der Bindungsenergie bei
erneuter Beleuchtung entspricht der Relaxation der äußeren Solvathüllen nach der Depopulation.
Rechts sind Spektren zu ausgewählten Zeiten gezeigt.
Das Ergebnis einer entsprechende Messung ist in Abbildung 6.20 zu sehen. Die Echtzeitentwicklung der 2PPE-Spektren ist wieder in Falschfarben dargestellt. Die Intensitäten bei
tiefen Temperaturen sind mit einem Faktor 3 hochskaliert, damit die Spektren bei T =135K
und das Spektrum bei t=0 s vergleichbare Intensitäten aufweisen. Die Position der Peak-
151
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
E - EF [eV]
2.0
1.5
Aufbau der "Solvathülle"
eT
Abbau der "Solvathülle"
1.0
Abbildung 6.21: Zeitliche Entwicklung des Peakmaximums von
eT : Vergleich der Stabilisierung nach
dem Elektroneneinfang (vgl. Kap.
6.2.1) im Vergleich zur Destabilisierung nach Photoemission.
0.5
0.0
0
200
400
∆t bzw. t [s]
600
maxima ist mit schwarzen Symbolen markiert. Auf der rechten Seite sind exemplarisch
Spektren zu vier verschiedenen Zeiten nach Einschalten des UV-Lichts dargestellt. Bei
t=0 s ist noch kein Peak oberhalb der sekundären Kante des Spektrums erkennbar. Mit
fortschreitender Zeit verschiebt sich der Peak eT zu höheren Energien. Dass es sich bei
dieser Verschiebung tatsächlich um den oben skizzierten Prozess handelt, wird dadurch
bestätigt, dass die Verschiebung des Peaks nur beobachtet wird, wenn die Probe zuvor im
warmen“ Zustand mit UV-Licht beleuchtet wurde. Auf der frisch präparierten, kristalli”
nen Eisschicht hingegen liegt eT bei 40 K annähernd konstant 2.15 eV über EF (vgl. Kap.
6.3). Dies ist genau die Energie, der sich eT in der hier gezeigten Messung zu späten Zeiten
asymptotisch annähern sollte.
Abbildung 6.21 zeigt den gemessenen Verlauf der Destabilisierung durch den Abbau der
Solvathülle“ im Vergleich zur Stabilisierung durch deren Aufbau (vgl. Kap. 6.2.1). Beide
”
Prozesse verlaufen nicht-exponentiell. Der Gesamtbetrag der Verschiebung in den ersten
2 Minuten nach der Anregung bzw. Entvölkerung ist bei der Messung des unbesetzten
Zustands jedoch um einen Faktor 3 bis 4 größer. Der Grund liegt darin, dass durch die
wiederholte Neubesetzung des Zustands immer wieder Energie in die Umgebung dissipiert
wird und dadurch deren Relaxation begünstigt wird. Andererseits wird die Relaxation zeitlich etwas verzögert, weil die Umgebung nur in der Zeit relaxiert, in der der elektronische
Zustand tatsächlich unbesetzt ist. Die Zeit nach Einschalten des Lasers bei der Probentemperatur von 40 K gibt also eine obere Schranke für die tatsächliche Relaxationszeit des
unbesetzten Zustands.
Es sei nochmal darauf hingewiesen, dass die hier betrachteten Änderungen der Eisumgebung nur den thermisch unterstützten Teil des Prozesses betreffen. Unter thermisch
”
unterstützt“ sind hier zwei Dinge zu verstehen. Zum Einen ändert sich mit der Temperatur die im thermodynamischen Gleichgewicht vorhandene Anzahl an Defekten, die eine
Umordnung der Eisumgebung möglich machen. Darüber hinaus können dynamisch im Relaxationsprozess Defekte in der Eisordnung entstehen, deren Bildung durch thermische
Fluktuationen begünstigt wird.
Die Möglichkeit, die energetische Entwicklung von eT sowohl im besetzten und als auch
im unbesetzten Zustand zu messen, ist ein weiterer Beweis dafür, dass in diesen Zuständen
152
6.6 Einfluss von Edelgas-Deckschichten auf eingefangene Elektronen
tatsächlich Elektronen über mehrere Minuten eingefangen werden können. Wir können
daher ausschließen, dass in den Experimenten, die in den übrigen Kapiteln erörtert sind, die
zeitliche Entwicklung lokalisierter, nicht durch Elektronen besetzter Zustände beobachtet
wird.
6.6 Einfluss von Edelgas-Deckschichten auf eingefangene
Elektronen
Wenn zur Debatte steht, dass ein elektronischer Zustand eine signifikante Aufenthaltswahrscheinlichkeit an der Grenzfläche zum Vakuum besitzt, so lässt sich dies unter Umständen
verifizieren, indem man ein anderes Adsorbat als Deckschicht aufbringt, um die dielektrische Umgebung des Elektrons zu modifizieren. Es eignen sich insbesondere Edelgase wie
Xenon, da sie schwach gebunden sind und damit die Struktur der ersten Schicht kaum
beeinflussen. Die dielektrischen Eigenschaften unterscheiden sich jedoch stark von denen
von Eis, da Xenon weder ein permanentes Dipolmoment noch die Möglichkeit von Wasserstoffbrückenbindungen besitzt. Bei den Untersuchungen wurde zunächst eine kristalline
Eisschicht mit einer nominellen Dicke von 3.5–4 BL präpariert und sicher gestellt, dass
langlebige Zustände vorhanden sind. Anschließend wurden bei T <50 K mehrere Lagen Xe
adsorbiert. Abbildung 6.22 zeigt mit UV-Licht aufgenommene 2PPE-Spektren vor der Adsorption von Xe sowie mit der Deckschicht und nach teilweiser und kompletter Desorption
des Edelgases. Das Signal der langlebigen Zustände wird durch die Deckschicht praktisch
d-Band
2PPE-Intensität
eT
Xe/D2O/Ru(001)
geheizt auf 74 K
geheizt auf 90 K
→ D2O/Ru(001)
Abbildung
6.22: Einfluss
von
XeDeckschichten auf eingefangene Elektronen:
mehrere Lagen Xe auf 4 BL D2 O/Ru(001)
n=1
1
2
3
E - EF [eV]
4
vollständig unterdrückt, kehrt aber nach der Desorption des Xe wieder. Dass die Intensität reduziert ist, hängt damit zusammen, dass die Probe dabei in den Temperaturbereich
geheizt werden muss, in dem die Intensität von eT einbricht (vgl. Kap. 6.4). Dass sich
das Signal von eT so effizient durch die Xe-Deckschicht unterdrücken lässt, ist ein starkes
Argument dafür, dass die Elektronen zumindest bei Bedeckungen bis 4 BL an der Grenzschicht zum Vakuum lokalisiert sind. Es wird Gegenstand weiterer Experimente sein, ob
bei höheren Bedeckungen ein Übergang zu Volumenzuständen beobachtet werden kann.
