Übungsblatt 2 Lösungen MAT122 Analysis II Frühjahrsemester 2017 Prof. Dr. Camillo De Lellis Die Übungsblätter werden jeweils am Freitag auf der Homepage der Vorlesung publiziert. Für den Leistungsnachweis müssen mindestens 8 gelöste Übungsblätter mit mindestens 12 Punkten abgegeben und insgesamt mindestens 280 Punkte erreicht werden. Generell soll die Herleitung der Resultate übersichtlich sein, und es wird gebeten, leserlich zu schreiben. Abgabe: Freitag 10. März 13:00 im Briefkasten “Analysis II Mat 122” im K-Stock am Institut für Mathematik Aufgabe 1 (12 Punkte) Welche der folgenden Funktionen f : X → Y sind stetig (begründen Sie Ihre Antwort)? (a) X = [0, 1] ∪ [2, 3] und Y = R (mit der Euklidischen Topologie), ( f (x) = 0 1 auf [0, 1] auf [2, 3]. (b) X = Y = R2 (mit der Euklidischen Topologie), f (x1 , x2 ) = (x21 + x2 sin x1 , x32 − sin(ex1 +x2 )). (c) X = R3 , Y = R (mit der Euklidischen Topologie) f (x1 , x2 , x3 ) = |x1 | + |x2 | + |x3 |. (d) X = Y = R mit der Topologie τ = {A : R \ A endlich} ∪ {∅}, f (x) = sin x. (e) X = R2 mit der Metrik d(x, y) = |x1 −y1 |+|x2 −y2 |, Y = R mit Euklidischer Topologie, f (x) = x21 +x22 . (f) X = R mit der Topologie τ von (d) und Y = R mit der Euklidischen Topologie, f (x) = x. Lösung: (a). Die Stetigkeit von f folgt direkt aus dem Folgenkriterium. Falls {xk } ⊂ [0, 1] ∪ [2, 3] eine Folge mit limk xk = x ist, dann ist entweder x ∈ [0, 1] und deshalb xk ∈ [0, 1] für fast alle k, oder x ∈ [2, 3], und in dem Fall analog xk ∈ [2, 3] für fast alle k. In beiden Fällen folgt, dass limk f (xk ) = f (x). (b). Es reicht, die Stetigkeit der zwei Koordinatenfunktionen zu betrachten. x 7→ x22 , x 7→ x2 und x 7→ x1 sind Polynome und deshalb stetig. sin : R → R ist stetig und deshalb ist (x1 , x2 ) 7→ sin x2 als Komposition stetiger Abbildungen ebenfalls stetig. Die Funktion x 7→ x2 sin x1 ist dann als Produkt stetiger Funktionen stetig, und deshalb ist die erste Koordinatfunktion x 7→ x21 + x2 sin x1 stetig (als Summe stetiger Funktionen). Ähnlicherweise: x 7→ x32 und x 7→ x1 + x2 sind Polynome und deshalb stetig; x 7→ − sin(ex1 +x2 ) ist als Komposition stetiger Funktionen stetig. Die zweite Koordinatfunktion x 7→ x32 − sin(ex1 +x2 ) ist somit wieder als Summe stetiger Funktionen stetig. 1 (c). Die Abbildung ist Lipschitz und deshalb stetig: |f (x) − f (y)| = |x1 | − |y1 | + |x2 | − |y2 | + |x3 | − |y3 | ≤ |x1 | − |y1 | + |x2 | − |y2 | + |x3 | − |y3 | ≤ |x1 − y1 | + |x2 − y2 | + |x3 − y3 | ≤ 3|x − y| . (d). Die Funktion ist nicht stetig: U = {x ∈ R : x 6= 0} ist eine offene Menge in der Topologie τ (da R \ U = {0} endlich). Das Urbild f −1 (U ) ist aber die Menge R \ {nπ : n ∈ Z}. Da ihr Komplement demnach die unendliche Menge {nπ : n ∈ Z} ist, ist f −1 (U ) kein Element der Topologie τ . (e). Die beiden Abbildungen x 7→ x1 und x 7→ x2 sind stetig, da sie Lipschitz bezüglich der Metrik d sind: |x1 − y1 | ≤ d(x, y) und |x2 − y2 | ≤ d(x, y) . Dann sind x 7→ x21 und x 7→ x22 als