In Europa schlägt die Stunde der Wahrheit

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Newsletter vom 15. November 2011
In Europa schlägt die Stunde der Wahrheit
Neben dem bankrotten Griechenland ist auch Italien in das Epizentrum der europäischen Finanzkrise
gerückt. Die Renditen von 10-jährigen Staatsanleihen sind letzte Woche vorübergehend auf bis zu
7.25% angestiegen. Dies ist insofern besorgniserregend, weil bis jetzt alle Eurostaaten mit
Bondrenditen von über 7% die Hilfe des Staatsrettungsschirmes und des IWF in Anspruch nehmen
mussten. Seit der Ankündigung einer neuen Uebergangsregierung, ist die Rendite wieder knapp
unter die 7%-Marke gerutscht. Aber auch mit Technokraten am Ruder bleiben viele Fragen offen.
Wo, wie, und wie weit werden Reformen gemacht? Wie werden diese durchgesetzt? Werden sie von
allen grossen Parteien mitgetragen? Bleibt genügend Zeit? Denn eines ist klar, die Krisenspirale
beginnt sich immer schneller zu drehen. Um diese zu durchbrechen, wollen die Märkte rasche,
glaubwürdige Resultate sehen.
Muss Italien mit derzeit EUR 1‘900 mrd Schulden tatsächlich unter den Rettungschirm, wird dieser
nicht reichen, auch wenn er bis auf das Äusserste gehebelt würde. Unter der Schirmherrschaft der
Troika (IWF, EZB und EU-Kommission) müssen dann Teilabschreibungen in Kauf genommen werden.
Gemäss Edito-Matières-Premières schuldet Italien per 31.12.2010 an Frankreich USD 511 mrd, an
Deutschland USD 190 mrd und an Grossbritannien USD 77 mrd. Der grösste Teil dieser Schuldpapiere
befinden sich im Besitze von Banken und Versicherungen. Dies würde dann auch Frankreich in den
Abwärtssog reissen, da der Staat die Finanzinstitute stabilisieren müsste. Für die Realwirtschaft ist
jetzt schon spürbar, dass eine grosse Kreditklemme droht, mit sehr negativen Folgen für West- und
Osteuropa. Um die kommende Rezession in Europa aufzuhalten bräuchte es dringend fiskalpolitische
Massnahmen, wie weitere Steuerbefreiung von Unternehmen. Doch diese Mittel sind hüben wie
drüben ausgeschöpft. Ueberall sind die Schulden bereits so hoch, dass man sich nicht noch mehr
aufbürden kann. Wird Europa zusammenrücken und sich in eine zentralistische Fiskalunion wandeln
oder wird die heutige Form der EU auseinanderbrechen? Auf Teufel komm raus Geld drucken und
hoffen, dass die heutigen Strukturen erhalten bleiben ist keine Option mehr. Das ist nicht nur den
Devisenmärkten offensichtlich, sondern allmählich auch den Politikern und Zentralbanker. In Europa
stellt sich die EZB dezidiert gegen solchen Aktivismus und in den USA sind bereits 3 von 10
stimmberechtigten Zentralbankmitgliedern gegen neue Aufkaufprogramme von Wertschriften an
den Finanzmärkten. Trotzdem könnte Anfang des nächsten Jahres ein drittes Programm für den
Aufkauf von Immobilienobligationen eingeleitet werden, denn der für den privaten Konsum so
wichtige Immobilienmarkt hat sich immer noch nicht genügend stabilisiert.
Trotz alledem konnten von der Kunjunkturfront in den letzten Wochen auch ermutigende Daten
gemeldet werden. So wurden in den USA im Monat Oktober mehr Arbeitsstellen geschaffen und das
Konsumentenvertrauen sowie die Lagerbestände stiegen leicht an.
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Aufgrund der fehlenden Konsumkraft aus den USA und Europa bremst das Wachstum auch in den
Emerging Markets, mit der wohltuenden Nebenwirkung, dass der Teuerungsdruck allmählich
nachlässt. Doch die NZZ schreibt seit einigen Wochen, dass die Qualität mancher Kreditportfolios von
brasilianischen und chinesischen Geschäftsbanken stark abgenommen hat. Ausserdem sollen die
abgenommenen Lagerbestände von langlebigen Gütern in China nicht im gleichen Masse wie in der
letzten Krise vor 3 Jahren wieder aufgefüllt werden. Dies muss aber nicht heissen, dass die grossen
Schwellenländer auch in die Krise der entwickelten Staaten geraten. Denn durch eine konservative
Lagerhaltungspolitik werden grössere Schwankungen bei Bestellungen vermieden. Dieses „just in
time Lieferungsprinzip“ beherrschen japanische Unternehmen seit Jahren hervorragend.
Für unsere Anlagepolitik gehen wir von einer Rezession in Europa (-2%) und einem schwachen
Wachstum in den USA (+1.5%) aus. Das heisst etwa Nullwachstum in den entwickelten
Wirtschaftsregionen. In den Emerging Markets gehen wir von einem niedrigeren Wachstum aus als in
den letzten Jahren (+4%). Die Weltkonjunktur sollte somit knapp im plus gehalten werden. Wegen
der kurzfristig drohenden Kreditklemme, raten wir, als oberstes Gebot, in liquide Anlagen zu
investieren und Alternativinvestitionen wie Hedge Funds und Commodities abzubauen, zu Gunsten
von Edelmetallen (Gold und Platin). Aufgrund der hervorragenden Bilanzen von multinationalen
Unternehmen, empfehlen wir weiterhin, die Aktienquote wie die Strategie zu gewichten, mit einem
Fokus auf dividendenstarke Valoren der Pharma-, Nahrungsmittel- und Technologiebranche sowie
auf stark abgestrafte Nebenwerte. Banken und Versicherungen meiden wir. Die Gewichtung der
Obligationen halten wir immer noch unter der Strategie, jedoch mit leicht längerer Duration. Mit
Zinserhöhungen rechnen wir frühestens ab 2013. Hingegen raten wir, Immobilienanlagen, aufgrund
der zum Teil sehr hohen Anlageprämien zum Inventarwert, untergewichtet zu halten.
Gh/15.11.2011
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