153
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
6.7 Photochemie mit eingefangenen Elektronen:
Erste Experimente und Ausblick
Der Großteil der Experimente zur Elektronendynamik an adsorbierten Eisschichten diente
der Charakterisierung der Elektroneneinfangprozesse in strukturell verschiedenen Umgebungen. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass sich durch den Lokalisierungsprozess der Wellenfunktionsüberlapp mit dem Metallsubstrat verringert. Ein Teil der in die Eisschicht
injizierten Elektronen wird deshalb langsamer ins Substrat zurück transferiert, so dass die
Anregungsenergie länger, in kristallinen Schichten sogar extrem lange in der Eisschicht
verbleibt.
Ein weitergehender Schritt ist nun, die lokalisierten Elektronen auszunutzen, um mit ihrer Anregungsenergie Reaktionen auszulösen. Eine Möglichkeit dafür ist, zusätzlich zu Eis
eine weitere Substanz zu adsorbieren. Es ist beispielsweise bekannt, dass in amorphem Eis
angeregte Elektronen im Frühstadium der Solvatisierung effizient zur Dissoziation koadsorbierter Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) beitragen [Lu99, Lu01], ein Prozess, der
wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Bildung des Ozonlochs über den Polargebieten
spielt.
Da in kristallinen Schichten die langlebigen Elektronenzustände vorzugsweise in Bereichen nahe der Eis/Vakuum-Grenzfläche lokalisiert sind, sollte es alternativ möglich sein,
die Elektronen direkt mit aus der Gasphase auftreffenden Molekülen reagieren zu lassen.
Dazu wurden erste Experimente durchgeführt, bei denen der Probe molekularer Sauerstoff
(O2 ) mit geringen Partialdrücken angeboten wurde. Die Probentemperatur wurde möglichst hoch gewählt, damit physisorbierter Sauerstoff nicht dauerhaft adsorbieren kann.
Über das genaue Adsorptionsverhalten von O2 auf kristallinem Eis ist aus der Literatur
wenig bekannt. Experimente mit elektronenstimulierter Desorption zeigen jedoch, dass
molekularer Sauerstoff auf Eisschichten mit geringer Porösität, wie man sie bei Präparationstemperaturen über 90 K erhält, nicht in größeren Mengen in die Eisschicht hinein diffundiert [Azr99]. Physisorbierte Multilagen desorbieren bereits bei Temperaturen
<35 K, von Ru(001) desorbiert die erste Lage bei 50 K [Sch90]. Der Probentemperatur
ist allerdings dadurch eine obere Schranke gesetzt, dass die Intensität von eT nicht bereits thermisch bedingt abnehmen sollte. Abbildung 6.23 zeigt eine derartige Messung.
Das 2PPE-Spektrum als Funktion der Messzeit ist wieder als Falschfarbenplot dargestellt
zusammen mit der integrierten Intensität von eT (oben) und dem Sauerstoffpartialdruck
(unten).
Entsprechend der hohen Temperatur von 68 K und der hohen Bedeckung von 9 BL fällt
die Intensität von eT bereits ohne Sauerstoffangebot leicht ab (vgl. Kap. 6.3 und 6.4.2).
Nach knapp 40 s wurde O2 mit einem Partialdruck von 3·10−9 mbar in die UHV-Kammer
eingelassen. Als Folge dessen wird eT mit einer Abfallszeit τT =5±1 s ausgebleicht. Nach
90 s wurde der Laser geblockt und die Probe verfahren. Auf dem frischen Probenspot
erhält man trotz konstanten O2 -Druckes zunächst annähernd die Ausgangsintensität. Sie
klingt jedoch wieder mit τT ab.
Was lässt sich aus den Messungen über den ablaufenden Prozess aussagen? Zunächst
einmal sei festgestellt, dass die fast komplette Auslöschung von eT ein weiteres starkes Indiz
dafür ist, dass die langlebigen Elektronenzustände auch bei einer Bedeckung von nominell
154
6.7 Photochemie mit eingefangenen Elektronen
1000
800
600
400
200
2PPEIntensität
~9 BL kristallines D2O/Ru(001)
hν = 3.93 eV
T = 68 K
2.5
frischer Spot
E - EF [eV]
2.0
1.5
1.0
0.5
QMSSignal
0.0
6
4
2
0
-9
p(O2) = 3*10 mbar
20
40
60
80
Zeit [s]
100
120
140
Abbildung 6.23: Einfluss von O2 in der Gasphase auf die Intensität von eT . (unten) Partialdruck
von O2 , (Mitte) Entwicklung des 2PPE-Spektrum aufgenommen mit hν=3.93 eV. Nach 90 s wurde
die Position der Probe verändert, um eine frische Stelle zu beleuchten. (oben) Intensitätsverlauf
integriert über das am rechten Rand markierte Energieinterval.
9 BL im Bereich der Eis/Vakuum-Grenzschicht lokalisiert sind. Andernfalls müsste der
Sauerstoff in größeren Mengen in die Eisschicht hinein diffundieren, was nach den ESDExperimenten sehr unwahrscheinlich erscheint.
Da die Intensität von eT nicht proportional zum O2 -Partialdruck reduziert wird, sondern
bei konstant eingestelltem Druck exponentiell abfällt, werden bei dem Prozess nicht nur
die angeregten Elektronen abgefangen, sondern es werden auch die Lokalisierungsplätze
modifiziert, so dass sie für einen erneuten Elektroneneinfang nicht mehr zur Verfügung
stehen. Die Zeitkonstante des Signalabfalls gibt Auskunft darüber, inwieweit der Sauerstoff
bei einer Probentemperatur von 68 K überhaupt auf der Eisschicht adsorbiert. Nach der
Theorie des idealen Gases ist die Zahl der pro Fläche und Zeit auftreffenden Gasmoleküle
gegeben durch [Gre93]
p
1
j̇ = · √
(6.14)
2
mkT
Bei einem Partialdruck p=3·10−9 mbar und einer Temperatur T =300 K in der UHVKammer ist j̇=1012 /(cm·s). Nimmt man einen Wechselwirkungsquerschnitt zwischen Sauerstoff und gefangenem Elektron in der Größenordnung eines Wassermolekül an, würde die
Intensität von eT mit einer Zeitkonstanten von ca. 1000 s abfallen. Die um einen Faktor
200 kürzere Abfallszeit im Experiment zeigt, dass die Sauerstoffmoleküle auch bei 68 K
noch kurzzeitig adsorbieren und im Mittel über ∼ 200 Gitterplätze diffundieren. Die Reaktion erfolgt also streng genommen auch in diesem Experiment nicht mit Sauerstoff aus
der Gasphase, sondern mit sehr mobilen, adsorbierten Molekülen, wie in Abbildung 6.24
skizziert.
Anders als bei der Unterdrückung von eT durch die Edelgasdeckschicht wird die Auslö-
155
6 Elektroneneinfang in kristallinen Eisschichten
O2
eT
e-
kristallines Eis
Abbildung 6.24: Reaktionsmechanismus von
O2 mit eingefangenen Elektronen (eT ): O2 adsorbiert kurzzeitig auf der Oberfläche und wandert
im Mittel über 200 Wassermoleküle ab. Wenn es
ein eingefangenes Elektron trifft, kommt es zu einer Reaktion, die eine erneute Bevölkerung des
Lokalisierungsplatzes verhindert.