Produkt stetiger Funktionen stetig und x 7→ x21 + x22 ist als Summe stetiger Funktionen stetig. (f ). Die Funktion ist nicht stetig: die Halbegerade ]0, ∞[ ist offen in der Euklidischen Topologie und ihr Urbild f −1 (]0, ∞[) ist sie selber. Jedoch ist sie kein Element der Topologie τ , weil das Komplement ] − ∞, 0] keine endliche Menge ist. Aufgabe 2 (12 Punkte) Welche der folgenden Teilmengen von Rn sind kompakt in der Euklidischen Topologie (begründen Sie Ihre Antwort)? (a) A = {x ∈ R2 : x31 = x42 }. (b) B = {x ∈ R3 : |x1 | + |x2 | + |x3 | = 2}. T (c) C = k Ck wobei: – C0 = [0, 1] × [0, 1] ⊂ R2 – C1 besteht aus den 4 verbleibenden Quadraten mit Seitenlänge {x ∈ R2 : 14 < x1 < 34 } ∪ {x ∈ R2 : 41 < x2 < 43 } wegnehmen; – C2 besteht aus den 16 verbleibenden Quadraten mit Seitenlänge in allen 4 Quadraten von A1 anwenden; 1 4, 1 16 wenn wir von C0 die Menge wenn wir das obige Verfahren – usw. (d) D = (Q × R) ∩ ([0, 1] × [0, 1]) ⊂ R2 ; (e) E = N × N × [0, 1] ⊂ R3 ; S (f) F = {0} ∪ k Fk wobei Fk = {x ∈ R2 : 2−(4k+1) ≤ |x| ≤ 2−(4k−1) }. Lösung: (a). A ist nicht kompakt: die Folge {xk }k∈N = {(k 4 , k 3 )}k∈N gehört zu A, aber da sie besitzt keine konvergente Teilfolge, da limk |xk | = ∞. (b). B ist kompakt. Da |x1 | + |x2 | + |x3 | ≥ |x| ist B in der abgeschlossenen Kugel K2 (0) enthalten und deshalb ist B beschränkt. Andererseits ist die Funktion x 7→ f (x) = |x1 | + |x2 | + |x2 | stetig (siehe Aufgabe 1). Da {2} ⊂ R eine abgeschlossene Menge ist, ist somit auch B = f −1 ({2}) abgeschlossen. (c). C0 ist beschränkt, und da C ⊂ C0 ist auch C beschränkt. Andererseits ist jedes Quadrat der Form Q = [a, a + `] × [b, b + `] abgeschlossen: falls {xk } = {(xk1 , xk2 )} ⊂ Q eine konvergente Folge ist, dann haben wir {xk1 } ⊂ [a, a + `] und {xk2 } ⊂ [b, b + `]; deswegen ist x1 = limk x1k ∈ [a, a + `] und 2 x2 = limk xk2 ∈ [b, b + `], d.h. der Grenswert x = limk xk gehört ebenfalls zu Q. Da jedes Ck eine T Vereinigung endlich vieler solcher Quadrate ist, ist es auch abgeschlossen. Schliesslich ist C = k Ck abgeschlossen. Somit ist C beschränkt und abgeschlossen, d.h. kompakt. √ (d). D ist nicht kompakt, weil nicht abgeschlossen: ( 2/2, 0) ist der Grenzwert einer Folge {xk } der Form xk = (q k , 0) mit q k ≥ 0 und q k ∈ Q. Deswegen haben wir {xk } ⊂ D, aber der Grezwert gehört nicht zu D. (e). E ist nicht beschränkt (und deshalb nicht kompakt), weil die Folge {(n, 0, 0)}n∈N zu E gehört. (f ). F ist in der abgeschlossenen Kugel K2 (0) enthalten und deshalb beschränkt. Jedes Fk ist abgeschlossen, weil die Funktion x 7→ f (x) = |x| stetig ist und Fk = f −1 ([2−(4k+1) , 2−(4k−1) ]), d.h. Fk ist das Urbild einer abgeschlossenen Menge unter einer stetigen Funktion. Schliesslich ist F abgeschlossen. In der Tat, sei {x` } ⊂ F eine konvergente Folge und setzen wir ρ := lim` |x` |. Falls ρ = 0, dann konvergiert x` zu 0, was ein Element von F ist. Falls ρ 6= 0 behaupten wir, dass ρ zu einem der Intervalle S Ik = [2−(4k+1) , 2−(4k−1) ] gehört. In der Tat, sicher gilt ρ ≤ 2, weil |x` | ≤ 2 für jedes `. Wäre ρ 6∈ k Ik , dann gäbe es ein k0 , so dass ρ ∈]2−(4k0 −1) , 2−(4k0 −3) [=: J . Aber dann gehören fast alle |x` | zum Intervall J. Dies wiederspricht jedoch der Annahme {x` } ⊂ F . Also ist F abgeschlossen und beschränkt, d.h. kompakt. Aufgabe 3 (12 Punkte) (a) (9 Punkte) Betrachten Sie die Funktion ( f (x1 , x2 ) = falls x1 6= 0 und x2 = x21 sonst . 