Erkennung von Netzstörungen

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Aus dem Englischen; von David Mueller und Jeffrey Lamoree / Electrotek Concepts © 1998
Erkennung, Identifizierung und Behebung von Netzqualitätsproblemen
Theorie
Netzanalysatoren ermöglichen es, dem Troubleshooter viele Netzqualitätsprobleme zu erkennen und zu
beheben. Die Störschriebe (Kurvenformen) dieser Analysatoren bieten wichtige Hinweise zur
Lokalisierung der Störquelle. Dieser Beitrag zeigt Beispiele wie solche Kurvenformen ausgewertet
werden können, zeigt aber auch wie ähnlich Kurvenformen komplett unterschiedlicher Ursachen sind.
Illustriert wird, dass technisches Urteilsvermögen bei der Fehlersuche nicht ersetzt werden kann. Der
Autor kommentiert die häufigsten Methoden der Bewertung von Messdaten von Langzeitmessungen und
zeigt, ob die Vorkommnisse für den Endverbraucher relevant sind.
Einleitung
Moderne industrielle Ausrüstung und kommerzielle Computer Netzwerke neigen zu vielen
unterschiedlichen Fehlerzuständen. Wenn ohne ersichtlichen Grund die Produktionslinie stoppt, oder das
PC-Netzwerk, dann wird oft die Versorgungsqualität verdächtigt. Ein Übertäter der unsichtbar und
schwierig zu schützen ist. Die Fehlersuche in Versorgungsnetzen gestaltet sich oft schwierig und nicht
selten hat die elektrische Energie überhaupt nichts mit der Störung zu tun.
So kann beispielsweise die Störung in einer automatisierten Fertigung letztendlich auf ein defektes Ventil,
oder Druckverlust im pneumatischen System zurückgeführt werden. Oder in einem Bürogebäude die
Fehlersuche im Kabelbaum des LAN-Netzwerks enden, wo in Folge falscher Auslegung Signalverlust und
Reflektionen entstehen. So werden Netzanalysatoren ein unverzichtbares Werkzeug.
Betriebselektriker benötigen Netzanalysatoren um Effekte zu begründen, insbesondere bei der Installation
von neuen Anlagenteilen, wo unweigerlich eine Anzahl von neuen Problemen im normalen Betriebsablauf
auftauchen. Netzanalysatoren, eingestellt auf ungewöhnliche Spannungsverläufe zu reagieren, erlauben es
dem Anwender das Netz näher zu untersuchen.
Es nützt es aber nichts, einen Netzanalysator nach einer Störung zu installieren, die sich bereits ereignet
hat. Nichts ist frustrierender, wie festzustellen, dass sich eine Störung ohne vorgängige Überwachung,
ereignet hat. Netzanalysatoren sollten die Versorgung am Besten permanent überwachen. Nur so kann der
Betriebsunterhalt in unserer hochautomatisierten Gesellschaft aufrecht erhalten werden.
Einmal installiert, registriert das Gerät wichtige Ereignisse, wenn was schief läuft. So erfahren wir einiges
über den Gesundheitszustand unseres Stromnetzes. Nun müssen wir nur noch fähig sein, die Hinweise zu
lesen und korrekt zu interpretieren. Und genau hier soll dieser Beitrag ansetzen. Er stellt einige
Faustregeln zur Bewertung von Langzeitaufnahmen auf.
Bild 1. Kommutierungseinbrüche verursacht durch Leistungselektronik.
Kommutierungseinbrüche
Bild 1 zeigt einen typischen Fall von Kommutierungseinbrüchen. Die Einbrüche sind Folgen eines
gesteuerten Gleichrichters der im normalen Betrieb Strom einer Phase zu einer anderen gleichrichtet.
Üblicherweise werden solche Störungen mit Induktivitäten, wie Transformatoren, oder Drosselspulen
abgeblockt, die zwischen Energiequelle und Antrieb geschaltet werden.
Aufgrund unserer Erkenntnis, können wir eine Faustregel definieren, dass eine Kurve mit
Kommutierungseinbrüchen von Gleichrichtern der Leistungselektronik oder eines Motorantriebs
verursacht wird.