Metall
schung von eT nicht nur durch Adsorption von O2 an den Lokalisierungsplätzen hervorgerufen, sondern tatsächlich durch eine Wechselwirkung des Sauerstoffs mit den Überschusselektronen in bzw. an der Außenseite der Eisschicht. Andernfalls dürfte die Intensität von
eT beim Wechsel der Probenposition nicht so stark wieder ansteigen.
Welcher Prozess genau hinter der O2 -induzierten Auslöschung von eT steht, lässt sich
nach den ersten Experimenten nicht genau sagen. Hier sind weitere systematische Untersuchungen erforderlich.
Es ist jedenfalls gezeigt, dass die Energie, die in eingefangenen Elektronen an der Oberfläche kristalliner Eisschichten gespeichert ist, zum Auslösen weiterer chemischer Reaktionen genutzt werden kann. Dazu werden in Zukunft Experimente mit verschiedenen
relevanten Gasen durchgeführt werden, sowohl mit koadsorbierten Molekülen als auch,
wie hier beschrieben, mit einem Gasangebot aus der Gasphase.
156
7 Zusammenfassung und Ausblick
Gegenstand dieser Arbeit ist die Dynamik von Überschusselektronen in molekular dünnen
Eisschichten adsorbiert auf Metalloberflächen. Besonderes Augenmerk galt Lokalisierungsund Stabilisierungsprozessen angeregter Elektronen durch lokale Umordnung der umgebenden Wassermoleküle. Dieses als Elektronensolvatisierung bezeichnete Phänomen ist in
der flüssigen Phase bereits intensiv untersucht wurden. Die hier vorgestellten Experimente
eröffnen durch Anwendung oberflächenphysikalischer Methoden in verschiedener Hinsicht
neue Einblicke in die fundamentalen Wechselwirkungsmechanismen zwischen dem Elektron
und seiner molekularen Umgebung.
• Die zeitaufgelöste Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie (2PPE) ermöglicht
es, direkt die zeitliche Entwicklung der an den Prozessen beteiligten elektronischen
Zustände bezüglich ihrer Bindungsenergien und ihrer Besetzung zu untersuchen. Darüber hinaus lassen winkelabhängige 2PPE-Messungen Rückschlüsse auf die räumliche Ausdehnung lokalisierter Zustände zu, so dass das Wechselspiel zwischen Stabilisierung und Lokalisierung im Solvatisierungsprozess untersucht werden konnte.
• Von zentraler Bedeutung sind die Zusammenhänge zwischen der Dynamik angeregter Elektronen und der Struktur der molekularen Umgebung, die in adsorbierten
Schichten gezielt beeinflusst werden kann. So findet man in amorphen und kristallinen Eisschichten sehr unterschiedliche Lokalisierungsphänomene, die auf extrem
unterschiedlichen Zeitskalen beobachtet wurden.
• Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Arbeit ist, dass die Solvatisierung durch die
Wechselwirkung der Eisschicht mit dem Metallsubstrat in Verbindung gebracht wird
mit Ladungs- und Energietransferprozessen, die in der Photochemie an Oberflächen
eine wichtige Rolle spielen.
In amorphen Eisschichten konnte die Frühphase der Bildung solvatisierter Elektronen
beobachtet werden. Dieser Prozess ist schwerpunktmäßig auf der Cu(111)-Oberfläche untersucht worden. Direkt nach der Injektion optisch angeregter Elektronen aus dem Metall
findet man in der Eisschicht eine elektronische Struktur, wie sie typisch ist für den Bereich des Leitungsbands in einem amorphen Halbleiter. Neben einem Band parallel zur
Oberfläche delokalisierter Zustände treten insbesondere nahe dem Bandboden bei einer
Bindungsenergie von 1.05±0.05 eV lokalisierte Zustände auf.
Während die delokalisierten Zustände eine Lebensdauer von weniger als 20 fs aufweisen,
kann für die lokalisierten Zustände über mehr als 1.5 ps der Anfang des Solvatisierungsprozesses beobachtet werden, bevor die Population durch Rücktransfer ins Metall weitgehend
zerfallen ist. In dieser Zeit werden die Elektronen in amorphen Multilagen um mehr als
300 meV stabilisiert, ohne dass die Bindungsenergie einen asymptotischen Wert erreicht.
157
7 Zusammenfassung und Ausblick
Die fortschreitende Stabilisierung ist begleitet von einer dynamischen Einschnürung der
Elektronenwellenfunktion. Mithilfe winkel- und zeitabhängiger 2PPE-Messungen ist es gelungen, diesen Prozess zu verfolgen. Dabei hat sich ein annähernd zeitunabhängiger Zusammenhang zwischen der Ausdehnung der Wellenfunktion und der Stabilisierung ergeben.
Während die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen zu Beginn der Solvatisierung
über einen Bereich mit einem Durchmesser in der Größenordnung von 15 Å verteilt ist,
hat sich der Durchmesser nach einer Stabilisierung um 300 meV, wie sie etwa nach 1.5 ps
erreicht wird, auf einen Bereich von etwa 10 Å reduziert. Die Elektronen werden jedoch
nicht nur parallel, sondern auch senkrecht zur Oberfläche zunehmend lokalisiert, wodurch
die Wechselwirkung mit dem Metallsubstrat abnimmt. Dieser Prozess äußert sich in einer
stetigen Abnahme der durch Rücktransfer ins Metall bestimmten Zerfallsrate.
Die Dynamik des Solvatisierungsprozesses zeigt deutliche Unterschiede im Volumen
der amorphen Eisschicht und im Bereich der Eis/Vakuum-Grenzschicht. Bei Bedeckungen <3 BL verläuft die Stabilisierung anfangs etwa um einen Faktor vier schneller als in
Multilagen. Strukturuntersuchungen mit Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskopie haben
ergeben, dass D2 O/Cu(111) bei den niedrigen Bedeckungen Cluster mit einer Höhe von
2–4 BL bildet, die bei Bedeckungen >3 BL zu geschlossenen Schichten zusammenwachsen.
Die schnelle Stabilisierungsdynamik wird auf die höhere Mobilität nicht voll mit Wasserstoffbrückenbindungen koordinierter Wassermoleküle am Rand der Cluster zurückgeführt.
Im Vergleich der Solvatisierungsdynamik in amorphen Eisschichten auf den beiden Substraten Cu(111) und Ru(001) wird der Einfluss des Populationszerfalls auf die beobachtete
Stabilisierung deutlich. Die kürzere Relaxationszeiten angeregter Elektronen in Ru haben
zur Folge, dass auch die Lebensdauern solvatisierter Elektronen viel kürzer sind als auf
Cu(111). Gleichzeitig wird eine schnellere Zunahme der Bindungsenergie beobachtet, die
dadurch erklärt wird, dass jeweils die am schwächsten abgeschirmten Elektronen zurück
transferiert werden. Sie ist also wiederum eine Manifestation des Zusammenhangs zwischen
Stabilisierung und Lokalisierung solvatisierter Elektronen.