1 0 Beweisen Sie, dass f nicht stetig in 0 ist, obwohl ihre Einschränkung auf jede Linie ` mit 0 ∈ ` stetig in 0 ist. (b) (3 Punkte) Finden Sie ein Beispiel (ohne Beweis!) einer Funktion g : R2 → R so dass: – Die Einschräkung von g auf jede Linie von R2 ist stetig; – g ist nicht stetig (auf R2 ). Lösung: (a). Sei ` eine Linie mit 0 ∈ `, also eine Linie der Form {(λv1 , λv2 ) : λ ∈ R}, wobei v = (v1 , v2 ) 6= 0, ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei v2 6= 0. Falls v1 = 0, dann ist die Einschränkung von f auf ` identisch 0 und deshalb stetig. Wenn v1 6= 0, dann haben wir: λv2 − λ2 v12 = λv12 v2 −λ v12 . Also gibt es δ = |v|v12||2 > 0 , so dass wenn |λ| < δ, dann gilt vv22 −λ 6= 0, und deshalb f (λv) = 0. Deswegen 1 ist f |` identisch null in einer Umbegung von 0. Somit ist die Einschränkung stetig in 0. Schliesslich, die Folge xk = ( k1 , k12 ) konvergiert nach 0, aber limk f (xk ) = 1 6= 0 = f (0). Die Funktion f ist demnach nicht stetig in 0. 3 (b). Ein Beispiel von g ist die folgende Funktion: g(x1 , x2 ) = 0 2 x21 2 x21 falls x2 ≥ x2 − 3x21 2 x21 2 − x2 falls x21 2 3x21 2 oder x2 < x21 2 ≤ x2 ≤ x21 falls x21 ≤ x2 ≤ 3x21 2 . Aufgabe 4 (12 Punkte) Sei (Y, τ ) ein topologischer Raum und X ⊂ Y eine Teilmenge. (a) (3 Punkte) Beweisen Sie, dass τ 0 := {A ∩ X : A ∈ τ } eine Topologie auf X ist. τ 0 heisst Unterraumtopologie; (b) (6 Punkte) Beweisen Sie, dass falls (Y, τ ) ein kompakter topologischer Raum ist und X ⊂ Y abgeschlossen ist, dann ist (X, τ 0 ) kompakt. (c) (3 Punkte) Geben Sie ein Beispiel eines kompakten topolgischen Raumes (Y, τ ) und einer Teilmenge X ⊂ Y so dass (X, τ 0 ) nicht kompakt ist. Lösung: (a). Wir prüfen nach, ob τ 0 eine Topologie ist: (i) ∅ = ∅ ∩ X und X = Y ∩ X: da {∅, Y } ⊂ τ , folgt, dass {∅, X} ⊂ τ 0 . (ii) Sei {Aλ }λ ⊂ τ 0 . Dann gibt es offene Mengen Bλ ∈ τ mit Bλ ∩ X = Aλ . Da S S S 0 λ Aλ = λ Bλ ∩ X = ( λ Bλ ) ∩ X ∈ τ . S λ Bλ ∈ τ , folgt (iii) Ähnlicherweise seien A1 , . . . , AN ∈ τ 0 . Dann gibt es offene B1 , . . . , BN ∈ τ mit Bi ∩ X = T Mengen TN TN TN N 0 Ai . Da i=1 Bi ∈ τ , folgt i=1 Ai = i=1 Bi ∩ X = i=1 Bi ∩ X ∈ τ . (b). Sei {Uλ }λ ⊂ τ 0 eine offene Überdeckung von X und für jedes λ sei Vλ ∈ τ mit Vλ ∩ X = Uλ . Da X abgeschlossen ist, ist X c offen. Deswegen ist {X c } ∪ {Vλ }λ eine offene Überdeckung von Y . Die Kompaktheit von Y impliziert die Existenz einer endlichen Teilüberdeckung. Falls die Menge X c nicht zu dieser Teilüberdeckung gehört, können wir sie noch addieren und deshalb eine offene Übederckung der Form {X c , Vλ1 , . . . , VλN } finden. Es folgt, dass {Uλ1 , . . . , UλN } eine Überdeckung von X ist. Das beweist also, dass {Uλ }λ eine endliche Teilüberdeckung von X enthält. (c). Betrachte Z = R mit der Euklidschen Topologie. Als topologischen Raum (Y, τ ) nehmen wir die Teilmenge Y = [0, 1] von Z und versehen sie mit der Unterraumtopologie τ . (Y, τ ) ist tatsächlich kompakt: wenn {Aλ } ⊂ τ eine Überdeckung von Y ist, dann gibt es für jedes λ eine offene Menge Bλ ⊂ Z, so dass Bλ ∩ Y = Aλ . Deshalb ist {Bλ }λ eine Überdeckung von [0, 1] mit Mengen, welche offen in der Euklidischen Topologie sind. Da [0, 1] eine kompakte Teilmenge von R ist, gibt es eine endliche Teilüberdeckung {Bλ1 , . . . , BλN } von [0, 1]. Deswegen ist auch {Aλ1 , . . . , Aλn } eine endliche Teilüberdeckung. Sei nun X = [0, 1[ und τ 0 die entsprechende Unterraumtopologie. Wir behaupten, dass (X, τ 0 ) nicht kompakt ist. Jede Menge [0, 1 − n1 [ gehört zu τ 0 : in der Tat, ] − 1, 1 − n1 [ ist offen in R, deshalb ist [0, 1 − n1 [=] − 1, 1 − n1 [∩[0, 1] ein Element von τ und [0, 1 − n1 [= [0, 1 − n1 [∩[0, 1[ ein Element von τ 0 . Die Familie F = {[0, 1 − n1 [: n ∈ N \ {0}} ist dann eine offene Überdeckung von [0, 1[. Diese Überdeckung 4 besitzt keine endliche Teilüberdeckung: wenn F 0 = {[0, 1 − Maximum N = max{n1 , . . . , nK } und 1 ni [: n1 , . . . , nK ∈ N \ 0}, dann gibt es ein K [ 1 1 0, 1 − = 0, 1 − . ni N i=1 Aufgabe 5 (12 Punkte) Sei k · k eine Norm auf Rn . (a) (9 Punkte) Beweisen Sie, dass die Menge {x : kxk ≤ 1} eine kompakte Teilmenge von Rn (mit der Euklidischen Topologie) ist; (b) (3 Punkte) Schliessen Sie, dass kyk∗ = sup{hy, xi : kxk ≤ 1} tatsächlich ein Maximum für jedes y ist. Lösung: (a). Betrachte die Standardbasis e1 , . . . , en in Rn . Dann ist v v v u n u n u n uX uX uX |xi |2 t kei k2 = t kei k2 |x| =: C|x| . kxk = kx1 e1 +. . .+xn en k ≤ |x1 |ke1 k+. . .+|xn |ken k ≤ t i=1 i=1 i=1 Die Abbildung x 7→ f (x) = kxk ist dann Lipschitz bezüglich der üblichen Euklidischen Metrik, weil |kxk − kyk| ≤ kx − yk ≤ C|x − y| . Da {x : kxk ≤ 1} = f −1 ([0, 1]) und [0, 1] abgeschlossen ist, folgt, dass {x : kxk ≤ 1} abgeschlossen ist (in der Euklidschen Topologie). Da x 7→ g(x) = |x| ebenfalls stetig ist, schliessen wir, dass auch die Sphäre S = {x : |x| = 1} abgeschlossen ist. Da S trivialerwise beschränkt ist, folgt, dass S kompakt ist. Deswegen nimmt die Abbildung f ein Minimum m auf S, d.h. es gibt eine Stelle x ∈ S mit f (x) = m. Da k · k eine Norm ist, gilt m > 0. Wir bemerken nun, dass falls y 6= 0, dann ist y kyk = |y| |y| ≥ m|y| . Also |y| ≤ m−1 kyk für alle y, denn für y = 0 ist die Ungleichung trivial. Nun, falls kxk ≤ 1, schliessen wir dass |x| ≤ m−1 < 2m−1 . Deshalb {x : kxk ≤ 1} ⊂ K2m−1 (0) . Die Menge {x : kxk ≤ 1} ist also beschränkt und abgeschlossen, d.h. kompakt. (b). Betrachten wir die Abbildung h(x) = hy, xi. h ist ein Polynom und deswegen stetig. Da die Menge {x : kxk ≤ 1} kompakt ist, hat h ein Maximum auf der Menge. 5