Körperliches Training und Sport Gibt es ein Potenzial bei der Prävention und Therapie von Prostatakrebs? ? Prof. Dr. Andreas M. Nieß Medizinische Universitätsklinik Tübingen Abteilung Sportmedizin http://www.medizin.uni-tuebingen.de/sportmedizin 3. Prostata-Hockete Tübingen 3.7.2011 Die häufigsten Todesursachen 2009 in Deutschland Anteil (%) 80 60 40 20 - 41,7 25,3 7,4 0Bösartige Erkrankungen Neubildungen des Herzkreislaufsystems 4,9 Erkrankungen Erkrankungen des Atmungs- des Verdauungssystems systems Quelle: Statistisches Bundesamt Lebensstil und Prävention von Erkrankungen ___________________________________________________________________ Der neidische Handwerksbursch Der Dicke schmaust, es perlt der Wein. Der Handwerksbursch schaut neidisch drein. Die Sonne brennt, der Staub der weht, Der Dicke fährt, der Dünne geht. W. Busch, 1877 Lebensstil und Prävention von Erkrankungen ___________________________________________________________________ Der neidische Handwerksbursch Der Handwerksbursch froh und frei Ruht sanft im duft´gen Wiesenheu Der Dicke aber - „Autsch! mein Bein!“ Hat wieder heut das Zipperlein. W. Busch, 1877 Körperliche Aktivität und Häufigkeit der koronaren Herzkrankheit Londoner Buspersonal: Signifikant geringere Häufigkeit der koronaren Herzkrankheit bei Schaffnern im Vergleich zu den Fahrern Morris et al. (1953) Lancet 265: 1111-20 Körperliche Aktivität und Krebsprävention Kolonkarzinom (Darmkrebs) Case-control Studien (retrospektiv) Relatives Risiko Prospektive Studien Relatives Risiko Dimeo F, Dtsch Z Sportmed 2004;55:177-82 Körperliche Aktivität und Krebsprävention Case-control Studien (retrospektiv) Brustkrebs Relatives Risiko Prospektive Studien Relatives Risiko Dimeo F, Dtsch Z Sportmed 2004;55:177-82 Körperliche Aktivität und Krebsprävention Prostatakrebs Epidemiologische Studien zum Effekt von körperlicher Aktivität auf das Prostatakrebsrisiko Studienzahl Zahl an Studien mit günstigem Effekt von körperlicher Aktivität Maximale Risikoreduktion Durchschnittliche Risikoreduktion 27 16 50% 10-30% Torti & Matheson (2004) Sports Med 34: 363 - 369 Körperliche Aktivität und Krebsprävention Prostatakrebs Signifikante Risikoreduktion für Prostatakrebs durch mehr als 30 min Gehen oder Radfahren / Tag Orsini et al. (2009) Br J Cancer 101: 1932 - 1938 Signifikante Risikoreduktion nur für aggressiven Prostatakrebs durch umfangreichere körperliche Aktivität Patel et al. (2005) Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 14: 275 - 279 Signifikante Risikoreduktion nur durch berufliche Aktivität, nicht für Freizeitaktivität Johnson et al. (2009) Int J Cancer 125: 902 - 908 Mögliche Mechanismen der krebspräventiven Wirkung von körperlichem Training Hypothesen: Allgemeine Effekte Anpassung der antioxidativer Systeme Auswirkungen auf den Lebensstil (z.B. Diät, Alkohol, Nikotin) Reduktion von Übergewicht Verbesserung der Immunfunktion (z.b. Nachweis einer gesteigerten Aktivität von natürlichen Killer (NK) - Zellen im Tiermodell durch Training) Antientzündliche Effekte von Training Mögliche Mechanismen der krebspräventiven Wirkung von körperlichem Training Hypothesen: Tumorspezifische Effekte Beeinflussung der hormonellen Regulation (Brustkrebs) Aktivierung der Darmperistaltik, schnellere Darmpassage (Darmkrebs) Absenkung des Testosteronspiegels (Prostatkrebs) Trainingsempfehlungen der Fachgesellschaften zur Prävention von Krebserkrankungen Erwachsene: Mindestens 30 Minuten an moderater bis intensiverer körperlicher Aktivität an 5 oder mehr Tagen pro Woche Kushi et al., American Cancer Society, 2006 