Die Elektronendynamik in kristallinen Eisschichten unterscheidet sich grundlegend von
der in amorphem Eis. Anstelle der Solvatisierung auf der Femtosekundenzeitskala werden
in kristallinen Eisschichten lokalisierte Elektronen mit einer Lebensdauer bis in den Minutenbereich beobachtet. Mit eigens entwickelten Spektroskopiemethoden konnte aufgedeckt
werden, dass es sich dabei um Elektronen handelt, die aus Leitungsbandzuständen an speziellen Defekten der Eisstruktur (hier auch als Lokalisierungsplätze bezeichnet) im Bereich
der Eis/Vakuum-Grenzschicht eingefangen werden. Der Prozess des Einfangs selbst wird
auf der ultrakurzen Zeitskala nicht beobachtet. Nach 0.1 s besitzen die Elektronen bei 40 K
eine Bindungsenergie von 1.88 eV und werden innerhalb von 10 min um weitere 400 meV
stabilisiert. Die Stabilisierungsenergie ändert sich nicht-exponentiell mit der Zeit, erreicht
aber auch nach 10 min noch nicht ihren asymptotischen Wert. Wie bei der Bildung solvatisierter Elektronen in amorphem Eis, so zeigt sich also auch hier, dass die Stabilisierung
mit einer fortschreitenden Einschnürung der Wellenfunktion verknüpft ist.
Die Lebensdauern der eingefangenen Elektronen in kristallinen Eisschichten sind insofern überraschend, als sich die Elektronen wenige Ångström vor einer Metalloberfläche ca.
2 eV über dem Fermi-Niveau befinden. In dem einfachen Bild eines Elektrons, das in einem
Potentialtopf lokalisiert und durch eine Barriere vom Metall separiert ist, sind unter An-
158
nahme realistischer Barrierenhöhen Lebensdauern im Minutenbereich kaum zu verstehen.
Ein Erklärungsansatz ist hier, dass im Rahmen der Polaronbildung die Born-OppenheimerNäherung zusammenbricht und das Elektron durch die Kopplung an Solvatmoden effektiv
stärker lokalisiert wird.
Der Stabilisierungsprozess ist zu verstehen als Solvatisierung eingefangener Elektronen, die in der Spätphase über einen dielektrischen Relaxationsprozess abläuft. Sie ist
im Gegensatz zum Frühstadium der Solvatisierung stark temperaturabhängig. Für mittlere Pump–Probe-Verzögerungen von 0.1 s verschiebt sich der Peak im Spektrum zwischen
40 und 160 K von 2.1 eV über EF bis nahe an das Fermi-Niveau. Das annähernd konstante
Spektrum für Temperaturen >140 K deutet darauf hin, dass bei diesen Temperaturen die
Elektronen innerhalb von 0.1 s voll stabilisiert sind. Der Verlauf der Solvatisierung kann
also durch Variation der Temperatur statt der Pump–Probe-Verzögerung verfolgt werden.
Es zeigt sich ferner in Abhängigkeit der Temperatur eine nicht-monotone Änderung
der Dichte an Lokalisierungsplätzen, an denen Elektronen langfristig eingefangen werden
können. Sie kommt dadurch zustande, dass bei der Präparation Lokalisierungsplätze im
Überschuss eingefroren werden, die bei langsamem Heizen zwischen 50 und 80 K ausheilen
können, bevor thermisch bedingt neue entstehen.
Auf der Basis der 2PPE-Untersuchungen liegt nahe, dass es sich bei den Lokalisierungsplätzen um das Pendant zu DV-Defekten handelt, die im Volumen von kristallinem Eis für
den Einfang von Elektronen verantwortlich gemacht werden. Dies wäre eine Anhäufung
von freien O-D-Gruppen an Stellen, wo in der äußersten Lage einzelne Wassermoleküle
fehlen.
Die Elektronendynamik in amorphen und in kristallinen Eisschichten unterscheiden sich
deshalb so deutlich voneinander, weil in kristallinem Eis zur Verzerrung der lokalen Struktur, wie sie für die Solvatisierung erforderlich ist, eine Aktivierungsbarriere überwunden
werden muss, die in der amorphen Phase durch die ohnehin existierende Variation der
lokalen Struktur nicht existiert. Deshalb können in amorphem Eis Elektronen aus schwach
lokalisierten Zuständen startend solvatisiert werden. In kristallinem Eis hingegen muss zunächst ein definierter Defekt der Eisstruktur existieren, an dem ein Elektron eingefangen
werden kann. Die beobachtete Relaxation auf langen Zeitskalen ist eher auf eine Änderung der Eiskonfiguration z.B. über Bjerrum-Defekte zurückzuführen als auf eine langsame Verzerrung der Eisstruktur. Damit zeigt das Solvatisierungsverhalten für Elektronen
in amorphen und kristallinen Eisschichten große Ähnlichkeit mit dem Lösungsverhalten
für Ionen in flüssigem Wasser und kristallinem Eis.
Die Verknüpfung der Solvatisierung mit dem Elektronentransfer macht die Untersuchungen in zweierlei Hinsicht interessant im Zusammenhang mit photochemischen Prozessen
an Oberflächen. Zum Einen wird durch die Solvatisierung der injizierten Elektronen letztlich ein Teil der elektronischen Anregungsenergie aus dem Metall in Kernbewegungen des
Adsorbats übertragen, ein Prozess, der den Schlüsselschritt in elektronisch vermittelten
Reaktionen an Oberflächen darstellt. Ein Teil davon wird durch Schwingungskopplung dissipiert, ein Teil wird in einer Verzerrung der Eiskonfiguration gespeichert. Zum Anderen
wird durch die Verzögerung des Rücktransfers aufgrund der zunehmenden Lokalisierung
die Anregungsenergie länger in der Adsorbatschicht gehalten und steht damit länger zur
Verfügung, um chemische Reaktionen mit weiteren Adsorbaten oder Gasphasenmolekülen
159
7 Zusammenfassung und Ausblick
an der Eisoberfläche auszulösen. In dieser Arbeit werden erste Ergebnisse von Experimenten vorgestellt, die diesen Reaktionskanal demonstrieren. Hier eröffnet sich ein weites Feld
für weitere Untersuchungen. Von besonderer Relevanz ist der Reaktionskanal in der Atmosphärenchemie. Als Beispiel sei die Spaltung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen in polaren
Stratosphärenwolken am Ende des polaren Winters genannt.
Des weiteren ist ein Verfahren vorgestellt worden, mit dem man nicht nur die Stabilisierung eines elektronischen Zustands durch den Respons der Umgebung verfolgen kann,
sondern auch teilweise die Destabilisierung desselben nach Photoemission des Elektrons.
Dies ist in kristallinem Eis möglich, weil der Destabilisierungsprozess auf einer Zeitskala
abläuft, auf der der Zustand mehrfach wieder besetzt werden kann.