Lockere Verbindungen
Keine Regel ohne Ausnahme! Werfen wir einen Blick auf Bild 2. Es ist eine andere Kurvenform, die
ebenfalls ähnlichen Einkerbungen aufweist. Aber in diesem Fall ist die Ursache der Störung komplett
anders. Sie wurde durch eine schlechte Verbindung an einem Verteiltransformator verursacht. Zu
beachten ist, dass die Kerbungen in Bild 2 an einer anderen Phasenlage der Kurvenform auftreten, wie bei
dem vorherigen Beispiel.
Bild 2. Kurvenform mit Einkerbungen. Verursacht durch eine lockere Verbindung.
Sind Sie überzeugt, dass Bild 2 durch eine lockere Verbindung verursacht wurde? Nach der ersten
Überprüfung durch den Netzqualitätsingenieur des Elektrizitätswerks, war sich noch niemand richtig
sicher. Nach einigen Tagen hat sich die Verbindung so stark verschlechtert, dass sich der erste Verdacht
erhärtete, wie in Bild 3 ersichtlich ist. Schon einen Tag später fiel der Transformator auf Grund einer
schlechten internen Klemmverbindung aus.
Bild 3. Kurvenform nach fortgeschrittener Verschlechterung der Verbindung.
Bei der Überwachung der Netzqualität bringt die Überprüfung des Stroms weitere Informationen zur
Ursache von Störungen. In diesem Fall war es teilweise lehrreich. Bild 4 zeigt beides; Spannungs- und
Stromverlauf eines Störschiebs.
Die Spannungskerbe tritt genau zum Zeitpunkt des Nulldurchgangs des Stromes auf. Dies bedeutet, dass
der Strom dazu tendiert, sich im Nulldurchgang auf Grund der schlechten Kontaktierung selbst zu löschen.
Wir sehen, dass der Strom für einige Zeit auf Null geht. Auch sehen wir, dass die Spannung im ihrem
Nulldurchgang nicht gestört ist, weil sie auf Grund des nacheilenden Leistungsfaktors nicht genau in
Phase mit dem Strom ist. Typisch für eine induktive Last.
Bild 4. Spannungs- und Stromkurve einer Schaltung mit schlechter Verbindung.
Nun sind wir in der Lage eine Faustregel für schlechte Kontakte aufzustellen. Wenn die Störung in der
Spannung gleichzeitig mit dem Nulldurchgang des Stromes erscheint, weist dies auf eine mögliche,
schlechte Kontaktierung, oder einen offenen Stromkreis hin.
Wir ergänzen die Faustregel und stellen fest, dass bei einem Stromkreis mit nacheilendem Leistungsfaktor
eine schlechte Kontaktierung dann gegeben ist, wenn die Spannungseinbrüche dem Nulldurchgang folgen.
Isolationsfehler aufspüren
Werfen wir einen Blick auf ein anderes Beispiel. Bild 5 zeigt einen Spannungseinbruch, der sich in der
Spitze der Amplitude ereignet. Diese teilweise Störung wurde durch einen Fehler in einem unterirdisch
verlegten Stromkabel verursacht. Typischerweise beginnen Fehler in verlegten Stromkabeln mit kleinen
Leckströmen, welche die Isolation langsam verschlechtern. Dieser Prozess kann Tage dauern, das Kabel
„kocht“ und die Isolation ist letztendlich katastrophal geschädigt. Die Erfahrung eines
Elektrizitätsversorgungsunternehmens zeigt, dass dieser Kurvenform sehr typisch für Fehler in
unterirdisch verlegten Kabeln ist.
Bild 5. Kurvenform folgt einem Durchschlag in einem unterirdischen Kabel.
Nun können wir eine Faustregel aufstellen: wenn sich ein Spannungseinbruch in der Spitze des Sinus
ereignet, dann ist ein Isolationsdefekt wahrscheinlich. Das mach intuitiv Sinn, denn die Beanspruchung
der Isolation ist in der Sinusspitze am Grössten, darum ist dies der wahrscheinlichste Punkt eines
Durchschlages. Bevor wir jedoch zu einfach mit dieser Faustregel umgehen, sehen wir und Bild 6 an.
Störungen durch kapazitive Schaltungen
Bild 6 zeigt die Störung durch die Aufladung einer Kondensatorbank in einem Unterwerk, Die
Kondensatoren wurde zugeschaltet, um Blindleistungsverluste zu kompensieren und die
Energieübertragung im Stromnetz zu unterstützen.
