Brückenkurs Schulmathematik 1. Veranstaltung: Definition, Satz, Beweis, heuristische Strategien 19. April 2012 1. Definitionen Definition: Bestimmung eines (mathematischen) Begriffes. Beispiele: Definition eines mathematischen Objektes: Die Menge aller Punkte der Ebene, die von einem festen Punkt O einen festen Abstand r, r>0 haben, nennt man Kreis. Definition einer Eigenschaft eines mathematischen Objektes: Ein Dreieck, dessen Winkel alle spitze Winkel sind, heißt spitzwinkliges Dreieck. Definition einer Relation zwischen zwei (oder mehreren) mathematischen Objekten: Zwei natürliche Zahlen, die nur 1 als gemeinsamen Teiler haben, sind teilerfremd. Definitionsarten: 1. Übergeordneter Begriff+spezifizierende Eigenschaft: Die Gerade, die senkrecht auf der Strecke AB steht und diese halbiert, heißt Mittelsenkrechte. 2. Genetische Definition: Wird ein Kreis um einen seiner Durchmesser rotiert, so erzeugt man eine Kugelfläche. 3. Rekursive Definition: Die Folge a n mit a1 = 1 , a 2 = 1 und a n = a n −1 + a n − 2 für n>2 heißt Fibonacci-Folge. 4. Konvention: 0!= 1 5. indirekte Definition durch Axiome: Beispielsweise werden geometrische Grundbegriffe wie Punkt, Gerade, Ebene, Raum nicht definiert, ihre Eigenschaften werden aber durch die Inzidenzaxiome beschrieben. Aufgabe 1: Geben Sie mindestens ein weiteres Beispiel für jede oben genannte Definitionsart aus der Schulmathematik an! Forderungen an Definitionen: 1. Vollständigkeit 2. Widerspruchslosigkeit 3. Vermeidung von zirkulärer Abhängigkeit 4. Genauigkeit, Präzisität 5. Symmetrie (falls Symbole vorkommen) 6. logischer Aufbau (Stützung auf bereits definierte Begriffe) 7. Vermeidung von überflüssigen Angaben Aufgabe 2: Überprüfen Sie folgende Definitionen eines Rechtecks auf die oben genannten Kriterien! Ein Rechteck ist a.) ein Viereck, dessen Seiten gleich lang und dessen Winkel gleich groß sind. b.) ein Viereck dessen gegenüberliegende Seiten gleich lang sind. c.) ein Parallelogramm, dessen Winkel 90° betragen. d.) ein Viereck mit einem rechten Winkel. e.) ein Viereck, dessen Diagonalen sich gegenseitig halbieren. f.) ein Viereck, dessen Seiten gleich lang sind. g.) ein Viereck, dessen Winkel gleich groß sind. 2. Sätze Satz: Eine logische Aussage, die mittels eines Beweises als wahr erkannt wurde. Einfache Aussagen: 1. Die Mittelsenkrechten eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt. 2 ist irrational. 2. Die meisten Sätze werden allerdings in Form einer Implikation formuliert: A ⇒ B (aus A folgt B, wenn A, dann B) Umkehrung eines Satzes: B ⇒ A (aus B folgt A, wenn B, dann A) Gilt der Satz und auch dessen Umkehrung, dann sind die beiden Aussagen A und B äquivalent: A. ⇔ B. Kontraposition eines Satzes, Umkehrschluss: ¬ B ⇒ ¬ A (aus nicht B folgt nicht A, wenn nicht B, dann nicht A) Bemerkung: Die Aussagen A ⇒ B und ¬ B ⇒ ¬ A sind äquivalent zueinander. Aufgabe 3: Bilden Sie die Umkehrung bzw. die Kontraposition nachfolgender Sätze! Überprüfen Sie jeweils, ob die Umkehrung gilt! 1. Werden zwei Halbgeraden mit einem gemeinsamen Anfangspunkt von zwei Parallelen geschnitten, so verhalten sich die Längen von je zwei Streckenabschnitten auf der einen Halbgeraden wie die Längen der entsprechenden Streckenabschnitte auf der anderen Halbgeraden. (Mathematik Grundkurs 9, S. 66) 2. Werden zwei Halbgeraden mit einem gemeinsamen Anfangspunkt von zwei Parallelen geschnitten, so verhalten sich die Längen der Streckenabschnitte auf den Parallelen wie die vom Anfangspunkt aus gemessenen Längen der entsprechenden Abschnitte auf jeder der Halbgeraden. (Mathematik Grundkurs 9, S. 68) 3. Zwei Dreiecke, die in den Längen zweier Seiten und in der Größe des