Beispiele: Aktivitäten wie Walking oder Radfahren, die die zu einer Steigerung der Atmung und zumindest zu leichtem Schwitzen führen Mitnutzung von Alltags- und Berufsaktivitäten Ggf. Aufsummation kürzerer Trainings-/Aktivitätseinheiten ! Körperliche Aktivität und Training bei Tumorerkrankungen Krebserkrankung und Fatigue-Syndrom Grundkrankheit Symptome: Chronische körperliche & geistige Müdigkeit Antriebslosigkeit Abgeschlagenheit Erschöpfung Medikamentöse Behandlung (Chemo-, Hormon- oder Immuntherapie) Ursachen (Beispiele): Bewegungsmangel Stress Angst Depression Muskelmasse, - funktion Schädigung des Nervensystems Ernährungsstatus Herzkreislauffunktion Anämie Psychisches Gleichgewicht Psychosoziale Probleme Bewältigung des Alltags Wohlbefinden & Lebensqualität Strahlentherapie Ziele und Effekte eines Bewegungstrainings bei Patienten mit Krebs _______________________________________ - Zunahme der körperlichen Fitness - Korrektur des Fatigue-Syndroms - Erhöhung der Lebensqualität - Steigerung des psychischen Wohlbefindens - Reduktion therapiebedingter Nebenwirkungen - Günstige Beeinflussung der Prognose ? Nebenwirkungen einer antiandrogenen Therapie bei Prostata-Ca Knochendichte (bis -4%) Muskelmasse (bis -5%) Fettmasse (bis +21%) Körperliche Fitness (- 7%) Kraft (- 24%) Keogh et al. (2011) J Pain Symptom (in press) Lebensqualität Skelettmuskel (Querschnitt Oberschenkelmuskulatur) Effekte körperlichen Trainings bei Patienten mit Prostatakrebs Training: 2 - 5 Trainingseinheiten pro Woche Ausdauer- und/oder Krafttraining Effekte: Zunahme der aeroben Ausdauerleistungsfähigkeit Verbesserung der Muskelkraft Verbesserung der Lebensqualität Reduktion des Fatigue-Syndroms Zunahme der Muskelmasse Gruppentraining mit Supervision besser als Heimtraining Keogh et al. (2011) J Pain Symptom (in press) Vorgehen und Voraussetzungen zu Beginn eines therapiebegleitenden Trainings bei Krebserkrankungen - Beratung mit dem behandelnden Arzt - Klärung der körperlichen Belastbarkeit (Bestehen Kontraindikationen für bestimmte Bewegungsformen) - Klärung der Überwachungsnotwendigkeit - Beginn unter fachkundiger Übungsanleitung - Individuelle Trainingsgestaltung und -steuerung Sportmedizinische Leistungsdiagnostik - Klärung der körperlichen und sportlichen Belastbarkeit - Bestimmung der körperlichen Leistungsfähigkeit - Trainingssteuerung - Individuelle Trainingsberatung Durchführung des Trainingsprogrammes Allgemeine Grundsätze: - Auch bei Krebspatienten gelten die Regeln der Trainingslehre - Mehrmalige Durchführung pro Woche mit dem Ziel mindestens 3 x 30 - 45 min Ausdauertraining pro Woche - Zusätzlich 1 - 3 x Kraftausdauertraining (40 - 80% Maximalkraft/1-RM) - Bei wenig belastbaren Patienten ggf. Intervalltraining/nur Krafttraining - Ergänzung durch Übungen für Flexibilität und Koordination der grossen Muskelgruppen - Ergänzung durch eine gesteigerte Alltagsaktivität Zusammenfassung ________________________________________ Präventive Effekte von körperlicher Aktivität und Sport bei Prostatatakrebs noch nicht eindeutig belegt aber wahrscheinlich Trainingsempfehlung zur Prävention: Mindestens 30 Minuten an moderater bis intensiverer körperliche Aktivität an 5 oder mehr Tagen pro Woche Körperliche Aktivität und Training besitzen bei Prostatakrebs einen wichtigen Stellenwert als therapiebegleitende Maßnahme Positive Effekte Hinweise auf Ausdauer, Kraft, Muskelmasse, Fatigue-Syndrom und Lebensqualität sind belegt Einleitung eines individuell ausgerichteten Trainings unter interdisziplinärer Beratung und Betreuung Das neue Gesundheitszentrum