Zu beachten ist, dass sich die Störung ebenfalls in der Spitze der des Sinus ereignet. Aber können wir
diese kapazitive Schalttransiente anhand des Ausschwingens der Eigenfrequenz erkennen?
Bild 6. Typische Störung verursacht, durch die Aufladung einer Kondensatorbank.
Bild 7 zeigt uns, dass kapazitive Schaltransienten wegen der Dämpfung und der Distanzen in dem System
nicht immer von Ausschwingvorgängen begleitet sind. Es lernt uns eine wichtige Lektion: das Energienetz
überträgt niederfrequente Störungen, aber hochfrequente Störungen (10kHz und schneller) werden sehr
schnell gedämpft, je weiter entfernt sie stattfinden.
.
Bild 7. Aufladung einer Kondensatorbank aus der Distanz gesehen.
Einmal mehr müssen wir die Faustregel über Isolationsschäden verbessern: wir stellen fest, dass
Störungen, die sich in der Nähe der Spitze des Sinus ereignen und die Spannung sich schnell gegen Null
ändert, ein Kabelfehler, oder ein anderer Isolationsdurchschlag vorliegt. Aber sehen wir noch einen
anderen Vorbehalt zu unserer Faustregel.
Figure 8. Fehler während der Schaltung eines Spannungsreglers.
Bild 8 zeigt eine Störung des Spannungsreglers eines Stufentransformators.Der betroffene Regler war für
120V und 15A bemessen, vorgesehen für kleine Bürolasten. Der Betrieb des Stufenschalters erschien
suspekt. Es war möglich, dass ein „öffnen-vor-schliessen“ Kontakt defekt war. Aber als das Abbild zum
Hersteller gesendet wurde, hat die zuständige Vertretung geantwortet, dass diese Art der Störung den
Betrieb von PC’s nicht beeinträchtigen würde, ohne einen Kommentar abzugeben, ob der Schalter korrekt
arbeiten würde.
Zusammenfassend kann man sagen, dass bestimmte Arten von Störungen in Verteilnetzen, bestimmte
Kurven-Signaturen erzeugen. Aber eine spezifische Art Kurven-Signatur kann gut viele verschiedene
Ursachen haben. Das Wissen über die Lage und benachbarte Lasten sind für gewöhnlich wichtig für die
Interpretation von Störschrieben.
Zusammenfassende Schriebe verstehen
Einige Netzanalysatoren erlauben die Zusammenfassung von mehrfachen Ereignissen in einem Schrieb.
Für viele Anwender ist dies ein bequemer Weg, Netzqualität über einen längeren Zeitraum zu
charakterisieren. Ein Beispiel eines Spannungseinbruchs ist in Bild 9 dargestellt.
Figure 9. Spannungseinbruch auf 107V und einer Dauer von 0.133 Sekunden.
Üblicherweise werden Spannungseinbrüche über Amplitude (evtl. Minimumwert) und Dauer (Zeit, in der
sich das Signal ausserhalb der vorgegebenen Grenzen bewegt) zusammengefasst, so dass diese Ereignisse
mit veröffentlichten Geräte-Empfindlichkeitskurven verglichen werden können. Die bekannteste
Empfindlichkeitskurve wurde von der Business Equipment Manufacturers Association (CBEMA)
entwickelt und repräsentiert die Eignung der Geräte eine Störung von bestimmter Tiefe und Dauer zu
„überleben“.
Als Beispiel: in Bild 10 wurden total 74 Ereignisse zusammengefasst. 44 dieser Ereignisse befinden sich
ausserhalb der CBEMA-Kurve und würden voraussichtlich einen Schaden an den Geräten bewirken, die
für die CBEMA-Grenzwerte ausgelegt wurden.
Figure 10. Zusammenfassung von Störungen anhand der CBEMA Amplitude-Dauer-Kurve.
Unglücklicherweise können Zusammenfassungen, wie in Bild 10, falsch ausgelegt werden. Beispiel:
einige Netzanalysatoren reportieren jede einzelne Phase, die ausserhalb der Grenzwerte fällt. So wird ein
Spannungseinbruch in der Zusammenfassung 3 mal erscheinen, wenn alle drei Phasen ausserhalb der
Grenzen waren, obwohl das Licht nur einmal ausfiel.