Ausblick
Aus den hier vorgestellten Ergebnissen ergibt sich eine ganze Reihe weiterführender Fragestellungen, von denen viele das Feld der zuvor unbekannten langlebigen Elektronenzustände in kristallinem Eis betreffen. Hier wäre es beispielsweise eine Herausforderung, die
Lücke von 10 Größenordnungen in den auflösbaren Zeitskalen der Stabilisierungsdynamik
eingefangener Elektronen zu schließen. Ein Teil dessen wäre mit einem ns-Lasersystem
sicherlich realisierbar. Darüber hinaus ergeben sich aus dem demonstrierten Verfahren zur
Untersuchung der Relaxationsdynamik der Solvathülle und, wie bereits angesprochen, aus
der Möglichkeit, chemische Reaktionen durch eingefangene Elektronen auszulösen, viele
neue Möglichkeiten. Der große Einfluss der Adsorbatstruktur auf die Elektronendynamik
zeigt außerdem, dass ein vollständiges Verständnis (so weit ein solches überhaupt erlangt
werden kann) nicht nur die Auflösung der Prozesse bzgl. Zeit und Energie voraussetzt,
sondern auch atomare räumliche Auflösung erfordert. Die in Zusammenarbeit mit der
Gruppe von K.-H. Rieder und K. Morgenstern ausgeführten STM-Untersuchungen unter
entsprechenden Versuchsbedingungeng stellen einen wichtigen Schritt in diese Richtung
dar.
160
A Bildladungszustände vor der
Ru(001)-Oberfläche
Eine wichtige Grundlage für das Verständnis der Elektronendynamik an adsorbatbedeckten Oberflächen ist die Kenntnis der elektronischen Struktur der sauberen Substratoberfläche. Dabei kommt an Metalloberflächen den Bildladungszuständen besondere Bedeutung
zu, da das Bildladungspotential, wenn auch in abgeschirmter Form, auch die elektronischen
Zustände auf der bedeckten Oberfläche beeinflusst.
Auf Cu(111) ist die Dynamik der Bildladungszustände sowohl auf der sauberen als auch
auf der adsorbatbedeckten Oberfläche intensiv mittels zeitaufgelöster 2PPE untersucht
worden (vgl. Kap. 2.2.3). Für die Ru(001)-Oberfläche hingegen existiert lediglich eine
Arbeit, die sich aber auf den Einfluss adsorbierter Xe-Schichten konzentriert [Ber00b].
Von den Bildladungszuständen der sauberen Oberfläche konnte bei jenen Untersuchungen
nur der energetisch niedrigste (n=1) spektroskopiert werden.
Aufgrund der Bandlücke in der projizierten Bandstruktur kann sich auf der Ru(001)Oberfläche die ganze zum Vakuumniveau konvergierende Rydberg-Serie gebundener Bildladungszustände ausbilden (vgl. Kap. 2.2.3). Im Rahmen dieser Arbeit ist es nun gelungen,
auch die Zustände mit höheren Quantenzahlen n zu untersuchen. Um Elektronen in diese
Zustände anregen zu können, ist eine Photonenenergie von der Größe der Austrittsarbeit
Φ erforderlich, für die auf dem verwendeten Kristall ein Wert von 5.40±0.02 eV gemessen
wurde1 . Diese Wert entspricht gerade der maximalen Photonenenergie, die durch Frequenzverdopplung des Signal aus dem VIS-OPA erreicht werden konnte. Die Energie pro
Puls bei 5.40 eV beträgt nur noch weniger als 0.1 nJ bei Pulslängen von 70–80 fs. Um die
damit erreichbare kleine Population der Bildladungszustände möglichst effizient abzufragen, wurden hierfür 25 % der Verstärkerleistung bei einer Photonenenergie von 1.56 eV
verwendet.
Abbildung A.1 zeigt in Falschfarbendarstellung eine zeit- und energieaufgelöste PumpProbe-Messung im Energiebereich der Bildladungszustände bei einer Probentemperatur
von etwa 40 K. Da die energetische Lage der Bildladungszustände ans Vakuumniveau gekoppelt ist, ist dieses hier als Referenzenergie für die Energieachse gewählt. Die Zustände
mit n=1 und n=2 sind als klar separierte Peaks erkennbar. Für die weiteren Bildladungszustände überlappen die Peaks bereits wegen der spektralen Breite der Laserpulse. Innerhalb
der zum Vakuumniveau konvergierenden Serie ergeben sich 2 Trends: Die Lebensdauer
der Zustände nimmt zum Vakuumniveau hin zu, die Intensität fällt ab. Dabei handelt
es sich um zwei Seiten derselben Medaille. Dadurch, dass sich die Elektronen in Zuständen mit steigendem n zunehmend weiter von der Oberfläche entfernen und der Überlapp
mit Metallzuständen abnimmt, sinkt sowohl die Wahrscheinlichkeit für Streuprozesse mit
1
Der Literaturwert für die Austrittsarbeit von Ru(001) liegt bei 5.44 eV [Ber00b].
161
A Bildladungszustände vor der Ru(001)-Oberfläche
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
0
500
1000
1500
0.0
n=4...
n=3
n=2
-0.4
0.0
-0.6
4
n=1
-0.8
n=3
0
500
1000
∆t [fs]
-0.1
E - EVak [eV]
E - EVak [eV]
-0.2
1500
Abbildung A.1: zeitaufgelöstes 2PPE-Spektrum der Bildladungszustände auf Ru(001) mit
hν1 =5.40 eV und hν1 =1.56 eV : n=1–3 können energetisch aufgelöst werden. Für höhere Zustände werden Quantenschwebungen beobachtet, deren Perioden den energetischen Abständen der
Zustände entsprechen (siehe Inset).
Metallelektronen, die zum Zerfall der Population führen, als auch die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Elektron aus dem Metall in den Bildladungszustand angeregt wird. Der Energiebereich der Zustände mit n ≥3 ist im unteren Teil der Abb. A.1 vergrößert mit anderer
Farbskalierung dargestellt. Die kohärente Anregung mehrerer Zustände führt zu Quantenoszillationen im 2PPE-Signal (vgl. Kap. 2.5.1), deren Periode mit dem energetischen
Abstand der überlagerten Zustände in Zusammenhang steht.
Wie in Kap. 2.2.3 beschrieben, lassen sich Bindungsenergien und Lebensdauern der
Bildladungszustände näherungsweise berechnen, wenn man den Wert des Quantendefekts
a kennt. In Abbildung A.2 sind Schnitte aus dem Datensatz von Abbildung A.1 dargestellt.
Aus den Spektren (a) ergeben sich Bindungsenergien der ersten beiden Bildladungszustände von 661±20 und 187±15 meV. Für den Quantendefekt ergibt sich daraus gemäß Gleichung 2.5 ein Wert von a=0.134 . Die hiermit berechneten energetischen Positionen sind in
den Spektren jeweils als Striche markiert. Im Spektrum bei ∆t=0 fs ist der n=3-Zustands
noch auflösbar. Die experimentelle Bindungsenergie von 87±10 meV stimmt mit der nach
der Quantendefektformel berechneten sehr gut überein. Nach 230 fs besteht das Signal
hauptsächlich aus einer Überlagerung von n=3 und n=4, zu späteren Zeiten gewinnen
162
(a) Ru(001)
n=2
(b)
n=
34
567...
x0.2
E - EVak [eV]
-0.10
Dt= 0 fs
230 fs
340 fs
440 fs
825 fs
2PPE-Intensität (norm.)