von diesen Seiten eingeschlossenen Winkels übereinstimmen, sind zueinander kongruent. (SWS) (Mathenetz 9, Ausgabe N, S. 22) 4. Eine Zahl ist durch 3 teilbar, wenn die Quersumme (Summe aller Ziffern der Zahl) durch 3 teilbar ist. (Mathenetz 6, S. 63) 5. Sind x1 und x 2 Lösungen der quadratischen Gleichung x 2 + px + q = 0 , dann gilt: x1 + x 2 = − p und x1 ⋅ x 2 = q . (Schnittpunkt 9, S. 186) 6. In allen rechtwinkligen Dreiecken, die in einem spitzen Winkel übereinstimmen, sind die Verhältnisse entsprechender Seiten gleich. (Lambacher Schweizer, Thüringen 10, S. 61) Beweis: Herleitung der Richtigkeit einer mathematischen Aussage. Einige Beweisverfahren Direkter Beweis: Indirekter Beweis: Vollständige Induktion: Beweis der Kontraposition: Gegenbeispiel: Beispiele: Die Mittelsenkrechten eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt. 2 ist irrational. 1 + 3 + 5 + ...(2n − 1) = n 2 Eine Zahl ist durch 3 teilbar, wenn die Quersumme (Summe aller Ziffern der Zahl) durch 3 teilbar ist. Jedes Viereck, dessen Diagonalen sich gegenseitig halbieren, ist ein Rechteck. 3. Heuristische Strategien Nach Pólya 1 ist die Heuristik die „Untersuchung der Mittel und Methoden des Problemlösens“. Heuristische Strategien sind allgemeine praktische Verfahren, mit deren Hilfe (mathematische) Probleme bewältigt werden können. Beispiele für heuristische Strategien: Systematisches Probieren • Spezialfälle überprüfen • Größere Fallmengen systematisch untersuchen und „empirische“ Beobachtungen sammeln und strukturieren Vorwärtsarbeiten • Aus dem Gegebenen Folgerungen ziehen Rückwärtsarbeiten • Die Aufgabe als gelöst annehmen und die sich daraus ergebenden Bedingungen analysieren • Von der Behauptung ausgehend eine wahre Aussage folgern Analogisieren • Nach ähnlichen (verwandten) Aufgaben Ausschau halten • Entsprechungen zwischen ebenen und räumlichen Gebilden ausnutzen Verallgemeinern • Eine oder mehrere Bedingungen fallen lassen 1 Pólya, Gy (1949): Schule des Denkens. • Aus konstanten Vorgaben Variable machen Darstellungswechsel • Übersetzen in einen anderen Kontext • Eine ebene Figur zeichnen, ein Diagramm erstellen, ein Funktionsgraph zeichnen, ein mechanisches Modell anfertigen 4. Aufgabe: Fußballtabelle (IQB 2010, A- und B-Heft Nr. 5.1, 5.2) Bei Fußball-Meisterschaftsspielen gilt: Für einen Sieg erhält eine Mannschaft drei Punkte, für ein Unentschieden einen Punkt, für Niederlagen gibt es keinen Punkt. Jede Mannschaft spielt im Verlauf einer Saison zweimal gegen jede andere Mannschaft. Die Punkte aller Spiele einer Mannschaft werden addiert. 1. Die Saison hat gerade begonnen. Eine Mannschaft hat bisher zweimal gespielt. Wie viele Punkte kann diese Mannschaft haben? 2. Begründe, warum eine Mannschaft nach drei Spielen nicht 8 Punkte haben kann. 5. Aufgabe: Handykauf (IQB 2010, A- und B-Heft Nr. 3.2) In der Preisliste des Händlers „Digital World“ steht das Handy „VR 17“ mit einem Nettopreis von 77,30 €. Ein Kunde muss beim Kauf zusätzlich 19 % Mehrwertsteuer zahlen. Der Telefonladen „X-World“ bietet dasselbe Handy zu einem Bruttopreis (einschließlich 19 % Mehrwertsteuer) von 89,25 € an. Wer verkauft das Handy günstiger? 6. Aufgabe: Drei Kugel mit dem gleichen Radius berühren einander paarweise und jede Kugel berührt die Ebene α . Bestimme den Radius derjenigen Kugel, die alle Kugel und die Ebene berührt! 7. Aufgabe: Quelle der Aufgaben: http://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/lernstand8/ls8materialien/mathematik/prozesskomp/problemloesen/heuristische-strategien.html (letzter Zugriff: 18.04.2012) Weiterführende Literatur: Lakatos, Imre (1979): Beweise und Widerlegungen. Braunschweig: Vieweg.