Es ist wichtig, dass die Daten in der Zusammenfassung verständlich für den Anwender und seine
Auffassung von Netzqualität sind. Die meisten Anwender ziehen eine Zusammenfassung vor, die mehr
ihrer Auffassung von Netzstörungen entspricht. So dass ein Ereignis, auch wenn auf allen Phasen
aufgetreten, auch als ein Datenpunkt erfasst wird.
Die PQView Analysesoftware, entwickelt von Electrotek für EPRI hat die Fähigkeit die Daten so
entsprechend zu gruppieren. Die Summierung, oder Gruppierung, der Daten erlaubt es dem Anwender
Ereignisse nach wichtigen Kriterien individuell zu kombinieren und die Charakteristika auf der
schlechtesten Phase zu reportieren. Wenn wir also Messdatengruppierung verwenden, um mehrfache
Phasenverletzungen zusammenzufassen, dann kriegen wir Messdaten wie in Bild 11.
Bild 11. Zusammenfassung mit gruppierten Messdaten
.
In zukünftigen Netzqualitätsverträgen zwischen Energielieferanten und Grossabnehmer kann klar
spezifiziert werden, wie viele Spannungseinbrüche erlaubt sind. Es ist annähernd sicher, dass diese
Ereignisse mittels Gruppieren so zusammengefasst werden, dass ein allphasiger Spannungseinbruch nur
einmal gezählt wird.
Figure 12. Wiedereinschaltung, kürzer als 0.5 Sekunden auseinander.
Wiedereinschaltungen
in
Versorgungssystemen
sind
Teil
automatisch
reagierender
Hochspannungstrenner. Dieser Vorgang ist wichtig für den verlässlichen Betrieb von Versorgungsnetzen.
Allerdings kann dieser Vorgang auch zu mehrfachen Spannungseinbrüchen in kurzer Zeit führen, wenn
die Wiedereinschaltung nicht erfolgreich war. Ein Beispiel ist in Bild 12 gezeigt. Aufgrund der sehr
kurzen Trennzeiten, sind Kunden normalerweise nur einmal von solchen Schaltvorgängen betroffen.
Netzqualitätsverträge werden höchstwahrscheinlich auch solche zeitlichen Gruppierungen anwenden. Die
Gruppierung von Messung über ein bestimmte Zeitperiode. Dies stellt sicher, dass jedes reportierte
Ereignis auch tatsächlich ein für den Endkunden relevantes Ereignis ist.
Bild 13 zeigt die gleichen Messdaten in einer zeitlichen Gruppierung. Wir sehen an 13 einzelnen Tagen
schwerwiegende Ereignisse und welches das schlimmste Ereignis an welchem Tag war.
Bild 13. Zusammenfassung von Messdaten revidiert durch zeitliche Gruppierung (86400 Sekunden).
Fazit
Etliche Beobachtungen in diesem Bericht helfen uns die Ursachen von Netzstörungen anhand der
Wellenformen zu identifizieren
1. Isolationsdefekte verursachen Störungen in der Spitze der Spannungskurve
2. Schlechte Kontakte verursachen Störungen der Spannungskurve nahe des Nulldurchgangs des Stroms.
3. Kapazitive Ladetransiten verursachen scharfe Einbrüche in Richtung null Volt, gefolgt von einer
gedämpften Schwingung auf der Netzfrequenz.
4. Hochfrequente Transienten werden in der Distanz grösstenteils gedämpft. Netzstörungen, die
hochfrequente Anteile enthalten weisen auf eine Störung in der Nähe hin.
Wissen über das elektrische Umfeld ist von grundlegender Bedeutung bei der Interpretation von
Kurvenformen, weil unterschiedlichste Ursachen ähnliche Kurvenmuster erzeugen.
Zusammenfassende Schriebe von Netzereignissen sollten die Auffassung von Endkunden reflektieren.
Diese Schriebe sollten die Gruppierung von mehrfachen Ereignissen, die gleichzeitig auf mehreren Phasen
auftreten oder während eines normalen Wiedereinschaltzyklus auftreten, beinhalten um deren Anzahl
nicht überzubewerten. Diese Technik ist speziell wichtig in erstklassigen Versorgungsverträgen zwischen
Energielieferanten und deren wichtigsten Kunden.
References
1. McEachern, Alex. Handbook of Power Signatures, 2nd Edition, published by Dranetz-BMI.
2. Dugan, McGranaghan, and Beaty. Electrical Power Systems Quality, McGraw-Hill
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