2PPE-Intensität
n=1
Ru(001)
-0.05
0.00
-0.8
-0.6 -0.4 -0.2
E - EVak [eV]
0.0
0
400
800
1200
Pump-Probe-Verzögerung Dt [fs]
Abbildung A.2: Bildladungszustände auf Ru(001): (a) Spektren bei verschiedenen Pump-ProbeVerzögerungen ∆t.(b) Normierte Kreuzkorrelationen bei Energien knapp unterhalb EVak , jeweils
gemittelt über 10 meV. Die Kurven sind vertikal so verschoben, dass die Einteilungen der Energieachse gerade den Grenzen der Mittelungsintervalle entsprechen.
entsprechend den längeren Lebensdauern die Zustände mit größerem n an Gewicht.
In Übereinstimmung mit der Abschätzung aus der Linienbreite aus [Ber00b] ergibt sich
aus der Kreuzkorrelation im Energiebereich des Zustands mit n=1 eine Lebensdauer von
11±2 fs. Die Lebensdauer des n=2-Zustands beträgt 57±5 fs. Für die Linienbreiten bei
∆t=0 findet man 61±5 meV für den n=1-Zustand, 22±4 meV für n=2. Diese Werte sollen
lediglich als Vergleichswert für die delokalisierten Zustände auf der wasserbedeckten Oberfläche dienen. Auf eine detaillierte Analyse der Linienbreiten zur Ermittlung der Dephasierungszeiten wird an dieser Stelle verzichtet, da hierzu genaue Kenntnis der spektralen
Form der beiden Laserpulse erforderlich wäre [Ber01, Bog02].
Für den Energiebereich zwischen n=3 und dem Vakuumniveau zeigt Abbildung A.2 (b)
auf ihr Intensitätsmaximum normierte Kreuzkorrelationen, die jeweils über einen Energiebereich von 10 meV gemittelt wurden. Sie sind jeweils so verschoben, dass ihre Nulllinien
bei negativen ∆t die mittlere Energie des Messintervalls anzeigen. Die oberste Kurve ist
eine Kreuzkorrelation bei der Energie des n=3-Zustands. Der energetische Abstand zum
Zustand mit n=4 ist mit fast 37 meV noch zu groß, als dass hier eine Überlagerung zustande kommen könnte. Deshalb kann hier noch direkt die Lebensdauer des n=3-Zustands
bestimmt werden. Sie beträgt 174±10 fs.
Wie gut die Näherung eines konstanten Quantendefekts für die ganze Reihe der Bildladungszustände erfüllt ist, kann man anhand des zeitlichen Verlaufs der Quantenschwebungen überprüfen. Bei den folgenden Kreuzkorrelationen bis ca. 30 meV an das Vakuumniveau heran tauchen leichte Intensitätsmodulationen auf, deren Periode im Rahmen
der Messgenauigkeit mit der der Quantenschwebung zwischen n=3 und n=4 mit nominell τ45 =112.5 fs übereinstimmt. Ab 40 meV wird die Schwebung 4–5 dominant mit einer
Periode von 236.7 fs. Nahe dem Vakuumniveau ergibt sich eine Überlagerung aus den
Zuständen n=4–7. Für höhere n ist die Anregungswahrscheinlichkeit zu gering, als dass
163
A Bildladungszustände vor der Ru(001)-Oberfläche
Ru(001): XC bei E=-0.01 bis -0.02 eV
2PPE-Intensität
t45=237 fs
t56=429 fs
t57=266 fs
t67=703 fs
0
500
1000
1500
2000
Pump-Probe-Verzögerung ∆t [fs]
Abbildung A.3: Quantenschwebungen zwischen Bildladungszuständen auf Ru(001): Kreuzkorrelation im Bereich E − EVak =-10 bis -20 meV
die Perioden noch identifiziert werden könnten. Bei ∆t=0 fs ergibt sich ein scharfer Peak,
der teilweise dadurch zustande kommt, dass energetisch naheliegende Bildladungszustände nicht-resonant angeregt werden (vgl. Kap. 2.5). Darüberhinaus gibt es Signalbeiträge
von kurzlebigen Zuständen bei Energien um 1.55 eV über EF für die Pump- und Probe
vertauscht sind.
In Abbildung A.3 ist exemplarisch die Kreuzkorrelation 10–20 meV unterhalb des Vakuumniveaus zusammen mit einer nach den optischen Bloch-Gleichungen berechneten Kurve
gezeigt, die die Quantenschwebungen gut wiedergibt. Um die Zahl der freien Parameter zu
beschränken, wurden bei der Anpassung an die Messdaten lediglich die Gesamtamplitude
und die Lebensdauern der beiden niedrigsten beitragenden Bildladungszustände als offene
Parameter zugelassen, die Populationswahrscheinlichkeiten und Lebensdauer der weiteren
Zustände wurden ∝ (n + a)−3 bzw. ∝ (n + a)3 aus denen des niedrigsten berechnet. Für
den Quantendefekt a ist der experimentell bestimmte Wert eingesetzt.
Das Fit-Programm, das von der Arbeitsgruppe um U. Höfer (derzeit Uni Marburg) zur
Berechnung der Quantenschwebungen auf Cu(100) entwickelt wurde2 , macht zur Reduzierung des Rechenaufwands einige Näherungen, die allerdings auf die Dynamik zu Zeiten, bei
denen Pump- und Probe-Puls nicht mehr überlappen, keinen signifikanten Einfluss haben.
Eine detaillierte Beschreibung der Fit-Routine findet sich in [Ber01].
Zusätzlich zu Messdaten und Fitkurve sind außerdem die nach den Bindungsenergien
zu erwartenden Maxima aus der Überlagerung der Zustände n=4–7 als vertikale Striche
eingetragen. Die ersten beiden Maxima sind noch von der Schwebung zwischen n=4 und
5 dominiert. Wegen des schnelleren Zerfalls der Population des n=4 übernehmen danach
n=5 und 6 die Führung. Insgesamt werden die Schwebungen mehr und mehr ausgeglichen,
da einerseits durch die Dephasierung die Kohärenz verloren geht und andererseits die
einzelnen Schwebungen immer mehr aus dem Takt geraten.
164
n
1
2
3
4
5
6
7
E − EVak [eV]
-0.661±0.020
-0.187±0.015
-0.087±0.010
(-0.050)
(-0.032)
(-0.023)
(-0.017)
τ [fs]
11±2
57±5
174±10 (180±15)
(413±35)
(791±60)
In nebenstehender Tabelle sind die Bindungsenergien und Lebensdauern der Bildladungszustände zusammengefasst. In Klammern stehende Werte sind durch Extrapolation
unter Verwendung des experimentell bestimmten Quantendefekts berechnet. Insgesamt
bestätigen sich also die Gesetzmäßigkeiten für Bildladungszustände. Die Lebensdauer für
den n=1-Zustand stimmt exakt mit der überein, die von Berthold et al. [Ber00b] aus der
Linienbreite bestimmt wurde. Sie ist deutlich kürzer als die der n=1-Bildladungszustände
auf Cu(111) (τ =23 fs bei T =100 K [Wei02]) und Cu(001) (τ =35 fs [Wei02]). Gleiches gilt
für Zustände mit größerem n. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass in Ruthenium
der Phasenraum für die Relaxation über Elektron–Loch-Paarbildung insbesondere durch
die teilweise unbesetzten d-Bänder deutlich größer ist als in dem Edelmetall Kupfer (vgl.
Kap. 2.2.2).
2
und für diese Berechnungen freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde
165
A Bildladungszustände vor der Ru(001)-Oberfläche
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182
Apparative Komponenten
Im Folgenden sind die wichtigsten in den Versuchsaufbauten verwendeten apparativen
Komponenten aufgeführt. Standard-Laborgeräte (Multimeter, Oszilloskope, Vakuumpumpen etc.) und im Eigenbau hergestellte Geräte sind weggelassen.
2PPE-Experiment am Fritz-Haber-Institut der MPG (Aufbau A)
Optischer Aufbau
• Argon-Ionen-Laser: Coherent, Innova 400
• Ti:Saphir-Oszillator: Coherent, Mira 900 F
• Regenerativer Verstärker: Coherent, RegA 9000
• Optisch-Parametrischer Verstärker: Coherent, OPA 9400
• Autokorrelator: APE Berlin
• Gitterspektrometer: B & M; Diodenzeile, Hamamatsu, C4350
Datenaufnahme
• Computer: PC, Intel Pentium II 266 MHz, Asus P2B 440 BX, 128 MB RAM, ELSA
Winner 2000/Office AGP.
• Multifunktions-Meßkarte: National Instruments, PCI-16 MIO E-1,
Part No. 183455C-01
• GPIB Karte: National Instruments, PCI-GPIB, Part No. 183617C-01
• Software: NI-Labview 5.0.1, NI-DAQ 6.1.1, NI-488.2M
• DC-Motor Controller: Physik Instrumente, C-812
Elektronik zur Flugzeitmessung
• Fast-Timing Preamplifier VT 120
• Pico-Timing Discriminator, Modell 9307
• 100 MHz Discriminator, Modell 436
183
Apparative Komponenten
• Time-to-Amplitude Converter/Single Channel Analyzer, Modell 567
• Modular System Bin, Modell 4001C
• Log/Lin Ratemeter, Modell 449
2PPE-Experiment an der Freien Universität Berlin (Aufbau B)
Optischer Aufbau
• Vanadate Diodenlaser, Coherent, Verdi V5 zum Pumpen des Oszillators
• Vanadate Diodenlaser, Coherent, Verdi V10 zum Pumpen des regenerativen Verstärkers
• Ti:Saphir-Oszillator, Coherent, Mira SEED
• Regenerativer Verstärker, Coherent, RegA 9050
• Optisch-Parametrischer Verstärker für 760-460 nm, Coherent, OPA 9450
• Optisch-Parametrischer Verstärker für 1050-1600 nm, Coherent, OPA 9850
• Autokorrelator: APE Berlin
• Gitterspektrometer: B & M; Diodenzeile, Hamamatsu, C4350
• IR-Spektrometer: WaveScan, APE Berlin
Datenaufnahme
• Computer: PC, 2x Pentium III 1.27 GHz, Systemspeicher 1.75 GB
• Multifunktions-Meßkarte: National Instruments, PCI-16 MIO E-1,
Part No. 183455C-01
• Software: NI-Labview 6.1, NI-DAQ 6.1.1, NI-488.2M
• DC-Motor Controller, Physik Instrumente, C-844
Elektronik zur Flugzeitmessung
• Fast-Timing Preamplifier VT 120
• Pico-Timing Discriminator, Modell 9307
• 100 MHz Discriminator, Modell 436
• Time-to-Digital Converter, FAST-Comtec p7887
• Modular System Bin, Modell 4001C
• Log/Lin Ratemeter, Modell 449
184
Abkürzungen
AES
ASW
BL
DCM
eCB
eT
eS
FUB
FHI
fwhm
GVD
hwhm
ML
SHG
SPM
TDS
UHV
UV
VIS
ZGP
2PPE
Auger-Elektronenspektroskopie
engl. amorphous solid water,
√ T<130 K aufgedampftes amorphes Eis
√ bei
Bilage (meist geordnete 3 × 3-Struktur von Wasser auf Ru(001)
bzw. dazu äquivalente Bedeckung)
Dielektrisches Kontinuumsmodell
sich vom Leitungsbands der Eisschicht (engl. conduction band“) ableitender 2PPE-Peak
”
(2P)PE-Peak eingefangener Elektronen in kristallinem Eis (engl. trapped electrons“)
”
2PPE-Peak solvatisierter Elektronen in amorphem Eis (engl. solvated electrons“)
”
Freie Universität Berlin
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft
volle Halbwertsbreite (engl. full width at half maximum“)
”
engl. group velocity dispersion“, Gruppengeschwindigkeitsdispersion
”
halbe Halbwertsbreite (engl. half width at half maximum“)
”
Monolage
engl. second harmonic generation“, Erzeugung der zweiten Harmonischen
”
Selbstphasenmodulation
Thermische Desorptionsspektroskopie
Ultrahochvakuum
ultraviolett, Licht mit Wellenlängen <400 nm
engl. visible“, für Licht im sichtbaren Wellenlängenbereich (400–800 nm)
”
Zwischengitterplatz
Zwei-Photonen-Photoemission
185
Abkürzungen
186
Publikationen
Veröffentlichungen im Rahmen dieser Arbeit
C. Gahl, U. Bovensiepen, Chr. Frischkorn und M. Wolf.
Ultrafast electron transfer and solvation dynamics in amorphous ice layers on Cu(111).
Ultrafast Phenomena XIII, Editoren: R. J. D. Miller, M. M. Murnane, N. F. Scherer und
A. Weiner (Springer, Berlin, 2002) 307–309
C. Gahl, U. Bovensiepen, Chr. Frischkorn und M. Wolf.
Ultrafast dynamics of localization and solvation in ice layers on Cu(111).
Physical Review Letters 89, 10, (2002) 107402
C. Gahl, U. Bovensiepen, Chr. Frischkorn, K. Morgenstern, K.-H. Rieder und M. Wolf.
Ultrafast electron solvation dynamics in D2 O/Cu(111): Influence of coverage and structure. Surface Science 532–535, (2003) 108–112
U. Bovensiepen, C. Gahl und M. Wolf.
Solvation dynamics and evolution of the spatial extent of photoinjected electrons in D2 O/Cu(111)
Journal of Physical Chemistry B 107, (2003) 8706–8715
M. Lisowski, P. A. Loukakos, U. Bovensiepen, J. Stähler, C. Gahl und M. Wolf.
Ultrafast dynamics of electron thermalization, cooling and transport effects in Ru(001).
Applied Physics A 78, (2004) 165–176
U. Bovensiepen, C. Gahl, J. Stähler, P. A. Loukakos und M. Wolf.
Femtosecond dynamics of electron localization, solvation and transfer processes at ice–
metal interfaces.
Eingereicht bei Israel Journal of Chemistry
D. N. Denzler, C. Gahl, S. Wagner, R. Dudek, J. Stähler, Chr. Frischkorn, U. Bovensiepen, M. Wolf und G. Ertl.
Structural implications from the vibrational and electronic properties of the first layers of
D2 O on Ru. In Vorbereitung für Journal of Physical Chemistry B
I. Andrianov, T. Klamroth, P. Saalfrank, U. Bovensiepen, C. Gahl und M. Wolf.
Quantum theoretical study of electron solvation dynamics in ice layers on a Cu(111) surface. In Vorbereitung für Physical Review B
187
Publikationen
Veröffentlichungen zu verwandten Themen
G. Moos, C. Gahl, R. Fasel, M. Wolf und T. Hertel.
Anisotropy of quasiparticle lifetimes and the role of disorder in graphite from ultrafast
photoemission spectroscopy.
Physical Review Letters 87, 10, (2001) 267402
C. Gahl, K. Ishioka, Q. Zhong, A. Hotzel und M. Wolf.
Structure and dynamics of excited electronic states at the adsorbate/metal interface:
C6 F6 /Cu(111).
Faraday Discussions 117, (2000) 191
K. Ishioka, C. Gahl und M. Wolf.
Femtosecond dynamics of image potential states of C6 F6 /Cu(111) studied with two-photon
photoemission.
Surface Science 454, (2000) 73
X.-Y. Zhu, T. Vondrak, H. Wang, C. Gahl, K. Ishioka und M. Wolf.
Photo-induced electron transfer to molecular quantum structures on a metal surface.
Surface Science 451, (2000) 244
Q. Zhong, C. Gahl und M. Wolf.
Two-photon photoemission spectroscopy of pyridine adsorbed on Cu(111).
Surface Science 496, (2002) 21
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Danksagung
An erster Stelle möchte ich hier Martin Wolf für die Betreuung dieser Arbeit danken. Von
seinem breiten Wissen sowohl auf physikalischem wie auf experimentellem Gebiet habe ich
viel profitiert. Seine wissenschaftliche Neugier und Diskussionsbereitschaft, aber auch sein
Ideenreichtum haben das Projekt immer wieder voran gebracht. Von seiner Seite konnte
ich mir während der gesamten Zeit der vollen Unterstützung für meine Arbeit sicher sein.
Ich möchte hier auch nicht unerwähnt lassen, dass sein Führungsstil entscheidend zu dem
sehr angenehmen Arbeitsklima in seiner Arbeitsgruppe beiträgt.
Herrn Rieder, dem Zweitgutachter dieser Arbeit, sei gedankt für sein Interesse an dieser
Arbeit, das in Form der Zusammenarbeit in der Strukturaufklärung von Eis auf Cu(111)
auch konkreten Eingang gefunden hat.
Herrn Ertl möchte ich dafür danken, dass ich einen Teil der Arbeit in seiner Abteilung
am Fritz-Haber-Institut (FHI) durchführen konnte. Sein Geist war sehr prägend für die
Arbeitsatmosphäre am FHI (und ist zum Teil wohl auch an die FU weitergetragen worden).
Ich habe Herrn Ertl für mich immer als eine Art Doktorgroßvater“ empfunden.
”
In diesem Zusammenhang sei auch meinen Mitarbeitern im Labor am FHI Gunnar
Moos, Daniel Denzler und Christian Hess herzlich für die fruchtbare wissenschaftliche
Zusammenarbeit, aber auch für das menschliche Miteinander gedankt, das auch über die
Laborwände hinausreicht.
Für meine Zeit an der Freien Universität Berlin gilt mein Dank besonders Uwe Bovensiepen, mit dem ich in unzähligen Diskussionen in unserem Büro Probleme des Projekts
und der Physik allgemein gewälzt habe. Gerade in der Spätphase der Arbeit war mir seine
unermüdliche Unterstützung eine große Hilfe.
Die Untersuchungen an der Ru(001)-Oberfläche sind in Zusammenarbeit mit Julia Stähler entstanden. Zahlreiche gemeinsame Messtage und -nächte und ein reger Gedankenaustausch haben ihren Teil zu dieser Arbeit beigetragen, wofür ich ihr danken möchte.
Vielen Dank auch den übrigen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Wolf für die rundum nette Zusammenarbeit, allen voran Martin Lisowski, von dem ich viel in technischer Hinsicht
gelernt habe und der dem Wasserprojekt so manchen zusätzlichen Messtag eingeräumt
hat, und Panagiotis Loukakos, der sich viel für das Lasersystem eingesetzt hat, Christian Frischkorn, der auch in Wasser und Eis involviert war, aber auch Patrick Kirchmann
und den Mitarbeitern der anderen Experimente. Nicht vergessen werden dürfen an dieser
Stelle Peter West, der in vielen technischen Fragen der richtige Ansprechpartner war, und
Dietgard Malwitz, die immer behilflich war im Kampf gegen die Bürokratie.
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Danksagung
Michael Mehlhorn und Karina Morgenstern gilt mein Dank für die Zusammenarbeit bei
den STM-Untersuchungen.
Ulrich Höfer und Wolfram Berthold möchte ich dafür danken, dass sie mir das Programm
zur Auswertung der Quantenschwebungen zur Verfügung gestellt haben.
Auch die Werkstätten am Fritz-Haber-Institut und am Fachbereich Physik haben so
manches Mosaiksteinchen zu dieser Arbeit beigetragen.
Als letztes gilt mein ganz besonderer Dank meiner Familie, die mich und diese Arbeit
immer unterstützt und getragen hat. Einen besonderen Orden hat neben meiner Frau
Birgit meine Schwiegermutter verdient, die so manches Mal angereist ist, um den Tag und
Nacht abwesenden Familienvater zu ersetzen.
190
Akademischer Lebenslauf
Christoph Cornelius Gahl
*12.11.1969
in Frankfurt am Main
06/89
Abitur, Immanuel-Kant-Gymnasium Bad Oeynhausen
08/89–10/90
Zivildienst beim Diakonischen Werk, Bad Oeynhausen
10/89–03/91
Jungstudent mit Hauptfach Violoncello, Musikhochschule Detmold
04/91–03/94
Studium Orchester- und Ensemblemusik, Musikhochschule des Saarlands,
Saarbrücken
04/94–02/00
Studium Meteorologie und Physik, Freien Universität Berlin
04/98–11/99
Diplomarbeit am Fritz–Haber–Institut der MPG
02/00
Diplom am Fachbereich Physik, Freie Universität Berlin
05/00–06/04
wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Ziel der Promotion
in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Wolf
05/00–08/01
am Fritz-Haber-Institut, Abteilung Physikalische Chemie
von Prof. Dr. Gerhard Ertl
am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin
08/01–06/04
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